Darleen Alexander
Wölfe der Macht
Roman
Prolog
Josephine sah verträumt zu ihrer Mutter Camille auf und beobachtete ihr hübsches Profil. Ihre kleine Nase und die vollen Lippen, die seidig zarte Haut. Sie hatte hellere Haare und auch hellere Augen als Josephine. Ihre Mama hatte gesagt, sie wären braun. Josi selbst konnte nur erkennen, dass sie nicht so dunkel wie ihre Eigenen waren. Denn Farben konnte sie nicht sehen. Aber sie war nicht traurig darüber. Anders kannte sie es einfach nicht. Ihr Vater konnte auch keine Farben sehen.
Wie so oft trug Camille ihre Haare in einem langen Zopf, in den sie verschiedene Wiesenblumen eingeflochten hatte. Er reichte ihr bis zur Taille und verströmte einen lieblichen Duft. Sie hatte wirklich die schönste Mutter der Welt. Kein anderes Kind aus dem Dorf konnte so stolz sein, wie Josi. Deswegen störte sie es auch nicht, dass die Dorfbewohner sie Hexenbastard oder Kind der Teufelshure nannten. Ihr Vater hatte ihr erklärt, dass die Leute nur eifersüchtig wären und er sie und ihre Mutter bald auf die Burg holen würde. Dann hätten sie immer genug zu essen und sie könnte lesen lernen.
»Hast du mir zugehört Liebes?« Josi blinzelte und sah wieder auf den Tisch, wo ein altes Buch offen da lag. Ihre Mutter war eine Heilerin und versuchte, ihr Wissen an ihre Tochter weiter zu geben. Aber da Josi erst fünf Jahre alt war, schweiften ihre Gedanken immer recht schnell ab. Vor allem nach den komischen Träumen, die sie in letzter Zeit immer wieder hatte. Viele Raben stürzten sich auf sie, und wenn sie weglaufen wollte, stellten sich ihr Wölfe entgegen. Weder ihre Mutter noch ihr Vater waren irgendwo zu sehen.
»Tut mir leid.« Camille nahm ihre Tochter auf den Schoß und legte ihre zierlichen Arme um das kleine Mädchen.
»Du bist heut schon den ganzen Tag irgendwo anders. Was ist los?« Josi zuckte mit den Schultern. Ihr Vater rügte sie immer wegen dieser Geste. Das wäre nicht angemessen für eine kleine Prinzessin. Dabei war sie ja keine richtige Prinzessin, sondern nur ein Mädchen, das einen König zum Papa hatte.
»Ich weiß es nicht. Ich hab so ein komisches Gefühl.« Wie auf das Stichwort ging die Tür auf und Josis Vater kam aufgeregt herein.
»Schnell. Pack die wichtigsten Sachen zusammen. Wir müssen uns beeilen.« Camille drückte Josi eng an sich und stand mit ihr zusammen auf. Ihr Vater kam auf die beiden zu und gab ihrer Mutter einen kurzen Kuss auf die Lippen. Sonst dauerte das immer etwas länger und ihre Mutter hatte danach immer rote Wangen. Aber dieses Mal war Camille sehr blass.
»Was ist denn los?« Sie klang ängstlich. Sonst klang sie nie ängstlich.
»Verräter haben die Burg eingenommen und wollen die Familie töten. Wir müssen sofort weg.« Camille stellte Josi auf die Beine und schob sie Richtung Bettstatt.
»Schnell Liebes. Hol deine Sachen und ...« Pferde näherten sich. Ein schwarzhaariger Mann kam hastig ins Haus und lief zu ihrem Vater. Ihn hatte sie bis jetzt nur ein Mal gesehen. Das war der Prinz. Ihr Halbbruder.
»Sie verfolgen uns. Wir müssen sofort weg.« Ihr Vater nickte und sah dann zu Camille und Josi. Wie immer war sein Blick zärtlich und liebevoll. Er war zwar streng, aber wenn er geschimpft hatte, nahm er sie danach immer in den Arm und erklärte ihr, warum er schimpfen musste. Sie hatte ihn wirklich sehr lieb. Fast so sehr, wie ihre Mutter.
»Ich bleibe hier und halte sie auf. Du nimmst die beiden mit.« Ihr Halbbruder stieß ihren Vater an der Schulter, so dass er ein Stück nach hinten taumelte. Das war nicht nett und Josi wollte schon etwas sagen, als Joel ihren Vater anzischte: »Bist du von Sinnen? Das sind über fünfzig Männer. Wir haben nur eine Handvoll treue Ritter. Das schaffst du nie. Wir gehen alle gemeinsam.«
»Joel! Du wirst tun, was ich dir sage. Ich bin dein Vater und dein Herr.« Er verließ die Hütte zusammen mit Joel und stritt sich draußen lautstark mit ihm. Plötzlich brach das Chaos aus. Ihr Vater wurde in die Hütte gestoßen und mehrere fremde Männer folgten ihm. Camille zerrte Josi in eine Ecke und kniete sich vor ihre Tochter, sodass die Kleine nicht mehr sehen konnte, was weiter passierte.
