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Die ruhigsten Stunden die ich habe sind die, wenn Rosalie im Kindergarten ist und ich nicht arbeiten muss. Dann bin ich im Trainingsstudio und power mich aus.

Rosalie ist 4 Jahre alt und die Tochter meiner besten Freundin. Naja genau genommen ist sie seit sechs Wochen meine Tochter, irgendwie. Meine Freundin hat einen tödlichen Verkehrsunfall gehabt und ich als der Patenonkel habe nach langem hin und her die Vormundschaft bekommen. Es ist eine ganz schöne Umstellung von heute auf morgen ohne Vorwarnung Vater zu werden.

Aber ich liebe diesen kleinen Sonnenschein.

Meine Arbeit habe ich anpassen müssen, deshalb habe ich meinen Jahresurlaub eingereicht um alles neu organisieren zu können.

Seufzend schließe ich die Augen, konzentriere mich auf die nächsten Schläge und… mein Handy klingelt bevor ich auch nur eine weitere Abfolge beginnen kann. Ich wische mir am T-Shirt das Gesicht trocken und greife nach dem Telefon um abzuheben.

„Falkner“, melde ich mich und lausche.

„Oh Entschuldigung. Ich rufe an wegen Rosalie Zeißner. Mir wurde ihre Nummer gegeben.“ Es muss jemand neues im Kindergarten sein, denn ansonsten wüsste derjenige, dass ich der Vormund bin.

„Es ist richtig. Was ist mit Rosalie?“

„Naja wir haben hier ein kleines Problem und ich müsste sie bitten das Kind abzuholen.“ Bereits als mein Gesprächspartner spricht ziehe ich mich an, nehme meine Papiere und laufe zum Auto.

„Ich bin in zehn Minuten da.“ Damit beende ich das Gespräch, setze mich hinters Steuer und fahre los.

 

Kaum bin ich am Kindergarten angekommen, springe ich regelrecht aus dem Auto und innerhalb von drei Schritten bin ich an der Tür. Ich reiße sie auf und Rosalie kommt mit einem Mädchen an der Hand auf mich zu gerannt. Naja was man bei einem Kleinkind von Rennen sagen kann.

„Rosalie?“ Ich hocke mich hin und nehme beide Mädchen in den Arm, bevor ich mit ihnen aufstehe.

Genau sehe ich mich um und suche die Gefahr, die sich hinter einer Ecke versteckt.

„Ich habe euch Mädchen, keine Angst.“ Versuche ich vor allem das fremde Kind zu beruhigen, da sie weint.

„Emalia das ist mein Papa. Er beschützt uns.“ Emalia, so heißt also das kleine Mädchen. Entschlossen trete ich Rückwärts aus dem Gebäude raus und laufe zügig zum Auto, wo ich beide Mädchen auf die Rückbank setze.

„Macht euch klein und seit leise.“ Damit schließe ich die Tür und kurz darauf das Auto ab.

Langsam gehe ich wieder auf das Gebäude zu, als ein schwarzer SUV mit rasantem Tempo auf mich zukommt und nur Millimeter vor mir stehen bleibt. Im gleichen Moment als der Motor erstirbt steigen drei Männer aus dem Fahrzeug.

„Emalia“ ein kleiner, zierlicher Mann versucht an mir vorbei ins Gebäude zu stürmen, aber ich halte ihn fest. Daraufhin kommt ein 1,90m großer Mann mit leichtem Bierbauch auf mich zu und will mich schlagen, doch der dritte Mann, der dem Zweiten sehr identisch ist, hält ihn auf.

„Nico nicht.“ Der Dritte schaut mich merkwürdig an und nachdem sich Nico beruhigt hat, nimmt er mir den Krümel ab.

„Was ist hier los?“ Während er den Mann an Nico weitergibt, dreht er sich wieder mir zu.

„Rosalie und Emalia sind in meinem Auto in Sicherheit. Ich erhielt einen Anruf und bin hergekommen. Rosalie ist mit der Kleinen zu mir gerannt und ich habe sie in meinem Auto versteckt. Ich will gerade rein gehen und nachsehen als ihr angekommen seid.“ Ich zeige kurz auf mein Auto bevor ich mich wieder umdrehe um das Gebäude betreten zu können.

„Geben Sie Nico und Tristan den Autoschlüssel. Ich begleite Sie hinein.“ Da ich annehme dass die beiden Männer die Väter von Emalia sind, gebe ich den Schlüssel weiter und will endlich ins Gebäude gehen.

„Warte“, der Fremde ergreift meinen Arm und versucht mich zurückzuhalten. Ich bin 2,07m also wahrhaftig ein Riese selbst unter den Männern. Da er kleiner ist blicke ich ihn nur mit hochgezogener Augenbraue an.

„Du solltest mich vorgehen lassen. Ich kann mir schon vorstellen, wer hinter den Mädchen her ist.“

Skeptisch mustere ich ihn. Er ist gut gebaut, Muskeln an den richtigen Stellen und auch der Druck an meinem Arm ist nicht ohne, dennoch… „Ich bin stärker als ich aussehe“, sagt er als wenn er meine Gedanken erraten könnte. Sein Gesichtsausdruck ist wütend verzogen.

„Ich will dir nichts unterstellen, aber ganz ehrlich ich habe einiges an Kampferfahrung, also weise meine Hilfe nicht ab.“ Der Mann lässt mich los, zuckt mit den Schultern und dreht sich um, um das Gebäude nun endlich zu betreten.

Ich folge ihm dicht auf und blicke mich immer wieder genau nach allen Seiten um. Alles ist ruhig. Was mich am meisten verwundert, ist das Fehlen anderer Kinder und Erwachsener.

„Irgendetwas stimmt hier nicht. Wohin sind alle verschwunden? Gerade der, der mich angerufen hat. Es ist irgendwie komisch alles.“ Wir sind durch beide Etagen gegangen und haben auch den Garten durchsucht. Aber es ist nichts zu entdecken.

„Lass uns zu den anderen zurückgehen.“

Der Mann, der mir noch immer nicht seinen Namen genannt hat, dreht sich um und geht ohne auf eine Reaktion von mir zu warten aus dem Gebäude.

Am Auto bleibe ich wie angewurzelt stehen. Rosalie hat sich bei Nico auf den Schoss gesetzt und Emalia sitzt bei Tristan. Beide Kinder halten sich noch immer an den Händen und Nico hat einen Arm um Tristan gelegt. Sie sind nicht aus meinem Auto ausgestiegen und erst als sie ihren Begleiter entdecken öffnen sie die Türen.

„Bastian hast du etwas erfahren?“ Aha Bastian heißt also der dritte Mann. Der gerade den Kopf schüttelt.

„Das komplette Haus ist leer. Dabei hat er mir gesagt, dass er von hier angerufen worden ist.“ Dabei deutet Bastian auf mich.

„Oh entschuldigen Sie. Ich heiße Axel Falkner. Rosalie ist meine Pflegetochter. Ja ich bekam einen Anruf, dass es hier ein kleines Problem gibt und ich Rosalie abholen soll. Aber als ich hier angekommen bin, naja den Rest kennen sie bereits.“

„Ich bin ihnen so dankbar, dass sie Emalia beschützt haben.“  Doch ich schüttle sofort den Kopf.

„Scheinbar bin ich bereits zu spät gekommen. Als ich zur Tür rein bin, kam Rosalie mit Emalia an der Hand, Sie hat die Kleine beschützt.“ Rosalie klettert von Nicos Schoss und als sie aus dem Auto springt, springt sie direkt in meine Arme.

„Emalia ist meine Freundin. Schwarzer Mann böse und wir uns versteckt. Bis Papa kommt.“ Emalia ist eingeschlafen und nachdem Nico ausgestiegen ist, nimmt er die Kleine ab und auch Tristan steigt aus.

Die drei Männer gehen mit der schlafenden Emalia zu ihrem Auto.

„Noch einmal recht herzlichen Dank für alles. Wenn sie einmal etwas brauchen, rufen sie an.“ Nico überreicht mir eine Visitenkarte und kurz darauf fahren sie los.

„Emalia ist traurig.“ Rosalie reist mich aus meinen Gedanken. Ich setze sie in ihren Kindersitz und setze mich neben sie.

„Wie meinst du das Kleines?“

„Der schwarze Mann ist schon oft hier gewesen. Emalia hat Angst vor ihm. Ich beschütze sie immer. Sie sagt ihren Papas nichts.“ Ich gebe der Kleinen einen Kuss auf das Haar.

„Danke Rosalie, du bist ein Schatz.“

Ich schließe die Tür und setze mich hinters Steuer um uns nach Hause zu fahren. Es ist noch früher Nachmittag und kurz überlege ich noch ein Eis essen zu fahren, aber da Rosalie eingeschlafen ist bringe ich sie ins Bett und setze mich an den Computer.

Ich bin unschlüssig was ich machen soll, greife schlussendlich nach meinem Handy und der Visitenkarte und wähle die angegebene Nummer.

„Miller“

„Falkner hier. Ich glaube wir sollten uns treffen.“ Am anderen Ende ist es still und ich überlege ob aufgelegt worden ist, als ich Geräusche höre.

„Falkner? Ah ja vom Kindergarten.“

„Richtig, also besteht die Möglichkeit, dass wir uns treffen?“

„Warum, was ist passiert?“

„Ich weiß nicht ob etwas passiert ist, aber Rosalie hat mir etwas vom Kindergarten erzählt, wo ich denke, dass dürfte Sie interessieren.“

„Okay Moment. Bastian kommt gerade rein.“ Ich höre eine hitzige Diskussion, dann raschelt es.

„Hallo, hier ist Tristan. Emalia ruft die ganze Zeit nach Rosalie. Bitte kommen Sie zu der Adresse auf der Karte und sagen Sie, dass Sie zu Tristan und Nico Miller möchten. Wir geben Bescheid das Sie kommen.“

„Okay aber es könnte noch etwas dauern. Rosalie schläft gerade. Ich schicke ihnen eine Nachricht, wenn ich losfahren kann.“

„Danke.“ Tristan klingt erleichtert. Der Streit im Hintergrund ist zwar leiser geworden, aber immer noch schmeißen die Männer sich Beleidigungen an den Kopf. Mit einem Kopfschütteln lege ich auf. Es soll nicht mein Problem sein, für mich zählt allein die Sicherheit der Mädchen.

 

Drei Stunden schläft mein kleines Mädchen, sie ist zwar nicht meine leibliche Tochter, aber nach dem Tod ihrer Mutter hat sie schnell angefangen mich Papa zu nennen und ich liebe sie einfach dafür. Rosalie ist ein bemerkenswertes Kind. Kurz nach ihrem dritten Geburtstag hat sie bereits mit Karate angefangen. Sie ist talentiert und wird später so einige Kerle auf die Matte schicken. Neben dem Training im Sportstudio verlangt sie regelmäßig danach auch mit mir zu trainieren und wer wäre ich, wenn ich ihr diesen Wunsch nicht erfüllen würde. Natürlich achte ich auf Pausen und auch, dass sie ein Kind ist und sich auch dementsprechend auch so verhalten darf. Aber ich bin schon mächtig stolz auf Rosalie.

Als sie schließlich aus ihrem Zimmer kommt sucht sie mich sofort auf und klettert auf meinen Schoss. Ich sitze noch immer am Computer, rücke aber sofort vom Tisch ab, so dass sich Rosalie ankuscheln kann.

„Papa ich habe Hunger.“

„Bist du mit etwas Obst zufrieden? Die Papas von Emalia möchten, dass wir sie besuchen.“

„Ins Schloss?“ Rosalies Augen leuchten. Ich weiß nicht was Emalia ihr über das Haus in dem sie wohnt erzählt hat. Auch ich bin mittlerweile sehr gespannt darauf.

„Geh noch einmal auf Toilette. Ich mache dir eine Kleinigkeit fertig, die du im Auto essen kannst.“ Sofort springt Rosalie von meinem Schoss und rennt in ihr Zimmer zurück.

Eine halbe Stunde später sitzen wir im Auto. Rosalie hat eine Dose mit Obststückchen und eine kleine Flasche Tee auf dem Schoß. Da mir die Adresse gänzlich unbekannt ist, gebe ich sie im Navi ein und kurz gebe ich eine Info an die Handynummer und fahre los.

Wie ich geahnt habe, gehört die Adresse in ein Nobelviertel.

„Oh man jetzt weiß ich warum sie Schloss dazu sagt.“ Entkommt es mir, als wir knapp eine Stunde später vor einem riesigen Gebäude vorfahren. Was mich jedoch wundert ist, dass es keine Mauer um das Grundstück gibt. Innerlich mache ich mir eine Notiz, damit ich die Herrn Miller danach fragen kann.

Kaum das ich den Motor ausstelle, geht die Eingangstür auf und mehrere Männer kommen mit gezogener Waffen auf mich zu.

„Falkner mein Name. Nico Miller und Tristan erwarten uns.“ Ungerührt der Waffen gehe ich ums Auto und hole Rosalie aus ihrem Sitz. Als ich mich mit der Kleinen im Arm umdrehe und sie absetze, stecken alle die Waffen weg und bedeuten mir ins Haus zu gehen.

An der Treppe wartet Tristan bereits auf uns. Als er uns erblickt setzt er Emalia ab, die sofort auf uns zukommt. Rosalie rennt ihr entgegen und nimmt sie in den Arm. Ich weiß nicht, was die Kleinen bereden, aber Emalia nickt und ist danach merklich ruhiger.

„Danke, dass du kommen konntest.“ Tristan schüttelt mir die Hand und bedeutet mir ihm die Treppe nach oben zu folgen. „Die Kinder sind hier sicher“, beruhigt er mich. Dennoch erwische ich mich immer wieder dabei, wie ich mich umblicke.

Die Mädchen folgen uns. Auf der dritten Etage angekommen betreten wir ein geräumiges Wohnzimmer, in dem sich Nico und Bastian aufhalten.

Während Nico auf mich zu kommt und mich begrüßt, steht Bastian am Fenster und mustert mich argwöhnisch.

Die Mädchen verschwinden durch eine Tür rechts von uns.

„Sie sind in Emalias Kinderzimmer.“ Beruhigt mich Nico und bedeutet mir mich hinzusetzen.

„Warum wolltest du uns sprechen?“

„Rosalie erzählte mir, dass der schwarze Mann schon öfter im Kindergarten gewesen ist. Emalia hat jedes Mal Angst vor ihm. Rosalie hat es sich zur Aufgabe gemacht auf Emalia aufzupassen. Ich muss dazu sagen, dass sie bereits vor über einem Jahr mit Karate angefangen hat. Also Im Dojo und bei mir, wenn ich selbst auch trainiere.

Mit großen Augen sehen mich die Männer an. „Sie möchte es. Ich zwinge sie zu nichts.“ Aus irgendeinem Grund habe ich das Gefühl mich rechtfertigen zu müssen. Nicht zuletzt wegen Bastians merkwürdigem Gesichtsausdruck, den ich einfach nicht deuten kann.

„Es ist beeindruckend was sie macht. Ich hoffe, dass Rosalie diesen Schwung nie verlieren wird.“ Ich schüttle den Kopf.

„Solange wir ihr die Möglichkeit geben mit Emalia zusammen sein zu dürfen, sollte das nicht passieren.“

Nico zieht skeptisch eine Augenbraue nach oben und Tristan sieht fragend beide Männer an. Bastian schüttelt leicht den Kopf.

„Zum jetzigen Zeitpunkt ist es zu früh um etwas zu sagen. Wir sollten es langsam angehen lassen. Ich möchte weder ihr Leben, noch das von Rosalie gefährden.“ Ich nicke verstehend, dann fällt mir etwas ein.

„Warum ist ihr Grundstück nicht durch eine Mauer geschützt?“ Drei verwunderte Augenpaare sehen mich an.

„Wir haben Kameras entlang der Grenze und Sensoren.“ Ich schüttle den Kopf. „Ich nehme an, Emalia ist das erste Kind hier im Haus. Wie alt ist sie? Dreizehn, Vierzehn Monate? Umso älter sie wird, desto neugieriger wird sie werden und desto größer werden die Gefahren. Verstehen sie mich nicht falsch, aber nach dem was heute im Kindergarten gewesen ist, mache ich mir Sorgen um ihre Sicherheit und damit meine ich nicht nur Emalias.“

„Du bist ein komischer Mensch.“

„Bastian!“ Bastians Aussage lässt ihn mich erstaunt ansehen. Aber Nicos warnender Ausruf ist noch eigenartiger.

„Entschuldige die zwei. Aber sie sind eine sehr spezielle Familie.“ Aha, also sind die beiden tatsächlich Brüder.

„Wenn ihr erlaubt, würde ich gerne einige Muster und Angebote erarbeiten. Ich bin gelernter Maurermeister.“

„Warum?“ Fragt Bastian mich das gerade allen Ernstes? Dabei habe ich doch gerade erzählt worum es mir geht.

„Nico ich finde die Idee gut. Bitte lass es ihm machen!“ Tristan, wenigstens einer der mich versteht. Da Nico von der Idee auch nicht abgeneigt scheint, stimmt er dem Ganzen zu.

Wir besprechen einige Details und ich bitte darum, mir eine Grundstücksübersicht zu geben, damit ich alle Maße habe.

Während Nico sich auf dem Weg macht die Unterlagen zu holen, gehen Tristan und ich zum Kinderzimmer in dem es sehr ruhig ist. Neben einem Gitterbett steht auch ein Kindersofa, Tisch und vier Stühle, ein Kleiderschrank und Wickelkommode. Die Wände sind in einem schönen beige mit vielen bunten Schmetterlingen. Auf dem hellen Boden liegen verschiedene runde Hochfloorteppiche in verschiedenen Farben und Größen. Beide Mädchen liegen auf dem größten Teppich. Kissen um sie herum und eine Decke über sie. Rosalie hält die kleine Emalia fest im Arm und beide schlafen.

„Wenn das in Ordnung ist, würde ich gern hier anfangen zu arbeiten solange die Mädchen schlafen.“

„Ja, ich finde es auch besser. Emalia wird sich melden, wenn sie etwas benötigt. Darf ich fragen, wie es bei Ihnen und Rosalie ist?“

„Axel bitte. Rosalie ist … besser gesagt war, die Tochter meiner besten Freundin. Ich bin ihr Patenonkel, naja war. Jetzt bin ich irgendwie ihr Vater.“

„Was ist geschehen?“

„Tödlicher Verkehrsunfall vor drei Monaten. Man wollte sie in ein Heim stecken und es hat einige Mühen gekostet, aber vor sechs Wochen konnte ich die Adoptionspapiere unterschreiben.“

„Kann Rosalie… ich meine, wie geht sie damit um? Wie alt ist sie?“

„Sie ist jetzt fast vier ein halb. Sie weiß, dass ihre Mama nicht mehr wieder kommt. Ich glaube aber, dass es noch kommen wird. Mit dem Trauern meine ich.“

„Was ist mit dir? Wie gehst du damit um? Hast du Familie oder eine Partnerin, der du dich anvertrauen kannst?“

Traurig schüttle ich den Kopf und wende mich von der Kinderzimmertür ab. Dabei erblicke ich Bastian, der die Unterhaltung scheinbar interessiert verfolgt. Tristans Hand auf meinem Arm lässt mich zusammenzucken.

„Es tut mir leid. Ich wollte nicht… Wenn du reden magst…“ Tristan unterbricht sich selbst. Scheinbar weiß er nicht mit der Situation umzugehen. Ich zwinge mich zu einem Lächeln.

„Danke Tristan.“ Beruhigend lege ich eine Hand auf seine Schulter und wende mich zur Tür, die in dem Moment aufgeht und Nico erscheint.

„Ich habe dir auch Papier und so alles mitgebracht. Wenn du etwas brauchst sag Bescheid. Ach ja, möchtest du etwas trinken?“ Nico ist automatisch ins Du verfallen, aber es stört mich nicht.

„Danke, etwas Wasser mit Zitrone wäre ganz nett.“ Nico gibt Bastian ein Zeichen, der etwas murmelt und aus dem Zimmer geht. Nico schüttelt lachend den Kopf, während er die Sachen auf dem Esstisch ablegt. Ohne die Männer weiter zu beachten begebe ich mich an den Tisch und sehe alles durch. Keine zwanzig Minuten später nehme ich Papier und Stift zur Hand und beginne zu Zeichnen. Das Glas, was mir hingestellt wird, schiebe ich nur immer wieder zur Seite, ohne es auch nur anzurühren. Ich bin komplett in meine Arbeit vertieft und merke nicht, wie die Zeit vergeht.

„Papa?“ Erst Rosalies Stimme reißt mich ins hier zurück.

„Hey Kleines, hast du gut geschlafen?“

„Ach Papa ich bin schon lange wach. Draußen ist es dunkel.“ Verwirrt schaue ich aus dem Fenster. Stöhnend beuge ich mich zu Rosalie und hebe sie auf den Arm.

„Es tut mir Leid Kleines. Wir werden gleich nach Hause fahren. Ich packe nur noch zusammen.“ Rosalie nickt und kuschelt sich an.

„Nein das machst du nicht!“ Ertönt es hinter mir und ich drehe mich zu Bastian um.

„Rosalie kann bei Emalia schlafen und du hier auf dem Sofa.“ Fragend sehe ich ihn an, doch er sagt nichts weiter dazu.

„Danke, aber nein danke. Rosalie muss morgen in den Kindergarten und ich möchte wissen, was da heute vorgefallen ist.“

„Ein Grund mehr hier zu bleiben!“ Fährt Bastian mich an und ich zucke tatsächlich zusammen.

