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Blind Date

Hunderte von Dates habe ich bereits hinter mir, dennoch lasse ich mich von Lex zu einem weiteren überreden.

„Bitte nur noch diesen einen Robby. Ich schwöre wenn es wieder nicht klappt lasse ich dich für immer in Frieden“, bettelt der Kleine solange bis ich nachgebe.

Dabei will ich keine Verabredung, meine Wahl ist bereits vor geraumer Zeit gefallen.

1,87 Meter schmaler Körper und kräftige Oberarme. Mit seinen Schulterlangen blondgelockten Haaren und den blauen Augen ähnelt er einem Engel, doch weiß ich aus Erfahrung, dass dies nicht so ist. Die Person weiß was er will und wie er seinen Kopf durchsetzen muss. Hat immer ein spitzbübiges Grinsen im Gesicht und der Schalk sitzt ihm im Nacken. Obwohl er Mitte zwanzig ist, ist etwas Kindliches in ihm geblieben.

Seufzend verschließe ich die Gedanken, hat es doch keinen Sinn sich nach jemandem zu sehnen, der nicht das Gleiche empfindet.

 

Missmutig sehe ich auf die Uhr. In drei Stunden soll das Date stattfinden. Lex hat es arrangiert. Zeit und Ort, erkennungsmal ist eine blaue Rose.

Über den Einfallsreichtum muss man einfach lachen.

Unter der Dusche stehend, denke ich an den einen, für mich doch unerreichbaren Mann. Stelle mir vor wie es wäre ihn heute Abend zu begegnen. Mit meinen 1,97 Meter überrage ich ihn nur geringfügig. Auch in der Statur ähneln wir uns. Nur Augen und Haare sind gänzlich Unterschiedlich. Während seine gleichmäßig blond sind, sind die meinen in so chaotischen Brauntönen, dass man die Farbe nicht definieren kann. Die Augen haben sich der Haarfarbe angepasst, dunkelbraun mit hellen Sprenklern. Ein Grund, warum ich meistens eine Sonnenbrille trage.

Meine Gedanken schweifen ab, male mir aus wie es wäre den Traummann hier unter der Dusche bei mir zu haben. Genüsslich den Körper des anderen zu berühren. Langsam das Duschzeug zu verreiben. Jeden einzelnen Muskel, die empfindlichen Stellen zu erkunden. Schließe die Augen, habe das Gefühl seine Hände auf den erhitzten Körper zu spüren. Der Atem im Nacken lässt mich erzittern. Knurrend beende ich die Dusche. Auch wenn mir der Gedanke Erleichterung verschafft, bin ich frustriert. Ist es doch nur ein Traum und wird wohl niemals Wirklichkeit werden.

 

Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich mich jetzt beeilen muss.

Etwas genervt, weil sich doch Nervosität in mir breitmacht, stehe ich eine Stunde später, in Jeans, Hemd und ohne Sonnenbrille gekleidet, vor meinem Lieblingsrestaurant.

Noch einmal tief durchatmend betrete ich das Lokal und erstarre.

An der Wand gelehnt steht der Mann den ich Daten soll. Lässig dreht er eine blaue Rose zwischen den Fingern. Ungläubig sehe ich ihn an. Unsere Blicke treffen sich, langsam verziehen die Lippen sich zu einem Lächeln, was mir nur allzu bekannt ist. Er weiß was er in mir auslöst, erkenne ich an seinen belustigenden Augen und die Art wie er die Lippen kräuselt.

Doch in dem Moment, als er sich in Bewegung setzt, drehe ich mich um und stürme aus dem Gebäude.

 

Weit komme ich nicht, da packt mich eine kräftige Hand am Arm und hält mich auf.

„Warte Robby, bitte!“ Drehe mich schäumend vor Wut um.

„Was soll das Alexis, willst du mich verarschen?“ Auf die umhergehenden Passanten achte ich nicht, lasse dem Ärger freien Lauf.

„Warum bist du so gereizt Robby. Ein Date mehr verlange ich nicht.“ Ungläubig sehe ich in die kristallblauen Pupillen, erkenne die Ehrlichkeit seiner Worte, doch ist es mir unerklärlich.