»Liebes. Du musst so schnell wie möglich weg von hier. Wenn du aus der Hütte kommst, rennst du, bis du das Dorf erreichst. Dort gehst du zu Marianne. Sag ihr, sie soll dich verstecken, bis dich jemand von uns abholen kommt.« Sie hüllte Josi in einen weiten Umhang und drückte ihr einen zärtlichen Kuss auf die Stirn. »Liebes Mädchen mein. Die Dunkelheit soll dein Gefährte sein. Dein vorgesehener Weg soll ...« Mitten in dem vertrauten Sing-Sang hielt sie inne und riss die Augen weit auf. Blut sprudelte aus ihrem Mund, als sie versuchte, weiter zu reden und schließlich sackte nach vorn.
»Ich hab die Teufelshure«, rief einer der fremden Männer. Mit letzter Kraft flüsterte sie Josi zu: »Stell dich Tod!« Dann wurde Camille von dem Mann gepackt und nach draußen gezerrt. Josi wollte ihr nach, sich an ihr festhalten, aber die Angst siegte und sie tat, wie ihre Mutter ihr befohlen hatte. Einen Moment später spürte sie die Gegenwart eines anderen Menschen.
»Hier ist noch das Kind.« Sie wurde mit einem Schuh an der Seite angestoßen und ein anderer ritzte ihr mit dem Schwert über das Bein. Es drang nicht tief in ihr Fleisch ein, brannte aber wie Feuer. Sie blieb stumm und reglos liegen. Sie hatte schon schlimmere Verletzungen ertragen müssen.
»Die ist Tod«, kam es aus einer anderen Ecke.
»Lasst sie liegen. In dem Alter sind sie noch nicht unsterblich.« Die Geräusche entfernten sich und Ruhe zog wieder in die kleine Hütte ein. Josi wollte weinen, schreien und um sich treten. Aber sie konnte nicht. Sie durfte sich nicht verraten. Nur so hatte sie die Chance, ihre Mutter wieder zu sehen.
Der Geruch nach brennendem Holz stieg ihr in die Nase und vor der Hütte wurden Jubelschreie laut. Sie schloss die Augen wieder, und als sie nach einem traumlosen Dämmerschlaf erwachte, war es draußen bereits dunkel. Nachdem sie keinerlei Geräusche vernahm, rappelte sie sich auf und verlies die kleine Holzhütte.
Vor ihr war ein großer Haufen, der noch immer brannte und eine angenehme Wärme verbreitete. Josi schluckte. Mehrere verkohlte Leichen lagen darauf und es stank furchtbar nach verbranntem Fleisch. Rechts neben der Hütte waren mannshohe Holzpfähle in die Erde geschlagen. Darauf waren abgetrennte Köpfe. Auch der ihrer Mutter. Die braunen Haare waren verfilzt und blutgetränkt, die Augen standen offen und starrten ins Nichts.
Josi begann zu weinen, drehte sich um und wollte in das Dorf laufen, um bei Marianne Schutz zu suchen. Da prallte sie gegen jemanden und wurde am Oberarm festgehalten.
»Schau her. Wen haben wir denn da?«
Michail sah den fahrenden Händler abschätzend an, der ihm ein kleines, schmutziges Mädchen anbot. Sie war nicht älter als fünf oder sechs und wegen ihrer schwarzen Haare konnte er ihr Gesicht nicht sehen. Aber das war ihm auch eigentlich egal.
»Wieso sollte ich ein Kind kaufen? Hier laufen schon mehr als genug Bastarde herum.« Das Mädchen, das anscheinend nicht viel von der russischen Sprache verstand, sah auf und blickte ihm tief in die Augen. Er erstarrte. Diese schwarzen Augen waren wie die tiefe, dunkle Nacht. Als würden sie ihn magisch anziehen.
»Ja, die Kleine ist eine hässliche Missgeburt, aber man kann sie ohne schlechtes Gewissen in ein paar Jahren als Bettwärmer benutzen. Und wenn sie euch nicht mehr gefällt, können sich sicher die anderen Männer der Burg an ihr erfreuen.«
»Wie viel willst du für sie?« Der Händler war über die rasche Meinungsänderung verwirrt und sah das plötzliche Interesse in den Augen seines Gegenübers. Er nannte den Preis und Michail gab ihm das Geld ohne ein weiteres Wort. Dann zog er das Mädchen auf die Beine und zerrte sie in die Burg. Diese Augen mussten etwas bedeuten. Und er spürte eine gewisse Aura um sie herum. Nur benennen konnte er es nicht.
»Tanija, wo steckst du, alte Hexe?« Er stieg die Treppen zum Kerker hinab, wo die alte ihr Lager aufgeschlagen hatte und achtete nicht darauf, dass die Kleine nicht hinterher kam. Tanija, eine kleine füllige Frau mit roten Haaren, kam aus einem Seitengang hervor und verbeugte sich tief vor Michail. Sie war zwar hässlich wie die Nacht, aber sie respektierte ihn und brachte ihm die nötige Achtung entgegen. Außerdem brauchte er eine Hexe. Sie konnten in einem Revierkampf wahre Wunder wirken.
»Wie kann ich dir helfen, Herr?« Er schubste ihr das Mädchen entgegen und die Hexe packte deren Arm. Sie versuchte es zu verbergen, aber einen kurzen Augenblick lang weiteten sich ihre Augen. Sie hatte es ebenfalls gespürt.
»Was soll ich mit dem Kind?« Michail deutete auf ihr Gesicht.
»Schau dir ihre Augen an und sag mir, was das bedeutet.« Die Hexe packte die Kleine mit der anderen Hand am Kiefer und hob deren dreckiges Gesicht empor. Dieses Mal zog sie vernehmlich Luft ein und sah ihn dann wieder an.
»Ihr habt einen guten Fang gemacht.« Sie packte das Handgelenk des Mädchens und ritzte mit ihrem Nagel die Haut ein. Das wenige Blut, das hervor quoll, bevor sich die Wunde wieder schloss, leckte sie sich vom Finger. Ihre Augen weiteten sich erneut und sie ließ die Kleine los. »Ihr habt einen sehr guten Fang gemacht. Sie ist aus der Blutlinie der Guérisseur.« Das Mädchen sah verständnislos zwischen den beiden hin und her.
»Und was bedeutet das?« Michail hatte keine Lust auf Rätsel.
»Sie ist eine Heilerin. Ihr Blut hat magische Kräfte und kann alles und jeden heilen.« Sie packte wieder das Handgelenk der Kleinen und drehte ihre Hand nach oben, sodass sie deren Handfläche sehen konnte. »Ihre Schicksalslinien sind sehr stark ausgeprägt. Sie ist für Großes bestimmt.« An Michail gewandt sagte sie: »Pass gut auf sie auf. Sie bedeutet leben.«
Als er mit dem Dolch immer näher kam, verkroch sich weiter unter dem Bett. Nach dem, was die Frau im Burgkeller gemacht hatte, konnte sie sich gut vorstellen, was er vorhatte. Sie hatte ihrer Mutter ein paar Mal zugesehen, wie sie für schwerkranke Kinder eine Medizin hergestellt hatte. Es waren zwar zum größten Teil Kräuter in den Mittelchen, aber auch immer mindestens fünf Tropfen von Camilles Blut. Sie hatte Josi einmal erklärt, dass sie das große Glück hatten, von einer sehr mächtigen Familie abzustammen, deren Blut ein Segen für die ganze Menschheit war. Und diesen Segen wollte jetzt der Mann mit dem Dolch haben.
»Komm sofort heraus.« Sie kroch zur anderen Seite des Bettes und versuchte zur Tür zu flüchten. Doch da packte er sie schon an den Haaren und riss sie zurück. Es war, als würde er ihr die Haare vom Kopf reißen, so sehr zerrte er daran.
Das junge Mädchen mit dem hübschen Kleid, das den Mann begleitet hatte, sah Josi gefühllos an. Wer sie wohl war? Seine Tochter? Oder eine andere Verwandte? Für eine Dienerin war sie zu hübsch angezogen. Oder war das Kleid nur ein Geschenk? Zwischenzeitlich kettete Michail Josi an den Pfosten des Betts und beugte sich zu ihr.
»Wenn du noch einmal vor mir davon läufst, werde ich dir die Kleider vom Leib reißen und dich meinen Männern überlassen.« Dann nahm er den Dolch und schnitt ihr in das Fleisch ihres Armes, sodass etwas Blut hervorquoll. Sie schrie und zerrte, aber er ließ ihren Arm nicht los. Bereits nach wenigen Sekunden schloss sich die Wunde wieder komplett und die Schmerzen ließen etwas nach.
»Verdammt! Ich brauche mehr Blut!« Geschockt sah sie zu, wie er ihr den Dolch in den Arm rammte und ihn etwas drehte. Ein wahres Rinnsal lief an ihrem Arm herab und er fing es schnell mit einem Becher auf.
Josi war fast ohnmächtig vor Schmerz und ihr Kopf füllte sich mit Watte. Es war ein merkwürdiges Gefühl. Würde ihr Kopf platzen, wenn sie jetzt schrie? Die Augen fielen ihr zu, und als sie diese wieder öffnen wollte, klappte es nicht. Starb sie?
»Herr!« Das war das erste Mal, dass das Mädchen etwas gesagt hatte.
»Halte deinen Mund.« Das Mädchen wich vor seiner Wut zurück, Josi konnte das Kratzen ihrer Pantoffeln über den steinernen Fußboden hören. Als der Becher bis zur Hälfte gefüllt war, zog er den Dolch wieder aus Josis Arm und ließ das benommene Kind liegen. Nachdem er das Blut vollständig ausgetrunken hatte, drehte er sich wieder zu dem Mädchen und musterte es.
»Leg dich hin!« Sie wurde blass.
»Herr, ich ...« Er schlug sie ins Gesicht, sodass sie auf das Bett fiel. Josi konnte das Klatschen seiner Hand auf ihrer Wange laut und deutlich hören.
»Widersprich mir nicht!« Mit einem lauten »ratsch« riss er das Oberteil des Kleides auf und schlug ihr dann die Röcke über die Beine hoch. Sie wimmerte verängstigt.
Josi nahm durch ihren eigenen Schmerz die Schreie des Mädchens wahr, das eben auf dem Bett über ihr vergewaltigt wurde. Würde es ihr in ein paar Jahren ähnlich ergehen? Würde sie ihm völlig ausgeliefert sein?
Ängstlich rannten Männer durch die brennende Burg und versuchten sich zu retten. Aber keiner entkam der Armee von Wölfen, die diese Burg wie ein Schwarm Heuschrecken überrannte.
»Michail! Ich finde dich!« Ein großer blonder Mann kam in das dunkle Schlafgemach des Rudelführers und sah sich um. Er war von oben bis unten mit Blut bespritzt und seine Rüstung war völlig verbeult. In der gegenüberliegenden Ecke sah er einen kleinen Schatten und lief mit gezogenem Schwert dorthin. »Michail. Du feiger Schwächling. Hinter deinem Rudel warst du mutig, aber jetzt wo wir in der Übermacht sind, verkriechst du dich in dein Schlafzimmer.« Als er vor der kleinen Gestalt am Boden stehen blieb, hielt er inne.
Das war ein kleines Mädchen. Sie war mager und blass, ihr ausgemergelter Körper nur von dreckigen Lumpen bedeckt. Das verfilzte schwarze Haar hing wie ein Vorhang vor ihrem Gesicht, sodass er ihre Züge nicht sehen konnte. Dann bemerkte er hinter sich eine Bewegung und drehte sich mit erhobenem Schwert um. Gerade noch rechtzeitig, um Michails hinterlistigen Schlag zu vereiteln.
»Du Bastard. Schleichst dich von hinten an wie ein Weichling!« Er schlug Michail den Dolch aus der Hand und dieser fiel vor ihm auf die Knie.
»Hab erbarmen!« Wut stieg in Alexej auf, als er antwortete: »Hast du meiner Tochter und meinem Rudel gegenüber erbarmen gezeigt? Du hast sie kaltblütig niedermetzeln lassen.« Mit diesen Worten hob er sein Schwert und schlug ihm den Kopf ab. Er beobachtete, wie der Kopf ausrollte und liegen blieb.
Ein Gefühl von Genugtuung durchströmte ihn. Aber sofort war der Schmerz über seinen großen Verlust zurück. Seine geliebte Tochter konnte er nicht zurückholen. Sie war für immer verloren. Er hatte sie nach seiner Rückkehr Tod aufgefunden und erst seine Söhne konnten ihn dazu bringen, ihre Leiche loszulassen, damit sie begraben werden konnte. Das war zu viel für sein eigentlich friedfertiges Wesen. Er hatte alle Wölfe in der Gegend zusammen getrommelt und in den Krieg gegen Michail geführt.
Im Dorf um die Burg stieß er auf keinen Widerstand. Sie hatten ihm und seiner Armee sogar geholfen. Der Dorfvorsteher hatte ihm erzählt, dass Michail immer jüngere Mädchen auf die Burg verschleppen ließ und keine mehr zurückgekommen war. Erst viel später fand man ihre Leichen in einem nahe gelegenen Weiher. Vergewaltigt und verstümmelt. Zum Glück hatte er das Alexejs Tochter erspart. Es ging auch das Gerücht, dass er eine Hexe in der Burg beherbergte und einen schwarzen Geist, der ihm ewiges Leben schenkte. Das Letztere war natürlich Blödsinn. Michail war ein Wolf und daher unsterblich. Aber normale Menschen konnten das nicht wissen. Sie sahen nur, dass ihr Lehnsherr nicht alterte.
Alexej drehte er sich wieder zu dem kleinen Mädchen um und sah erst jetzt, dass sie am Fuß an das Bett gekettet war. Das arme Ding. Er würde es befreien und den Dorfbewohnern übergeben. Wer weiß, wessen Familie Michail beinahe zerstört hätte. Schon, wenn er daran dachte, dass sich dieser Perverse an dem kleinen Mädchen vergangen hatte, dann drehte es ihm regelrecht den Magen um. Wie alt sie wohl war? Fünf oder sechs? Er konnte sich noch genau daran erinnern, als Jekaterina so alt gewesen war. Sie war eine unterkühlte Schönheit, wie ihre Mutter und hätte diese in wenigen Jahren vielleicht sogar in den Schatten gestellt. Aber soweit war es nie gekommen.
Drei weitere Männer kamen in den Raum. Alle sahen Alexej ähnlich, wobei man ihre jugendliche Aura spüren konnte. Auch ihre Schritte waren kraftvoller und lebendiger.
»Vater? Wir haben das Rudel überwältigt. Sie nehmen dich als Rudelführer an.« Alexej sah seine Söhne stolz an.
»Gut gemacht.« Er löste die schwere Kette von dem Fuß des Mädchens und war ob ihrer Stille beunruhigt. Es hatte sich die ganze Zeit nicht ein Mal bewegt. Beide Unterarme waren bandagiert, wobei der dreckige Verband mit Blut durchtränkt war. Was hatte Michail mit diesem Kind gemacht? Die Aussage des Dorfältesten kam ihm wieder in den Sinn: »Vergewaltigt und verstümmelt.« Er kniete sich vor sie und strich ihr sanft die Haare aus dem Gesicht, um sie nicht zu erschrecken. Er erstarrte. Das konnte doch nicht wahr sein.
»Jekaterina!« Das Mädchen öffnete blinzelnd die Lider und sah ihn mit großen, schwarzen Augen an. Ihre Haut war blass und fast durchscheinend, ihr kleiner Körper viel zu dünn. Als er ihr die Haare aus dem Gesicht gestrichen hatte, war ihm ihre heiße Stirn aufgefallen. Sie fieberte. Einer von seinen Söhnen beugte sich über seine Schulter und sah das Mädchen an.
»Sie ist es nicht. Lass sie hier. Sie stirbt sowieso.« Doch Alexej schüttelte den Kopf. Er wusste, dass sie nicht seine Tochter war. Nein, er hatte Jekaterina selbst zu Grabe getragen. Außerdem war seine Tochter blond gewesen, genau wie er. Die Kleine vor ihm hatte pechschwarze Haare. Zusammen mit diesen Augen konnte er nur einen Schluss ziehen. Sie war ein Rabe. Und Michail hatte sie gequält.
Wenn er das Mädchen an die Dorfbewohner übergab, würden sie nur den schwarzen Geist oder eine Hexe in ihr sehen. Nein, das hatte sie nicht verdient. Bestimmt hatte sie schon mehr als genug Leid in ihrem kurzen Leben erfahren.
»Sie ist ein unschuldiges Kind, das beschützt werden muss.« Er hob sie in seine Arme und verließ mit ihr den Raum. Sie wehrte sich nicht, sondern schmiegte sich an ihn. Als ob sie auf ihn gewartet hätte. Und zu seiner großen Überraschung fühlte es sich gut an.
Er war wegen einer verlorenen Tochter in den Krieg gezogen und kam mit einer neuen zurück.
1. Kapitel
»Schau mal! Da ist ein Krebs.« Erik drehte sich zu Josi um, die in kurzen Shorts und einem engen Shirt - natürlich alles im üblichen Schwarz – über das sie eine dicke Jacke gezogen hatte, bis zu den Waden im Wasser stand und schon seit einer Stunde die kleinen Lebewesen des Meeres beobachtete. Sobald er sich näherte, um ihre Entdeckungen anzusehen, flohen die kleinen Tierchen sofort und Josi war eingeschnappt. Lag wohl an seiner Wolfsaura.
Als sie sich weiter nach vorne beugte, wahrscheinlich um den Krebs genauer beobachten zu können, hatte er freie Sicht auf ihre schlanken Beine und ihren kleinen süßen Po. Er seufzte. Normalerweise war ihm sein Campingurlaub heilig. Was bedeutete: keine Frauen, keine Familie, keine Computer. Und das für mindestens vier Wochen, sodass er erst zu Silvester wieder bei der Familie war.
Wölfe glaubten nicht an Gott im christlichen Sinne. Sie waren Heiden. Ihre Götter waren Odin und Hekate. Wobei Hekate fast ausschließlich von den Hexen und Priesterinnen vergöttert wurde. Aus diesem Grund feierten sie normalerweise kein Weihnachtsfest, aber in den letzten Jahrzehnten hatte sich diese Tradition auch beim Rudel eingeschlichen. Am 25. Dezember machte man sich kleine Geschenke und es wurde ein großes Festessen veranstaltet. Aber es gab keinen Weihnachtsbaum und auch sonst keine weihnachtliche Deko.
Er sah von dem hübschen Anblick, den Josi ihm bot, wieder zum Auto, aus dem er eben das Zelt holte. Jetzt war er wegen dieser kleinen, schwarzhaarigen Person von seinen Prinzipien abgerückt. Das Seltsame daran war, dass es ihm im Großen und Ganzen nicht viel ausmachte. Sie war sogar sehr pflegeleicht. Er hätte sich nie vorstellen können, dass ein so hübsches Mädchen beim Anblick eines Zeltes und des Meeres freudig quietschen würde. Seine Exfreundin hätte sich beschwert und auf ein Hotelzimmer bestanden. Josi hingegen hatte ihm erzählt, dass ihre Familie sie immer überfürsorglich behandelt hatte und wenn sie mal Urlaub machen, dann immer nur im Hotel. Mit Security. Ihr Kommentar: »Das ist so langweilig.«
Die ersten Nächte waren eine Qual für ihn gewesen. Josi halb nackt neben sich liegend war noch nicht einmal das Schlimmste, aber bei jedem kleinen Geräusch wurde er wach und sah nach, wer oder was das Geräusch verursacht hatte. Was Josi anging, war sein Wolfsverstand auf einhundert Prozent beschützen eingestellt und er wusste noch nicht einmal warum. Bei seiner Exfreundin hatte er nie dieses seltsame Verhalten an den Tag gelegt.
Seit ihrer ersten sexuellen Aktivität im Hotel gab es noch einige andere, da sie bei den unmöglichsten Orten und Gelegenheiten zu sagen pflegte: »Da hab ich Mal was gesehen.« Und er genoss es. Sie war quirlig und niedlich. Und trotzdem unheimlich sexy. Sie hatte ihm komplett den Kopf verdreht.
Er widmete sich wieder dem Zeltaufbau und danach würde er mit ihr in die Stadt gehen, um etwas zu essen und ein paar Kleinigkeiten einzukaufen. Eine zweite Person hatte er bei seinen Urlaubseinkäufen nicht bedacht. Und er mochte ihre Vorliebe für ungesunde und fettige Köstlichkeiten. Von seiner Familie und seiner Ex durfte er sich deswegen immer Vorträge anhören. Er war unsterblich. Was wollten sie also mit Themen wie Diabetes, Kohlenhydraten und Verkalkung?
Plötzlich hörte er Josi kurz quieken und unmittelbar darauf folgte ein lautes Platschen. Als er sich zu ihr umdrehte, saß sie bis zum Hals im Wasser. Das schien keine Absicht gewesen zu sein, denn sie sah aus wie ein begossener Pudel.
»Ist es nicht etwas zu kalt zum Baden?« Sie funkelte ihn grimmig an. Das Meerwasser hatte Mitte Dezember eine wohlig warme Temperatur von etwa 10 °C.
»Komm doch her und prüf die Temperatur.« Er konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen und rief lachend: »Nee. Lass mal. Es reicht, wenn einer von uns nass ist.« Damit wandte er sich wieder dem Zelt zu, das schon fast komplett stand, und schüttelte amüsiert den Kopf. Er würde sich gleich darum kümmern, dass ihr wieder warm wurde.
Keine Minute später spürte er einen dumpfen Aufprall an seinem Rücken und drehte sich verwundert um. Josi hatte sich ihre Jacke und das T-Shirt ausgezogen und mit den nassen Sachen nach ihm geworfen. Jetzt grinste sie herausfordernd und spielte mit dem Bund ihrer Shorts. Er vergaß, dass er sie eben am liebsten übers Knie gelegt hätte und sein Blick wanderte von ihren halb geöffneten Lippen, zu ihren steifen Nippeln bis hin zu ihren Händen, die langsam die Shorts nach unten zogen. Hatte er erwähnt, dass Josi so gut wie nie einen BH trug?
»Was ist denn, Erik? Gibt es hier etwas Besonderes zu sehen?« Sein innerer Wolf knurrte und wollte zu ihr gehen, doch Erik genoss die Show. Er war ein Beobachter, ein Genießer. Wieso sollte er auch etwas überstürzen? Sie würde bei ihm bleiben. Immerhin wusste er, wie er sie bestechen konnte. Er musste nur genügend Kartoffelchips besorgen.
Cassandra saß im Schneidersitz auf dem Bett und sah Josh mit vor der Brust verschränkten Armen an. Sie war schon seit Tagen schlecht gelaunt und er konnte es ihr nicht verdenken. Sie wollte nach Hause zu ihrer Familie. Zu ihrem Rudel.
»Die Geburt liegt nun mittlerweile zwei Wochen hinter mir und ich fühle mich super! Ich will nach Hause.« Josh strich Cass sanft über den Kopf und sah ihr ins Gesicht. Sie war noch immer etwas blass, aber die dunklen Augenringe waren zum Glück verschwunden. Sie hatte die ersten Tage nach der Geburt nicht gut ausgesehen. Jedes Mal, wenn er ins Krankenhaus fuhr, befürchtete er, dass es ihr wieder schlechter gehen könnte. Das schlimmste Szenario, das er sich bisher ausgemalt hatte, war, dass ein Arzt zu ihm kam und erklärte, dass Cass in der Nacht gestorben wäre. Ehrlich gesagt wusste er nicht, wie er in diesem Fall reagieren würde.
Bevor er zu Cassandra ins Zimmer gegangen war, hatte er wie jeden Morgen mit dem Arzt gesprochen. Dieser hatte ihn gewarnt, dass sich Cass zwar wieder gut fühlte, aber immer noch geschwächt war. Zumindest ihr Körper. Ihr Geist war wieder auf einhundertfünfzig Prozent und das machte im Sorgen. Er würde sie nicht mehr lange hier im Krankenhaus halten können, obwohl es das Beste für sie wäre, sich unter medizinischer Aufsicht zu erholen.
»Außerdem habe ich meine Tochter noch nicht ein Mal gesehen!« Er setzte sich zu ihr aufs Bett und legte ihr einen Arm um die Schulter.
»Cassy. Soll ich sie wirklich mit ins Krankenhaus bringen, wo so viele Keime und Bakterien herumfliegen?« Ihr Blick wurde traurig. Er wusste, wie sehr sie ihre Tochter vermisste. Sie hatten immer noch Zeit, wenn Cass aus dem Krankenhaus entlassen würde. Schließlich wuchsen Wölfe genau so langsam wie normale Menschen. Zumindest bis zu ihrem fünfundzwanzigsten Lebensjahr. Danach hörte das Wachstum auf. Jedenfalls bei den Frauen. Die Männer alterten bis zum fünfunddreißigsten Lebensjahr. Warum dieser Unterschied bei den Wölfen existierte, konnte niemand genau erklären, aber man vermutete, dass die Männer die längere Entwicklung benötigten, weil sie mehr Muskeln und mehr Kraft gewinnen mussten.
»Sobald der Arzt grünes Licht gibt, hol ich dich persönlich mit Carmen ab. Das verspreche ich.« Sie nickte nur. Es war eine Qual für ihn, sie so deprimiert zu sehen. Aber es würde bald wieder alles gut werden. Zumindest redete er sich das Selbst ein. »Ich muss los Schatz. Ich komme morgen wieder.« Er küsste sie auf die Stirn.
»Ich liebe Dich.« Als er vor der Tür war, hielt er kurz inne. Wie gerne würde er ihr sagen, dass alles in Ordnung war. Natürlich ging es Carmen sehr gut. Sie hatte ihr eigenes Kindermädchen und die Jungs aus dem Rudel waren hin und weg von ihrem Babycharme.
Es gab nur ein kleines Problem: Sie war ein Mädchen. Es war Tradition, dass der Erbe des Rudels ein Mann sein musste. Andernfalls würde der Nächste in der Familie an die oberste Stelle des Rudels rücken. Eine Frau würde niemand akzeptieren, das gab es bei den Wölfen nicht. Und mit Cass konnte er keine weiteren Kinder haben. Er brachte es noch nicht einmal fertig, ihr diese Tatsache mitzuteilen. Und er hatte keinen blassen Schimmer, wie er es je übers Herz bringen sollte.
Cassandra wäre außer sich und würde vielleicht irgendwelche Dummheiten begehen. Oder wieder weglaufen. Das wollte Josh verhindern. Das letzte Mal hatten sie die kleine Rothaarige nur durch Evan wiedergefunden, aber jetzt wusste Cass, wie sie ihn aus ihren Träumen heraushalten konnte. Wenn sie sich also entschließen würde, wieder wegzugehen, um sich vielleicht sogar etwas anzutun, wäre sie unauffindbar.
2. Kapitel
Erik und Josi saßen zur Abwechslung mal in einem Dinner, statt etwas selbst gekochtes zu essen. Er hatte schnell festgestellt, dass sie zwar gerne aß, aber überhaupt nicht kochen konnte. Aus diesem Grund hatte er sich mit ausreichend Dosenfutter eingedeckt, und wenn doch mal gekocht werden musste, dann übernahm er es selbst.
Sie hingegen war begeistert, dass ein Mann kochen konnte. Ihre Brüder waren wohl besser im Umgang mit Waffen als mit dem Kochlöffel. Es zauberte ihm immer wieder ein Lächeln aufs Gesicht, wenn sie von ihrer Familie erzählte. Ihre Augen strahlten dann immer wie kleine Diamanten.
»Ich mag die Zeit mit dir. Du bist so unkompliziert und überhaupt nicht zickig.« Josi grinste. Auch dieses Grinsen hatte er in den letzten Wochen ziemlich lieb gewonnen.
»Das sagst du nur, weil du mit mir ins Bett willst.« Er verdrehte die Augen. Obwohl er wirklich gern mit ihr intim wurde. Es machte Spaß. Da er in dieser Beziehung der Part mit der Erfahrung war, brauchte er sich überhaupt keine Gedanken machen und war tiefenentspannt.
Bei seiner Ex hatte er immer das Problem gehabt, dass sie schon Erfahrung mit einem anderen Mann gesammelt hatte und ihn immer wieder darauf hinwies, wenn ihr etwas nicht passte oder er angeblich nicht bei der Sache war. Das erste Mal mit ihr war eine Blamage für ihn gewesen, wobei die anderen Male auch meistens von Stress und schlechter Laune ihrerseits geprägt waren. Es hatte einfach keinen Spaß gemacht.
Josi hingegen war für alles offen und lenkte seine Aufmerksamkeit gern auf verschiedene Praktiken, die sie irgendwann mal in einem Film gesehen hatte. Sie war wahrscheinlich die einzige Frau auf der Erde, die freiwillig zugab, schon hunderte oder sogar tausende von Pornos gesehen zu haben. Und sie hatte einiges dabei gelernt. Alles theoretisch, die Praxis testete sie nun an ihm aus. Und es machte ihn an. Wirklich. Er war gern ihr Versuchskaninchen.
»Nein. Ich meine es ernst.« Er legte seine Hand auf ihre und sah sie gespannt an. Wie würde sie reagieren, wenn er ihr seine Gefühle offenbarte? »Ich würde gern richtig mit dir zusammen sein. Als Paar.« Was sich da auf ihrem Gesicht zeigte, war nicht unbedingt die bloße Freude, sondern viel mehr Sorgen und ... Mitleid? Hatte er ihre Zärtlichkeiten falsch gedeutet? War er völlig auf dem Holzweg und machte sich gerade zum Volltrottel?
»Hör mal. Ich mag dich wirklich sehr, aber irgendwann muss ich nach Russland zurück. Meine Familie ist dort.« War das alles? Sie machte sich Gedanken um ihre Familie? Wenn sie unbedingt in Russland leben wollte, würde er sie begleiten. Er würde ihr immer und überallhin folgen. Oder suchte sie nur nach einer Ausrede um ihn loszuwerden?
