Fünf Uhr morgens. Noch verschlafen stehe ich im Badezimmer und Style mich. Rasieren, Augenbrauen und Haargel.
Mehr mache ich nicht. Ich stehe nicht auf Schminke, so wie die anderen in meiner Clique.
Warum muss ich eigentlich so früh aufstehen? Ach ja. Hochzeit meiner Schwester. Theatralisch lege ich mir die Hand vor Augen. Warum ist die Ziege nur so weit weggezogen? Heidelberg ist ja nicht gerade um die Ecke.
Meine Eltern kamen auf die glorreiche Idee schon die ganze Woche bei Kessy zu verbringen, um ihr zu helfen. Und da ich gerade mitten im Abistress bin, bleibt für mich nur der Zug über. Warum muss ich auch immer der Jüngste sein?
Wiederstrebend packe ich meine Tasche. Wechselklamotten, Papiere und nicht zu vergessen mein derzeitiges Buch von Mary Janice Davidson – Betsy Taylor 3.
Ich liebe die Bücher von ihr.
Um halb sechs geht mein Zug vom Hauptbahnhof. Die Fahrkarte hat meine Mutter mir vorher schon gekauft. Man bin ich froh das ich nur eine Strecke zurück legen muss. Nach Hause geht es mit dem Auto.
Pünktlich wie ich bin stehe auf dem Bahnsteig und warte. So früh ist hier in Wismar nicht viel los. Vielleicht eine Handvoll Leute, die mit einsteigen.
Es ist nur ein Regionalzug, also suche ich mir einen gemütlichen Platz in der Mitte. Der Zug ist noch nicht losgefahren, da habe ich bereits das Buch in der Hand. Und beginne zu lesen.
Ich nahm einen großen Schluck Milch.
Ich war tot, verheiratet mit Sinclair, wohnhaft in diesem Mausoleum von der Größe eines Museums, versuchte, das Scratch zu führen, auf dessen Gewinne ich finanziell angewiesen war, hielt die Biester an der kurzen Leine (buchstäblich!), versuchte
nett zu Dad und Ant zu sein und schließlich und endlich . . .
»Halt dich fest, Andrea und Daniel heiraten.«
»Und du hältst die Hochzeitszeremonie ab.«
»Woher weißt du das?«
»Sinclair hat es mir gesagt.«
»Hör mal, ich habe dir verboten, mit dem Mann zu sprechen.«
»Ich bin seine Vermieterin«, erinnerte sie mich. »Wir haben nur höflich Konversation gemacht, als er seinen Scheck ausstellte.«
Die ersten Kicher entringen sich meiner Kehle. Verstohlen sehe ich mich um. Eine ältere Frau sitzt einige Bänke hinter mir. Ihren Blick kann ich nicht deuten.
Beruhigt widme ich mich dem Buch wieder zu.
»Da ist jemand an der Tür«, sagte ich und wischte mir den Mund ab.
»Nein, da ist niemand.«
»Jessica, da ist jemand, ganz sicher.«
»Auf keinen Fall. Weißt du, du bist wie einer von diesen kleinen Kläffern . . . Jedes Mal, wenn draußen ein Wagen vorbeifährt, flippst du aus und denkst, dass jemand an der
Tür . . . «
Dingdong.
»Ich hasse dich«, seufzte sie und stand auf.
In dem Moment, als der Zug in Schwerin einfährt und einige Passanten einsteigen beginne ich wieder zu lachen. Ich versuche es zu unterdrücken, aber ohne Erfolg. Böse Blicke werden mir zugeworfen und ich bekomme einen roten Kopf. Verdammt, peinlich ist es mir ja schon. Da ich sie doch nicht auslache, sondern über die Story im Buch.
Verstohlen beobachte ich die kleine Gruppe, die in letzter Sekunde noch einsteigt. Wie Paradiesvögel sehen sie aus. Ich frage mich, wohin die Fahrt der Fünf geht.
Innerlich schüttel ich den Kopf. Was geht es mich an? Ich habe ein festes Ziel vor Augen. Heidelberg! Oh mein Gott.
„Hey!“ ruft einer der Männer. Ignorierend hebe ich das Buch und will weiter lesen, doch eine Pranke von Hand drückt es hinunter.
Scheiße, hoffentlich nimmt er mir das Buch nicht weg. Aber das tut er nicht, hält es einfach nur in meinen Schoß. „Sag mal bist du auch auf den Weg nach Berlin?“ ich ziehe eine Augenbraue hoch.
„Warum?“ ich muss einfach fragen. Der Große schaut zu seinen Kollegen und wieder zu mir.
„Zu sechst hätten wir mehr spaß als nur zu fünft. Also, was ist?“
„Sorry“, stammel ich. Jetzt bin ich doch etwas sprachlos. „Mein Weg führt durch Berlin durch. Keine Chance!“ damit ziehe ich mir das Buch aus seinem Griff und versteckte mich dahinter. Sehe ich jedoch noch, wie er mit den Schultern zuckt und zur Gruppe zurück geht.
Weiter beachte ich sie nicht. Vertiefe mich wieder in dem Buch und lese.
»Mr. Taylor!« Wir zuckten alle zusammen. Das Geschirr klapperte – buchstäblich. Und mein Vater wäre erneut fast in Ohnmacht gefallen. »Ich verlange, dass Sie diese Bemerkung auf der Stelle zurücknehmen, oder ich werde gezwungen
sein ... was machst du?« Jessica war Sinclair auf den Rücken gesprungen, in dem
Versuch, die Standpauke (oder vielleicht auch das Gemetzel) zu verhindern. Wie ein dünner schwarzer Käfer klammerte sie sich an ihn, und als er den Kopf schüttelte, wäre sie
fast abgerutscht. »Also wirklich, Jessica. Würdest du bitte absteigen?«
»Erst musst du versprechen, dass du diesen Satz nicht zu Ende bringst«, flüsterte sie in sein Ohr. »Glaub mir, es macht nichts besser, sondern alles nur noch schlimmer. Sie wird
schon mit ihm fertig.«
Wieder beginne ich zu kichern. Verdammt die Autorin schreibt einfach genial.
Die Männer sitzen mir gegenüber und sehen mich skeptisch an. Ich bemerke ihre Blicke über den Buchrand und Röte steigt mir ins Gesicht. Hoffentlich sind wir bald in Berlin.
Ich sehe auf die Uhr und vergleiche es mit meiner Liste.
Wittenberg. Wenn alles glatt läuft, noch eine Stunde.
Nachdem ich ein Lesezeichen reingelegt habe, stecke ich das Buch weg um etwas zu trinken. Dabei lasse ich den Blick streifen. Nicht nur die fünf Jungs mir gegenüber beobachten mich. Hinter der Tür sitzt ein älteres Pärchen, das belustigt den Kopf schüttelt. Wahrscheinlich sind die älteren Leute eher froh, dass die Jugend noch liest. Auf der anderen Seite sitzen zwei Mädels, ungefähr in meinem Alter. Sie konnten das Titelbild sehen und da eine Frauenzeichnung abgebildet ist haben sie ihre Köpfe zusammengesteckt und tuscheln. Ich schließe die Augen. Nur eine Minute durchschnaufen. Wie ich es hasse, so im Mittelpunkt zu stehen.
Auch wenn ich die fremden Blicke spüre, lasse ich meine Augen zu. Es dauert nicht lange und ich bin weggetreten.
Ich erwache in einem fremden Bett. Alles ist still. Vorsichtigen Schrittes verlasse ich das Zimmer. Wo bin ich? Egal wo ich hinschaue, überall nur Zimmer und lange Flure. Da vorn ist eine Treppe. Leise steige ich sie hinab. Das Zimmer, in dem ich erwachte befand, sich in der zweiten Etage. Im Foyer ist alles hell gestrichen und eine Bank steht neben der Treppe. Stimmen sind zu vernehmen und ich gehe ihnen entgegen. „Sinclair, nein!“ vernehme ich eine Frauenstimme und spähe um die Ecke.
Dort standen vier Personen, zwei Männer und zwei Frauen. Wobei die dunkle Frau auf dem Rücken des Mannes hängt. „Geh runter von mir Jessica!“ „Dad, bitte geh!“ bat die Blondine, die bei einem älteren Herrn stand. Wow, was geht hier ab. Schnell muss ich von der Tür weg, da der Mann und die Blonde darauf zulaufen. Ich verstecke mich hinter der Treppe und stoße mit einem jungen Mann in Arztkleidung zusammen.
„Scheiße“ entkommt es mir.
„Vorsichtig!“ der Jüngling hält mich an den Oberarmen fest und verhindert dadurch, dass ich falle. Unsere Blicke treffen sich und ich erstarre. Ohne das ich etwas unternehme kommt sein Kopf näher und …
„Hey“ eine kräftige Hand legt sich auf meine Schulter und ich springe erschrocken auf. „Kleiner, du sagtest doch das du in Berlin raus musst zum Umsteigen. Ich will dir nur Bescheid geben, dass wir gleich da sind.“ Verwirrt blicke ich mich um. Der Mann von vorhin hat mich geweckt. Erleichtert sinke ich wieder in den Sitz.
„Danke“, hauche ich. Was war das gerade für ein Traum? Innerlich schüttel ich den Kopf. Ich muss aufpassen, was ich mache. Auch wenn ich keine Lust habe, muss ich doch zu meiner doofen Schwester.
Der Mann setzt sich zu seinen Kollegen zurück und lächelt mich schief an. Na hoffentlich habe ich nicht im Schlaf geredet. Als ich an den beinah Kuss denken muss, wird mir ganz heiß. Schnell zieh ich mir die Tasche auf den Schoß, um meine wachsende Erregung zu verdecken. Mann oh Mann, ist das peinlich.
Der Zug fährt in Berlin-Spandau ein und noch bevor die Türen richtig offen sind, fliehe ich zu einem Plan. Bahnsteig vier und eine halbe Stunde zeit, na super. Ich schulter meine Tasche und marschiere geradewegs aus dem Gebäude. Gegenüber befinden sich die Arcarden. Kurz überlege ich, schüttel dann aber innerlich den Kopf und gehe, nachdem ich mir was zu essen besorgt habe, auf den Bahnsteig. Auf diesen komischen Metallstühlen mache ich es mir so gemütlich wie nur möglich und krame mein Buch raus.
»Ach, halt die Klappe. Streng doch mal zur Abwechslung deinen kleinen Kopf an. Wenn du kein toter Typ wärst, würdest du dann nicht auch gerne irgendwohin gehen, wo du nicht belästigt wirst?«
»Ja. Und wo ich trinken und Spaß haben kann.«
»Nein, nein! Ich meine, ja, trinken, ein, zwei Daiquiris zum Beispiel, oder auch drei. Mal richtig abhängen. Nicht . . . du weißt schon.« Ich zog meinen Daumen an meiner Kehle vorbei, als würde ich sie mir aufschlitzen wollen. Er zuckte mit den Schultern.
»Wir schaffen das schon, Überbiss«, munterte ich ihn auf. Das war nämlich in den letzten drei Monaten zu meinem Mantra geworden. Wieder zuckte er mit den Schultern.
Automatisch zucke auch ich mit den Schultern und kicher. „Betsy sieht das Ganze eindeutig zu leicht.“ Als ich merke, dass ich laut rede, blicke ich mich um. Wieder stehen Passanten um mich herum. Ich erkenne ungläubige Blicke, die mich für verrückt erklären. Und Augenpaare, die mir zuzwinkern. Ich sollte mich echt zusammenreißen.
Pünktlich fährt der Zug ein. Diesmal handelt es sich um einen ICE und so habe ich einen festen Platz. Wow, meine Eltern meinen es wirklich gut mit mir. Erste Klasse Einzelabteil. Bin ja mal gespannt, wie viele hier noch sitzen.
Sobald ich sitze, dämmer ich wieder weg.
Da war er wieder. Die braunen Locken, die lächelnden Augen und der volle Mund. Der Arzt steht vor mir, als hätte er auf mich gewartet.
Ohne Vorwarnung drücken sich seine weichen Lippen auf meinen Mund.
Protestierend hebe ich die Arme, doch kann ich nichts ausrichten. Meine Hände legen sich um seinen Nacken und ziehen ihn weiter zu mir ran.
„Die Fahrscheine bitte!“ reißt mich der Schaffner aus dem Traum. Meine Hose spannt. Blut sammelt sich in den falschen Regionen. Mit einer Hand ziehe ich die Fahrkarte aus meiner Tasche, mit der anderen lege ich mir die Jacke über den Schritt.
Der Kontrolleur scheint nichts mitbekommen zu haben, dafür aber der Fahrgast, der mir gegenübersitzt.
Schüchtern senke ich den Blick, sodass mir die Haare vor den Augen fallen und muster ihn.
Vielleicht Anfang zwanzig, braune Locken und dunkle Augen. Seine Statur und Aussehen lassen mich an Marc erinnern. Wieder steigt mir Röte ins Gesicht, als ich an den Kuss mit dem Arzt denke. Dabei ist das doch nur ein Traum gewesen.
Wir sitzen zu zweit in dem Abteil und nachdem der Schaffner die Tür hinter sich geschlossen hat, herrscht eisiges Schweigen. Ich sehe auf die Uhr. Gerade einmal eine halbe Stunde vergangen. Gedankenverloren krame ich das Buch heraus und lese weiter.
»Ich muss zugeben«, sagte Tina, »dass auch ich ein wenig
neugierig bin.«
»Sie weiß, dass du ein Vampir bist, aber die Haustür war nicht verschlossen.« Sinclair rümpfte die Nase. »Entweder ist sie unglaublich arrogant oder unglaublich dämlich.«
Ein Kichern entringt sich meiner Kehle, mal wieder. Dieses Buch hat es mir echt angetan.
„Was ist so lustig?“ Erschrocken sehe ich meinem Gegenüber an. „Betsy Taylor Band 3“, stellt er sachlich fest. „An welcher stelle bist du gerade?“ Was bitte ist das? Er liest die gleichen Storys wie ich.
„Ähm, wo sie alle mit Sinclairs Cabriolet zur Stiefmutter gefahren sind.“ stotter ich. Er nickt bestätigend.
„Au ja, die Beschreibung die sie immer abgibt. Ich mag die Autorin. Sie hat viel Witz reingebracht.“ Sprachlos sehe ich ihn an.
Der Lockenkopf beugt sich vor und wie von selbst folge ich seiner Bewegung. Nur wenige Zentimeter trennen unsere Köpfe. Seine Augen scheinen die meinen zu verschlingen. „Hast du schon alle gelesen?“ Ich muss schlucken und nicke. Er lächelt leicht „Ich auch. Bekomme einfach nicht genug. Nur schade, dass sie Marc so wenig Beachtung schenken. Die Zungenspitze gleitet langsam zwischen seinen Lippen. Wie hypnotisiert starre ich auf sie, folge jede noch so kleine Regung mit den Augen. Sein Kopf kommt den meinen immer näher und ehe ich mich versehe liegen die vollen geschwungenen Lippen auf meine.
Wie vom Blitz getroffen zucke ich nach hinten. Doch er folgt mir und drückt mich in den Sitz zurück. Seine Hände ergreifen mein Gesicht und lassen mich nicht fliehen. Ich kann nicht mehr denken. Träume oder wache ich? Hat mir meine Fantasy jetzt einen Streich gespielt? Meine Hände gleiten in seinen Nacken und ziehen ihn an mich.
Wir werden nicht unterbrochen.
Kein Schaffner der Fahrkarten kontrolliert.
Kein Passagier, der sich zu uns setzt.
Nein, diesmal ist es kein Traum!
Eine Hand löst sich von meinem Gesicht, wandert über meinen Körper und zieht mir das Shirt aus der Hose.
„Nein!“ hauche ich atemlos und schiebe ihn entschlossen weg. Unser beider Atem geht keuchend. Fragend sieht er mich an.
„Nein!“ meine Stimme ist etwas entschlossener. „Was machst du?“ frage ich verwirrt. Die dunkeln Augen funkeln mich an und ohne auf meine Frage zu antworten, drückt er die Lippen wieder auf meine. Ich will protestieren doch er hält meine Hände gefangen und schiebt seine Zunge in meine Höhle. Stöhnend ergebe ich mich. Unsere Körper schmiegen sich aneinander. Seine Erregung ist genauso deutlich zu spüren wie meine.
Jegliches Zeitgefühl geht verloren.
Wir reden nicht viel. Küssen uns um so mehr.
„Scheiße ich muss raus.“ Der Fremde springt auf und greift nach seiner Tasche. „Hier ruf mich an.“ Ein schneller Kuss und eine Visitenkarte, die er mir ins Shirt steckt und der Lockenkopf verschwindet aus meinem Blickfeld.
Irritiert blicke ich mich um.
Fulda, Viertel vor zwölf. Noch massig Zeit.
Ich krame das Stück Papier aus meinem Shirt und lese es mir durch.
Dr. Marc Bauer und seine Handynummer. Ein Lächeln bildet sich auf meinen Lippen und ich schließe die Augen. Nicht nur das Aussehen, sondern auch Name und Beruf wie im Roman.
Wieder stehe ich unten im Foyer, umringt von mehreren Personen.
„Wer bist du?“ fragt mich die Blonde, die ich als Betsy erkenne.
„Ich träume doch nur.“ Versuche ich mich leise zu rechtfertigen.
„Nein!“ zischt mir jemand ins Ohr und als ich mich umdrehe, steht Sinclair vor mir. „Du bist in unserm Heim. Warum?“ seine Fangzähne sind ausgefahren, scheiße.
„Ich habe nichts gemacht. Sitze im Zug auf den Weg zu meiner Schwester.“
„Wie heißt deine Schwester?“ eine kleine blonde Vampirin dreht mich zu sich um und zeigt mir die Zähne.
„Leute“ Betsy greift ein und löst den Griff von meinem Arm.
In dem Moment erscheint Marc auf der Treppe.
„Was ist das für ein Krach? Kaum hat man mal ein Tag frei, macht ihr hier Party.“ Er erblickt mich und verstummt. Flehend sehe ich ihn an, doch auch er kann mir nicht helfen, kennt er doch meinen Namen nicht.
„Tina, mach Tee!“ zischt Betsy und schiebt mich in einen angrenzenden Raum. Marc und Sinclair folgen ihr.
„Bitte!“ flehe ich leise. Angst lässt meine Stimme zittern. „Ich habe doch nichts gemacht. Ich lese nur eure Geschichte und bin eingeschlafen. Das ist nichts weiter als ein Traum für mich.“ Wie ein Raubtier kommt Sinclair auf mich zu.
„Eric nein!“ blafft Betsy, doch er reagiert nicht. Baute sich vor mir auf. Sein Kopf kommt meinem Hals immer näher. Die Zähne sind gebleckt und …
Ein Schellen lässt mich nach oben schrecken. Ich brauche einige Sekunden um zu realisieren, dass es gerade mein Handy ist.
„Mum“
„Wo bist du Junge? Wir warten schon alle!“ stöhnend rolle ich mit den Augen.
„Mum, um halb sechs ist der Zug erst von Wismar los. Ich bin jetzt …“ ich sehe aus dem Fenster, auf den Bahnsteig in den wir gerade einfahren „Frankfurt Main. In einer halben Stunde bin ich in Mannheim. Kann mich Dad vom Bahnhof abholen?“
„Aber sicher mein Junge. Ruf an, wenn du in Mannheim umsteigst.“
„Danke Mum. Bis gleich.“
Sie legte auf, ohne sich zu verabschieden. Das war nichts Neues für mich.
Wieder nehme ich das Buch zur Hand. Dabei fällt mir die Karte von Marc in den Schoß. Solle ich ihn anrufen?
Ich kann mich nicht entscheiden, hänge den Erinnerungen an dem Kuss nach. Wow, was für Lippen der hat. Eh ich mich versehe fährt der Zug in Mannheim ein. Schnell schnapp ich mir meine Tasche und stürme los zur Anzeige.
Auf Gleis vier bin ich angekommen. Verdammt, acht Minuten bis zur Abfahrt auf Gleis zehn. Ich laufe zügig. Weiche immer wieder den umstehenden Passanten und Gepäckstücken aus und erreiche zeitgleich mit dem einfahrenden Zug den Bahnsteig.
„Dad in zehn Minuten bin ich in Heidelberg.“
„Gut ich warte vor dem Eingang.“
Kurz und Knapp, wie nicht anders zu erwarten.
Diesmal stecke ich mein Handy nicht weg.
Hey Marc. Wie komme ich zu der Ehre? – Der Fremde im Zug
Es dauert keine zwei Minuten, bis ich eine Antwort bekomme.
Dein Traum hat dich verraten. Sehen wir uns wieder? – Marc
Mein Traum? Aber … nein das ist nicht möglich. Dieser Marc kann nicht der aus dem Traum sein. Oder doch?
Ich fahre leider nicht mit dem Zug zurück. Wo kommst du her? – Markus
Gerade jetzt wünsche ich mir doch, mit dem Zug zurückfahren zu können. Aber vielleicht sieht man sich irgendwann mal wieder.
Markus? Der östliche Norden ist mein Zuhause. Vielleicht sieht man sich. Marc
Vielleicht. Ich würde es hoffe.
In dem Moment fährt der Zug in dem Bahnhof ein.
Meine Fahrt ist vorbei.
Noch nie habe ich eine Zugreise so genossen wie heute.
Ob ich Marc wieder sehe?
Na zumindest habe ich seine Nummer.
Langsam verlasse ich das Gebäude.
Mein Vater wartet bereits.
„Hey Dad“ grüße ich ihn.
„Steig ein. In einer Stunde geht die Trauung los!“ Na danke, als wenn ich etwas dafür kann das ich so spät hier bin.
„Danke Dad“, sage ich trotzdem und er sieht mich erstaunt an, verstand jedoch nicht, was ich meine.
Und dabei will ich es auch belassen. Es muss ja nicht jeder von meinem Erlebnis erfahren. Mit einem Lächeln schließe ich die Augen und sehe Marcs Gesicht vor mir.
Die Hochzeit habe ich so einigermaßen hinter mich gebracht.
Es ist klassisch gewesen. Standesamt haben sie bereits am frühen Morgen gehabt, sodass gegen fünfzehn Uhr nur noch die Trauung vor Gott standfinden sollte. Eine Stunde habe ich Zeit gehabt um mich frisch zu machen. Den Anzug hat Mum mit dem Auto mitgenommen, damit er ja nicht verknittert.
Kessy habe ich nicht zu Gesicht bekommen. Was für ein Wunder. Sie ist zehn Jahre älter als ich und spielt sich nicht unbedingt als Schwester, sondern eher als zweite Mutter auf. Und eine von der Sorte reicht mir wirklich.
Nur mit Mühe habe ich es geschafft, während der Trauung und der Feier nicht einzuschlafen. Vor allem nicht nach meinem Buch zu greifen. Zu gern hätte ich mehr von Betsy gelesen, oder von Marc. Ob das alles nur ein schöner Traum war mit Marc im Zug? Wie um es mir selbst zu beweisen, ziehe ich die Visitenkarte heraus und lese noch einmal den Namen. Auch er ist Arzt, hoffentlich nicht in einem Krankenhaus in der Kinderabteilung. Ein Seufzen entringt sich meiner Kehle. Am liebsten würde ich mich zurückziehen und träumen.
Die Feier findet direkt nach der Trauung statt und geht bis in die frühen Morgenstunden. Um drei Uhr lassen meine Eltern mich schlafen.
An Lesen denke ich jetzt nicht mehr. Kaum das mein Kopf in die Kissen sinkt, bin ich schon im Land der Träume.
Ich liege auf einem Sofa und der junge Arzt beugt sich über mich. Den Versuch aufzustehen unterbindet er einfach, indem er meine Schultern nach unten drückt. Etwas liegt an meiner Kehle und ich will es mit der Hand entfernen, aber er haut darauf und schaut mich böse an.
„Bleib still liegen.“ Ich weiß nicht was es soll und wie ich hier hergekommen bin. Kann mich an nichts mehr erinnern. Unsicher blicke ich mich um, kann aber niemanden erkennen. „Wir sind allein. Betsy hat Sinclair rausgeschmissen, nachdem er dich gebissen hat!“ Meine Augen werden immer größer, dieser Blutsauger hat mich … nein, das kann einfach nicht sein. Ohne das ich es kontrollieren kann, fängt mein Körper zu zittern an. Marc reicht mir ein Glas Orangensaft. „Hier trink!“ Ich will nicht, aber er zwingt mich dazu. Streichelt dabei sanft über meine Haare. Nachdem er das Glas abgestellt hat, kommt sein Kopf immer näher. Ich denke er will sich die Wunde besehen, als sich unsere Lippen berühren und die Tür aufgerissen wird.
„Verdammt Sinclair nein!“ Schreit Betsy. Marc reißt den Kopf nach oben und wir sehen beide erschrocken auf.
Tina steht mit ausgebreiteten Armen im Rahmen und versucht ihren Meister aufzuhalten.
„Geh mir aus dem Weg!“ zischt Eric sie an und die Eckzähne blitzen spitz hervor. Hinter seinem Rücken höre ich andere aufgeregte Stimmen.
„Was geht den hier vor?“ Das war Jessica, ich erkenne den Klang wieder.
Schützend stellt sich Marc vor mir.
„Sinclair es reicht!“ Betsy bahnt sich einen Weg an den Vampiren in der Tür vorbei und baut sich vor ihnen auf. „Eric Sinclair, mach das du dieses Zimmer verlässt. Der Junge hat niemanden etwas getan. Lass ihn in Ruhe. Du hast deinen Spaß gehabt.“ Nur langsam und wiederstreben lockert sich Erics Haltung. Tina jedoch ist noch angespannt. Erst als Eric sich wegdreht wird sie locker. Betsy wirft einen prüfenden Blick auf uns, lächelt und geht. Dabei scheucht sie die anderen vor sich her.
„Was war das den jetzt bitte?“ frage ich atemlos. Marc sieht mich kopfschüttelnd an, setzt sich wieder zu mir auf das Sofa und streicht mir eine Strähne hinters Ohr. Seine Hand verweilt und der Kopf kommt meinem näher bis …
Ein Schellen lässt mich hochgehen. Wer hat dieses vermaledeite Handy gestellt? Ach ja das war ich selbst. Elf Uhr, schwermütig erhebe ich mich. In zwei Stunden wollen meine Eltern losfahren.
Sieben Stunden Autofahrt, wie soll ich das nur überleben? Ich muss in mich hinein grinsen, denn ich weiß ganz genau wie.
„Markus komm endlich runter!“ die Stimme meiner Mutter ist nicht zu überhören. Muss sie den immer so einen Druck machen? Beiläufig sehe ich auf die Uhr, eine halbe Stunde noch.
„Mum, ich bin doch gleich da. Hab alles fertig gepackt und esse noch was.“
„Essen kannst du unterwegs. Ich habe Brote gemacht.“ Genervt verdrehe ich die Augen. Nehme wieder einen Löffel voll Müsli und stecke ihn mir in den Mund, bevor ich noch was Falsches sage.
Nur zehn Minuten später gehe ich zu meinen genervten Eltern. Mir soll es egal sein. