- Darius -
Ungefähr 1,70 m auf keinen Fall größer. Schwarze Haare, die oben wild in allen Richtungen weggehen und hinten bis über die Schultern ragen. Komplett in schwarzem Leder gekleidet. Seine Haut schimmert golden in dem diffusen Licht.
Ich kann den Blick nicht von dem Bengel nehmen. Seid dem er in den Club gekommen ist, starre ich ihn nun schon an. Geschlagene zwei Stunden. Oh man, so etwas nenne ich doch echt mal peinlich. Noch nie hat mich ein männliches Wesen so fasziniert. Und doch hat er mich in den Bann gezogen.
Steht ganz allein am Ende der Theke, hält sein Glas eisern umgriffen. Entschlossen stoße ich mich vom Barhocker, schlender zu ihm hinüber. Unruhig geht sein Blick umher, sieht sich von mir in die Enge getrieben.
Amüsierend lecke ich mir über die Unterlippe, zieh sie zwischen meine Zähne. Der Kleine sieht einfach zum Anbeißen aus.
Langsam gehe ich an ihm vorbei, bleibe hinter ihm stehen. In der Hose hat er einen Arsch zum Reinkneifen. Nur schwer kann ich die Hände bei mir behalten, möchte ich doch nur einmal berühren. Doch ich zwinge mich dazu vorsichtig zu sein. Beobachte ihn aus der Nähe. Seine Augen huschen panisch umher. Er fühlt sich nicht wohl, was mich fragen lässt, warum er hier ist.
Etappenweise näher ich mich ihm, bis mein Arm den seinen berührt. Er zuckt zusammen, bleibt wie angewurzelt stehen und wartet einfach nur ab.
„Wieso bist du hier?“ Hauche ich in sein Ohr. Sehe die Gänsehaut, die sich da bildet, wo mein Atem ihn streift.
„Ver … Verabredung“, bringt er stotternd hervor.
„Du bist seid zwei Stunden hier und niemand hat dich angesprochen.“ Stelle ich fest. Genieße es die Reaktion seines Körpers zu beobachten. Langsam schüttelt er den Kopf, dabei streifen mich seine Haare und der Duft nach Aftershave und Honig steigt mir in die Nase. Sofort treibt es das Blut in tiefere Regionen.
„Hast du eine Nachricht von deinem Date bekommen?“ Wieder schüttelt er den Kopf. Er wurde also versetzt. Mustere den Jungen aufs Neue, wie alt möge er sein? Vielleicht gerade einmal achtzehn geworden. Das Leder liegt wie eine zweite Haut an ihm, umschmeicheln die zierliche Statur. Ich bezweifel nicht das er kräftig ist, aber Muskeln sind keine deutlich zu erkennen. Zum ersten Mal erblicke ich seine Augen. Sie sind dunkel, scheinen in dem Club wie Obsidian. Zu schnell senkt er wieder den Kopf.
„Warum hat er dich versetzt?“ Frage ich leise, trete noch einen Schritt näher an ihn heran. Anstatt zu Antworten zuckt er nur mit den Achseln, nimmt das Glas auf und nippt vorsichtig daran. Ich rieche keinen Alkohol, scheint nur Cola zu sein.
„Lust zu tanzen?“ Möchte ich ihn aus der Reserve locken. Unmerklich zittert er, will weggehen. „Warte“ ich bin versucht ihn festzuhalten, doch ziehe ich meine Hand wieder zurück. Will dass er von sich aus bleibt. Unschlüssig steht er einen Moment da, dreht sich langsam zu mir und blickt mich an. Wie ein scheues Reh, geht es mir durch den Kopf.
„Du musst nicht, wenn du nicht willst. Möchte dich nur aufheitern.“ Fragend ist sein Blick, kann meine Aussage nicht glauben.
Lächelnd reiche ich ihm die Hand, die er zögerlich ergreift. Ich bleibe in der Ecke, will ihn nicht der Menschenmenge aussetzen.
Wie aufs Stichwort wechselt der DJ den Song. Sanfte Töne und ruhiger Beat dröhnen aus den Lautsprechern. Vorsichtig ziehe ich den Kleinen in meine Arme. Für einen Moment versteift er sich. Doch als ich beginne mich zu bewegen, entspannt er sich zunehmender. Geht mit meinen Bewegungen mit. Zuerst ist der Abstand noch groß, berühren uns nur flüchtig. Doch langsam ziehe ich ihn in meinen Bann. Immer dichter kommt er mir, bis sein kleiner Körper sich vollständig an meinen Großen schmiegt. Eine Kopflänge bin ich größer als er, sein Kopf ruht an meiner Brust, lauscht meinem Herzschlag. Tief sauge ich seinen süßen Duft nach Honig ein, küsse gedankenverloren sein Haar. Ein Blick in sein Gesicht sagt mir, dass er die Augen geschlossen hat, lässt sich ganz von mir führen. Seine Arme liegen locker um meine Taille. Vorsichtig gleitet meine Hand von seinen Schultern nach unten, nur Millimeterweise um ihn ja nicht zu verschrecken, bis sie auf dem unteren Rücken ankommt. Sacht drücke ich ihn näher an mich, spüre, wie ein leichtes Beben durch seinen Körper läuft.
„Hast du Angst“, stelle die Frage direkt an sein Ohr, doch er schüttelt den Kopf. Hebt diesen zögernd und seine großen Obsidiane blicken mich scheu an. Kleine Lachfältchen bilden sich um seinen Mund, als er sich auf die Zehnspitzen stellt und mir einen Kuss auf das Kinn haucht.
Jetzt bin ich derjenige, der die Augen zusammenkneift. Doch noch bevor ich etwas sagen kann löst er sich aus meiner Umarmung und verschwindet. Wortwörtlich, in der einen Sekunde steht er vor mir und in der anderen ist er weg. Hat sich einfach in Luft aufgelöst. Verwirrt sehe ich mich um, niemand scheint es bemerkt zu haben. Wie sollten sie auch, standen wir doch die ganze Zeit in einer ruhigen Ecke.
Langsam gehe ich an meinen alten Platz an der Theke zurück, in der Hand sein Colaglas. Gedankenverloren ist mein Blick, auf nichts und niemanden fokussiert. Was ist da gerade geschehen? Bin ich nicht in den Club gegangen, um jemanden für die Nacht zu finden? Ich nippe an dem Glas in meiner Hand und muss Husten. Nie im Leben ist das Cola. Vorsichtig inspiziere ich die Flüssigkeit, kann es aber nicht identifizieren. Ich wage mich, noch einen Schluck zu nehmen. Der Geschmack ist etwas gewöhnungsbedürftig, erinnert mich an den Bengel. Süß, wie der Honig und doch so herb wie der Geruch des Aftershaves, welches er benutzt hat. Immer wieder nehme ich einen winzigen Schluck, bis nichts mehr drin ist.
„Was hat der Junge getrunken?“ Frage ich dem Barkeeper.
„Welcher Junge?“ Klar woher soll er wissen, wen ich meine.
„Hinten in der Ecke stand er. Vielleicht 1,70 m schwarze Haare und komplett Lederoutfit. Sehr dunkle Augen und leicht gebräunt.“ Langsam schüttelt der Mann den Kopf.
„Tut mir leid, so jemand hat hier nichts bestellt.“ Ich reiche ihm das Glas und er schnuppert daran. „Es ist Cola, mehr nicht. Bürschchen mach das du nach Hause kommst. Für heute hast du hier genug getrunken.“ Damit dreht sich der Barkeeper wieder um und widmet sich dem nächsten Gast zu. Das Glas hat er vorsorglich mitgenommen.
Habe ich wirklich soviel schon getrunken? Verwirrt reibe ich mir den Nacken, kann mich nicht daran erinnern, mehr als zwei Bier bestellt zu haben. Die Lust an Kerle ist mir für heute sowieso vergangen, denn am liebsten möchte ich nur einen bei mir haben. Den kleinen Unbekannten. Missmutig verlasse ich den Club und mache mich auf den Weg nach Hause.
- Angelo -
Cedrik will sich hier mit mir treffen, aber wie so oft hat er mich versetzt. Typisch Kerl, kann keinem Rock wiederstehen. Es hat mich sowieso gewundert, warum ausgerechnet hier.
Geschlagene zwei Stunden stehe ich nun schon in der Ecke, nippe an meinem Glas und warte. Am anderen Ende steht ein Typ, der mich die ganze Zeit anstarrt. Soll ich beleidigt oder geschmeichelt sein? Unbemerkt studiere ich ihn genauer. Er misst fast zwei Meter, sonnengebräunte Haut, breites Kreuz. Entweder hat er einen harten Job oder er geht ins Fitnessstudio. Um einen Bizeps umfassen zu können, bräuchte ich sicherlich vier Hände. Die Haarfarbe ist nicht zu erkennen, da er sie sehr kurz trägt.
Verdammt, was soll ich machen? Gerade erhebt er sich und kommt auf mich zu. Schwer muss ich schlucken, bei jedem Schritt erkennt man die Muskeln. Seine Jeans und das Shirt lassen keine Zweifel aufkommen, wie gut er gebaut und bestückt ist. Das Wasser läuft mir regelrecht im Mund zusammen.
Er stellt sich hinter mir, ohne mich jedoch zu berühren.
„Wieso bist du hier?“ Seine tiefe weiche Stimme jagt mir Gänsehaut über den Nacken.
„Ver … Verabredung“, was ist nur los? Eigentlich bin ich doch viel Selbstsicherer und stottere nicht so rum.
„Du bist seid zwei Stunden hier und niemand hat dich angesprochen.“ Stellt er fest. Und wie recht er damit hat. Verlegen sehe ich weg, fühle mich doch schon ertappt genug. Er geht um mich herum, kann seine Blicke förmlich auf mir spüren. Wie zufällig streift sein Arm den meinen, doch ich zwinge mich, still zu bleiben.
„Hast du eine Nachricht von deinem Date bekommen?“ Nein, dieses verdammte Arschloch von Cedrik hat sich nicht gemeldet. Doch ich schüttle zur Antwort nur den Kopf.
„Warum hat er dich versetzt?“ Behutsam ist die Frage, als hätte er Angst mich zu verscheuchen. Diese Frage stelle ich mir allerdings auch. Anstatt zu Antworten zucke ich nur mit den Achseln, nehme das Glas auf und nippt vorsichtig daran.
„Lust zu tanzen?“ Man der geht aber ran. Bei der Vorstellung läuft mir ein heißer Schauer den Rücken hinunter, unwillkürlich möchte ich lieber die Flucht ergreifen. „Warte!“ Unschlüssig stehe ich da, drehe mich aber letztendlich zu ihm und blicke ihn an. Direkt in zwei Smaragde.
„Du musst nicht, wenn du nicht willst. Möchte dich nur aufheitern.“ Ist das tatsächlich sein ernst? Er überlässt mir die Entscheidung.
Lächelnd reicht er mir die Hand, die ich zögerlich ergreife. Erwarte dass er mich auf die Tanzfläche zieht, doch das macht er nicht. Gönnt mir die Privatsphäre in meiner kleinen Ecke.
Wie aufs Stichwort ändert sich der Beat. Eines meiner absoluten Lieblingslieder beginnt. In dem Moment weiß ich, wo Cedrik ist. Dieser verdammte Idiot, was führt der im Schilde? Vorsichtig fasse ich den Mann an die Taille, möchte den Abstand trotz allem halten. Doch umso mehr Töne erklingen, desto mehr entspanne ich mich. Lasse mich komplett in seine Arme ziehen. Er ist so groß, bei ihm könnte ich mich geborgen fühlen. Lehne den Kopf an seine Brust und schließe die Augen. Versinke komplett in die Melodie und seinen Bewegungen.
Als der letzte Ton verklingt, stelle ich mich auf die Zehnspitzen. Hauche ihm einen leichten Kuss auf das Kinn und verschwinde.
Im nächsten Augenblick stehe ich neben Cedrik am DJ-Pult.
„Was sollen deine dämlichen Spielchen?“ Anstatt einer Begrüßung blaffe ich ihn direkt an, mach meinem Ärger Luft. Allerdings ist das Lachen und aufblitzen seiner weißen Zähne, was ich als Antwort bekomme.
„Kleiner du hättest dich sehen sollen. Der Große hat dir‘s ganz schön angetan.“ Ich knurr und drehe mich weg. Möchte nicht, dass er in meinen Augen liest.
„Das ist ein Mensch Cedrik und du kennst die Regeln.“
„Du und deine blöden Regeln. Ich pfeife auf die Regeln. Wenn mir jemand oder etwas gefällt, nehme ich es mir.“ Empört dreh ich mich zu ihm um.
„Genau das ist es, was mich an dir so nervt. Du nimmst dir was du willst. Fragst nie nach. Fehler sind dir egal.“ Ich zittere vor Wut, meine Haare stellen sich auf.
„Komm wieder runter, sonst sieht dich noch jemand.“ Damit packt er eine meiner Haarsträhnen und hält sie mir vors Gesicht. Verdammt sie färben sich bereits. Konzentriert schließe ich die Augen, zähle in Gedanken bis zehn. Als ich die Lider wieder hebe, sind meine Haare wieder schwarz.
