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Déjà-vu



„Hey Bengel aussteigen!“ grob werde ich am Arm gepackt und nach oben gezerrt.
Erschrocken reiße ich die Augen auf, brauche einen Moment um zu begreifen wo ich bin.
„Entschuldigung“, stotter ich unwirsch, doch da hat mich der Busfahrer bereits unsanft aus dem Fahrzeug befördert.
„Wo bin ich hier nur gelandet?“ Orientierungslos blicke ich mich um.
Es ist mitten in der Nacht, nur spärliches Licht bringen die wenigen Laternen, die ringsherum stehen.
Große Gebäude mit zerbrochenen Fenstern, die zum Teil mit Brettern vernagelt sind. Löcher in den Maschendrahtzäunen.
Das alles umgibt eine gespenstische Stille.
Unwillkürlich zieht sich alles in mir zusammen. Kälte und Angst lassen mich erzittern.
Weiß nicht, in welche Richtung ich gehen soll. Sehe zu dem Bus zurück, doch der ist bereits verschwunden. Bin wohl so in Gedanken, dass ich das noch nicht einmal bemerkt habe.
Seufzend mache ich mich auf den Weg. Immer der Straße entlang, aus der Richtung aus der der Bus kam.
Wenn ich mir doch nur sicher wäre, von wo ich gekommen bin. Missmutig sehe ich in alle Richtungen, nichts kommt mir bekannt vor.
Mit hängenden Schultern gehe ich unsicheren Schrittes weiter. Die Arme fest vor meinem Körper verschränkt, so als würde ich mich selbst umarmen und so vor der Kälte schützen wollen. Aber es funktioniert nicht.
Bereits nach wenigen hundert Metern vernehme ich Schritte. Tief und schnell. Wer auch immer sich hier rumtreibt, kommt rasch näher.
Hilfe suchend blicke ich mich um. Hinter der nächsten Häuserecke finde ich eine Gasse. Erkenne die Umrisse von Müllcontainern. Renne hinein und zwänge mich an die Wand zwischen zwei Containern. Hoffe das ich hier nicht entdeckt werde.
Angestrengt lausche ich auf die Geräusche. Noch immer werden die Schritte lauter. Jetzt kommen sie langsam näher. Habe bereits das Gefühl, dass die Person sich am Gasseneingang befindet.
Verzweifelt beiße ich mir auf die bebenden Lippen, habe die Knie an meinen Oberkörper gezogen, fest umschlungen mit den Armen. Doch nichts vermag die Kälte und Angst zu vertreiben.
Eine gefühlte Ewigkeit, nichts ist mehr zu hören, oder zu sehen. Nur mein Atem zerreißt die Stille.
Vorsichtig erhebe ich mich. Langsam und mit den Augen in alle Richtungen blickend, verlasse ich die Gasse.
Die Straße ist leer. Erleichtert atme ich auf, doch mein Körper bleibt angespannt.
Zügig laufe ich aus der Gegend.
Nach einigen Häuserblocks beschleicht mich das Gefühl beobachtet zu werden, obwohl ich nichts sehen kann. Nichts, außer einem schwarzen Hund, der hinter mir herkommt.
Wie angewurzelt bleibe ich stehen.
Gewöhnlich habe ich keine Angst, doch dieses Tier ist riesig. Langsam kommt es auf mich zu. Keine Angriffshaltung ist zu erkennen. Dennoch wage ich es nicht, mich zu bewegen. Neugierig schnüffelt es an mir, beißt in den Jackensaum und lässt mich ihm ungewollt folgen. Bin zu eingeschüchtert um mich loszumachen, geschweige den auf die Umgebung zu achten.
Daher blicke ich erschrocken auf, als eine sanfte Stimme an mein Ohr dringt.
„Samuel wen hast du da mitgebracht?“ Mein Kopf schnellt nach oben. Stehe einem Mann gegenüber.
Die Statur ist unter einem langen Mantel mit Kapuze versteckt. Die untere Hälfte des Gesichts ist verdeckt von einem Schal. Aber auch so wäre es zu dunkel, um überhaupt etwas von ihm erkennen zu können.
Bei den Worten des Mannes lässt mich Samuel los, bleibt jedoch dicht neben mir stehen.
Mit weit aufgerissenen Augen sehe ich meinem Gegenüber an, bekomme keinen Ton heraus.
„Was machst du hier in der Gegend?“ Scharf erklingen die Worte, die mich prompt erzittern lassen.
„Bus …“, bekomme ich nur leise zustande. Samuel entkommt ein Winseln, woraufhin ich ihn ansehe. Lasse die Hand vorsichtig auf seinen Kopf aufliegen. Er jedoch beachtet mich nicht, gibt eigenartige Laute von sich, als wenn er dem Mann etwas erzählen will.
„Bring ihn nach Hause!“ Enttäuschung liegt in der Stimme des Mannes.
Samuel ergreift wieder meinen Jackensaum und zieht mich an den Fremden vorbei.
Ohne Vorwarnung hält dieser mich am Oberarm fest.
„Pass besser auf dich auf. Die Gegend ist nichts für dich.“
So dicht kann ich seine Augen erkennen. Sie scheinen zu strahlen, so intensiv ist sein Blick.
Samuel knurrt kurz und zieht mich weiter. Raus aus dem Bann der grau-grünen Augen des Mannes.

Ohne zu überlegen oder auch nur auf den Weg zu achten, folge ich dem Tier.
Irgendwann bleibt er stehen und ich sehe erschrocken auf. Wir stehen vor dem Wohnhaus, in dem mein Appartment liegt.
„Woher …?“ setze ich an, doch da schubst Samuel mich in den Rücken, signalisiert mir, dass ich reingehen soll. Gehorsam schließe ich auf und trete in den spärlich beleuchteten Flur.
„Danke“, drehe mich zur Straße, um mich zu verabschieden, doch Samuel ist bereits verschwunden.
Weiß gerade nicht, ob ich erleichtert oder enttäuscht sein soll.
Seufzend betrete ich den Aufzug, fahre in die dreizehnte Etage und gehe in meine Wohnung.
Die Dunkelheit und Stille setzt mir zu. Fühle mich sofort in die Gasse zurückversetzt.
Innerhalb weniger Sekunden brennt überall Licht und die Vorhänge sind zugezogen.
Kauer mich auf der Couch zusammen und lasse den Tag Revue passieren.

Bereits am Morgen lachte mich der Tag aus.
Freitag der dreizehnte.
Eigentlich bin ich nicht abergläubig, aber nach den Geschehnissen!
Erst klingelt mein Wecker nicht, dann springt das Auto nicht an, sodass ich mit dem Bus fahren muss und prompt zu spät auf Arbeit erscheine. Selbst die Technik ist mir nicht wohlgesinnt und zu guter Letzt schlafe ich im Bus ein und lande im Nirvana.

Seufzend erhebe ich mich, bin zu aufgewühlt um zur Ruhe kommen zu können, also stelle ich mich unter die heiße Dusche.
Nur langsam lockern sich die verkrampften Muskeln.
Kaum bin ich aus dem Bad raus, habe ich jedoch wieder das Gefühl beobachtet zu werden.
Bis auf die Nachttischlampe am Bett lösche ich alle Lampen und rolle mich unter der Decke zu einer Kugel zusammen.
Schnell falle ich in einen unruhigen Schlaf voller wirrer Träume.


Als ich am nächsten Morgen erwache, habe ich nur einen Gedanken.
Ich muss den Fremden wieder sehen. Habe so deutlich die Augen vor mir und die Stimme klingt noch immer in meinen Ohren nach.
Versuche es den Tag über zu ignorieren, doch nach Ende der Schicht ist der Drang so groß, dass ich ihm ungefragt nachgebe.
Steige in den Bus und fahre. Meine Knie zittern vor Angst, doch versuche ich es zu verdrängen. Es ist die gleiche Uhrzeit wie am Tag zuvor, der einzige Unterschied: Heute schlafe ich nicht.

Kaum habe ich den Bus verlassen bereue ich meine Entscheidung.
Was soll ich ihm sagen, wenn ich ihn überhaupt finde?
Eiseskälte breitet sich in mir aus. Unruhig geht mein Blick durch die Gegend.
„Blöde Entscheidung“, pflichte ich mir selbst bei und begebe mich auf den Weg.
Wie am vorangegangenen Tag habe ich auch heute das Gefühl beobachtet zu werden.
Bereits nach wenigen Minuten vernehme ich Schritte hinter mir und obwohl mir die Angst in den Gliedern steckt, zwinge ich mich weiter zu laufen.
„Was machst du hier?“ Starr vor Schreck bleibe ich stehen, doch erkenn ich die Stimme. Es ist der Fremde mit den grau-grünen Augen. Kein Ton entkommt meinen Lippen. Spüre wie er näher kommt.
„Was machst du hier?“ Wiederholt er seine Frage dicht an meinem Ohr.
Sein Atem an meinem Hals lässt mich zittern.
In dem Moment taucht Samuel vor mir auf. Knurrt mich an. Nein nicht mich, erkenne ich, als der Fremde zurückweicht. Im nächsten Augenblick ist er verschwunden.
Mit schief geneigtem Kopf beäugt mich das Tier und kommt langsam näher.
„Ich weiß, dass ich nicht hier sein sollte, aber … es tut mir leid Samuel.“ Strecke die Hand ihm entgegen und nach einigen Sekunden drückt er den Kopf dagegen.
Wie am Tag zuvor begleitet er mich nach Hause. Diesmal versuche ich auf den Weg zu achten.
Genauso schnell wie er erschienen ist, verschwindet er, kaum das ich im Treppenhaus stehe.
Resigniert fahre ich nach oben, kann die Gedanken über den Fremden, Samuel und mein Verhalten nicht sortieren oder abschalten.
Auch in der Nacht durchnebeln die Geschehnisse meine Träume.
Einzig die Augen und Stimme des Fremden bleiben im Vordergrund Präsenz.

In den nächsten Tagen zwinge ich mich regelrecht dazu, nicht in die Gegend zu fahren. Stürze mich in Arbeit und treffe jeden Abend meine Freunde und Kollegen. Nur wenn ich des Nachts im Bett liege, kommen die Träume und Gedanken wieder.
Eine Woche schaffe ich es der Anziehung zu widerstehen, doch am Freitag muss ich ihn wiedersehen.

Wie letzte Woche fahre ich mit dem Bus. Angst will sich diesmal nicht in mir aufbauen.
Ein Kribbeln läuft durch meinen Körper, lässt mich erzittern. Doch ist es ein Sehnen und Verlangen.
Nervös steige ich an der Endhaltestelle aus und warte bis der Bus weggefahren ist.
Dann erst drehe ich mich langsam um und da steht er. Keine zehn Meter, an einer Häuserwand gelehnt. Einen Moment erstarre ich, weiß nicht recht wie ich darauf reagieren soll, doch schließlich gehe ich mit gestrafften Schultern auf ihn zu.
„Bist du Lebensmüde ständig hier herzukommen?“ Niedergeschlagen klingt seine Stimme, doch das Grau-grün seiner Augen strahlt mich verlangend an.
Vorsichtig überwinde ich die letzten Schritte, bis ich direkt vor ihm stehe.
„Vielleicht, ich weiß nur dass ich dich wiedersehen muss.“ Unwissentlich flackert das Grün, scheint zu leuchten. Doch im nächsten Moment senkt er den Blick, dreht sich um und geht.
„Sag mir wenigstens deinen Namen. Bitte!“ flehe ich flüsternd. Hätte gedacht, dass er es nicht hören würde, doch in diesem Augenblick bleibt er stehen, sieht mich an und sagt „Reno“, bevor er sich umdreht und weiter geht.
„Eric“, wie ferngesteuert spreche ich meinen Namen aus. Obwohl er schon weg ist, bin ich mir fast sicher, dass er ihn gehört hat.

Erst etliche Sekunden später realisiere ich, dass ich allein bin. Angst kriecht in meine Knochen. Beginne zu zittern und lasse mich zu Boden sinken.
Habe das Gefühl von überall höhnisches Gelächter zu vernehmen. Unwillkürlich dränge ich mich an die Mauerwand. Knie an den Oberkörper gezogen und die Arme davor verschränkt.
Die Geräusche werden lauter. Schritte und Stimmen. Blicke mich hastig um. Bin eingekesselt, sehe rote Augenpaare. Ich schüttel den Kopf, das ist doch alles nur Einbildung. Kneife die Augen fest zusammen, treu dem Gesetz: Ich sehe euch nicht, also seht ihr mich auch nicht. Obwohl ich weiß, dass das Humbug ist.
„Samuel, Reno“, wie ein Hauchen verlassen die Namen flehend meine Lippen. Ich zitter so stark, dass ich mir auf die Zunge beiße, bis sie blutet und auch meine Lippen werden bereits zur Genüge von meinen Zähnen malträtiert.

Ein Knurren an meinem Ohr lässt mich leise aufschreien. Verängstigt reiße ich die Augen auf.
„Samuel“ dankbar schließe ich wieder die Lider, mein Herz beruhigt sich etwas.
„Eric“ Renos weiche Stimme. Er hockt vor mir, sieht mich fast schon verzweifelt an. Das Grau seiner Augen ist stark zu erkennen.
„Du blutest“, sagt er leise, legt eine Hand an meine Wange. Langsam gleitet sie in meinen Nacken. Reno hält mich so fest, als sein Kopf näher kommt bis die Zunge über meine geschundenen Lippen leckt. Die Augen fallen mir wieder zu und unwillkürlich öffnet sich der Mund, als sich mir ein Stöhnen entringt. Sanft dringt die Zunge ein, umspielt die Meine.
Wie Blitzeinschläge durchströmt ein Kribbeln meinen Körper. Greife in seinen Mantel um ihn noch näher zu ziehen. Doch in diesem Moment löst Reno sich von mir.
„Ich bringe dich nach Hause.“ sagt er atemlos und mit verschleiertem Blick. Erkenne, dass ihm der Kuss nicht kalt gelassen hat.

„Halt die Stellung Samuel!“ Das Tier knurrt kurz und beäugt uns mit schief gelegtem Kopf, als Reno mir aufhilft und mit sich zieht.
Wie betäubt folge ich ihm, achte nicht auf den Weg, bis wir vor meinem Wohnhaus stehen.
Ich schließe auf und rechne fast damit, dass ich alleine bin, doch Reno betritt mit mir das Gebäude.
Schweigend fahren wir zu meiner Wohnung hinauf. Weiß nicht wirklich, was ich von Renos Verhalten denken soll.
Unbewusst kaue ich auf meiner Unterlippe bis ich Blut schmecke.
„Eric“, stöhnt Reno neben mir, fixiert meinen Mund. Zaghaft hebt er eine Hand, streicht mit dem Daumen vorsichtig über die Wunde. Langsam kommt sein Kopf näher.
Doch noch bevor unsere Lippen sich berühren geht die Aufzugstür auf. Stolpernd verlasse ich den engen Raum und schließe meine Wohnung auf.
Noch ehe wir richtig drin sind, drückt Reno mich an die nächste Wand und nimmt meinen Mund in Besitz.
Aufstöhnend öffnen sich die Lippen und Renos Zunge gleitet hinein.
Habe das Gefühl, als wenn er jeden Millimeter Haut kontrolliert.
Keuchend richtet er sich auf. Verlangend ist der Blick, doch sagen tut er nichts.
Zärtlich streicht er mir über die Wange und Stirn, gibt eigenartige Laute von sich.
Merke wie mir die Lider schwer werden. Die Muskeln wollen nicht mehr reagieren und langsam sinke ich zu Boden. Reno ist noch bei mir, achtet darauf, dass ich mich nicht verletze.
„Schlaf Eric. Morgen wirst du dich an nichts mehr erinnern. Alles wird verblassen. Lebe dein Leben wie du es kennst. Nichts wird dich an mich erinnern.“
Will bei den Worten protestieren, doch mein Körper gehorcht mir nicht mehr. Triffte unaufhaltsam in einen tiefen Schlaf.


Die nächsten Tage und Wochen vergehen als wäre nie etwas geschehen.
Nur des Nachts in der Wohnung habe ich das Gefühl beobachtet zu werden.
Innerlich schüttel ich den Kopf. Wohne ich doch am Rand eines verlassenen Industriegebietes. Mittlerweile bin ich nur noch zum Schlafen in der Wohnung, ansonsten treibe ich mich auf der Arbeit oder mit Freunden und Kollegen rum.
Seufzend halte ich den Kopf in den Händen. Kopfschmerzen plagen mich. Versuche es auf das Wetter zu schieben oder auf das morgige Datum:
Freitag der dreizehnte, mal wieder.
Wieso ist dieser Tag nur so wichtig für mich?
Nach einem Bier und zwei Kopfschmerztabletten lege ich mich ins Bett.
Die Nacht ist nur kurz und der Schlaf alles andere als erholsam.

Der Tag beginnt, wie soll es anders sein, ich verschlafe. Den Wecker habe ich scheinbar in der Nacht ausgeschaltet. Übereilt sprinte ich zu meinem Auto. Erst vor einem Monat habe ich es reparieren lassen können. Versuche es zu starten, aber es tut sich nichts. Geschlagene zehn Minuten probiere ich vergeblich loszufahren. Missmutig schlage ich gegen das Lenkrad und steige aus.
„Diesmal lasse ich es wirklich verschrotten, elendiges Teil.“ fluchend gehe ich zur Bushaltestelle. Mich jetzt noch zu beeilen würde nichts mehr bringen.
Mit zwei Stunden Verspätung komme ich auf Arbeit an. Die Stunden hinten ran zu setzen, ist für mich derweil das kleinere Übel.
Wenn doch nur die Technik funktionieren würde. Sowohl der Computer als auch der Drucker, alles scheint sich gegen mich verschworen zu haben.
Um dreiundzwanzig Uhr kann ich endlich Feierabend machen.
Seufzend steige ich in den letzten Bus und döse ungewollt ein.

„Hey Bengel aussteigen!“ Unsanft werde ich am Arm hochgerissen und aus dem Bus befördert. Erschrocken reiße ich die Augen auf, brauche einen Moment um zu realisieren wo ich bin.
Ein entsetztes Keuchen bleibt mir im Hals stecken. Unkontrolliert beginnt der Körper zu zittern.
Ein unbestimmtes Gefühl des Wiedererkennens steigt in mir auf. Aber das ist unmöglich, war ich hier noch nie gewesen. Daran müsste ich mich doch erinnern. Und doch lässt mich der Gedanke nicht los.
Eng umschließen die Arme meinen Körper, versuche mich vor der Kälte und der Angst zu schützen.
Weiß nicht wo lang ich gehen soll.
Verunsichert rutsche ich an der nächsten Häuserwand zu Boden. Berge mein Gesicht in den Armbeugen.
Schritte, die schnell näher kommen, lassen mich aufblicken. Plötzlich verstummen sie, aber niemand ist zu sehen.
„Eric was machst du hier?“ Erschrocken von der rauen, aber auch sanften Stimme schreie ich auf.
„Woher?“ Versuche ich zu fragen, doch die Zähne klappern so stark, dass ich mir immer wieder auf die Zunge beiße. Schmecke bereits das Blut, als es sich mit dem Speichel vermischt und die Kehle hinunter rinnt.
Fluchend hockt sich jemand vor mir, legt die Hand an meine Wange. Will zurückweichen, schreien, doch da hält er mich am Nacken. Nicht grob, aber so bestimmt, dass ich nicht weg kann.
Grau-grüne Augen blicken mich an. So bekannt und doch fremd. Jede Nacht sehe ich diese Augen und weiß nicht wo sie hingehören.
Sanft legen sich seine Lippen auf meine, dringt die Zunge in meinen Mund.
Es ist nur ein Augenblick, doch reicht es aus um mich erinnern zu lassen.
„Reno warum?“ Halte ihn an den Oberarmen fest, als er mit erschrockener Miene sich von mir lösen will. Reno blickt mich noch einen Moment lang an, dann steht er auf und wendet sich ab. Schlaff gleiten meine Hände an ihn vorbei.
„Bring ihn nach Hause!“ sagt er an seinen Begleiter gewandt und will gehen.
„Nein Reno bitte.“ Es ist nur ein Hauchen, doch Reno dreht sich noch einmal zu mir um. Was er in meinen Augen gesehen haben muss, scheint ihn zu überzeugen.
„Zu mir!“ sagt er noch und geht.
Wortlos folge ich dem Fremden. Immer wieder habe ich das Gefühl verfolgt zu werden. Doch der Mann läuft seelenruhig weiter.
Den ganzen Weg über sagt er kein Ton. Es ist ein unheimliches Gefühl, als würde ich geradewegs in das Zentrum eines Sturmes einmarschieren.

„Warte hier!“ Mit diesen Worten lässt mich der Fremde allein zurück.
Langsam blicke ich mich um. Versuche in dem dämmrigen Licht etwas zu erkennen.
Es scheint eine Wohnung zu sein.
Fenster und Türen lassen sich nur erahnen.
Gehe einige Schritte weiter in den Raum und stoße mit den Schienbeinen gegen etwas. Als ich es ertaste, erkenne ich eine Couch. Seufzend lasse ich mich darauf nieder und reibe die Beine.

Die Zeit vergeht, doch nichts passiert.
Zweifel machen sich in mir breit und ich überlege, ob ich nicht doch lieber gehen soll.
Sehe mich um, aber erkenne kaum die Hand vor Augen. Wie soll ich da den Ausgang finden.
Niedergeschlagen sinke ich in die Lehne und schließe die Augen.
Muss wohl eingeschlafen sein, denn als ich die Augen öffne, ist es hell im Zimmer und jemand steht in der Tür.
Brauche einen Moment, um zu erkennen, dass es Reno ist.
„Oh es tut mir leid.“ Versuche ich mich umständlich zu entschuldigen. Doch er schüttelt nur den Kopf.
„Was willst du von mir?“ Abweisend und kalt und doch liegt etwas Lauerndes in seiner Stimme.
„Warum konnte ich mich nicht an dich erinnern?“ Ist das Erste, was mir in den Sinn kommt.
„Blockade“, mehr erklärt er nicht.
„Aber ich weiß jetzt wieder alles. Was bedeutet das?“ Ungeduldig zappel ich mit dem Fuß. Beobachte wie Reno näher kommt und sich neben mich setzt. Warm liegt seine Hand auf meinem Bein, unterbindet so das Zittern.
Seufzend schließt er kurz die Augen. Gedankenverloren streichelt er über das Hosenbein.
„Keiner erinnert sich wenn er in diese Gegend kommt. Sie ist zu gefährlich für euch.“
„Aber du …“, verstehe noch nicht wirklich den Sinn seiner Worte.
„Ich passe auf euch auf.“
„Vor wem? Reno rede nicht in Rätseln, ich verstehe die Andeutungen nicht.“
„Ich sollte es dir nicht erzählen, du scheinst … anders zu sein.“
Verwirrt sehe ich ihn an.
Doch Renos Augen bleiben geschlossen. Noch einmal holt er tief Luft und beginnt zu sprechen.
„In diesem Gebiet leben Wesen der Nacht. Vampire und Dämonen. Samuel gehört zu den Gestaltenwandlern. Er und sein Rudel unterstützen mich bei der Aufsicht.“ Reno behält die Lider unten, bestimmt weil er auf eine Reaktion wartet. Ich sage nichts und lache auch nicht los.
Nach einigen Minuten des Schweigens sieht er mich vorsichtig an. Mustert meinen Blick und seufzt.
„Ich hätte ahnen müssen, dass du so reagierst.“ Bei der Aussage bildet sich eine Falte auf meiner Stirn, was ihn schmunzeln lässt. Sanft streicht sein Finger über mein Gesicht.
„Du bist anders Eric. Scheinst dich in dieser Gegend so sehr zu fürchten und doch kamst du immer wieder. Ich nahm dir die Erinnerung, damit du in Frieden weiterleben kannst. Aber nach drei Monaten bist du plötzlich wieder hier und das Schlimmste ist, dass du dich erinnerst.“ Will zu einem Protest ansetzen, doch Renos Finger verschließt meine Lippen.
„Auch auf die Gefahr hin, dass du mich auslachst oder wütend auf mich wirst, aber ich habe dich vermisst. Konnte nur aus der Ferne bei dir sein. Dabei wollte ich dich berühren und schmecken.“ Bei den Worten strömt mir das Blut in die Wangen. Verlegen senke ich den Blick und lecke unwillkürlich über seinen Finger, als ich die trockenen Lippen befeuchten will.
Ein leises Keuchen entringt sich Renos Kehle bei dieser flüchtigen Berührung. Bei diesem Laut weicht das Blut in andere Regionen. Zaghaft umspiele ich immer wieder den Finger mit der Zunge, ziehe ihn schließlich in meinen Mund, knabber und sauge daran.
Mein Blick hält Renos gefangen, wobei seiner sich verschleiert. Ohne Vorwarnung legt sich seine andere Hand in meinen Nacken. Hält mich gefangen, als die Lippen den Finger ersetzen. Fast schon verzweifelt kralle ich mich in sein Hemd, ziehe ihn dichter an mich ran.
„Eric“, heftig geht unser beider Atem, als Reno mich bestimmt von sich schiebt.
„Willst du dich wirklich auf mich einlassen?“ Durchdringend blicken mich seine Grau-grünen Augen an. Unterdrücke den Impuls einfach ja zu sagen und schließe die Augen. Denke über seine Worte nach und höre in mich hinein.
Schließlich nicke ich, sehe Reno fest in die Augen und erwidere seinen Blick.
Bestimmt zieht er mich in seine Arme, birgt sein Gesicht in meinem Haar und seufzt.
„Du wirst mein Untergang sein und doch bin ich nicht stark genug dir zu wiederstehen.“
„Dann kämpfe nicht dagegen an!“
„Oh Eric“ bitter klingt sein Lachen in meinen Ohren. Versuche mich aufzurichten, doch Reno hält meinen Körper an sich gedrückt.
„Ich kämpfe jeden Tag. Um meine Kontrolle nicht zu verlieren. Für die Sicherheit und gegen meine Gefühle.“ Traurigkeit liegt in der Stimme. Beruhigend streichel ich über seinen Rücken.
„Weißt du …“, beginnt Reno, doch hält er sofort inne.
„Ich muss weg. Bleib in der Wohnung, dann geschieht dir nichts.“ Mit einem flüchtigen Kuss auf der Stirn verabschiedet Reno sich und ist binnen Sekunden aus dem Zimmer verschwunden.
Irritiert blicke ich zur Tür. Woher weiß er, dass er weg muss? Wer hat ihn gerufen und wie?
Antworten auf all die Fragen bekomme ich nur von Reno, das weiß ich, doch Geduld ist nicht besonders eine meiner Stärken.
Unruhig gehe ich durch jedes Zimmer.
Die Küche ist klein und zweckdienlich. Auch das Badezimmer ist gemütlich, aber nicht sonderlich groß. Dusche, Toilette, Waschbecken, einen Platz für die Waschmaschine und ein kleiner Schrank … das war`s.
Im Wohnzimmer befindet sich eine Sitzgarnitur und zwei Sideboards. Viele Grünpflanzen zieren die große Fensterfront.
Wage es kaum das letzte Zimmer zu betreten, doch die Neugier ist zu groß.
Vorsichtig bleibe ich in der Tür stehen. Ertaste mit der Hand den Lichtschalter und erstarre. Das komplette Zimmer erstrahlt in dunklen Blautönen.
An einer Wand steht ein schwarz glänzender Kleiderschrank. Der Rest des Raumes wird von einem gewaltigen Podest in Anspruch genommen.
Langsam schreite ich darauf zu. Es mag wohl drei Mal drei Meter groß sein und darauf ein riesiges Bett, welches mit schwarzem Satin bezogen ist. Weich und kühl zugleich.
Setze mich behutsam auf die Kante nieder und streiche über den Stoff. Gedankenverloren lege ich mich zurück und blicke gebannt in einen Sternenhimmel.
Mir fallen die Augen zu und in einem eigenartigen Traum gefangen, schlafe ich ein.

Umhüllt von Wärme erwache ich. Bin orientierungslos und brauche einen Moment um zu wissen wo ich bin. Doch der Versuch mich im Zimmer umzuschauen scheitert, kann ich noch nicht einmal die eigene Hand vor Augen erkennen.
Leise Schritte lassen mich aufsetzen. Versuche sie zu erkennen, aber ohne Erfolg.
„Reno?“ Der Name bleibt mir in der Kehle stecken. Und doch scheint derjenige es gehört zu haben, denn eine Tür wird geöffnet und gedämpftes Licht dringt in den Raum.
„Reno ist noch nicht zurück. Er bat mich dir Gesellschaft zu leisten.“ Erkenne den Mann, der mich zu der Wohnung brachte, in ihm wieder.
Durch die Helligkeit sehe ich, warum mir so warm ist. Liege in der Mitte des Bettes, mit einer Decke zugedeckt.
Als der Fremde meinen Blick bemerkt erklärt er.
„Ich habe dir die Schuhe ausgezogen und dich richtig hingelegt. Deine Haltung sah etwas … verkrampft aus.“ Schwermütig erhebe ich mich, gehe an ihm vorbei aus dem Zimmer geradewegs ins Bad.
Als ich einige Minuten später rauskomme, sitzt er im Wohnzimmer, zwei Gläser vor sich auf dem Tisch. Nur widerwillig setze ich mich zu ihm. Weiß nicht wirklich etwas mit dem Mann anzufangen.
Ein Seufzen von ihm lässt mich den Blick heben.
„Dachte Reno hätte von mir erzählt, wenn er mich schon zu dir schickt. Ich bin Samuel. Du kennst mich bereits, jedoch nicht nur in dieser Gestallt.“
Alle Farbe weicht aus meinem Gesicht, die Augen würden mir ausfallen, wenn sie könnten. So starre ich ihn nur an. Kein Ton entkommt meinen Lippen.
Brauche eine gefühlte Ewigkeit, um zu verarbeiten, was Samuel sagt.
Ein Glas taucht vor meinem Gesicht auf und holt mich aus der Starre. Innerlich schüttel ich den Kopf über mein Verhalten.
„Ja“, sage ich schließlich und erinner mich an Renos Worte.
„Reno sagte mir, das du zu den Gestaltenwandlern gehörst und mit deinem Rudel ihn unterstützt.“
Nehme das Glas von Samuel entgegen und trinke es in einem Zug leer. Der Alkohol brennt unangenehm in meiner Kehle und lässt mich husten.
Gespannt beäugt mich Samuel und seufzt schließlich.
„Reno hat recht, du bist so anders.“
„Ist das gut oder schlecht?“ frage ich verunsichert. Bekomme jedoch nur ein Schulterzucken als Antwort.
„Über was habt ihr die Aufsicht?“ Versuche ein Gespräch zum Laufen zu bringen, doch auch hier ist Samuels Reaktion eher abweisend.
„Das darf ich dir nicht sagen.“
„Dann erzähl mir etwas über deine Art!“ fordere ich ihn mittlerweile gereizt auf. Aber auch jetzt schüttelt er nur den Kopf.
„Es tut mir leid Eric. Antworten kannst du nur von Reno bekommen, wenn er sie dir dann geben wird.“ Vor Wut aufschreiend springe ich auf und gehe auf die Haustür zu. Erst als die Hand auf der Türklinke liegt, reagiert Samuel und reißt mich am Arm zurück.
„Was wird das?“ knurrt er. Seine Züge werden wölfisch, doch ich bleibe ruhig.
„Wenn du mir keine Antworten gibst, muss ich Reno suchen.“
„Und dich umbringen?“ Schnaubt er abfällig. Jetzt bin ich derjenige, der mit den Schultern zuckt. Als Antwort bekomme ich eine Ohrfeige, die mich zu Boden sinken lässt.
Grob packt Samuel meinen Arm und zieht mich hinter sich her zur Couch, auf der er mich schubst.
Bin von Samuels Reaktion irritiert und starre ihn an, als er unruhig im Zimmer umherläuft.
Die Stille ist erdrückend, denn keiner sagt mehr ein Ton.
Bis Samuel aufseufzt und zur Tür geht. Ohne ein Wort zu sagen, verlässt er die Wohnung.
Überlege ob ich ihn folgen soll, doch als ich mich erhebe, steht Reno mit ausdrucksloser Miene vor mir. Habe das Gefühl ertappt worden zu sein, setze mich zurück und senke den Blick auf meine ineinander verschränkten Hände.
Behutsam legen sich Renos Hände auf meine Schultern, ziehen mich an die Rückenlehne.
„Wolltest du dich wirklich umbringen?“ Leise und wehmütig klingt seine Stimme in meinem Ohr. Sein warmer Atem bereitet mir Gänsehaut. Noch immer halte ich den Kopf gesenkt.
„Nein“, auch meine Worte sind nicht mehr als ein Flüstern.
„Dann tu das nie wieder.“ Zur Untermalung seiner Wut drückt er meine Schultern fester.
„Samuel darf dir nichts sagen, das ist das Gesetz. Und von mir wirst du alle Antworten bekommen. Aber solltest du mich und meine Leute verraten, dann wünsche dir, mich nie wieder zu sehen.“ Immer fester krallen sich seine Fingernägel in mein Fleisch.
„Reno“, schreie ich vor Schmerz auf und versuche mich zu befreien.
Plötzlich lässt er mich los und ich pralle nach vorn, von der Couch auf den Tisch.
„Eric verzeih“, behutsam hilft Reno mir hoch. Zieht mein Shirt nach oben. Ich will protestieren, doch da ist der Oberkörper bereits entblößt.
„Ich wollte dich nicht verletzen, es tut mir leid Eric.“ folge seinem Blick und sehe die Blutspur, die von der Schulter hinab läuft.
Ganz langsam beugt Reno sich vor und leckt darüber. Wie gebannt beobachte ich das Schauspiel.
„Aber …“, kann nicht glauben was ich sehe, denn ich sehe nichts mehr. Kein Blut und auch keine Wunde. Die Haut ist vollkommen verheilt. Noch bevor ich etwas sagen kann, liegen seine Lippen auf meinem Mund. Halten die Hände mein Gesicht gefangen. Der Kuss ist so intensiv, dass ich alles um mich vergesse, die Arme um Renos Nacken lege und ihn dichter an mich ziehe.
Zu schnell beendet er den Kuss. Sieht mich reumütig an und beugt sich zu meiner anderen Schulter um auch die Wunde zu verschließen.
Drücke seinen Körper an meinen, berge das Gesicht in Renos Halsbeuge und seufze. Als seine Hände sich auf meinen Rücken legen, entspannt sich mein Körper, schmiege mich dichter an ihn.
„Du bist wahrlich mein Untergang Eric.“ seufzt Reno mir ins Ohr. Mit der Hand zeichnet er Kreise auf meinem Rücken.
„Und du hältst mich am Leben.“ Spreche die Worte ohne Nachzudenken, spüre das es die Wahrheit ist.
Ein Lachen lässt Renos Körper erzittern. Auf Armeslänge drückt er mich von sich, sieht die Wahrheit in meinem Blick und schließt leise fluchend die Augen.
„Es sollte genau andersrum sein. Denn das würde der Natur entsprechen.“
Zärtlich streicht ein Finger über meinen Halls.
„Du würdest mich tatsächlich am Leben erhalten.“ Eisige Schauer überlaufen meinen Körper, doch dann erinner ich mich an die Wunden, die Reno verschlossen hat.
„Was bist du?“ Jeglicher Versuch die Stimme kräftig klingen zu lassen scheitert. Aufmerksam sieht Reno mich an, als er fragt:
„Hast du Angst vor mir?“ Sofort schüttel ich den Kopf, traue meiner Stimme nicht.
Seine Augen erfassen jede Gefühlsregung von mir. Genau mustert er meine Mimik als er mir die Wahrheit erklärt.
„Ich bin ein Vampir. Meine Aufgabe ist es die Jungen zu unterrichten. Sie leben in diesem Industriegebiet, bis sie erwachsen sind. Also bis man sie auf die Menschheit loslassen kann.“ Ein leises Lachen erklingt, bei den letzten Worten. Gebannt hänge ich an Renos Lippen. Lausche der Erzählung und bin fasziniert.
Renos Hand legt sich auf meine Wange, streichelt sie zärtlich, was mich zittern lässt.
„Du hast wirklich keine Angst vor mir oder?“ Ganz langsam nur bewege ich den Kopf, um ja nicht die Berührung zu verlieren.
„Samuel habe ich als Kleinkind bei mir aufgenommen. Ich lernte ihm, was meine Aufgaben sind und er überbrachte das gelernte an sein Rudel. Als zukünftiger Alpha hatte er gute Erfolgschancen bei seinem Rudel. Für Samuel ist es eine Selbstverständlichkeit mich bei der Arbeit zu unterstützen.“
„Bist du der einzige Vampir hier?“ Bin von Renos Worten gefesselt, das scheint er an meinen Augen auch zu erkennen, denn ein Lächeln liegt um seine Lippen. Warm ist die Hand auf meiner Haut.
„Der einzige der über das Gebiet wacht.“
„Warum?“ Die Aussage irritiert mich.
„In jedem Gebiet hat nur einer die Aufsicht. Außer hier. In bin zwar der einzige Vampir, aber Talon, ein Dämon, und Samuel mit seinem Rudel unterstützen mich. Hier ist der größte Kindergarten.“
„Und doch bist du einsam!“ Sehe den Schmerz in Renos Augen. Lege meinerseits die Hand an seine Wange, streichel langsam hinunter zum Hals und nach hinten in den Nacken, wo ich Reno mit sanftem Druck zu mir ziehe.
Verführerisch lecke ich über seine Unterlippe, knabber an dem weichen Fleisch. Reno stöhnt auf, greift in meine Haare und hält mich so gefangen, als sein Mund den meinen in Besitz nimmt.
Verlangend kralle ich die Finger in seine Schulter, drücke den Körper an seinen.
Schon längst liege ich unter Reno auf der Couch, spüre seine Härte an meinem Becken. Keuchend geht unser beider Atem. Verlockend gleitet eine Hand über meinen Oberkörper, spielt aufreizend mit den Nippeln, bis sie stehen.
Sein Mund löst sich von meinem, doch noch ehe ich protestieren kann, leckt seine Zunge über die harten Knospen. Gleichzeitig drückt Reno das Becken gegen meines, lässt mich spüren wie erregt er ist. Bäume mich den Berührungen entgegen.
Reno unterstützt mich, legt einen Arm um meinen Rücken, drückt mich an seinen Körper.
Unruhig gleiten meine Hände über seinen Körper, möchte endlich seine Haut berühren. Doch als ich den Saum des Sweatshirts ergreife und hochschieben möchte, hält Reno inne. Unsere Blicke verankern sich ineinander. Erkenne das Verlangen in seine nun mehr grau leuchtenden Augen.
„Eric“, stöhnend lehnt Reno seine Stirn an meine Schulter. Spüre das zittern seines Körpers, als er krampfhaft versucht flach zu atmen. Die Hände auf seinen Schulterblättern drücken ihn an mich.
„Nein“, nur schwach kommt der Protest über Renos Lippen.
Ich handel instinktiv, drehe den Kopf zur Seite und gebe ihm stumm zu verstehen, dass es in Ordnung ist.
Das Zittern seines Körpers nimmt zu, als Reno Küsse auf Schulter und Hals verteilt. Dann ein kurzer Schmerz, doch noch ehe ich darauf reagieren kann, spüre ich nichts, als ein Feuer der Begierde, welches sich einen Weg durch meinen Körper schlägt.
Während eine Hand meinen Nacken stützt, gleitet die andere aufreizend nach unten. Renos Bewegungen und Berührungen lassen mich erbeben.
Es benötigt nicht viel zutun seiner Hand bis ich mich in meiner Hose entlade. Renos Härte drückt verlangend gegen mein Becken.
Er nimmt nur wenige Schlucke und leckt über die Male um sie zu verschließen. Gerade als er sich erheben will, greife ich in seinen Schritt.
„Eric“, stöhnend drückt er das Becken meiner Hand entgegen.
Reno kommt nach nur wenigen Augenblicken.
Keuchend liegt seine Stirn an meiner.
Sind beide nicht in der Lage etwas zu sagen.
Eine ganze Zeit liegen wir so umschlungen auf der Couch. Gleite gedankenverloren über Renos Rücken, während seine Hand über meine Brust streicht.
Ich muss eingeschlafen sein, denn als ich erwache liege ich im Bett, mit nichts weiter an als die Boxershorts.
Bin dicht an Reno gekuschelt, sein Arm um meine Mitte geschlungen.
Möchte aufstehen, da mir die Blase drückt, doch Reno knurrt nur und zieht mich enger an sich.
„Reno ich muss aufs Klo.“ sage ich vorwurfsvoll. Sofort ist der Arm verschwunden und erleichtert flitze ich ins Bad.
Verlockend lacht mich die Dusche an und ohne groß darüber nachzudenken spüle ich den Schweiß und die getrockneten Reste der Nacht ab.
Nur mit einem Handtuch um die Taille gehe ich schüchtern zu Reno zurück.
Einladend hebt er die Decke.
„Komm wieder zu mir, es ist noch zu früh zum Aufstehen.“
Sobald ich liege, zieht er mich an seine Brust. Legt die Hand auf meinen Bauch. Sanfte Küsse verteilt Reno bei mir im Nacken.
Schließe ergeben die Augen, genieße die Liebkosungen.
„Wie ist es mit dir und der Sonne?“ Bin neugierig auf Renos Leben, doch er grummelt nur ein später und zieht mich enger an seinen Körper.
Gleichmäßig geht sein Atem, still ruht der Arm um mich. Reno ist wieder eingeschlafen.
Schließe mich ihm an und schlafe nur wenige Minuten nach ihm ein.

