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1.


„Darran! Darran!! Wach auf!“
Selten wurde ich Unsanfter geweckt. Mit einem lauten Knall landete ich mit dem Gesicht auf dem harten Steinboden meiner Schlafkammer. So langsam fing ich an, an den Hängematten als Schlafplatz zu zweifeln. Der Kleine Kerl schüttelte mich heftig.
„Darran! So wach doch auf!“
„Bei Garna’s Eingeweiden, Harkat! Ich BIN wach!“, grummelte ich, als ich mich schnaubend erhob.
„Ich hoffe für dich, dass du einen VERDAMMT guten Grund hast, mich zu wecken!“
Normalerweise würde ich meinen kleinen Freund nie so anschreien. Aber nachdem ich 4 Tage und Nächte kaum ein Auge zu getan habe, wollte ich einfach mal meine Ruhe haben. Dieser verdammte Krieg der Narben hielt mich als Fürst ganz schön auf Trapp. Erst letzte Woche hatten wir eine Truppe Vampire zum Kampfeinsatz geschickt. Von 10 Vampiren kamen nur 3 zurück und das auch noch zum Teil mit nur einem Arm oder Bein.
Harkat sah mich mit seinen großen grünen Augen fast schon panisch an.
„Fenster……. Seht am Fenster…….“ Ich verstand zwar nicht, was das zu bedeuten hatte, trotzdem stand ich auf und ging zum Fenster um zu sehen, was Harkat meinte. Zuerst sah ich nur Schwärze. Doch als meine Augen sich langsam an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte ich unten auf der Wiese gen Berghang sehen, die im Mundlicht standen. Die große schlanke Gestalt schien Vanez zu sein, nur er bewegte sich sicher und gleichzeitig vorsichtig, was vielleicht mit seiner Blindheit zusammen hing. Vor langer Zeit hatte er im Kampf mit einem Löwen ein Auge verloren, das Zweite hatte er im Gefecht mit den Vamypren vor 7 Jahren verloren.
Bei der kleinen rundlichen Gestalt musste ich gar nicht raten, wer da unten bei einem meiner besten Freunde stand:
Meister Schick.
Mein Magen verkrampfte sich, die Hand ballte sich zur Faust. Ich traute Schick nicht hundert Meter über den Weg. Bereits vor 10 Jahren versuchte er, uns an die Vampyre zu verraten. Er wollte uns ausradieren. Und nun war er da unten mit Vanez, einem der wichtigsten Obervampire und einem meiner besten Freunde bei Nacht allein? In jeder einzelnen Zelle meines Körpers konnte ich die Gefahr spüren, die meinen ganzen Körper zum Kribbeln und meine Fangzähne zum Pochen brachte.
„Halte dich bereit, Harkat……. Wenn ich es dir sage, läufst du sofort zu Mr.Grepsley und holst ihn.“ Ich sprach gedämpft, Harkat nickte unsicher.
Die beiden Gestalten da unten in der Dunkelheit schienen zu streiten, Vanez gestikulierte mit den Händen so heftig, dass man denken könnte, er würde Meister Schick jeden Moment eine gehörige Backpfeife geben. Meister Schick stand nur bewegungslos da und schien das Verhalten seines Gegenübers gar nicht zu interessieren.
Doch plötzlich schien etwas anders.
Vanez‘ Schatten wirkte nach hinten hin breiter, seine Hände erstarrten und stattdessen schien er krampfartig etwas an seinem Hals zu machen. Ein widerlicher Geruch stieg mir in die Nase, und obwohl ich noch nie einem begegnet war, erkannte ich ihn sofort.
Ein Vampyr.


2.