„Warum hast du mich versetzt“, suche ich nach einer Erklärung.
„Wegen ihm, er ist dein neuer Auftrag!“ Erstaunt drehe ich mich um. Folge Cedriks ausgestreckter Hand und erstarre.
„Was soll das heißen neuer Auftrag? Was ist die Aufgabe?“ Ein Lächeln huscht über seinen Lippen und die Augen funkeln amüsiert.
„Ich wünsche dir viel Spaß. Jetzt darfst du dich ihm offiziell vorstellen. Er bat um einen ‘Freund‘ für seine Geschäftsreise. Morgen beginnt der Auftrag.“
„Aber warum ich?“ Bin immer noch sprachlos. Warum ausgerechnet ich und warum er?
„Du passt einfach in sein Beuteschema. Das haben wir beide ja gerade selbst bemerkt.“ Aufmunternd klopft mir Cedrik auf die Schulter, bevor er sich in Luft auflöst und verschwindet.
Mein Blick ruht weiterhin auf dem Mann, Darius, wie er laut den Papieren heißt, die mir Cedrik gegeben hat. Gerade verlässt er den Club. Er sieht niedergeschlagen aus.
Ich überlege noch, ob ich ihn verfolgen soll, doch da ist er auch schon weg.
„Es tut mir leid.“ Flüstre ich so leise, dass er es nicht hören kann. Der heutige Abend ist ganz anders verlaufen, als ich es mir erträumt habe.
Seufzend dematerialisiere ich mich, um nur einen Augenaufschlag später in meiner Wohnung zu sein.
„Morgen“, hauche ich noch, bevor ich einschlafe.
- Darius -
Ich fühle mich gerädert. Was ist letzte Nacht nur passiert? An nichts mehr kann ich mich erinnern. Langsam stehe ich auf, betrete die Dusche und lass mir heißes Wasser über den Körper laufen. Bildfetzen dringen in meine Gedanken. Ein Bengel vielleicht achtzehn Jahre, schlank mit schwarzen Haaren. Und diese Augen … ich stöhne auf, als mich dieses junge Gesicht, mit den schwarzen Pupillen, ansieht. Innerlich schüttele ich den Kopf. Solche Augen gibt es doch gar nicht.
Mit Kopfschmerzen kleide ich mich an. In der Küche genehmige ich mir erst einmal eine Tablette. Frühstück lasse ich ausfallen.
Mein Blick gleitet zur Uhr. In einer halben Stunde soll der Klient kommen.
Wie ich das hasse, meiner Familie etwas vorzuspielen. Aber was bleibt mir anderes übrig? Nie würden sie verstehen, warum ich lieber Single bin, als mich unter die Haube zu begeben. Aber Mum versteht es nicht, auch wenn sie akzeptiert, dass ich schwul bin. Dennoch will sie mich nicht alleine sehen.
Nur deswegen habe ich den Begleitservice arrangiert. Ein Wochenende mit einem wildfremden Kerl, so zu tun als wären wir ein verliebtes Pärchen. Bei dem Gedanken wird mir ganz schlecht.
Noch einmal sehe ich in den Spiegel. Dunkelblauer Satinanzug, schwarzes Hemd und Schuhe, ja so kann ich mich sehen lassen. Meine Tasche für die kommenden Tage ist bereits gepackt.
Mit einem starken Kaffee in der Hand setze ich mich auf den Sessel, starre geistesabwesend aus dem Fenster, direkt auf den Chiemsee. Bemerke nicht, wie die Zeit vergeht. Bis es an der Tür schellt.
- Angelo -
Die ganze Nacht habe ich die Unterlagen studiert. Darius Dirus, vierundzwanzig Jahre. Erfolgreiches Model und führt seine eigene Modelagentur. Nicht schlecht, so jung und bereits so erfolgreich. Aber er scheint traurig zu sein. Seine Augen blicken ins Leere, jeglichen Glanz haben sie verloren. Wobei letzte Nacht im Club? Ja da haben sie gestrahlt, leuchtend grün, unverwechselbar.
Ein Wochenende soll ich mit ihm verbringen. Eine Familienfeier und er braucht einen Freund. Liebhaber oder Lebenspartner, wie die Menschen es immer nennen. Ich finde, dass alles fiel zu überbewertet. Entweder man liebt sich oder nicht. Da spielt es doch keine Rolle, ob es irgendwo schriftlich festgehalten oder bezeugt wird. Missbilligend schüttele ich den Kopf.
Das Schlimmste für mich wird sein, mich zu verstellen. Alles muss ich vertuschen, aufpassen was ich mache. Und ich muss essen. Es gibt nichts Schlimmeres für mich als dieses ganze Fleisch. Am Besten ich gebe mich als Vegana aus. Mit Obst und Gemüse kann ich leben. Noch einmal kontrolliere ich meine Tasche, als es an der Zimmertür klopft.
„Komm Cedrik, sonst bist du doch auch nicht so höflich.“ Lachend betritt der Große mein Zimmer.
„Wie schaut es aus? Startklar?“ Ich schüttle den Kopf antworte jedoch.
„Ja klar, ich freu mich riesig.“ Sein Lachen schwingt in dem Schulterschlag mit, den er mir verabreicht. „Verrätst du mir auch den eigentlichen Bestandteil des Auftrages?“ Seine Augen vergrößern sich, doch verlieren sie das Lächeln nicht.
„Er soll wieder Mensch sein, ins Leben zurückkehren.“ Bedächtig nicke ich. „Das Foto ist gerade einmal drei Tage alt. Er hat alles erreicht in seinem Leben und doch fehlt das wichtigste. Liebe!“ Ich seufze, darauf habe ich gewartet.
„Cedrik wie oft eigentlich noch. Ich bin nicht Amor und ich hasse es zu vermitteln.“ Traurig schüttelt er den Kopf, was mich in meiner Bewegung innehalten lässt.
„Angelo es geht nicht nur um ihn in diesem Auftrag. Es ist schwerwiegender, doch ich kann dir nichts sagen Kleiner. Pass gut auf dich auf.“ Freundschaftlich legt er die Hand auf meine Schulter, zieht mich kurz an sich und drückt einen Kuss auf meine Stirn. „Wenn du mich brauchst, du weißt, wie du mich erreichen kannst.“ Damit verschwindet er wieder und lässt mich allein zurück.
Was beinhaltet der Auftrag den noch? In diesem Moment fühle ich mich leer, kraftlos sinke ich zu Boden. Das Wochenende verspricht eine Höllenreise zu werden. Innerlich Ohrfeige ich mich, stehe auf.
Entschlossen und mit gestrafften Schultern, materialisiere ich mich vor dem Haus meines Mandanten, Darius Dirus und schelle an.
- Darius -
Ist es tatsächlich schon so spät? Schwermütig erhebe ich mich, um zu öffnen. Von vorne bis hinten ist das alles eine Schnapsidee, am besten ich sage direkt ab. Wegen meiner können die das Geld behalten. Aber ein Liebespaar zu spielen? Ich schüttele den Kopf. Öffne die Tür mit dem passenden Text bereits auf der Zunge und erstarre. Das darf nicht sein? Es ist eine Halluzination. Der Bengel vor mir ist aus meinem Traum entsprungen. Mir wird schwarz vor Augen und langsam sacke ich in mir zusammen. Kleine Hände umfassen meine Taille, halten mich an der Wand gelehnt aufrecht.
„Kommen Sie, jetzt nur nicht schlappmachen. Ich bringe Sie erst einmal rein.“ Er zieht und schiebt mich vorwärts, bis ich auf dem Sessel platz nehmen kann. Anschließend verschwindet er, um mir kurz darauf ein Glas Wasser in die Hand zudrücken. Geduldig wartet er, bis ich wieder bei Sinnen bin.
„Sag mal“, muss mich räuspern, bevor ich weiter sprechen kann. „Kann es sein das wir uns kennen?“ Überraschung spiegelt sich in seinen Obsidianen wieder. Ja, es ist keine Einbildung, er ist es aus dem Club. „Kleiner“, vorsichtig hebe ich die Hand, doch er zuckt zurück, was mich lächeln lässt.
Mit seinem Anblick habe ich meine Entscheidung revidiert.
„Lassen Sie uns reden Herr Dirus. Bis wir aufbrechen, müssen Sie noch einiges über mich wissen.“ Ich freue mich darauf mehr über ihn zu erfahren und nicke eifrig.
„Zuallererst nehmen wir dieses Sie weg. Ich bin Darius.“
„Angelo“, haucht der Kleine, er ist wieder genauso schüchtern wie letzte Nacht.
„Also gut Angelo, dann erzähl mal über dich.“
„Bitte erzählen Sie … erzähl du mir zuerst, um was es genau geht bei dem Auftrag!“ Er ist immer noch unsicher, was ich amüsierend finde. Schon lange ist mir keiner mehr so entgegen getreten.
„Sechzigster Geburtstag meines Vaters. Großes Fest mit viel Tamtam. Geschäftsleute und Verwandte, alles, was dazugehört.“ Kurz und knapp, mehr braucht man nicht wissen.
- Angelo -
Eigentlich hört sich das alles nicht kompliziert an. Na mal abwarten, was er von mir erwartet.
Noch immer bin ich etwas geplattet über seine Reaktion. Er dürfte mich nicht erkennen und doch tut er es. Weiß alles von letzter Nacht, was mich selbst schwindeln lässt. Entschlossen schüttele ich leicht den Kopf.
„Was erwartest … du … von mir an dem Wochenende?“ Es ist ungewohnt einen Mandanten zu duzen und doch ist es in diesem Fall Pflicht.
„Nicht viel. Mal in den Arm nehmen, Händchenhalten und naja ab und an vielleicht mal einen Kuss.“ Mit allem kann ich mich anfreunden, aber küssen?
„Meinst du …“ ich schlucke schwer „Das mit den küssen …“ Ohne Vorwarnung zieht er mich an sich, umfasst meine Taille, wie er es am Abend zuvor auch schon getan hat. Fordernd legen sich seine Lippen auf die meinen. Dringt seine Zunge in meine Höhle. Stupst meine an und fordert mich heraus.
Atemlos löse ich mich von ihm, weiß nicht ob ich wütend oder überrascht sein soll. Noch nie hat mich jemand so geküsst. Verlegen senke ich den Blick, steigt mir doch die hitze zu Kopf. Lächelnd streichelt er meine Wange, zieht mich auf seinen Schoß.
„Genau so meine ich es. Und jetzt komm, erzähl mir von dir.“ Fordert er mich auf. Spüre ich da sein Glied an meinem Po? Das Blut verteilt sich in andere Regionen. Was mir doch sehr unangenehm ist. Er ist dein Mandant! Schimpfe ich mich innerlich. Einige Male hole ich tief Luft, versuche mein und sein Verlangen nicht zu beachten.
„Ich bin zwanzig Jahre. Heiße Angelo und bin ausschließlich Veganer.“ Mehr braucht er nicht wissen.
„Veganer?“ Darius ist erstaunt. Ich nicke.
„Nur rein Pflanzliches. Keinerlei tierische Erzeugnisse.“ Ein leises Pfeifen dringt an mein Ohr.
„Da hab ich mir ja ein süßes Früchtchen angelacht.“ Ungefragt zieht er meinen Kopf zu seinen und küsst mich zärtlich, fast schon ehrfürchtig. Kann seine Reaktion nicht wirklich deuten.
„Wir haben noch zwei Stunden, bevor wir los müssen. Hast du alles an Sachen dabei, die ich aufgelistet habe?“
„Ja, ich denke schon.“
Wir verbringen die restliche Zeit mit Reden. Er spricht über seine Familie, die Geflogenheiten und worauf ich zu achten habe.
„Komm Angel, wir müssen los.“ Bei dem Kosenamen erstarre ich, kommt er der Realität doch zu Nahe. Aber ich folge ihm, lasse mich auf den Auftrag ein.
- Angelo -
Auf was habe ich mich da nur eingelassen?
Noch immer brennen mir die Lippen von diesem Kuss, wage ich es jedoch nicht sie zu berühren. Was wird er denken, wenn er erfährt, dass ich so einen Auftrag noch nie hatte? Geschweige den, dass ich jemanden schon einmal geküsst habe.
Stillschweigend sitze ich im Auto neben ihn. Bin, soweit es geht auf dem aktuellen Stand. Das Schlimmste wird wohl seine Mutter sein, die ihn unbedingt unter der Haube sehen will. Genervt verdrehe ich die Augen. Sollte es nicht jeden selbst überlassen bleiben, wen er liebt und wie? Cedrik erzählt mir, dass Darius eher der Typ für oberflächliche Begegnungen und One-Night-Stands ist. Aber warum ausgerechnet ich?
Meine letzten Aufträge beinhalten eher Spionage und Bodyguard, aber einen Liebhaber spielen? Was habe ich verbrochen?
„Kleiner gar nichts hast du verbrochen, aber es ist an der Zeit neue Wege zu gehen.“ Cedriks Gedanken stürmen auf mich nieder. Verstohlen werfe ich einen Blick auf die Rückbank, und da sitzt er. Für niemanden sichtbar, naja zumindest für kein menschliches Wesen.