„Rosalie, magst du wieder zu Emalia gehen? Vielleicht würde Tristan oder Nico dir etwas vorlesen.“ Rosalie nickt und als ich sie abgesetzt habe gibt sie mir einen Kuss und rennt ins Kinderzimmer, wo sie leise die Tür schließt. Erst dann wende ich mich Bastian zu.

„Nie wieder“, betone ich bestimmt. „Nie wieder erhebst du die Stimme vor meiner Tochter oder einem anderen Kind!“ Ich trete ganz dich vor ihm, nur noch wenige Zentimeter trennen uns.

„Was sonst?“ Fragt er im drohenden Flüsterton. Er kommt einen Schritt auf mich zu, nur noch Millimeter trennen uns. Er hebt seinen Kopf und blickt mich lauernd an. Langsam schüttle ich den Kopf und senke ihn, bis sich meine Lippen neben seinem Ohr befinden.

„Ich habe weder die Zeit noch die Lust zu spielen. Ich bin Alt genug und kann selbst auf mich und meine Lieben aufpassen.“ Noch bevor er reagiert hebe ich meinen Kopf und drehe mich zum Tisch um, um alles nötige zusammen zu packen.

Hard pralle ich gegen den Tisch, als ich von hinten einen Stoß bekomme. Ich will mich umdrehen, aber Bastian drückt meinen Oberkörper auf die Tischplatte, so dass ich mich nicht bewegen kann.

„Dreh mir noch einmal den Rücken zu, dann erlebst du mich anders. Auch ich beschütze was mir wichtig ist. Ihr bleibt hier und morgen fahren wir beide zum Kindergarten, ohne die Kinder. Wage es nicht mir in diesem Punkt noch einmal zu widersprechen!“ Ehe ich mich versehe ist Bastian verschwunden und nur die Tür, die ins Schloss fällt zeigt, dass er den Raum verlassen hat.

Ich sinke zu Boden. Was um alles in der Welt… Ich schüttle den Kopf und verstehe mich, meine Reaktion oder gar Bastian nicht.

„Hey alles in Ordnung?“ Tristan kommt auf mich zu, nachdem er die Tür wieder leise geschlossen hat. „Komm setz dich kurz zu mir und esse etwas bevor du weiter machst.“ Ich nicke und erhebe mich. Ich fühle mich eigenartig schwach, als ich mich auf das Sofa, neben Tristan fallen lasse.

„Warum…“ ich schüttle den Kopf und weiß nicht wie ich formulieren soll was gerade in mir vorgeht, „Ich bin stark, schon lange auf mich allein gestellt und gewohnt andere zu beschützen. Bastian…“ wieder breche ich ab. Bevor ich jetzt wieder anfange zu stottern, erklingt Tristans leise Stimme.

„Die Brüder sind schon etwas beängstigend, aber auch berauschend. Sie sind etwas ganz besonderes. Weißt du, ich bin das komplette Gegenteil von dir. Klein, schwach und kränklich.“ Er unterbricht und pfeift leise. Kurz darauf kommt ein schwarzer Hund zu ihm und legt den Kopf in seinen Schoß. „Das ist Benjo, mein Beschützer. Zumindest bis Nico gekommen ist. Nico ist alles für mich.“ Er legt seine Hand auf sein Herz. Verstehend nicke ich, die Liebe steht Tristan ins Gesicht geschrieben, was mir einen Stich versetzt. Ich bin nicht eifersüchtig, ich habe Rosalie, aber dennoch…

„Ich glaube, Bastian könnte das für dich sein, was Nico für mich ist. Weißt du, Bastian ist herrisch und als Oberhaupt sehr dominant. Er wollte mich zu Beginn nicht einmal hier haben. Aber dich? Er besteht regelrecht darauf, dass ihr beide hier seid. Bei ihm und in Sicherheit.“

„Ich bin niemand der sich unterordnet. Ich bezweifle, dass Bastian und ich…“ Ich schüttle den Kopf. Tristan lächelt und legt eine Hand auf meinen Arm.

„Sei du selbst und finde es heraus. Bastian hat ein weiches Herz, auch wenn er es nicht zeigt.“ Damit erhebt sich Tristan und geht auf eine Tür zu, die ich bis jetzt noch nicht entdeckt habe. „Hier findest du das Badezimmer. Im Spiegelschrank, linke Tür, findest du alles was du brauchst. Das Sofa lässt sich ausziehen und hat einen Bettkasten. Ach ja ich glaube, die Mädchen schlafen bereits. Vom Kinderzimmer geht unser Schlafzimmer ab und auch da ist noch ein kleines Bad. Wenn etwas ist, sag Bescheid.“ Tristan ist damit einmal durchs Zimmer gelaufen. „arbeite nicht mehr zu lange und schlaf gut.“ Damit geht Tristan ins Kinderzimmer, dicht gefolgt von Benjo.

Ich bleibe noch etwas sitzen und esse die Sandwichs auf, die man mir hingestellt hat.

Danach gehe ich kurz ins Bad, sehe im Anschluss nach den Mädchen und begebe mich an den großen Tisch zurück um weiter an den Entwürfen für die Mauer zu arbeiten.

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02

„Papa“, ich höre Rosalies freudige Stimme, noch bevor ich richtig wach bin.

„Lass ihn noch etwas schlafen Kleine. Dein Papa hat heute lange gearbeitet.“

Die andere Stimme gehört einer der Männer, aber ich kann nicht sagen wem.

„Aber er muss auch Frühstücken.“

„Ich verspreche dir Rosalie, dass er nachher auch etwas isst, bevor wir fahren. Komm, Emalia wartet bestimmt schon auf dich.“ Soll das tatsächlich Bastian sein, der sich so liebevoll um meine Tochter kümmert? Eine Tür fällt ins Schloss und ich schlafe wieder fest ein.

Als ich das nächste Mal wach werde und es auch tatsächlich schaffe die Augen zu öffnen, steht ein Tablett mit Thermoskanne, ein Glas Orangensaft, Rührei und ein belegtes Brötchen mit Käse vor mir auf dem kleinen Tisch. Ansonsten ist der Raum jedoch leer.

Am liebsten würde ich unter die Dusche gehen um richtig wach zu werden, solange niemand im Raum ist, aber mir fehlen die Wechselsachen. Vielleicht sollte ich eine kleine Tasche mit Wäsche immer im Auto für uns mitnehmen. Meine Überlegung wird abrupt unterbrochen, als die Zimmertür aufgeht und ein Riese das Zimmer betritt.

„Oh entschuldige. Bastian hat mich gebeten dir ein Outfit zu leihen. Wir scheinen ungefähr die gleiche Größe und Statur zu haben. Er sagte, du würdest noch schlafen.“ Perplex starre ich den Mann an, der tatsächlich fast mein Spiegelbild sein könnte.

„Guten Morgen. Danke das ist sehr nett von dir.“ Verlegen stehe ich auf und nehme den Kleiderstapel entgegen.

„Leder?“ Er zuckt mit den Schultern.

„Bastian sagte: Berthold gib ihm Motorradtaugliche Klamotten. Berthold, das bin natürlich ich.“ Sein schiefes Lächeln, was eine Zahnlücke hervorbringt, lässt mich an einen schüchternen Jungen denken. Ich erwidere das Lächeln und reiche ihm die Hand.

„Axel und noch einmal recht herzlichen Dankt dafür.“

„Keine Ursache. Wenn du etwas brauchst, ruf einfach nach Berthold. Das machen alle hier.“ Seine Redensart über sich macht mich etwas stutzig, daher nicke ich nur.

„Dann werde ich ja jetzt doch unter die Dusche können.“ Ich winke Berthold noch einmal zu und gehe ins Bad. Der Stapel beinhaltet nicht nur Lederhose und Jacke, sondern auch ein schwarzes Shirt, Unterhose und Socken. Wobei die letzten zwei Teile noch das Preisschild besitzen. Oh man, wie soll ich das alles wieder gut machen? Ich entferne die Schilder, nehme aus dem Spiegelschrank eine Zahnbürste und Pasta und putze mir zuerst die Zähne, bevor ich unter die Dusche gehe. Da ich einen leichten, gut getrimmten Bart trage, brauche ich mich nicht jeden Tag rasieren, was es mir heute um einiges erleichtert.

„Papa?“

„Ich bin gleich da Rosalie.“ Gerade als ich die Dusche verlasse kommen alle ins Zimmer zurück. Schnell trockne ich mich ab und ziehe mich bis auf die Jacke und Schuhe an. Mit den Fingern kämme ich meine schulterlangen blonden Haare und gehe rüber ins Zimmer.

„Guten Morgen“, grüße ich in die Runde, woraufhin mich vier Augenpaare mustern. „Stimmt etwas nicht?“ Frage ich leicht verunsichert. Ich habe noch nie Leder getragen, daher fühle ich mich in der Hose etwas unwohl.

„Papa sieht aus wie ein Rockstar.“ Lacht Rosalie und verlangt auf den Arm genommen zu werden. Ich lache über die Kleine, hebe sie hoch und drücke ihr einen Kuss auf die Wange.

„Ich muss Rosalie Recht geben. Die Sachen stehen dir perfekt. Bastian du hattest mit Berthold genau richtig gelegen.“ Mein Blick wandert zu Bastian, der sich brummend wegdreht. Jedoch nicht schnell genug, so dass  ich das Verlangen in seinen Augen sehen konnte. Innerlich schüttle ich den Kopf. Das habe ich mir bestimmt nur eingebildet. Rosalie setze ich wieder ab, die sofort zu Emalia ins Kinderzimmer rennt. Vom großen Tisch nehme ich die fertigen Unterlagen und reiche sie Nico, als ich mich auf das Sofa setze um zu Frühstücken.

„Du bist fertig damit?“ Bastian setzt sich ungläubig neben Nico auf die Sessellehne.

„Ja wenn ich etwas anfange…“ verlegen unterbreche ich mich.

„Das habe ich bemerkt. Du hast nichts mitbekommen. Selbst das Wasser, was ich vor deine Nase gestellt habe, hast du ignoriert. Wie schaffst du es da, nicht alles zu vergessen?“

„Ich… entschuldige. Wenn ein neues Projekt geplant wird organisiere ich alles vorher. Jemand der auf Rosalie achtet und auch, dass ich am nächsten Tag nicht zu früh raus muss.“ Dass ich mich in einem fremden Haus so hab gehen lassen, kann ich mir gerade selbst nicht verzeihen. Hier hätte sonst etwas passieren können. Lustlos stochere ich im Rührei rum.

„Esse auf, ich habe Rosalie versprochen das wir erst fahren, wenn du gefrühstückt hast.“ Kommandiert mich Bastian im nächsten Moment rum. Ich reiße den Kopf nach oben und will ihn gerade anfauchen, als die Mädchen das Zimmer betreten. Ich schlucke meinen Zorn runter und lächle, als Benjo sich den Mädchen anschließt und Emalia in sein Fell greift.

„Papa fährst du gleich?“ Rosalie kommt zu mir auf das Sofa und Emalia versucht bei Nico auf den Schoss zu klettern, der die Unterlagen eilig an Bastian weiterreicht. Unter meinen Haaren, die mir ins Gesicht fallen, beobachte ich Bastian, wie er weiter die Unterlagen studiert.

„Was würde das alles kosten und wie viele Leute werden benötigt? Ich bin ehrlich, ich halte nicht viel davon eine Fremdfirma hier arbeiten zu lassen.“

„Ich stimme dir da zu Bastian. Den Vorschlag den ich dir machen kann ist, wenn du vier oder fünf Leute hast die anpacken können, kann ich sie anleiten. Die Kosten können gering gehalten werden, wenn du die Anschaffung übernimmst und den Transport.“

„Okay das sollte zu schaffen sein. Iss endlich auf, damit wir zum Kindergarten können. Ich will wissen wer es auf die Kinder abgesehen hat.“ Perplex sehe ich Bastian an. Was zur Hölle denkt er sich? Gleichzeitig greife ich nach der Gabel und beginne wieder zu essen. Tristan flüstert Nico etwas zu und nimmt ihm Emalia ab.

„Rosalie magst du mit uns und Benjo sparzieren gehen? Dann können dein Papa und Bastian noch etwas reden bevor sie losfahren.“ Überrascht sehe ich von Tristan zu Nico und werfe anschließend einen Blick zu Bastian, der mich genauso entgeistert ansieht.

Rosalie quietscht erfreut auf und rennt Tristan hinterher ins Kinderzimmer. Nico lächelt zuerst mich an, dann seinen Bruder, dem er etwas ins Ohr flüstert und im Anschluss selbst ins Kinderzimmer verschwindet.

Ich versuche Bastian zu ignorieren, aber auch das Essen schaffe ich nicht weiter zu essen, da mein Magen sich eigenartig voll anfühlt.

„Axel ich… ach verdammt lass uns einfach fahren. Wir können später noch was essen gehen. Du siehst nicht so aus, als wenn du jetzt noch etwas isst.“ Dankbar schiebe ich das Tablett in die Mitte und verschwinde im Badezimmer. „Wenn du fertig bist komm runter. Ich warte am Eingang.“ Ruft Bastian mir noch hinterher.

Kurz überlege ich, ob ich mir absichtlich Zeit lassen soll. Bastian weckt die unterschiedlichsten Gefühle in mir und ich schaffe es nicht, sie zu sortieren.

Wider besseres Wissen beeile ich mich im Bad, greife im Vorbeigehen nach meiner Jacke und bin schon fast aus der Tür raus, als mir Rosalie einfällt. Wie schafft der Kerl das bloß, dass ich selbst mein Kind vergesse. Gerade drehe ich mich zur Kinderzimmertür um, als Nico aus diesem Zimmer kommt.

„Rosalie ist bei mir und Tristan in den besten Händen. Komm ich begleite dich hinunter, dann können wir uns etwas unterhalten.“ Nico lässt mir erst gar nicht die Möglichkeit zu wiedersprechen. „Bastian ist nicht immer leicht zu nehmen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass wir beide die Oberhäupter hier sind. Seit ich mit Tristan zusammen bin hat er auch noch meine Unterstützung ausgeschlagen. Er fragt mich ab und zu schon nach meiner Meinung, aber im Grunde… Naja was ich dir damit sagen will ist, das du ihm eine Chance geben sollst. Er ist ein lieber Kerl und er mag Rosalie bereits jetzt.“ Halt Stopp, was redet Nico da gerade?

„Du versuchst doch wohl nicht mich mit ihm zu verkuppeln? Sorry aber das er mit Kindern klar kommt, sollte man als Oberhaupt voraus setzen. Alles andere?“ Entschieden schüttle ich den Kopf. „Ich kann keine Ablenkung gebrauchen. Ich finde es nett, dass ihr uns die Nacht hier habt schlafen lassen. Wobei ich ja gar keine Wahl gehabt habe. Ich wäre euch auch dankbar, wenn ihr zumindest nachmittags, nach dem Kindergarten, ein Auge auf Rosalie werfen könntet, so dass ich mich voll und ganz um die Mauer kümmern kann. Aber danach?“ Wieder schüttle ich den Kopf. „Gern und vor allem für die Mädchen würde ich mich über einen freundschaftlichen Kontakt freuen.“ Nico bleibt stehen und sieht mich mit leicht schräg gelegtem Kopf an. Gerade als ich Luft hole um ihn zu fragen, schüttelt Nico den Kopf.

„Nein Axel, ich werde dir nicht sagen das du falsch liegst oder richtig. Das ist etwas, was nur du für dich herausfinden kannst. Aber ich kann und werde dir ein Freund sein, genau wie Tristan. Du kannst dich jederzeit Ratsuchend an uns wenden und um Hilfe bitten. Das da etwas zwischen dir und meinem Bruder ist, das merkst du selbst. Jetzt musst du nur herausfinden was es ist.“ Ein Hupen ertönt und lässt mich zusammen zucken. „Hier das wirst du brauchen.“ Nico drückt mir einen Helm und Handschuhe in die Hand und lässt mich vor der Haustür alleine stehen. Skeptisch sehe ich den Helm an und öffne sehr langsam die Tür. Als ich die Maschine sehe auf der Bastian sitzt und wartet schüttle ich ungläubig den Kopf. Ein Zittern durchläuft meinen ganzen Körper. Bastian bemerkt mein Zögern, schaltet das Motorrad aus und kommt auf mich zu. Noch bevor er etwas sagen kann rede ich drauf los.

„Nein vergiss es, auf so etwas bekommst du mich nicht.“ Ich merke erst, dass die Tür hinter mir sich wieder geschlossen hat, als ich mit dem Rücken dagegen knalle. Bastian kommt lauernd näher. Ich halte den Helm schützend vor mir, doch als er nicht stehen bleibt, schmeiße ich den Helm nach ihm und drehe mich um. Doch noch bevor ich auch nur die Türklinke ergreifen kann fällt der Helm zu Boden und Bastian zieht mich in seine Arme. Ich wehre mich und schlage um mich. Bin gefangen in einer Panik die ich nicht begreifen kann.

Ich werde herumgedreht, bis mein Rücken die Wand berührt. Meine Beine versagen und ich rutsche nach unten. Bastians Hände legen sich um meinen Kopf und er drückt ihn an seine Brust.

„Alles ist gut Axel. Komm du großer Kerl. Rosalie darf dich doch so nicht sehen.“ Bastian hat Recht. Für mein Kind muss ich stark sein. Etwas schwerfällig erhebe ich mich. Bastian läuft so dicht neben mir, dass er mir Halt gibt, ohne dass es zu offensichtlich ist. Wir gehen in eine Garage wo, nachdem die Tür zu fällt, ich wieder zu Boden gehe. Was ist gerade passiert? Ich bin doch schon öfter mit einem Motorrad mitgefahren. Bei Vera, Rosalies Mutter. Vera, die einen Unfall mit dem Motorrad gehabt hat. Nicht weil sie nicht fahren konnte, sondern weil andere nicht aufgepasst haben.

Ich zittre unkontrolliert und erst Bastian Körper der mich umhüllt und erdet lassen mich ruhiger werden. Bastian sagt kein Wort, wofür ich in dem Moment sehr dankbar bin. Bastian lässt mich auch nicht los, als ich wieder ruhig atme und mich etwas entspanne.

„Geht es wieder? Wir sollten das Auto nehmen, dann hast du noch etwas Zeit um wieder runter zu kommen.“ Dankbar nicke ich und ohne nachzudenken ergreife ich Bastians Hand und lasse mich nach oben ziehen. In dem schwarzen SUV vom Vortag sitzend, lehne ich meinen Kopf an die Fensterscheibe und schließe die Augen.

 

Wie in Zeitraffer sehe ich die Bilder, wo ich mit Vera durch die Gegend fahre. Wälder, Felder bis zum Bodensee und zurück. Vera ist zwei Jahre älter als ich gewesen. In der Schule wurde sie mein Alibi, damit ich nicht gemoppt wurde. Unsere Familien sind befreundet, so kam es, dass wir uns als Kleinkinder bereits angefreundet haben.  Als sie ihren Führerschein gemacht hat, bekam sie eine Honda Goldwing geschenkt. Jede freie Minute verbrachten wir auf der Maschine. Die Schwangerschaft ist ein One-Night-Stand gewesen, wo das Kondom gerissen ist. Aber sie hat Rosalie von Anfang an geliebt. Wir haben viel Zeit zu dritt verbracht. Rosalie ist bei mir gewesen, als Vera von einem Ausflug mit Kollegen auf dem Heimweg gewesen ist. Samstagnacht, zwei Uhr durch. Die Straße in den Höheren Lagen ist nass gewesen. Vera hielt ordnungsgemäß an einer Kreuzung während einer der Kollegen einfach weiter gefahren ist. Das Auto, welches die Vorfahrt dadurch genommen wurde, geriet ins Schleudern und raste ungebremst in Vera. Sie erlitt schwere Verletzungen und verstarb drei Tage später. Veras Eltern wollten Rosalie, aber ich bekam das Sorgerecht. Danach brach der Kontakt ab, da sie mit der Entscheidung nicht einverstanden waren. Auch kommen sie nicht damit klar, dass ich schwul bin.

 

„Axel wir sind da. Hast du dich soweit wieder gefasst?“ Ich blinzle einige Male um mich zu orientieren. Bastian steht vor dem flachen Gebäude, aus denen gerade die Kinder abgeholt werden.

„Es…Danke“ Bastian nickt nur und wir steigen gleichzeitig aus dem Fahrzeug. Bastian fragt nicht weiter nach, wofür ich ihm dankbar bin. Dennoch habe ich das Gefühl, dass meine Reaktion auf das Motorrad nicht so schnell vergessen wird.

Als wir das Gebäude betreten sind nur noch wenige Kinder da. Ich gehe direkt bis ins Büro durch. Bastian überlässt mir kompromisslos die Führung, was mich schon etwas verwundert.

„Entschuldigung, ich suche den jungen Mann, der mich gestern Mittag angerufen hat.“ Die ältere Frau sieht uns über die Brille hinweg an.

„Hier gibt es keinen Mann, selbst unser Hausmeister ist weiblich. Darf ich denn fragen, um welches Kind es sich handelt und um welches Problem es geht.“ Die Erwähnung das hier kein Mann arbeitet irritiert mich.

„Ich habe gehofft, dass Sie mir sagen können welches Problem hier gestern gewesen ist. Als ich ankam waren nur noch zwei Mädchen hier gewesen, ansonsten niemand.“ Die Sekretärin schüttelt den Kopf und blättert in ihrem Kalender.