Renos Schiksal



Viel zu schnell vergeht das Wochenende.
Wir sind nur in der Wohnung, wobei Reno tagsüber schläft. Während er Nachts sich um die Kinder kümmert schlafe ich.
Zeit zum Reden haben wir dadurch nicht wirklich. Genieße seine Umarmung und Liebkosung und vergesse jegliche Fragen.

„Du musst nach Hause Eric.“ ich grummel, will daran nicht denken.
„Es tut mir leid, aber wenn wir jetzt gehen, kann ich dich noch bringen. Die Zeit der Dämmerung ist nah, aber noch ist es für die Jungen zu früh.“ Bei der Aussage fällt mir ein, was ich Reno schon das ganze Wochenende fragen will.
Seufzend drehe ich mich zu ihm um.
„Du kannst in die Sonne gehen?“ Langsam nickt er, setzt aber auch sofort zum Sprechen an.
„Mit dem Alter wird man unempfindlicher. Es sind nur wenige Minuten. Aber um diese Uhrzeit hat die Sonne nicht mehr solche Kraft. Es besteht für mich keine Gefahr.“
Ohne ihn anzusehen, gehe ich an Reno vorbei. Er fasst nach meiner Hand, hält mich fest und tritt so dicht hinter mir, dass unsere Körper sich berühren.
„Was ist los Eric?“ Warm streicht sein Atem über die nackte Haut, lässt mich unweigerlich erschaudern.
„Nichts“, versuche mir nichts anmerken zu lassen.
„Belüge mich nie Eric. Ich spüre es in deinem Blut.“ Will mich umdrehen, doch Reno hält mich an sich gedrückt, seine Arme über meiner Brust gekreuzt.
„Bitte lass uns gehen. Sonst muss ich allein nach Hause, wenn es dunkel wird.“ Mit einem leichten Kuss im Nacken löst Reno sich von mir und schweigend bringt er mich zur Wohnung.

„Darf ich nächstes Wochenende wieder kommen?“ Senke verlegen den Blick.
Wir stehen vor meiner Haustür, die Sonne ist bereits untergegangen.
„Ich würde mich freuen.“ Reno steckt mir eine Haarsträhne hinters Ohr, lässt seine Hand auf meiner Wange liegen und wartet, bis ich ihn ansehe.
„Eric ich weiß nicht, was mich zu dir zieht, aber ich kann dir einfach nicht wiederstehen. Nachts ist es hier zu gefährlich für dich, aber ich würde mich freuen, wenn du an deinen freien Tagen bei mir bist.“
„Werde ich dir nicht zu langweilig sein? Reno ich bin nur ein Mensch.“ Schließe beschämt die Augen. Habe nicht das Gefühl Reno gerecht zu werden.
„Du bist alles andere als langweilig.“
Ein Finger unter meinem Kinn lässt mich aufblicken.
„Lass uns rausfinden, was uns beide verbindet.“ Mit diesem Vorschlag bin ich einverstanden und lächel Reno schüchtern an. Mit einem Kuss auf meiner Stirn verabschiedet Reno sich und geht.

Die kommenden Tage habe ich Probleme mich auch nur auf die Abreit zu konzentrieren.
Vampire, Dämonen und Gestaltenwandler geistern in meinem Kopf.
Male mir die unmöglichsten Szenarien aus, wie es sein könnte, wenn Reno und Samuel nicht da wären, die für Ordnung sorgen. Unwillkürlich lässt mich der Gedanke zittern.

Schrecke durch ein Klopfen auf. Verdammt ich sollte mich besser zusammenreißen.
„Eric wie weit bist du mit der Berechnung?“ Sehe von der Tür auf den Monitor und wieder zurück.
„Ähm gib mir eine halbe Stunde, dann bin ich fertig.“ Genervt verdreht meine Kollegin die Augen und geht. Sobald die Tür ins Schloss fällt, schalte ich den Computer an. Jetzt aber zügig. Habe nur eine halbe Stunde für eine Aufgabe, die fast zwei in Anspruch nehmen würde.
Immer wieder muss ich mich selbst zur Räson ziehen, da die Gedanken abschweifen wollen.
Versuche mich damit zu beruhigen, dass heute bereits Donnerstag ist. Morgen Abend kann ich Reno wiedersehen.
Bei dem Gedanken wird mir heiß, habe das Gefühl seine Hände und Lippen überall zu spüren.
„Scheiße“, fluchend ziehe ich die Hand aus der Hose. Meine Fantasy hat mir jetzt wohl gewaltig das Hirn vernebelt. Doch wie soll ich mit dieser Latte weiterarbeiten, geschweige den aufstehen? Einen erneuten Fluch unterdrückend lege ich die Hand zurück um meinen Schwanz, denke dabei an Reno und seiner Zunge.
Der Atem geht keuchend, die Augen fallen zu. Die Erinnerung ist so intensiv, dass ich mich nach wenigen Minuten in meine Faust und auf dem Bauch ergieße. Um kein Geräusch von mir zu geben, beiße ich auf die Unterlippe.
Aus der Schreibtischschublade entnehme ich Taschentücher und säuber mich flüchtig. Schließe hastig die Hose und renne auf Toilette.
Nachdem ich mich soweit es geht richtig gesäubert habe, gehe ich ins Büro zurück und setze mich an den Schreibtisch, um endlich mit der Arbeit anzufangen.
Ich schaffe es auch, ohne von meinen Gedanken erneut abgelenkt zu werden.
Erleichtert mache ich an diesem Abend Schluss, bin froh endlich fertig zu sein. Nur noch einen Tag und ich habe Urlaub. Zwei Wochen Zeit um meine Gefühle zu sortieren.
Komplett neben mir stehend fahre ich mit dem Bus nach Hause und erstarre, bin ich doch schon wieder zu weit gefahren.
Seufzend steige ich aus und werde bereits erwartet. Mit schlechtem Gewissen gehe ich auf Reno zu.
„Es tut mir leid. Habe meine Haltestelle verpasst.“ Beschämt senke ich den Blick. Lachend zieht er mich in die Arme und drückt mir einen Kuss auf die Stirn.
„Komm mit“, sagt er nur, legt einen Arm um meine Schulter und geht los. Bringt mich geradewegs nach Hause.
Reno bleibt jedoch nicht unten stehen, sondern kommt mit in die Wohnung.

„Kann ich dir etwas zu trinken anbieten?“ frage ich, ohne nachzudenken, und bin bereits in der Küche verschwunden, als Renos Arme mich umfassen und an seinen Körper ziehen. Zärtlich knabbert er an meinem Hals, leckt und küsst ihn.
„Oh“, mache ich nur und lege den Kopf zur Seite. Gebe ihm freiwillig, was er braucht.
Doch Reno löst sich von mir, greift nach meiner Hand und zieht mich ins Schlafzimmer.
„Hier ist es besser.“ sagt er mit einem süffisanten Lächeln, als er sich vor dem Bett zu mir umdreht.
Wie von selbst überwinde ich die letzten paar Schritte, lege eine Hand in seinen Nacken und ziehe ihn zu einem Kuss zu mir.
Bereitwillig senken sich die Lippen auf meine, leckt Renos Zunge darüber, bis sie sich dazwischen schiebt.
Was zuerst zögernd beginnt, entfacht einen regelrechten Lavasturm der Leidenschaft.
Die Beine drohen mir den Dienst zu versagen, doch Renos Hände, die mich am unteren Rücken an sich pressen, halten mich.
Spüre seine Erektion an meinem Bauch, reibe mich der Länge an ihm, was uns beide keuchen lässt.
Bekomme nicht mit, wie wir uns bewegen, doch plötzlich stoße ich mit den Beinen an etwas und kippe langsam nach hinten. Reno stützt mich und folgt mir in jeder Bewegung, darauf bedacht, dass sich unsere Lippen nicht trennen.
Suchend gleiten meine Hände über den Körper und nach dem ich die Knopfleiste seines Hemdes ertastet habe, beginne ich diese zu öffnen. Viel zu lange dauert es, da meine Finger so zittern. Ungeduldig reiße ich daran, bis der Stoff auseinanderklafft. Muss mich von Renos Lippen lösen, um Luft zu bekommen. Keuchend sehen wir uns an.
Dann hebe ich den Kopf und lecke über eine Brustwarze. Reno legt sich so, dass ich bequemer ran komme. Während ich mit Zunge und Zähne abwechselnd die Nippel malträtiere, wandern die Hände tiefer. Öffnen seine Hose und verschwinden darunter.
Doch das reicht mir alles nicht. Entschlossen drücke ich Reno weg, bis er auf dem Bett liegt. Mit gierigen Augen erkunde ich jeden einzelnen Millimeter seines Körpers.
Reno ist durchtrainiert, deutlich sind die Muskeln an Arme und Bauch zu sehen, aber es sieht nicht unattraktiv aus. Etwas nervös fasse ich nach dem Bund der Jeans und ziehe sie samt Boxershorts aus. Halte unwillkürlich die Luft an, als sein Glied sich erhebt. Beiße mir unsicher auf die Unterlippe. Blicke in Renos leuchtend grau-grüne Augen und zurück auf die Erektion. Bevor ich es mir noch anders überlege beuge ich mich über ihn. Lecke der Länge nach darüber und umschließe die Eichel mit meinen Lippen.
„Eric“, stöhnt Reno. Fasst in mein Haar und drückt das Becken nach oben. Mehr Aufmunterung benötige ich nicht. Nehme den Schwanz soweit ich kann in mir auf. Sauge, lecke und knabber daran. Immer wieder rein und raus. Spüre wie er weiter anwächst, härter wird. Reno will sich mir entziehen, doch halte ich seine Hüfte fest. Lecke wieder über seine Eichel bevor ich ihn das Letzte Mal in meinen Mund aufnehme.
Laut stöhnend ergießt er sich und ich schlucke alles hinunter. Warte, bis das Zucken nachlässt. Erst da entlasse ich das nun schlaffe Glied, lecke es sauber und beobachte Renos verklärten Gesichtsausdruck. Ein Lächeln umspielt meine Lippen, als er mich heftig atmend nach oben zieht und stürmisch meinen Mund in besitz nimmt.
Plötzlich liege ich unten. Die Arme über meinen Kopf festhaltend sieht Reno mich an.
Mit einem lauten Reißen ist mein Shirt entzwei. Ungeduldig küsst er das Schlüsselbein, wandert zum Hals und … ist verschwunden.
Überrascht blicke ich auf und da steht er am Fußende, entledigt sich seines Hemdes. Ich setze mich auf, folge seinem Beispiel.
Als meine Hand zur Hose greift, sehe ich ihn verlegen an, aufmunternd nickt Reno mir zu. Also öffne ich den Verschluss, im nächsten Augenblick zieht er mir alles aus.
Wie ein Jäger auf der Jagd hockt er über mir, küsst mich verlangend, aber kurz.
„Dreh dich um!“ Voller Vorfreude tue ich ihm diesen Gefallen, lege mich der Länge nach auf den Bauch.
Schließe die Augen in Erwartung was kommt, doch es passiert nichts.
Gerade will ich mich aufsetzen, da beugt Reno sich über mich. Haucht mir einen leichten Kuss auf die Schulter.
„Ich bin ja schon da.“ zufrieden seufze ich. Genieße die Berührungen seiner Hände und Lippen.
Jede kleinste Stelle scheint Reno zu kosten. Winde mich verlangend unter ihm. Meine Erektion drückt sich schmerzhaft in die Matratze. Immer wenn ich das Gefühl habe, zukommen, macht Reno eine Pause, zögert es weiter heraus.
Eine Hand auf meinem Po lässt mich kurz innehalten, doch ich verspüre keine Angst, drücke ihn den Arsch entgegen.
Für Reno scheint das zu reichen, denn im nächsten Augenblick gleitet die Hand in die Spalte, drückt leicht gegen den empfindsamen Muskel.
Stöhnend kralle ich mich ins Laken, reibe mich an seiner Hand. Reno entkommt ein leises Lachen, das jedoch sofort verstummt, weil die Zunge anderweitig beschäftigt ist. Reno treibt mich in nie gekannte Höhen. Spielt mit meinem Körper wie mit einer Harfe. Wie jede angeschlagene Saite zitter ich. Schweiß bedeckt die Haut. Laut sind die Geräusche der zusammentreffenden Körper in der Stille der Nacht. Reno achtet auf jegliches Geräusch von mir, doch sind es keinerlei Schmerzen, nur unsagbare Lust.
Verlangend richte ich mich auf, jedoch darauf bedacht den Abstand nicht zu vergrößern. Stützend legt sich eine Hand auf meine Brust. Heiße Küsse verteilt er auf meiner Schulter und ein Biss.
„Ah“, stöhnend sacke ich gegen Renos Oberkörper. Das Gefühl Reno in mir zu spüren, das Glied und die Zähne, katapultieren mich in die Höhe und ich schreie den Orgasmus heraus. Im nächsten Augenblick legt sich eine bleierne Schwärze um mich und ich sinke in eine Ohnmacht.

Als ich erwache bin ich allein. Liege zugedeckt in meinem Bett und fühle mich leer. Reno ist nicht bei mir. Brauche gar nicht erst nach ihm zu suchen.
Missmutig stehe ich auf, um mich für die Arbeit fertigzumachen.
An der Wohnungstür bessert sich meine Laune merklich, denn eine Nachricht von Reno klebt daran.
„Es war eine wunderschöne Nacht. Ich erwarte dich heute Abend an der Haltestelle. *R“
Sorgfältig nehme ich den Zettel ab und stecke ihn in meine Jackentasche.
Durch die Nachricht beflügelt, überstehe ich den Tag ohne größere Komplikationen.