Tief durchatmend schließe ich die Augen, versuche mein Temperament zu zügeln.

„Seit wann? Ich meine wir kennen uns drei Jahre und nie hast du etwas durchblicken lassen.“

„Ich habe nichts durchblicken lassen?“ Mit weit aufgerissenen Augen sieht er mich an. „Wer ist den derjenige, der unerreichbar ist? Du bist stur wie ein Esel und auf jegliche Annäherung hast du mit Abwehr reagiert.“

„Ich dachte du stehst nicht auf Männer.“ Er hat versucht mir etwas zu zeigen? Wie blind muss ich gewesen sein?

„Wie blind musst du gewesen sein um das nicht zu bemerken“, spricht er das aus, was ich denke. „ Alles hab ich getan um dir nahe sein zu können. Doch ich habe die Vermutung gehegt, dass ich nicht dein Typ bin.“

Er und nicht mein Typ? Ist er doch der Mann meiner Träume. Fassungslos schüttle ich den Kopf.

„Aber warum erst jetzt? Warum diese unzähligen Dates?“

„Ich meinte die Aussage ernst: Wenn es nicht klappt, lasse ich dich für immer in Frieden.“

„Wage es nicht“, die Worte kommen bevor ich überhaupt denken kann. Aus einem Impuls heraus lege ich die Hände an sein Gesicht und Küsse ihn.

Nur zögernd und immer noch auf Abwehr gefasst, doch Alexis überrascht mich. Legt seine Hände an meine Taille und zieht mich an sich.

„Drei Jahre habe ich auf diesen Augenblick gewartet.“ Streiche Gedankenverloren über seine Wange und blicke in die blauen Augen.

„Wie schwer haben wir es uns gemacht“, stimme ihm mit einem Nicken zu.

Soll mein Traum jetzt doch wahr werden? Unauffällig kneife ich mir in den Handrücken und zucke zusammen. Alexis muss gesehen haben was ich tue, denn lächelnd schüttelt er den Kopf.

„Nein Robby es ist kein Traum.“ Zur Bestätigung legt er mir die Hand in den Nacken und zieht mich zu einem Kuss ran, der mich aus den Schuhen kippen lässt. Seine Zunge bahnt sich den Weg zwischen meinen Lippen und Zähnen, streichelt mich am Gaumen und umspielt die Meine. Wildes gepfeife der Passanten ignorierend, lege ich keuchend die Stirn an seine. Blicke in die blauen Tiefen und habe das Gefühl in den Emotionen zu ertrinken.

 

„Komm das Essen wartet, sonst besetzen sie den Tisch neu.“ Reißt Alexis mich aus den Gedanken.

Ohne nachzudenken ergreife ich die dargebotene Hand. Gemeinsam gehen wir zurück zum Restaurant wo vor drei Jahren alles angefangen hat.

„Ein Geschäftsessen wird das aber nicht wieder werden“, erinnere mich lachend an das Kennenlernen. Mein Chef bestellte mich und einige Kollegen der obersten Besetzung in dieses Lokal um uns seinen Sohn und Nachfolger vorzustellen. Damals war Alexis gerade mal einundzwanzig. Die Blicke, mit denen wir uns gegenseitig musterten sprachen Bände, doch habe ich es nie bemerkt. Er war der Sohn meines Chefs, mein baldiger Vorgesetzter, ich durfte nichts mit ihm Anfangen. Und doch sitzen wir jetzt hier. Trinken ein Glas Wein und warten darauf, dass die Vorspeise kommt.

„Wie wird es werden? Man wird über uns tuscheln, oder du möchtest nicht, das man etwas bemerkt.“ Verständnislos blickt Alexis mich an. „Du bist mein Boss, zumindest wenn dein Herr sich zur Ruhe setzt. Was wird man sagen wenn du dich mit mir zeigen lässt?“ Aufmunternd greift er über dem Tisch nach meiner Hand.

„Was die anderen sagen interessiert mich nicht. Du hast keine Vorteile, den Posten, den du begleitest hat dir mein Vater gegeben und daran werde ich nichts ändern.“ Verlegen wird sein Blick, als er den Kopf senkt und mich durch die Haare anschaut, die ihm vors Gesicht gefallen sind. „Davon ab, dass mein Vater von uns weiß. Er ist klüger als er manchmal tut. Hat unser beider Verhalten schneller durchschaut als wir. Öfter hat er mir gesagt wie du mich ansiehst, aber ich habe es abgetan. Ich hatte Angst etwas zu riskieren und die Freundschaft zwischen uns ist zu wertvoll. Du bist der erste, dem es egal ist wie reich ich bin, oder was für einen Posten ich übernehme. Dir geht es immer nur um den Menschen und nie um das Vermögen oder ansehen. Du wolltest nie einen anderen Aufgabenbereich, auch wenn du mehr verdient hättest. Nie hast du versucht mich auszunutzen.“

„Und das würde ich auch heute und in Zukunft nicht machen. Bin glücklich mit meinem Job und das Geld reicht aus. Ich möchte noch etwas von meinem Leben haben und nicht nur Arbeiten für Geld, was ich im Endeffekt nicht ausgeben kann, weil ich keine Zeit dafür habe. Ich hoffe, dass auch die Kollegen das sehen und nicht anfangen mich zu mobben. Vielleicht würde es leichter sein, wenn wir während der Dienstzeit uns normal verhalten…“ Alexis möchte protestieren, das erkenne ich an seinem Blick, doch lasse ich ihn nicht zu Wort kommen. „… aber das möchte ich nicht. Will nicht in ständiger Gefahr leben erwischt zu werden, wenn wir gemeinsam Mittagessen oder uns berühren. Aus diesem Alter bin ich raus.“ Beschämt senke ich den Blick, weil mir mit dieser Aussage nur allzu deutlich wird wie alt ich wirklich bin.

„Du denkst jetzt doch wohl nicht an unseren Altersunterschied? Was ist bei zehn Jahren den bitte schon auszusetzen? Mein Dad wird sich für uns freuen“

„Zehn Jahre ist eine lange Zeit“, schüttle Gedankenverloren den Kopf. „Aber du hast Recht. Der Altersunterschied hat unserer Freundschaft nicht geschadet, warum sollte es sich in der Beziehung ändern?“

Der Kellner unterbricht unsere Unterhaltung, als er ein Essen serviert, was ich nicht bestellt habe.

„Das ist mein Leibgericht und das möchte ich gern mit dir Teilen.“ Ein einzelner großer Teller wird serviert, mit Spagetti und Fleischklößchen.

„Susi und Strolch“, entschuldigend zuckt Lex mit den Schultern.

„Ich habe mich einfach in den Film verliebt, vor allem wenn die Zwei sich beim Essen küssen.“ Verschmitzt reicht er mir eine Gabel. Das Essen verläuft wie im Film. Wir teilen uns alles, bis zum letzten Kloß. Und bei dem Nudelrest schaffen wir es doch tatsächlich, dass wir beide an ein und derselben ziehen. Was folgt ist vorherzusehen. Verliebt blicken wir uns in die Augen, schmelze bei seinem Blick dahin. Langsam, wie in Zeitlupe kommen wir uns näher, bis seine Zunge über meine Lippen leckt.

Der Kuss ist zu heiß, um weiter im Restaurant sitzen zu bleiben.

„Lass uns den Nachtisch mitnehmen. Ich möchte mit dir ungestört sein.“ Obwohl ich älter bin als Alexis, ist er derjenige, der das Kommando übernimmt und bestimmt wo es lang geht.

Genau das ist der Grund, warum ich mich in den Kleinen verliebt habe. Ich bin kein Anführer, im Gegensatz zu ihm. Ich genieße es, wenn er den Ton angibt.

Ob es privat so bleibt, oder sich da die Rollen verwischen, bleibt abzuwarten.

Mit diesem Gedanken verlassen wir das Lokal, hinaus in ein Abenteuer der Liebe.

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Tag der Veröffentlichung: 05.03.2014

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