„Gestern hatten wir nur Gruppe eins und drei hier. Dazu eine Aushilfe. Hm ich kann Ihnen leider nicht mehr sagen. Die Aushilfe ist von einer Zeitarbeitsfirma.“ Bastian will etwas sagen, aber ich schüttle unmerklich den Kopf.

„Danke dann werden die zwei Kinder wohl nicht mehr den Kindergarten besuchen können. Ich kann nicht zulassen, dass meinem Mädchen etwas zustößt. Auf wiedersehen.“ Damit drehe ich mich um und bin bereits im Begriff das Zimmer zu verlassen, als die Frau noch etwas sagt.

„Verraten sie mir wenigstens ihren Namen, damit ich ihre Tochter rausnehmen kann. Aber wir werden ihnen keinen Cent zurück erstatten.“

„Falkner und glauben sie mir, dass Geld ist mir in diesem Moment egal.“ Damit verlasse ich endgültig das Zimmer und gehe geradewegs auf den Ausgang zu. Bastian hält mich jedoch nach wenigen Metern am Arm fest und zwingt mich damit zum Anhalten.

„Wieso bist du so wage mit deinen Aussagen geblieben?“ Fragend sehe ich ihn an.

„Hier stimmt etwas nicht. Ganz ehrlich Bastian du müsstest es auch bemerkt haben oder?“ Er überlegt kurz, aber schließlich nickt er.

„Ich habe nicht erwartet, dass du die Dissonanz bemerkst.“

„Lass uns unterwegs reden. Ich fühle mich hier nicht sicher.“ Bastian nickt erneut und als wir endlich zum Auto gehen geht er einen Schritt hinter mir, was mich zwar wundert, ich aber nicht weiter kommentiere.

Der Rückweg verläuft schweigend. Ich hänge meinen Gedanken nach, die sich diesmal nur um das Gespräch im Kindergarten und meinen Empfindungen dort drehen.

„Axel darf ich dich etwas fragen?“ Wieder erwische ich mich dabei, wie ich orientierungslos blinzle. Wir stehen irgendwo auf einem Parkplatz vor einem Einkaufszentrum. „Kannst du mir deine Vermutung erklären?“ Ich nicke, benötige jedoch noch einige Minuten bevor ich es erklären kann.

„Ich weiß zu tausend Prozent, dass mich ein Mann angerufen hat. Dazu kommt, dass die Sekretärin gestern nicht da gewesen ist. Nach ihrer Aussage waren nur zwei Mitarbeiter und eine Aushilfe da. Zeitarbeitsfirma! Ganz ehrlich das stinkt. Ich weiß noch nicht wie ich das mache, aber diesen Kindergarten wird Rosalie nie wieder von innen sehen.“ Der Motor ist aus und Bastian hat sich zu mir gedreht.

„Ich weiß was du meinst und werde auch Tristan und Nico nahelegen Emalia zu Hause zu lassen. Rosalie kann gerne bei uns sein.“

„Danke Bastian, solange wir an der Mauer arbeiten ist es gut wenn ich Rosalie in der Nähe weiß. Was danach ist…“ Ich lasse den Satz offen und blicke aus der Frontscheibe.

„Apropos Mauer“, ich sehe wie seine Hand zuckt, als wenn er mich berühren möchte, sich aber zusammen reißt. „Hast du eine Liste dabei, was wir alles brauchen? Dann würde ich kurz telefonieren und Helfer und Transporter organisieren.“

„Nein die Liste ist im Haus. Ich habe sie beim Frühstück gar nicht mehr beachtet.“ Bastian klopft daraufhin seine Taschen ab und zieht seine Brieftasche raus. Kurz darauf reicht er mir grinsend einen Zettel. Als ich ihn auseinanderfalte muss ich lachen.

„Sorry ich habe sie wohl irgendwie eingesteckt und selbst vergessen.“ Verlegen kratzt er sich am Hinterkopf, was ihn mir gleich noch viel attraktiver macht, wenn das überhaupt noch geht. Schnell senke ich den Blick auf den Zettel und überfliege alles.

„Wir müssen zu dem Baumarkt am Ende der Stadt. Der ist für Großkunden ausgelegt. Wir werden einen 7,5 Tonner brauchen. Habt ihr dafür die Möglichkeit?“

„Hm 7,5 nicht. Aber wir haben vier Transporter.“

„Wenn man es aufteilt sollte es gehen. Lass mich etwas die Beine vertreten, dann kannst du in Ruhe telefonieren. Möchtest du etwas trinken?“ Bastian schüttelt den Kopf und hält bereits sein Handy in der Hand. Also steige ich aus und schließe leise die Tür. Tief atme ich durch und versuche meine Gefühle zu sortieren. Ich bin kein Beziehungstyp, zumindest kann ich nicht sagen, dass mir ein Kerl schon einmal so den Kopf verdreht hat, wie Bastian es tut. Verdammt er nimmt alles hin, schafft es mich zu provozieren und gleichzeitig wieder runter zu bringen. Mir kommt der Ausraster von vorhin wieder in den Sinn. Bastian hat mich weggebracht und mir halt gegeben ohne etwas zu verlangen. Er ist einfach da gewesen und hat dafür gesorgt, dass ich mich nicht blamiere und verliere. Dafür bin ich Bastian sehr dankbar. Aber auch alles andere an ihm. Er reizt mich, ich will ihn beschützen und gleichzeitig gibt er mir das Gefühl das ich selbst derjenige bin der Schutz braucht.

Ich bin total in meinen Gedanken versunken, als ich meinen Namen rufen höre. Ich bleibe stehen, sehe mich um und blicke geradewegs in das Auto was auf mich zukommt und nicht abbremst. Ich erwache aus meiner Starre, schaffe es aber nicht mehr vollkommen in Sicherheit. Das Auto erwischt mich an der Hüfte, als ich einen Hechtsprung wage. Der Fahrer fährt ungerührt weiter. Ich bin versucht mich aufzurappeln, als eine Hand mich zurück auf den Boden drückt.

„Bleib liegen Axel. Der Krankenwagen ist bereits unterwegs.“

„Es ist alles okay, lass mich bitte hoch. Ich will hier nur weg.“ Ich weiß, dass Bastian es nur gut meint, aber die Wut über meine Unachtsamkeit lässt mich ihn anfauchen.

Entschieden schüttelt er den Kopf und hält mich an den Schultern auf dem Boden. Eine Traube von Menschen hat sich gebildet, die erst aufgelöst wird als Polizei und Krankenwagen auftaucht. Es wird darauf bestanden, dass ich ins Krankenhaus zum Röntgen gebracht werde. Bastian habe ich das Versprechen abgenommen, dass er niemanden von dem Unfall erzählt.

Ich werde auf eine Trage gelegt und bekomme Schmerzmittel, obwohl ich gar keine Schmerzen habe. Als ich das sage erklärt man mir, dass ich nur unter Schock stehe. Bastian versichert mir, mir ins Krankenhaus zu folgen und dann fahren wir auch schon los.

Wie hat dieses Auto es geschafft auf den Parkplatz so ein hohes Tempo zu fahren? Der Fahrer muss mich beobachtet haben, denn dieser Unfall ist beabsichtigt gewesen. Selbst während der gesamten Untersuchung lässt mich das Geschehen nicht los. Ich habe den Fahrer ins Gesicht gesehen, kann mich aber an keine Einzelheiten erinnern. Ich liege noch immer im Untersuchungszimmer, als Bastian und zwei Polizisten hinein kommen. Wie selbstverständlich stellt sich Bastian hinter die Liege und legt eine Hand auf meine Schulter. Als ich zu ihm hinaufblicke nickt er mir lächelnd zu.

Den Polizisten erzähle ich das gleiche. Was mir durch den Kopf gegangen ist. Als dann endlich ein Arzt reinkommt und berichtet, dass die Hüfte nur geprellt ist und ich nach Hause kann, atme ich erleichtert auf.

Nachdem der ganze Papierkram erledigt ist und ich noch Schmerzmittel und ein Gel bekommen habe, können wir das Krankenhaus endlich verlassen.

„Soll ich dich zum Haus fahren? Die Mauer kann auch noch warten.“ Entschieden schüttle ich den Kopf und bleibe am Auto stehen um Bastian anzusehen.

„Nein die Mauer ist wichtiger denn je. Gestern die Mädchen, heute ich. Keine Ahnung was hier los ist, aber die Sicherheit der Kinder ist wichtig.“

„Auch deine!“ Bastian legt beide Hände an meine Hüfte und erst als er das kleine zucken bemerkt schiebt er sie höher. „Entschuldige.“ Er kommt so dicht, dass nur noch wenige Millimeter Luft zwischen uns sind. Eine Hand legt er an meine Wange und lässt sie in meinen Nacken gleiten. Ich blicke zu ihm hinunter. Bevor ich noch irgendwas sagen, geschweige denn denken kann, überbrückt er die letzte Distanz und küsst mich. Überrascht greife ich nach seinen Armen und halte ihn einfach nur fest, als ich den Kuss vertiefe. Noch immer weiß ich nicht wohin mit meinen Gefühlen, aber da Bastian den ersten Schritt gemacht hat, genieße ich es einfach und nutze es aus.

„Du solltest dich hinsetzen. Ich rufe die Jungs an und sage Bescheid, dass wir uns am Baumarkt treffen.“ Bastian öffnet mir die Tür und wartet bis ich mich etwas ungeschickt hinsetze. Während er um das Auto geht telefoniert er. Als er sich schließlich hineinsetzt hat er alles erledigt. „Sag mir bitte Bescheid wenn es nicht mehr geht.“ Ich nicke und genieße seine Hand auf meinen Oberschenkel vielleicht mehr als ich sollte. Sein wissendes Lächeln zeigt mir, dass ihn die Reaktion nicht entgangen ist.

Ich schließe die Augen und versuche die Schmerzen weg zu atmen, die mir die Schlaglöcher der Straße bereiten. Die Hand auf meinem Bein, die mich streichelt, übermittelt mir Trost und zeigt mir, dass Bastian meine Situation erkennt.

3

 

03

Der Einkauf ist anstrengender als ich gedacht habe. Bastian hat darauf bestanden, dass wir einen Einkaufswagen nehmen, nur damit ich mich darauf stützen kann. Dass ich von Anfang an nicht protestiert habe zeigt mir selbst wie dreckig es mir geht. Ich bin still, gebe einen der Mitarbeiter die Liste und entscheide welches der Baustoffe wir nehmen, wenn mehrere zur Auswahl stehen. Bastian organisiert den Ablauf und das Verladen der Waren.

Nachdem er alles bezahlt hat gehen wir zurück zum Auto. Die Transporter sind bereits auf dem Rückweg.

„Axel leg dich hinten etwas hin. Das dürfte bequemer sein als vorne zu sitzen.“ Ich nicke nur und steige hinten ins Auto. Als Bastian sich hinters Steuer gesetzt hat, schaut er noch einmal zu mir und lächelt. Ich sehe in seinen Augen, dass er sich Sorgen macht, also lächle ich zurück und strecke ihn eine Hand entgegen, die er ergreift.

„Ich bin Kampfsportler. Mit so ein bisschen Schmerz werde ich schon klar kommen.“

„Lass mich für dich sorgen bitte. Ich weiß das du stark bis, aber…“ Bastian bricht ab.

„So kenne ich dich gar nicht Bastian. Wenn du dich dann besser fühlst würde ich mich freuen, wenn du mir etwas zur Hand gehen könntest. In den nächsten Tagen wird es etwas kompliziert werden.“

„Danke“, sein Lächeln ist jetzt echter und er dreht sich um, um endlich zum Haus zu fahren.

Es ist bereits dunkel als wir unser Ziel erreichen. Die Transporter sind in der Garage untergebracht und Bastian hält direkt vor dem Haus, wo noch immer sein Motorrad steht. Mein Blick ist starr auf die Maschine gerichtet.

„Axel“, Bastian hat mein Gesicht zu sich gedreht und zwingt mich ihn anzusehen. „Komm schon Großer. Konzentriere dich auf mich. Mit dem Motorrad befassen wir uns später.“ Ich blinzle einige Male bis ich Bastian in die Augen sehen kann. Er steht vor mir an der hinteren Autotür. Stimmt, ich wollte gerade aussteigen als ich die Maschine gesehen habe. „Komm bringen wir dich erst einmal nach oben und in ein Bett.“ Bastian versperrt mir die Sicht auf die Goldwing und führt mich nach innen. Wie betäubt folge ich ihm und leiste noch nicht einmal widerstand.

Erst als ich liege erwacht mein Widerstand und ich versuche mich aufzusetzen.

„Ich muss nach Rosalie sehen und nach Hause. Ich…“

„Du musst dich ausruhen. Um den Rest kümmere ich mich.“ Bastian drückt mir ein Glas Wasser und eine Tablette in die Hände und wartet, bis ich sie genommen habe. „Du hast mir versprochen, dass ich mich um dich kümmern darf.“ Er nimmt mir das Glas ab und setzt sich zu mir auf die Bettkante. Er schlägt die Decke noch einmal zurück und öffnet die Geltube. Erst jetzt bemerke ich, dass ich bis auf die Pants nichts mehr an habe. War ich vorhin tatsächlich so neben der Spur, dass ich noch nicht einmal mitbekommen habe, wie mich Bastian entkleidet hat.

Vorsichtig trägt er das Gel auf und verreibt es auf meiner Hüfte. Man sieht bereits, wie die Haut sich verfärbt. Auch wenn ich versuche eine Reaktion zu unterdrücken, kann ich die Schmerzen dennoch nicht ganz verbergen.

„Versuch etwas zu schlafen. Ich erzähle meinem Bruder was passiert ist und morgen holen wir einige Sachen für euch beide aus deiner Wohnung.“

Mir fehlt die Kraft um zu widersprechen, also nicke ich nur und schließe die Augen. Ich spüre, wie Bastian noch bei mir sitzt bis ich einschlafe.

Als ich das nächste Mal erwache, liegt Bastian neben mir. As ich mich auf die Seite drehen möchte, zische ich vor Schmerzen auf.

„Bleib auf dem Rücken liegen.“ Sofort liegt seine Hand auf meinem Brustkorb und Bastian beugt sich über mich.

„Nimm eine Tablette Axel.“ Bastian greift über mich hinweg und drückt mir kurz darauf eine Schmerztablette in die Hand. Ich stemme mich etwas nach oben, als auch schon ein Wasserglas vor mir auftaucht. Dankbar schlucke  ich die Tablette und lehne mich wieder nach hinten. Bastian zieht die Decke zurück und reibt das Gel auf die Prellung.

„Du solltest es heute langsam angehen lassen. Berthold fährt in deine Wohnung um Sachen für euch zu holen. Rosalie hat mir schon einige Sachen gesagt, aber es wäre super wenn du die Liste noch vervollständigen würdest.“

„Ich kann selbst…“

„Vergiss es Axel. Du hast auf der Baustelle heut genug zu tun. Schließlich musst du uns anleiten.“ Seufzend nicke ich, auch wenn es mir schwerfällt.

„Ich möchte zum Frühstück zu Rosalie. Sie hat mich gestern den ganzen Tag nicht gesehen.“

„Es ist in Ordnung Axel aber langsam. Ich werde darauf achten, wenn du es vergisst.“ Wieder nicke ich einfach nur und jetzt lässt mich Bastian auch aufstehen. Wir gehen ganz hinunter ins Erdgeschoss und von da aus in die rechte Haushälfte, wo eine große Küche sich befindet.

Noch ist niemand hier, der mir bekannt ist und Bastian stellt mich im Allgemeinen vor. Unter den Leuten sind einige dabei, die heute mit anpacken und so werden Fragen gestellt, kaum dass ich sitze.

Endlich höre ich die Kinder im Flur und schaue lächelnd auf, als Rosalie mich ruft. Sofort klettert sie auf meinen Schoss, was mich die Zähne zusammenbeißen lässt. Doch ich schiebe Rosalie nicht von mir. Bastian mustert mich, aber ich schüttle leicht den Kopf, woraufhin er nur die Augen zusammen kneift.

„Axel wie geht es dir?“ Nico legt mir eine Hand auf die Schulter, als er an mir vorbei geht.

„Alles okay soweit.“ Dass Bastian dem nicht zustimmt, erkenne ich an seinem Knurren. Nico hat es auch gemerkt, verrät mir sein Lachen.

„Wir wollten nach dem Frühstück zu Tristans Eltern auf den Hof. Hättest du etwas dagegen wenn wir Rosalie mitnehmen? Wir fahren nicht alleine. Bastian kennt die Leute die uns begleiten und Tristans Eltern sind sehr nett und würden sich freuen.“

„Papa darf ich bitte?“ Ich schaue fragend zu Bastian, als er nickt stimme auch ich zu.

„Aber höre auf die Erwachsenen und sei brav. Wenn ich höre das du böse gewesen bist, dann müssen wir über eine Strafe reden.“

„Ich bin lieb und passe auf Emalia auf.“ Ich gebe Rosalie einen Kuss auf die Stirn und sie springt vom Schoss um sich neben Tristan auf den Stuhl zu setzen. Ich freue mich, dass sie scheinbar keine Berührungsängste mit all den Leuten hat.

„Da fällt mir ein, morgen hat sie um fünfzehn Uhr Training.“ Bastian setzt an etwas zu sagen, doch ich spreche direkt weiter. „Nein Bastian, wenn wir das absagen wird sie merken, dass etwas nicht stimmt. Rosalie ist bereits jetzt sehr empathisch und viel zu intelligent. Warum denkst du, überspiele ich alles und versuche immer Ruhe in ihrer Gegenwart zu bewahren.“ Beschwichtigend legt er eine Hand auf meinen Arm und nickt.

„Wir überlegen uns etwas. Ich verspreche es dir.“

„Papa magst du Bastian?“ Rosalies  Stimme erschreckt mich und ich zucke zusammen. Was mich wiederum stöhnen lässt, weil der Schmerz durch meinen Körper rast. „Papa bist du verletzt? Bitte Papa!“ Rosalie steht jetzt direkt neben mir, die Hände auf meinen Oberschenkel und mustert mich. Ich versuche das Kind zu beruhigen und lege eine Hand auf ihren Kopf.

„Ich habe mir gestern etwas wehgetan und Bastian hilft mir.“ Ich beuge mich zu ihr runter, auch wenn es schmerzhaft ist und flüstre: „Und ja ich mag Bastian und du?“ Rosalie strahlt über das ganze Gesicht und nickt heftig. Dann flitzt sie um mich herum und stellt sich zu Bastian.

„Passt du auf Papa auf wenn ich nicht da bin?“ Bastian sieht mich lächelnd an, dann legt er die Hand die eben noch auf meinem Arm ruhte, auf Rosalies Kopf und nickt.

„Ich verspreche es. Aber dein Papa macht es mir nicht leicht.“ Mit großen Augen dreht Rosalie sich zu mir um.

„Papa du musst hören, sonst wirst du nicht gesund.“ Lachend beuge ich mich zu ihr runter und gebe ihr einen Kuss aufs Haar. Das zischen kann ich leider nicht unterdrücken und beide, Bastian sowie Rosalie, sehen mich böse an.

„Was hältst du davon, wenn du aufisst und den Papas von Emalia hilfst. Ich sorge dafür, dass es deinem Papa bald besser geht.“ Rosalie dreht sich noch einmal zu Bastian um und als sie sich auf die Zehenspitzen stellt, beugt Bastian sich zu ihr und bekommt einen Kuss auf die Wange. Kurz darauf sitzt sie wieder neben Tristan auf dem Stuhl und frühstückt zu Ende.

Ich bleibe sitzen, warte bis sich der Raum geleert hat und ich nur noch mit den Handwerkern und Bastian in der Küche sitze.

„Wir sollten raus gehen und Anfangen, je nachdem wie gut wir vorankommen sollte es ein bis zwei Wochen dauern.“

„Axel ich möchte eines jetzt klar stellen und ich werde keine Diskussion dulden. Du zeigst den Jungs was sie zu machen haben. Worauf zu achten ist und alles. Danach verfrachte ich dich zurück ins Haus.“ Bevor ich auch nur Luft holen kann spricht Bastian weiter. „Glaubst du ich sehe nicht, wie du dich auf dem Stuhl quälst? Ich habe deiner Tochter etwas versprochen und das werde ich einhalten.“ Ich seufze und nicke. Auch wenn jeder weiß dass ich verletzt bin, versuche ich es weiterhin zu verbergen. Auch alle anderen erheben sich und Bastian gibt Bescheid, dass wir uns in einer halben Stunde am Grenzstein treffen.

Bastian besteht darauf meine Hüfte noch einmal einzureiben und damit ich nicht wieder die drei Etagen nach oben steigen muss, führt er mich in einen kleinen Aufenthaltsraum und befiehlt mir, mich hinzulegen. Keine fünf Minuten später ist er wieder da.

„Es färbt sich immer dunkler. Ich bewundere dass du dich überhaupt noch bewegen kannst. Hier“, er reicht mir eine Schmerztablette die ich mit einem Schluck Wasser kommentarlos nehme. „Hast du dir Gedanken gemacht was du aus der Wohnung brauchst?“ Noch immer ruht Bastians Hand auf meiner Hüfte. Ich nehme den Zettel vom Tisch und gebe ihn Bastian sowie meinen Wohnungsschlüssel, die ich heute Morgen mit nach unten genommen habe. Auch wenn es mir schwerfällt, bin ich dankbar, dass mir Bastian so viel abnimmt. Was ich zu Rosalie gesagt habe stimmt. Ich mag diesen Dominanten Kerl, wahrscheinlich mehr als ich sollte.

