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Du bist kein Freak! – Und warum fühlt es sich so an?

 

 

„Wieso behauptest du so etwas?“

„Weil es stimmt! Sieh mich doch an!“

„Das mache ich. Aber mal ganz ehrlich, ich verstehe es nicht.“

Wütend schlage ich mit der Faust auf mein Bett. Wie soll ich meinem besten Freund erklären was ich denke, wenn ich es doch selbst nicht verstehe.

„Hey Susi nicht weinen.“ Seine Stimme klingt beruhigend durchs Telefon.

„Ich weine nicht.“

„Blödsinn und das weißt du.“

Ich schniefe einige Male und wische mir mit der Decke über die Augen.

„Lass uns am Wochenende treffen. Du kannst bei mir schlafen und wir gehen feiern. Es wäre doch gelacht wenn wir nicht ein Mädel für dich finden.“

„Ich weiß nicht.“

„Keine Ausrede Susi. Wie musst du arbeiten?“ Auch wenn die Tränen fließen hat sich meine Atmung wieder etwas beruhigt.

„Nur noch morgen bis abends.“

„Gut, ich habe Freitag auch frei. Kommst du freiwillig oder soll  ich dich morgen Abend abholen?“

„Ich komme, versprochen.“

„Gut dann bis morgen.“

Damit verabschiede ich mich von Dennis und lehne mich seufzend in die Kissen zurück. Kurz darauf mache ich mich so klein wie möglich und beginne wieder zu weinen. Dennis meint es gut das weiß ich, aber ich glaube einfach nicht mehr daran.

Ich bin jetzt Mitte dreißig, habe eine normale Figur. Was man bei einer Größe von 1,70m und 70 kg normal nennen kann. Mein Aussehen ist eher durchschnittlich bis unscheinbar.

Durch rosa Haarsträhnen, auffallender Kleidung und diversen Halsbändern versuche ich mein fehlendes Selbstvertrauen aufzuputschen. Was zumindest nach außen hin gelingt. Doch fühle ich es nicht.

In meinem ganzen Leben habe ich drei Beziehungen gehabt. Einmal davon sogar verheiratet. Meine letzte Beziehung ist zwar die positivste gewesen, aber auch nur weil ich mit Dennis zusammen gewesen bin und er mich aufgebaut hat.

Seit vier Jahren sind wir wie Geschwister. Seit vier Jahren habe ich keine einzige Beziehung mehr gehabt. Auch weil ich viel über mich selbst nachgedacht habe. Seit einem Jahr weiß ich, dass ich für eine Beziehung mit Männern nicht geschaffen bin. Woher ich das weiß? Ich spüre es und habe die wenigen Beziehungen Revue passieren lassen. So und damit endet auch schon alles.

Gerade einmal zehn Jahre Beziehung kann ich mir zuschreiben. Traurig.

Ausgerechnet jetzt versucht Dennis mich zu unterstützen.

Das wird nicht funktionieren.

Er hat vielleicht bei mir kein Problem, aber ansonsten will er mit der ganzen Queer-Szene nichts am Hut haben.

Mal ganz ehrlich, selbst als ich einige Male in einer Queer-Disco gewesen bin, ist nichts anderes passiert, als dass ich von Männern angequatscht worden bin, wenn überhaupt.

Ich kann nicht den ersten Schritt machen, weiß nicht wie man flirtet und alles.

Selbst auf diversen Plattformen komme ich nicht klar und lösche mich nach wenigen Tagen wieder.

 

Ich bin ein Freak. Ich bin nicht gesellschaftsfähig.

Wie will ausgerechnet Dennis mir da helfen?

Irgendwann sind meine Tränen versiegt und ich falle in einen traumlosen Schlaf.

 

Am nächsten Morgen fühle ich mich gerädert.

Auch wenn ich noch immer aufgewühlt bin, lächle ich und rede freundlich mit jedem.

Auf Arbeit muss schließlich niemand wissen wie es mir wirklich geht.

 

Obwohl ich mich nicht wohl fühle und mich am liebsten unter meiner Decke verkriechen würde, sitze ich nach Feierabend im Auto und fahre die siebzig Kilometer zu meinem besten Freund.

 

„Du siehst scheiße aus.“ Begrüßt mich Dennis, als ich vor seiner Tür stehe.