»Dann komm ich eben mit.« Vor Überraschung wurden ihre Augen größer.
»Und was wird auch deiner Familie?« Sie klang ehrlich verblüfft.
»Ach bitte. Die sind alle schon groß und wissen, wie man einen Flug bucht.« Plötzlich stahl sich ein Lächeln auf ihr Gesicht. Dieses Lächeln liebte er an ihr. Es ließ sie noch jünger wirken, als sonst und hemmte die ungewöhnlich dunkle Ausstrahlung ihrer Augen etwas.
»Meinst du das ernst? Du würdest mit mir kommen?« Ihre Freude war echt und sein Herz klopfte wie verrückt, als er begriff, dass sie ihn auch mochte. Mit ihm zusammen sein wollte. Hatte sie wirklich gedacht, er würde sie einfach wieder gehen lassen? Auch wenn sie kein Wolf war, so war sie doch die Frau, in die er sich verliebt hatte. Die er für immer in seinem Leben wissen wollte. In seinem Bett.
»Ja.« Er sagte es mit so viel Inbrunst, dass eine leichte Röte ihre Wangen überlief.
»Du würdest dich mit meiner Familie anlegen? Nur wegen mir?« Es klang ungläubig. Aber immerhin hatte bis jetzt noch kein anderer so viel Mumm gehabt, sich ihrer Familie entgegen zu stellen. Das hatte ihre Jungfräulichkeit bewiesen. Sie hatte dieses wertvolle Gut an ihn verschenkt und nichts von ihm gefordert. Früher haben weniger aussichtsreiche Frauen so eine gute Partie machen können. Auch seine Ex-Freundin hatte von ihm das Eheversprechen erwartet, aber er hatte rechtzeitig festgestellt, dass er mit ihr nicht alt werden wollte.
»Auf jeden Fall. So eine Frau trifft man nicht zweimal im Leben.« Ihr glockenklares Lachen erklang und mehrere Männer drehten sich nach ihr um. Sie war aber auch wirklich eine Schönheit. Eine dunkle Göttin.
»Wir sind unsterblich. Da trifft man sich schon ab und an.« Er strich mit seinem Daumen über ihre Hand.
»Bisher habe ich dich noch nie gesehen.« Sonst wäre sie wahrscheinlich schon längst seine Frau. Vielleicht hätten sie sogar schon Kinder. Kinder! Großer Gott. Woran dachte er denn? Aber als er einen zweiten Gedanken daran verschenkte, kam es ihm plötzlich gar nicht mehr so lachhaft vor. Ein kleines Baby mit ihrem Schwarzen Haaren und seinen blauen Augen. Ein kleiner Mischling. Halb Rabe, halb Wolf. Sein Herz erwärmte sich sofort für das kleine Wesen, dass es eigentlich noch gar nicht gab.
»Du bist ja auch noch nicht so alt wie ich.« Sie grinste. Was wieder eine alte Frage aufwarf.
»Wie alt bist du denn?« Sie hatte sich bisher immer vor einer Antwort gedrückt, auf sehr angenehme Weise für ihn, und trotzdem erlosch seine Neugier nicht. Das war das allgemeine Problem bei Unsterblichen. Man konnte einfach nicht abschätzen, wie alt jemand war.
»Nein, nein, nein. Frauen fragt man so etwas nicht. Und selbst wenn, würde ich dir darauf keine Antwort geben.« Die Kellnerin des Dinners hinderte ihn am erneuten Nachbohren. Sie stellte eine große Portion Pommes mit Mayo vor Josi und drei Hamburger vor ihn. Als die Kellnerin wieder gegangen war, setzte er erneut an, sie nach ihrem Alter zu fragen, doch sie schob ihm eine Pommes in den Mund und rügte ihn grinsend: »Mit vollem Mund spricht man nicht. Hat dir deine Mama kein Benehmen beigebracht?« Gut. Für den Moment war sie vor Fragen sicher, aber nach dem Essen würde sie ihm Rede und Antwort stehen müssen.
Am Abend saßen sie vor dem Lagerfeuer und hielten lange Stöcke mit Marshmallows ins Feuer. Wieder etwas Ungesundes, dass beide gerne aßen.
»Wie lange kannst du eigentlich von deinem Rudel wegbleiben?« Ihre Frage erstaunte ihn. Aber sie hatte recht. Er war für niemanden erreichbar. Sein Handy war immer offline, nur die Notruffunktion funktionierte. Was vielleicht sonst niemanden gestört hatte, aber jetzt gab es immerhin kleinere Abweichungen vom normalen Rudelalltag. Das Baby der Rudelführung und Derek, der immer noch auf freiem Fuß war.
»Keine Ahnung. Normalerweise bleibe ich immer drei oder vier
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Darleen Alexander
Bildmaterialien: Pixabay
Lektorat: Darleen Alexander
Tag der Veröffentlichung: 22.04.2015
ISBN: 978-3-7368-9094-7
Alle Rechte vorbehalten