„Wirkt die Tablette?“

„Solange ich liege ja. Aber die Mauer muss erbaut werden.“

„Ich weiß, aber es wäre mir lieber, wenn du liegen bleiben würdest.“

„Wie fit und lernfähig sind deine Jungs?“

„Gib ihnen eine halbe Stunde, danach schaffen wir dich nach oben ins Bett. Wo du vorzugsweise eine Woche bleibst.“ Skeptisch sehe ich ihn an, sage aber nichts. Denn im Moment möchte ich nichts weiter als zu liegen.

Als es Zeit ist raus zu gehen, kann ich das Humpeln trotz der Schmerzmittel nicht unterdrücken. Bastian läuft so dicht neben mir, dass ich mich nur zu gern anlehnen möchte, mich aber nicht traue. Bastian nimmt mir die Entscheidung ab, indem er einen Arm um meine Hüfte legt und mich so beim Laufen unterstützt.

 

Die Jungs, die Bastian zusammen geholt hat, zeigen sich als sehr gelehrig und intelligent. Innerhalb einer Stunde bin ich alles mit ihnen durchgegangen und habe mir zeigen lassen, dass sie es auch tatsächlich verstanden haben.

„Es ist Zeit, komm!“ Bastian ist mir die ganze Zeit nicht einmal von der Seite gewichen und jetzt dirigiert er mich, mit dem Arm um meine Hüfte, zum Haus zurück. Ich bin ihm dankbar für alles und seufze erleichtert, als ich endlich liegen kann.

„Für die nächsten Tage möchte ich dich nicht außerhalb des Zimmers sehen. Bettruhe ist angesagt.“ Ich nicke gehorsam und schließe erschöpft die Augen. „Schlaf etwas, ich bin gleich wieder da.“ Bastian gibt mir einen Kuss auf die Stirn, streicht mir über die Wange und verlässt leise das Zimmer. Kurz darauf schlafe ich tatsächlich ein. Doch hält der Schlaf nicht lange. Als ich mich unbedacht auf die verletzte Seite drehe stöhne ich schmerzhaft auf und drehe mich zurück auf den Rücken. Langsam öffne ich die Augen und sehe mich um. Ich bin allein und da ich jetzt dringend auf die Toilette muss, stehe ich vorsichtig auf. Am Fenster bleibe ich wie erstarrt stehen und ich sehe hinunter zur Grundstücksgrenze. Wie lange habe ich geschlafen? Insgesamt umfasst die Grenze knapp 1,5 km. Wenn man dazu bedenkt, dass die Mauer eine Höhe von zwei Meter fünfzig erlangen soll… nein sie können unmöglich bereits so weit sein.

Etwas überrumpelt und weil ich glaube, dass mir die Schmerzen etwas vorgaukeln, suche ich endlich das Badezimmer auf. Die Zimmer auf der dritten Etage sind scheinbar alle identisch aufgebaut und so finde ich mich relativ schnell zurecht. Ich weiß, dass ich es nicht sollte, aber die Dusche lockt mich, also suche ich mir im Badezimmerschrank ein Handtuch raus und betrete die ebenerdige Kabine. Als ich mich nach der wohltuenden Wärme nach dem Handtuch umdrehe und mich abtrockne erschrecke ich mich, da Bastian in der Tür steht.

„Solltest du nicht liegen?“ Bastian schafft es jedes Mal dass ich mich klein fühle und so senke ich auch jetzt wieder schuldbewusst den Blick. Das Handtuch wickle ich mir um die Hüfte und gehe zurück zum Bett. Dabei gehe ich wieder dicht am Fenster vorbei und bleibe stehen.

„Wie spät ist es?“ Bastian steht schräg neben mir und folgt meinem Blick.

„Die Jungs sind fleißig. Wenn die einen eine Pause benötigen sind sofort andere da. Insgesamt haben wir zwanzig Leute.“

„Wohnen sie alle hier im Haus?“

„Ja und in den zwei Nebenhäusern, die sich auf dem Grundstück befinden.“ Ich schwanke leicht und bevor meine Hand die Wand berührt, liegt Bastians Arm um meine Hüfte. Ich wiedersetze mich nicht, als Bastian mich zurück zum Bett führt. „Du solltest dir noch nicht so viel zumuten. Der Arzt meint zwar, dass es nur eine Prellung ist, aber du scheinst auch das Bein nicht richtig belasten zu können und der Bluterguss sieht auch nicht ohne aus. Wenn es in zwei Tagen noch nicht besser ist, würde ich gerne, dass unser Arzt sich das ansieht.“

„Bastian ich bin Kampfsportler und körperlich in Topform. Dieser kleine Aufprall bringt mich nicht um. Davon ab das ich arbeiten muss.“

„Nein musst du nicht!“ Meine Augen vergrößern sich, als ich ihn ansehe. Ich habe keine Krankschreibung bekommen, da ich noch zwei Wochen Urlaub habe Dennoch bekomme ich immer wieder Anfragen für neue Arbeiten. „Berthold ist vor einer halben Stunde zurückgekommen, leider mit leeren Händen. Wem hast du dir zum Feind gemacht?“ Bastians Frage ist neutral, aber ich springe fast aus dem Bett als er das sagt. Meine Schmerzen sind mir gerade egal, ich will in meine Wohnung.

„Axel bitte beruhige dich. Du kannst nicht zurück in die Wohnung, denn sie existiert nicht mehr. Gott sei Dank ist das Sechs-Familienhaus gerade unbewohnt gewesen. Also keine Menschen oder Tiere sind verletzt worden. Wenn es dir besser geht, fahren wir gemeinsam da hin. Berthold ist gerade dabei einige Sachen zu besorgen, was ihr beide brauchen werdet.“ Wie ein nasser Sack falle ich zurück ins Kissen. Ist das alles nur ein dummer Zufall oder habe ich mir tatsächlich irgendwelche Feinde gemacht Aber wodurch?

„Rosalie und die anderen?“

„Ihnen geht es gut. Ich habe Nico benachrichtigt. Außerdem habe ich Christopf und Roxanne zum Hof geschickt. Sie werden ab jetzt extra auf dich und Rosalie aufpassen. Auch wenn ich bei dir bin. Genau wie bei Tristan und Nico.“ Ich stöhne, aber ich weiß, dass ich nur verlieren werde wenn ich jetzt Diskutiere. Solange wie ich nicht weiß wer hinter mir her ist, ist das wohl der sicherste Weg. Eine Weile schweigen wir und ich genieße Bastians Berührung als er wieder meine Hüfte einreibt.

Das plötzliche Klopfen lässt mich zusammen zucken und ich greife automatisch nach der Deckle. Bastian hilft mir dabei und erst als ich richtig zugedeckt bin lässt er die Besucher herein.

Rosalie, Emalia mit ihren Vätern und Berthold betreten nacheinander das Zimmer.

„Papa, Tristan hat ganz viele Kühe und ich durfte die Babys streicheln.“ Rosalie klettert etwas umständlich auf das Bett, so dass Bastian ihr unter die Arme greift und sie neben mich setzt. Natürlich möchte jetzt auch Emalia aufs Bett, was mich zum Schmunzeln bringt. Bastian setzt sie auf die andere Seite von mir und beide Mädchen kuscheln sich an mich.

„Papa du musst auch mal mit kommen. Die Tiere sind ganz lieb und Baby Roman so süß.“

„Baby?“ alarmiert blicke ich die Männer an. Erst jetzt bemerke ich, dass Berthold nur einige Tüten abgestellt hat und uns wieder allein gelassen hat.

„Roman ist das Baby der Eheleute, die ich damals eingestellt habe, als ich zu Nico gezogen bin.“ Bastian hat währenddessen eine Hand auf mein Bein gelegt um mich zu beruhigen.

„Dein Papa muss erst wieder richtig gesund werden Rosalie.“

„Und mein Training morgen?“ Nur Bastians Hand die mein Bein drückt hält mich davon ab zusammen zu zucken.

„Christopf und Roxanne werden dich immer begleiten und bei dir sein.“ Nico wechselt einen Blick mit Bastian, bevor er sich an Tristan wendet und ihm etwas ins Ohr flüstert.

„In Ordnung Papa. Ich werde auf beide hören:“ Dankbar lege ich Rosalie die Hand auf den Kopf.

„Rosalie magst du mit Emalia baden gehen?“ Rosalie strahlt und hält Bastian die Ärmchen entgegen. Lachend hebt er sie über mich rüber und drückt ihr einen Kuss auf die Wange, bevor er sie absetzt. Danach hebt er Emalia hoch, gibt auch ihr einen Kuss und reicht sie an Tristan weiter.

„Danke“, sagt Bastian und legt Tristan kurz eine Hand auf die Schulter. Dieser nickt und geht mit beiden Mädchen aus dem Raum.

„Bastian kläre mich auf! Geschieht hier gerade das gleiche wie bei Tristan?“ Bastian setzt sich neben mir ans Kopfende und ich lege wie selbstverständlich meinen Kopf in seinen Schoss. Woraufhin er mir durch die Haare streicht.

„Ja es sieht ganz danach aus. Der Anruf im Kindergarten hat den Stein ins Rollen gebracht. Axel muss dort etwas gesehen haben.“ Nico schüttelt entschieden den Kopf.

„Das ist es nicht nur und das weißt du Bruder. Du solltest dich Entscheiden. Wenn Axel und Rosalie noch länger hier bleiben und nicht Bescheid wissen wird es nur umso gefährlicher.“ Ich höre  dem Gespräch interessiert zu, verbiete es mir aber, derzeit Fragen zu stellen.

„Sie sind schon zu tief drin. Erst das Axel angefahren worden ist. Jetzt ist das gesamte Haus nur noch Schutt. Wir können von Glück reden, dass niemand zu Schaden gekommen ist.“

„Dann erkläre es ihm. Denn ich habe nicht den Eindruck, dass du ihn gehen lässt.“ Bastian knurrt, was Nico nur lachen lässt. So absurd die Situation ist, aber auch ich möchte nur ungern hier weg. Das zwei Tage mein Leben so radikal verändern kann, nur weil da auf einmal jemand ist der mich fühlen lässt was ich noch nie gefühlt habe. Habe ich vielleicht mein ganzes Leben nur auf diesen herrischen Kerl gewartet, der mich schwach sein lässt, ohne mich zu erniedrigen?

„Hey“, Bastian kneift mir leicht ins Ohrläppchen und sichert sich so meine Aufmerksamkeit.

„Magst du es mir erzählen? Was Nico angesprochen hat.“ Bastian scheint mit sich zu hadern, aber als er mir in die Augen sieht und ich seinem Blick nicht ausweiche, nickt er schließlich.

„Egal wie absurd es sich anhört bitte vertraue mir. Ich werde dir keine Lügen erzählen.“ Die Aussage lässt mich zweifeln, ob ich es wirklich hören will, aber mir fällt eines ganz klar ein. Ich liebe diesen Kerl und ich würde ihm alles glauben. Ich nicke ihm zu und sehe ihn weiterhin an. Fordere ihn stumm dazu auf mir alles zu erzählen.

„Also gut“, noch einmal atmet Bastian tief durch und schließt kurz die Augen.

Selbst einige Minuten später sitzt er noch immer mit geschlossenen Augen da und überlegt scheinbar, wie er beginnen soll.

„Okay da du scheinbar Schwierigkeiten hast, stelle ich dir einige Fragen. Vielleicht ist das dann leichter für dich.“ Er öffnet die Augen und sieht mich lächelnd an. „Aber lache nicht, wenn die Fragen merkwürdig sind.“

„Ich verspreche es.“ Bestätigt Bastian und gibt mir einen Kuss aufs Haar.

„Also gut: Hat deine Familie etwas mit der Mafia zu tun?“ Bastian lacht, schüttelt aber den Kopf.

„Nein, manche würde sagen etwas Schlimmeres.“

„Mh“, nachdenklich beiße ich mir auf die Unterlippe und tippe mit dem Zeigefinger darauf. Ich liege auf dem Rücken, meinen Kopf in Bastians Schoss, und blicke zu ihm auf. „Schlimmer als Mafia? Killer? Sekte? Nein das nicht. Okay also verrückter. Verlassen wir einfach mal die Realität. Gestaltwandler? Dämonen? Engel?“ Ernst blickt Bastian mich an.

„Was… was wäre wenn?“ Sanft lege ich eine Hand an seine Wange.

„Welches von den dreien?“ Frage ich anstatt ihm eine Antwort zu geben. Bastian mustert mich intensiv. Scheinbar kommt er zu einem Ergebnis und nickt.

„Dämonen und Wandler! Wieso hast du keine Angst?“ Jetzt bin ich derjenige der den Kopf schüttelt.

„Du bist du, egal was du bist und die anderen genauso.“

„Du bist so sanftmütig Axel. Wie habe ich dich nur verdient?“ Verschmitzt lächle ich ihn an.

„Du mich verdient? Kleiner du hast dich doch bei mir breit gemacht und dabei habe ich versucht dich von mir zu stoßen.“ Bastian bedeutet mir, mich anders hinzulegen und legt sich neben mich um mich besser umarmen zu können.

„Auch ich wollte dagegen kämpfen, aber ich will dich auch beschützen. Vor anderen und vor mir selbst.“ Bevor ich etwas erwidern kann verschließt Bastian meinen Mund mit seinen Lippen. Nach gefühlt endlosen Minuten sehen wir uns keuchend an.

„Wie alt bist du und was bist du nun genau?“

„381 Jahre und ein Mischlingsdämon. Bevor du jetzt fragst, lass mich erzählen.“ Ich nicke und warte auf das was er sagt. „Hier auf diesem Grundstück leben Mischlinge in zweiter und dritter Generation. Nico ist wirklich mein Bruder, etwa fünfzig Jahre jünger. Reinrassige Dämonen haben Probleme mit uns, da sich unserer Fähigkeiten entwickeln und verändern.“

„Der Angriff im Kindergarten?“

„Emalia ist Nicos und Tristans Tochter, also ein Dämon in dritter Generation.“

„Warte Nico und Tristan? Aber wie?“ Bastian kratzt sich verlegen den Kopf.

„Muss ich es wirklich sagen?“ Bastian ist sichtlich verlegen. Ich bin hin und her gerissen zwischen Neugier und Beschützerinstinkt.

„Es ist okay Bastian. Erzähl es mir, wenn du bereit dafür bist.“

„Du bist wundervoll Engel.“ Zärtlich leckt er mir über die Lippen bevor seine Zunge sich einen Weg in meinen Mund sucht und meine herausfordert.

„Wir müssen auf euch aufpassen. Tristan, du und Rosalie, ihr seid die einzigen Menschen bei uns. Emalia und Rosalie die einzigen Kinder im Moment.“

„Der Angriff im Kindergarten, mein Unfall und die Zerstörung des Hauses. Alles  nur weil ich euch kennengelernt habe?“

„Ja leider“, entschlossen schüttle ich den Kopf.

„Nein ich bereue es nicht. Am Anfang vielleicht etwas, aber eher deswegen, weil ich mich nicht verstanden habe. Für die Kinder würde ich immer über meinen Schatten springen. Das die Mauer nicht existierte, ist unvorstellbar für mich.“

„Engel die Mauer ist morgen fertig das Verspreche ich dir. Die Kameras sind die ganze Zeit funktionsfähig und überwachen alles. Wenn es dir besser geht, zeige ich dir das Haus und alles Wichtige.“

Ich gähne herzhaft und versuche es dennoch zu verbergen. „Schlaf Engel, morgen ist auch noch ein Tag.“ Wortlos schmiege ich mich an Bastian und schlafe kurz darauf tatsächlich ein.

4

 

04

Bastian hat es versprochen und es ist tatsächlich geschehen. Als ich es gegen Mittag endlich schaffe ins Bad zu gehen starre ich aus dem Fenster, wo gerade ein großes Tor in die Mauer eingelassen wird. Bastian kommt gerade mit einem Tablett ins Zimmer und stellt es auf den Tisch ab bevor er zu mir kommt.

„Was machst du hier?“ fragt er während er die Arme um mich legt und sich an meinen Rücken schmiegt.

„Ins Bad gehen“, Bastian lacht und drückt mir einen Kuss in den Nacken.

„Du weiß aber schon, dass das Bad noch vier Schritte weiter ist oder? Wenn du was gegessen hast und dich wohl fühlst können wir zum Tor gehen und du kannst es dir ansehen. Ich kann dir auch die Kameras zeigen, also vom Überwachungsraum aus.“

„Lass uns damit anfangen, dass ich heute noch nicht das Haus verlasse.“ Gebe ich leise zu, wofür ich noch einen Kuss bekomme. Am liebsten würde ich mich umdrehen und Bastian selbst umarmen, aber er dirigiert mich ins Badezimmer schließt die Tür und lässt mich allein. So gern wie ich duschen möchte, begnüge ich mich heute mit einer Katzenwäsche. Vielleicht mag mir Bastian später in der Badewanne Gesellschaft leisten.

Zurück im Zimmer setze ich mich vorsichtig an den Tisch. Da Bastian gerade nicht im Zimmer ist, muss ich es einfach testen. Schnell merke ich jedoch, dass es keine gute Idee gewesen ist und gerade als ich zum Bett rüber gehe kommt Bastian zurück. Ich kann das Humpeln nicht unterdrücken und ich weiß, dass er es sieht. Ich bin ihm dankbar dafür, dass er nichts sagt. Als ich liege kommt er mit dem Gel zu mir und reibt die Hüfte ein.

„Wie ist der Aufprall passiert Axel. Ich bin dabei gewesen ja, aber wo hat er dich getroffen und wie bist du auf dem Boden aufgekommen?“ Ich schließe meine Augen und versuche den Unfall noch einmal Revue passieren zu lassen. Laut spreche ich aus was ich weiß. Meine Hand legt sich auf meine rechte Hüfte, wandert hinab bis zum Knie. Den Aufprall habe ich mit der rechten Schulter abgefangen, dabei hat sich mein Knie verdreht. Ich öffne die Augen und sehe Bastian an, der mich besorgt mustert. „Im Krankenhaus haben sie nur deine Hüfte geröntgt oder?“

„Ja die Schulter macht mir Gott sei Dank keine Probleme und an das Knie habe ich nicht gedacht.“ Bastian zieht die Decke von meinen Beinen und tastet das rechte Bein vom Oberschenkel bis zum Knöchel ab. Krampfhaft versuche ich still liegen zu bleiben und beiße die Zähne zusammen um keinen Laut von mir zu geben.

„Komm mit“, Bastian steht auf und holt mir eine Jogginghose, Schuhe und Pullover. Verwirrt blicke ich ihn an, doch das einzige was er macht ist, mir zu helfen beim Anziehen, als es ihm nicht schnell genug geht.

„Bastian verdammt was ist los?“ Bastian reagiert nicht. Als er mich auf die Beine ziehen will mache ich mich absichtlich schwer. „Bastian jetzt rede mit mir!“ Ich greife nach seinem Gesicht und zwinge ihn, mich anzusehen. Sein Gesicht ist versteinert und er braucht einige Sekunden um sich mir wirklich bewusst zu werden.

„Axel ich… bitte ich möchte das sich unser Doc das Bein ansieht. Ich…“ Bastian seufzt und schließt kurz die Augen.

„Es ist okay Bastian. Ich bin einverstanden, aber bitte rede mit mir.“

„Entschuldige ich bin es nicht gewohnt…“ bevor Bastian noch etwas sagen kann beuge ich mich vor und küsse ihn.

„Hilf mir zum Doc.“ Bastian scheint ruhiger zu sein und so stützt er mich, als wir schließlich das Zimmer verlassen.

 

„Wo sind die Kinder?“ Es herrscht geschäftliches Treiben, aber weder von den Kindern noch Benjo ist etwas zu sehen oder gar zu hören.

„Sie sind draußen. Die Mauer ist fertig, das Tor fest verschlossen. Wir haben Patrouillen, die Kameras und Bewegungsmelder.“

„Das ist schön Bastian.“ Das Laufen ist beschwerlich und von Tag zu Tag schmerzhafter. Krampfhaft halte ich mich am Treppengeländer fest, während Bastian mich auf der anderen Seite stützt.

„Berthold wo ist der Doc?“ Wir stehen unten an der Treppe als Berthold uns über den Weg läuft.

„Mh, ich glaube er ist im Moment draußen bei den anderen.“

„Könntest du ihn bitte holen? Ich bringe Axel ins Behandlungszimmer.“ Berthold nickt und verlässt kurz darauf das Haus.

„Was ist Berthold für einer? Ich meine er ist ein Riese von Bär, aber sein Verhalten?“

„Berthold ist fast der Jüngste hier auf dem Grundstück, außer den zwei Kindern und du. Es gibt noch vier Dämonen in Bertholds Alter.“

„Wer ist der Älteste?“

„Mh das müsste der Doc sein. Aber er ist nicht viel älter als ich.“

„Wie habt ihr das Haus hier gegründet?“

„Leg dich auf die Liege, dann erzähle ich dir die Geschichte.“

„Doc, danke.“ Ein Mann der etwas kleiner ist als ich, aussieht wie Anfang vierzig mit leichten Bauchansatz, betritt den Raum. Nachdem Bastian mir beim Ausziehen der Hose und auf die Liege geholfen hat, stellt der Doc sich zu mir.

„Bastian und Nico sind schon immer unzertrennlich gewesen. Sie haben immer die Beschützt, die es nicht konnten und so haben wir schnell ein Haus gebraucht.“ Der Doc weiß, dass ich einen Unfall gehabt habe und nachdem ich ihm kurz geschildert habe was ich für Probleme habe, beginnt er zu arbeiten.