Nichts durfte jetzt dem Zufall überlassen werden. Meine Stimme bebte, als ich Harkat sagte:
„Lauf……. Los….“ Harkat hinkte so schnell er konnte aus dem Zimmer. Ich zitterte am ganzen Körper. Vanez strampelte jetzt heftig, Meister Schick stand bewegungslos da und schien sich auch noch über Vanez‘ Befreiungsversuche zu amüsieren.
„Darran! Was ist los?!“ Mr.Grepsley flog fast in die Schlafkammer, Harkat folgte hinkend.
„Da unten! Sehen sie doch!“ Grepsley lief zu mir und sah aus dem Fenster. Auch ich richtete meinen Blick wieder auf das Geschehen unter der alten Kamelie.
Vanez krümmte sich jetzt am Boden, die Hände kratzten krampfhaft am Hals. Über ihm standen Meister Schick und der Vampyr.
Grepsley schlug das Fenster ein (welches auch problemlos mit dem Griff aufgegangen wäre) und sprang kurzerhand hinaus. Ich gleich hinterher. Blöderweise hatte ich vergessen, dass meine Schlafkammer im 4.Stock des Bergturms lag, so landete ich mehr als unsanft auf den Steinen, überschlug mich mehrmals und fand mich dann doch auf meinen Füßen wieder.
Rennend. Und ich rannte neben Grepsley den Hang hinunter, bis ich keine spitzen Steine mehr, sondern trockenes pieksiges Gras unter meinen Fußsohlen spürte.
„Schick!!!“ schrie Grepsley voller Wut. Meister Schick und der Vampyr verschwanden, ehe wir sie überhaupt genauer sehen konnten. Trotzdem war ich mir sicher, dass Meister Schick diabolisch grinste. Ich kam zitternd neben Vanez zum Stehen, während Grepsley der Spur des Vamprys folgte.
Um Vanez‘ Hals war ein Seil gewickelt, welches sich immer weiter zusammen zog. Er versuchte verzweifelt, das Seil los zu bekommen. Doch je fester er daran zehrte, desto enger schlang sich das Seil um seinen Hals. Er gab röchelnde Laute von sich, die leeren Augen verdrehten sich unnatürlich. Sofort sprang ich zu ihm runter und zehrte wie wild an dem Seil. Es schlang sich so fest um seinen Hals, dass es ihm ins Fleisch schnitt und ich mir die Finger einklemmte. Panisch fing ich an, nach Grepsley zu schreien, da Vanez‘ Lippen schon leicht blau anliefen. Auch meine Fingerspitzen färbten sich langsam blau-violett. Vanez‘ Zuckungen schwächten langsam ab und die röchelnden Laute wurden immer leiser. Voller Panik schrie ich nach Grepsley, der endlich aus der Dunkelheit auftauchte und zu uns eilte. Er zog einen Dolch hervor und suchte eine Stelle, wo er das Seil gefahrlos durchtrennen konnte.
Nur gab es eine solche Stelle nicht. Das Seil schlang sich immer enger um Vanez’ Hals, bis er ein röchelndes Stöhnen von sich gab und dann reglos zusammen sank. Mr.Grepsley fluchte. Da erst merkte ich das taube Gefühl in meinen Fingern. Die klemmten ja immer noch zwischen Vanez‘ Hals und dem Seil.
Mit aller Kraft zehrte ich an dem Seil, wobei ich Vanez‘ Wirbel knirschen hörte. Es entstand eine Lücke zwischen Fleisch und Seil, sodass Grepsley das Seil knapp 2 Millimeter neben meinem Finger durchschneiden konnte. Das Seil fiel schlaff zu Boden, Vanez blieb reglos liegen. Ich bewegte die zittrigen Finger, um wieder etwas zu spüren, während Grepsley sich über Vanez beugte und ihn schüttelte.
"Vanez.... wach auf. Komm schon, Junge. Mach die Augen auf." Vanez blieb reglos, Lippen und Augenlider waren leicht bläulich.
Aus dem Schloss kamen plötzlich der Oberfürst Paris und der junge Obervampir Mika gelaufen, der ältere Vampir sah in die Dunkelheit des Walds. Er roch den Vampyr, dessen Gestank immer noch über der kleinen Lichtung wogte. Mika kniete sich zu Vanez und Grepsley. Ohne auf eine Erklärung zu warten beugte er sich zu Vanez hinunter und presste seine Lippen auf die Bläulichen Vanez'.
"Was ist hier geschehen, Grepsley?" fragte Paris gelassen wie üblich. Grepsley sah zu ihm auf.
"Ein Vampyr hat ihn gewürgt." Sein Blick wandte sich wieder zu Vanez, der weiterhin von Mika beatmet wurde.
"Ihr könntet etwas weniger glotzen und mehr helfen!" knurrte Mika wütend. Ich beugte mich ebenfalls zu ihm und begann, sein Herz in einem möglichst gleichmäßigen Takt zu massieren. Eins, Zwei.... eins, zwei, drei....
"Ruf doch jemand den Heiler!" brüllte Mika wütend. Grepsley lief los, um den Heiler zu holen. Ich und Mika gaben in der Zeit alles, um Vanez' Lungen wieder zum Arbeiten zu kriegen. In mir wuchs langsam die Angst. Die Angst, dass wir zu spät waren. Die Angst, dass Vanez nie wieder die blinden vertrauten Augen aufschlagen würde.
Da.
Vanez riss die Augen auf und seine Brust hob sich heftig, so sehr rang er nach Luft. Mika, der mit seiner Stirn gegen Vanez' knallte, als dieser sich ruckartig aufrichtete, fiel etwas zurück. Ich drückte Vanez wieder ins Gras.
"Ruhig, Vanez..... ganz ruhig..... es ist alles okay. Ist okay. Wir sind hier." Vanez' leere Augen flogen wild herum, er atmete heftig und kurz. Sein Körper zitterte heftig. Ich zog Vanez an mich und wusste nicht, ob ich vor Freude lachen oder weinen sollte. Grepsley kam endlich mit dem Heiler aus dem Schloss und lief zu uns herüber. Der Heiler beugte sich zu Vanez, dessen Atmung sich immer noch nicht beruhigt hatte. Er knöpfte Vanez' Hemd auf und tastete seine Brust ab. Dann begutachtete er Vanez' Hals.
"Ein verhextes Vampyr-Seil. Es verengt sich bei Vampiren, bis sie tot sind. Er hat da nochmal Glück gehabt. Hat jemand das Seil?" Mika nahm das Seil vom Boden und hielt es dem Heiler hin.
"Hier. Das ist es." Der Heiler nahm es in die Hand. Das Seil schlang sich sofort um seine Hand und zog sich eng zu. Der Heiler tippte das Seil an und es fiel schlaff zu Boden. Grepsley hob Vanez hoch.
"Wir bringen ihn besser ins Schloss. Er muss sich erst mal erholen." Ich stand ebenfalls auf, immer noch leicht besorgt.
Vanez zitterte heftig. Seine Lippen und Augenlider wurden wieder schneeweiß, wie sie sonst auch waren. Ich ergriff seine Hand um ihm zu zeigen, dass ich da war. Wir brachten ihn ins Schloss in meine Schlafkammer. Bevor Grepsley ihn in meine Hängematte legen konnte rief ich:
"Nicht! Da fällt er noch raus." Ich lief zu meinem großen Wandschrank und holte die 3 Gäste-Matratzen heraus, legte sie übereinander und holte das Bettzeug dazu aus dem Schrank. Grepsley legte Vanez auf die Matratzen, ich legte das große Kissen unter Vanez' Kopf und deckte ihn zu.
"Ich und Harkat bleiben bei ihm. Ich schicke Harkat, wenn was sein sollte." sagte ich, als ich Mika's skeptischen Blick merkte. Als wir allein waren sah ich zu Vanez hinunter.
Ich konnte ihn leise atmen hören, er schlief also schon. Ich erwischte mich selbst dabei, wie ich dem Schlafenden durchs lange glänzende schwarze Haar strich. Es fühlte sich schön an, seine Haare fühlten sich in meinen Händen an wie flüssige Seide. Harkat kletterte in seine Hängematte und schlief sofort ein.
Ich betrachtete Vanez beim Schlafen. Fast hätte ich ihn verloren. Meinen besten Freund... ich fühlte mich bei ihm so wohl..... einfach nur toll.
Ich würde dem Vampyr, der ihn mir fast genommen hätte, finden und töten. Mit bloßen Händen.


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Tag der Veröffentlichung: 18.12.2012

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