Verwirrt blicke ich in den Spiegel. Bin das wirklich ich?
Selbst nachdem ich mir einige Male kaltes Wasser ins Gesicht gespritzt habe traue ich meinem Blick nicht.
Nach dem heftigen Traum, aus dem ich aufgeschreckt bin, stehe ich noch immer nicht sicher auf meinen Beinen. Dabei ist der Traum noch nicht einmal das Problem, sondern die Personen, die darin vorgekommen sind.
Noch einmal spritze ich mir Wasser ins Gesicht, bevor ich mich hinunter beuge und einige Schlucke direkt aus dem Hahn trinke.
Mir schwirrt immer noch der Kopf, als ich mich ins Bett zurücklege. Doch komme ich nicht mehr zur Ruhe. Ich bin viel zu aufgewühlt um einschlafen zu können.
Stunden später quäle ich mich zur Arbeit. Wie ferngesteuert erledige ich die Arbeit. Gott sei Dank ist um diese Uhrzeit nach niemand da. Die Bewohner, die hier wohnen, haben alles gut vorbereitet, so dass ich routiniert durch die Räume putzen kann. Ich habe Glück diesen Job hier zu haben und so stürze ich mich voll und ganz in die Arbeit. Solange ich etwas zu tun habe, ruhen wenigstens meine Gedanken.
Kurz vor drei Uhr erscheint meine Kollegin zum Dienst.
„Hey Miguel“, begrüßt sie mich auf dem Weg zum Büro.
„Hallo Steffi, na alles klar?“
„Ja klar und selbst? Du siehst etwas müde aus.“
„Alles gut, bin nur erschöpft vom Wetter und putzen.“
Damit ist das Gespräch auch schon beendet. Steffi verzieht sich ins Büro um die Berichte und Infos zu lesen, die seit ihrem letzten Dienst geschrieben worden sind.
In einer Stunde kommen die Bewohner von der Arbeit und außer Kaffee kochen ist alles vorbereitet. Also setze ich mich ins Wohnzimmer und lese noch ein bisschen.
„Steht heute irgendwas an?! Fragt Steffi, als sie sich kurz zu mir gesellt.
„Nur die Tanzübungen für Sascha und Maike. Ansonsten ist heut Ruhe. Ach ja und das Lesen heut Abend.“
„Okay“, damit geht Steffi aus dem Zimmer und lässt mich allein zurück.
Endlich kommen die Bewohner und ich habe keine Zeit mehr über meine Träume und Gefühle Gedanken zu machen.
Der Tag vergeht wie vorher gesehen.
Bei dreizehn Bewohnern hat man keine Zeit über persönliches nachzudenken. Überall wird man gebraucht, es werden Fragen gestellt und Hilfestellungen erbeten. Eh ich mich versehe habe ich Feierabend und kaum verlasse ich das Haus, kehren die Gedanken zurück.
Mit lauter Musik auf den Ohren gehe ich die zwei Kilometer bis nach Hause. In meiner Wohnung angekommen, ziehe ich mir eine Jogginghose an. Schalte den Fernseher ein und bereite mein Abendessen zu.
Nachdem ich gegessen habe, gehe ich meinem Lieblingshobby nach: häkeln.
Meine beste Freundin belächelt mich jedes Mal, wenn wir auf das Thema zu sprechen kommen. Aber auch wenn Handarbeit für einen Mann vielleicht untypisch ist, habe ich Spaß dabei, alles andere ist mir egal. Beim Häkeln kann ich abschalten. Da konzentriere ich mich auf die Maschen und meine Gedanken kommen zur Ruhe. In letzter Zeit ist das wieder schlimmer geworden. Also verarbeite ich die Wolle, bis mir die Augen zufallen und ich sofort einschlafe sobald mein Kopf das Kissen berührt.
Doch der Schlaf ist alles andere als erholsam.
Kräftige Arme legen sich von hinten um meine Schulter und ein großer Körper drückt sich an meine Rückseite. Ich fühle mich geborgen und lehne meinen Kopf mit geschlossenen Augen an die fremde Schulter. Ich weiß, dass es falsch ist was ich fühle, aber ist das Gefühl von Sicherheit wirklich falsch?
„Gar nichts ist falsch, solange es das ist was du möchtest.“ Spricht mein Hintermann mit leiser, dunkler Stimme die mir eine Gänsehaut bereitet.
Möchte ich in den Armen eines Mannes sein?
Ich bin nicht schwul, aber … Ich schüttle den Kopf und sofort lösen sich die Arme von mir und auch der restliche Körper entfernt sich.
Ich drehe mich um, will ihn zurück rufen, doch steht jetzt meine beste Freundin vor mir.
Wir waren vor drei Jahren ein Paar, aber es fühlt sich eher an, als seien wir Geschwister. Und dieses Gefühl ist geblieben. Nach ihr habe ich keine Beziehung mehr, ja noch nicht einmal Bekanntschaften.
Seufzend lasse ich den Kopf hängen und schaue zu Boden.
„Ich bin nicht der, den du sehen willst.“ Tracy kommt auf mich zu, bis ihre Fußspitzen direkt vor mir halten.
„Es tut mir leid. Ich … wir … das ist eine schöne Zeit gewesen, aber …“
„Wir sind wie Geschwister Miguel. Es ist alles in Ordnung. Doch ich spüre, dass du zerrissen bist. Was empfindest du, wenn ein Mann dich umarmt?“ Verlegen schüttle ich den Kopf.
Was fühle ich?
Noch nie hat ein Mann mich umarmt, bis auf dieser Fremde gerade. Ich weiß, dass ich träume, denn in der realen Welt würde ich dieses Gespräch nicht führen.
„Ist es falsch sich geborgen und sicher zu fühlen? Du kennst meine Vergangenheit, kennst mich besser als ich mich selbst. Dennoch bin ich verunsichert.“
Tracy legt mir eine Hand auf die Schulter und wartet das ich sie ansehe, bevor sie weiter spricht.
„Gar nichts ist falsch. Finde heraus was dir gefällt und wo du lieber sein möchtest. Ich werde dich unterstützen und für dich da sein, wenn du mich brauchst.“ Damit gibt sie mir einen Kuss auf die Wange und verschwindet. Ich bleibe allein in meiner Traumwelt zurück.
Ich schlage die Augen auf und blicke an die Decke. Die Sonne geht bereits auf und die ersten Strahlen scheinen ins Schlafzimmer. Heute habe ich frei, also bleibe ich einfach liegen und denke über den Traum nach.
Noch immer spüre ich die Umarmung des Mannes, höre seine Stimme und Tracys Worte mit denen sie mir Mut macht.
Ja, ich muss über vieles nachdenken, doch schaffe ich es nicht allein. Mit einem mulmigen Gefühl nehme ich mein Handy vom Nachttisch und suche im Internet nach Informationen. Ich finde eine Adresse, eine Anlauf- und Beratungsstelle, und speichere sie ab.
Doch habe ich den Mut dazu, diesen Schritt zu gehen?
Was soll ich sagen?
Was fragen?
Ich lege das Handy zur Seite und starre wieder an die Decke.
Wochen vergehen, noch immer quälen mich die Träume. Ich finde den Mut zu der Adresse zu fahren, doch draußen deutet nichts darauf hin dass ich richtig bin. Auch finde ich nicht den Mut hineinzugehen. Ich sitze einfach davor im Auto und häkle.
Ein Tag später ist in meiner Stadt CSD Fest und ich nehme mir vor, dorthin zu gehen.
Bereits eine halbe Stunde bevor die Demo startet bin ich da. Auch hier bleibe ich in sicherer Entfernung. Als ich mich langsam dem geschehen nähere spricht mich ein älterer Mann an.
„Weißt du in welche Richtung sie laufen werden?“ Verlegen schüttle ich den Kopf.
„Leider nein. Deswegen bin ich hier her gekommen. Ich bin die ganze Zeit da drüben an der Haltestelle gewesen. Ich denke aber, dass sie entweder hier lang oder durch die Fußgängerzone laufen.“ Eine kleine Gruppe kommt vorbei und der Mann wechselt einige Worte mit ihnen.
„Komm schon Dad, lass uns weiter gehen.“ Der zweite Mann der bei uns steht ist vielleicht Mitte vierzig.
„Ich möchte das aber sehen. Oh hört mal, sie gehen irgendwo anders lang.“
Die Musik, die bei der Demo einsetzt, wird langsam leiser.
Ohne auf die Männer weiter zu achten, gehe ich zurück zur Haltestelle und weiter zur Fußgängerzone. Und richtig, ihr Weg führt hinter dem Rathaus zur Fußgängerzone und von da aus zu ihrem Ziel.
Als die Gruppe bei mir ankommt, stehen Vater und Sohn wieder neben mir.
Der Vater sagt etwas, über die Musiker und die riesigen Fahnen und gibt mir einen leichten Schubs gegen die Schulter. Als die Gruppe an uns vorbei ist, gehe ich langsam hinter dem Polizeiauto her, bis alle an einen Brunnen stehen bleiben und die Organisatoren einiges sagen. Eh ich mich versehe, stehen beide Männer wieder bei mir.
„Wenn du auch die Schleife möchtest, die Frau da vorn hat welche.“
„Danke, aber das kann ich nicht.“ Ich blicke dem Sohn nur kurz ins Gesicht und schaue dann irgendwo anders hin.
„Wie du kannst das nicht?“ Es ist mir peinlich, dennoch erkläre ich:
„Wenn ich angesprochen werde, ist alles gut. Aber ich kann nicht den ersten Schritt machen und auf Leute zu gehen. Dafür bin ich nicht der Typ.“
„Aber du redest doch mit uns.“
„Ja aber nur weil Ihr Vater mich angesprochen hat.“ Daraufhin entfernt sich der Sohn und kommt wenige Augenblicke mit einer AIDS-Schleife für mich zurück und steckt sie mir ans Oberteil. Danach stehen wir einfach da und ich lausche der Rede.
Die Gruppe setzt sich wieder in Bewegung. Das Demo zu nennen finde ich falsch, obwohl es ja eine ist.
Eine Weile gehe ich noch hinterher, bis sie abbiegen um einen größeren Bogen zu nehmen. Danach geh ich langsam zur Bühne und den ganzen Ständen, die dort aufgebaut sind.
Vater und Sohn verliere ich aus den Augen und sehe sie seit dem nicht wieder.
In einem Strandstuhl mach ich es mir gemütlich, mit Blick auf die Bühne. Eine Zeitlang beobachte ich alles, dann lese ich noch etwas, bis ich mich doch wieder entschließe zu gehen. Das Programm und die Stimmung sind gut, aber ganz allein wird es irgendwann deprimierend.
Zu Hause angekommen zieh ich mich mit Wolle und Häkelnadel zurück und versuche meine Gefühle zu ignorieren. Was mir auch gelingt, bis ich einschlafe.
Es regnet, stürmt und Gewittert. Besser hätte die Natur mein eigenes Chaos nicht wiederspiegeln können. Und ich bin mitten drin. Mein Auto ist auf der Landstraße liegen geblieben. Bei meinem Handy ist der Akku leer, was mir eigentlich nie passiert. Um Hilfe zu holen laufe ich durch das Unwetter ins letzte Dorf zurück, welches ich durchfahren habe. Ich weiß nicht wie ich hier her gekommen bin oder wo ich hin will. Es muss also ein Traum sein, der all mein Durcheinander wieder spiegelt. Dennoch machen mir die Blitze Angst. Am liebsten würde ich mich einfach ins Auto setzen und warten bis alles vorüber ist, doch es wird erst vorbei sein, wenn ich Antworten bekomme, das weiß ich.
Also laufe ich mit eingezogenem Kopf, bis zum ersten Haus. Ich schelle, aber niemand macht auf. Mir bleibt nichts anderes übrig, als es an der nächsten Tür zu probieren. Solange bis ich irgendwann jemanden erreiche.
Das Dorf ist nur klein und nach zwei Stunden schellen gehe ich mit gesenktem Kopf zum Auto zurück. Auch wenn es August ist, ist mir kalt. Ich bin durchnässt bis auf die Knochen. Das Einzige was ich im Auto finde ist eine Plane, die ich auf den Fahrersitz lege um den Stoff zu schützen. Dann setze ich mich ins Auto und warte.
Auf wen oder was weiß ich nicht.
Vielleicht hoffe ich, dass sich das Wetter bessert oder dass mein Auto plötzlich wieder anspringt, aber natürlich passiert nichts.
Immer öfter fallen mir die Augen zu und ich zittre wie verrückt.
Die Müdigkeit macht sich breit und irgendwann schlafe ich ein.
Es wackelt, als ob ich auf einem Schiff sitze, doch vermag es nicht mich aufzuwecken. Wie durch dicke Watte spüre ich den Regen auf meinem Körper und höre das Donnern in der Nähe, doch schon bald wird wieder alles ruhig und ich versinke wieder tiefer in die Dämmerung.
Als ich das nächste Mal zu mir komme, liege ich auf etwas weichen. Ich bin regelrecht eingehüllt in Wärme, doch noch immer zittert mein Körper.
Etwas streicht über mein Gesicht, meine Arme und Oberkörper. Ich versuche die Augen zu öffnen, doch da zieht mich die Dunkelheit bereits wieder in die Tiefe.
Irgendwann erwache ich schließlich und ich öffne die Augen. Alles ist dunkel, nur ein kleiner Spalt an der Tür lässt Licht hindurch. Etwas Schweres liegt auf meinem Bauch und drückt mich an etwas hartem.
Langsam sehe ich mich um. Es ist ein Mann der hinter mir liegt und schläft. Vorsichtig befreie ich mich aus seiner Umarmung und stehe auf.
Irgendetwas fehlt und mit Schreck stelle ich fest, dass ich nackt bin. Schnell greife ich nach einer Jogginghose, die über einen Sessel hängt und ziehe sie über, bevor ich aus dem Zimmer und in das Licht gehe.
Vom Schlafzimmer führt ein langer Flur ins Wohnzimmer, wo eine kleine Lampe brennt und der Fernseher läuft. Ich stehe hinter der Couch und kann niemanden erblicken. Als mein Blick auf die offene Küche trifft gehe ich da hin, da ich aufgestanden bin weil ich Durst habe. Gerade öffne ich einen Schrank, als eine Hand an mir vorbei schnellt und eines der Gläser aus dem oberen Regal holt. Vor Schreck mache ich einen Satz nach hinten und pralle an einen großen Körper. Ich gerate ins Schwanken und sofort umfängt mich der zweite Arm und drückt mich an den Körper.
„Ich wollte dir nur behilflich sein. Für das obere Fach bist du etwas zu klein.“ Die Stimme ist dunkel, genau wie aus meinen anderen Träumen. Skeptisch blicke ich den Schrank an und greife mit der Hand nach oben, aber tatsächlich erreiche ich gerade einmal das Brett. Seufzend senke ich den Arm.
„Danke“.
Der Mann entfernt sich von mir und sofort habe ich das Gefühl der Leere und ein zittern durchfährt mich. Doch er füllt nur das Glas mit Orangensaft, dann ergreift er meine Hand und zieht mich zur Couch.
Gehorsam setze ich mich, wobei ich meine Beine unter meinen Körper ziehe. Der Fremde setzt sich neben mich in die gleiche Position und reicht mir das Glas. Nachdem ich einige Schlucke getrunken habe drehe ich das Glas in meiner Hand.
„Ich heiße Dante und der Mann im Bett heißt Tyler. Wir haben dich in deinem Auto gefunden. Wie geht es dir?“
„Miguel… Ich heiße Miguel. Danke, aber irgendwann hätte der Regen schon nachgelassen dann wäre ich nach Hause gekommen.“
„Das glaube ich weniger. Dein Auto steht bei uns in der Garage, wir haben es abgeschleppt und hätten wir dich nicht aus deinen nassen Klamotten geholt, hätte es böse enden können. Du machst mir sowieso den Eindruck, als ob du eigentlich im Bett liegen müsstest.“ Dante legt eine Hand an meine Stirn. Mein erster Impuls ist zurückzuweichen, doch gleichzeitig ist die Berührung angenehm und so schließe ich nur die Augen.
„Du hast Fieber Miguel, komm ab zurück mit dir ins Bett und ich mach dir einen Tee.“
Da ich mich nicht rühre nimmt er mir das Glas ab und zieht mich auf die Füße. Dann umgreift er meine Schulter und bringt mich den Flur entlang.
Vom Schlafzimmer her kommt ein leises fluchen und im nächsten Moment steht Tyler vor uns, nur mit einer Boxershorts bekleidet. Als er uns erblickt bleibt er stirnrunzelnd stehen und sieht von einem zum anderen.
„Gut das du wach bist Ty. Kannst du eine Thermoskanne und eine Tasse Tee fertig machen? Unser Gast muss noch etwas im Bett bleiben. Er hat bei dem Unwetter mehr abbekommen als gedacht.“ Tylers Augen verengen sich und als er vor mir steht legt auch er mir eine Hand an die Stirn. Kurz darauf gleitet die Hand auf meine Wange, wo ich mich ohne nachzudenken hineinschmiege und die Augen schließe. Viel zu schnell verschwindet die Berührung und Tyler geht an uns vorbei Richtung Küche.
Bevor wir weiter ins Schlafzimmer gehen frage ich leise nach dem Badezimmer.
„Vorne rechts, direkt gegenüber des Schlafzimmers.“ Damit befreie ich mich aus der Umarmung und verschwinde im Badezimmer.
Seufzend lehne ich mich mit dem Rücken gegen die Tür. Umso länger ich auf den Beinen bin, desto schwächer werde ich. Ob das so vorhergesehen ist? Die beiden Männer werden mich in diesem Zustand nicht gehen lasse und wer weiß, ob das Wetter sich überhaupt schon gebessert hat.
Als ich mich schließlich von der Tür abdrücke, stolpre ich und hätte ich mich nicht am Waschbecken festgehalten, wäre ich gestürzt.
Ich spritze mir etwas kaltes Wasser ins Gesicht, doch macht es das nicht besser. Mir wird schlecht und ich beginne zu würgen. In letzter Sekunde sinke ich vor die Toilette und übergebe mich.
Als ich das Gefühl habe, dass nichts mehr hinaus kommt, lehne ich die Stirn gegen die kalte Keramik. Ich habe nicht bemerkt dass jemand ins Bad gekommen ist und zucke daher zusammen, als etwas Kaltes meinen Nacken berührt.
„Ganz ruhig Miguel. Es ist nur ein kalter Lappen. Meinst du, du kannst aufstehen?“
Es dauert etwas, aber schließlich stehe ich wieder vor dem Waschbecken, wasche mir das Gesicht und spüle den Mund einige Male aus. Als ich sicher bin, dass ich mich nicht mehr übergebe, drehe ich mich langsam zur Tür.
Sofort ist Dante neben mir und stützt mich, bis ich im Bett liege.
Kurz darauf erscheint auch Tyler im Zimmer und reicht Dante eine Tasse, die er mir vorsichtig anreicht und wartet, bis ich einige kleine Schlucke getrunken habe.
„Du solltest etwas schlafen Kleiner.“ Ich lege mich ins Bett zurück, viel zu geschafft um zu widersprechen.
„Ich bleibe hier Ty, außer du willst auch noch etwas schlafen.“
„Nein nein mach ruhig. Ich werde etwas zu Essen für später zubereiten.“
Damit gibt Tyler Dante einen Kuss und zwinkert mir noch einmal zu, als er das Zimmer verlässt.
Dante schiebt mich weiter in die Mitte des Bettes, zieht sich bis auf die Boxershorts aus und legt sich zu mir. Da ich nicht weiß was ich machen, wie ich reagieren soll, drehe ich mich zur Seite, den Rücken ihm zugewandt. Dante legt sich dicht hinter mir, schlingt einen Arm um meine Taille und zieht mich fest an sich. Meinen Kopf bettet er auf seinen anderen Arm.
„Wehre dich nicht gegen deine Gefühle. Umso eher du sie akzeptierst, umso schneller wird es dir besser gehen. Alles kommt wieder in Ordnung.“ Damit drückt er sanft seine Lippen auf meine Schulter.
Ich lausche seiner Atmung, versuche meine Gefühle zu sortieren und schlafe irgendwann auch ein.
Irritiert blicke ich mich um.
Ich bin allein, in meinem Schlafzimmer und meine Häkelsachen liegen auf meinem Schoß. Habe ich das alles wirklich nur geträumt? Aber es ist so real gewesen. Am liebsten möchte ich sofort wieder einschlafen und in diese Parallelwelt zurück.
Verschlafen reibe ich mir die Augen. Schließlich lege ich die Häkelsachen zur Seite und gehe ins Badezimmer.
Nach dem Toilettengang stehe ich am Waschbecken, spritze mir kaltes Wasser ins Gesicht und starre minutenlang in den Spiegel.
Das Wetter in meinem Traum, das kaputte Auto. All das spiegelt meine Gefühle wieder. Mein eigenes Chaos, was ich nicht erklären kann. Die Berührungen von Tyler und Dante hingegen waren angenehm. Ich fühle mich in ihrer Gegenwart sicher. Ja klar es ist nur ein Traum, aber trotzdem. Würde ich jedoch genauso reagieren, wenn ich ihnen persönlich gegenüber stehen würde? Könnte ich mich auf ihre Nähe einlassen und wie weit würde es gehen?
Noch einmal spritze ich mir Wasser ins Gesicht. Trinke ein paar Schlucke und gehe zurück in mein Bett.
Es dauert noch eine ganze Weile bis ich schließlich wieder einschlafe.
Als ich jetzt wieder erwache bin ich nass geschwitzt. Mir ist schlecht und ich rolle mich zu einer Kugel zusammen. Beruhigend streicht eine Hand über meinen Rücken.
„Ganz ruhig Miguel. Atme langsam und versuche dich zu entspannen.“
Ich lasse meine Augen geschlossen, konzentriere mich auf Dantes Stimme und die Übelkeit lässt allmählich nach.
„So ist gut. Komm versuch dich etwas aufzusetzen.“ Dante stützt mich, schiebt mir ein Kissen in den Rücken und sorgt dafür, dass ich es bequem habe.
„Hier trink etwas.“ Er hält mir die Tasse an den Mund und langsam trinke ich ein paar Schlucke. In dem Moment als Dante die Tasse wieder wegstellt, geht die Tür auf und Tyler schaut herein.
„Alles in Ordnung?“
„Bring mir mal eine Schüssel mit Lappen. Oder…“ Dante schaut mich unsicher an.
„Oder möchtest du lieber in die Wanne oder mal duschen?“
„Dusche wäre schön.“ Sage ich unsicher, da ich nicht sicher bin ob die Beine mich tragen würden.
Vorsichtig robbe ich zur Bettkante, doch als ich aufstehen will, passiert dass, was ich geahnt habe. Meine Beine halten mich nicht und ich sinke auf die Matratze zurück. Niedergeschlagen senke ich den Kopf. Doch da legen sich zwei Hände auf meine Schultern. „Wir können dir helfen, wenn du uns lässt.“ Misstrauisch blicke ich auf. Sehe zuerst Dante, dann Tyler an.
Keiner von beiden macht sich lustig über mich. Sie warten einfach auf meine Reaktion.
Einmal tief Luft holend, seufze ich bevor ich schließlich ein leises „Bitte“ hervorbringe. Sofort kniet sich Dante vor mir, ergreift meine Hände und wartet, bis ich ihn ansehe.
„Wir werden nichts machen, was du nicht willst. Wir helfen dir unter der Dusche und danach legst du dich wieder hin. Meinetwegen auch auf die Couch im Wohnzimmer, wenn du dich dann wohler fühlst.“ Noch einmal tief Durchatmend nicke ich schließlich und lass mich von ihnen Entkleiden.
Während ich mit dem Rücken gegen Tyler lehne, seift Dante mich gründlich ein. Anschließend zieht Dante mich an sich, so dass Tyler mir die Rückseite und Haare waschen kann. Eigentlich hätte es mir peinlich sein sollen, mich zwei fremden Männern so zu entblößen. Doch das genaue Gegenteil ist der Fall.
Ich fühle mich sicher und geborgen.
Ich vertraue den beiden.
Nach der Dusche wickelt mich Tyler in einen übergroßen Bademantel, auf den ich beim Laufen drauftrete und den Halt verliere.
Woraufhin mich Tyler kurzerhand hochhebt und mich ins Wohnzimmer trägt. Erst auf der Couch setzt er mich ab und breitet sofort eine Decke über mir aus.
Verstohlen werfe ich einen Blick auf die Männer, als sie in der Küche hantieren.
Sie scheinen beide über zwei Meter groß zu sein, was erklärt, warum die Küchenschränke so hoch hängen und ich auf den Bademantel trete, da ich gerade einmal ein Meter siebzig bin. Dante ist schmaler gebaut als Tyler. Beide haben schwarzes schulterlanges Haar, wobei Dantes leicht gelockt ist.
Die kräftigen Arme und Beine zeugen von viel Sport und harter Arbeit. Doch die Berührungen sind sanft und die Hände weich.
Jede Bewegung der beiden ist aufeinander abgestimmt. Immer wieder berühren sie sich.
Sie scheinen schon lange ein Paar zu sein. Da frage ich mich, warum mich mein Traum ausgerechnet zu einem Pärchen schickt.
Schnell wende ich den Blick ab, als sie beladen mit zwei Tabletts ins Wohnzimmer kommen.
Erst als sie vor mir stehen bemerke ich, dass sie nur Handtücher um die Hüften tragen und ich muss schwer schlucken.
Waren sie die ganze Zeit nackt und ich habe es nicht bemerkt?
Ist es mir peinlich?
Ich stelle mir vor, wie die beiden bestückt sind und Hitze macht sich in mir breit. Schnell ziehe ich die Decke höher, aber sie haben es dennoch bemerkt.
„Miguel dir muss gar nichts peinlich sein. Ja wir existieren nur in deinem Traum, aber wir sind hier um dir zu helfen. Du weiß t selbst, dass das Unwetter so lange anhält, wie du deiner Gefühle nicht sicher bist. Was wir machen oder tun, hängt mit dir zusammen. Es ist deine Fantasy, dein Unterbewusstsein, dass uns handeln lässt.“
Wieder muss ich schlucken, denn es stimmt, irgendwie.
Wie aufs Stichwort setzen sie sich links und rechts neben mich und decken sich ebenfalls mit der übergroßen Decke zu, unter der auch ich stecke. Ich bin versucht sie zu berühren, doch schrecke ich zurück.
Ich habe gesehen wie sie sich geküsst haben und möchte zu gern wissen, wie das ist. Was werde ich fühlen, wie reagieren? Noch bevor ich weiter darüber nachdenken kann, legt Dante eine Hand an meine Wange und dreht meinen Kopf zu sich. Dann wandert seine Hand in meinen Nacken und hält mich gefangen, als unsere Lippen sich berühren.
Es ist wie eine Explosion. Wie von selbst greife ich nach Dantes Schultern und ziehe ihn an mich. Seine Zunge gleitet über meine Lippen und als ich stöhne dringt sie in meinen Mund ein.
Ich bin atemlos als Dante sich von mir löst, ein verschmitztes Lächeln im Gesicht.
Noch bevor ich es richtig realisieren kann, dreht Tyler meinen Kopf zu sich und drückt sofort seine Lippen auf meine. Im gleichen Moment explodiert wieder alles und ich greife nach seinen Oberarmen.
Heftig nach Luft schnappend löse ich mich von ihm.
„Wow“ ist dabei alles was ich sagen kann.
Noch nie in meinem Leben wurde ich so geküsst wie von den beiden.
Noch nie habe ich so etwas gefühlt.
Ich bin froh, dass die Decker über uns liegt und sie meine Erregung nicht erkennen können.
Ich lehne den Kopf an die Lehne und blicke zur Decke empor.
Die Männer lassen mir Zeit um über alles nachzudenken.
Doch ich brauche nicht lange.
Ich hebe meinen Kopf und sehe Dante verlegen auf die Lippen. Als ob Dante wüsste was ich denke lächelt er, beugt sich zu mir rüber und küsst mich erneut.
Aus einem Impuls heraus greife ich nach Tyler und er kommt mir entgegen. Er beginnt mich zu streicheln und bedeckt meine Schulter mit Küssen.
Ich fühle mich, als wenn ich in Flammen stehe. Mir ist zu heiß unter der Decke und ich trete sie weg. Der Bademantel ist sowieso schon verrutscht und so ziehe ich den Gürtel auf. Ich will die beiden immer wieder küssen.
Ich will ihre Hände und Münder auf mir spüren.
Lachend hilft mir Tyler aus dem Mantel und sofort ist er wieder an meiner Seite. Ich brauche nichts sagen.
Sie scheinen zu wissen was ich möchte und lassen mich Dinge spüren, die ich noch nie zuvor gespürt habe.
Ich bin wach. Meine Bettdecke liegt auf dem Boden und meine Hand auf meinem Schritt.
Ja der Traum hat mich definitiv nicht kalt gelassen.
Jetzt habe ich die Wahl zwischen einer kalten Dusche oder Erleichterung.
Ich entschließe mich für das zweite und denke dabei an die Männer aus meinem Traum. Nur das ich mich gar nicht an ihre Gesichter erinnern kann.
Doch der Traum hat mir eines klar gemacht.
Das, was ich bei diesen beiden Männern gefühlt und gespürt habe, habe ich noch nie erlebt.
Sollte ich im Endeffekt doch schwul sein?
Aber wie soll ich das hier rausfinden?
Ich habe die eine Adresse, wo ich schon war, aber nicht noch einmal hinfahren werde. Ich habe mir in Berlin bei meiner Familie noch eine Adresse rausgesucht. Aber habe ich die Zeit und den Mut?
Ich weiß es nicht. Aber was ich weiß ist, dass ich nach diesem Traum um einiges sicherer bin was meine Gefühle angeht.
Nur muss ich jetzt auch irgendwie weiter kommen.
Zwei Wochen sind seit dem Traum vergangen. Ich habe noch zwei Arbeitstage vor mir und dann fahre ich nach Berlin in Urlaub.
Von Tyler und Dante habe ich nicht mehr geträumt. Obwohl mir der Traum ständig im Kopf herumschwirrt, bleiben die Gesichter mir fremd. Und ich finde keine Möglichkeit zu ihnen in die Traumwelt zu gelangen.
Frustriet mache ich mich an die Arbeit.
Aber obwohl mir die zwei fehlen, freue ich mich riesig auf meinen Urlaub und meine Geburtstagsfeier. Nach fast siebzehn Jahren feire ich meinen fünfunddreißigsten mit der ganzen Familie zusammen.
Endlich ist es soweit. Die Nacht kann ich nicht richtig schlafen und wie geplant um vier, fahre ich bereits um ein Uhr nachts los. Immer wieder regnet es wie aus Eimern, doch kann das meine gute Laune nicht dämpfen. Die LKWs überholen mich oder machen Lichthupe, aber auch das bringt mich nicht aus der Ruhe.
Um zehn Uhr bin ich dann schließlich bei meinen Eltern angekommen. Natürlich mit frischen Brötchen und wir essen gemütlich Frühstück.
Mein Geburtstag, zwei Tage später, ist ein voller Erfolg. Meine ganze Familie sitzt beisammen. Eine Familie, bestehend aus sechzehn Personen, meinen Onkel und Familie nicht mitgerechnet.
So erfolgreich der Geburtstag gewesen ist, so ereignisreich vergeht die ganze Woche. Es gibt keinen Tag, an dem ich nichts unternehme.
Die Woche ist viel zu schnell vorbei und eh ich mich versehe breche ich auf zu meinem besten Freund.
Auch bei ihm und seiner kleinen Familie verbringe ich noch eine Woche.
Dabei sehe ich mein Patenmädchen zum ersten Mal.
Die kleine Franziska ist Ende Mai diesen Jahres zur Welt gekommen und der reinste Sonnenschein. Sascha hat sich extra die Woche Urlaub genommen und zu zweit machen wir die Gegend unsicher.
Erst bei ihm kommen meine Gefühle wieder hoch und ich erzähle ihm wie es mir geht und was ich gerade durchmache. Sascha hört mir zu, kann mir aber selbst keine Tipps geben. Ich bin ihm nicht böse deswegen. Es reicht mir ja schon allgemein darüber sprechen zu können. Zumindest für den Augenblick.
Auch meine zweite Urlaubswoche vergeht viel zu schnell und schon sitze ich wieder im Auto und bin auf dem Heimweg.
In den nächsten Tagen kommen meine Gedanken etwas zur Ruhe. Ich stürze mich regelrecht in die Arbeit und genieße es, wieder bei den Bewohnern zu sein.
Doch immer öfter bemerke ich, wie ich ohne Grund mich außerhalb meiner Dienstzeit noch auf Arbeit rumtreibe. Denn kaum bin ich zu Hause kehren die Gedanken zurück und lassen mich nicht mehr zur Ruhe kommen.
Es ist eine große Überraschung, als Tracy mir berichtet, dass sie vergeben ist. Sie hat immer gesagt, dass nur ein Partner in Frage kommt, der genauso tickt wie sie. Und genau das hat sie jetzt bekommen.
Ich habe ihren Freund jetzt zweimal getroffen. Immer dann, wenn Tracy mich gefragt hat, ob ich ihn nach Hause fahren kann. Dass Cedrik 300 km entfernt wohnt hat Tracy direkt erwähnt und dennoch fahre ich.
Ich liebe es einfach mit dem Auto unterwegs zu sein.
Und da ich von den beiden Spritgeld bekomme, ist das perfekt.
Nur dass ich mich jedes Mal selbst quäle, verrate ich nicht.
Tracy steht mir bei. Sie ist die einzige Person die mich wirklich kennt.
„Weißt du Miguel, Cedrik und ich, wir werden dir helfen. Du wirst auch noch dein Glück finden.“ Wie gern ich Tracy glauben würde.
„Vertraust du uns?“ Über den Rückspiegel schaut sie mich an. Kurz werfe ich einen Blick in den Spiegel und sage: „Ich vertraue dir und das weißt du.“ Cedrik scheint nicht sauer auf meine Reaktion zu sein.
„Das ist in Ordnung. Du kennst mich nicht und ich muss mir dein Vertrauen erst verdienen. Aber auch ich werde dir helfen, das verspreche ich dir.“ Wie gern ich das Glauben möchte, doch kein Ton kommt über meine Lippen.
Meine Zweifel an mir selbst sind dafür einfach zu groß.
Die beide lassen das Thema damit fallen, das hoffe ich zumindest.
Mein Vorhaben, eine Beratungsstelle aufzusuchen, habe ich aufgegeben.
Zwar habe ich versucht eine E-Mail zu schreiben, aber auch hier fehlt mir der Mut. Tracy hat die Mail in Briefform bei sich behalten um sie zu überarbeiten.
Aber ich weiß, egal was dabei rauskommt, ich werde erstens Tracy nicht mehr darauf ansprechen und zweitens werde ich allein den Mut nicht haben.
Seufzend lehne ich mich am Abend in die Kissen zurück. Irgendwann fallen mir die Augen zu und ich schlafe ein.
„Warum fällt es dir so schwer Hilfe anzunehmen?“ Ich schrecke zusammen. Auch wenn ich die Stimme schon eine Weile nicht mehr gehört habe, erkenne ich Tyler sofort wieder. Freudig drehe ich mich um, doch von Tyler fehlt jede Spur.
„Tyler, Dante wo seid ihr?“
„Akzeptiere was du fühlst!“
Doch es bleibt alles dunkel. Die Stille die darauf folgt ist erschreckender denn je.
Kerzengerade sitze ich im Bett und sehe mich um.
Erst als mir Tropfen auf die Hände fallen erkenne ich, das ich weine.
Ich brauche lange, bis ich mich beruhigen kann, doch der Versuch wieder einzuschlafen scheitert.
Immer wieder denke ich an die Sätze, die die zwei gesagt haben.
Irgendwann schlafe ich dann doch wieder ein, doch dieser Schlaf ist alles andere als wohltuend.
Ich stehe im Flur vor dem Büro. Die einzigen Personen die hier bei mir sind, sind Männer. Mir ist schwindlig und bei jedem Schritt muss ich mich abstützen. Doch plötzlich greift meine Hand ins leere, ich taumle einige Schritte und gehe zu Boden. Niemand scheint es zu bemerken.
Schnell stehe ich auf, doch einige Schritte später gehe ich wieder zu Boden. Das ganze passiert so oft, bis ich einfach liegen bleibe.
Die Männer um mich herum verblassen, es wird dunkel um mich. Ich beginne zu weinen. Erst kommen nur einzelne Schluchzer doch schließlich lasse ich den Tränen freien Lauf.
Starke Arme heben mich vom Boden auf und drücken mich an einen warmen, kräftigen Oberkörper. Ich nehme den Geruch zwar war, aber glaube ich zu halluzinieren.
Tyler kann nicht hier bei mir sein.
Er und Dante haben mich verlassen, weil ich nicht zu mir stehe.
Erneut packt mich ein frösteln. Mein ganzer Körper schüttelt sich und die Person hat Mühe mich nicht fallen zu lassen.
Irgendwann bin ich so erschöpft, dass ich einschlafe.
Als ich das nächste Mal erwache liege ich zusammengerollt in meinem Bett.
Das Kopfkissen ist nass von meinen Tränen, die ich im Schlaf geweint habe.
Den Rest der Nacht liege ich wach in meinem Bett und starre an die dunkle Decke.
Ich bin froh, dass ich die nächsten drei Tage frei habe.
Am Freitag mache ich gar nichts.
Ich liege den ganzen Tag nur im Bett und häkle.
Samstagmittag fahre ich zu Tracy, da ich abends mit ihr in die Disco gehe. Ich habe ein mulmiges Gefühl, trotzdem reiße ich mich zusammen.
„Mich wundert es, das du noch allein bist, so wie du aussiehst.“
Spöttisch sehe ich Tracy an.
„Wie sehe ich aus? Mich bemerkt man doch gar nicht und wenn dann nur um über mich zu spotten.“
„Naja deine Outfits sind für einen Mann schon zeitweise sehr extravagant. Aber wer hinter diese Fassade blickt sieht, was oder wer du bist."
„Das sagst du Tracy, weil du mich kennst. Du weißt wie ich ticke.
Ich stehe nicht im Vordergrund, habe keine große Klappe, also…“ verlegen spiele ich an meinem Ohrring.
Mein Outfit heute besteht einfach nur aus schwarzer Jeans und Weste und ein rotes Hemd. Dazu eine Melone und einen einzigen Hängeohrring mit einem silbernen Kreuz mit Steinen.
Meine Haare sind Schulterlang und einfach nur gekämmt, so dass ein Teil des Ponys meine Stirn bedeckt. Das Ohr, mit dem Ohrring ist frei, das andere von den Haaren bedeckt.
„Miguel du siehst zum Anbeißen aus. Nur weil wir Geschwister sind, werde ich nicht aufhören dich anzusehen.“
Damit nimmt sie mich einfach in den Arm und drückt mich an sich.
Schließlich ist es Zeit zum Aufbruch.
Tracy gibt mir die Adresse, die ich in den Navi eingebe und wir fahren in die Nachbarstadt.
Wir stehen schon auf dem Parkplatz, als Tracy mich am Arm berührt.
„Was ist los Miguel?“
„Nichts alles in Ordnung.“ Ich kann Tracy jedoch nicht ansehen, was meine Worte Lügen straft.
„Komm erzähl. Ich kenne dich Miguel, gar nichts ist in Ordnung.“ Seufzend sehe ich sie kurz an.
„Ich habe Angst.“ Gestehe ich schließlich leise.
„Wovor?“
„Vor allem. Ich komm mit mir selbst nicht klar. Vom Gefühl her weiß ich, dass meine Entscheidung richtig ist. Aber mein Kopf weigert sich das zu akzeptieren. Ich … Keine Ahnung, wir stehen vor der Disco und ich habe Angst reinzugehen. Die Menschen zu sehen, eine fremde Umgebung. …“ Wütend wische ich mir die Tränen von den Wangen.
„Miguel es ist in Ordnung Angst zu haben.“
„Nein ist es nicht. Ich bin es gewohnt alles allein zu regeln und jetzt… Jetzt bin ich an einem Punkt, wo ich weiß, dass ich es ohne Hilfe nicht schaffe. Wenn ich allein versuche klar zu kommen, dann ist ein scheitern vorprogrammiert, da ich den Mut nicht aufbringen kann. Ich fühle mich schwach und dämlich weil ich Hilfe brauche. Nicht nur jetzt sondern allgemein im Leben. Ich zögere zu lange, bringe keinen Mut auf und da brauche ich jemanden der das für mich übernimmt. Ich bin es gewohnt meine Zügel selbst in der Hand zu halten. Gleichzeitig brauche ich jemanden, der das für mich macht. Und das ängstigt mich. Was bin ich für ein Mensch, dass ich so auf andere angewiesen bin?“
„Es gibt Menschen, die so sind wie du. Deswegen bist du doch nicht schlecht, oder nichts wert. Ich verspreche dir, dass ich und Cedrik dir helfen werden.“ Tracy wartet bis ich sie ansehe.
„Meinst du, die Disco wäre jetzt das Richtige für dich?“ Ich schließe die Augen und schüttle den Kopf.
„Aber ich würde gerne etwas laufen.“
Damit steigt Tracy aus dem Auto und ich folge ihr.
In der Stadt ist ein Fußballspiel gewesen, so dass noch allerhand gute Stimmung herrscht. Es tut gut unterwegs zu sein.
Als wir spät nachts erst zurück zur Wohnung kommen, lege ich mich sofort schlafen. Während Tracy sich mit ihrem Freund auf der Playstation trifft.
Tracy schläft noch, als ich aufwache. Um sie nicht zu wecken stöpsle ich die Kopfhörer in mein Handy, höre Musik und häkle an meiner Weste weiter. Da es draußen bereits hell genug ist, brauche ich kein extra Licht.
Als ich nach zwei Stunden den nächsten Abschnitt geschafft habe, lege ich die Arbeit zur Seite. Für die nächste Runde brauche ich zusätzliche Utensilien, die ich jedoch nicht bei habe.
Also nehme ich mein Buch zur Hand und lese.
Eine weitere Stunde später lege ich den Ebook Reader wieder zur Seite und schließe kurz die Augen.
Ich habe nicht bemerkt wie mich die Gedanken wieder überrollt haben und ich seufze.
Die Berührung von Tracys Hand auf meinem Rücken lässt mich aufschrecken.
„Was ist los Miguel?“
Abwesend schüttle ich den Kopf.
„Alles okay, es sind nur die Gedanken.“
„Miguel, mach dir nicht so den Kopf… Ich habe dir versprochen zu helfen und ich weiß, dass Cedrik genauso zu seinem Wort steht. Du kennst ihn noch nicht gut genug, aber glaube mir, du kannst ihm vertrauen, wie du mir vertraust. Und ich verspreche dir, dass wir demnächst gemeinsam in die Disco gehen. Wann ist in der Matrix wieder die Gay Party?“
Ich atme tief ein, greife nach meinem Handy und suche auf der Seite nach dem Termin.
„Am Freitag in zwei Wochen.“
„Okay, dann gehen wir am Freitag dahin.“
Abwesend nicke ich, glaube nicht so recht daran, dass wir dahin gehen.
„Ich werde mich jetzt los machen. Dann kann ich zu Hause noch an der Weste arbeiten. Vielleicht schaffe ich es ja in zwei Wochen fertig zu sein.“
„Okay mach das. Und Kopf hoch Miguel. Wir helfen dir und gemeinsam bekommen wir das schon hin.“
Ich umarme Tracy noch zum Abschied, nehme meine Sachen und fahre mit dem Auto nach Hause.
Zu gerne möchte ich ihr glauben, doch kenne ich mich besser als sie. Auch wenn ich indirekt um Hilfe gebeten habe, tue ich mich schwer daran sie anzunehmen. Ich blockiere, sobald es um mich geht und spiele doch alles runter. Irgendwie komme ich wieder auf die Beine. Ich habe es immer geschafft, warum sollte es jetzt anders sein.
Die nächsten Tage sind ruhig, Arbeiten, häkeln, schlafen… und das Ganze von vorn.
Am Freitag hat mich Cedrik überraschenderweise angeschrieben.
Das Gespräch ist zu Beginn belanglos, doch schnell spitzt es sich zu.
Das Thema geht tief ins Innere und eh ich mich versehe erzähle ich ihm Sachen, die ich sonst niemanden außer Tracy anvertraue.
Und Cedrik kenne ich noch nicht einmal.
Er hat es sogar geschafft, dass ich meine Gefühle richtig raus lasse und einen kurzen Nervenzusammenbruch habe. Doch danach geht es mir besser, zumindest für diesen Abend.
Die folgende Woche ist wieder unauffällig.
Nichts passiert außer meine düsteren Gedanken, die mich quälen. Ich vertiefe mich vermehrt in die Bücher. Kaum die Augen auf lese ich, nach der Arbeit zu Hause lese ich. So vergeht die kommende Woche, bis Freitag.
Den Discobesuch am Freitag habe ich versucht zu verdrängen. Ich muss sowieso in Tracys nähe, da ich bestimmte Wolle benötige, die ich bei mir nicht mehr bekomme.
„Bist du für heute Abend startklar?“ Seufzend schüttle ich den Kopf. Ich habe Tracy von der Arbeit abgeholt und kaum sitzt sie bei mir im Auto kommt die Frage.
„Tracy frag nicht so doof, wenn du doch die Antwort kennst.“
„Sei nicht so miesepetrig. Wann hast du das letzte gegessen?“
Verwundert auf die Frage zucke ich mit den Schultern.
Es ist achtzehn Uhr durch. Habe ich heute überhaupt schon etwas gegessen?
Wie aufs Stichwort knurrt mein Magen, doch ich ignoriere es, starte das Auto und fahre in die Innenstadt zum Wollladen.
Tracy besteht darauf, eine Bratwurst in der Nähe zu essen und ohne zu fragen bestellt sie eine für mich mit.
Meine Laune bessert sich tatsächlich danach, dennoch kommt bei dem Gedanken in die Disco zu gehen, keine Freude auf.
Aber ich weiß, heute komme ich nicht drum herum.
Ich kenne die Disco gut, vor der wir stehen. Nur läuft normalerweise Industrial, Gothic oder Charts, natürlich an verschiedenen Tagen.
Der Eingang ist leer, so dass wir direkt durch können und da Tracy mich begleitet bezahle ich auch ihren Eintritt.
Auf der langen Treppe hinunter kommt uns keiner entgegen und auch in der ersten Halle ist es nicht sonderlich voll.
Wie gewohnt gehen wir auf direktem Weg in die Haupthalle.
Es ist gut gefüllt, aber bei weitem nicht wie ich es hier gewöhnt bin.
Tief durchatmend bahne ich mir einen Weg an den Tanzenden vorbei bis zu unserem Stammplatz.
Tracy immer dicht hinter mir.
Erst als ich stehe, mit dem Rücken an der Wand, beobachte ich die Szene.
Neben uns ist ein junges Pärchen, das sich knutscht und fast auszieht, was mich zum Schmunzeln bringt.
Die Männer können glatt Zwillinge sein, so ähnlich sind sie sich. Nicht nur von der Statur, sondern auch Frisur, Gesichtsform, Kleidung und Brille.
Ich lasse den Blick weiter schweifen.
Vor uns ist eine Gruppe junger Frauen die ausgelassen tanzen und rechts von uns, neben einer Treppe, stehen vier etwas ältere Männer die sich unterhalten und sich leicht bewegen. Ihre Vorstellung von tanzen nehme ich an.
„Ich hole mir mal was zu trinken.“
Schreit mir Tracy ins Ohr und entfernt sich von mir.
Schon bald ist sie im Tanzgewühl verschwunden.
An der gleichen Stelle, wo Tracy in der Menge verschwindet, tauchen zwei Gestalten auf und mir bleibt buchstäblich die Luft weg.
Noch ehe ich überlege was ich machen soll, da laufe ich bereits los. Nur nicht zu diesen Männern hin, sondern weg. Ohne darüber nachzudenken laufe ich die Treppe nach oben und in wenigen Minuten stehe ich draußen vor der Tür.
„Verdammt Tracy“ Ich ziehe mein Handy raus und schreibe ihr eine kurze Nachricht.
Kaum habe ich das Handy in die Tasche gesteckt, höre ich wie die Tür aufgeht. Ich hoffe, dass es bereits Tracy ist und drehe mich um. Doch zum zweiten Mal in kurzer Zeit bleibt mir die Luft stecken und ich stolpere einige Schritte rückwärts.
„Dante wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass unser kleiner Freund Angst vor uns hat.“
„Ja Tyler sieht ganz so aus.“
Dante und Tyler, doch wie ist das möglich.