„Wie bist du zu den Brüdern gekommen?“

„Sie haben meine Hilfe gebraucht und ich bin zwar Arzt und für alle nützlich, dennoch habe ich viele Anschläge von den reinrassigen überlebt. Das ist schließlich auch der Grund, warum wir gemeinsam hier leben.“

„Au“, ich zucke bei der schmerzhaften Berührung zusammen.

„Es tut mir leid Axel, aber es scheint als wären deine Menisken auf beiden Seiten des Knies zumindest verletzt. Ich befürchte, dass du ins Krankenhaus musst.“

„Aber…“

„Nein Axel, es wird nicht besser werden. Und ehrlich gesagt würdest du Bastian so zur Last fallen.“

„Doc!“

„Aber es stimmt Bastian.“ Betrübt senke ich den Blick. Bastian ist neben mir ehe ich es bemerke und mit der Hand an meinem Kinn zwingt er mich dazu, ihn anzusehen.

„Ich sage Christopf und Roxanne Bescheid, dann können wir gleich los.“

„Nein Bastian das geht nicht. Rosalies Training!“

„Werden Nico und Tristan sicher gerne begleiten. Mach dir keinen Kopf.“ Bastian gibt mir einen Kuss auf die Stirn bevor er mir aufhilft.

Vor dem Haus erwarten uns die Kinder, die um ein Motorrad stehen.

„Papa“, Rosalie erblickt mich und kommt sofort zu mir gerannt. „Papa schau mal, Mamas Motorrad.“ Ich blicke von Rosalie nach vorne zu dem Motorrad und erstarre. „Papa was…“ Rosalies Stimme ist nur noch ein Rauschen als ich langsam zu Boden sinke.

 

„Hey alles okay?“ Als ich die Augen aufmache liege ich mit dem Kopf an Bastians Schulter gelehnt. Es schaukelt leicht und ich bemerke, dass wir im Auto sitzen.

„Was ist passiert?“

„Das möchte ich gern von dir wissen Axel. Rosalie hat dir meine Maschine gezeigt und du bist einfach umgekippt. Das gleiche wie gestern, als du die Panikattacke bekommen hast.“ Ich schlucke nur schwer und verweigere eine Antwort.

„Rosalie ist die Tochter deiner besten Freundin, die einen Verkehrsunfall gehabt hatte. Mit einer Goldwing richtig?“ Der Kloss im Hals macht mir das Schlucken schwer. Der Tod von Vera ist noch immer viel zu frisch. „Irgendwann würde ich dich gerne auf der Maschine mitnehmen, aber erstens muss die Verletzung dafür heilen und zweitens solltest du mir alles von dem Unfall erzählen können. Denn nur so kannst du es verarbeiten.“ Bastians rechter Arm liegt über meiner Brust und er drückt mich an sich. „Axel ich möchte für dich da sein. Keine Ahnung ob du es verstehst, aber für uns gibt es nur den einen Partner und der bist du für mich.“ Die einzige Antwort von mir besteht darin, meine Hand auf seine zu legen.

 

Mittlerweile sind wir im Krankenhaus angekommen und mit dem Schreiben vom Doc kommen wir zügig zu den Untersuchungen durch.

„Im Oberschenkel einen Muskelfaserriss, außerdem ist der innere sowie der äußere Meniskus gerissen. Es tut mir leid es dir sagen zu müssen, aber du wirst um eine OP nicht mehr herum kommen.“ Seufzend nicke ich, weiß ich doch dass es sein muss.

„Ich werde da sein, wenn du wieder aufwachst.“ Dankbar reiche ich Bastian die Hand, die er ergreift und küsst. Jetzt geht alles ganz schnell. Ich werde vorbereitet und bevor ich in den OP gefahren werde, schlafe ich ein.

 

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Als ich erwache liege ich in einem  mir bekannten Zimmer.

„Hey schön dass du wieder wach bist. Wie geht es dir?“ Bastian sitzt bei mir auf dem Bett und hält meine Hand.

„Wieso bin ich hier?“

„Wir finden es sicherer. Der Doc weiß wie er dich behandeln muss und wenn es soweit ist, bekommst du Physiotherapie.“

„Wie geht es den Kindern?“ Bastian lächelt und schüttelt den Kopf.

„Denk doch jetzt einmal an dich Engel. Den Kindern geht es gut und auch allen anderen.“ Ich bin noch müde und schlafe ohne Anzeichen einfach wieder ein.

 

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Als ich das nächste Mal erwache bin ich auch nicht allein. Beide Mädchen liegen neben mir im Bett und schlafen. Bastian sitzt mit Nico und Tristan auf einem kleinen Sofa, Benjo zu ihren Füßen.

„Wie lange dauert es eigentlich noch?“

„Zwei Monate“, Nico legt seine Hand auf seinen Bauch und Tristan küsst ihn. Ich glaube zu verstehen was Bastian mir noch nicht sagen kann und obwohl es mich anwidern sollte, reizt mich die Vorstellung, dass Bastian von mir Schwanger werden kann. Denn ich bezweifle das Tristan oder ich als Menschen ein Kind austragen können.

„Mädchen oder Junge?“ Frage ich leise und erschrecke so alle drei Männer. Ehe ich mich versehe sitzt Bastian neben mir und sieht mich prüfend an. Lächelnd schüttle ich den Kopf. „Ich verstehe warum du es mir noch nicht sagen konntest. Zu wissen, dass ein Mann ein Kind austrägt ist schon irgendwie… Ich weiß nicht. Aber ihr seid keine Menschen und wenn die Natur euch diese Fähigkeit gibt, warum sollte es dann Falsch sein?“

„Engel“, haucht Bastian bevor er mich küsst.

„Um deine Frage zu beantworten. Wie wissen es nicht.“ Unterbricht uns Nico schließlich.

„Wollt ihr nicht oder…“

„Wir möchten es nicht wissen.“ Verstehend nicke ich und schaue zu den beiden Mädchen.

„An was denkst du?“ Ich erröte, das merke ich, weil mein Gesicht glüht. Bastian umschließt mein Gesicht mit seinen Händen. Noch immer weiche ich seinem Blick aus. „Engel?“ Schwach schüttle ich den Kopf, doch er lächelt nachsichtig. „Dir gefällt der Gedanke von einem eigenen Baby richtig?“ Ich nicke und beiße mir verlegen auf die Unterlippe. Sanft streicht Bastian mit dem Daumen über die Lippe. „Später wenn es dir wieder besser geht.“ Flüstert mir Bastian ins Ohr und umarmt mich.

„Papa?“ Nur langsam löse ich mich aus Bastians Armen und sehe Rosalie an, die sich verschlafen die Augen reibt.

„Hallo Prinzessin, hast du gut geschlafen?“ Sie nickt und krabbelt zu mir rüber. Ich setze mich etwas auf und sobald Rosalie bei mir ist, ziehe ich sie in eine Umarmung. Es dauert keine Minute und sie ist in meinen Armen bereits wieder eingeschlafen.

„Soll ich sie dir abnehmen?“

„Nein lass sie ruhig etwas. Normalerweise kommt sie jede Nacht zu mir, immer wenn sie schlecht träumt. Wahrscheinlich wird sie noch etwas zu kämpfen haben, bis sie den Tod von Vera verarbeitet hat.“

„Und du?“ Bastian hat wieder eine Hand an meine Wange gelegt und sieht mich prüfend an. Ich zucke nur mit den Schultern und weiche seinem Blick aus. „Wenn die Kinder im Bett sind reden wir, okay!“ Es ist keine Frage und seufzend nicke ich nur. Bastian beugt sich zu mir und gibt mir einen Kuss auf die Stirn bevor er seine Stirn gegen meine lehnt. Mit Rosalie im Arm schlafe ich wieder ein.

 

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Das nächste Mal als ich erwache liegt Bastian neben mir. Ich muss auf die Toilette, aber bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt aufstehen kann. Mein Knie ist in einer Schiene, so dass ich zumindest in der Hinsicht eine Stütze habe.

„Du versuchst es doch wohl nicht allein oder?“

„Verdammt“, fluchend lege ich eine Hand auf mein Herz. Bastian ist sofort hinter mir und zieht mich an seine Brust.“

„Du Dummkopf, komm ich helfe dir.“

„Ich bin nicht schwach. Ich kann…“

„Die Klappe halten und dir helfen lassen.“ Fällt mir Bastian ins Wort und ignoriert meinen Protest einfach. Noch bevor ich irgendwie reagieren kann steht Bastian vor mir und reicht mir die Hände. Kaum das ich stehe legt er einen Arm um meine Taille und stütze mich bis ich im Bad bin. Bastian würde am liebsten mit hineinkommen, aber er hält sich zurück. Sobald ich die Tür wieder öffne ist er da und bringt mich ins Bett zurück.

„Brauchst du noch etwas?“ Ich schüttle den Kopf, nehme das Glas vom Nachtschrank und trinke einige Schlucke Wasser, bevor ich mich wieder richtig hinlege.

Bastian legt sich neben mich und ohne zu überlegen ziehe ich ihn an meine Seite bis er den Kopf auf meine Schulter legt.

„Ist alles in Ordnung Engel?“

„Mh“, brumme ich und spiele mit seinem Haar.

„Erzähl mir von Vera.“ Die Bitte ist nur leise formuliert und schweigend kämpfe ich mit meinen Gefühlen.

„Wir haben uns im Kindergarten kennengelernt. Ich bin vier gewesen, sie sechs. Als Kind bin ich wie Tristan, würde ich sagen. Klein, schwach und dünn. Dadurch bin ich immer wieder gehänselt worden und Vera hat es sich zur Aufgabe gemacht mich zu beschützen. Vera ist fast zwei Jahre vor mir in die Schule und diese Zeit ist die Hölle gewesen. Vera wohnte in meiner Straße und so begleitete sie mich jeden Tag. In der Schule dann das gleiche Spiel. Als ich ihr anvertraut habe, dass ich Schwul bin, zuckte sie nur mit den Schultern und sagte, dass ich sowieso ihr kleiner Bruder bin. Nie hat sie mich abfällig behandelt oder mich versucht in irgendeine Schublade zu stecken. Durch den Kampfsport bekam ich Muskeln und irgendwann schoss ich in die Höhe. Trotzdem hat sie nie aufgehört mich beschützen zu wollen. Rosalie ist eine Affäre. Sie haben ein Kondom benutzt, was jedoch geplatzt ist. Der Typ war clean und Vera hatte sich ein Kind gewünscht. Auch wenn es ungeplant passiert ist, hat sie sich gefreut.“ Bei der Erinnerung wie Rosalie zur Welt gekommen ist und auch die ersten Jahre muss ich lächeln. „Rosalie ist ein Sonnenschein. Immer gute Laune, nie krank und artig. Manchmal schon etwas beängstigend, als wenn…“ abrupt breche ich meine Überlegung ab und schüttle den Kopf.

„An was denkst du Axel?“ Ich schmiege meine Wange an Bastians Haar und atme seinen herben Duft ein.

„Leidet ihr an Krankheiten?“ Frage ich was mir durch den Kopf geht. Ruckartig richtet Bastian sich auf und sieht mich mit großen Augen an.

„Du denkst doch nicht ernsthaft, dass Rosalie…“

„Ich weiß nicht was ich denken soll.“

Ich seufze und drücke Bastian zurück auf meine Brust.

„Lass uns später darüber reden. Erzähl mir über Veras Motorrad.“ Meine Gedanken sind wirr und ich brauche einen Moment um mich wieder zu fassen.

„Vera liebte Motorräder und hat sich darauf spezialisiert nachdem sie die Ausbildung zum KFZ-Mechaniker abgeschlossen hat. Gerade die Goldwing hat es ihr angetan. Sie hat eine in Schwarz-Gold gehabt. Ich habe es geliebt mit ihr auf Tour zu sein.“ Ein Kloss macht sich in meinem Hals breit und ich kneife die Augen zusammen, weil sie brennen. „Sie ist am Bodensee gewesen. Rosalie hatte ich das Wochenende bei mir. Man sagt, dass sie im Totenwinkel eines LKWs geraten ist. Sie starb noch am Unfallort. Wenn ich eine Goldwing sehe wird mir  ganz anders, aber damit fahren?“ Ich kann nicht weiter sprechen. Die Erinnerungen überrollen mich und ich schluchze wie ein Kind.

Bastian rutscht nach oben und drückt meinen Kopf an seine Brust.

„Sch alles wird wieder. Ich bin bei dir.“ Immer wieder wiederholt er die Worte, bis ich langsam ruhiger werde. „Ich bin bei dir Engel und ich pass auf dich auf, wenn du mich lässt.“ Verzweifelt kralle ich mich in seinem Rücken fest. Ich fühle mich überrollt, mein ganzer Körper ist verkrampft und ich zittre. Bastian liegt an meiner linken Seite, liegt halb auf mir um mich zu wärmen und zu beruhigen. Wie lange ich brauche um wieder ruhiger zu werden weiß ich nicht, aber schließlich schaffe ich es etwas zu schlafen, auch wenn ich immer wieder durch Albträume geweckt werde.

 

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Eine Woche lässt mich Bastian nur aus dem Bett, damit ich ins Bad kann. Ich übe mich in Geduld, merke aber immer öfter wie ich frustriert seufze. Zum still liegen verdammt bin ich nicht gewohnt. Wenigstens darf ich einige Aufträge vorbereiten.

Was ich aber als noch schlimmer empfinde ist, dass mich Bastians Berührungen erregen. Mit Hände, Mund und Zunge verwöhnt er mich und beschert mir auch Erleichterung, aber es reicht mir nicht. Ich möchte ihn auch berühren, ihn schmecken und spüren, aber jedes Mal wenn ich in der Hinsicht etwas versuche, weicht Bastian mir aus.

„Engel du bist noch nicht soweit.“

„Du Monster, du weißt ganz genau das ich soweit bin. Ich kann hier liegen und du reitest mich. Bastian bitte ich brauche dich.“

Ich bin frustriert und knurre Bastian an. Dann ist Bastian so nah, dass ich nach ihm greifen kann. Bevor er richtig reagiert ziehe ich ihn auf mich und schlinge meine Arme um ihn. Einen Arm über seiner Hüfte und die andere in seinem Nacken. Den Kuss, den ich mir stehle ist aggressiv. Immer wieder beiße ich in seine Unterlippe und zwinge meine Zunge in seinem Mund. Zu Beginn leistet Bastian noch wiederstand, doch nur Sekunden später klettert er über mich. Die Beine zu beiden Seiten drückt er sich an mich und stöhnt in meinem Mund hinein. Da ich nur mit Boxershorts im Bett bin, können Bastians Hände ungehindert über meinen Oberkörper fahren. Ich bäume mich seinen Berührungen entgegen und kann meinerseits das Stöhnen nicht unterdrücken.

„Bastian bitte“, bettle ich und bin froh, dass mich Bastian versteht. Er reizt mich bis zum äußeren, entkleidet zuerst sich selbst und dann mich. Küssend bahnt er sich einen Weg zurück zu mir. Ich winde mich und nur Bastians Körper hält mich an Ort und Stelle. Meine Hände wandern seinem Körper hinab, bis ich sie auf seinen Hintern legen kann.

„Engel“, stöhnt Bastian, als ich ihn vorbereite. Als sich Bastian schließlich auf mich sinken lässt, verliert alles seine Bedeutung für mich. Nur noch Bastian und das Hier zählen.

 

„Oh scheiße.“ Bastians leiser Fluch reißt mich aus meinem Dämmerschlaf.

„Was ist los Kleiner?“

„Ich hoffe du bist dafür bereit Vater zu werden. Denn es könnte gut möglich sein…“

Ich ziehe Bastiens Kopf zu mir und küsse ihn.

„Bastian, du gibst mir so viel, von dem ich noch nicht einmal gewusst habe, dass es mir fehlt. Rosalie mag dich und auch deinen Bruder und Tristan. Von Emalia gar nicht zu reden. Sie benimmt sich wie Vera damals bei mir. Irgendwie ist das schon Ironie.“

„Was meinst du Engel?“

„Die, die immer stark sind, immer anderen helfen, brauchen nie Hilfe, so scheint es. Dann gibt es noch die Menschen, die sich ihre Stärke erarbeiten müssen. Die schwach sind oder waren. Sie verabscheuen es irgendwann Hilfe annehmen zu müssen und doch braucht man ihnen nur zu zeigen, dass man diesem Menschen unterstützen möchte und schon verfällt man ihnen.“

„Du denkst, du bist mir verfallen, weil du in meiner Gegenwart nicht stark sein musst?“

„Nein“, ich schüttle heftig den Kopf und ziehe Bastians Kopf an meinen, so dass ich ihn küssen kann. „Ich habe es gehasst, aber du reißt einfach so meine Mauern ein und mir gefällt es.“

„Du bist verrückt Engel.“ Haucht Bastian an meine Lippen bevor er mich wieder küsst.

„Verrückt nach dir. Naja wohl auch wegen der Schmerzmittel.“ Dafür kassiere ich einen sanften Rempler von Bastian und wir müssen beide lachen. Ich ziehe Bastian wieder über mich. Diesmal protestiert er nicht, sondern geht auf mein Spiel ein.

 

---------------

„Axel ich habe dir für morgen einen Termin bei einem Physiotherapeuten gemacht.“

„Hat der Doc bereits sein okay gegeben?“

„Ja hat er, er hat mir auch die Telefonnummer gegeben.“

„Das heißt, dann kann ich bald wieder laufen und muss nicht im Zimmer bleiben?“

„Engel du weißt, dass ich das nur zu deinem Besten gemacht habe.“

„Ich weiß, aber ich bin es nicht gewohnt.“

Bastian setzt sich zu mir auf die Bettkante und ergreift meine Hand.

„Ich verspreche dir, wenn du wieder richtig laufen kannst, möchte ich eine Spritztour mit dir machen.“ Meine Augen vergrößern sich und meine Atmung kommt ins Stocken. „Engel ganz ruhig. Ich weiß, dass es nicht von heute auf morgen geht. Meine Maschine erinnert dich an Vera und ihren Unfall. Aber ich bin nicht Vera. Ich würde alles für dich und Rosalie tun.“

Bastian legt eine Hand auf seinen Bauch und lächelt. „Wenn wir Nachwuchs bekommen, dann habe ich doch noch einen Grund mehr auf mich zu achten.“ Auch ich lege meine Hand auf seinen Bauch.

„Wann weißt du ob du schwanger bist und wie läuft es dann ab?“

„Bei Nico ist es Tristan gewesen, der es zuerst gemerkt hat.“ Überrascht sehe ich ihn an. Bastian wird tatsächlich rot. „Wir Dämonen, naja… Gefährten verbinden sich.“

„Hey“, ich ergreife Bastians Kinn und zwinge ihn so mich anzusehen. „Ich renne dir nicht mehr davon, also erzähle es mir.“ Bastian schließt kurz die Augen und sieht dann direkt in meine als er spricht.

„Wir verbinden uns mit dem Gefährten mittels Blut.“ Ich verarbeite das Gehörte.
„Also sollten wir beim nächsten Mal etwas wilder sein?“ Frage ich ihn schließlich lächelnd. Sofort werden seine Augen groß, kurz darauf schleicht sich ein Lächeln in sein Gesicht und seine Augen blitzen. Im nächsten Moment ist Bastian über mir und drückt mich küssend ins Kissen. Nichts ist langsam oder zärtlich. Die Leidenschaft entlädt sich explosionsartig. Küssen, Streicheln, das Verlangen steigt extrem und ich vergesse das Hier und Jetzt. Alles was ich will und brauche ist Bastian. Endlich senkt er sich auf mich, nimmt mich tief in sich auf.

Wir beide stöhnen auf. Ich ziehe Bastian zu mir um ihn zu küssen, doch ich erreiche seinen Mund nicht. Dafür aber seinen Hals und ich lecke ihn und sauge mich fest.

„Axel jetzt“, stöhnt Bastian und hält meinen Kopf an Ort und Stelle. Ich zögere doch Bastians zustimmendes Knurren lässt mich die Augen schließen und ich beiße zu. Bastian drückt mich fester und stöhnt und als der Tropfen Blut meine Zunge berührt kommt Bastian in heißen Schüben. Er zwingt mich dazu einige Schlucke seines Blutes zu nehmen, bevor er den Griff um meinen Kopf lockert. Bastian beugt sich weiter zu mir runter. Meine Hände umgreifen seine Schultern und ich ziehe ihn an mich. Mehr brauche ich nicht zu machen, sofort beugt sich Bastian zu mir, leckt und knabbert an meinem Hals und bevor ich es richtig realisieren kann, beißt er zu.

Ich zucke zusammen und versuche mich zu entziehen, doch Bastian hält mich fest. Schnell wird der Schmerz zu Lust umgewandelt. Noch einige Stöße in Bastian und ich Schreie meinen Orgasmus hinaus.

Mir fehlen die Worte und ich ringe nach Atem. Noch nie bin ich so heftig gekommen. Matt liege ich im Bett und ziehe Bastian an mich, der es sich auf mir gemütlich macht.

„Bist du okay?“ Ich habe das Gefühl, dass Bastians Stimme aus weiter Ferne kommt, dabei liegt er noch immer auf mir. Blind fahre ich seinen Körper hinauf, bis meine Hand auf seinem Kopf liegt und ich ihn an mich drücke.

„Schlafen“, stöhne ich und vergrabe meine Nase in seinem Haar. Bastians leises Lachen begleitet mich in den Schlaf.