Kurz darauf zieht er mich in eine feste Umarmung.

Kurz bin ich versucht zurückzuweichen. Aber in dem Moment, als sich seine Hand in meinen Nacken legt, schmiege ich mich in die Umarmung und schließe seufzend die Augen.

Nur im  Hintergrund bekomme ich mit, wie er die Wohnungstür schließt und mich weiter in die Wohnung dirigiert.

Ich sauge die Wärme seiner Umarmung regelrecht in mich auf.

Erst als ich sitze löst sich Dennis von mir. Sein Blick, mit dem er mich mustert, ist zu intensiv, so dass ich den Kopf senke.

Sanft legt sich eine Hand an meine Wange. Verlegen sehe ich Dennis an.

„Wieso wartest du immer solange? Ich spüre doch, wie sehr du die Umarmung benötigst. Warum quälst du dich damit?“

„Ich komme klar.“ Es ist eine lahme Ausrede und anhand von Dennis skeptischen Gesichtsausdrucks wird mir bestätigt dass er mir nicht glaubt.

„Du bist eine schlechte Lügnerin. Du weißt genau das ich dich besser kenne als du dich selbst.“

Ich schließe zur Antwort nur die Augen.

Dennis zieht mich wieder in seine Arme. Die Augen noch immer geschlossen, drücke ich das Gesicht in seine Halsbeuge.

„Du weißt, dass ich immer für dich da bin. Nur weil wir nicht mehr zusammen sind, heißt es nicht, dass ich dir eine Umarmung verweigere. Du bist wie eine Schwester für mich und ich mache mir Sorgen.“

„Es tut mir leid.“ Erst jetzt bemerke ich, wie mir die Tränen laufen. Dennis hält mich einfach weiter fest. Einen Arm um meine Taille und die andere Hand in meinem Nacken.

Erst etliche Minuten später lockert er den Griff, so dass ich mich zurück lehnen und mein Gesicht trockenen kann.

„Ich bin ganz schön verkorkst.“ Sage ich und schniefe einige Male.

„Nein Susi, du bist einfach nur sehr stark.“ Ein Lachen entringt sich mir, was sich in meinen Ohren hysterisch anhört. Dennoch benötige ich einige Sekunden um mich wieder zu beruhigen.

„Sorry aber das ich Blödsinn. Ich bin alles andere als stark.“

Dennis lächelt leicht und schüttelt den Kopf. Er streicht mir über die Wange und steht auf.

Kurz darauf kommt er mit frischer Pizza und zwei Durstlöschern zurück. Er legt noch einen Actionfilm ein, dann setzt er sich zu mir und wir essen in angenehmen schweigen.

Nachdem die Pizza vertilgt ist, zieht mich Dennis wieder an seine Seite. Ich mach es mir mit dem Kopf auf seinem Schoß gemütlich. Während er mir durch die Haare streicht fallen mir immer wieder die Augen zu bis ich sie schließlich nicht mehr öffne und einschlafe.

Als ich aufwache liege ich auf der Couch. Ein Kissen unter meinem Kopf und eine Decke über meinen Körper. Die Rollos sind runtergelassen, so dass nur ein schwacher Lichtschein ins Zimmer fällt.

Ein Blick auf mein Handy verrät mir, dass es bereits neun Uhr Freitagmorgen durch ist. So lange habe ich noch nie traumlos durchgeschlafen.

Zumindest in den letzten Jahren nicht.

Als ich ins Bad gehe sehe ich, dass auch Dennis noch schläft. Aber bei ihm ist das normal. Wahrscheinlich hat er noch einige Stunden gezockt ehe er schlafen gegangen ist.

In der Küche koche ich anschließend Tee und bereite ein kleines Frühstück vor.

„Morgen“, von Dennis Stimme erschreckt drehe ich mich um.

Nur in Boxershorts steht Dennis in der Tür und reibt sich verschlafen den Nacken.

„Morgen“ begrüße ich ihn und kann mir ein Lächeln nicht verkneifen.

Dennis hebt kurz die Hand und geht zurück aus der Richtung aus der er gekommen ist.

Keine halbe Stunde später erscheint er mit Jogginghose und Handtuch über die Schultern wieder in der Küche. Seine Haare sind nass, als muss er kurz unter der Dusche gewesen sein.

„Danke“ sagt er lächelnd und setzt sich mir gegenüber.

„Was hältst du davon, wenn wir nachher in die Stadt gehen?“

„Brauchst du etwas Bestimmtes?“ Ich bin verdutzt, denn normalerweise geht Dennis nur in die Stadt, wenn er etwas benötigt.

„Ne heute nicht. Ich habe mir nur gedacht, dass wir einfach mal bummeln gehen. Dahin gehen wo du möchtest.“ Sprachlos und mit großen Augen sehe ich Dennis an.

Da ich nichts darauf erwidere ist es eine abgemachte Sache.

Nach dem Frühstück räume ich alles weg und spüle das Geschirr.

Nach ungefähr zwei Stunden brechen wir auf.

Zu meiner Überraschung fährt Dennis mit mir in ein Queer Gebiet. Cafés, Buchläden, Modegeschäfte und was es sonst noch gibt. Überall hängen Regenbogenfahnen.

„Aber du kommst damit doch nicht klar!“ Dennis dreht sich zu mir um und legt beide Hände auf meine Schultern.

„Susi du bist es mir Wert über meinen Schatten zu springen.“ Verlegen senke ich den Blick. Ein Kloß hat sich in meine Kehle gebildet und das Schlucken fällt mir schwer.

Dennis zieht mich in eine kurze Umarmung.

Immer wieder sehe ich mich unsicher um. Vor jedem Geschäft zögere ich, so dass Dennis sich irgendwann bei mir unterhakt und mich mitzieht.

 

Die Blicke, die man uns zuwirft, bin ich gewöhnt und sie stören mich auch nicht weiter. Doch schon bald kommen die ersten Leute auf uns zu.

Jedes Mal wenn jemand zu uns kommt senke ich den Blick und spreche nicht.

Demzufolge ist Dennis derjenige der die Gespräche führt. Meistens sind sie nur kurz und bestimmt, aber freundlich.

„Hey warum sagst du nicht auch mal etwas?“ Mit angstgeweiteten Augen sehe ich Dennis an. Wir sind gerade im Café und haben erst bestellt. Mitfühlend greift Dennis über den Tisch und drückt meine Hand.

Die Kellnerin kommt vorbei und bringt unsere Bestellung. Dabei lächelt sie mich an. Doch ich senke wieder den Blick.

Dennis bedankt sich und die Kellnerin geht.

Kurz darauf ergreift Dennis wieder meine Hand und drückt sie sanft bis ich ihn ansehe.

Lächelnd schüttelt er den Kopf. Errötend nehme ich die Gabel und esse schweigend das Stück Kuchen.

Während ich noch einmal auf Toilette gehe bezahlt Dennis und wir treffen uns vor der Tür des Cafés.

 

Nach vier Stunden machen wir uns auf den Rückweg. Bei Dennis angekommen rolle ich mich auf der Couch zusammen.

Dennis setzt sich zu mir ans Kopfende und beginnt meinen Kopf zu kraulen.

„Hey das bekommen wir schon hin. Wie wäre es mit Disco heute?“ Wortlos schüttle ich den Kopf. „Okay aber morgen gehen wir. Egal was du sagst.“ So gut es im Liegen geht zucke ich mit den Schultern.

„Ich werde etwas zocken. Wenn du nichts dagegen hast, würde ich es hier tun, oder du kommst rüber.“

„Hier“, sage ich leise und setze mich wieder auf. „Ich habe doch gesagt, dass ich ein Freak bin.“

„Quatsch nicht so ein Unsinn. Du bist kein Freak. Du bist nur schüchtern.“

„Schüchtern?“ Ich muss Lachen, doch ist es nicht fröhlich gemeint. „Sorry aber ich bin nicht nur schüchtern und das weißt du.“ Dennis seufzt, beugt sich zu mir und gibt mir einen Kuss auf die Stirn.

„Es bringt nichts darüber zu streiten Susi. Ich sehe dich anders. Sehe mehr in dir als du erahnst. Ich weiß, dass du das nicht hören möchtest, weil du mir eh nicht glaubst. Aber ich hoffe, dass es irgendwann eine Person gibt, die es dir zeigt und der du glauben kannst.“ Noch einmal drückt er mich an sich und gibt mir einen Kuss auf die Stirn.“

 

Während Dennis seine Konsole an den Fernseher im Wohnzimmer anschließt verschwinde ich ins Badezimmer. Als ich zurück komme sitzt er auf dem Fußboden mit dem Rücken zur Couch. Für mich hat er bereits ein Kissen und eine Decke gebracht und so rolle ich mich auf der Couch zusammen.

Eine Weile schaue ich ihm zu. Wir reden nicht und so drifte ich langsam weg.

„Weißt du Susi, ich glaube du machst dir alles viel schwerer als es ist. Nur weil wir nicht mehr zusammen sind, heißt es nicht, dass du mir egal bist. Wir beide haben es doch von Anfang an gewusst.“ Ich stelle mich schlafend und Dennis zockt unbeirrt weiter während er spricht. „Ich weiß, dass du es noch nie wirklich einfach hattest und ich wünsche dir gerade deshalb, dass du das Glück findest. Du bist so ein liebenswerter Mensch." Mir laufen die Tränen und ich stecke die Faust in den Mund um keinen Ton von mir zu geben. „Du bezeichnest dich als Freak, aber das bist du bei weitem nicht. Du bist gezeichnet, hast viel Schlechtes erlebt. Trotzdem hast du ein großes und reines Herz. Überall siehst du nur das Gute im Menschen. Du siehst immer nur das was du fühlst. Leute schauen dich an und tuscheln oder lachen. Aber hast du schon einmal gehört was sie sagen? Ich glaube nicht.“

Eine Hand legt sich auf meinen Arm. Ich kann meine Reaktion nicht unterdrücken und unter schluchzen öffne ich die Augen.

Dennis hat sich zu mir umgedreht. Seine Hand liegt jetzt an meiner Wange und sanft wischt er mir die Tränen weg.

„Ich hoffe und wünsche dir so sehr das du glücklich wirst. Auch wenn du es jetzt nicht glauben magst.“ Sanft drückt mir Dennis einen Kuss auf die Stirn, dann auf die Wange, an der zuvor seine Hand gelegen hat und schließlich auf den Mund. Ich bin zu verblüfft um überhaupt reagieren zu können, doch da ist der Kuss auch schon vorbei. Es ist ein rein freundschaftlicher Kuss gewesen. Nur Lippen Berührung, keine Zunge. Dennis Lächeln ist sanft und voller Liebe. Noch einmal trocknet er meine Wangen dann dreht er sich um und zockt weiter, als wäre nichts gewesen.

Ich bleibe einfach so zusammengerollt liegen und starre ins Nichts.

Irgendwann schlafe ich mit wirren Gedanken ein.

 

Am nächsten Morgen fühle ich mich schlecht. Ich glaube so fühlt man sich, wenn man einen Kater hat. Ich habe keine Lust aufzustehen und so stöpsle ich mir die Kopfhörer in die Ohren und schalte meine Musik ein. Als Dennis später in die Küche geht stelle ich mich schlafen, nur damit ich nicht reden muss.

Ob er es weiß oder nicht, Dennis lässt mir meine Ruhe.

„Hey Susi.“ Dennis setzt sich zu mir auf die Couch und nimmt mir einen Kopfhörer ab. „Komm du solltest langsam aufstehen. Ich habe dir den ganzen Tag Zeit gegeben. In drei Stunden möchte ich mit dir los. Ich habe gesagt wir gehen heute feiern und das zieh ich auch durch.“ Er gibt mir nicht mehr die Möglichkeit mich  zurück zu ziehen. Als er aufsteht nimmt er mir das Handy und die Decke weg und legt beides in der Küche ab. Noch einige Minuten bleibe ich liegen, doch schließlich stehe ich auf und verschwinde im Bad. Nach einer ausgiebigen Dusche und Zähneputzen fühle ich mich zwar wacher, aber dennoch nicht besser.

„Komm ess noch etwas bevor wir fahren.“ Dennis stellt eine Pizza auf den Küchentisch und widerstrebend setze ich mich und esse.

 

Pünktlich um dreiundzwanzig Uhr stehen wir vor einer mir unbekannten Disco.

„Was ist das hier?“ Es stehen einige Leute davor, die nichtssagend aussehen. Wobei es scheinbar mehr Männer als Frauen sind.

„Es ist eine Disco für dich. Ich habe es dir doch gesagt. Jeden dritten Samstag im Monat ist hier ein Queer-Abend. Es sollte doch gelacht sein, wenn du hier nicht angesprochen wirst.“

Augenverdrehend schüttle ich den Kopf. Lachend hackt sich Dennis bei mir unter und wir gehen Schritt für Schritt den Eingang entgegen.

Freundlich werden wir begrüßt und nachdem wir den Eintritt bezahlt haben gelangen wir ins Innere. Es sieht aus wie in jeder anderen Disco. Zwei Bars eine große Tanzfläche und einige Nischen zum Sitzen. In der Nähe der Toiletten gibt es einen Außenbereich zum Rauchen. Auch hier gibt es eine Bar.

 

Da wir relativ früh hier sind ist es noch leer und wir können uns alles in Ruhe ansehen. Mit jeweils einer Cola bewaffnet stellen wir uns in die Nähe der Tanzfläche und beobachten wie sich langsam alles füllt.

Mit der Zeit schafft es Dennis, dass auch ich mich etwas bewege. Ich würde es nicht als tanzen bezeichnen, denn ich tippe eher von einer Seite zur anderen und schaukle den Körper. Zu mehr bin ich einfach nicht im Stande. Ich habe auch nicht den Mut mich von der Stelle zu bewegen. So kommt es, dass Dennis seine Runde dreht und ich wie angewurzelt mit dem Rücken zur Wand stehen bleibe.

„Bist du allein hier?“ Ein Mann stellt sich vor mich, den Mund neben meinem Ohr und eine Hand auf meiner Schulter. Ich bin gefangen. Panik flutet  meinen Kopf und ich gehe einige Schritte zur Seite. Dabei schüttle ich den Kopf. Der Mann lacht und stellt sich neben mich. „Aber wo ist denn deine Begleitung?“ Ich zeige in die Menge und bete dass Dennis zurückkommt. „Er tanzt ohne dich?“ Die Stimme klingt schockiert und ich schüttle erneut den Kopf. „Dann lass uns zwei tanzen!“ Er ergreift meine Hand und will mich auf die Tanzfläche ziehen. Die Panik wird stärker und ich ziehe meine Hand zurück. Zumindest versuche ich es, denn der Mann hält sie mit eisernem Griff.

„Lass mich los!“ Schreie ich ihn an, doch er lacht nur und zieht mich an sich. Ich versuche mich zu wehren, nach ihm zu treten und zu schlagen, aber alles bleibt erfolglos.

„Lassen Sie sie los!“ Eine kräftige Stimme ertönt neben mir. Als ich mich umsehe stehen zwei Männer neben uns. Nur zögernd lässt mich der Mann los und verschwindet in der Menge.

„Danke“, flüstre ich. Ich glaube nicht, dass sie mich gehört haben, vor allem da ich den Blick nach unten gerichtet habe.

„Komm Süße ich glaube du brauchst jetzt erst einmal einen Drink.“ Doch ich bleibe stehen und schüttle den Kopf.

„Ich muss auf Dennis warten.“ Meine Stimme ist noch immer viel zu leise für die Musik, dennoch versucht mich niemand wegzuführen. Kurz darauf wird ein Barhocker neben mich gestellt und da sich niemand darauf setzt, setze ich mich. Kaum das ich sitze wird mir ein Cocktail in die Hand gedrückt. Unsicher blicke ich auf. Es ist eine Frau und die zwei Männer die bei mir stehen, als würden sie auf mich aufpassen.

„Es ist nur ein Cocktail, nichts weiter. Vertrau mir.“ Ich weiß dass es falsch ist, aber ich glaube ihr und so trinke ich mit großen Schlucken. Zu schnell, verrät mir der Alkohol als sich mein Kopf dreht.

„Susi?“ Dennis taucht vor mir auf, legt die Hände an meine Wangen. „Ist alles in Ordnung?“ Ich schüttle den Kopf und stöhne, weil sich alles dreht. Ich rutsche vom Stuhl und muss mich an Dennis festhalten. Ich habe noch nie viel Alkohol vertragen, aber dieser Cocktail ist zu heftig gewesen.

Während Dennis den Arm um mich legt und mich an sich gedrückt hält, redet er mit einem der Männer.

„ich glaube sie sollte sich etwas hinsetzen, kommt mit in den VIP Bereich da ist es ruhiger.“

„Nach Hause“, sage ich laut genug, so dass Dennis es hört. Er wechselt noch ein paar Worte mit den drei Fremden und führt mich dann zum Ausgang.

Ich will Dennis das Geld zum Bezahlen geben, doch er ignoriert es. Kaum das ich im Auto sitze schließe ich die Augen und schlafe ein.

 

Ich erwache orientierungslos auf einer Couch. Es dauert einige Sekunden bis ich realisiere, dass ich bei Dennis bin. Ich benötige weiterer Sekunden oder sogar Minuten, bis der gesamte letzte Abend vor meinem inneren Auge an mir vorbei zieht. Stöhnend bedecke ich meine Augen.

„Guten Morgen Susi.“ Begrüßt mich Dennis unerwartet früh. Ein Blick zur Uhr zeigt mir, dass es gerade einmal halb zehn ist.

Ungefragt setzt er sich zu mir auf die Couch und mustert mich. „Wie geht es dir?“ Ich gebe nur ein kurzes knurren von mir und schließe die Augen. „Hey es ist doch alles okay.“ Dennis legt eine Hand an meine Wange, doch ich schlage sie sofort weg.

„Gar nichts ist okay. Ich habe mich benommen wie ein Kind.“

„Susi nach dem was mir die anderen erzählt haben, hättest du gar nichts machen können. Der Typ ist nicht das erste Mal dagewesen.“

„Aber ich konnte nichts sagen, keinen Ton.“

„Quatsch, du hast ihnen gesagt, dass du auf mich wartest. Da uns jemand zusammen gesehen hat, wurde ich ausfindig gemacht. Wenn sich jemand mies fühlen sollte dann bin ich es. Schließlich habe ich dich allein gelassen.“ Daraufhin weiß ich nichts zu sagen und schweige einfach. Dennis steht auf und verschwindet in seinem Zimmer. Als er auch nach einer Stunde nicht heraus kommt packe ich meine Sachen zusammen.


Erst nach dem dritten anklopfen reagiert er und ich öffne die Tür.

Dennis liegt im Bett und ist scheinbar noch einmal eingeschlafen.

„Sorry“, sein schiefes Lächeln ist entwaffnend und ich muss zurück lächeln.

„Du kannst ruhig weiter schlafen. Ich wollte mich nur verabschieden.“

„Aber“

„Nein, es ist besser so. Hab vielen lieben Dank für das Wochenende.“ Er hat sich aufgesetzt und als ich mich zu ihm setze umarmt er mich.

„Aber geholfen habe ich dir nicht.“ Sagt er missmutig. Traurig schüttle ich den Kopf.

„Nein aber die Bemühung zählt.“ Ich löse mich aus der Umarmung und gehe langsam zur Tür. „Nur irgendwie hat es mein Denken bestätigt.“ Sage ich leise und öffne die Wohnungstür. Dennis steht in der Schlafzimmertür und schaut mich fragend an. Dann schüttelt er den Kopf.

„Du bist kein Freak!“ Ruft er mir entschlossen hinterher. Ich sehe ihn nicht mehr an als ich antworte. „Und warum fühlt es sich so an?“ Bei dem letzten Wort fällt die Tür ins Schloss und ich gehe zügig zu meinem Auto.

Der Eingang einer Nachricht lässt mich kurz innehalten.

„Weil du etwas Besonderes bist!“ Groß und Fett geschrieben. Ich starte das Auto und fahre los. Alles ist wie automatisch und ich kann nicht sagen wie ich gefahren bin.

Kaum das meine Wohnungstür hinter mir ins Schloss fällt sinke ich zu Boden und weine.

„Nichts ist besonders. Ich bin ein Freak und werde es immer sein.“ An Ort und Stelle rolle ich mich zusammen und schlafe auf dem Boden ein.

 

Ich bin ein Freak, der seinen Platz nicht kennt. Der Verloren ist in all der bunten Welt.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 30.12.2018

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