„Ihr sagt, ihr seid nicht real.“
„Wir haben gesagt, dass wir nur in deinem Traum sind. Aber wenn du hier bist, heißt dass, das du eine Entscheidung getroffen hast.“
Erschreckt blicke ich vom einem zum anderen. Ich habe es nur leise gesagt, trotzdem haben sie es gehört. Die Männer sind langsam näher gekommen, so dass ich mittlerweile mit dem Rücken zur Wand stehe.
Tyler und Dante haben sich so positioniert, dass ich nicht mehr weg kann.
„Miguel ich habe gerade deine Nachricht gelesen …“ Im nächsten Moment erstickt Tracys Stimme unter einem schreckenslaut.
„Tracy ich …“
„Es ist alles in Ordnung mit deinem Freund. Er kennt uns und wir freuen uns ihn endlich wieder zu sehen.“
Dante hat sich zu Tracy umgedreht und redet ihr beruhigend zu, während Tyler sich nicht von der Stelle bewegt.
Vorsichtig beobachte ich ihn. Seinen Körper kenne ich bereits, aber bis jetzt ist mir sein Gesicht fremd geblieben.
Tyler scheint ein Draufgänger zu sein, denn seine linke Augenbraue und die rechte Wange zieren Narben. Seine Augen leuchten grün, was irgendwie gar nicht zu den schwarzen Haaren passt. Seine Gesichtszüge sind markant, wobei das Kinn vom Bart überdeckt wird. Ein Bart, der außer den sinnlich vollen Lippen die gesamte Unterpartie das Gesicht umhüllt, bis hinauf zu seiner Nase.
Fasziniert von dem Anblick lecke ich mir über die Lippen und beiße mir verlegen auf die Unterlippe.
Das Funkeln in Tylers Augen verrät mir, dass er meine Bewegung genau beobachtet und eh ich mich versehe berühren seine Lippen die meinen.
Es ist nur eine flüchtige Berührung und dennoch habe ich das Gefühl von einem Blitz getroffen zu werden. Dieser kurze Kontakt ist so viel mehr als die Küsse in dem Traum.
„Real ist es doch viel besser oder?“ lächelt Tyler mich an und legt eine Hand an meine Wange. Mein erster Impuls zurückzuweichen wird durch die Wand in meinem Rücken zunichte gemacht.
„Tracy ist damit einverstanden sie nach Hause zu bringen.“ Unterbricht Dante unseren Blickkontakt. Tracy verdammt, sie habe ich gerade total vergessen.
„Tracy sorry ich…“ Ja was eigentlich? Doch Tracy lächelt verstehend.
„Es ist okay Miguel. Ich glaube die zwei Herren sind genau das, was du willst. Bring mich nach Hause und verschwinde.“ Sagt sie lachend und geht voraus zum Auto.
„Ich fahre mit den beiden.“ Beschließt Tyler und folgt Tracy und mir zu meinem Auto.
Dante geht in die andere Richtung ohne etwas zu erwidern. Vielleicht hat er Tyler ja auch nur mit einer Geste geantwortet.
Ich kann mir denken, warum Tyler mir folgt und da ich nicht weiß ob ich glücklich oder sauer sein soll, reagiere ich mit einem leisen knurren.
Was Tracy wiederum zum Lachen bringt und mich freundschaftlich in die Seite boxt. Ich verdrehe die Augen, doch als ich sie ansehe kann auch ich mir nicht länger ein lächeln verkneifen und seufze als Tracy mich in den Arm nimmt.
„Genieße es Miguel. Du hast es verdient. Ruf mich in den nächsten Tagen mal an.“ Flüstert mir Tracy ins Ohr, als wir vor ihrer Haustür stehen. Lächelnd schüttle ich den Kopf und drücke sie zum Abschied kurz an mich, bevor sie aussteigt und kurz darauf im Haus verschwindet.
Tyler sitzt die kurze Fahrt über ruhig auf der Rückbank, doch jetzt setzt er sich auf den Beifahrersitz.
„Vor uns, der Wagen ist Dante. Fahr ihm einfach hinterher. Es ist etwas außerhalb wo wir wohnen.“
Ich nicke kurz und nachdem ich das Auto starte fährt Dante los und ich folge ihm.
Die Fahrt dauert fast eine Stunde und im Auto herrscht Schweigen. Immer wieder werfe ich einen kurzen Blick auf Tyler und jedes Mal lächelt er, als wenn er weiß was er in mir auslöst.
Dante ist bereits ausgestiegen, als ich das Auto richtig abstelle. Um Zeit zu schinden kontrolliere ich alle Fenster, lege mehrmals den ersten Gang ein und schalte nach langem Zögern auch das Licht aus. Schließlich gibt es nichts mehr zu tun und ich schalte den Motor aus.
„Du tust ja gerade so, als wenn wir dich fressen wollen.“ Ich habe ganz vergessen, dass Tyler noch neben mir sitzt und zucke schuldbewusst zusammen.
Sanft legt sich eine Hand an mein Kinn und zwingt mich, Tyler anzusehen.
„Die Verbindung in den Träumen Miguel hat einen Grund. Aber niemals den, dass du uns fürchten musst. Lass uns ins Haus gehen und wir erklären es dir in Ruhe. Ich verspreche dir, dass du jederzeit wieder fahren kannst, wenn du es möchtest. Nur bitte, jetzt bist du schon hier, also gib uns die Chance.“
Vielleicht bin ich zu naiv, aber ich glaube Tyler. Noch einmal tief Luft holend steige ich schließlich aus dem Auto. Tyler wartet, bis ich auf den Bürgersteig trete, legt einen Arm um meine Schulter und führt mich in ein Haus, dessen Tür weit offen steht.
Als ich im weitläufigen Wohnzimmer stehe ist es, als wenn ich wieder in dem Traum gefangen bin. Alles ist, wie ich es bereits kenne.
Vom Wohnzimmer hat man einen guten Blick in die offene Küche.
Die Schränke hängen genauso hoch, erkenne ich, als Tyler sich neben Dante stellt, der gerade etwas zu trinken vorbereitet.
Die beiden Männer sehen sich immer wieder an und man erkennt die Liebe in diesen Blicken. Was mich dazu bringt zu fragen, was ich hier zu suchen habe. Leise gehe ich den Flur ins hintere Teil des Hauses und wie in meinem Traum finde ich die Zimmer an genau der gleichen Stelle. Vor jedem Zimmer bleibe ich stehen und nehme alles ganz genau in mich auf.
Eine Hand auf meiner Schulter lässt mich quickend zusammen schrecken.
„Komm mit ins Wohnzimmer Miguel.“ Dantes sanftes Lächeln ist beschwichtigend. In Gegensatz zu Tyler rasiert sich Dante, so dass kein einziges Barthaar zu erkennen ist. Ansonsten sind die Gesichtszüge des Mannes, den seines Partners gleich. Selbst die Augenfarbe ist gleich. Ein leuchtendes Grün. Doch im Gegensatz zu Tyler, ziert Dantes Gesicht keine einzige Narbe. Ich will wissen, ob dieser Mann genauso schmeckt wie der andere und aus einem Impuls heraus stelle ich mich auf die Zehenspitzen und drücke meine Lippen auf seine. Es sollte nur ein spontaner, flüchtiger Kuss sein, doch habe ich die Rechnung nicht mit Dante gemacht. Denn dieser legt eine Hand auf meinen Hinterkopf und die andere an meine Hüfte um mich festzuhalten. Mir entschlüpft ein keuchen, was Dante dazu nutzt, seine Zunge in meinen Mund zu schieben. Dieser Kuss ist genauso explosiv wie der von Tyler und hat bei weitem nicht einen Hauch von Vergleichbarkeit mit den Küssen im Traum.
Diese Männer hier in Wirklichkeit zu küssen ist berauschend. Ich spüre wie meine Beine weich werden und wenn mich Dante nicht an sich pressen würde, wäre ich gefallen.
„Ich unterbreche euch ja nur äußerst ungern, aber bevor ihr weitermacht sollten wir reden.“ Bei Tylers plötzlichen auftauchen fühle ich mich ertappt, löse mich aus Dantes Armen und stolpere mit erhitzten Kopf an Tyler vorbei.
Das Lachen der beiden Männer begleitet mich ins Wohnzimmer, wo ich mich in einen der Sessel setze. Dante stellt mir ein Glas mit einer bräunlichen Flüssigkeit hin, die ich skeptisch inspiziere.
„Es ist nur Cola Miguel vertrau mir. Wir haben nicht vor dir zu schaden. Eher das Gegenteil ist der Fall. Wir möchten uns um dich sorgen und dich beschützen.“ Misstrauisch blicke ich von einem zum anderen.
„Wieso? Ich meine, ihr kennt mich doch gar nicht. Ich kann mich sehr gut um mich selbst kümmern. Ich brauche euch nicht um mich zu bemuttern. Wisst ihr aus dem Alter bin ich schon längst raus.“ Das Glas lasse ich ungerührt auf dem Tisch stehen und stehe auf. Ich laufe einfach durch das Wohnzimmer, nur um mir Luft zu machen.
„Wie kommt es, dass ihr meinen Namen kennt? Die Träume? Alles ist genau gleich! Wie ist das möglich?“ Frustriert hebe ich die Arme und starre die Männer an, die scheinbar unbeeindruckt auf dem Sofa sitzen und mich ansehen.
Langsam erhebt sich Dante und kommt auf mich zu. Als ich misstrauisch einen Schritt zurück mache hebt er kapitulierend die Hände.
„Bitte Miguel lass es uns doch erklären.“ Möchte ich eine Erklärung? Ja, aber bin ich auch bereit die beiden an mich ran zu lassen? Ich spüre die Anziehungskraft, weiß was sie in den Träumen getan haben und wie es sich angefühlt hat. Doch ich bin noch nicht soweit ihnen zu vertrauen.
In einem weiten Bogen gehe ich an Dante vorbei und setze mich wieder auf den Sessel. Dante bleibt hinter der Couch stehen und legt Tyler die Hände auf die Schultern.
„Wir kennen dich, weil es so vorher bestimmt ist.“ Skeptisch ziehe ich eine Augenbraue hoch.
„Lass es uns erklären Miguel.“ Wirft Dante ein und ich nicke, lasse Tyler weiter erzählen.
„Auch wenn man es uns nicht ansieht, stammen wir aus einer Indianerlinie. Wir glauben an die Geister und Götter und vertrauen, wenn sie uns etwas sagen. Schon vor Jahren haben sie uns zusammen geführt. Auch dich zeigten sie uns. Doch auch, dass es noch zu früh ist und wir geduldig sein müssen. Das wir mit dir in deinen Träumen Kontakt aufnehmen konnten, verdanken wir den Geistern. Aber erst heute, da wir dich in der Disco treffen, wissen wir, dass du eine Entscheidung getroffen hast.“
Das Thema Indianer fasziniert mich von klein auf und ich weiß wie stark der Glaube ist. Irgendwie erscheint mir die Geschichte sehr einleuchtend, trotzdem.
„Wieso ich? Ich meine, seht mich doch an! Ich bin Mitte dreißig, habe das ganze Leben noch nicht wirklich was erreicht und scheinbar bin ich was Beziehungen angeht auch nicht gerade gut darin. Von meiner Orientierung mal ganz zu schweigen.“
Langsam, um mich nicht zu verschrecken, umrundet Dante die Couch bis er neben mir steht. Er wartet bis ich ihn ansehe. Lächelnd legt er eine Hand an meine Wange.
„Wir sehen dich genau Miguel. Dein unsicheres Auftreten, die klugen Augen und den athletischen Körper. Wir sehen in deinem Blick wie sehr du dir Geborgenheit wünschst. Wir möchten die Traurigkeit in dir vertreiben, für dich da sein wenn du uns brauchst.“
Ich bin so gefangen von Dantes Worten, dass ich nicht bemerke, wie Tyler sich vor mich auf den Tisch setzt.
„Wir möchten dich Lachen sehen und hören. Ein glitzern in deinen Augen, weil du dich auf etwas freust, oder einfach nur glücklich bist. Wir möchten deine Freunde sein, deine Partner und Gefährten.“ Spricht Tyler leise und lenkt damit meine Aufmerksamkeit auf sich.
Ich bin überwältigt von dem Ansturm der Gefühle, die diese Worte in mir auslösen. Doch am meisten von einem einzigen Wort.
„Gefährten!“ Dieses eine Wort reicht um meine Atmung ins Stocken zu bringen. Als ich es hauche huschen unzählige Emotionen über Tylers Gesicht, doch ein Lächeln ist das, was zurück bleibt.
Langsam beugt er sich zu mir vor, bis sich unsere Lippen zaghaft berühren. Wie auch zuvor ist es wie eine Explosion und stürmisch ziehe ich Tyler dichter an mich, um den Kuss zu vertiefen.
Neben mir ertönt ein leises Lachen und ich löse mich von Tyler um Dante anzusehen. In seinem Blick sehe ich den gleichen Hunger den ich in mir selbst spüre und ich ziehe ihn an mich, bis wir uns küssen.
Mein Körper summt vor Verlangen und ich zapple im Sessel umher.
„Wir sollten das Zimmer wechseln.“ Sagt Tyler und zieht mich so schwungvoll auf die Beine, dass ich gegen seinen Körper pralle. Lachend legt er einen Arm um meine Schulter und gemeinsam gehen wir ins Schlafzimmer.
Eng umschlungen von zwei starken Körpern liege ich in dem großen Bett.
„Daividh schlaf weiter.“ Dantes schlaftrunkene Stimme und der feste Arm der sich um meine Hüfte legt lässt mich leise stöhnen. So gern wie ich auch weiter schlafen möchte, muss ich in Ruhe über alles nachdenken.
Ich warte bis sich der Arm lockert und stehe langsam auf. Nackt wie ich bin gehe ich kurz ins Bad und danach ins Wohnzimmer. Meine Tasche steht auf dem Küchentresen und ich ziehe das Handy raus und setze mich auf den Sessel. Das Cola Glas steht noch auf dem Tisch und auch wenn die Kohlensäure bereits raus ist, trinke ich es halb leer.
Ein Blick auf mein Handy zeigt mir, dass es bereits fünfzehn Uhr durch ist und Tracy schon ein halbes Dutzend Mal angerufen hat. Also drücke ich die Taste und rufe sie zurück.
„Na endlich ich dachte du meldest dich gar nicht mehr.“
„Dir auch einen guten Morgen Tracy. Was ist denn so dringendes?“
„Das fragst du noch? Du bist doch gestern mit zwei echt heißen Typen abgerauscht nicht ich. Also erzähl schon!“ Sie ist völlig überdreht und brennt regelrecht auf eine Antwort.
„Ich bin eben erst aufgewacht und die Nacht war echt kurz. Also nerv mich nicht.“
„Kurz? So so.“ Tracy lacht und ich verdrehe die Augen.
„Tracy du verstehst es Dinge zu verdrehen. Und um deine Neugier zu mildern: mir geht es gut. Wir haben lange geredet und ich bin nur wach, weil ich Durst habe. Ich werde auch wieder schlafen gehen jetzt. Lass uns die Tage telefonieren.“ Lachend verabschiedet sie sich und ich lege das Handy zurück auf den Tisch.
„Kommst du ins Bett Daividh oder willst du noch länger vor dich her grübeln?“
Bei Tylers Stimme schrecke ich auf.
„Was heißt das Daividh? Dante hat das im Schlaf auch gesagt.“
„Liebster oder Liebhaber. Und was ist jetzt?“ Sein Blick verändert sich und skeptisch kommt er auf mich zu. „Du bereust es doch nicht oder?“
„Was?“ Erschreckt sehe ich ihn an. Ich brauchte etwas Zeit zum Nachdenken, aber nicht weil ich es bereue. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich das Gefühl angekommen zu sein. All das, was die beiden mir gesagt haben ist in greifbarer Nähe und ich möchte es erleben.
Entschlossen stehe ich auf und als ich vor Tyler stehe lege ich eine Hand an seine Wange.
„Niemals. Ich kann und werde nicht bereuen was wir letzte Nacht gehabt haben. Und auch wenn ich noch etwas unsicher bin möchte ich gerne erfahren wo mich mein Leben mit euch hinführt.“
Ich unterdrücke ein Gähnen.
„Zuallererst zurück ins Bett und später sehen wir weiter.“ Damit drückt mir Tyler einen raschen Kuss auf die Lippen und führt mich zurück ins Schlafzimmer.
Kaum das ich liege, schlingen beide Männer einen Arm um mich. Ich kuschle mich in die Wärme ein und schlafe kurz darauf ein.
Tag der Veröffentlichung: 17.12.2017
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