„Cedrik was machst du hier?“ Auch ich spreche nur in Gedanken, würde Darius mich doch für verrückt halten. Das Lachen des Engels klingelt in meinen Ohren.
„Dich würde niemand für verrückt halten, das weißt du genau. Verrate mir mal bitte, warum der Kerl sich an dich erinnert? Hast du ihm nicht etwas gegeben, um zu vergessen?“ Ich knurre, denn genau dieselbe Frage habe auch ich mir schon gestellt. „Okay bleib ruhig, sonst verrätst du dich noch. Versuch es irgendwie herauszufinden. Pass ja auf, dass du dich nicht verrätst!“ Als wenn ich das nicht wüsste. Von Cedrik kommt keine Erwiderung mehr. Ein Blick nach hinten sagt mir, dass er verschwunden ist. Na super und noch immer weiß ich nicht, warum ausgerechnet ich diesen Auftrag bekommen habe.
- Darius -
Schmecke noch immer Angelos Süße auf meinen Lippen. Der Kuss war ein Traum, der Kleine so unschuldig. Als hätte er noch nie jemanden geküsst.
Flüchtig werfe ich einen Blick zu ihm. Unruhig flattern die Lider über seinen geschlossenen Augen. Er scheint zu träumen, aber nicht unbedingt angenehm. Kurz überlege ich, ob ich ihn wecken soll, entscheide mich aber dagegen. Lieber beobachte ich ihn noch eine Weile.
Er trägt eine schwarze Jeans und ein Hemd in der gleichen Farbe. Die Haare hat er brav nach hinten gegelt. Auch wenn er heute kein Leder trägt, finde ich ihn genauso anziehend wie in dem Club letzte Nacht.
Mein Blick wandert über den schmächtigen Körper. Verweilt auf seinen Händen, die ruhig im Schoß liegen.
„Vegana verdammt. Meine Mutter wird einen Aufstand machen.“ Ich seufze, bemerke zu spät, dass ich laut gesprochen habe. Erst als Angelo mich ansieht.
„Es tut mir leid, wenn ich dir solche Umstände mache. Vielleicht wäre es besser jemand anderen kommen zu lassen?“
„Nein“ viel zu schnell bricht das Wort aus mir heraus, was ihm eine Augenbraue heben lässt. „Tut mir Leid Kleiner. Es ist doch egal, was meine Mutter denkt. Hauptsache ich tauche nicht allein da auf.“ Sein Blick ist noch immer fragend, aber er sagt nichts weiter.
Nie im Leben möchte ich ihn austauschen. Angelo hat etwas mit mir angestellt, was ich einfach nicht erklären kann. Noch nie habe ich die Gesellschaft eines anderen Mannes so genossen wie bei ihm. Es fühlt sich an, als kenne ich ihn bereits mein Leben lang. Er löst Gefühle in mir aus, die ich nicht beschreiben kann. Angel verwirrt mich total.
„Weißt du Angel, es sollte mir egal sein was meine Mutter denkt. Ihre Erwartung kann ich eh nie erfüllen. Aber was mir keineswegs egal ist, wäre dich einzutauschen.“ Bei dem Kosenamen zuckt er zusammen, schon das zweite Mal. Ihm scheint er nicht sonderlich zu gefallen. Doch ich werde ihn weiterhin so nennen, sieht er nun einmal so unschuldig und rein aus, wie ein Engel.
Langsam nickt er, lehnt sich wieder in den Sitz zurück und schließt die Augen.
Wieder fällt mein Blick auf sein Gesicht. Frage mich, woher die Agentur wusste, wen sie schicken sollen. Habe ich doch keinerlei Beschreibung abgegeben. Ob sie mich vielleicht ausspioniert haben? Resignierend zucken meine Achseln und ich konzentriere mich wieder auf die Straße.
- Angelo -
Wieso nennt er mich ständig Angel? Hier zu sein, bei ihm scheint so unendlich falsch. Und doch sagt mir eine innere Stimme, dass es richtig ist.
Darius macht sich viel zu viele Gedanken über das, was die Mutter sagen könnte. Wäre es nicht viel wichtiger, als Familie zusammenzuhalten?
Ich halte meine Augen geschlossen, will die Fahrt einfach nur hinter mir bringen. Wünsche mir, dass das Wochenende bereits vorbei wäre.
Darius verwirrt mich, kann nicht verstehen, warum er sich noch immer an alles erinnert.
Nach drei Stunden sind wir endlich am Ziel.
Ein typischer Landsitz. Weiße Zäune, wo man nur hinsieht, zieren eine lange Alleeauffahrt. Dahinter erstrecken sich riesige Weideflächen mit den verschiedensten Pferden.
„Du hast mir nicht gesagt, dass deine Familie ein Gestüt besitzt.“ Murmel ich etwas unverständlich. Er hat es verstanden und lacht, herzlich und ohne scheu. Verdammt, dieses Lachen durchläuft all meine Nerven und bereitet mir eine Gänsehaut.
- Darius -
Habe ich tatsächlich vergessen ihm zu erzählen, dass meine Eltern ein Gestüt leiten? Oh Mann, was habe ich den noch vergessen?
„Ich habe dir aber erzählt wie viele Geschwister ich habe oder?“ Frage ich wie beiläufig, was mir einen irritierenden Blick kassieren lässt.
„Du hast fünf Geschwister, bist der zweit Jüngste. Deine Schwester ist achtzehn und deine vier Brüder alle zwischen achtundzwanzig und vierzig.“ Erleichtert hole ich Luft, gut das hat sich also geklärt. „Und bevor du noch fragst, wir haben uns bei einem Casting von deiner Agentur kennengelernt.“ Wow, hat er jetzt meine Gedanken erraten? Innerlich schüttel ich den Kopf, so etwas gibt es doch gar nicht.
Vor dem Haus halte ich an. Gäste sind noch keine da, zum Glück. Angel folgt mir langsam und unsicher, als ich aussteige. Nehme unser beider Taschen in die eine Hand und umfasse seine Taille.
„Komm Angel, zeit für die Show!“ mit einem Lächeln gehe ich die Stufen hinauf.
- Angelo -
Show, ja da hat er recht.
Ich fühle mich nicht sonderlich wohl, als ich so an seiner Seite mit ihm die Treppe hinauf gehe. Die Klingel durchschallt die komplette Gegend.
Es dauert nicht lange, bis uns die Tür geöffnet wird. An der Kleidung erkenne ich bereits, dass es sich um einen Dienstboten handelt.
„Herr Dirus, schön Sie nach Jahren mal wieder zu sehen. Und wie ich sehe, sind Sie nicht allein.“ Höfflich verbeugt er sich. Und aus dem Blickwinkel kann ich erkennen, dass Darius die Augen verdreht.
„Sandro bitte, du weißt genau wie ich es hasse.“ Lachend sieht der Diener ihn an.
„Ich weiß Darius, aber deine Familie ist bereits versammelt und da muss ich nun einmal.“
„Komm nachher aufs Zimmer dann können wir ungestört reden.“
„Verstanden Sir.“ Galant führt Sandro uns in das Haus, für das ich jedoch keinen Blick habe. Meine Augen ruhen allein auf den jungen Mann. Er scheint Mitte zwanzig zu sein, 1,80 m groß und kurze blonde Haare. Die typische Dienerkluft kann seine Muskeln nicht vollends verbergen. Ich hätte gedacht, Darius steht auf so einen Typ Mann.
Wieder beobachte ich den Mann neben mir aus den Augenwinkeln. Seine Augen sind jedoch starr nach vorn gerichtet. Habe das Gefühl, dass der Arm, der auf meiner Schulter liegt, immer schwerer wird.
„Darius ist alles in Ordnung?“ Nur leise ist meine Stimme, möchte ich Sandro nicht auf uns lenken.
Darius lächelt mich schwach an und nickt, doch ich sehe an seinen Augen, dass das ganz und gar nicht der Fall ist. Kurzerhand bleibe ich stehen und verstelle ihm den Weg zum Weitergehen. Lege sanft die Hand auf seinem Herzen und blicke ihm tief in die Augen. Sein Herz rast, doch allmählich beruhigt es sich, bis es im Einklang mit meinem schlägt. Darius Blick ist fragend, doch ich lächle nur und gebe ihm einen kleinen Kuss aufs Kinn.
Als wir jetzt weiter gehen, liegt sein Arm locker um meine Schulter und seine Muskeln sind entspannt.
- Darius -
Es ist schön, Sandro wieder zu sehen. Gut hat er sich gemacht. Habe jedoch keinen Blick für den jungen Mann vor mir, denn Angel ist interessanter für mich.
Ich weiß ganz genau wo Sandro uns hinführt, als er sagte die Familie ist bereits da. Und das macht mich nervös. Wie reagieren sie auf Angelo und werden sie uns die Geschichte abkaufen?
„Darius ist alles in Ordnung?“ die Stimme des Kleinen neben mir beruhigt mich auf eine Weise, die ich noch nie gekannt habe. Automatisch muss ich lächeln und nicke ihm zu, in dem Wissen das gar nichts in Ordnung ist. Er scheint es auch zu bemerken, denn er bleibt stehen.
Vorsichtig, als wenn er Angst hat etwas Falsches zu tun, legt er seine Hand über mein rasendes Herz. Unsere Blicke treffen sich und ich habe das Gefühl in seinen zu versinken. Ich weiß nicht wie lange wir so dastehen, doch ich merke, wie sich mein Herzschlag verlangsamt, zur Ruhe kommt. Fragend sehe ich Angelo an, doch er lächelt leicht und haucht mir einen Kuss auf das Kinn.
Ich fühle mich ruhig und sicher, als wir jetzt gemeinsam auf den großen Saal zugehen. Leicht liegt mein Arm um seine Schulter.
Sandro kündigt uns an und verlässt dann den Raum, jedoch nicht ohne mir noch einmal zuzuzwinkern und „Viel Glück“ zu wünschen.
Erwartungsvolle Stille herrscht, als wir das Zimmer betreten. Erst vor meinen Eltern bleiben wir stehen und ich begrüße sie, wie es sich gehört.
„Hallo Mum. … Dad alles Gute zum Geburtstag.“
„Schön dass du es geschafft hast. Wer ist deine Begleitung?“ Damit habe ich gerechnet, dass sie sich sofort über den Kleinen hermachen. Innerlich schüttel ich den Kopf.
„Darf ich euch vorstellen: Angelo!“ Unsicher ergreift er die Hände meiner Eltern, als sie ihre ihm darbieten.
„Danke für Ihre Einladung Frau Dirus. … Auch von mir alles Gute Herr Dirus.“ Mum lächelt bei seiner vornehmen Redensart.
„Wie habt ihr euch kennengelernt?“ Will sie sofort wissen, aber Lilli stürmt auf uns zu und fällt mir um den Hals.
„Brüderchen lange nicht gesehen. Wer ist der Süße neben dir.“ Über ihre Offenheit muss ich lachen und ziehe beschützerisch Angelo an meine Seite.
„Tut mir leid Schwesterchen, aber der Kleine ist vergeben.“ Lilli verzieht das Gesicht und geht, was mich nur noch mehr lachen lässt.
„Mum dürfen wir uns noch frisch machen gehen? Die Fahrt war doch etwas lang.“ Mit einer Handbewegung deutet sie mir an zu gehen und noch bevor jemand etwas sagen kann, ziehe ich Angelo hinter mir her.
- Angelo -
Vergeben, wie Recht er damit hat. Ich seufze, bin erleichtert, als wir den Saal verlassen.
„Was ist los Kleiner?“ Ich zucke zusammen, als ich Cedriks Stimme in meinem Kopf höre. Darius hat es bemerkt und sieht mich besorgt an.
„Alles in Ordnung Angel?“ fragt er leise.
„Bin nur etwas überwältigt von allem.“ Antworte ich ausweichend.
„Cedrik was machst du hier?“
„Wollt mal sehen was du machst Angelo. Deine Gedankengänge sind verdammt zermürbend.“
„Geh aus meinem Kopf. Was ich denke ist meine Sache.“
„Mag sein, aber nicht das, was du vorhin mit seinem Herz gemacht hast. Hast du immer noch nicht begriffen, was für dich auf dem Spiel steht?“
„Arschloch natürlich hab ich das. Oder glaubst du ich bin blöd?“
„Sei doch nicht gleich eingeschnappt Angel.“ Lacht Cedrik in meinem Kopf und zieht sich zurück. Abwertend schnaube ich, jetzt nennt er mich auch schon so.
„Sicher dass du das hier Durchziehen willst?“ Unterbricht Darius meine Schimpftriade. Ich nicke ihm mit einem kleinen Lächeln zu.
Aufmunternd legt er den Arm um meine Schulter, zieht mich an sich und haucht einen Kuss auf mein Haar.
In einem geräumigen Zimmer angekommen, atme ich tief durch. Nie habe ich geahnt, dass dieser Auftrag so anstrengend sein wird. Dabei sind wir doch gerade erst angereist.
„Es tut mir leid.“ Darius wirkt bedrückt.
„Was?“ ich drehe mich zu ihm um.
„Alles, ich hätte dich hier nicht mit herschleppen sollen. Du passt nicht in ihr Bild.“ Seufzend lässt er sich aufs Bett fallen, verbirgt das Gesicht hinter seinen großen Händen. Unsicheren Schrittes näher ich mich ihm, lege behutsam eine Hand auf Darius Schulter.
„Es gibt nichts, für was du dich entschuldigen musst. Dieses Wochenende ist ein Auftrag. Ich werde es überleben.“ Viel eher bin ich am Überlegen, ob Darius es überleben wird. Hier auf dem Gestüt und allein in diesem Zimmer scheint Darius zerbrechlich.
Langsam senkt er die Hände, sieht mich fast ängstlich an.
Verlegen löse ich die Hand von seiner Schulter, will mich entfernen, doch er schlingt die Arme um meine Taille.
„Geh nicht Angelo“ fleht er leise. „Ich weiß nicht, was es ist, aber bitte lass mich nicht allein.“ Lächelnd schüttel ich den Kopf.
„Darius wir sind hier unter uns. Du musst mich nicht anflehen …“ es klopft, allerdings ruhen die Arme weiterhin um meine Taille.
„Komm rein Sandro.“ Wie aufs Stichwort öffnet sich die Tür. Erst als Darius seinen Freund erblickt, erhebt sich. Freundschaftlich umarmen sich die beiden Männer. Scheinen mich vergessen zu haben.
Setze mich seufzend auf die Fensterbank. Jemand, wahrscheinlich Darius hat leise Musik angeschaltet. Sehe in den Himmel und lasse die Gedanken schweifen, die sich der Musik im Hintergrund anpassen.
Ein Flugzeug hinterlässt rote Spuren, einem Feuerschweif gleich.
In meinem Kopf verformen sich die Linien zu einer Gestallt, einem Engel.
Ich wünschte mir, jetzt an seiner Stelle zu sein.
Frei und ungezwungen.
Zu tun was mir gefällt.
Werfe keinen Blick zurück,
nur den Fokus nach vorn.
An eine andere Zeit, ein anderer Tag.
Alle Sterne und alles Licht hinter mir lassend.
Weit weg von dem was mir Angst macht.
Für immer alleine zu sein.
Fliegen, die Welt wieder von oben sehen, ja das würde ich so gern.
„Dann halte dich an deinen Auftrag!“ Mischt sich Cedrik in meine Gedanken ein.
„Cedrik verdammt.“ Innerlich fluchend blicke ich mich um. Darius und Sandro haben nichts bemerkt, sind ganz in ihrem Gespräch vertieft.
„Ja mein Kleiner, ich bin es. Wie läuft es so?“
„Keine Ahnung. Er hat sich entschuldigt für den Auftrag. Habe den Eindruck, dass er es auffliegen lassen will.“
„Das darfst du auf keinen Fall zulassen. Egal was passiert, alles muss so aussehen, als wenn ihr zusammen glücklich seid.“
„Aber wie soll das gehen? Ich weiß nicht, was es heißt zu lieben. Wie also soll ich das anstellen?“ Leises Lachen dringt an mein Ohr, aber eine Antwort bekomme ich nicht.
„Du verdammtes Arschloch!“ empört schlage ich auf das Fensterbrett. Wohl etwas zu heftig, den das Holz splittert und ich ramme mir einige kleine Splitter in den Handballen.
„Angelo“, erschrocken über meinen Ausbruch springt Darius auf und eilt, gefolgt von Sandro, zu mir. Schnell erfasst er das Geschehene und noch bevor ich mit Hilfe meiner Kräfte die Holzstückchen entfernen kann, zieht Darius die Hand zu sich.
„Was machst du nur?“ Sanft streicht er über die geschundenen Stellen.
„Sandro bring mir bitte eine Pinzette und ein Desinfektionsmittel.“ Ich will protestieren, ihm meine Hand entziehen, doch Darius hält sie fest. „Halt still Angel“, knurrt er mich an. Und wie auf Kommando erstarre ich, als er den Kosenamen benutzt.
Als Sandro aus dem Zimmer verschwindet, blickt Darius mich durchdringend an.
„Was ist geschehen?“ Fragt er leise, lässt nicht zu, dass ich mich abwende.
„Ich finde es nur kindisch, dass deine Familie dein Leben nicht akzeptiert. Wenn du nun einmal keine feste Beziehung willst, dann eben nicht.“ Antworte ich ausweichend, senke den Kopf. Schaffe es nicht, seinem Blick standzuhalten.
Lächelnd hebt er ihn mit einem Finger an.
„Angel“ sanft umhüllt mich dieses eine Wort, lässt mich in seinen Armen schwanken. Behutsam zieht er mich an seine Brust, legt das Kinn vorsichtig auf meinen Kopf.
Ich bemerke nicht, wie Sandro in das Zimmer zurückkommt. Erst als Darius sich von mir löst und mich auf das Bett drückt, erblicke ich den jungen Boten.
„Danke Sandro. Sag meinen Eltern, dass wir noch etwas brauchen.“ Wortlos verschwindet der Angesprochene wieder, lässt uns allein zurück.
Mit gekonnten Griffen entfernt Darius alles Holz und benutzt großzügig das Desinfektionsmittel. Dabei streicht er unablässig über mein Handgelenk. Ob er sich selbst oder mich beruhigen will, weiß ich nicht.
Mir ist noch immer etwas schwindlig und lasse alles über mich ergehen.
- Darius -
Verdammt warum muss Sandro ausgerechnet jetzt kommen?
Innerlich seufzend löse ich mich von dem Kleinen, um meinen alten Freund zu begrüßen.
Ganz im Gespräch vertieft stelle ich die Musik an.
„Hörst du immer noch dieses düstere Zeug?“ fragt Sandro auch sofort, als er das erste Lied erkennt. Ich jedoch zucke einfach nur mit den Schultern.
„Oh man Darius. Jetzt erzähl aber mal. Du und der Kleine, was ist da wirklich?“
„Halt die Klappe Sandro.“ Kurz sehe ich zu Angelo, doch er sitzt auf dem Fensterbrett. Angelo sieht traurig aus und scheint in Gedanken zu sein.
Tief durchatmend setze ich mich zu meinem Freund aufs Sofa.
„Du kennst meine Eltern. Sie würden es nicht verstehen.“ Sandro verdreht wissend die Augen.
„Und woher hast du den Engel da drüben?“ Unbewusst geht mein Blick zum Fenster.
„Begleitserviceagentur“, gebe ich kleinlaut zu.
Sandro beginnt zu lachen, doch ich bekomme es nicht mit. Das Geräusch von brechendem Holz dringt an mein Ohr und lenkt den Blick zum Fenster.
„Angelo“ entsetzt springe ich auf. Was hat ihn nur dazu getrieben. Eine leichte Blutspur erkenne ich an der Faust. Angelo will sie verstecken, doch ich greife danach. Order Sandro auf, mir Pinzette und Desinfektionsmittel zu bringen.
„Halt still Angel“, knurre ich ihn an und er hört.
Nachdem Sandro aus dem Zimmer ist, will ich wissen, was geschehen ist. Der Schwarzhaarige gibt mir zwar eine plausible Antwort, doch zeigt mir sein abgewandter Blick, dass er lügt. Doch ich lasse ihm das jetzt durchgehen.
„Angel“, hauche ich leise lächelnd. Bemerke, wie er auf den Kosenamen mit leichtem Zittern reagiert. Sanft ziehe ich den Kleinen in meine Arme, fange ihn auf und merke mit Genugtuung, wie er sich anlehnt.
Ich verliere in seiner Gegenwart jegliches Zeitgefühl und knurre leise, als Sandro hineinkommt. Langsam drücke ich Angelo auf das Bett und lasse mir die gewünschten Utensilien geben.
„Danke Sandro. Sag meinen Eltern, dass wir noch etwas brauchen.“ Wortlos verschwindet Sandro wieder, lässt uns allein zurück.
Mit gekonnten Handgriffen entferne ich sechs Splitter und schütte großzügig das Desinfektionsmittel darüber. Beruhigend kreist mein Daumen über sein Handgelenk. Noch immer scheint Angelo in Gedanken zu sein, was mich lächeln lässt.
„Ruh dich noch etwas aus!“ Sage ich sanft und drücke ihn in die Kissen zurück. Lege eine leichte Decke über den schmächtigen Körper. Kann nicht widerstehen und streiche eine Strähne aus dem blassen Gesicht.
Es ist ein eigenartiges Gefühl, was Angelo in mir auslöst. Wärme kribbelt durch meinen Körper, lässt eine leichte Gänsehaut zurück.
Erstaunt über die Berührung öffnet er die Augen, sieht mich mit seinen Obsidianen an. Doch er weicht mir nicht aus. Im Gegenteil spüre ich doch einen leichten Druck gegen meine Hand.
- Angelo -
Was ist das für ein eigenartiges Gefühl?
Wärme durchflutet meinen Körper, wenn Darius mich berührt. Seine grünen Augen scheinen mich zu durchleuchten. Kann mich nicht bewegen, nicht wegrücken. Aber aus irgendeinem Grund möchte ich das auch nicht.
Sanft liegt seine Hand auf meiner Wange, streicht mit dem Daumen über die Unterlippe. Reflexartig öffne ich den Mund etwas, um besser atmen zu können. Habe das Gefühl innerlich zu verbrennen.
„Cedrik“ schreie ich in Gedanken um Hilfe.
„Was ist den los Kleiner. Genieße es einfach.“
„Genießen, aber was passiert gerade? Was sind das für Empfindungen?“
„Das mein Lieber, musst du selbst herausfinden. Es ist für dich an der Zeit zu entscheiden, welchen Weg du gehen möchtest.“
„Mich entscheiden? Verdammt Cedrik, was erzählst du da?“ Mir dreht sich alles, kann keinen klaren Gedanken fassen. Cedrik ist mir auch keine Hilfe. Er lacht einfach nur und verschwindet wieder, ohne mir eine Antwort gegeben zu haben. Innerlich fluchend springe ich aus dem Bett. Lasse den überrascht dreinblickenden Darius allein auf dem Bett zurück.
Wo mein Weg mich hinführt, weiß ich nicht. Einfach nur raus aus dem Haus. Weg von den Menschen darin.
Es ist spät abends, es dämmert bereits, als ich vor einem Gebäude anhalte. Leise Klänge eines mir bekannten Liedes sind zu vernehmen.
Ein Text, der mich zu rufen scheint.
Vorsichtigen Schrittes gehe ich darauf zu. Es handelt sich um eine kleine Scheune. Nur eine einzelne Lampe brennt, nirgends ist jemand zu sehen.
„Cedrik bist du hier“ keine Reaktion.
Mein Körper kribbelt vor Anspannung, das Hemd wird mir eng. Hitze steigt in mir auf, lässt das Oberteil verbrennen. In Sekundenbruchteil erstrahlt der Raum voll Licht und Wärme. Nur in Lederhose gekleidet und mit nacktem Oberkörper stehe ich da, doch ist meine Brust bedeckt. Riesige Flügel hüllen mich ein, schützen mein Herz. Schwarze und weiße Federn bedecken meinen Körper. Ein teuflisches Lachen dringt aus der hintersten Ecke, lässt die Temperatur sinken.
„Angelo mein geliebter Sohn. Wie schön dich hier auf Erden wandeln zu sehen.“ Langsam schreitet der Dämon auf mich zu.
„Was willst du von mir?“ Die Stimme ist genauso kalt wie die Luft zum Atmen.
„Es wird Zeit für dich zu deinem Vater zu kommen. Lange genug haben dich die Engel vor mir versteckt.“ In jeder Silbe, die er spricht, tropft Wut und Abscheu. Er versucht mich an den Schultern zu packen, doch ich weiche ihm aus.
„Nein!“ schreie ich „Es heißt dieser eine Auftrag wird entscheiden. Jetzt weiß ich auch, was es für mich bedeutet. Du bekommst mich nicht in deine Welt. Bin kein Diener des Bösen.“ Er verzieht keine Miene, kann nicht erkennen, was er denkt.
„Diener?“ Bricht es lachend aus ihm heraus. „Oh Angelo, du bist alles andere als ein Diener. Du bist mein Sohn. Ein Sohn des wohl einflussreichsten Dämons überhaupt. Komm mit nach Hause und ich zeige dir, worüber du herrschen wirst.“
Herrschen? Nein das wollte ich noch nie.
Bin ein Mischling, ein dämonischer Engel. In keine der zwei Welten gehöre ich.
„Niemals“ die Stimme ist fest, doch mein Herz rast. Ich habe Angst zu verlieren. Angst mich in seinen Bann ziehen zu lassen.
Darius!
Der Hüne taucht vor meinem geistigen Auge auf. Die muskulösen Arme, das breite Kreuz. Sein Blick, der mich gefesselt hält. Der Gedanke, diesen Mann alleine zu lassen, ihm dem Schicksal seiner Familie zu überlassen, lässt mich frösteln.
Darius!
Ich weiß nicht, was es ist, aber ich möchte ihn hier nicht allein zurücklassen.
Hitze wallt in mir auf, lässt den Körper nach außen hin glühen.
Mit weit aufgerissenen Augen weicht der Dämon vor mir zurück.
„Angelo du bist mein Sohn.“ Versucht er mich zu überreden, doch prallt alles an mir ab.
„Ich habe keinen Vater. Verschwinde aus meinem Leben!“ Funken sprühen, als ich mit dem Finger auf ihn zeige. Feuer schlängelt sich meinem Arm empor.
Das Feuer, was mich zuerst nur innerlich erhitzt hat, breitet sich über meinen Körper aus. Nur die Flügel bleiben verschont, sie strahlen noch immer in einem leuchtenden schwarz und weiß.
Immer weiter dränge ich den Dämon in die Ecke zurück, aus der er gekommen ist, bis er sich schließlich in eine Rauchwolke auflöst und verdampft.
Am ganzen Körper zitternd, sacke ich in mich zusammen. Kälte umhüllt meinen nackten Oberkörper und lässt mich in eine Ohnmacht fallen.
- Darius -
Wo ist der Kleine nur hingerannt?
Fast drei Stunden suche ich bereits nach ihm ohne eine Spur.
Sandro habe ich zu meinen Eltern geschickt, soll ihnen sagen, dass ich Angelo erst einmal das Anwesen zeige.
„Darius!“
Verwundert bleibe ich stehen, da hat mich doch gerade jemand gerufen? Sehe mich um, doch niemand ist in der Nähe. Ein innerer Drang lässt mich zu den Scheunen gehen.
„Darius!“
Das ist Angels Stimme. Wo steckt der Kleine den nur?
Hoffe, dass er sich keinen Scherz mit mir erlaubt.
Schon von weitem erblicke ich den hellen Schein: Feuer.
Verdammt, das darf nicht wahr sein, eine der Scheunen brennt.
Ich will bereits Alarm melden, als das Licht langsam erlischt.
Als ich endlich vor den Scheunen stehe, glimmt nur eine kleine Öllampe vor einer offenen Tür.
Vorsichtig betrete ich den Raum. „Angelo“, brüchig ist die Stimme. Habe Angst davor, was ich entdecken könnte. Aber nirgends ist eine Spur von Verbrennung zu erkennen. Langsam nähere ich mich der hinteren Ecken. Da liegt etwas.
Ich renne darauf zu und stoppe erst im letzten Augenblick.
Bestürzt knie ich mich zu dem reglosen Körper, drehe ihn vorsichtig auf den Rücken.
„Angel oh Gott, Kleiner was ist geschehen?“ Kontrolliere Puls und Atmung und atme erleichtert auf. Nur bewusstlos, aber was ist hier vorgefallen und warum ist sein Oberkörper nackt?
Blaue Lippen hat er und eiskalt ist sein Körper. Ohne nachzudenken, nehme ich ihn in die Arme. Bringe Angelo in unser Zimmer zurück, ohne dass die Gäste das Geschehen mitbekommen.
In den Raum angekommen, lege ich den bewusstlosen Jungen auf das Bett und greife zum Telefon.
„Sandro bring mir eine volle Wärmflasche und eine Thermoskanne Kamillentee … Ich hab jetzt keine Zeit für Fragen, beeil dich einfach.“ Unruhig gehe ich durchs Zimmer, überlege was ich machen kann, um ihn zu wärmen. Doch mir fällt nur eins ein. Also entledige ich mich meiner Sachen und auch Angelo entkleide ich. Dann lege ich mich mit ihm unter die Decke, achte darauf, dass nirgends kalte Luft an seinen Körper dringen kann.
Fest umschließe ich den Körper mit meinen Armen, ziehe ihn an meine Brust.
Leise klopft es an der Tür.
„Komm rein Sandro.“ Denn wer sonst sollte hier erscheinen.
Als mein Freund uns im Bett sieht, bekommt er große Augen. Doch auch er realisiert, dass etwas nicht stimmt.
Wortlos reicht er mir die Wärmflasche, die ich an Angelos Brust lege.
„Wo hast du ihn gefunden?“ Fragt er leise, als er den Tee abgestellt hat und sich zu uns aufs Bett setzt.
„Hinten in eine der Scheunen. Ich weiß nicht was passiert ist, habe ihn so vorgefunden.“ Führsorglich streicht Sandro ihm eine Strähne aus dem Haar. Ein eigenartiger Stich im Herz lässt mich kaum merklich zusammenzucken.
Ich und eifersüchtig? Das kann es doch eigentlich nicht geben. Und doch ist es mir zuwider, wie Sandro meinen kleinen Engel ansieht.
„Sandro entschuldige uns bei meinen Eltern. Sag ihnen, dass es meinem Freund nicht so gut geht und wir uns beim Mittag sehen werden. Ach ja und sorge bitte für etwas Passendes für Angelo zu essen. Er ist Veganer.“ Augen verdrehend steht er auf.
„Was Besseres hast du nicht bekommen können?“ Doch noch ehe ich antworten kann, ist er bereits aus dem Raum.
„Er ist das Beste, was mir passieren konnte.“ Zärtlich streiche ich dem schlafenden das Haar aus dem Gesicht. Lasse die Hand weiter wandern. Ziehe jede einzelne Kontur nach, versinke in die Schönheit.
„Was hast du nur mit mir angestellt?“ Drücke ihn so fest an mich, wie es geht. Spüre, wie das kleine Herz in seinem Körper rast.
„Angel was ist nur mit dir geschehen. Wach bitte auf mein Kleiner.“ Die Lider flattern, langsam kommt er wieder zu sich.
- Angelo -
Was ist nur geschehen?
Wärme umhüllt mich und ein Geruch, der mir mittlerweile so bekannt ist.
Leise dringt seine Stimme an mein Ohr, die mich zurückruft.
Schwer sind meine Lider, aber ich bekomme sie dennoch auf. Sehe geradewegs in die grünen Seen Darius.
Erleichtert seufzt er auf, drückt mir einen leichten Kuss auf die Lippen.
„Kannst du dich aufsetzen? Du musst etwas trinken.“ Ich könnte mich aufsetzen, dass weiß ich. Aber aus irgendeinem Grund möchte ich nicht. Daher schüttele ich leicht den Kopf. Behutsam schiebt er einen Arm unter meinen Nacken. Als er mir eine Tasse an die Lippen setzt, hebe ich den Kopf. Trinke einige kleine Schlucke und muss husten.
„Was ist das?“ Ist das tatsächlich meine Stimme? So verkratzt habe ich mich noch nie angehört. Lächelnd sieht er mich an.
„Kamillentee. Komm nimm noch einige Schlucke. Ich weiß, dass es scheußlich schmeckt.“ Wiederstrebend leere ich die Tasse aus. Muss dabei ein Würgen unterdrücken.
Sanft lässt er mich in die Kissen zurücksinken und will aufstehen, doch ich halte ihn fest.
„Ich bin gleich wieder da.“ Damit verlässt er das Bett. Unweigerlich beginne ich zu zittern. Was ist den nur geschehen?
„Cedrik bist du da?“ Frage ich in Gedanken und bete, meinen Freund zu erreichen.
„Was hast du gemacht Angelo?“ Besorgnis und Wut schwingen in seiner Stimme mit.
„Gott sei Dank, Cedrik. Bitte erklär mir, was geschehen ist. Du hast es doch gesehen? Mein Vater, er wollte, dass ich mit ihm mitgehe. Aber ich will nicht, habe mich geweigert.“
„Und anscheinend sehr erfolgreich. Es tut mir leid, dass ich dir nicht helfen konnte. Ich stand vor der Scheune, konnte nicht eintreten.“
„Weil du ein reiner Engel bist“, schlussfolgere ich.
„Genau, du jedoch hattest die Wahl und hast sie immer noch. Du bist beides. Engel und Dämon!“ innerlich schüttel ich den Kopf.
„Ich möchte mich nicht entscheiden müssen. Du kennst meine Einstellung und weißt was ich wählen würde.“
„Ja und das ist die falsche Wahl. Kümmer dich gut um Darius. Noch ist der Auftrag nicht vorbei. Danach werden wir weiter reden.“ Ohne sich zu verabschieden, verschwindet er wieder. Wie es bei Cedrik nun einmal typisch ist.
Gedankenverloren starre ich an die Decke, lasse das Geschehene Revue passieren. Und kann es doch nicht erklären.
Was bin ich? - Halb Engel und halb Dämon.
Woher kommen die Kräfte? - Bis jetzt dachte ich immer, sie wären himmlischer Herkunft, aber heute?
Was für ein Engel bin ich?
Ich erinnere mich an das ganze Feuer, was mich umhüllt, aber nicht verbrannt hat.
Immer heftiger klappern mir die Zähne. Schüttelt sich der Körper vor Kälte und Angst. In dem Moment, als ich Darius erblicke, falle ich ihm in die Arme. Suche Halt und Schutz bei dem großen Mann.
Beruhigend legt er die Arme um mich.
Trägt mich zurück ins Bett und deckt uns beide zu.
Es dauert eine ganze Weile, bis ich zur Ruhe komme und in einen Albtraum durchtränkten Schlaf falle.
- Darius -
Immer noch verblüfft sehe ich in das angstverzerrte Gesicht von Angelo. Ich frage mich, was er erlebt hat, dass ihn solch eine Angst einjagt.
Behutsam ziehe ich ihn an meine Brust, bette seinen Kopf auf meinem Bizeps. Unablässig streichele ich ihn beruhigend. Gebe ihm einen leichten Kuss auf die Stirn.
„Schlaf mein kleiner Engel. Ich werde dich beschützen.“
Die ganze Nacht werde ich an seiner Seite wachen und wenn es sein soll auch für den Rest meines Lebens.
Erschrocken sehe ich mich um. Aber niemand ist da, es waren meine eigenen Gedanken. Gedanken an eine Zukunft mit Angelo an meiner Seite.
Ob es nur ein Wunschdenken ist? Ich weiß es nicht. Aber ich werde alles versuchen, um ihn davon zu überzeugen.
Angelo mein kleiner schwarzer Engel.
- Angelo -
Nur langsam erwache ich aus dem Schlaf.
Versucht mich doch der Traum festzuhalten.
Es ist ein Leben, dass ich mir nicht wünsche und kämpfe verzweifelt dagegen an.
Immer wieder versuchen mich krallenähnliche Hände zu packen. Wollen mich in die Dunkelheit zurückziehen.
„Du kannst nicht gewinnen!“ Dröhnt die Stimme meines Vaters durch die Schwärze.
„Du gehörst mir Angelo. Mir allein!“ Wild schreiend schlage ich um mich.
Muss immer wieder an grüne Augen und eine sanfte Stimme denken.
„Alles ist gut. Ich bin bei dir.“ Flüstert jemand in mein Ohr. Ich drehe mich um, aber niemand ist zu sehen. Und doch spüre ich seine Präsenz. Starke Arme ziehen mich an eine breite Brust. Warmer Atem berührt meine verschwitzte Haut.
„Ganz ruhig Angel, ich passe auf dich auf!“ Ein Versprechen, von dem ich weiß, dass es nie gebrochen wird. Solange ich es zulasse.
Eine Hand legt sich auf mein rasendes Herz, während heiße Lippen meinen Hals liebkosen.
„Spüre mich, atme mit mir.“ Es sind nur leise Worte, eine Bitte, die ich nur zu gern befolgen möchte.
Ob nur Minuten oder gar Stunden vergehen, weiß ich nicht. Doch der andere Körper beruhigt mich. Fängt mich auf und lässt mich durchatmen.
„So ist gut Angel.“ Noch immer sind meine Augen geschlossen. Genieße die Berührungen und sehe in Gedanken seine grünen Augen. Seufzend schmiege ich mich der Wärme entgegen. Ein leises Lachen dringt an mein Ohr.
„Wach auf mein Kleiner!“ Mein Grummeln lässt ihn erneut auflachen. Zärtlich streifen die Lippen über meine Haut, bis sie die meinen berühren. Ein sanfter Stoß mit der Zunge bittet um Einlass, den ich ihm nur zu gerne genehmige.
Stöhnend beuge ich mich seinen Liebkosungen entgegen. Habe das Gefühl, seine Hände überall auf den Körper zu spüren.
„Öffne deine Augen für mich.“ Es dauert eine Weile, bis ich der Bitte gehorchen kann. Nur schwerfällig bekomme ich die Lider gehoben und blicke in zwei wunderschöne grüne Seen. Wie von selbst hebe ich eine Hand, lege sie an seine Wange.
Millimeterweise senkt er den Kopf, bis unsere Lippen sich wieder berühren. Ich weiß, dass ich wach bin und doch weiche ich nicht aus. Lege alles, was ich fühle in diese Begegnung.
Es ist nur ein Kuss und doch sagt er so vieles aus.
- Darius -
Ruckartig werde ich von Schreie aus dem Schlaf gerissen. Angelo liegt neben mir. Windet sich, schreit und schlägt. Es muss ein furchtbarer Albtraum sein.
Vorsichtig schlinge ich die Arme um ihn. Ziehe den kalten, verschwitzten Körper an meine Brust und flüster immer wieder beruhigende Worte in sein Ohr.