Der Klang mehrerer Herzen lässt mich langsam erwachen. Ich behalte die Augen geschlossen und versuche alles einzuordnen. Mein Herz schlägt kräftig in meiner Brust. Daneben ein ebenso kräftiges Echo. Anders kann ich es nicht erklären. Das Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit überflutet mich. Es muss Bastians Herz sein was ich spüre. Und die zwei schwachen, unregelmäßigen Klänge? Schlagartig richte ich mich auf und sehe Bastian an, der neben mir auf dem Rücken liegt und schläft. Ich drehe mich so gut es geht zu ihm und lege meine Hand sanft auf seinem Bauch. Zwillinge? Ich möchte sofort den Doc holen, doch wie soll ich die Treppen hinunter kommen.

„Engel?“ verschlafen sieht mich Bastian an, legt eine Hand an meine Wange und die andere auf meine Hand auf seinem Bauch. Ich drehe mich zum Nachtisch und greife nach meinem Handy.

„Halb vier, verdammt.“

„Ich gehe morgen zum Doc und lasse es kontrollieren.“ Ich nicke, kann die Enttäuschung aber nicht zurück halten. „Morgen kommt der Therapeut für dich, da würde ich nur stören.“ Wieder nicke ich und lasse mich von Bastian zurück ins Kissen ziehen. Er legt den Kopf auf meine Schulter und schlingt einen Arm um meinen Bauch.

Kurz darauf schlafe auch ich wieder ein. In der Brust das Gefühl von Bastians Liebe und den Kindern, die in ihm wachsen.

5

 

05

„Ich brauche dringend eine Dusche und das Bett sieht aus…“ krampfhaft versuche ich mich aufzurichten und das Bett zu verlassen.

„Warte gefälligst bis ich soweit bin du verdammter Sturkopf.“ Bastian drückt mich an der Schulter ins Kissen zurück.

„Aber… nein Bastian ich werde mich nicht auf dich abstützen wenn du Schwanger bist.“

„Oh man, mutierst du jetzt zu einem Höhlenmenschen? Ich bin Schwanger nicht sterbenskrank.“ Ich schnaube abfällig, bleibe jedoch still liegen. „Wenn du dich sicherer fühlst hole ich Berthold, damit er dir hilft. Ich weiß, dass du es alleine möchtest, aber du hilfst dir dabei nicht.“ Ich seufze.

„Entschuldige“, mehr bringe ich nicht hervor. Aber mehr brauche ich auch nicht sagen. Bastian kommt um das Bett herum und gibt mir einen Kuss auf die Stirn, bevor er mich auf die Beine zieht.

In der Dusche steht ein Hocker und nachdem mir Bastian einen Schwamm mit Duschgel fertig gemacht hat und mir den Duschkopf reicht, geht er um das Bett zu beziehen. Zeitgleich als ich das Wasser abstelle kommt er ins Badezimmer zurück. Nach Zähneputzen und Toilettengang begleitet er mich ins Bett zurück.

„Guten Morgen Papa.“ Rosalie stürmt unaufgefordert ins Zimmer.

„Rosalie ich habe gesagt du sollst klopfen.“

„Aber ich habe Papa solange nicht gesehen.“ Mittlerweile ist sie beim Bett angekommen und klettert an meine linke Seite. Nico kommt mit einem Tablett rein. Sein Bauch ist noch dicker geworden, bemerke ich jetzt, wo ich weiß was dahinter steckt. Tristan folgt ihm mit Emalia auf dem Arm und schließt die Tür hinter sich.

„Rosalie wollte dir unbedingt ein Frühstück bringen.“ Berichtet Nico mit einem merkwürdigen Unterton. Als er das Tablett über meine Beine aufstellt sehe ich auch warum und muss lachen. Pfannkuchen mit Apfelmus, Eiscreme und etwas Schokolade. Dazu ein großes Glas Orangensaft und einen Tee, der stark nach Kamille riecht.

„Veras bekanntes Frühstück für Kranke.“ Erkläre ich und streiche über Rosalies Haar. Es ist nicht unbedingt dass, was ich an einem morgen zu mir nehmen würde, aber Rosalie zu liebe esse ich alles auf ohne eine Miene zu verziehen.

„Nico kannst du mir einen Gefallen tun?“ Frage ich als Bastian im Badezimmer ist.

„Erzähl“, fordert er mich auf. Ich werfe noch einen kurzen Blick zur Badezimmertür bevor ich spreche.

„Bastian soll nachher zum Doc. Zum einen kommt der Therapeut für mich, zum anderen kann ich die Treppen noch nicht steigen um ihn zu begleiten.“ Überrascht sieht Nico mich an. Auch Tristan hält im Spielen mit den Kindern inne.

„Was ist mit Bastian?“ Fragt Tristan erstaunt und ich senke verlegen den Blick.

„Warte, willst du damit sagen, dass er schwanger sein könnte?“ Ich nicke und meine Wangen glühen.

„Oh wow, mein Bruder wird Vater?“ Nico ist sichtlich amüsiert und ausgerechnet jetzt kommt Bastian aus dem Bad und hat Nicos Aussage gehört.

„Dass es dich amüsiert, habe ich mir gedacht.“ Er scheint nicht böse auf mich zu sein, dass ich seinen Bruder angesprochen habe. Er setzt sich zu mir aufs Bett und gibt mir einen Kuss. 

Im nächsten Moment klingelt sein Handy und er geht ran, während er sich etwas entfernt.

„Was...Ja okay ich komme.“ Er ist auf irgendetwas wütend.

„Sorry Engel, ich lasse dir Tristan und die Mädchen hier.“ Er gibt mir einen kurzen liebevollen Kuss und geht zur Tür.

Im vorbei gehen legt er Nico eine Hand auf die Schulter und beide verlassen den Raum.

„Was ist passiert?“ Tristan schüttelt den Kopf, kommt aber zu mir rüber, nachdem er den Mädchen was gesagt hat.

„Das Bastian und Nico das Anwesen leiten, weißt du oder?“ Ich nicke und Tristan fährt fort. „Hast du den Kommandoraum schon gesehen?“

„Nein Bastian wollte ihn mir zeigen, aber das mit meinem Bein ist dazwischen gekommen.“ Tristan nickt verstehend.

„Auf jeden Fall muss etwas sein, gerade wenn beide nach unten gehen.“

„Oh man, ich… keine Ahnung. Wie hast du das alles verkraftet, als du von ihrer Art erfahren hast?“

„Es ist ganz schön verrückt oder? Das lustige, als ich Nico als Einhorn gesehen habe, dachte ich erst ich träume.“

„Warte Einhorn?“ Ungläubig reiße ich die Augen auf.

„Da hat dir Bastian wohl noch nicht alles verraten oder? Naja auf jeden Fall ist Nicos liebste Gestallt ein schwarzes Einhorn, was meinst du wie ich reagiert habe? Erzählt hatte er es mir, aber ihn dann endlich als Tier berühren zu dürfen… einfach traumhaft. Dabei ist das alles andere als eine schöne Geschichte gewesen.“

„Was ist passiert?“

„Ich wurde angegriffen in der Uni. Bastian hat mich hier hergebracht und konnte mich nicht schnell genug wieder loswerden. Danach hat mich Nico zum Hof meiner Eltern gebracht und versucht hier alles zu regeln. Naja ich bin schneller gewesen, seit dem lebe ich hier.“

„Was hat dich angegriffen?“

„Ich habe es nicht richtig erkannt, aber Nico sagt dass es Reinrassige sind. Ich glaube, dein Unfall ist auch durch so einen passiert.“

„Unfälle“, sage ich leise und so langsam sickert die Gefahr auch in meinen Verstand. „Erst habe ich Emalia und Rosalie im Kindergarten gerettet. Dann die Sache mit dem Auto und meine Wohnung, die nicht mehr existiert.“

„Ach du scheiße, was…“ Ich unterbreche Tristan mit einem Kopfschütteln und deute auf die Mädchen. „Du hast Recht, entschuldige. Manchmal vergesse ich, dass ich nicht mehr alleine bin. Wieso denkst du, dass Bastian schwanger ist? Ich meine, ja ich habe es auch sofort gespürt, aber ich hätte nicht gedacht das es normal ist.“

„Normal?“ Fragend ziehe ich eine Augenbraue hoch und wir beide beginnen zu lachen. Im nächsten Moment klopft es an der Tür und auf mein herein öffnet Berthold die Tür.

„Entschuldige Axel, aber Demon Diamond, dein Therapeut ist da.“ Damit tritt er zur Seite und lässt einen jungen Mann an ihn vorbei treten. „Wenn etwas ist, rufe mich.“ Damit schließt er die Tür und lässt uns allein. Tristan steht auf und begrüßt Demon.

„Soll ich euch zwei allein lassen?“

„Mir wäre es lieb, wenn Rosalie nicht dabei wäre.“ Sofort dreht die Kleine ihren Kopf zu mir. Dann steht sie auf und kommt zu mir ans Bett.

„Papa du bist nicht schwach wenn du Aua hast.“

„Ach Süße“, ich hebe Rosalie aufs Bett und sofort umarmt sie mich.

„Darf ich mit Onkel Tristan und Emalia in den Garten?“ Ich sehe kurz zu Tristan und nachdem er nickt erlaube ich es ihr.

„Sei lieb“, gebe ich ihr noch auf den Weg mit und nach einem Kuss auf ihre Stirn  setze ich sie wieder ab. Lachend rennt sie zu Emalia und hilft ihr alles aufzuräumen. Demon steht wie eine Statue im Zimmer und beobachtet alles.

„Kommen sie ruhig näher, ich beiße nicht.“ Versuche ich die Situation zu lockern, ernte jedoch nur einen skeptischen Blick von ihm. Erst nachdem wir alleine im Raum sind setzt er sich zu mir auf einen Stuhl.

„Entschuldigen Sie, aber bei zu vielen Menschen fühle ich mich etwas unwohl.“

Ohje, dann wird das hier eine schwere Zeit für dich. Ich bin Axel.“ Ich reiche ihm die Hand die er schließlich ergreift.

„Dein Mann sagte mir, dass du einen Unfall gehabt hast und jetzt meine Unterstützung brauchst. Er hat mir auch bereits die Unterlagen vom Krankenhaus gegeben. Ich kann nur nicht verstehen, warum er über eine Woche gewartet hat. Natürlich muss die Wunde erst heilen, aber es wäre sinnvoller gewesen, wenn ein Therapeut dich von Anfang an begleitet hätte. Und mal ehrlich ich …“ Abrupt bricht er seine Schimpftirade ab und sieht mich verlegen an. „Entschuldige.“

„Alles in Ordnung. Ich bin froh, dass du meine Meinung teilst. Mir fällt hier die Decke auf den Kopf, aber ich darf gerade einmal ins Bad.“ Missmutig schnaube ich und endlich schleicht sich ein Lächeln in Demons Gesicht.

„Lass mich zuerst dein Bein ansehen.“ Ich ziehe die Decke zurück. Dass ich nur noch in Boxershorts und T-Shirt bin stört mich nicht weiter. Vorsichtig entfernt Demon die Stütze und tastet das gesamte Bein von Hüfte bis Knöchel ab.  „Hast du Thrombosespritzen bekommen?“ Bei den Gedanken an die lästigen Spritzen verziehe ich das Gesicht. „Glaube mir, die mag niemand. Aber sie sind notwendig.“ Im Kniebereich sind die Schmerzen noch sehr stark und so zucke ich zusammen und versuche mich seiner Hände zu entziehen. „Entschuldige, aber das ist notwendig.“ Ich seufze und versuche mich zu entspannen, was gar nicht so einfach ist. „Hast du außer der Stütze auch Krücken bekommen?“

„Wenn dann hat sie mir Bastian nicht gegeben. Als ich nach der OP im Krankenhaus aufgewacht bin, lag ich bereits in diesem Bett. Das ist jetzt etwas über eine Woche her. Der Doc kommt einmal täglich vorbei, aber sonst…“ Ich schüttle den Kopf.

„Gut, dann lass mich erst einmal heute die Massage machen. Ich erkundige mich nachher wegen der Krücken und dann schauen wir, dass du wieder mit dem Laufen anfängst. Normalerweise würde ich eine Reha vorschlagen, aber da werde ich mir denke etwas anderes einfallen lassen müssen.“ Durch das Gespräch lenkt mich Demon etwas ab, so dass ich relativ entspannt bleibe.

„Woher eigentlich der ungewöhnliche Name? Ich meine Demon heißt Dämon und…“ Ich bremse mich bevor ich von dem Anwesen erzähle.

„Du meinst weil hier alles Dämonen sind? Ich wohne selbst hier, am Rande des Grundstücks. Wieso meine Eltern mich dennoch oder gerade deswegen so genannt habe, das weiß ich nicht.“

„Du bist … Oh verdammt, es tut mir leid ich wollte nicht unhöflich sein.“ Demon schüttelt leicht den Kopf.

„Mach dir keine Gedanken. Die wenigsten wissen überhaupt von mir und wo ich wohne weiß erst Recht niemand. Die Bosse sind mächtig sauer deswegen.“

„Wieso?“ frage ich verwundert.

„Ich bin siebenundsechzig Jahre alt. Lebe seit meiner Geburt hier und außer meinen Eltern weiß es niemand. Naja bis jetzt.“ Mir bleibt der Mund offen stehen und ich starre Demon an. In dem Moment als ich den Mund aufmache um erneut eine Frage zu stellen, klopft es an der Tür. Als ich „herein“ sage und der Doc die Tür öffnet, legt Demon die Stütze wieder an. Der Doc kommt ins Stocken, aber nur für eine Sekunde.

„Axel ich wollte gerade nach dir sehen.“

„Doc das ist Demon mein Therapeut.“

„Raffael“, stellt sich der Doc vor und reicht Demon die Hand. Ich sehe die aufgerissenen Augen von beiden, kurz bevor sie die Hände zurückziehen. Ein Lächeln schleicht sich um Docs Lippen während Demon errötend den Blick senkt.

„Weißt du Doc, lass dir alles von Demon sagen. Ach ja und bring mir verdammt nochmal dir Krücken.“ Knurre ich den letzten Satz, da auch Bastian soeben das Zimmer betritt.

„Kläre das mit Bastian Axel.“ Damit verabschiedet sich der Arzt von mir und geht zur Tür.

„Morgen die gleiche Zeit?“ Fragt Demon und ich gebe mein Okay, bevor auch er sich verabschiedet und beide Männer das Zimmer verlassen.

Kaum dass die Tür ins Schloss fällt hieve ich mich hoch.

„Was machst du?“

„Nach was sieht es denn aus? Ich mache das, was ich laut Demon eigentlich seit ein paar Tagen machen soll.“

„Aber du kannst dich nicht…“

„Was?“ falle ich Bastian ins Wort. „Nicht alleine laufen? Wenn du mir Krücken besorgt hättest, könnte ich mich darauf abstützen.“

„Axel ich möchte…“

„Was?“ wieder lasse ich Bastian nicht ausreden. Ich sitze auf der Bettkante und es ist anstrengend die ganze Zeit zu ihm aufsehen zu müssen. „Was möchtest du?“ So langsam resigniere ich und meine Stimme wird wieder leise.

„Axel ich möchte doch nur für dich da sein. Wenn ich dir die Krücken gegeben hätte, dann hättest du mich doch nicht gebraucht.“ Auch Bastian wird leise und er scheint niedergeschlagen zu sein. Ich strecke ihm die Hand entgegen, aber bevor er sie ergreift dreht er sich weg und rennt ins Bad. Ich erhebe mich und folge ihm langsam.

Bastian kniet vor der Toilette und erbricht sich. Beruhigend lege ich ihm eine Hand auf die Schulter, nachdem ich einen Lappen nass gemacht habe.

„Ist alles in Ordnung?“ Er lehnt sich zurück und schließt die Augen. Sanft wische ich ihm über das Gesicht. „Es ist wegen der Schwangerschaft oder?“ Frage ich leise und lege meine Hand ohne Lappen an seine Wange. Er nickt und steht langsam auf.

Auf dem Weg zum Waschbecken, schloss er den Toilettendeckel und betätigt die Spülung. Noch einmal wäscht er sich das Gesicht und spült den Mund einige Male aus, bevor er sich wieder zu mir umdreht. Ich ziehe ihn in meine Arme, lege eine Hand auf seinen unteren Rücken und die andere an seinen Kopf. „Hilf mir mich wieder hinzulegen und bleibe bei mir Bastian.“ Bastian nickt an meiner Brust und drückt sich enger an mich.

„Ich will mich um dich kümmern. Wenn du mich nicht brauchst, dann…“

„Sh, du dummer Kerl. Warum glaubst du will ich so bald wieder auf den Beinen sein?“ Er schüttelt einfach nur den Kopf. Sieht mich nicht an. „Ich habe doch gar nicht vor abzuhauen. Ich möchte mich genauso um dich kümmern, wie du dich um mich. Merkst du nicht, dass du mich genauso brauchst wie ich dich?“ Ein schwaches nicken und ein leiser Seufzer ist Bastians Antwort.

Ich schwanke etwas, da das Stehen zunehmend schwerer wird.

Wortlos ändert Bastian seine Position und wir gehen zurück ins Bett. Bastian legt sich wie versprochen neben mich und ich ziehe ihn an meine Seite.

Bastians Schluchzer zerreißen mich und ich ziehe ihn einfach fester an mich. Mein Shirt wird nass, wo sich Bastians Gesicht befindet. Mit einer Hand an seinen Kopf, drückt er sich noch dichter an mich, als wenn er in mich hineinkriechen möchte. Ich schweige und lasse Bastian weinen.

Irgendwann lässt das Schluchzen nach und Bastians Atmung wird wieder ruhiger und gleichmäßiger, was mir verrät, dass er eingeschlafen ist. Die ganze Zeit über streiche ich ihn und passe einfach nur auf seinen Schlaf auf.

Irgendwann muss auch ich eingeschlafen sein, denn als ich aufwache ist Bastian nicht da. Dafür stehen am Nachtschrank ein paar Krücken. Das Gespräch, so böse wie es auch begonnen hat, hat dennoch einen positiven Effekt hinterlassen. Ich hoffe, dass Bastian es wirklich versteht.

„Guten Morgen Engel.“ Begrüßt mich Bastian, als ich gerade nach der Dusche aus dem Badezimmer komme. Ich fühle mich noch etwas unwohl mit den Krücken, dennoch lächle ich ihn an.

„Guten Morgen Kleiner.“ Als ich mich aufs Bett setze, stellt mir Bastian ein Tablett über die Beine und gibt mir einen langen Kuss.

„Der Doc hat einen Reha Platz für dich.“ Ich will gerade einen Schluck trinken, halte aber in der Bewegung inne und sehe Bastian sprachlos an.

„Es ist nur einer über Tag. Morgens hin und abends zurück.“

„Was ist mit Rosalie?“ Frage ich, obwohl ich die Antwort bereits kenne.

„Gib mir eine genaue Wochenplanung und ich organisiere alles.“

„Wirft es nicht deinen Rhythmus durcheinander?“

„Mh“, Bastian sieht mich mit schief gelegtem Kopf an. „Ich mag es, meinen Rhythmus an euch anzupassen.“ Er beugt sich zu mir vor und küsst mich.

„Ich könnte mich auch daran gewöhnen, mich an dich anzupassen.“

„Du könntest?“ Bastian stellt das Tablett zu Seite und nimmt dessen Platz ein, was mich zum Lachen bringt. „Was ist mit eurer Familie? Wird man euch vermissen, jetzt da ihr hier wohnt?“ Schlagartig verdüstert sich mein Gemüt und ich sehe an Bastian vorbei.

„Hier wohnen. Das hört sich an wie eine Übergangslösung. Als wenn…“ Bastian legt mir einen Finger auf die Lippen.

„Hör auf Axel alles todzudenken. Du weißt ganz genau, dass ich dich und auch Rosalie nicht mehr von hier weglasse. Wir fünf gehören zusammen!“

„Fünf? Tatsächlich Zwillinge? Wie oft kommt so etwas bei euch vor? Bastian schüttelt den Kopf.

„Das ist genauso ungewiss wie bei Menschen. Aber du lenkst gerade vom Thema ab.“ Ich seufze und schüttle den Kopf.

„Es gibt niemanden. Also ich und auch Rosalie haben Familie, aber… Es ist kompliziert.“ Bastian setzt sich neben mich.

„Ich liebe es, wenn es kompliziert ist!“

„Meine Eltern kommen damit nicht klar, dass ich schwul bin und seit ich die Vormundschaft von Rosalie habe, bin ich für sie gestorben. Rosalies Großeltern kommen auch damit nicht klar und haben alles versucht. Also wenn sie mich vermissen, dann nur, damit sie Rosalie bekommen.“

„Was möchte die Kleine?“

„Ich bin ihr Patenonkel, aber irgendwie auch ihr Vater. Vera hat mich in alles mit einbezogen. Also kannst du dir denke, was sie will!“ In dem Moment geht die Tür auf und mein Mädchen stürzt ins Zimmer.

„Papa“, schreit sie und klettert auf das Bett. Sie ist total verstört und ihr kleines Gesicht ist Tränennass.

„Süße was ist passiert?“ Ich nehme sie auf meinen Schoß.

„Das Tor ist offen und Benjo ist einem Hasen hinterher gerannt.“ Schnieft das Mädchen. Sofort springt Bastian aus dem Bett und als er aus dem Zimmer geht, greift er bereits nach seinem Handy.“

„Es wird alles gut Kleines!“ Ich wiege Rosalie hin und her bis sie sich beruhigt.

Ich schrecke leicht zusammen, als es an der Tür klopft. Mein leises „Herein“ wird gehört und Demon tritt ein.

„Alles okay?“ Er erfasst sofort die Situation und kommt leise näher. Ich lege Rosalie auf Bastians Bettseite.

„Ich weiß es nicht. Bastian ist vor über einer Stunde raus. Benjo, der Hund von Nicos Partner ist auf die Straße gerannt. Mehr weiß ich nicht.“

„Sollen wir es heute verschieben?“ Fragt er sofort, doch ich schüttle den Kopf.

„Ich kann doch sowieso nichts machen.“ Mittlerweile hat sich Demon auf den Stuhl am Bett gesetzt und ich ziehe die Decke von den Beinen. Wie beim ersten Besuch massiert Demon das Bein. Heute tut es nicht mehr ganz so stark weh, wie gestern.

„Bastian hat mir erzählt, dass der Doc einen Therapieplatz für mich hat. Morgens hin und abends zurück.“

„Sehr gut, weißt du wann es losgeht?“ Ich schüttle nur den Kopf und konzentriere mich auf Rosalie, da sie unruhig wird. Gerade als Demon am Ende der Behandlung die Schiene wieder anlegt, geht die Tür auf und Bastian kommt mit Emalia auf den Arm ins Zimmer.

„Bis morgen“, verabschiedet sich Demon und verlässt fast fluchtartig das Zimmer.
„Was ist passiert?“ Bastian legt das Mädchen zu Rosalie, dann kommt er zu mir rüber und hilft mir zum Sofa, wo wir ungestört reden können.

„Man hat es geschafft Benjo so weit raus zu locken, dass er angeschossen werden konnte. Tristan ist mit zwei seiner Bodyguards zum Tierarzt gefahren. Nico dreht unten fast durch, weil er ihn nicht begleiten kann.“

„Deswegen hast du Emalia mitgebracht.“ Bastian nickt und ich ziehe ihn mit dem Rücken an meine Brust. „Kommst du damit klar, wenn ich tagsüber in der Reha bin? Ich denke mal, dass ihr wegen der Schwangerschaft nicht raus könnt.“ Dabei lege ich die Hände auf Bastians Bauch und hauche ihm einen Kuss in den Nacken bevor ich den Kopf auf seine Schulter lege.

„Ehrlich gesagt weiß ich es nicht. Bevor ich dir begegnet bin, habe ich mich nur um das Haus und meine Leute gekümmert. Auf einmal bist du da und dein Kind. Und bevor ich es richtig  verdauen kann, sind da noch zweit Unterwegs. Ich kann es noch nicht richtig verarbeiten und ich weiß nicht, ob ich es schaffe. Axel ich bin über 380 Jahre alt und fühle mich im Moment als wenn ich gerade aus der Pubertät komme.“ Ich schlinge meine Arme fester um Bastian und drücke ihn an mich.

„Wir schaffen es zusammen Kleiner. Weißt du, ich habe nicht mehr daran geglaubt überhaupt jemanden zu finden den ich lieben könnte.  Aber gleich eine ganze Familie zu bekommen…“

„Lieben? Heißt das…“

„Ich bin auf den besten Weg dahin, ja. Und das obwohl du so verdammt stur sein kannst.“ Bastian dreht seinen Kopf so weit zu mir, dass ich ihn küssen kann. Zungen die duellieren, heißte Luft die mich umfängt. Stöhnen und keuchen von uns beiden.

Es ist schwer sich zurück zu halten, da die Mädchen im Bett liegen und schlafen.

„Was sind eigentlich deine Fähigkeiten? Ich meine, du hast mir erzählt das ihr welche habt, aber davon ab…“ Bastian lacht und küsst mein Kinn, bevor er sich wieder richtig an mich kuschelt.

„Die meisten von uns können sich in ein Tier verwandeln und haben noch dazu passende Fähigkeiten. Ich kann mich in Flugtiere verwandeln und technische Geräte, die fliegen können, manipulieren und kontrollieren.“

„Kannst du dich für mich verwandeln?“ Ich bin aufgeregt, was Bastian wohl auch an meiner Stimme hört.

„Nicht solange ich schwanger bin. Für die Ungeborenen ist das zu gefährlich.“

„Verstehe“, das tue ich wirklich, auch wenn mein Tonfall resignierend klingt.

„Wenn die Kleinen da sind, zeige ich dir meinen weißen Adler. Das ist meine liebste Gestalt, aber ich verwandle mich nicht allzu oft. Ich bevorzuge es, mit der Goldwing zu fliegen.“ Bei der Erwähnung der Maschine, zucke ich zusammen, was Bastian dazu veranlasst eine Hand in meinen Nacken zu legen und mich zu sich zu ziehen. „Eins nach dem anderen“, versichert er mir und gibt mir einen Kuss auf die Wange.

Emalia sucht sich genau den Moment aus um aufzuwachen und beginnt sofort zu schreien.

Bastian nimmt sie auf den Arm aber sie lässt sich nicht beruhigen.

„Entweder muss sie gewickelt werden oder sie hat Hunger. Kannst du sie mir geben und alles holen was sie braucht?“ Frage ich Bastian, der sie mir erleichtert gibt.

„Hallo Prinzesschen.“ Gurre ich als ich Emalia vor mir auf der Couch ablege. Wie aus dem nichts steht Rosalie plötzlich neben uns, was mich leise auf keuchen lässt.

„Prinzessin wo kommst du denn her?“

„Vom Bett.“ Rosalie deutet auf das Bett, was mich lächeln lässt. Emalia ergreift Rosalies Hand und gluckst glücklich. Als Bastian mit allem zurückkommt, was ich brauche, wechseln wir nur einen Blick der alles sagt.

Ich nicke ihm dankbar zu und während ich Emalia wickle beobachtet er Rosalie.

Seit der Sache im Kindergarten sieht man die Mädchen so gut wie nie mehr getrennt. Entweder hat Rosalie einen sehr starken Beschützerinstinkt, oder aber… Nein… entschlossen schüttle ich den Kopf. Sie wird einfach nur für Emalia da sein wollen.

6

 

06

Es stellt sich heraus, dass Benjo scheinbar etwas verfolgt hat, was kein Hase war und deswegen vom Grundstück runter ist. Warum das Tor offen gewesen ist, kann noch immer niemand erklären. Tristan hat seinen Hund blutend vorgefunden, angeschossen. Selbst zwei Wochen später macht sich Nico noch die größten Vorwürfe, dass er seinen Gefährten nicht begleiten kann. Bereits zum dritten Mal ist Tristan heute mit Benjo beim Tierarzt. Die Wunde ist gut verheilt und heute können die Fäden gezogen werden. Seit dem Vorfall wird das Tor noch besser bewacht. Durch Personal, Kameras, Zahlencode und Sensoren. Empfindlich? Scheinbar nicht, denn wir haben Kinder auf dem Gelände und niemand möchte, dass ihnen etwas passiert.

„Hey Träumer, du musst los!“ Bastian steht eine Stufe über mir auf der Treppe vor dem Haus und legt seine Arme um meine Schultern. Ich lehne mich an ihn und seufze. Wie schnell ich doch süchtig nach seinen Berührungen werden konnte.

Das Auto in dem Christopf und Roxanne auf mich warten, steht am Treppenabsatz.

„Bis heute Abend mein Engel. Pass auf dich auf.“ Ich drehe mich zu ihm um und ertrinke in den braunen Augen. Ich habe ein ungutes Gefühl, weswegen es mir heute auch so schwer fällt zur Reha zu fahren. „Was ist los?“  Bastian mustert mich und streicht mit einem Finger über meine Stirn. Ich zwinge mich zu einem Lächeln, schüttle den Kopf und gebe Bastian einen Abschiedskuss.

Ich zwinge mich ruhig zum Auto zu gehen. Zwinge mich, keinen Blick mehr zurück zu werfen.

„Ist alles in Ordnung Axel?“ Christopf sieht mich über den Rückspiegel an und Roxanne hat sich zu mir umgedreht.

„Fahrt einfach los.“ Bitte ich sie und sehe nun doch zur Treppe, wo Bastian steht und uns merkwürdig ansieht.

Erst als wir das Tor passiert haben, sinke ich gegen die Rückenlehne und atme tief durch.

„Magst du uns erzählen was los ist?“ Roxanne hat ihre Sitzhaltung beibehalten und sieht mich erwartungsvoll an.

„Keine Ahnung. Ich habe einfach so ein komisches Gefühl. Wie an dem Tag, als ich den Anruf vom Kindergarten bekommen habe.“

„Sollten wir dann nicht lieber zurück fahren?“ Heftig schüttle ich den Kopf, bevor Christopf die Frage zu Ende gestellt hat.

„Ich möchte Bastian nicht beunruhigen und vielleicht ist ja heute auch nur bei der Reha etwas anders, dass ich dieses Gefühl habe.“

Ich erkenne an den Blicken der beiden, dass sie mir nicht glauben. Aber egal was kommt, ich muss das heute alleine bewältigen.

Zu Beginn ist noch alles normal. Christopf parkt das Auto auf dem Parkplatz vor dem Gebäude und begleitet mich hinein, während Roxanne um das Gebäude herum patrouilliert.

Während der Mittagspause werden meine Bodyguards wegen irgendeinem Vorfall weg gerufen. Christopf versichert mir noch, dass sie mich pünktlich abholen werden und schon sind beide verschwunden. Meine nächste Behandlung findet im Wasser statt, also mache ich mich rechtzeitig auf den Weg um  mich umzuziehen.

Ich bin noch sehr früh dran und so wundert es mich nicht, dass ich alleine in der Schwimmhalle bin. Langsam begebe ich mich zum Gymnastikbecken, wo mir das Wasser nur bis knapp über den Bauch geht. Nachdem ich die Schiene und Krücken zur Seite gelegt habe, begebe ich mich vorsichtig ins Wasser. Ich bekomme nicht mit wie sich mir jemand nähert, bis ich an den Schultern gepackt und zu Fall gebracht werde. Ich versuche mich wieder aufzurichten, aber ich rutsche immer wieder auf dem Boden weg. Gleichzeitig sorgt mein Gegner dafür, dass ich mit dem Kopf unter Wasser bleibe. Obwohl Panik in mir aufsteigt kämpfe ich sie nieder. Erinnere mich an meinen Kampfsport und zwinge mich ruhig zu bleiben. Ich kann nicht wirklich die Luft anhalten, so dass ich nun doch versuche wenigstens kurz an die Oberfläche zu kommen um Luft zu holen. Nur gibt mir mein Gegner keine Chance. Sterne flackern vor meinen Augen und da der Gegner hinter mir steht kann ich ihn nicht sehen und auch mit den Armen nicht erreichen. Meine Lungen brennen und unweigerlich öffne ich den Mund, nur um Wasser zu schlucken. Jetzt siegt doch die Panik, aber es ist zu spät. Mein Sichtfeld wird immer kleiner, meine Bewegungen langsamer, bis ich in Ohnmacht gleite.

 

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Dumpfe Geräusche, wie durch eine Wand, dringen an meine Ohren. Ich halte meine Augen noch geschlossen und versuche erst die Situation einzuschätzen.

Ich liege auf einer Matratze und bin mit etwas zugedeckt. Vorsichtig bewege ich zuerst das Linke, dann das rechte Bein. Mir wurde die Schiene wieder angelegt und die Beine sind nicht fixiert. Das gleiche gilt für meine Arme, als ich sie vorsichtig frei bewegen kann.

„Oh gut du bist wach. Wie fühlst du dich?“ Der Mann spricht leise und die Stimme ist sanft und freundlich. Ich warte noch einige Zeit, in der auch er geduldig ist, bis ich schließlich die Augen öffne. Der Mann, der neben dem Bett, in dem ich liege, auf einen Stuhl sitzt hat ein freundliches Gesicht, kurze blonde Haare, dunkelbraune fast schwarze Augen und zwei Ohrstecker im linken Ohr, die durch das Licht leicht glitzern.

„Hey“, lächelt er mich an und schaut sich kurz um. Ich folge seinem Blick und als wir beide erkennen, dass der Raum leer ist, spricht er weiter. „Ich muss mich kurz fassen. Deine Bodyguards werden bald hier sein und im Moment ist es zu gefährlich wenn sie mich sehen. Ich heiße Marcel. Im Schwimmbecken wurdest du von einem Reinrassigen angegriffen. Ihr Ziel ist es, alles zu vernichten was auch nur irgendwie nach Mischling riecht.“ Ich sehe ihn mit großen Augen an und frage mich wer er ist. „Ich kann dir im Moment noch nichts sagen. Ich bitte dich um dein Vertrauen. Ich habe dich von dem Dämon befreit, als er dich in einem Transporter bringen wollte. Sie wissen, dass ihr hier in der Stadt lebt, können euch aber nicht finden. Was wahrscheinlich der Grund ist, warum sie dich entführen wollten. Vor zwei Minuten sind deine Leute gekommen und werden denken, dass du einen Schwächeanfall hattest. Ich überlasse es dir, wie viel du ihnen sagst. Egal was kommt, seid alle vorsichtig. Wenn die Zeit kommt, werde ich deine Hilfe brauchen.“ Damit erhebt sich Marcel und geht zu einem Fenster. „Ach und bitte, passe für mich auf einen Silberfuchs auf. Er bedeutet mir etwas.“ Damit öffnet er das Fenster und ist verschwunden ehe ich reagieren kann. Von jetzt auf gleich einfach weg.

Im nächsten Moment geht die Zimmertür auf und Christopf und Roxanne kommen ins Zimmer.

„Axel ist alles okay? Wir haben einen Anruf bekommen, dass du zusammen gebrochen bist.“ Langsam setze ich mich auf und ziehe die Decke von mir. Ich bin noch immer nur in meiner Badehose gekleidet und sehe mich nach meinen Sachen um, die neben der Tür auf einer Kommode liegen. Roxanne reicht sie mir und geht wortlos aus dem Zimmer. Christopf stellt sich an das offene Fenster aus dem Marcel verschwunden ist und gibt mir so etwas Privatsphäre um mich umzuziehen.

„Habt ihr Bastian Bescheid gegeben?“ Christopf dreht sich zu mir um, gerade als ich die Jacke anziehe. Sein Blick ist schuldbewusst.

„Ich musste es, entschuldige.“ Ich seufze und schüttle den Kopf.

„Vielleicht sollte ich die Reha im Haus weiter machen. Ich sollte mit Demon reden, ob er es übernehmen kann. Haben wir überhaupt ein Schwimmbecken?“

„Ja das haben wir im Keller tatsächlich.“ Christopf reicht mir die Krücken. „Bastian würde es befürworten und er könnte die ganze Zeit bei dir sein, oder zumindest in deiner Nähe falls etwas passieren sollte.“ Ich habe ein schlechtes Gewissen, da mein Zusammenbruch ja nicht wirklich körperlich bedingt gewesen ist. Noch immer hadere ich mit mir, ob ich irgendjemanden von Marcel erzählen soll. „Können wir gehen?“ Reißt mich Christopf aus meinen Gedanken und ich nicke ihm stumm zu. Vor der Zimmertür wartet Roxanne auf uns und als ich an der Anmeldung vorbei gehe, werden mir noch einige Unterlagen für die Weiterbehandlung in die Hand gedrückt. Scheinbar ist es bereits beschlossene Sache, dass ich nicht wieder hier her komme. Christopf nimmt den Umschlag an sich und wir begeben uns ins Auto.

Schon von weitem sehe ich Bastian auf der Treppe stehen. Kurz nachdem das Auto hält reißt er die Tür auf und zieht mich in seine Arme, kaum dass ich stehe.

„Mir geht es gut Bastian.“ Versuche ich ihn zu beschwichtigen. In der Haustür sehe ich den Doc stehen, der mich aufmerksam mustert.

„Lass den Arzt einen Blick auf mich werfen, damit du beruhigt bist.“ Nur widerstrebend lässt mich Bastian los und reicht mir die Krücken. Dem Arzt folge ich direkt in sein Behandlungszimmer. Christopf reicht ihm noch meine Unterlagen, bevor er sich wieder zurückzieht. Raffael sieht es sich in Ruhe an, während ich mich auf die Liege setze.

„Magst du mir erzählen was wirklich passiert ist?“ Unsicher sehe ich zu Bastian, doch er macht keine Anstalten denn Raum zu verlassen.

„Ein Reinrassiger hat mich angegriffen, als ich im Wasserbecken gewesen bin. Ich habe darum gekämpft, dass ich an die Oberfläche komme. Ich habe zu viel Wasser geschluckt und keine Luft mehr bekommen, bis ich Ohnmächtig geworden bin. Aufgewacht bin ich im Zimmer wo Christopf und Roxanne mich abgeholt haben.“ Bastian ist bei den Worten bleich geworden und als ich ihm eine Hand entgegenstrecke, kommt er zu mir und ergreift sie. Raffael nimmt sein Stethoskop, was mich dazu veranlasst mein Shirt auszuziehen. Was sich etwas schwierig erweist, da mich Bastian nicht loslassen will. Dennoch schaffe ich es irgendwie. Raffael wartet geduldig und als es so weit ist horcht er meine Lungen ab.

„Du hast scheinbar Glück gehabt. Es ist alles in Ordnung.“ Dankbar ziehe ich das Shirt wieder an und mit Bastian dicht an meiner Seite gehen wir nach oben in unser Zimmer. Noch immer weiß ich nicht, ob ich ihm etwas  über Marcel erzählen soll. Er kennt sich in der Welt der Dämonen aus und weiß auch, dass ich mit Mischlingen zu tun habe. Dennoch frage ich mich, was er bezweckt. Er wird irgendwann meine Hilfe brauchen und auch wenn ich nicht weiß wer oder was er ist, weiß ich doch, dass ich ihn auf jeden Fall unterstützen werde. Aber wer soll der Silberfuchs sein? Ich kann Bastian ja schlecht fragen wer sich in was verwandelt. Seufzend lasse ich mich auf das Sofa sinken. Bastian will widersprechen, doch ein Blick in seine Augen lässt ihn verstummen. Wortlos macht er mir etwas zu trinken fertig und als ich einen Schluck nehme ist es ein Whisky-Cola. Bastian setzt sich neben mich und zieht mich in seine Arme.

„Bastian mir geht es gut. Man hat mich gefunden und ins Zimmer gebracht, bevor was auch immer passieren konnte.“ Ich spüre, wie Bastian neben mir Luft holt, doch bevor er etwas sagen kann, komme ich ihm zuvor. „Meinst du Demon könnte die Therapie hier fortsetzen? Christopf hat mir erzählt, dass ihr hier auch ein Schwimmbecken im Keller habt.“ Beruhigend zeichne ich mit dem Finger Symbole auf seinen Handrücken. „Weißt du, die Vorstellung dahin zurück zu kehren, wo ich angegriffen worden bin, gefällt mir nicht. Durch das Knie kann ich mich nicht wehren und nicht fliehen. Roxanne und Christopf können nicht rund um die Uhr bei mir sein. Ich würde mich hier sicherer fühlen.“ Eigentlich will ich mit den Worten Bastian nur beruhigen, aber als ich sie ausspreche merke ich, wie wahr sie sind und wie sehr mich das doch alles mitgenommen hat. Ich zittre und drehe mich in Bastians Armen bis ich mein Gesicht an seinem Hals verstecken kann.

Sofort wird sein Griff fester, beschützender.

„Endlich zeigst du eine Reaktion“, flüstert er und küsst meine Stirn. „ich habe mich gefragt wie lange es dauern wird. Du bist nicht so ein Mensch, dem alles kalt lässt.“ Ich versuche meinen Kopf zu heben und ihn anzusehen, doch Bastian hält meinen Kopf an sich gedrückt. „Ich verurteile dich nicht Axel. Aber du musst verstehen, dass ich immer an deiner Seite sein werde und du bei mir sein kannst, wer und wie du wirklich bist.“ Langsam löst sich Bastian von mir und steht auf. Als er mir auffordernd eine Hand reicht ergreife ich sie ohne zu zögern und lasse mich von Bastian zum Bett führen.

Bastian steht dicht vor mir, als er sanft seine Hände an meine Wangen legt und meinen Blick mit seinem gefangen hält. „Du, Rosalie und die beiden Babys seid meine Familie, mein Leben. Egal was es auch ist ich werde mich immer um euch sorgen. Mag sein, dass mich hier einige als Boss ansehen, aber an erster Stelle steht ihr. Dann mein Bruder mit seiner Familie und dann das Haus. Engel ihr seid meine Welt und das  einzige was ich verlange ist Vertrauen. Vertrauen darin, dass ich dich auffange, wenn du fällst. Vertrauen darin, dass ich euch unterstützen werde wo und wie ich kann und das Wichtigste: Vertrauen in die Gefühle, die in so kurzer Zeit bereits so stark geworden sind. Egal was in deinem Kopf oder deinem Herzen vor sich geht, ich wünsche mir, Teil davon sein zu dürfen. Ich möchte die Person sein, mit der du über alles reden kannst.“ Als seine Finger meine Wangen streicheln, bemerke ich erst, dass ich angefangen habe zu weinen. Ich fühle mich schwach und lasse mich auf das Bett fallen. Kaum dass ich sitze umgreife ich Bastians Hüfte und ziehe ihn zwischen meine Beine, bis ich meinen Oberkörper gegen ihn pressen kann. Bastian spricht nicht mehr, legt seine Arme um meine Schultern und Kopf und drückt mich an sich. Übermittelt mir so, dass er für mich da ist.

 

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Kinderlachen reißt mich aus meinen Schlaf. Kurz bevor die Tür aufgeht und Rosalie sagt, „Psst wir müssen leise sein, damit Papa nicht aufwacht.“ Schmunzelnd beobachte ich sie und Bastian, wie sie das Frühstück auf den kleinen Tisch verteilen. Beide haben noch nicht bemerkt, dass ich wach bin.

„Meinst du dein Papa wird sich darüber freuen?“ Nachdenklich blickt Rosalie den Tisch an und nickt schließlich.

„Papa mag das, aber der Tisch ist zu klein. Du musst Papa helfen damit es nicht weh tut.“

„Ich?“ wieder nickt Rosalie.

„Das habe ich bei Onkel Nico gesehen. Wenn Onkel Tris krank ist, dann hilft Onkel Nico ihm. Papa ist auch krank, also musst du helfen.“ Bastians Blick huscht zu mir und als er sieht dass ich wach bin, funkeln seine Augen und er lächelt mich an.

„Aber warum ich und nicht du?“ Fragt Bastian gespielt verwundert. Rosalie bekommt von unserm Blickaustausch nichts mit, da sie noch immer den Tisch begutachtet.

„Weil du ihn lieb hast!“ Es ist keine Frage von der Kleinen.

„Hast du ihn den nicht lieb?“ Rosalie schnauft und dreht sich mit den Händen in die Hüften gestützt zu Bastian um. Er versucht ernst zu bleiben, doch das amüsierte Funkeln in den Augen kann er nicht unterdrücken.

„Paps du bist doof!“ Mit dieser Aussage erwischt sie uns beide und wir starren sie mit großen Augen an. Bastian sinkt langsam vor ihr zu Boden bis er kniet.

„Was? Wie?“ Rosalie schüttelt den Kopf und geht zu Bastian, bis sie ihre kleinen Hände an seine Wangen legen kann.

„Ich sehe es doch. Du hast Papa ganz doll lieb und er dich.“ Sie legt ihre Hand vorsichtig auf Bastians Bauch und Lächelt. „Außerdem bekomme ich Geschwister.“ Sie legt ihre Ärmchen um Bastians Hals und gibt ihm einen Kuss auf die Wange. Bastian folgt der Geste und umarmt sie vorsichtig.

„Woher weißt du das alles?“ Fragt er leise, denn Rosalie geht so selbstverständlich mit der ganzen Situation um, dass es schon fast unheimlich ist.

„Von Onkel Nico und Tris. Da Papa so krank ist bin ich so viel bei Emi und ihren Papas. Emi bekommt bald auch ein Geschwisterchen. Tris ist auch krank, aber anders als Papa. Deshalb sorgt sich Onkel Nico ständig um ihn.“

„Haben sie mit dir geredet?“ Rosalie schüttelt den Kopf.

„Nein ich sehe und spüre es. Hier.“ Damit legt sie eine Hand auf ihre Brust. Bastian schaut mich nachdenklich an und als Rosalie seinem Blick folgt quietscht sie auf und rennt zu mir rüber.

Endlich benimmt sie sich wieder wie mein kleines Mädchen.

Bastian folgt ihr und setzt sich zu uns auf die Bettkante während Rosalie ihre Ärmchen um mich schlingt.

„Magst du den Tag heute bei mir bleiben? Ich kann noch nicht mit dir spielen, aber vielleicht können wir im Garten spazieren gehen?“

„Ich möchte Mamas Motorrad sehen!“ Rosalie spricht nur sehr leise, dennoch überläuft mich ein Zittern bei ihrer Bitte. Hilfesuchend blicke ich Bastian an.

„Es steht in der Garage. Ich kann mit ihr reingehen und du bleibst solange draußen. Vielleicht schließen sich die anderen an, dann bist du nicht alleine.“ Ich muss schwer schlucken, schüttle dann entschlossen den Kopf.

„Kann jemand die Maschine raus stellen? Ich denke, dass es Zeit wird mich damit auseinander zu setzen.“ Bastian ergreift Lächelnd meine Hand und drückt sie sanft.

„Juhuu“, Rosalie wirft die Hände in die Luft und lässt sich auf die leere Betthälfte fallen. „Siehst du Paps, du passt auf Papa auf.“ Bastians Blick ist unbezahlbar. Schon zum zweiten Mal hat Rosalie ihn Paps genannt und er scheint es noch immer nicht zu verstehen.

Eine Hand in seinem Nacken ziehe ich Bastian für einen Kuss an mich.

„Daran wirst du dich gewöhnen müssen, Paps. Denn so schnell wirst du uns nicht mehr los.“ Bastian läuft tatsächlich rot an und verbirgt sein Gesicht in meine Halsbeuge, was mich lachen lässt. Rosalie ist zurück auf meinen Schoss geklettert und drückt Bastian einen Kuss auf die Wange, was ihn aufblicken lässt.

„Ich hab dich lieb Paps. Danke dass du auf Papa aufpasst Alleine schaffe ich das nicht.“

„Ey“, entrüstet über die letzte Aussage  zerzause ich ihre Haare, was uns alle lachen lässt. Mein Magen sucht sich genau den Moment aus, um zu verkünden, dass ich Hunger habe.

Während die zwei bereits zur Sitzecke rüber gehen, verschwinde ich ins Badezimmer um mich fertig zu machen. Anschließend geselle ich mich zu ihnen, wo Bastian mir bereits einen Teller fertig gemacht hat und ihn mir reicht.

 

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Mir ist schon etwas mulmig zu mute, als wir eine Stunde später das Haus verlassen. Bastian hat mir versichert, dass die Goldwing an der Garage steht und nicht direkt vor dem Haus.

Als wir auf der Treppe sind kommen uns Nico, Tristan, Emalia und Benjo entgegen.

„Wie geht es dem Großen?“ Benjo humpelt noch leicht, scheint aber ansonsten keine Probleme mehr zu haben, was mir auch Tristan bestätigt. Während Bastian mit Rosalie und Emalia zur Garage vorgehen, zögere ich noch einen Moment.

„Können wir dir irgendwie helfen?“ Fragt Tristan vorsichtig und mustert mich besorgt. Noch einmal tief Luft holend nicke ich und berichte, was wir vorhaben.

Die Männer nehmen mich in die Mitte um gegeben falls direkt reagieren zu können. Beim Gehen beobachte ich Nico. Er und Bastian sehen aus wie Eineiige Zwillinge und doch ist alles anders. Ihre Ausstrahlung, die Dynamik und ihr ganzes auftreten könnte nicht unterschiedlicher sein. Der erste Blick auf beide Brüder täuscht gewaltig.

„Es ist schon etwas beängstigend die beiden zusammen zu erleben oder?“ Tristan muss meine Blicke bemerkt haben und beschämt senke ich kurz den Blick.

„Ich wollte ihn nicht anstarren.“ Entschuldige ich mich.

„Mach dir keinen Kopf. So wie du habe ich anfangs auch reagiert. Jeder bekommt den Partner, der für einen gut ist.“ Ja, damit hat Tristan Recht.

Während Nico sanftmütig ist und Ruhe ausstrahlt, ist Bastian Dominant und autoritär. Nie hätte ich erwartet, dass es genau dieser Typ Mann sein muss, um mich fallen lassen zu können.

Ich bin so in Gedanken, dass mich das Lachen der Kinder erschreckt. Keine drei Meter vor mir sitzen beide Mädchen auf dem Motorrad, breiten die Arme aus, als ob sie durch den Fahrtwind fliegen könnten. Wie angewurzelt bleibe ich stehen und sehe dem Schauspiel zu. Ich weiß nicht ob ich geschockt oder glücklich sein soll. Bleibe ich ruhig oder gerate ich in Panik?

Ich habe das Gefühl außerhalb meines Körpers zu sein. In diesem Moment sehe ich Vera in Rosalies Verhalten und Aussehen. Ich sehe die Tage, wie wir gemeinsam mit ihrer Maschine gefahren sind. Ihre, nicht diese. Denn diese Goldwing gehört Bastian. Veras hatte eine andere Farbe. Diese hier ist in einem strahlenden weiß. Wie von selbst überwinde ich die letzten Meter, bevor ich vorsichtig eine Hand auf das Metall lege und sanft darüber streiche.

Jemand berührt mich am Arm und als ich aufsehe ist es Bastian, der mich aufmunternd anlächelt. Leicht nicke ich ihm zu und als er einen Arm um meine Hüfte legt, ziehe ich ihn an mich und küsse sein Haar.

Gemeinsam umrunden wir die Maschine, wobei ich eine Hand immer auf das Gefährt habe. Bastian will mir einen Schlüssel geben, doch ich schüttle den Kopf.

„Nur starten, nicht fahren!“ Das sind die ersten Worte, die seit einer gefühlten Ewigkeit an meine Ohren dringen. Nickend nehme ich ihm den Schlüssel ab und starte den Motor. Mit diesem Geräusch kommt alles zu mir zurück. Benjos bellen, das Lachen der Kinder, die Nähe und der Frieden bei Bastian.

„Danke“, flüstre ich und gebe ihm einen langen, zärtlichen Kuss.

Epilog

 

Epilog

Ein verdammtes halbes Jahr hat es gedauert bis ich wieder richtig Laufen kann. Was aber nicht ganz verwunderlich gewesen ist, da ich nicht noch einmal in das Rehazentrum gefahren bin. Demon ist fast täglich im Haus gewesen um mit mir zu arbeiten. Das Schwimmbecken und der Fitnessraum haben dabei gute Dienste erwiesen.

Gleichzeitig konnte ich so wieder anfangen etwas zu trainieren. Wenn Bastian in der Zentrale nicht gebraucht wurde, dann ist er kaum von meiner Seite gewichen.

Vor etwas mehr als drei Monaten haben Nico und Tristan ihr zweites Kind bekommen. Einen Jungen namens Jackob. Bastian tut mir schon etwas leid. Während sich bei Menschen die Geburt bei Zwillingen zeitweise früher ereignet als normale Geburten, scheint es bei Dämonen genau anders herum zu sein. Bastian ist jetzt im siebten Monat. Sein Bauch sieht aus wie ein übergroßer Medizinball und seine Launen zerren an alle Nerven.

„Komm mal mit!“ Bestimmt ergreife ich Bastians Handgelenk und ziehe ihn vor versammelter Mannschaft aus der Zentrale.

„Was soll der Scheiß Alex ich kann da jetzt nicht weg.“

„Du kannst und du wirst!“ Ich baue mich vor Bastian auf. „Du bist die ganze Zeit für mich da gewesen, jetzt bin ich an der Reihe. Lass die nächsten Tage Nico übernehmen. Er hat es dir schon oft genug angeboten.“

„Aber...“ ich lege einen Finger auf Bastians Lippen und schüttle den Kopf.

„Nein Bastian! Lass mich nicht Laut werden.“ Damit greife ich wieder nach seiner Hand und gehe mit ihm hoch in unser Zimmer. Diesmal folgt mir Bastian widerspruchslos.

Kaum im Zimmer, schließe ich die Tür und gehe bereits ins Badezimmer. An der Tür drehe ich mich noch einmal zu ihm um.

„Ausziehen und dann ins Bad!“ Bastian will etwas sagen, doch ich hebe nur eine Augenbraue und sehe ihn auffordernd an. Sofort senkt Bastian den Blick und beginnt sich zu entkleiden.

Derweil verschwinde ich im Badezimmer und bereite die große Badewanne vor. Keine fünf Minuten später steht Bastian in der Tür, sieht mich aber nicht an. Seufzend gehe ich zu ihm und ziehe ihn an meinen Körper.

„Bastian du bist nicht devot und so will ich dich auch gar nicht haben. Ich mache mir Sorgen und möchte, dass es dir gut geht. Die Zwillinge lassen sich so viel Zeit, dass selbst Raffael sich Gedanken macht.“ Endlich legt auch Bastian die Arme um mich und holt zitternd Luft.

„Es tut mir Leid. Ich weiß nicht was los ist. Ich spüre, dass die Kleinen noch nicht so weit sind. Es macht mich fertig.“

„Ich weiß Liebster. Komm!“ Ich löse mich von Bastian und helfe ihm in die Badewanne. Danach entkleide auch ich mich und steige hinter ihm, um ihn mit dem Rücken an mich zu ziehen. „Schließe deine Augen und versuche dich zu entspannen. Ich kümmere mich um alles.“ Seufzend lehnt er den Kopf an meine Schulter und folgt meiner Anweisung. Während ich ihn überall streichle, wo ich ihn berühren kann, wird seine Atmung ruhiger und tiefer. Ich spüre den Moment, als Bastian in meinen Armen einschläft. Wir bleiben solange, bis das Wasser kalt wird.

„Liebster, lass uns ins Bett gehen.“ Ich spreche leise und küsse ihn sanft auf der Schulter bis er aufwacht. „Lass mich zuerst aussteigen und abtrocknen, dann helfe ich dir.“ Bastian ist noch im Halbschlaf und lässt mich wortlos aussteigen. Ich beeile mich, um auch ihn aus dem Wasser zu bekommen. Als wir schließlich beide trocken sind, führe ich ihn zum Bett und kaum das er liegt, schläft er auch schon wieder richtig ein.

 

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Auch in den nächsten Tagen sorge ich dafür, dass Bastian liegen bleibt und sich ausruht. Nico berichtet mir, dass Emalia und Jackob gewusst haben, wann es Zeit für sie ist. Es kann gut möglich sein, dass die Zwillinge darauf warten, dass Bastian zur Ruhe kommt, damit er auch wirklich bereit ist.

Also setze ich alles daran, dass Bastian neue Kraft tanken kann.

Täglich kommt Raffael vorbei um nach den dreien zu sehen.

Rosalie kommt auch einige Male, aber immer nur kurz. Sie sagt, dass Paps Ruhe braucht und sie gerne bei Emi ist.

Manchmal scheint es mir, als wenn Veras Geist in Rosalie weiterlebt. Und dann überrascht sie mich und ist einfach nur mein kleines Mädchen.

Ich sitze auf der Bettkante und beobachte Bastians schlafende Gestalt. Sanft lege ich eine Hand auf seinen heißen Bauch. Kurz bin ich versucht Raffael eine Nachricht zu schicken, doch dann atme ich ruhig durch.

„Ich würde euch so gerne helfen. Euer Onkel hat mir erzählt wie es bei eurer Cousine gewesen ist. Aber ich verstehe das noch nicht so ganz. Bei den Menschen ist es fast normal das Zwillinge früher kommen aber ihr zwei seid schon über einen Monat länger da drin. Was ist es, was euch sorgen macht?“

Wie zur Antwort bewegen sich die Körper und Bastian stöhnt vor Schmerzen auf. Beruhigend streiche ich weiter über den Bauch, während meine andere Hand Bastians Wange streichelt.

Doch die Schmerzen scheinen nicht besser zu werden. Bastian versucht sich zusammen zu rollen und schreit vor Schmerzen.

Ohne weiter nachzudenken, wähle ich Raffaels Nummer.

Beim nächsten Schrei von Bastian lasse ich das Handy einfach fallen.

Die Zeit scheint still zu stehen, als mich plötzlich jemand an der Schulter berührt. Überrascht blicke ich auf und sehe verschwommen Nico vor mir stehen. Bestimmt zieht er mich vom Bett hoch und dirigiert mich auf das Sofa.

Ich bin wie versteinert. Eben noch hat Bastian geschrien und sich vor Schmerzen gekrümmt und plötzlich liegt er wie tot da. Ich kann nicht begreifen was vor sich geht.

„Axel hör mir zu. Bastian lebt noch! Du musst dich auf eure Herzen konzentrieren!“ Ich brauche etwas um das Gehörte zu verstehen. Raffael und Nico sind bei Bastian, verdecken mir jedoch die Sicht auf das was sie machen. “Konzentriere dich!“ Brüllt mir Nico entgegen und endlich begreife ich was er meint. Ich schließe die Augen und konzentriere mich auf meinen Herzschlag. Dann richte ich meine Gedanken auf Bastian und die Babys. Das Baby, es ist nur eins. Bastians Herzschlag ist schwach, der des Babys viel Stärker. Aber es fehlt der dritte Schlag.

Schockiert reiße ich die Augen auf, stehe auf und gehe zum Bett. Über die leere Betthälfte klettre ich zu Bastian und ergreife seine Hand. Ich blicke nur starr in sein Gesicht und beachte die Männer nicht, bei dem was sie tun.

„Es ist mir egal ob Zwillinge oder ein Baby. Ich möchte dass du bei mir bleibst. Bitte Bastian du darfst mich nicht verlassen. Noch einmal ertrage ich es nicht.“ Immer wieder spreche ich die gleichen Worte wie ein Mantra. Ich küsse Bastians Gesicht und lausche auf die Herzschläge. Aus zwei wird einer. Ich weiß nicht wessen Herzschlag das ist und weine. Ich breche regelrecht neben Bastian zusammen. Mein Gesicht in seiner Halsbeuge vergraben. Wieder verliere ich jegliches Zeitgefühl. Ich höre noch nicht einmal mein eigens Schluchzen.

Sanft berührt etwas mein Haar, doch mir fehlt die Kraft zu reagieren.

„Engel“, nur leise ist die Stimme und ich glaube sie mir nur einzubilden. Der Griff ins Haar wird fester und bestimmt werde ich aus meiner Position gerissen. „Schhh Engel ich bin hier.“ Hände legen sich an meine Wangen und zwingen mich den Kopf zu heben. Ungläubig sehe ich in Bastians braune Augen. Ich zwinkere einmal, zweimal, dann stürze ich mich auf Bastians Mund und küsse ihn mit all der Angst die ich um ihn hatte. Bastian erwidert den Kuss mit der gleichen Leidenschaft und drückt mich fest an sich.

Ein Räuspern lässt uns den Kuss beenden und ich sehe mich schuldbewusst um. Raffael sitzt auf dem Stuhl, auf dem ich vorher gesessen habe, ansonsten ist der Raum leer.

„Es tut mir leid!“ Traurig schüttelt er den Kopf. Wissend nicke ich und sehe Bastian an, der etwas unsicher dreinschaut.

„Die Babys! Irgendetwas stimmte nicht. Sie haben dich gerettet, dafür...“ weiter kann ich nicht sprechen, da mir erneut die Tränen kommen. “Ich konnte es nicht. Ich habe gefleht, dass du bei mir bleibst, nicht sie. Ich kann dich nicht verlieren. Es tut mir so leid.“ Bastian zieht mich an sich und streichelt mir tröstend über Kopf und Rücken.

„Solange wir uns haben bin ich glücklich. Engel ich habe dich und Rosalie.“

„Aber die Babys? Ich wollte das du Lebst, ihres ist mir egal gewesen.“

„Schh Engel alles ist gut.“ Bastian braucht eine Weile, bis ich mich soweit beruhigt habe, dass ich nicht mehr weine.

 

„Weißt du, ich wusste dass etwas nicht richtig gewesen ist.“ Bastian liegt mit dem Kopf auf meiner Brust, meine Arme fest um ihn geschlungen. „Wahrscheinlich ist das auch der Grund gewesen, warum ich so unausstehlich gewesen bin. Du hast mich zur Ruhe gezwungen und ab da habe ich es bereits bemerkt. Es tut mir leid, dass ich nicht sofort mit dir darüber geredet habe. Ich dachte, wenn wenigstens eins lebt, dann wäre es in Ordnung, wenn ich...“ Bastian spricht den Satz nicht zu Ende, aber das braucht er auch nicht.

„Nein, kein Kind könnte mich am Leben halten wenn du nicht mehr bei mir bist Bastian. Rosalie hat ihre Leute gefunden, die sich immer um sie kümmern werden. Doch wenn dein Herz nicht mehr schlägt hat auch meines keinen Grund mehr.“

„Oh Engel, es tut mir so wahnsinnig leid. Ich hätte es wissen müssen. Ich...oh verdammt, wie wird Rosalie reagieren?“

„Nico ist mit Raffael hier gewesen. Sicher wissen die anderen bereits was passiert ist, sonst wäre es nicht so gespenstisch ruhig hier.“

„Du hast sicher Recht.“

 

Recht hatte ich, die nächsten Tage sind fast noch schlimmer als das Erlebte überhaupt. Die Blicke der anderen, die vorsichtigen Worte machen alles umso realistischer und schmerzhafter.

„Bastian lass uns für eine Zeit wegfahren. Nico und Tristan kümmern sich um Rosalie. Ich muss hier raus und soviel ich weiß hast du mir eine Reise versprochen.“

Bastian blickt von seinem Laptop, an dem er gerade arbeitet, auf.

„Woran denkst du und wohin?“

„Ich möchte gerne wieder fliegen, so wie damals mit Vera. Ich möchte vergessen und neue Erinnerungen schaffen. Einmal in den Norden, denn da sind wir nie gewesen.“

Verlegen knete ich meine Hände. Ich bin es nicht gewohnt, mich so unsicher zu fühlen, aber bei Bastian passiert mir das immer wieder.

Schweigend warte ich auf eine Antwort, während Bastian den Laptop runter fährt, aufsteht und sich vor mir auf den Boden kniet.

Sanft nimmt er meine Hände in seine und streichelt mit dem Daumen meine Handgelenke.

„Sieh mich an Axel.“ Er wartet bis ich den Blick hebe. Ich sehe in strahlende Augen und einem Lächeln was mich schmelzen lässt.

„Lass uns die Taschen packen. Ich habe nur auf den Moment gewartet, dass du soweit bist. Ich sehe es in deinen Augen und nur zu gerne möchte ich dir diesen Wunsch erfüllen.“

Lächelnd lege ich meine Hände in Bastians Nacken und ziehe ihn sanft zu mir, bis sich unsere Lippen berühren.

Dieser Kuss ist ein Versprechen auf eine neue Zukunft.

Glücklich schmiege ich mich an ihn und Bastian erwidert die Umarmung nur zu gern.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 04.03.2023

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