Ungeduldig laufe ich durch den Bus, während der sich von Haltestelle zu Haltestelle entleert.
Voller Erwartung springe ich an der Endstation hinaus. Und da steht er. Glücklich falle ich Reno um den Hals, was er lachend erwidert.
„Gar keine Angst mehr?“ fragt Reno nach etlichen Sekunden. Schiebt mich auf Armeslänge von sich und mustert mein Gesicht.
Entschlossen schüttel ich den Kopf.
„In deiner Gegenwart nein. Kannst du mir nicht die Gegend zeigen? Möchte so gerne mehr von dir und deinem Leben erfahren.“ Seufzend zieht er mich an seine Brust, die Arme hinter mir gekreuzt und den Kopf auf den Meinen.
„Nicht bei Nacht Eric. Ich werde Samuel bitten, dich am Tag rumzuführen und ihn auch erlauben deine Fragen zu beantworten.“
Missmutig nicke ich, doch die Gedanken schweifen bereits ab. Nie hätte ich gedacht, dass ich mit meinen knapp zwei Metern kleiner sein könnte und doch überragt Reno mich mit mehr als einer Kopflänge. Schmiege das Gesicht an seine Brust und sage seufzend:
„Es ist schön, mal nicht der Große und Starke zu sein.“
„Ist es für dich den so schwer, stark zu sein?“
„Ja“, mir ist es nicht peinlich, mit Reno darüber zu reden. Zwischen uns herrscht vom ersten Augenblick an eine Zusammengehörigkeit, die ich in meinen wenigen Beziehungen noch nie erlebt habe.
„Lass uns nach Hause gehen. Da ist es angenehmer.“ Durchbricht Reno die Stille. Als ich mich umblicke erkenne ich überall rote Augenpaare in der Dunkelheit und unwillkürlich läuft mir ein Schaudern über den Rücken, lässt mich erzittern. Lachend umschlingt Reno meine Schulter und zieht mich an seine Seite.
„Wie war das, du hast keine Angst?“ Ein Schnauben ist alles, was er von mir als Antwort bekommt.


„1213 bin ich in Kanada gewandelt worden. Zu der Zeit bin ich neunundzwanzig. Als Sohn eines Lords bin ich leichtsinnig mit dem Leben umgegangen. Dachte, dass die Wachen mich schon beschützen würden. Mein Vater war das komplette Gegenteil von mir. Herzlos, aufbrausend und brutal. So ist es nicht verwunderlich gewesen, dass um die zwanzig Männer mich überfielen, aus Rache. Meine Leibgarde bestand aus zwei Soldaten und meinem besten Freund. Zu viert konnten wir die Männer nicht bezwingen, davon ab, dass ich verboten habe auch nur einen zu töten oder tödlich zu verwunden. Am Ende war ich derjenige, der ums Überleben kämpfte. Die Soldaten waren verletzt, würden es aber überleben. Raina, mein Freund, blieb an meiner Seite.
„Möchtest du weiterleben. Für Gerechtigkeit sorgen?“ Fragt er mich. Bin vom Blutverlust bereits so geschwächt, dass mir alles wie in einem Traum vorkommt und nicke.
„Aber sei gewarnt. Du musst ein Leben im verborgenen führen, keine Freunde oder Familie. Ich werde dich alles Lehren, was du wissen musst.“ Raina ist mein einziger Freund zu dieser Zeit gewesen und außer dem Lord habe ich keine Familie mehr gehabt. Meine Mutter starb kurz nach meiner Geburt. Wieder nicke ich nur, merke wie ich durch den Blutmangel in eine Ohnmacht abtriffte. Bekomme aber noch mit, wie mir etwas auf den Mund gedrückt wird und eine zähflüssige Masse sich im Rachen sammelt. Schlucke es automatisch runter um weiter Luft zu bekommen, bis alles schwarz wird.

Als ich erwache liege ich in einer Gefängniszelle. Raina ist bei mir, hält einen Becher in der Hand, den er mir reicht. Trinke einen Schluck und spucke sofort, was ihn schmunzeln lässt.
„Gewöhn dich lieber daran junger Freund, das ist alles was du in Zukunft zum Leben brauchst.“ Vorsichtig schnupper ich daran und nehme noch einen Schluck. Zwinge mich dazu, es zu schlucken.
„Blut?“ Frage ich irritiert, was Raina nicken lässt. Obwohl ich von der Situation angewidert bin, leere ich den Becher. Sofort füllt Raina ihn aufs Neue.
„Trink, dein Körper braucht es um die Wandlung abzuschließen.“ Fassungslos starre ich ihn an, aber trinke bis der Krug geleert ist. Es schmeckt abgestanden und alt, aber merke wie die Organe arbeiten.
„Bleib mein Gast Reno und ich werde dir alles beibringen was du wissen musst.“

In den kommenden Monaten zeigt er mir wie man jagt und Erinnerungen löscht. Einen Menschen zu manipulieren und telepathisch zu kommunizieren. Doch ich hasse das alles, zog das Blut vom Schlachter vor. Über Jahrhunderte hat sich meine Kraft gestärkt. Habe mich durch meine Art und Weise selbst zum Lehrmeister der Jungen gemacht. Und das hat sich bis heute nicht verändert.“


Auf der Couch an Reno gelehnt und seine Hand auf meinem Bauch, lausche ich seinen Worten, kann die Ereignisse lebhaft vor mir sehen.
„Also ist Raina demnach ein Vampir. Lebt er noch?“ Schlucke die andere Frage hinunter, komme mir kindisch vor und doch macht sich Eifersucht in mir breit.
„Raina lebt und kommt von Zeit zu Zeit vorbei um nach dem Rechten zu sehen. Ihn habe ich viel zu verdanken.“
Abfällig schnaube ich, kann es einfach nicht unterdrücken. Lachend drückt Reno das Gesicht in mein Haar.
„Wenn ich es nicht besser wüsste würde ich sagen du bist eifersüchtig.“ Ich knurre nur, was Reno noch heftiger zum Lachen bringt.
„Eric Raina und ich, wir sind Freunde. Nichts Intimes. Er liebt Frauen.“ Damit umfasst Reno mein Kinn und dreht meinen Kopf bis sich unsere Lippen treffen. Bei dieser Berührung schmelze ich dahin, vergesse alles um mich herum und an erste Stelle auch Raina.


Aufgeregt laufe ich durch die Wohnung. Reno schläft, da es gerade mal kurz nach zwölf ist.
Wie versprochen hat er mit Samuel geredet und jetzt warte ich darauf, dass ich abgeholt werde.
„Eric“, stöhnt es da aus dem Schlafzimmer. Mit entschuldigender Miene gehe ich zu Reno.
„Es ist nichts Besonderes, aber bitte tu mir den Gefallen und höre auf Samuel. Ich möchte dich unversehrt zurückhaben vor Sonnenuntergang.“ Seufzend beuge ich mich über ihn.
„Ich werde brav sein.“ Noch bevor er etwas sagen kann, drücke ich die Lippen auf seine und verschwinde aus dem Zimmer, in dem Moment als Samuel die Wohnung betritt.

Am liebsten würde ich sofort die Wohnung verlassen, doch Samuel hält mich am Arm fest.
„Ich will kurz mit Reno reden.“ Genervt verdrehe ich die Augen, doch da verschwindet Samuel bereits im Nachbarzimmer.
Das Gespräch ist nur kurz und Samuel erscheint nach wenigen Minuten im Flur. Seine Miene ist undurchdringlich. Ich frage mich, was die beiden besprochen haben. Doch diese Frage wird mir Samuel nie beantworten, also schlucke ich sie hinunter.

Im Wesentlichen ist das Gebiet wie jedes andere. Überall Lagerhallen und Kräne, mit nur einem Unterschied. Selbst am Tag herrscht hier Todesstille.
„Es ist unheimlich.“ Samuel nickt. Denke er will nicht mit mir reden, doch in diesem Moment fragt er:
„Warum willst du es sehen?“
„Mich interessiert was Reno macht und wo er lebt.“ Zucke mit den Schultern, als würde es alles sagen.
„Was fühlst du für Reno?“ So unerwartet wie die Frage ist, bleibt auch Samuel stehen und wendet mir das Gesicht zu.
„Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Wenn ich nicht bei ihm bin, verzehrt sich mein Körper nach ihm. In Renos Gegenwart fühle ich mich einfach wohl. Ich bin von ihm fasziniert.“
„Und das er ein Vampir ist?“
„Es macht mir keine Angst, wenn es das ist was du meinst.“
„Hat er dich schon einmal gebissen?“ Senke errötend den Kopf, was Samuel schnauben lässt.
„Wann?“ Das Wort ist mehr ein Knurren.
„Letzte Nacht.“
„Aber er hat davor schon dein Blut genommen.“ Erschrocken sehe ich Samuel an.
„Das erste Mal als du hier warst, oder das Zweite. Als er dich küsste. Du hattest dir die Lippe aufgebissen. Ich habe dein Blut gerochen, da hat Reno deine Wunden geschlossen.“ Samuels Worte lassen mich erinnern. Ich hatte das Gefühl, als wenn Reno meinen Mund Millimeterweise absuchte. Mein Aufkeuchen lässt Samuel bestätigend nicken.
„Durch dein Blut weiß Reno immer wo du bist und auch was du fühlst. Gleichzeitig wirst du immer wissen, wann Reno in deiner Nähe ist. Dein Blut in Renos Adern wird von dem in deinem Körper angezogen.“

Die Worte geben mir zu denken. Heißt das etwa, dass ich mich wegen des eigenen Blutes zu dem Vampir hingezogen fühle?
„Wir sollten zurückgehen.“
Bekomme Samuels Aufforderung nicht wirklich mit. Laufe ihm, in Gedanken an die Aussage, einfach hinterher, bis wir vor Renos Wohnung stehen.
„Sag Reno ich laufe Patrouille.“ Damit dreht Samuel sich um und lässt mich verdutzt dreinschauend allein zurück.

Reno sitzt auf der Couch, doch ich achte nicht auf ihn. Gehe ohne zu grüßen an ihm vorbei in die Küche. Stehe mit einem Glas am Waschbecken, als sich warme Arme um mich legen.
„Was ist geschehen?“ Als die Worte mich erreichen, fällt mir vor schreck das Glas runter. Will danach greifen, doch hält Reno meine Hand fest.
„Du würdest dich verletzen. Lass mich das wegmachen.“
Noch immer bekomme ich kein Wort zustande.
„Eric rede mit mir!“
„Stimmt es, dass mein Blut mich an dich bindet?“ Spreche ich das Erste aus, was mir gerade durch den Kopf geht. Und auf einmal ist Reno verschwunden.
Steht er in der einen Sekunde noch bei mir, so ist er in der nächsten weg. Überrascht nach Luft schnappend taumel ich einige Schritte rückwärts, ehe ich das Gleichgewicht wieder erlangen.

Erst nach Stunden kommt Reno zurück.
Erkenne in seinen Augen Zorn lodern.
„Es tut mir leid.“ Während er das sagt, setzt Reno sich zu mir auf die Couch und zieht mich an seine Brust.
„Was ist geschehen?“ Breche ich nach etlichen Minuten die Stille. Möchte mich von ihm lösen, doch Renos Arme legen sich fester um meine Mitte. Anstatt zu antworten küsst mich Reno besitzergreifend. Es ist, als würde ein Ertrinkender nach Luft schnappen. Alle Fragen rücken für den Moment in den Hintergrund.
„Reno“, keuchend hänge ich in seinen Armen. Resigniert seufzend steht er auf und stellt sich ans Fenster.
„Was Samuel dir erzählt hat, stimmt nur bedingt.“
„Warum hat er das gesagt? Will er mich nicht hier haben?“
„Er …“ Reno lässt den Satz in der Luft hängen.
„Hör zu. Ich kann verstehen wenn du erst einmal allein sein möchtest. Wenn du es willst, lasse ich dich morgen nach Hause bringen. Und du kommst wieder, wenn du bereit dazu bist.“
Ohne meine Reaktion oder eine Antwort von mir abzuwarten verschwindet Reno. Lässt mich für den Rest der Nacht allein zurück.

Klarheiten



„Nein ich fliehe nicht. Brauche nur Zeit zum Nachdenken.“ Seit drei Stunden rede ich mir das ein, während ich eine Tasche mit den wichtigsten Sachen packe, mich in einen Leihwagen setze und wegfahre.
Möchte soviel Abstand wie möglich, um nicht in Versuchung zu geraten. Zumindest versuche ich mich damit selbst zu rechtfertigen.

Wohin ich fahre, weiß ich nicht. Erst nach zehn Stunden halte ich an einem Motel. Nichts Komfortables, einfach nur ein kleines Zimmer mit Bad und Bett. Will einen klaren Kopf bekommen und aus diesem Grund bin ich jetzt hier. Wo auch immer das ist.
Seufzend lasse ich mich auf das Bett fallen, wäre ich doch lieber bei Reno. Nur, dass gerade das mein Problem ist.
„Was Samuel dir erzählt hat, stimmt nur bedingt.“ Was will Reno mir damit sagen? Mein eigenes Blut bindet mich an Reno auf irgendeine Art, aber was ist mit den Gefühlen? Hin und her gerissen klappen mir die Augen zu und ich falle in einen unruhigen Schlaf.

Die kommenden Tage verlaufen wie diese Nacht. Ständig laufe ich unruhig umher. Kurz davor ins Auto zu steigen. Finde keinen Schlaf und kann mich nicht erholen.
Das drängende Bedürfnis bei Reno sein zu müssen wird mit jedem Atemzug größer, doch darf ich diesem nicht nachgeben.

Ungeachtet der Uhrzeit renne ich aus dem Zimmer. Irgendwohin, hauptsache ich bekomme Luft. Nur bleibt mir diese im Hals stecken, als ich brutal an die nächste Wand gedrückt werde.
„Idiot“, fluche ich ungehalten. Doch da bekomme ich etwas in den Magen, was mich auf die Knie sinken lässt.
Hustend und mit Tränen in den Augen versuche ich den Angreifer zu finden. Und da steht er. Groß, breitbeinig, massiver Körper.
Sofort steigt die alte Angst in mir auf. Schutzsuchend weiche ich dichter an das Mauerwerk zurück. Bedrohlich kommt der Kollos näher, langsam und knurrend.
Mit großen Augen sehe ich ihn an. Ein Zittern durchläuft meinen Körper.
„Samuel, Reno.“ Ich weiß, dass sie mich nicht hören, aber beide sind immer da, wenn ich in Schwierigkeiten bin.
Doch nicht heute. Der Mann holt zum nächsten Schlag aus, kneife die Augen zusammen und wappne mich für den kommenden Schmerz - der ausbleibt.
„Komm hoch,“ werde am Oberarm gepackt und auf die Füße gezerrt.
Orientierungslos stolper ich hinter dem Unbekannten her. Weiß nicht, ob ich ihm vertrauen kann oder nicht. Aber habe ich überhaupt eine Wahl?
„Bitte!“ flehe ich mit erstickter Stimme.
„Noch nicht. Komm weiter.“ schnauzt er mich barsch an und zieht kräftig am Arm.
Erst nach einer halben Stunde, wir sind in einem Haus angekommen, lässt der Fremde mich los und gibt mir einen Stoß, damit ich auf ein Sofa falle.

„Was suchst du hier in der Gegend?“ fragt er, noch bevor ich mich aufrichten kann.
„Spazieren“, fauche ich ihn an. Bedrohlich baut er sich über mir auf.
„Rede keinen Scheiß, niemand kommt in diese Gegend.“
„Ich schon.“ Werde immer lauter, das merke ich selbst. Doch aus irgendeinem Grund kann und will ich die Wut in mir nicht zügeln.
Ohne Vorwarnung knallt mir der Mann eine, sodass der Kopf an die Rückenlehne schlägt.
„Verfluchte Scheiße“, lecke das Blut aus dem Mundwinkel.
„Warum bist du hier?“ Leise und ruhig ist seine Stimme. Zu ruhig für meinen Geschmack.
Tief durchatmend versuche ich mich zu beruhigen.
„Ich brauchte Abstand, einen klaren Kopf. Bin aus dem Motel raus und einfach losgelaufen. Keine Ahnung, wo ich hier überhaupt gelandet bin.“ Sehe ihm in die Augen, damit er die Wahrheit darin erkennen kann.
Seufzend schüttelt er den Kopf.
„Du bist leichtsinnig, hat dir das schon mal jemand gesagt?“
„Ja“, merke selbst, wie der Kloß sich in meiner Kehle breitmachen will.
„Wie heißt du? Ich bin Lexus.“ Von Hart auf sanft. Mitfühlend reicht er mir ein Taschentuch für den Mund. Erst nachdem ich das Blut weggewischt habe, antworte ich.
„Eric.“
„Vor wem brauchst du Abstand Eric?“ Lexus setzt sich neben mir, berührt mich aber nicht. Schüttel jedoch nur abweisend den Kopf.
„Zu kompliziert.“ Mit durchdringendem Blick sieht er mich an.
„Was glaubst du, hat dich vorhin angegriffen?“ fragt er, anstatt nachzubohren.
Sehe ihn mit großen Augen an und reibe unbewusst den Bauch.
„Nichts Menschliches.“ Antworte ich wahrheitsgemäß und erwarte, dass er in Gelächter ausbricht, doch Lexus nickt langsam.
„Es ist ein Wutdämon gewesen. Wie mir scheint, hast du bereits Bekanntschaft gemacht.“
„Nein nicht mit Dämonen.“
„Mit was dann? Gestaltenwandler, Werwölfe?“
„Vampire.“
„Wer?“
„Denjenigen, den ich vergessen möchte.“ Sehe die Nasenflügel zittern, als wenn Lexus nach etwas wittert.
„Was bist du?“ flüster ich, habe irgendwie Angst vor der Antwort.
„Ein Hüter … Engel, wenn du es genau wissen willst.“
Stöhnend schließe ich die Augen.
„Was gibt es noch alles? Wie bin ich hier nur reingeraten?“ Verberge das Gesicht in den Händen.
„Erzähl mir deine Geschichte und was es mit dem Vampir auf sich hat. Vielleicht kann ich dir weiterhelfen.“
Nur widerstrebend nehme ich die Hände weg, sehe Lexus lange und prüfend an. Schließlich gebe ich mir einen Ruck.
„Freitag der Dreizehnte ist dieses Jahr nicht wirklich ereignislos gewesen. Bin in meiner Stadt bei Reno und Samuel gelandet. Naja und das war es auch schon.“
„Reno also. Was hat er getan, dass du ihn vergessen willst?“ Spüre, wie sich Hitze im Gesicht ausbreitet und senke verlegen den Blick, was Lexus lachen lässt.
„Komm Eric, erzähl es mir.“ Versucht sich zu beruhigen, um mir Sicherheit zu übermitteln.
„Es ist bescheuert.“ fahre ich auf. „Reno hat mich gehen lassen.“
Wütend will ich aufspringen, doch Lexus Hand auf meinem Bein lässt mich innehalten.
„Eric“, besänftigend streichelt er das Bein.
„Woran bin ich? Liebt er mich oder mein Blut und was empfinde ich wirklich für ihn?“ bringe ich es endlich auf den Punkt.
„Wie oft hat er dein Blut getrunken?“ Zucke mit den Schultern.
„Einmal hat er mich gebissen, aber nach dem, was Samuel gesagt hat, muss Reno öfter meine Wunden verschlossen haben.“
„Was hast du empfunden, bevor er dich gebissen hat?“
Nachdenklich blicke ich den Engel an. Er hat ein schönes Gesicht, ausgeprägte Wangenknochen und hellblaue Augen. Die blonden Haare trägt er zu einem Zopf geflochten, der ihm über die Schulter bis zum Bauch fällt. Aber ich fühle nichts im Gegensatz zu Reno. Wenn ich ihn ansehe oder nur an ihn denke, läuft es mir heiß den Rücken hinunter.
Nur zu deutlich sehe ich die grau-grünen Augen, die mich voller Leidenschaft anblicken, als wir … innerlich schüttel ich den Kopf. Diese Erinnerung hervorzurufen ist nicht gut, spüre wie das Blut in unerlaubte Gegenden pulsiert.
Lächelnd sieht Lexus mich an.
„Weißt du Eric, ich kann dich beruhigen. Das Blut, was er durch das Verschließen der Wunden zu sich genommen hat, ist nicht annähernd so gehaltvoll wie durch einen Biss. Er hat von dir gekostet, aber dich in keiner Weise beeinträchtigt. Hat er den Biss erzwungen oder ist es während der Leidenschaft dazu gekommen?“
„Bitte“, stöhnend schließe ich die Augen. Muss diese Frage sein?
Lexus lachen ist angenehm und obwohl ich weiß, dass er über mich lacht, empfinde ich es nicht als Beleidigung.
„Sei dir gewiss, dass es nichts mit deinem Blut auf sich hat. Was ihr füreinander empfindet, kommt von hier.“ Sanft legt er eine Hand auf mein Herz.
„Woher weißt du soviel darüber?“ Möchte Lexus wirklich glauben, aber es fällt mir schwer. Bemerke seinen Blick nicht, da in diesem Moment ein Mann das Zimmer betritt.
„Ich bin der Grund, warum er soviel darüber weiß.“ Der Fremde legt eine Hand auf Lexus Schulter, beugt sich nach unten und küsst ihn lange, was mich den Blick abwenden lässt.
„Eric ich möchte dir Sage vorstellen.“ Stellt Lexus uns nach einigen Minuten Luft schnappend vor.
„Hey“, grüße leise zurück. Fühle mich gerade wie ein Eindringling.
„Wer ist dein Vampir, der dich so durcheinanderbringt?“
Aus irgendeinem bestimmten Grund bekomme ich den Namen nicht über die Lippen, was Lexus laut aufseufzen lässt.
„Es ist Reno.“ antwortet er an meiner Stelle.
„Das ist nicht dein Ernst. Reno hat endlich jemanden an sich ran gelassen?“ Jetzt sind es meine Augen, die größer werden.
„Wie meinst du das?“ Traue mich kaum die Frage zu stellen.
„Reno war mein Lehrer. Ich kenne ihn jetzt seit dreihundert Jahren ungefähr. Viel habe ich ihm zu verdanken. Glaube mir, sein Leben ist nicht gerade ein Kinderspiel. Von der Arbeit mit uns Jungen mal ganz abgesehen, ist Reno ein Einzelgänger. Egal wie viele sich ihm genähert haben, keinen hat er rangelassen. Bis auf dich, wenn ich das richtig verstanden habe.“
„Woher weißt du das?“ Sage zuckt die Schultern.
„Die Buschtrommel funktioniert. Wenn man in die Welt hinaus darf, erzählt man sich über den Wächter. Keiner ist so hart und gerecht wie Reno. Er hat das Herz am rechten Fleck.“
„Mh“
„Auch über dich erzählt man.“ Reiße erschrocken die Augen auf, was beide Männer mir gegenüber lächeln lässt.
„Der Mann, der trotz Angst immer wieder kommt und auf den Reno besonders achtet. Sogar die Meute beschützt ihn … Glaube mir Eric, normalerweise kommt kein Mensch zweimal in so ein Gebiet.“
Peinlich verstecke ich das Gesicht hinter den Händen.
„Wann hast du das letzte Mal etwas über Reno gehört?“ Obwohl ich teilnahmslos klingen will, schleicht sich Aufregung in die Stimme.
„Deshalb bin ich schon zurück. Man sagte mir, dass Lexus einen Menschen beschützt und mitgenommen hat. Da bin ich neugierig geworden, weil man sich erzählt, dass Reno seit einer Woche unausstehlich ist. Was hast du getan Eric?“
„Ich?“ Mit einem Schlag lodert die Wut wieder in mir hoch und ich springe von der Couch auf.
„Sage bitte. Dass Eric hier ist, ist weder seine noch Renos Schuld. Erinnere dich, wie es zwischen uns war, obwohl ich es hätte wissen müssen.“
Seufzend steht Sage auf und kommt auf mich zu.
„Es tut mir leid Eric. Ich hätte nicht vorschnell reagieren dürfen.“ Will die dargebotene Hand nicht ergreifen und drehe ihm den Rücken zu, was Lexus lachen lässt.
„Na da ist es kein Wunder, dass Reno hin und weg ist, wenn Eric sich ihm genauso wiedersetzt wie dir.“ Grummelnd legt mir Sage eine Hand auf die Schulter.
„Ich habe nur den letzten Satz von Lexus mitbekommen und etwas anderes daraus interpretiert. Ich vergesse, wie schwer eine Beziehung mit meiner Art sein kann.“ Dulde die Berührung, doch gehe ich nicht weiter darauf ein.
„Wielange seid ihr beide bereits ein Paar?“ frage ich mit Blick aus dem Fenster.
„Etwas über zweihundert Jahre und glaube mir Eric, Vampire sind kompliziert.“
„Hey“, abrupt löst sich Sage von mir und stampft auf Lexus zu. Beobachte das Schauspiel im Fenster, was mich schmunzeln lässt.
„Danke“, kaum hörbar und doch haben die beiden Männer meine Stimme vernommen.
„Wann bist du weggefahren?“ fragt Sage im ernsten, ruhigen Ton.
„Eine Woche. Reno hat mich weggeschickt und ist einfach gegangen.“
„Kein Wunder, das seine Laune im Keller ist.“ Meine Augen verengen sich, was Sage die Hände heben lässt.
„Nein Eric, es ist nicht das Blut. Wenn ein Vampir so reagiert wie Reno bei dir, dann hat er sein Herz gefunden. Es ist ein Gefühl, was man nicht beschreiben kann.“
„Versuche es.“ bitte ich, um Reno verstehen zu können.
Sage setzt sich neben Lexus und erst nachdem ich mich selbst gesetzt habe, erzählt er.
„Weißt du, wir müssen sterben um zu leben. Kein Herzschlag, kein Puls. Als ich Lexus getroffen habe, wollte ich ihm die Kehle ausreißen. Ich lebte noch unter Renos Obhut.“ Lexus reibt sich den Hals, als wenn er sich daran erinnert, was Sage beschämt den Blick senken lässt.
„Ich war jung und wütend. Wurde nicht gefragt. An allem habe ich meine Wut ausgelassen, bis Lexus kam. Als ich ihn biss, drückte er mich an den Körper. Wehrte sich nicht, ließ mich aber auch nicht zurückweichen. Lexus hielt mich einfach nur fest. Sprach irgendwelche Worte, die ich nicht verstand. Beruhigte mein Wesen.“
„Ich sagte ihm, dass alles gut wird. Dass ich auf ihn aufpasse.“
Lexus zog Sage mit dem Rücken an seine Brust, schlang die Arme um ihn und legte das Kinn auf Sage`s Schulter.
„Und du hast auf mich aufgepasst. Ich fühle mich bei Lexus zu Hause. Durch ihn lebe ich. Wenn Lexus nicht ist, bin auch ich nicht mehr. Er ist mein Herz. Nur für ihn lebe ich.“
„Reno und ich? Sage ich bin nur ein ängstlicher Mensch. Kann ihm nichts bieten.“
„Und doch bist du sein Leben.“ Sehe Lexus ungläubig an.
„Wenn du an Reno denkst oder über ihn sprichst, strahlst du. Dein Herz schlägt schneller und dein Gesicht wird rot.“ In diesem Moment erinnere ich mich an etwas, was Reno gesagt hat.
„Er sagte, dass ich sein Untergang sei. Reno wäre nicht stark genug mir zu wiederstehen.“
„Genau das ist es, was ein Vampir empfindet. Wie ist deine Einstellung?“
„Er ist mein Leben.“ Erschrocken über mich selbst schlage ich die Hände vor den Mund. Doch es ist zu spät, das erkenne ich an das Leuchten in den Augen der Männer.
„Fahr zurück zu deinem Leben. Ihr beide braucht euch. Dein Herz schlägt für zwei.“ Springe sofort auf, doch bevor ich den Raum verlasse bleibe ich wie angewurzelt stehen und drehe mich zu den Männern um.
„Ähm“, ohne das ich was sagen muss, kommt Lexus auf mich zu und hackt sich bei mir ein.
„Ich bringe dich in dein Motel zurück.“
„Nein soweit brauchst du nicht.“ Versuche ich zu protestieren, doch Sage ergreift auf der anderen Seite meinen Arm.
„Reno würde uns den Kopf abreißen, wenn dir etwas passiert. Wie lange fährst du? Sieben Stunden?“
„Zehn ohne Pause.“ Undeutlich murmelt Sage etwas.
„Jungs ehrlich. Ich werde morgen früh erst losfahren. Ich mag einiges sein, aber nicht lebensmüde.“ Dieses letzte Wort lässt Lexus kichern.
„Weißt du Eric, nachdem was ich von dir gehört habe, musst du Todessehnsucht haben. Ständig bist du in irgendwelchen Gegenden wo es von Dämonen nur so wimmelt. Du kannst von Glück reden, dass Talon und Samuels Meute über dich wachen.“ Mitten in der Dunkelheit bleibe ich stehen, traue meinen Ohren nicht.
„Warum?“ Lexus zieht mich kopfschüttelnd weiter.
„Alle wissen, was du Reno bedeutest, zumindest die Älteren von uns. Glaube mir, niemand will Renos Zorn auf sich ziehen, sollte dir etwas zustoßen.“ Seufzend lasse ich mich führen.

Nach zwei einhalb Stunden stehen wir vor meinem Zimmer.
„Eric pass bitte auf dich auf.“ Lexus legt mir kameradschaftlich die Hand auf die Schulter.
„Melde dich wenn etwas ist, aber auch wenn du Reno gefunden hast.“ Damit steckt mir Sage einen Zettel in die Hosentasche.
„Ich danke euch zwei für alles.“ Drehe mich um, doch Lexus zieht mich an seine Brust.
„Du kannst immer zu uns kommen.“ Mit einem Kuss auf die Stirn lässt er mich los und ich verschwinde ohne ein weiteres Wort im Zimmer. Möchte nicht, dass die beiden meine Tränen sehen.

Bevor ich schlafen gehe, sind alle Sachen eingepackt und das Zimmer bezahlt.
Glücklich sinke ich in einen kurzen, aufregenden Traum, der mich befriedigt aufwachen lässt.
Noch vor Sonnenaufgang sitze ich im Auto und fahre mit überhöhter Geschwindigkeit nach Hause.
Nach neun Stunden stehe ich zitternd vor dem großen Gebäude.
Plötzliche Unsicherheit lässt mich frösteln.
„Geh rein zu ihm.“ Brauche mich nicht umdrehen, obwohl ich kurz zusammenzucke.
„Samuel ich …“
„Geh rein, wir wussten alle, dass du die Zeit brauchst.“
„Woher wusstest du, dass ich zurückkomme?“
„Sage hat mir eine Nachricht geschrieben. Glaube mir Kleiner, an einen Besseren wie Lexus hättest du nicht geraten können.“
„Weiß Reno …“
„Nein, er weiß nicht wo du warst und das du wieder da bist. Also sei auf einiges gefasst.“
„Ich …“ Doch lässt Samuel mich nicht mehr zu Wort kommen. Gibt mir einen heftigen Stoß, der mich geradezu durch die Tür katapultiert.
Vorsichtig gehe ich weiter hinein, nur um im nächsten Moment an einer Wand zu kleben, buchstäblich.
„Eric?“ Erschrocken will Reno von mir abrücken, doch ich lege die Arme um seinen Nacken und verschließe den Mund mit meinem. Stöhnend drückt Reno sich an mich. Umfasst mein Gesicht. Berührt mich überall, während unsere Zungen einen inneren Kampf fechten.
Vulkanisch brodelt die Leidenschaft und wir geben uns dem Verlangen hin. Es ist animalisch und erschöpft, verklebt und glücklich liegen wir aneinander gekuschelt auf den kühlen Boden.

„Ich soll dich von Sage und Lexus grüßen. Die beiden durfte ich letzte Nacht kennenlernen.“ Misstrauisch blickt Reno mich an, woraufhin ich mir das Lächeln nicht verkneifen kann.
„Wie geht es den beiden?“
„Gut. Aber wichtiger für mich ist, dass sie mir Klarheiten verschafft haben. Und ich bin froh darüber. Wieso hast du mir nichts erzählt?“ Eigentlich will ich nicht vorwurfsvoll klingen, aber an Renos Reaktion merke ich, dass es doch so ist.
„Wie sollte ich dir etwas sagen, wenn …“
„Wenn du es selbst nie erlebt hast.“ beende ich für ihn den Satz. Streichel liebevoll den Nacken.
„Reno du bist mein Leben und daran wird sich nichts ändern. Die Woche ohne dich, lass es mich nie wieder erleben. Sage sagte mir, dass Lexus sein Herz ist. Bin ich das für dich auch?“ Gespannt halte ich die Luft an.
Langsam löst sich Reno von mir, setzt sich auf und blickt mich vielsagend an.
„Atme Eric. Ich brauche mein Herz lebend.“ Damit überbrückt er die letzten Zentimeter und besiegelt die Worte mich einem Kuss, der mir Tränen in die Augen treibt.
„Was ich für dich empfinde, ist mehr als ich je geträumt habe. Ich weiß, dass wir beide diese Woche brauchten, aber nie wieder lasse ich dich gehen. Keinen einzigen Tag möchte ich ohne dich erleben.“
Sanft hält Reno mein Gesicht zwischen seinen Händen, während er mir das sagt. Mit den Daumen wischt er die Tränen weg. Lächelnd schüttel ich den Kopf.
„Du machst mich verrückt Reno.“ Neige den Kopf an sein Ohr, als ich ihm das zuflüster.
„Lass uns ins Bett gehen.“ Ohne Vorwarnung schiebt Reno die Arme unter meinen Körper, hebt mich hoch und wir verschwinden für etliche Stunden im Schlafzimmer.

Der Angriff



„Eric?“ Als ich meinen Namen auf der Straße höre, bleibe ich stehen.
Die zweite Urlaubswoche ist zu schnell vergangen und die Arbeit hat mich wieder eingeholt.
Ich blicke mich nach allen Seiten um, kann aber niemanden erkennen.
„Hier drüben Eric.“ Von einer Gasse kommt der Klang. Unschlüssig bleibe ich davor stehen.
„Komm doch rein zu mir.“ Obwohl mich der Ton betört, warnt mich mein Instinkt in die Dunkelheit zu gehen.
„Wer ist da?“ Ein helles Lachen ertönt auf meine Frage, was mir eiskalt den Rücken hinunterläuft. Drehe um, will mich dem Durchgang entfernen, da schlingt sich ein Arm um meine Taille und eine Hand legt sich mir auf den Mund, die den Schrei abdämpft.
Er ist nicht menschlich. Geht es mir durch den Kopf, da jegliche Gegenwehr nutzlos ist.
„Verdammt Eric, halt doch endlich mal still.“ Ein langer blonder Zopf schiebt sich in mein Blickfeld. Vorsichtig hebe ich den Kopf. Ein schönes Gesicht mit hellblauen Augen und es macht klick. Schlagartig erstarre ich, sodass sich die Arme langsam von mir lösen.
„Lexus?“ Obwohl ich den Engel klar erkenne, frage ich ungläubig. Lächelnd zieht er mich in eine Umarmung.
„Wie hast du mich gefunden und was machst du hier?“ Irritiert sehe ich zu den anderen. Es ist nicht Sage, sondern eine Frau. Jedoch mit sehr maskulinen Zügen.
„Sage konnte nicht mitkommen. Das ist Jenna und wir sind auf den Weg zu Reno.“
„Aber er ist nicht bei mir. Ich sehe ihn nur am Wochenende.“
„Ich möchte aber, dass du uns zu ihm begleitest.“ Unschlüssig sehe ich von Lexus zu Jenna. Nicke schließlich seufzend.
Unterwegs greife ich nach dem Handy. Bereits nach dem zweiten Klingeln wird abgenommen.
„Eric es tut mir leid, aber Reno kann gerade nicht ans Telefon.“
„Samuel was ist los? Wo ist Reno? Lexus ist hier und möchte mit ihm reden.“ Unterdrückte Stimmen, als wenn der Gestaltenwandler die Hand auf das Mikrofon gelegt hat, was er scheinbar auch getan hat, denn kurz darauf sagt er deutlicher:
„Bring ihn zu dir. Reno wird kommen, sobald er kann.“ Damit legt Samuel auf und lässt mich verdutzt zurück. Kopfschüttelnd bleibe ich stehen.
„Wir gehen zu mir.“ antworte ich schließlich auf Lexus fragenden Blick und steuer meine Wohnung an.
„Was ist los Eric?“
„Keine Ahnung. Reno ist nicht erreichbar. Er wird kommen, sobald er kann.“

Doch er kommt nicht.
Die Nacht ist fast vorbei, der Morgen dämmert schon. Erschöpft liege ich im Bett. Lexus steht in der Schlafzimmertür, leise ist seine Stimme.
„Eric wir sollten nicht länger warten bis Reno kommt. Ich weiß du musst arbeiten, aber bitte bring uns vorher zu ihm.“
„Du warst doch schon einmal bei ihm. Flieg alleine hin.“
Der Tonfall ist schnippig, dass weiß ich selbst, doch ist es mir egal. Unerwartet setzt sich Lexus zu mir aufs Bett.
„Es sind über zweihundert Jahre her und ich war nie in seiner Wohnung. Außerdem sehe ich dir an, dass du dir Sorgen machst.“
„Gibt es den einen Grund, warum ich mir Sorgen machen sollte? Frage ich ausweichend, bin nicht bereit es mir selbst einzugestehen.
„Sag du es mir Eric. Was sagt dein Herz?“ Dabei legt er eine Hand direkt auf die Stelle meiner Brust, unter der es schmerzhaft schlägt. Entschlossen stehe ich auf.
„Lass uns gehen und erzählt ihr mir bitte, aus welchem Grund Jenna hier ist!“

Nur Minuten später sitzen wir in meinem Auto.
„Jenna ist wegen einer Privatangelegenheit zu Sage gekommen, doch er kann ihr nicht helfen, nur Reno.“ Unschlüssig wirft er einen Blick zu ihr. Sie muss ihm ein Zeichen gegeben haben, den Lexus spricht weiter.
„Es geht um Raina.“ Meine Augen vergrößern sich, was Lexus interessiert verfolgt.
„Raina hat Reno verwandelt und ihm alles gelernt.“ erkläre ich Lexus.
„Deshalb verstehst du vielleicht, warum wir Reno brauchen. Rainas Blut fließt in Renos Adern.“
Und wieder scheint das Blut im Mittelpunkt zu stehen. Innerlich schüttel ich den Kopf und reiße mich zusammen.
Nach zehnminütiger Autofahrt lasse ich Lexus und Jenna zuerst aussteigen. Kaum habe ich die Füße auf dem Asphalt, sind wir umzingelt.
„Samuel ich muss zu Reno. Irgendetwas stimmt nicht. Ich spüre es.“ spreche ich den grauen Wolf mit der schwarzen Pfote an, als ich ihn erkenne. Vorsichtig gehe ich auf ihn zu, doch greift er mich nicht an. Mit einem leisen Knurren dreht er sich weg, läuft mir hinterher und seine Meute verzieht sich in die Dunkelheit.