Instinktiv lege ich meine Hand auf sein rasendes Herz, so wie er es gestern bei mir gemacht hat. Und es hilft. Zunehmend wird die Atmung des Kleinen ruhiger.
So sehr ich mich auch versuche zusammen zureißen, die goldene Haut lockt mich. Kann nicht lange widerstehen.
Sanft wandern die Lippen über seinen Hals. Bittet meine Zunge Einlass in Angelos Mund, den er mir gewährt.
Doch ich möchte seine Augen sehen. Die schwarzen Obsidian die nicht menschlich erscheinen. Möchte sehen, was er fühlt, wenn er wirklich wach ist.
„Öffne deine Augen für mich!“ Es dauert eine Weile, aber dann sieht er mich an.
Schubst mich nicht von sich. Nein, er legt eine Hand an meine Wange. Mustert mich intensiv.
Wage kaum zu atmen, als ich langsam den Kopf senke. Behalte dabei seine Augen im Blick.
Zuerst berühren sich die Münder nur flüchtig. Angelos Hand wandert in meinen Nacken, zieht mich dichter zu sich. Mit der Zunge dringt er in meine Höhle. Erforscht jeden Winkel, fordert mich heraus.
Was wie eine flüchtige Begegnung begann, endet verzweifelt nach Halt suchend.
Spüre ich doch, wie der Kleine alles in diesen Kuss legt. Liebe, Vertrauen, aber auch Angst und Verzweiflung.
Nur ungern unterbreche ich das Spiel, doch ich muss ihn einfach an mich ziehen.
Fest umschlinge ich den kleinen Körper, drücke ihn an meine Brust und streichel unablässig über das schwarze Haar.
Keiner von uns sagt ein Wort. Lassen einfach unsere Körper sprechen.
- Angelo -
Noch immer kann ich mir nicht erklären, was ich fühle.
Wie mein Körper auf Darius reagiert.
„Cedrik“ rufe meinen Freund. Hoffe, dass er mir Antworten geben kann. Doch Cedrik meldet sich nicht.
Tief durchatmend löse ich mich von Darius. Mein Körper schreit nach der Nähe des Mannes, doch ich bin verwirrt. In seinen Augen erkenne ich das gleiche Gefühl.
Ich weiß, wir müssen reden, doch nicht jetzt. Schnell stehe ich auf und verschwinde unter die Dusche. Lasse Darius im Bett zurück.
Heiß läuft das Wasser über mein Gesicht. Schaffe es etwas klarer zu sehen. Doch was für Empfindungen das sind, darüber weiß ich keine Antwort.
Vorsichtigen Schrittes gehe ich aus dem Badezimmer. Bekleidet nur mit einem großen Handtuch.
Darius sitzt noch immer im Bett. Seine Augen scheinen mich zu verschlingen. Was mir die Röte ins Gesicht treibt.
„Komm her Angel!“ Erstaunt sehe ich auf. Ist das tatsächlich Darius Stimme gewesen? Aber ansonsten ist niemand im Zimmer.
Auffordernd schlägt er die Decke zurück und klopft neben sich auf die Matratze.
Mein Kopf rebelliert und dennoch mache ich einen Schritt nach dem anderen. Bis ich schließlich vor dem Bett stehe.
Unsicher halte ich das Handtuch zusammen, soll ich mich neben ihn setzen oder nicht?
„Ich muss …“ Will mich umdrehen und mir etwas anziehen, doch Darius ist schneller. Greift nach meinem Arm und zieht mich zu sich. Er hat so einen Schwung, dass ich direkt auf ihn falle. Dabei löst sich mein einziger Schutz.
Erschrocken hole ich tief Luft, doch sofort liegen seine Lippen auf Meinen.
„Angel“, stöhnt er in meinen Mund.
Lege die Hände auf Darius Schulter, eigentlich mit der Absicht ihn wegzustoßen. Doch ich kralle mich in sein Shirt. Ergebe mich ihm.
- Darius -
Verdammt seid dem Angelo im Badezimmer verschwunden ist sitze ich hier. Kann mich einfach nicht losreißen. Stelle mir vor, wie das Wasser seine Haut liebkost. Leise stöhnend schließe ich die Augen. Lehne mich an das Kopfteil zurück und lauschte den Geräuschen.
Höre sofort, als er die Dusche und kurz darauf das Badezimmer verlässt und sehe in seine Richtung.
Mir bleibt die Spucke im Hals stecken. Angelo, nur mit einem Handtuch um die Hüfte. Seine goldene Haut und das schwarze Haar glänzen vor Feuchtigkeit. Ich muss ihn unbedingt berühren und schmecken.
„Komm her Angel!“ Rau und tief ist die Stimme vor Verlangen. Irritiert blickt der Kleine sich um. Deutlich zeige ich ihm, dass er zu mir kommen soll.
Ganz langsam kommt er rüber, so als wüsste er nicht, was gerade geschieht. Verkrampft hält er das Handtuch fest, was mich lächeln lässt.
„Ich muss …“ er will sich wegdrehen, dich ich greife nach seinem Arm, ziehe ihn zu mir. Angelo verliert den Halt, fällt auf mich. Dabei löst sich das Badetuch und gleitet zu Boden.
Tief holt er Luft, doch noch bevor er etwas sagen kann, küsse ich ihn.
„Angel“, stöhne ich, nach Luft schnappend. Spüre, wie er die Hände auf meine Schultern legt, und rechne damit, weggedrückt zu werden. Aber das Gegenteil geschieht. Ich bin froh, mir in der Nacht Shorts und Shirt angezogen zu haben, denn Angelos Finger krallen sich fest in den Stoff. So als hätte er Angst, mich zu verlieren.
Bedächtig lasse ich die Hände über seinen Körper gleiten. Erkunde jeden einzelnen Zentimeter Haut. Vorsichtig nähere ich mich seinem Po. Kurz zuckt Angelo zusammen, als ich die Hände darauf lege und ihn an mich drücke. Doch da ich nichts weiter mache, entspannt er sich wieder.
Genieße seine Wärme, seine Haut zu berühren. Möchte ihn auf der meinen spüren, doch bremse ich mich. Noch zu früh, sage ich mir immer wieder.
Mit Angelo ist es anders. Kein One-Night-Stand, kein Spiel.
- Angelo -
Alles in mir brennt, habe das Gefühl in Flammen zu stehen. Ungewohnte Berührungen lassen mich erzittern. Merke, dass Darius weiß, was er tut.
Immer tiefer zieht mich ein unbekannter Strudel. Wie Wellen schlagen die Empfindungen über mir zusammen. Es ist als würde ich ertrinken und doch spendet mir Darius Mund Sauerstoff und Elixier. Verzweifelt kralle ich mich in sein Shirt, aus Angst alles zu verlieren.
Ein Klopfen lässt uns zusammenfahren. Rasch legt Darius eine Decke über uns, lässt mich aber nicht fliehen.
„Herein“, knurrt er ungehalten.
„Guten Morgen … oh“ überrascht bleibt Sandro mit offenem Mund stehen. Langsam bildet sich ein Lächeln in seinem Gesicht.
„Ich wollte nur Bescheid geben, dass es in einer Stunde Essen gibt.“ Sagt er nach einem Räuspern, dreht sich um und verschwindet wieder.
Doch Darius lässt mich immer noch nicht aufstehen. Verwundert sehe ich ihn an.
„Glaub mir Angel, ich würde jetzt lieber etwas anderes machen, aber wir müssen da erscheinen.“ Er haucht mir einen Kuss auf die Stirn, bevor er weiter spricht.
„Ich weiß nicht warum sich die Grenzen verwischt haben, aber für mich ist das kein Spiel mehr.“
Bedächtig legen sich seine Lippen auf die Meinen.
KEIN SPIEL!
Nein eine Show ist das schon lange nicht mehr zwischen uns. Doch gebe ich keine Antwort.
Nur ein kurzes Nicken signalisiert, dass ich verstanden habe. Bevor ich ihm den Rücken zukehre, um mich anzuziehen.
Sein musternder Blick brennt sich förmlich in meinen Körper.
- Darius -
Das Essen findet noch im kleinen Kreis statt, soll die Party doch erst zum Abend starten.
Argwöhnisch sind die Blicke, die uns jeder zuwirft. Beschützerisch ziehe ich Angelo an meine Seite.
„Danke“, haucht er leise und Wärme breitet sich in mir aus. Genieße es, dass der Kleine mir vertraut.
Ein Kellner bringt für Angelo extra zubereitetes Essen, was uns wieder Blicke einbringt.
„Darf ich?“ Frage ich leise. Möchte doch wissen, was er isst. Verwundert sieht er mich an, zuckt letztendlich nur mit den Schultern und beobachtet, wie ich eine Gabel von jedem nehme. Der Geschmack ist ungewohnt, aber dennoch sehr lecker.
„Was ist das?“ Lächelnd sieht er mich an. Es ist ein Strahlen, dem ich nicht widerstehen kann und ihm die Hand auf die Wange lege. Leicht schmiegt er sich hinein.
„Nussbraten mit Mungobohnenpüree.“
„Es ist gut, daran könnte ich mich gewöhnen.“
„Ehrlich?“ Sein Lächeln wird breiter. Die schwarzen Obsidiane strahlen wie funkelnde Sterne.
„Ehrlich“, hauche ich und küsse ihn sanft auf dem Mund.
Lautes Aufatmen ist in der Runde zu vernehmen, doch ich habe nur Blicke für Angelo. Beobachte, wie er erneut die Gabel füllt, aber anstatt sie selbst zu essen, hält er mir die gefüllte Gabel entgegen, füttert mich.
Zu zweit teilen wir uns seine Portion. Lasse meinen Teller links liegen.
- Angelo -
Nie hätte ich gedacht, dass Darius sich in aller Öffentlichkeit so benehmen würde.
Noch in der Zweisamkeit des Zimmers hat er mir gesagt, dass es kein Spiel mehr wäre. Doch ich bin verunsichert. Aber als er mich beim Essen küsst, so süß und verlangend, da ist jeder Zweifel vergessen.
Dass ihm mein Essen wirklich schmeckt, erkenne ich an Darius Gesichtsausdruck. Wir teilen uns mein Gericht, seines rührt er noch nicht einmal an.
„Weißt du, dass uns alle anstarren?“ Frage ich nach dem Essen.
„Das weiß ich, aber dich scheint es nicht zu stören!“ Liebevoll küsst er mir auf die Nasenspitze.
„Komisch ist das schon alles.“ Gebe ich zu und meine Stimmung verändert sich auf einen Schlag. Darius bemerkt es und zieht mich in seine Arme.
„Was bedrückt dich Angel?“ Ich überlege, ob ich die Wahrheit sagen kann. Möchte kein Geheimnis mehr aus meinem Leben machen.
„Angelo!“ Meldet sich in diesem Moment Cedriks donnernde Stimme.
„Du darfst es niemanden sagen!“ Wettert er weiter.
„Aber meinst du nicht, dass er bereits etwas ahnt?“
„Und dennoch darfst du nichts sagen. Es ist schon schlimm genug das er dich nicht vergessen hat, als du im Club auf ihn trafst.“
Tief seufze ich und lasse mich in Darius Wärme sinken. Sanft berühren seine Lippen mein Haar.
„Ist wirklich alles in Ordnung Kleiner?“ Schnell nicke ich, bevor doch noch ein Wort meine Lippen verlässt.
Mittlerweile ist es Abend geworden und das Fest wurde nach draußen verlegt, da die Gäste an die hundert sind.
„Darius ich möchte dir einen Freund der Familie vorstellen.“ Erschrocken richte ich mich auf, als Darius Vater auf uns zukommt. Doch bei dem Anblick des Freundes erstarre ich. Sinke zurück in Darius Arme.
Unaufhaltsam beginnt mein Körper zu zittern. Schweiß benässt meine Stirn und stoßweise entkommt mir der Atem.
„Angel?“ Besorgt ist Darius blick, doch ich kann nicht reagieren. Hält mich der Mann im Bann.
„Angelo verdammt reiß dich zusammen!“ Cedriks Stimme hallt einer Ohrfeige gleich in meinen Ohren. Doch auch er schafft es nicht, mich aus meiner Versteinerung zu befreien.
„Sohn“, begrüßen uns beide Männer gleichzeitig, als sie vor uns stehen.
Darius sowie sein Vater sehen uns fragend an. Mein Zittern nimmt zu und unbemerkt kralle ich mich an Darius Arm, der über meiner Brust liegt.
„Das ist mein Sohn Angelo.“ Stellt mich mein Vater unnötigerweise noch einmal vor.
„Ich wusste jedoch nicht, dass unsere Söhne so vertraut miteinander sind.“ Teuflisch ist sein Grinsen, welches er mir zuwirft.
„Darius ich würde gerne mit dir unter vier Augen reden.“ Verlangt sein Vater. Doch Darius merkt meine Angst, zieht mich enger an seine Brust.
„Das kannst du auch hier Vater. Ich habe vor Angelo keine Geheimnisse.“ Der Dämon beißt sich auf die Unterlippe, das läuft absolut nicht, wie er es sich geplant hat.
„Darius bitte …“
„Es ist schon gut.“ Unterbricht mein Vater.
„Wenn Angelo es so möchte, dann bitte …“ Eiskalt läuft es mir den Rücken runter, als der Mann meinen Arm ergreift und mich von Darius wegzerrt.
„Angel …“ Darius will mir hinterher, doch sein Vater hält ihn fest. Jedoch wehrt er sich, reißt sich immer wieder aus dem Griff des Älteren, bis dieser ihm eine Ohrfeige verpasst.
Es fühlt sich so an, als hätte ich selbst eine bekommen und da endlich reagiere ich.
„Cedrik bitte hilf mir!“ Flehe ich, doch mein Freund ist nicht da.
„Vergiss es. Dein Engel kann dich nicht beschützen. Er kommt an dich nicht ran, solange du bei mir bist.“ Hecktisch geht mein Blick durch die umstehende Menschenmenge.
Da, neben Sandro steht mein Freund. Traurig lässt er den Kopf hängen.
„Angel!“ Darius Stimme. Er steht mir gegenüber, flehendlich ist sein Blick. Er hat versprochen mich zu beschützen und muss doch versagen.
„Nein!“ Noch immer zittert mein Körper, doch nicht länger vor Angst.
Wut macht sich in mir breit. Lava durchströmt die Adern. Mit aller Kraft entreiße ich dem Dämon meinen Arm. Spüre nicht wie ich beginne zu brennen. Meine Flügel zerreißen das Hemd, was ich trage, legen sich schützend um den nackten Oberkörper.
Ich höre am Rande, wie mehrere Leute nach Luft schnappen, schreien und applaudieren.
Sie halten es für eine Show, den wer glaubt schon an Engel?
Doch was gerade geschieht, ist Realität.
Das boshafte Lachen dringt an mein Ohr.
Der Dämon hat hinter sich ein Tor geöffnet, aus dem Hunderte von Klauen ragen.
„Komm mein Sohn, es wird Zeit für dich nach Hause zu kehren!“ Wieder versucht er meinen Arm zu greifen, doch mein Feuer schlägt ihm entgegen, lässt den Dämon zurückweichen.
„Komm freiwillig mit mir, sonst zwinge ich dich!“ Unruhig geht mein Blick erst zu Cedrik, dann zu Darius, bevor ich den Dämon wieder ansehe.
Sein Gesicht verzieht sich zu einer breiten Grimasse. Noch ehe ich realisieren kann, schreit Darius überrascht auf. Umzingelt von zwei abartigen Kreaturen steht er da. Dann ein Laut von Cedrik. Schwer liegen schwarze Eisenketten um Hals und Handgelenke des Engels.
Ich bin hin und her gerissen. Was soll ich tun?
„Hör auf dein Herz!“ Schmerzverzehrt klingt die Stimme des Freundes in meinen Ohren.
„Komm zu mir und ich lasse beide wieder frei.“ Ich weiß, dass er lügt, er ist ein Dämon.
Es gibt nur eine Entscheidung, wenn ich beide retten möchte. Auch wenn es heißt, alles zu verlieren.
„Nein Angel, das darfst du nicht!“ Cedrik kennt meine Entscheidung, fleht mich an.
Doch ruhig ist mein Atem. Habe ich mich letztendlich entschieden.
Langsam schreite ich erhobenen Hauptes auf meinen Vater zu, reiche ihm die Hand.
Er ergreift sie. Ich sehe zurück zu den Männern, beide sind frei und stehen alleine da.
Genau das ist mein Zeichen, was ich benötige.
Ich höre auf mein Herz. Die Gefühle für Darius. Das Verbündnis der Freundschaft zu Cedrik.
Obwohl mir Cedrik viel bedeutet, wiegen die Gedanken und Emotionen für Darius mehr.
Ruhig atme ich, lass die Hitze in den Adern ansteigen. Das Blut kocht, Schweiß perlt von meiner Haut. Fest halte ich die Hand des Dämons, spüre, wie die Hitze zwischen uns pulsiert.
„Was …“ erschrocken sieht er mich an. Beginnt zu verstehen.
„Du hast gewonnen“, schreit er mich an. Versucht verzweifelt sich aus meinem Griff zu befreien.
„Verschwinde für immer aus meinem Leben!“ Rau klingt die Stimme. Habe mich kaum noch unter Kontrolle.
Langsam weicht der Mann mir gegenüber zurück.
Seine Kreaturen haben sich bereits durch das Tor gezwängt. In dem Moment, als mein Vater im Durchgang steht, entfessele ich meine ganze Kraft.
Ein regelrechter Feuersturm geht auf ihn nieder. Verbrennt das Tor und versiegelt den Durchgang.
Die Flügel können den Körper vor den Flammen nicht schützen.
Rieche noch verbrannte Haut, spüre die unendliche Hitze. Erblicke die tosenden Flammen um mich herum.
Und mit einem Schlag ist alles schwarz.
Ich höre und sehe nichts mehr.
Fühle meinen Körper nicht.
Ich falle ins Nichts!
- Cedrik -
Nein verdammt Kleiner. Fluchend sprinte ich zu dem am Boden liegenden Angelo hinüber. Hülle uns in eine Wolke des Vergessens. Ein Blick zu den Schaulustigen zeigt mir, dass es funktioniert hat. Alle gehen ihrer Wege, tun so als wäre nichts gewesen.
Alle bis auf zwei.
Darius steht noch immer wie angewurzelt da, starrt uns an. Als er versucht einen Schritt auf uns zu zugehen schwankt er gefährlich.
„Sandro“, zische ich den Boten an. Dieser verdreht nur die Augen und steht ein Herzschlag später bei dem jungen Mann. Leise höre ich, wie Darius immer wieder Angel sagt, doch meine Aufmerksamkeit ruht auf den Jungen in meinen Armen.
„Sandro bring Darius ins Zimmer. Versuch ihn vergessen zu lassen. Ich muss Angelo zurückbringen.“ Schneidend ist meine Stimme, als ich meinem Kollegen die Anweisung erteile.
„Aye aye mon Ami“, ist alles was der andere erwidert, hat er den Ernst der Lage bereits erkannt.
Bevor er noch etwas sagen kann, löse ich mich mit Angelo im Arm in Luft auf.
„Was ist passiert?“ Angelos Mutter kommt in sein Zimmer geeilt. Sieht ihn kurz an und dann mich. Wartet auf eine Antwort.
„Er hat gegen seinen Vater gekämpft.“ Versuche meine Stimme ruhig zu halten.
Auch nach zwanzig Jahren kann ich nicht verstehen, wie man sich mit einem Dämon nur einlassen kann. An Angelo hat sie nie einen Gedanken verschwendet.
„Er hat gekämpft?“ Interessant, eine Spur entsetzen schwingt in ihrer Stimme mit.
„Ja“, ist alles, was ich darauf sage.
Vorsichtig säubere ich den geschundenen Körper mit einem weichen Tuch. Immer wieder fällt verbrannte Haut und Dreck von ihm ab. Doch unter dem ganzen Schmutz strahlt bereits die gebräunte, neue Schicht Leben.
Ich bin erleichtert, dass er sich so schnell regenerieren kann. Aber noch immer ist Angelo nicht erwacht.
Wann seine Mutter das Zimmer verlässt, weiß ich nicht und es ist mir ehrlich gesagt auch egal. Einzig das Wohlergehen des Jungen liegt mir am Herzen.
Fast vierunddreißig Stunden schläft er schon. Die Haut ist wie neu, nur seine Flügel, die haben sich nicht erholt.
Ich ahne bereits, was das für ihn heißt.
Ein Engel ohne Flügel?
Wenn ich könnte, würde ich ihm sofort meine geben, aber das ist nur ein Wunsch.
Einmal verlorene Flügel wachsen nicht mehr nach.
Sobald er wieder genesen ist, heißt das, dass ich ihn auf die Erde bringen muss.
Das Reich hier oben wird für Angelo für immer verschlossen sein.
Seufzend sinke ich neben den schlafenden Jungen in die Kissen.
„Kleiner was hast du nur getan?“ Belegt ist die Stimme und eine einzelne Träne kullert mir über die Wange.
„Ich habe das gemacht, was du gesagt hast.“ Erschrocken richte ich mich auf.
„Seit wann bist du wach?“ Sanft streiche ich ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Noch nicht lange. Was ist geschehen? Hat mein Vater es endlich kapiert?“ Behutsam setzt er sich auf, sieht sich im Zimmer um. „Wie lange bin ich schon hier? Was ist mit Darius?“ Sehnsuchtsvoll ist der Blick, als Angelo nach dem Mann fragt.
Vorsichtig ziehe ich meinen Schützling an die Brust.
„Zwei Tage bist du bereits hier. Dem Dämon hast du ganz schön die Hölle eingeheizt und ja ich glaube, dass er es verstanden hat.“ Tief hole ich Luft.
„Es tut mir Leid Kleiner. Dein Auftrag wurde abgebrochen. Niemand auf dem Gestüt kann sich an dich erinnern.“
„Nein“, verzweifelt versucht Angelo sich aus meinem Arm zu befreien. Doch eisern halte ich ihn geborgen. Spüre als die ersten Tränen mein Shirt berühren.
„Alles wird gut Angel. Auch du wirst ihn wieder vergessen. Es war nur ein Job.“ Flüstere ich und hoffe inständig, dass ich Recht behalten würde.
- Sandro -
Es ist ein grauenhafter Anblick, den Angelo abgibt. Auch wenn Cedrik sich mit ihm verhüllt, bleibt es meinen Augen nicht verborgen.
Langsam schweift mein Blick über die Menschenmenge, die sich bereits verteilt. Niemand erinnert sich mehr an die letzten Minuten, geschweige den an den Jungen.
„Sandro“, zischt Cedrik in meinen Kopf. Kann er nicht einmal ruhig sein?
Doch da erkenne ich das Unheil.
Darius scheint sie immer noch zu sehen.
Wie ist das möglich? Einen Wimpernaufschlag später stehe ich bei ihm.
„Darius mein Freund, lass uns ins Haus gehen!“ Leicht liegt meine Hand auf seiner Schulter. Bin bemüht ihn zu dirigieren.
„Sandro bring Darius auf sein Zimmer. Versuche ihn Vergessen zu lassen. Ich muss Angelo zurückbringen.“ Obwohl Cedriks Stimme kalt und beherrscht klingt, höre ich die Angst um seinen Freund heraus.
„Aye aye mon Ami.“ Im nächsten Augenblick sind sie verschwunden.
„Was?“ Überrascht blickt mich Darius an. Schmerz und angst sind in den Augen zu lesen.
„Komm wir gehen aufs Zimmer, dann erkläre ich dir alles.“ Hoffe jedoch, dass ich nichts erklären muss. Aber Cedrik sagte versuch ihn vergessen zu lassen, soll das etwa bedeuten, dass das nicht funktionieren könnte? Seufzend mache ich mich mit meinem Freund auf den Weg ins Haus.
Im Zimmer angekommen reiche ich Darius einen Becher.
„Hier trink, das beruhigt die Nerven.“ Widerstrebend nimmt er das Getränk an und nippt.
„Aber das ist das Getränk von Angelo.“ Ein Lächeln umspielt seine Lippen. Wahrscheinlich denkt er an eine bestimmte Situation.
„Letztens war ich in einem Club. Einen Tag, bevor ich Angelo offiziell kennenlernen sollte. Er stand so allein in einer Ecke, konnte ihn einfach nicht widerstehen. Als er verschwand, stand sein Glas noch auf dem Tresen und ich nahm einen Schluck. Es schmeckte nach Honig. Genau wie das hier.“ Seufzend lässt er sich auf das Bett fallen und schließt die Augen.
„Wie geht es dem Kleinen?“ Seine Stimmung ist innerhalb von Sekunden umgeschlagen. Obwohl er das Glas fast ausgetrunken hat, erinnert er sich immer noch an alles.
„Weißt du Sandro, dass ihr anders seid, du und Angel, das habe ich sofort gemerkt. Ihr seit perfekt und doch habt ihr etwas Unschuldiges an euch.“Unwillkürlich muss ich lachen, was mir einen skeptischen Blick einbringt.
„Es tut mir leid Darius, aber ich und unschuldig?“
„Du vielleicht nicht, aber der Kleine! Jede Geste ist so vorsichtig gewesen. Als hätte er noch nie geliebt, wäre noch nie berührt worden.“ Er schwebt komplett in Gedanken, bemerke ich, als er einen Finger auf die Lippen legt. Mitfühlend setze ich mich neben ihn.
„Weißt du Darius, es wäre besser du würdest ihn vergessen.“
„Nein“, mit einem Satz springt er auf.
„Sandro ich kann ihn nicht vergessen. Ich … ich liebe ihn!“ Zum Ende des Satzes wird er immer leiser. Die Stimme bricht und er muss schwer schlucken.
Verdammt da haben wir was angerichtet.
Wahre Liebe kann man nicht vergessen lassen.
Jetzt heißt es abwarten.
Nur wenn es Angelo genauso geht wie meinem Freund, dann haben die beiden eine Chance.
- Cedrik -
Eine Woche, sieben Tage. Seufzend lasse ich mich auf das Bett sinken.
Kein einziges Wort hat Angelo mehr gesprochen.
Nichts gegessen und trinken tut er nur das Nötigste. Der Kleine liegt zusammengerollt im Bett. Weint immer wieder.
Ich bin verzweifelt, versuche alles Mögliche, doch Angelo reagiert auf nichts.
Kenne aber eine Person, die alles erreichen würde. Doch soll ich es wagen?
„Kleiner bitte rede endlich mit mir. Du machst mir Angst Angel.“ Vorsichtig streiche ich ihm übers Haar. „Was bedeutet er dir?“ Versuche das Gespräch in eine Richtung zu führen, die ich bis jetzt umgangen bin.
Groß werden die Augen und ein leichtes Aufblitzen ist zu erkennen.
„Alles“, krächzt er. Nach einer Woche schweigen ist die Stimme rau. „Ich vermisse ihn, sein Lachen, die Augen. Den Geruch und seine Berührungen. Cedrik bitte ich muss ihn wieder sehen:“ Tränen laufen ihm über die Wangen. Sanft wische ich sie weg.
„Was würdest du tun, wenn du die Chance hättest, Darius wieder zu sehen?“
Aufgeregt setzt sich der Kleine auf.
„Ich … ich“ er muss sich sammeln, zittert vor Nervosität. „Ich würde kämpfen, ihn nie wieder gehen lassen. Wenn …“ Angst spiegelt sich in seinen Augen wieder. „Cedrik woher weiß ich, dass er mich nicht vergessen hat?“ Beruhigend ziehe ich ihn an meine Brust.
„Ich werde mit Sandro sprechen und dann sehen wir weiter. Aber du musst etwas essen.“ Nur widerstrebend willigt er ein.
Als ich das Zimmer verlasse, ist Angelo brav am Essen. Auch wenn er es selbst nicht weiß, aber er liebt einen Menschen. Hoffentlich ist er sich bewusst, auf was er sich da einlässt.
Aber auch wenn nicht, mit Darius an seiner Seite und Sandro und mir im Hintergrund wird er alles meistern können.
- Sandro -
Darius ist in der letzten Woche nicht wieder zu erkennen. Er stürzt sich regelrecht in Arbeit, ist launisch. Nichts kann man ihm recht machen. Die ganzen Tage bin ich an seiner Seite, auch wenn er mich nicht sieht.
„Sandro?“ Cedriks Stimme lässt mich zusammenzucken.
„Was ist los Großer?“
„Erzähl mir, wie es dir mit Darius ergeht?“ Stellt er die Gegenfrage. Ich seufze und schüttele innerlich den Kopf.
„Du bist herrisch Cedrik. Nun gut. Mit Darius ist es Horror. Hat nur schlechte Laune, schreit alle an und kommandiert sie rum. Nur wenn er alleine ist, ist er friedlich. Sitzt stundenlang am Fenster und schaut in den Himmel.
Und er hört nur ein Lied. Die ganze Zeit läuft der Feuerengel. Er liebt den Kleinen wirklich. Vor einer Woche hat er es mir gesagt und man merkt es am Verhalten. Wenn es Angelo genauso geht, dann sollten wir sie zusammenbringen.“
„Kein Essen, kein Reden. Nur wenn ich ihn auf Darius anspreche, strahlen die Augen.“
Unser Gespräch ist damit beendet. Wir wissen was wir zu tun haben und fangen sofort an alles in die Tat umzusetzen.
- Darius -
Fühle mich zwei Wochen zurück versetzt.
In mir ist schmerzende Leere. Etwas fehlt an meiner Seite.
Weiß auch genau was, oder besser gesagt wer. Tief seufzend sehe ich aus dem Fenster. Doch auch der traumhafte Ausblick vermag mein Herz nicht zu wärmen.
„Darius?“ Sandros nervige Stimme. Mein Freund ist nach dem Wochenende auf dem Gestüt mit zu mir gereist.
„Hier steckst du.“ Er hat mich gefunden.
„Du bist so was von hoffnungslos“ trällert er. Kann nicht verstehen, wie man so gut gelaunt sein kann.
Freundschaftlich legt er eine Hand auf meine Schulter. Knurrend will ich beiseitetreten, doch er hält mich auf. Lasse mich seit zwei Wochen von niemandem berühren.
„Ich will dir nur eine Nachricht übermitteln.“ Versucht er mich zu beruhigen. Aufmerksam lausche ich seinen Worten.
„Komm heute Abend um elf in den Club. Alles Weitere wirst du dann sehen.“
Skeptisch blicke ich ihn an. Doch er lacht nur und dreht sich zum Gehen.
„Sei pünktlich und wage es nicht dort nicht aufzutauchen. Das wirst du für immer bereuen.“ Damit lässt er mich allein im Sonnenlicht stehen.
Irritiert blicke ich Sandro hinterher. Was will er mir damit sagen? Ich werde es wohl nur erfahren, wenn ich hingehe.
Zehn Stunden bleiben mir noch.
Gemütlichen Schrittes beginne ich mir Sachen raus zu suchen und zu duschen.
Meine Gedanken kreisen derweil nur um eine Sache. Denke an einen schmächtigen jungen Mann mit schwarzen Haaren und Obsidian Augen.
Mein kleiner Angel, so unschuldig und doch so liebenswert. Seufzend lasse ich mir das heiße Wasser über den Körper laufen.
Zwanzig junge Jahre ist Angelo gerade einmal und fast zwei Köpfe kleiner als ich. Wünsche mir ihn jetzt in den Armen halten zu können. Seine Lippen zu schmecken.
Noch bevor ich alles richtig realisieren kann, muss ich los zum Club. Ich weiß nicht warum, aber ich werde von einer innerlichen Unruhe angetrieben.
- Angelo -
„Nun komm schon Angel. Du musst los.“ Mürrisch blicke ich vom Schreibtisch auf.
Seid drei Tagen sitze ich hier und erledige Papierkram. Gestern hat Cedrik mir einen neuen Auftrag erteilt, aber bis auf Ort und Zeit weiß ich nichts. Das Ganze wurde mir mit dem Codenamen Herzenssache überreicht.
„Warum ich? Lass mich doch einfach hier im Büro.“ Noch immer arbeite ich für die Begleitagentur, aber vor vier Tagen hat man mir deutlich zu verstehen gegeben, dass ich im alten Reich nichts mehr verloren habe. Das alles ist mir irgendwie egal.
Was ich arbeite, wo ich lebe, nichts interessiert mich mehr.
Nur ein Paar grüne funkelnde Augen.
Jede Nacht träume ich von ihm. Es ist so intensiv, dass ich am Morgen das Gefühl habe ihn noch immer schmecken und riechen zu können. Darius, noch nie habe ich solch eine Sehnsucht und Verlangen verspürt.
„Keine Chance Kleiner. Nur du kannst diesen Auftrag bewältigen und jetzt geh!“
Scheucht mich Cedrik auf und aus dem Büro.
Knurrend begebe ich mich auf den Weg in den Club.
Unwillkürlich muss ich an den Abend vor meinem letzten Auftrag denken. Wie ich auf Cedrik gewartet habe, aber Darius auf mich zu kommt. Ein Jäger, der seine Beute fixiert. Und doch ist er sanft wie eine Feder in jeder Berührung und Geste.
Mittlerweile bin ich im Club. Stelle mich wieder in die Ecke von letztens.
Auf wen oder was soll ich hier nur warten?
Seufzend sehe ich mich um und erstarre.
Ist das wahr?
Sollte es Wirklichkeit sein?
Ungläubig reibe ich mir die Augen. Doch es ist kein Traum!
- Darius -
Langsam gehe ich die Stufen im Club hinunter. Halte Ausschau nach irgendwem oder etwas bestimmten. Immer wieder schweift der Blick über die Tanzfläche und den Tresen, kann aber nichts erkennen.
Doch dann verlangt eine Bewegung meine Aufmerksamkeit und ich erstarre.
In der hintersten Ecke des Tresens steht ein schlanker junger Mann. Kein Gramm Fett zu viel, aber auch nicht zu dünn. Muskeln, die gut definiert sind, jedoch nicht hervorstechen. Zwei Köpfe kleiner als ich mit vorne kurzen und hinten langen schwarzen Haaren. Volle weiche Lippen, die zum Küssen einladen. Und Augen, die leuchten wie die schwarze Nacht.
Sein Blick ruht auf mir, auch er hat mich erkannt. Seine Miene spiegelt Überraschung und Unglauben wieder. Was ich ihm nicht verdenken kann.
Schritt für Schritt näher ich mich ihm. Mein Blick hält seinen gefangen.
Erst wenige Zentimeter vor ihm bleibe ich stehen. Vorsichtig strecke ich die Hand, achte auf jegliche Regung, als sie die glatte warme Wange berührt.
Als wären wir erst in diesem Moment erwacht, wirft sich der Kleine in meine Arme.
Tief vergrabe ich das Gesicht in seinem Haar, drücke den Körper fest an mich.
Die kleinen Arme umschließen meine Mitte. Das Gesicht ist an meiner Brust geschmiegt.
Spüre ein Zittern, was den Jungen durchläuft und höre die leisen Schluchzer, die er versucht zu unterdrücken.
Behutsam streichel ich ihm über den Rücken.
Langsam hebt er den Blick, sieht mich mit den schwarzen Augen schüchtern an.
- Angelo -
Ist das wirklich wahr?
Noch immer kann ich es nicht glauben, dass Darius hier ist. Er kommt immer näher. Unsere Blicke sind ineinander verankert.
Erst als er vor mir steht und mich berührt weiß ich, dass es Wirklichkeit ist.
Meine Knie werden weich und ich lasse mich an seinen Körper sinken. Kann es nicht glauben, soll das von Cedrik geplant worden sein?
„Herzenssache“, flüstert mir der Freund ins Ohr, begleitet von einem leisen Lachen. Erst jetzt verstehe ich.
Es ist gar kein wirklicher Auftrag, es geht um unsere Zukunft.
Schluchzer und Tränen der Freude lösen sich.
Hebe den Blick und sehe in seine grünen Augen. Stelle mich auf die Zehenspitzen und berühre sanft Darius Lippen mit meinen.
Nur Stunden später sitzen wir auf der Dachterrasse seines Hauses.
Befinde mich zwischen seinen Beinen, angelehnt an die starke Brust und beschützt von seinen Armen.
Während wir in die Sterne schauen, läuft leise Musik im Hintergrund.
Ich schließe die Augen, lausche dem Klang des Liedes.
Der Text des Liedes, ist unserer Wahrheit so nah.
Sitzen eng umschlungen, keine Seele in unserer Nähe.
Genieße die Zweisamkeit und wünsche mir, dass dieser Augenblick nie enden wird.
Ein Seufzen entrinnt sich meiner Kehle.
Auch wenn ich es nicht wahr haben möchte, ist dieses Lied auf mich geschnitten.
Möchte immer etwas zu tun haben.
Bin vom Wesen jedoch unschuldig.
Ich glaube schon, dass Darius von mir erstaunt ist.
„Das Lied passt zu uns. Genau wie die anderen.“ Fragend hebe ich den Blick.
„Du bist mein Feuerengel. Mein Angel. Das ist auch der Grund gewesen, warum du bei dem Namen zusammengezuckt bist. Habe ich recht?“
Keine Abscheu, kein Unglauben ist in der Stimme. Nur Zuneigung und Vertrauen.
Langsam nicke ich. Traurigkeit macht sich in mir breit.
„Angel“, sanft gleitet ein Finger über meine Lippen.
„Nein“, flüster ich. „Bin kein Engel mehr. Habe alles verloren …“ Beruhigend küsst er die Tränen weg.
„Du wirst immer mein Angel bleiben.“ Bevor ich etwas erwidern kann, hat er meinen Mund mit den Lippen verschlossen.
„Ich wünsche dir alles Glück mein Freund.“ Erklingt Cedriks Stimme leise in meinem Ohr.
„Aber“, will etwas sagen, doch weiß nicht was.
„Ich werde immer in deiner Nähe sein Angelo, doch du wirst mich nicht mehr brauchen.
Du hast deinen Weg gewählt. Glaube mir, wir werden uns wieder sehen. Aber es wird eine Zeit vergehen.
Werde glücklich. Darius ist der Richtige für dich. Er wird dafür Sorgen, dass es dir an nichts fehlt.“ Traurig klingt Cedriks Stimme und zum Ende ist sie so leise, dass ich kaum noch etwas verstehe.
Ich rufe nach ihm, doch bekomme keine Antwort. Mein Freund und Lehrer ist verschwunden.
Eine einzelne Träne löst sich aus meinen Augen.
Mein Blick geht zu den Sternen empor, wo in diesem Moment eine Sternschnuppe vorüberzieht.
„Wünsch dir etwas!“ Haucht Darius in mein Ohr.
Und ich wünsche mir etwas. Drehe mich zu ihm um und lächel.
„Alles, was ich mir Wünsche, ist hier.“ Lege die Arme um seinen Nacken und koste den unwiderstehlichen Geschmack seiner Lippen.
Lebe jetzt den Augenblick Könnt er doch nur endlos sein.
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Tag der Veröffentlichung: 26.03.2014
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