Todesstille herrscht in Renos Wohnung. Nirgends brennt auch nur ein kleines Licht. Doch ich finde mich zurecht. Eile ins Schlafzimmer. Höre Renos unregelmäßigen Atem und stürze mich auf ihn.
„Reno?“ Bedecke sein Gesicht mit den Händen, es ist kalt und mit Schweiß bedeckt.
„Eric … ver … schwinde … zu … gefährlich.“ Renos Stimme ist abgehackt und wäre ich ihm nicht so nah, hätte ich die Worte nicht gehört.
„Lexus“ Jennas Aufschrei lässt mich aufblicken.
„Der gleiche Zustand.“ Höre ich die geflüsterten Worte.
Lexus setzt sich auf die andere Seite von Reno auf das Bett.
„Reno was ist geschehen? Wieso meinst du, dass es für Eric zu gefährlich ist?“ Zieht Lexus die Aufmerksamkeit auf sich.
„Zwei … Tage … plötzlich … Blutgier.“
„Wir werden auf Eric aufpassen, aber er kann dir vielleicht helfen.“ Lexus beachtet mich nicht weiter, beugt sich über Reno, als wenn er ihn küssen will. Was tatsächlich passiert, weiß ich nicht, aber dennoch macht sich Eifersucht in mir breit und ich knurre Lexus an.
Eine Hand auf meinem Oberschenkel lässt mich verstummen.
„Er würde mir die Augen auskratzen, wenn er könnte.“ Sanft streichelt mich Lexus Stimme.
„Aber merkst du einen Unterschied?“ Der Engel hat sich wieder aufgerichtet. Sehe gerade noch, wie er eine Ampulle wegsteckt.
„Was hast du ihn gegeben?“ Wut steigt in mir auf. Beunruhigt sehe ich zu Reno, der still daliegt. Zu still für meinen Geschmack.
Lexus Augen verengen sich. Eisige Kälte versprüht sein Blick.
„Habe etwas Geduld und vertraue mir Eric. Nicht nur Raina und Reno sind davon betroffen. Samuel weißt du wie viele Reno gewandelt hat?“ Ohne den Blick von mir zu nehmen, fragt er den Gestaltenwandler, der ruhig in der Tür steht.
„Keinen“, antwortet Samuel ohne Verzögerung.
„Reno hält nichts davon. Er ist ein Wächter. Das ist er immer gewesen. Er schützt das Gebiet, hat dadurch mehr als jemanden zu wandeln. Reno ist ein Mann, der das Leben liebt. Ob absichtlich oder nicht, sein Blut ist noch nie durch die Kehle eines anderen Wesens geflossen.“
„Und wie viele hat Raina gewandelt?“ Stellt er Jenna die entscheidende Frage.
„Vielleicht hundert.“ Sie seufzt.
„Der Letzte ist jetzt hundertvierundsiebzig. Ich glaube Raina ist des Wandelns müde geworden.“
„Dann mach dich auf den Weg Jenna. Du musst zum Erzengel. Drachenblut ist das Einzige, was hilft. So wie ich es an Reno erkenne, ist Rainas Blut vergiftet worden. Es kann die gesamte Blutlinie ausrotten.“ Ohne ein weiteres Wort erhebt sich Jenna und verlässt die Wohnung.
Ruhig liegt Reno da, schmerzverzerrt das Gesicht.
„Erst wenn Raina geheilt ist, wird es Reno besser gehen. Ich kann ihn nur in einen Schlaf versetzen, um die Schmerzen zu lindern.
„Wie kann man einen Vampir vergiften und was hast du ihm gegeben?“ Auch wenn die Wut verraucht ist, lässt mich die Angst um Reno noch immer zittern. Behutsam legt mir Lexus eine Hand auf den Arm.
„Ich bin in keinster Weise eine Gefahr für dich oder die Geschöpfe. Du erinnerst dich daran, dass ich dir sagte, ich bin ein Hüter.“ Ja daran erinnere ich mich, nicke bestätigend.
„Man könnte auch Heiler sagen. In unserer Welt ist das miteinander verbunden. So wie Reno ein Wächter und Lehrmeister ist, bin ich Hüter und Heiler. Engel haben bestimmte … ich sag mal Gaben. Und bevor du noch einmal fragst. Reno hat eine Mixtur bekommen und ein paar leise Worte, damit er schläft.“

An Arbeit ist für mich nicht mehr zu denken. Nachdem Lexus und Samuel ins Wohnzimmer gegangen sind, habe ich mich neben Reno ausgestreckt. Eine Hand auf seinem Herzen. Sein ruhiger Herzschlag lullt mich ein und schon bald finde ich mich in einen abartigen Traum voller Blut wieder.
Ein unerwarteter Druck auf dem Oberkörper und ein Stechen im Hals lassen mich aufschrecken und schreien. Wild um mich schlagend, versuche ich den Angreifer los zu werden.
„Eric halt still!“ schreit mich Lexus über die eigene schrille Stimme hinweg an.
„Erinnere dich Eric! Atme tief durch und halte Reno. Er tut dir nicht mit Absicht weh.“ Zuerst halte ich Lexus für bekloppt, doch dann lege ich die Arme um den großen Körper, eine Hand auf Renos Hinterkopf. Mit sanftem Druck halte ich ihn fest. Nur zu deutlich spüre ich die Zähne im Hals, die Lippen darauf und das saugen, als Reno die warme Flüssigkeit gierig in sich aufnimmt. Ob ich Reno oder auch mich damit beruhigen will, weiß ich nicht, als die Hand in sein schwarzes Haar greift und immer wieder hindurchfährt.
Das Zeitgefühl ist mir abhandengekommen. Meine Muskeln beginnen zu zittern und die Arme sinken zu Boden. Das Blickfeld verkleinert sich, alles wird dunkel.
„Reno“, flüster ich. Zuerst kommt keine Reaktion, doch nur wenige Augenblicke später löst sich der Druck am Hals.
Eigentlich sollte mir kalt sein, doch wärme hüllt den Körper ein.
„Es tut mir so leid.“ Renos reumütige Stimme, leichte Küsse auf der Haut. Dann ist alles still.

„Was hat Jenna dir erzählt?“ Leise dringen die Stimmen an mein Ohr. Wie lange habe ich geschlafen?
„Jenna hat die Erzengel erreicht und das Blut bekommen. In den nächsten zwei Stunden müsste sie bei Raina sein und ihm das Mittel geben.“
Zwei Stunden? Wie viel Zeit ist vergangen? Schwerfällig setze ich mich auf, vom Blutverlust noch geschwächt.
Reno und Lexus sitzen im Wohnzimmer, ob Samuel auch da ist weiß ich nicht. Ungewollt dringt ein Stöhnen aus meiner Kehle, was das Gespräch im Nebenzimmer verstummen lässt. Sekunden später stehen alle drei Männer bei mir.
„Eric es tut mir so leid was ich dir angetan habe.“ Merke, wie unruhig Reno ist. Er traut sich nicht, mir in die Augen zu blicken.
„Reno alles ist in Ordnung. Mir geht es gut und ich hoffe dir auch.“ Schwankend stehe ich auf, was meine Worte lügen strafft. Lexus greift sofort nach meinem Arm, um mich zu stützen.
„Reno sieh mich an.“ Bleibe vor ihm stehen. Langsam strecke ich die Hand nach seiner Wange aus. Rechne damit, dass er wegzieht, doch als die Finger seine warme Haut berühren und er sich dagegenlehnt atme ich erleichtert auf. Im nächsten Moment schlingt er die Arme um meine Taille und zieht mich fest an sich. Schmiegt das Gesicht an meinen Hals und holt tief Luft, was mir eine Gänsehaut bereitet.

„Wie kann es sein, das Reno auf den Beinen ist? Du sagtest es hilft ihm zu schlafen. Und habt ihr schon etwas von Jenna und Raina gehört?“
Nach etlichen Minuten sitzen wir jetzt im Wohnzimmer. Samuel hat etwas Essbares für mich aufgetrieben, was ich gierig verschlinge. Wusste gar nicht, dass ich so ausgehungert bin.
Wie beiläufig berührt mich Reno immer wieder. An seinem Ausdruck erkenne ich, dass er sich noch immer Vorwürfe macht. Bei der nächsten Berührung halte ich seine Hand fest und ziehe Reno in meine Arme.
„Das mit Reno, ist ein Geheimnis, was wir auf den Grund gehen sollten, wenn das alles überstanden ist. Tatsächlich hätte es ihn nur schlafen lassen sollen. Aber wahrscheinlich liegt es an eurer Bindung und an deinem Blut.“ Seufzend rolle ich mit den Augen. Warum muss immer das Blut eine Rolle spielen?
„Seid Jenna von den Erzengeln aufgebrochen ist, haben wir noch nichts gehört. Sie müsste mittlerweile bei Raina angekommen sein.“
„Was ist, wenn es Raina nicht hilft? Oder wenn bei Reno die Wirkung nachlässt? Was passiert, wenn wieder einer aus der Blutlinie angegriffen wird? Kann man das nicht unterbinden?“ Immer weiter rede ich mich in Rage. Verzweiflung und Panik lässt die Stimme schrillen.
„Sch“, Reno hat die Position gewechselt, sodass er mich jetzt im Arm hält und beruhigend über den Oberkörper streicht.
„Jenna wird es schaffen und uns anrufen. Raina wird bewacht, niemand kommt an ihn ran. Und ich habe noch etwas von der Mixtur für Reno, wenn es schlimmer werden sollte.“ So ganz können mich Lexus Worte nicht beruhigen.
„Eric mir geht es gut. Ich fühle mich stärker.“
„Es muss doch eine Möglichkeit geben herauszufinden, wer Raina angegriffen hat, oder? Wir können doch nicht einfach abwarten und gar nichts tun!“
„Eric jetzt beruhige dich.“ Lexus verdreht die Augen, was Samuel und Reno leise kichern lässt. Ich weiß nicht, ob ich sauer auf die Reaktionen der Drei sein soll, aber das alles verfehlt nicht ihre Wirkung. Auch wenn ich nicht mitlache. Tief durchatmend schließe ich die Augen.
„Danke“, formen lautlos meine Lippen. Als ich die Augen wieder öffne, lächelt Lexus mich an.
„Sobald Jenna bei Raina ist, meldet sie sich und dann werden wir uns treffen. Möchtest du dabei sein oder Arbeiten gehen?“
Mir entkommt ein Schnauben.
„Lexus wie soll ich arbeiten gehen? Reno ist momentan der Einzige, der mich am Durchdrehen hindern kann.“ Gebe ich kleinlaut zu. Während Samuel und Lexus über die Bemerkung lachen, drückt Reno mir einen Kuss in den Nacken.
„Dann wäre …“ In diesem Moment wird Lexus vom Klingeln seines Handys unterbrochen.
„Jenna … ja okay … wo wollen wir uns treffen? … Ja in Ordnung, wir fahren los.“ Damit legt Lexus das Handy auf den Tisch und sieht uns an.
„Wir müssen uns auf den Weg machen. Jenna hat Raina das Mittel vor zehn Minuten gegeben, aber im Gegensatz zu dir, scheint Raina nicht vollständig darauf anzuspringen.“ Mit einem Satz stehen wir alle.
„Samuel ich bitte dich mit Talon hier auf alles zu Achten.“
„Reno …“
„Nein Sam. Du musst hier bleiben. Du kannst auf dich und über unsere Leute wachen.“ Samuels Blick wandert zu mir und ein Knurren steigt in seiner Kehle auf. Als Antwort auf das Geräusch zieht Reno mich an seine Seite und zischt Samuel an.
„Ich kann auch anders. Stelle dich mir und meinen Aufforderungen nie in den Weg Samuel.“ Tief gebeugt und mit abgewandtem Blick verlässt der Gestaltenwandler die Wohnung. Wage es nicht, etwas zu sagen, als Reno mich zum Auto führt.
„Ich fliege voraus. Wir treffen uns bei Raina. Reno weißt du, wo er lebt?“
„Ja wir werden sechs Stunden brauchen.“
„Warum springst du nicht dahin? So wie du es damals gemacht hast, als du mich fortschicktest.“ Spreche die Situation nur ungern an, aber empfinde ich es als Zeitverschwendung zu fahren.
„Ich kann nur alleine springen. Und dich möchte ich hier nicht zurücklassen.“ Sein Blick deutet mir still zu sein und einzusteigen.
„Gut, wenn etwas sein sollte, meldet euch.“ Damit reicht Lexus Reno eine Visitenkarte und fliegt davon.
Fasziniert beobachte ich den Engel, habe ich die Flügel noch nie zu Gesicht bekommen. Ein Knurren lässt mich aufschrecken.
Schuldbewusst blicke ich Reno an, erwarte einen wütenden Blick, doch seine Augen leuchten wissend.
„Sie sind hypnotisierend, deshalb können sie die Flügel verstecken. Dass Lexus sie dir eben gezeigt hat, bedeutet viel bei den Engeln. Er vertraut dir Eric.“
Errötend wende ich den Blick ab und steige hinters Steuer.
Als Reno neben mir Platz nimmt und die Hand auf meinen Oberschenkel legt, drehe ich mich ihm zu.
„Fahren wir los. Es ist ein weiter weg.“

Bis auf die Richtungsangaben ist es in den nächsten zwei Stunden still. Keiner von uns wagt es zu reden.
„Vorsicht!“ In dem Moment, in dem Reno schreit, stehe ich auf der Bremse. Erst da realisiere ich, was vor mir steht. Wutschnaubend schnalle ich mich ab und bin im Begriff auszusteigen, als Reno mich am Arm festhält.
„Nein Eric, er ist kein Mensch.“
„Es ist mir egal. Entweder er macht den Weg freiwillig frei, oder ich helfe nach.“ Damit stoße ich die Tür endgültig auf und reiße mich von Reno los. Laut fluchend steigt er auf seiner Seite aus und stellt sich schützend vor mir.
Ein Knurren ist die einzige Warnung, als sich das Wesen laut schreiend auf Reno stürzt. Unsanft stößt er mich zur Seite, genau in dem Moment, als das Ungetüm ihn berührt.
Die Krallen reißen sein T-Shirt entzwei. Wütend schreit Reno auf, greift seinerseits an und erwischt den Angreifer am Hals. Innerhalb weniger Minuten liegt der Fremde am Boden. Seine Kehle ist aufgerissen, schwarzes Blut fließt aus den Wunden. Röchelnd ringt er um Atem.
„Wer hat dich geschickt?“ Langsam stelle ich mich neben Reno, als das Wesen keine Gefahr mehr für mich darstellt. Lege Reno behutsam den Arm um die Taille.
„Was ist er?“ hauche die Frage geradezu.
„Später“, faucht er mich an, doch sein Blick ist weiterhin auf den Fremden gerichtet und sanft streicht seine Hand über meine Schulter.
„Wer hat dich geschickt?“ bellt Reno die Frage erneut. Die Lippen des Mannes bewegen sich, aber kein Ton ist zu vernehmen.
Wenn es sich überhaupt um einen Mann handelt.
Ungefähr drei Meter groß. Kräftig, haarig und nackt. Unweigerlich gleiten die Augen auf den Unterleib, aber bei all dem Fell kann man nichts erkennen. Wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich gesagt er ist ein Yeti mit braunem Fell.
Mein Blick wandert wieder zum Hals des Wesens und ich staune nicht schlecht, denn die Wunde ist im Begriff sich zu schließen. Auch Reno hat es bemerkt, denn er schiebt mich hinter sich.
Die Augen auf uns gerichtet steht der Fremde langsam auf, bedacht die Bewegung ruhig auszuführen. In gebeugter Haltung geht er rückwärts und da Reno ihm nicht folgt, dreht er sich um und verschwindet im Wald.
„Reno?“ behutsam lege ich eine Hand auf seinen Oberarm. Im Bruchteil einer Sekunde liegen seine Arme um meine Mitte und er verbirgt das Gesicht in meinem Haar.
„Lass uns von hier verschwinden. Wir müssen aufpassen. Es wird nicht der einzige Angriff gewesen sein.“
„Reno wer war das und warum?“
„Er ist eurem Big Foot sehr ähnlich. Es gibt keine Bezeichnung. Diese Wesen sind nur Haustiere. Dressiert und abgerichtet zum Töten.“
„Aber er hat nicht wieder angegriffen.“
„Das ist richtig, denn sie lieben das Leben. Ich hätte ihn töten können und er greift uns nie wieder an. Ich bin der Stärkere.“
„Wer hat ihn geschickt?“ seufzend schüttelt Reno den Kopf.
„Ich weiß es nicht. Diese Kreaturen können nicht so sprechen wie wir. Und da ich ihm die Kehle aufgerissen habe …“
„Wie konnte er dann so schnell heilen?“
„Zauber. Normalerweise wäre er gestorben. Hier ist Magie im Spiel, was mich dazu bringt zu glauben, dass dieser Angriff mit dem auf Raina zusammenhängt. Komm lass uns weiterfahren.“
Ohne ein weiteres Wort steigen wir ein.

„Lexus wir haben ein Problem!“ Höre im Hintergrund wie Reno telefoniert. Seit zwei Stunden sind wir wieder unterwegs. Reno fährt, damit ich mich ausruhen kann.
„Wir wurden angegriffen. Es ist die gleiche Magie im Spiel wie bei Raina.“ Was Lexus am anderen Ende sagt, kann ich nicht verstehen.
„Ich werde auf ihn aufpassen. Schätze in zwei Stunden sind wir da, wenn nicht wieder etwas dazwischen kommt. Pass auf euch auf.“ Mit einem Klick ist das Telefonat beendet.
„Schlaf etwas Eric.“ Sanft legt sich Renos Hand auf meinen Oberschenkel.
„Ich wecke dich, wenn etwas sein sollte.“ Nur widerstrebend gebe ich mich der Müdigkeit hin und schlafe binnen Sekunden ein.

Rainas Vergangenheit



„Raina verdammt noch mal was ist geschehen?“ Kaum das wir bei seinem Meister angekommen sind, stürzt Reno auf ihn zu. Schlingt die Arme um den im Bett sitzenden Mann.
Halte mich dezent im Hintergrund und beobachte das Ganze geschehen.
Auch Lexus und Jenna ziehen sich zurück. Gönnen den Zweien etwas Privatsphäre.
Obwohl ich von Renos Erzählungen weiß, dass Raina nicht auf Männer steht, bereitet es mir einen Stich im Herzen, die beiden so vertraut zu sehen.
Über was sie sich unterhalten, kann ich aus dieser Entfernung nicht verstehen, aber als sich ihre Blicke auf mich richten, weiche ich unweigerlich einen Schritt zurück.
„Eric komm her.“ Ein sanfter Befehl, dem ich nicht widerstehen kann. Lächelnd zieht mich Reno an seine Seite, legt mir den Arm besitzergreifend um die Taille, was mir halt gibt. Strahlt Raina doch etwas Geheimnisvolles und Gefährliches aus.
„Du bist also der Mensch, der Reno bezirzt hat.“ Das war keine Frage, sondern eine Feststellung, die mir eisige Schauer über den Rücken jagt.
Schwach nicke ich, drücke mich dichter an Reno.
„Raina“, seufzt er und schüttelt den Kopf.
„Es tut mir leid, aber ich kann einfach nicht widerstehen.“ Funken sprühen in den Augen des Vampirs.
„Dein Eric strahlt vor innerer Stärke, die er nicht einmal erahnt. Wie hat er dich binden können?“
Reiße erschrocken die Augen auf. Was sagt Raina da nur?
„Es ist seine ganze Art und Weise. Noch nie ist mir jemand begegnet, der so faszinierend ist wie Eric.“ Als Reno das sagt, sieht er mich mit einem so innigen Blick an, dass mir ganz heiß wird.
Verlegen wende ich mich ab, was Raina lachen lässt.
„Jenna berichtete mir, dass der Anschlag auf mich verheerende Auswirkungen auf dich hatte. Wie kommt es, dass du jetzt hier bist und ich noch immer geschwächt rumliege?“ Unwillkürlich wird Renos Griff fester an meiner Taille.
„Lexus hat mir ein Mittel gegeben.“
„Nein Reno, da ist mehr und ich habe das Gefühl, das es mit deinem Menschen zu tun hat. Ich kann die Veränderung in dir riechen und spüren.“
Ohne Aufforderung taucht der Engel neben mir auf, schiebt mich bestimmt hinter sich.
„Raina, wir wissen nicht, was Reno auf die Beine gebracht hat.“
„Unsinn“, faucht Raina uns an.
„Du beschützt den Jungen. Er hat etwas damit zu tun. Ich rieche ihn bei Reno.“
Noch bevor jemand von uns reagieren kann, stürzt sich Raina auf Reno, drückt ihn rücklings auf das Bett und sitzt mit gebleckten Fangzähnen über ihn.
„Raina bitte“, flehe ich leise, trete hinter Lexus hervor und halte ihm meine Hand entgegen.
Ich weiß nicht, warum ich so reagiere, es ist wie ein Zwang. Möchte Reno beschützen und weiß, dass Raina nicht von ihm ablassen wird.
Noch einmal wandert Rainas Blick zu Reno, doch dann ergreift er meinen Arm und stößt mir die Zähne brutal ins Fleisch.
Beiße mir auf die Unterlippe, bis ich Blut schmecke, nur um den aufkommenden Schmerzensschrei zu unterdrücken.
Reno wird immer noch von Raina auf das Bett gedrückt, während ich Lexus Körper stützend hinter mir spüre. Doch mein Blick ist mit Renos verbunden. Ich weiß nicht, was er in meinen Augen ließt, ich erkenne Schmerz und Angst in den seinen.
Zunächst saugt Raina gierig, doch nach vier tiefen Schlucken wird er sanfter, bis er schließlich von mir ablässt und sich auf dem Bett zusammenrollt. Sofort ist Reno an seiner Stelle. Hebt den Arm mit der Wunde an seine Lippen und leckt beachtlich darüber, bevor er mich in die Arme zieht. Noch bevor ich richtig reagieren kann, liegt sein Mund auf Meinen, dringt seine Zunge hinein. Verschließt auch hier gekonnt die Bissspuren, die ich mir zugefügt habe. Ein wohliger Seufzer entringt sich mir und ich sinke ergeben gegen Renos Brust.
Jetzt wo der Adrenalinspiegel sinkt, spüre ich den Blutverlust. Meine Beine geben nach und hätte Reno mich nicht gehalten wäre ich gefallen.
„Tu das nie wieder!“ knurrt er mir ins Ohr, während wir in ein anderes Zimmer gehen.
„Musste es tun …“ ist alles, was ich noch raus bringe, bevor es endgültig schwarz um mich wird.

„Verdammt Raina lass ihn in Ruhe. Er gehört mir.“ Schneidend scharf ertönt die Stimme an meinen Ohren, reißt mich aus der Dämmerung.
„Reno er ist kein Mensch. Dieses Blut … wo hast du diesen Jungen her?“
„Er hat mich gefunden. Mehr kann und werde ich dir nicht sagen.“ Sanft legt sich eine Hand auf meine Wange.
„Wach auf Kleiner!“ Nur widerstrebend gehorche ich Renos Aufforderung. Verwirrt blicke ich in die aufgewühlten grau-grünen Seen seiner Augen. Irgendetwas stimmt hier nicht. Versuche mich an das Gespräch zu erinnern, was ich gerade mitbekommen habe aber die Worte verschwimmen und ich kann dem Satzlaut nicht mehr folgen.
„Reno was …“ unaufgefordert zieht er mich in eine sitzende Position, einen Arm dabei fest um meine Taille gelegt.
„Was bist du?“ Raina sitzt uns gegenüber. Unsicher geht mein Blick durch den Raum, bis ich Lexus erblicke. Ruhig steht er mit verschränkten Armen neben der Tür. Mitfühlend lächelt er mich an.
„Ich bin ein Mensch.“
„Blödsinn! Dein Blut ist stärker als das jedes Menschen.“ Bei den Worten zucke ich unwillkürlich zusammen.
„Raina bitte. Eric weiß nichts von sich.“
„Dann müssen wir es erforschen!“
„Raina das müssen wir auf später verschieben. Jetzt muss erst einmal geklärt werden, wer dich angegriffen hat. Und aus welchem Grund. Kannst du dir etwas denken?“ Mischt sich Lexus ein, kommt langsam näher, bis er hinter mir steht und eine Hand auf meine Schulter legt.
Nur widerstrebend willigt Raina ein, das erkenne ich an seinem Blick. Am liebsten würde er sich auf mich stürzen.
„Vor vierhundert Jahren ungefähr hatte ich eine Auseinandersetzung mit einem Hexenzirkel. Immer wieder haben sie mich angegriffen, aber nie so wirksam wie jetzt.“
„Was war der Auslöser für deinen Krieg?“
„Verdammt Lexus, für was hältst du mich? Ich habe diesen Schwachsinn nicht angefangen.“ Rainas Gesichtsausdruck verdunkelt sich schlagartig.
„Das ist eine Angelegenheit, die ich nicht erklären möchte.“
„Was du willst oder nicht, steht hier nicht zur Debatte. Hier geht es um dein Leben und das deiner Zöglinge!“
„Lexus.“ schallte ich mich leise ein. Die Qualen, die sich in Rainas Gesichtszügen spiegeln, lassen mich nicht kalt. Verwundert blicken mich alle an, denn was ich als Nächstes mache ist für jeden unvorstellbar.
Stelle mich vor Raina und lege ihm vorsichtig eine Hand an die Wange, lehne die Stirn gegen seine und schließe die Augen.
Im Raum herrscht gespannte Stille. Keiner wagt etwas zu sagen, bis ich mich seufzend zurücklehne. Erwartungsvoll sehen Rainas Augen tief in Meine.
Unerwartet erfasst ein Zittern meinen Körper und bevor ich es richtig realisieren kann, knicken die Beine ein und ich wäre zu Boden gegangen, wenn mich nicht jemand aufgefangen hätte.
„Was hast du getan?“ Nachdem ich sitze umfasst Reno mit den Händen mein Gesicht.
Intensiv durchbohrt mich das Grau-grün seiner Augen, doch ich schrecke nicht zurück.
„Ich weiß nicht was ich getan habe oder warum. Aber ich weiß, was ich erfahren habe.“ Zögernd gleitet mein Blick zu Raina, der noch immer wie erstarrt dasitzt. Lexus beugt sich zu ihm runter, spricht leise mit ihm.
„Eric bitte was ist geschehen? Du siehst aus als hättest du einen Geist gesehen?“
„Das habe ich auch. Aber bitte, ich möchte zuerst mit Raina allein reden.“
„Aber …“
„Nein Reno. Ich kann deine Sorge verstehen, aber das, was eben passiert ist, ist nichts, was ich erzählen möchte. Raina soll wissen, was gerade vorgefallen ist.“ Seufzend zieht mich Reno an seine Brust. Verbirgt das Gesicht in mein Haar und atmet einige Male tief durch, bevor er aufsteht und geht. An der Tür bleibt er noch einmal stehen und sagt, ohne sich umzudrehen.
„Lexus komm. Eric will allein mit Raina sein. Geben wir ihm einige Minuten.“
Ohne auf Antwort zu warten, verschwindet er. Ungläubig dreinschauend folgt ihm der Engel.
Mit vorsichtigem Schritt näher ich mich dem Vampir auf dem Bett. Lege ihm sanft eine Hand auf die Schulter. Erst nachdem er zu mir aufsieht, setze ich mich.
„Was ist gerade geschehen?“
„Ich weiß es nicht Raina. Ich habe instinktiv gehandelt, so wie ich dir vorhin das Handgelenk dargeboten habe.“
Intensiv ist Rainas Blick, bis er schließlich nickt.
„Ich habe gespürt, wie du die Gedanken von mir gelesen hast.“
„Nein Raina, keine Gedanken. Es war eine Erinnerung, die dich in diesem Moment gequält hat.“
„Was hast du gesehen?“
„Nur eine Frau. Keine zusammenhängenden Ereignisse. Ein Porträt. Wer ist sie gewesen?“
„Sie ist der Auslöser des Krieges. Susanna war meine Gefährtin.“ Mitfühlend lege ich ihm eine Hand auf den Unterarm.
„Erzähl mir von ihr.“ Und in diesem Moment bricht der Damm.
„Sie war gerade einmal dreizehn gewesen, als ich ihr begegnete. Die Chemie zwischen uns stimmte. Aber ich übte mich in Geduld. Wir verbrachten soviel Zeit wie möglich miteinander, ohne etwas vom anderen zu erfahren. Und doch wussten wir alles über uns. Als sie erwachsen wurde, offenbarte ich ihr mein Geheimnis. Die einzige Reaktion von ihr war, als sie sagte, dass sie das vom ersten Augenblick an wusste. Keine Scheu oder Ablehnung. Ich wunderte mich nicht darüber, bis ihre Mutter zu mir kam.“
Eine lange Pause entsteht, doch ich sage kein Wort. Lasse Raina in seinen Erinnerungen.
„Ihre Mutter sprach davon mich zu verfluchen, wenn ich Susanna auch nur ein Haar krümme, ihr Blut vergieße oder sie gar wandel. Ich erwiderte, dass die Entscheidung bei ihrer Tochter liegt und sie es nicht verhindern könnte.“ Wieder stockt er, merke, wie er schwer schlucken muss. Vorsichtig ziehe ich Raina an meinen Körper, auf Abwehr bedacht, doch bereitwillig ruht sein Gesicht an meiner Brust. Lasse die Finger beruhigend durch das weiche Haar gleiten.
„Nach dem Gespräch mit ihrer Mutter habe ich Susanna nie wieder gesehen. Ich weiß nicht was geschehen ist, wer mich angreift und warum.“
Seit er mit den Erinnerungen begonnen hat, erhebe ich zum ersten Mal die Stimme.
„Hattest du seit Susanna je wieder eine Geliebte?“ Immer noch bin ich auf Wutausbrüche gefasst, doch Raina schüttelt nur den Kopf.
„Kann es den sein, dass sie noch lebt?“ Erschrocken hebt er den Kopf, blickt mich irritiert an. Doch noch, bevor er etwas sagen kann, geht ohne Vorwarnung das Licht aus.
„Was?“ schreie ich auf, denn eine leuchtende Gestallt baut sich vor mir auf. Ungläubig starre ich sie an, denn aus irgendeinem Grund kommt sie mir bekannt vor. Wie Schuppen von den Augen, fällt es mir plötzlich ein.
„Susanna?“ frage ich flüsternd, traue meiner Stimme nicht.
„Wo? Eric was ist los?“ Reno und Lexus kommen ins Zimmer gerannt. Raina packt mich an den Schultern und schüttelt unsanft.
„Was ist mit Susanna?“ knurrend zieht mich Reno von Raina weg, legt schützend die Arme um meinen zitternden Körper. Den Blick starr in eine Ecke gerichtet, wende ich mich niemanden zu. Lexus schiebt sich zwischen mir und die Wand. Als der Kontakt abbricht, schießt ein so gewaltiger Schmerz in meinen Kopf, dass ich schreiend zusammensinke.

Gefahr



Kühle Hände liegen an meinen Wangen. Sanfter Wind weht mir um den Kopf.
„Es tut mir so leid Eric. Nur du kannst Raina helfen. Halte sie auf!“
Langsam öffne ich die Augen, möchte wissen, wer mit mir gesprochen hat, doch bin ich allein.
„Reno?“, flüster ich den Namen, woraufhin der Mann nur wenige Sekunden danach an meiner Seite sitzt.
„Eric was ist geschehen?“ entsetzt klingt die Stimme, des sonst so ruhigen Vampirs. Die grau-grünen Augen scheinen fast gelb zu sein.
Wie ein Häufchen Elend sinke ich an seine Brust, lasse mich von den Armen des Mannes halten, den ich so liebe.
„Was geschieht mit mir Reno? Ich möchte das nicht. Bitte hilf mir, dass das wieder aufhört.“ Beruhigend streicht eine Hand durch mein zerwühltes Haar.
„Wir werden es herausfinden. Aber sage mir, was bei Raina gerade geschehen ist!“
„Susanna, ich habe sie gesehen und glaube auch gehört. Ich bin mir nicht sicher. Vor zwei Monaten war ich ein normaler Mann mit relativ gutem Job, jetzt hat sich alles auf den Kopf gestellt. Nichts ist mehr, wie es war. Sehe Dinge, die es nicht geben dürfte …“ ein schluchzen entringt sich meiner Kehle und ich kralle mich in Renos Shirt.
„Was ist mit Susanna?“ reißt mich Rainas dröhnende Stimme aus dem Selbstmitleid. Mit glasigen Augen sehe ich ihn an.
„Sie war da Raina. Sie hat mich um Hilfe gebeten.“
„Was hat sie gesagt? Eric rede endlich!“
„Was glaubst du, was ich mache?“ Wie eine Tarantel springe ich auf, fauche Raina an.
„Du Idiot, komm endlich zur Vernunft. Wer ist hinter dir her?“ Reno versucht mich zu beruhigen, doch gehe ich nicht darauf ein. Je näher er kommt, desto weiter weiche ich zurück.
„Susanna bat mich zu helfen. Sie meinte ich wäre der Einzige, der das kann.“ Jetzt sehe ich Reno direkt an.
„Also sage mir endlich was ich bin. Wieso ich?“ Beruhigend legt Reno mir die Hand auf die Schulter, doch ich bin zu aufgewühlt, um darauf zu reagieren. Springe auf und renne unachtsam durchs Zimmer, bis ich an etwas stoße und gehalten werde.
„Wir können dir die Frage noch nicht beantworten Eric. Vertraue mir, ich werde auf dich aufpassen. Du bist etwas Außergewöhnliches und Wertvolles, was ich so noch nie erlebt habe.“ Vorsichtig hebe ich den Kopf, blicke in die klaren Augen des Engels, der mich im Arm hält.
Ich möchte schreien, um mich schlagen, doch erstarre ich im Ansatz, als die unbekannte Stimme mir zuflüstert.
„Bitte Eric höre auf den Engel. Du musst Raina beschützen!“
„Susanna?“, frage ich leise, doch alles ist still. Sehe den Engel fragend an?
Nickend zieht er mich mit sich in ein anderes Zimmer.
„Susanna spricht mit dir, habe ich das richtig verstanden?“ ist die erste Frage, die Lexus mir stellt, sobald wir alleine sind.
„Nur ich kann Raina helfen, sagt sie. Aber wie? Lexus ich verstehe das alles nicht, mir wird das zu viel. Möchte am liebsten nach Hause. Mir kommt das wie ein schlechter Traum vor.“
Sanft legt er mir eine Hand an die Wange.
„Eric ich verstehe dich, doch was hier geschieht, ist die Realität. Du bist in eine Welt geraten, die kein Mensch betreten kann.“
„Aber …“ will protestieren, doch Lexus verschließt meinen Mund mit einem Finger.
„Du bist ein Mensch ja, aber doch wieder nicht. Du hast die Macht Vampire zu heilen, auf eine Art, wie es noch nicht einmal ein Zaubertrank vermag und du kannst mit Geistern kommunizieren.“ vehement versuche ich mich gegen die Vorstellung zu wehren, doch weiß ich genau, dass was Lexus mir sagt, entspricht der Wahrheit. Seufzend sinke ich auf das nächste Möbelstück. Brauche einige Sekunden, doch schließlich sehe ich den Engel an. Was er in meinem Blick erkennt, lässt ihn zufrieden nicken.
„Was muss ich also machen?“, frage ich, noch bevor er etwas sagen kann.
„Konzentriere dich genau auf Susanna, versuche sie zu einem Gespräch zu bekommen.“ Erst möchte ich widersprechen, doch schlucke ich den Protest hinunter. Senke die Lider und beschwöre Susanna vor meinem geistigen Auge.
„Eric bitte uns läuft die Zeit davon.“ Kreidebleich erscheint Susanna. Die Haut schimmert in einem weißen Glanz. Altmodisch ist das Kleid, was sie trägt.
„Susanna, wer macht dir solche Angst? Raina sagt mir nichts!“
Ein angedeutetes Lächeln auf ihren Lippen lässt Susanna jünger aussehen.
„Mutter, Fluch … Eric du kannst ihn und die Seinen retten. Aber du musst dich beeilen. Zeit bis Vollmond. Drei Wochen, dann kein zurück mehr.“ Mit diesen Worten löst Susanna sich in Luft auf.
Meine Augen sind schreckgeweitet. Versuche das gehörte zu verstehen. Hilfe suchend blicke ich zu Lexus.
„Wie kann man Hexen töten, die bereits seit Jahrhunderten tot sind?“ Kopfschüttelnd sieht mich der Engel an.
„Wenn ich das richtig verstanden habe, ist es Susannas Mutter, die Raina und die seinen verflucht hat. Ich habe bis zum Vollmond in drei Wochen Zeit, danach gibt es kein zurück mehr. Was auch immer das bedeuten soll.“
„Drei Wochen um meine Blutlinie zu retten. Danach wird weder von mir noch von meinem Clan etwas überbleiben. Wir werden einfach im Wind verwehen.“ Raina und Reno stehen in der Tür, sie müssen das letzte Gespräch mitbekommen haben.
Verzweiflung bildet sich in meinem Blick, als ich mich zu Lexus zurückdrehe. Langsam sinke ich auf den Boden. Jegliche Zuversicht geht verloren.
„Wie soll ich das schaffen?“ nur leise kommt die Frage über meine Lippen. Starke Arme umfassen von hinten meinen zitternden Oberkörper, ziehen mich an eine gestählte Brust.
Reno braucht nichts sagen, seine Nähe und Stärke geben mir Halt, erden mich und lassen den Körper zur Ruhe kommen. Tief durchatmend schließe ich die Augen, atme Renos unverkennbaren Duft ein.
„Danke“, flüster ich, obwohl es unnütz ist, brauche ich mich nicht zu entschuldigen.
Ohne ein Wort zu sagen, zieht Reno mich auf die Beine und hinter sich her aus dem Raum.
Wohin wir gehen weiß ich erst, als wir ankommen. Den ganzen Weg zum Auto spricht er nicht, hält meine Hand einfach nur fest in seiner.

Noch in dieser Nacht ist Reno mit mir wieder nach Hause gefahren.
Während ich versuche am Tag mich auf die Arbeit zu konzentrieren, durchstöbert Reno alles an Büchern, die er auftreiben kann. Aber auch nach einer Woche sind unsere Erkenntnisse bei null.
„Wie soll ich das schaffen?“ wütend schlage ich gegen die Wohnungstür. Wieder ist ein niederschmetternder Tag vorüber.
„Was ist geschehen?“ erschreckt von der ungewohnten Stimme drehe ich mich um.
„Samuel was machst du hier?“ noch immer stehen wir im Treppenhaus.
„Komm mit Eric, sofort.“ Damit wendet der Gestaltenwandler sich um und läuft los. Wortlos folge ich, erahne das etwas passiert sein muss.“
Und richtig, als ich kurze Zeit später bei Reno eintreffe, finde ich ihn, wie ein Embryo zu einer Kugel zusammengerollt, vor.
„Reno, was ist …?“ noch bevor ich die Frage zu Ende gestellt habe, ist der Vampir über und seine Zähne in mir. Für einen kurzen Moment verspüre ich Panik, möchte ihn von mir stoßen. Doch mache ich das genaue Gegenteil. Erleichter Reno den Zugang zu meinem Hals und drücke ihn an mich. Nur ein kurzes Stechen, dann sind die Schluckgeräusche zu vernehmen. Nach wenigen Zügen lässt er von mir ab, schuldbewusst ist sein Blick. Hindere Reno sich von mir abzuwenden.
„Das ist der dritte Angriff in einer Woche. Ich schaffe es nicht.“ Bin beunruhigt von dem fehlenden Fortschritt.
„Wir werden es gemeinsam schaffen. Bitte habe etwas Geduld mit dir.“
„Reno uns läuft die Zeit davon. Was ist, wenn ich es nicht schaffe? Ich darf dich nicht verlieren. Du bist mein Leben!“
Warm liegt seine Hand an meiner Wange, voller Liebe sein Blick.
„Du wirst mich nicht verlieren. Nicht auf so eine Art und Weise.“ Weder die Worte noch die Berührungen vermögen den inneren Sturm in mir zu beruhigen.
Noch Stunden später liege ich wach.

Besiegt



Schweißgebadet und schreiend wache ich auf.
Wie auch in den letzten Nächten träume ich vom entscheidenden Kampf.
Ein Gefecht, was keiner der Anwesenden überleben kann.
Reno habe ich nichts davon erzählt, denn er würde es widerlegen. Als bösen Traum abstempeln, doch kenne ich die Wahrheit dahinter.
Habe in den Träumen gefunden, nach was ich gesucht habe.

In zwei Tagen ist Vollmond, noch genügend Zeit für die letzten Vorbereitungen.
Mein äußeres Erscheinungsbild spiegelt Ruhe und Selbstvertrauen wieder. Bin ich innerlich jedoch nervös wie noch nie. Blicke ich bei diesem Treffen doch meinem eigenen Tod ins Gesicht.
Habe mich auf Arbeit krankgemeldet, um am Tag alles besorgen zu können und des Nachts Reno zu lieben. Mit aller Hingabe und Vertrauen, die ich noch nie einem Menschen gegenüber gebracht habe.

Am Vollmondabend lasse ich Reno das letzte Mal von mir trinken.
Schreckgeweitet sind seine Augen, als er den Verrat bemerkt.
„Es tut mir so leid. Aber nur so weiß ich, dass du sicher sein wirst. In zwei Stunden hört es auf zu wirken und es wäre, als ist nichts passiert. Ich lasse Samuel dich bewachen. Verzeih mir Liebster!“
Zärtlich streiche ich über seine Gesichtskonturen. Möchte mir alles einprägen, in Erinnerung behalten. Weich sind Renos Lippen, nachgiebig, als ich mit der Zunge dazwischen gleite.
Der Kloß im Hals macht mir das Atmen schwer. Die Augen brennen, von ungeweinten Tränen.
Mit einem leisen „Leb wohl“ stehe ich auf und gehe. Zwinge mich, mich nicht umzudrehen.
Stumm nickt Samuel mir zu, als ich die Wohnung verlasse. Er weiß nicht worum es geht, stellt aber auch keine Fragen. Worüber ich dankbar bin.

Den Ort habe ich von Susanna erfahren und genau da führt mein Weg mich jetzt hin. Verbiete mir Angst zu zeigen, doch das ist es, was ich am meisten habe.
Mit mittlerweile blutig gebissenen Lippen erreiche ich nach drei Stunden fahrt mein Ziel.
Nichts lässt darauf erkennen das hier irgendetwas ist.
Zumindest für keinen Außenstehenden.
Für mich ist der Platz rege besucht. Unzählige Gestallten in Umhängen und Kapuzen bilden einen Kreis, in dessen Mitte ein großer, flacher Stein als Podest dient.
Kaum das ich den äußeren Rand des Kreises betrete, sind alle Blicke auf mich gerichtet. Sämtliche Gespräche ersterben augenblicklich.

„Ein Kind wagt es, unsere Versammlung zu stören!“ Eine, im Umhang gehüllte Person kommt auf mich zu. Nach der Stimme zu Urteilen handelt es sich hierbei um eine Frau.
„Du riechst nach Vampir und doch bist du nur ein leichtsinniges Menschlein. Was glaubst du ausrichten zu können?“
Muss meinen gesamten Mut zusammennehmen, schlucke den Kloß hinunter und antworte mit relativ fester Stimme.
„Ich bin hier, um den Fluch von Raina und seinem Gefolge zu nehmen.“
Alle lachen, hell und so gehässig, dass es Glas zum Brechen bringen würde.
„Wie willst du es anstellen? Gegen uns hast du keine Chance. Nie wirst du uns besiegen.“
„Nein das habe ich auch nicht vor. Ich beabsichtige euch einen Handel vorzuschlagen.“ Der Kopf, der Person mir gegenüber geht so schnell nach oben, dass ihr die Kapuze runter rutscht. Die Augen der Frau sind geweitet vor Verlangen.
„Was ist deine List?“ Argwohn liegt in der Stimme, was ich ihr nicht verübeln kann.
„Nehmt mein Leben anstelle des seines. Für Raina wäre es eine Erlösung nicht mehr zu existieren. Für mich jedoch …“ schlucke den Rest des Satzes und die aufsteigenden Tränen hinunter. Zu groß ist die Angst zu verlieren.
Die Frau jedoch erkennt meine Stille als Furcht vor dem Tod.
Getuschel wird lauter, wild wird diskutiert.
Alle haben mir den Rücken zugekehrt, sodass ich ungestört das Röhrchen mit Renos Blut zu mir nehmen kann. Der Geschmack ist bitter, doch hoffe ich, dass es mich am Leben erhält, bis Reno oder Lexus eingetroffen sind.
In letzter Sekunde habe ich das leere Gefäß versteckt, als sich alle Blicke wieder auf mich richten.
„Ich verstehe nicht deine Beweggründe, aber es soll mir egal sein. Du gibst einen guten Diener ab. Deine geistigen Schutzschilde sind stark. Also gut: dein Leben für das von den Vampiren.“ Ich werde bereits umstellt, jetzt heißt es schnell handeln.
„Gebt es mir schriftlich. Unterschreibt es mit eurem Blut!“ Aus der Jackentasche ziehe ich ein Pergament, mit dem ich die Forderung mit meinem Blut geschrieben habe. Durch die Hilfe eines Magiers ist das Geschriebene bindend, sobald die Unterschrift der Hexe darauf ist, die den Fluch ausgesprochen hat.
„Warte, woher weiß ich, dass du Susannas Mutter bist? Nur sie kann Raina verflucht haben. Sie hatte einen Grund.“
Ein helles Lachen hinter mir lässt mich umdrehen. Verzweifelt flehe ich Susanna an mir zu helfen, doch von ihr ist nichts zu hören.
„Du wirst sie hier nicht finden. Geister haben keinen Zutritt zu dem Zirkel.“
Woher weiß sie, was ich tue? Versuche eine Lösung zu finden, doch nichts will mir einfallen. Mein Gehirn ist wie leer gefegt.
„Ich erlöse dich von diesen Qualen.“ Langsam kommt eine weitere Person aus dem Kreis auf mich zu und schiebt die Kapuze vom Kopf.
Ich erstarre, habe das komplette Ebenbild von Susanna vor mir. Aber wie soll es möglich sein, dass die Mutter genauso jung noch ist wie die Tochter?
„Das Aussehen kann man dank der Magie erhalten und verändern.“ Mein Gesicht scheint alles wieder zuspiegeln was ich denke und fühle, so leicht wie man auf meine unausgesprochenen Fragen antwortet.
Noch ehe ich reagieren kann, hat Susannas Mutter sich in den Finger geschnitten und setzt die blutige Unterschrift. Kurz leuchtet das Pergament auf, dann entfacht ein blaues Feuer und nichts bleibt übrig.
Ohne das ich es mitbekommen habe, haben sie mich auf den Stein dirigiert. Der Kreis der Hexen ist geschlossen und sie beginnen mit einem Zauber.
Was sie sagen, kann ich nicht verstehen, doch dringen die Worte in meinen Kopf. Versuchen mein Handeln zu kontrollieren.
„Ich bin frei!“ spreche leise immer wieder die Worte, während ich nach dem Messer greife und ziehe. Keiner hat es kommen sehen und jetzt ist es zu spät, um zu reagieren.
Tief steckt das Messer in meiner Brust. Sacke langsam in mich zusammen. Doch noch bevor ich zu Boden gehe, ziehe ich die Klinge wieder hinaus.
„Ich gebe mein Leben für die Freiheit von Raina und seinen Leuten. Dies ist meine Entscheidung. Der Zauber des Pergaments ist bindend. Mit deiner Unterschrift könnt ihr keine Vampire mehr angreifen oder verfluchen …“
Die Stimme wird schwach, bis ich gar nichts mehr sagen kann. Liege auf dem großen Stein und sehe die letzten Sonnenstrahlen, die von der Nacht vertrieben werden. Hoffe, dass das Blut von Reno mich solange am Leben hält, doch glaube ich nicht daran.
Habe das Gefühl zu schweben. Um mich herum wird alles dunkel und still.
Die Hexen können mich nicht retten, dafür hat der Zauber gesorgt.
Tränen laufen mir die Wangen hinunter. Kälte umgibt mich.
Höre Renos tiefe Stimme, wie er flucht und verzweifelt nach mir ruft.
„Ich liebe dich mehr als mein Leben!“, hauche ich, bevor das Herz aufhört zu schlagen.

Epilog



„Du bist so ein Idiot. Warum hast du keinen eingeweiht?“ seufzend sitze ich in Rainas Wohnzimmer. Umringt von drei wütenden Vampiren und zwei Engeln, die mich traurig ansehen.
„Was sollte ich bitte tun? Keiner von euch hätte dem zugestimmt.“
„Mit Recht. Was wenn es schief gegangen wäre?“
„Es hat aber geklappt.“
„Beinahe nicht. Verdammt Eric was sollte das?“
Langsam hebe ich den Blick. Sehe in die vor Angst wütend funkelnden Augen meines Partners.
„Es tut mir leid Reno. Ich musste es einfach riskieren. Euer Leben war in Gefahr. Versteh mich bitte.“ Hebe vorsichtig eine Hand an seine Wange.
„Du bist so ein Idiot!“ wiederholt er die Aussage. „Ich hätte dich das nie machen lassen. Fast hättest du dich vorher schon umgebracht. Trinke niemals wieder Vampirblut ohne Erlaubnis und vor allem außerhalb der Quelle.“ Missmutig verziehe ich die Lippen, als ich an den abgestandenen Geschmack denke.
„Nie wieder. Ich verspreche es dir.“
„Ich frage mich allerdings, wie du an das Blut gekommen bist und woher du wusstest, was zu tun ist.“ Mischt sich Sage ein.
Das wollen sie alle wissen, erkenne ich, als ich in die Gesichter der anderen Blicke.
Und so erzähle ich, dass ich das Blut von Reno nahm, als ich ihn betäubt habe. Es war nur ein leichtes Mittel, aber so effizient, dass er es nicht bemerkt hat. Das Mittel und den Zauber womit ich die Hexen gebunden habe bekam ich von einem Magier, den mir Talon empfohlen hat.
„Und doch war es leichtsinnig von dir.“
„Ich weiß und es tut mir auch leid.“
„Es ist dein Glück. Ab jetzt werde ich immer wissen wo du bist und wie es dir geht.“
„Zumindest in den nächsten fünfzig Jahren.“ Wirft Raina lachend ein.
Die Stimmung lockert sich auf.
„Wie habt ihr mich eigentlich gefunden und was ist geschehen?“ blicke Reno erwartungsvoll an.
„Wir haben dich aufgespürt. Durch das was du bist.“ Eröffnet Lexus das Gespräch. Will zum Reden ansetzen doch er hebt die Hand und fährt fort.
„Heute kann ich dir sagen was du bist, oder warst. Das du nicht ganz menschlich warst ist die Wahrheit. Die Erzengel haben uns gesagt, dass du zwar eine menschliche Mutter hast, aber dein Vater ist ein Engel. Leider konnten oder wollen sie uns nicht sagen wer es ist. Aber das erklärt woher dein Blut so mächtig war um gegen die Hexen zu kämpfen.“
Verwundert sehe ich von Lexus zu Reno, der jedoch nur mit den Schultern zuckt.
„Ich wusste nichts davon. Bin genauso überrascht wie du.“
„Wie seit ihr an den Hexen vorbei gekommen? Ihre Wachhunde?“
„Als wir dich fanden, warst du allein. Keine Spur mehr von den Hexen. Ich hatte Angst zu spät zu sein. Deine Atmung war zu flach, aber mein Blut in deinen Adern hat dich verraten.“
Liebevoll zieht mich Reno mit dem Rücken an seine Brust und sagt leise:
„Ich hoffe dir ist bewusst, dass du dein Leben für mich gelassen hast.“
„Ein Leben ist beendet, aber dafür beginnt jetzt die Ewigkeit.“
Drehe den Kopf zu ihm, lasse die ausgefahrenen Eckzähne leicht aufblitzen, bevor sich unsere Lippen berühren.
Besiegeln mit diesem Kuss unsere gemeinsame Zukunft.

Impressum

Texte: Wilczyca
Bildmaterialien: Wilczyca
Tag der Veröffentlichung: 08.02.2013

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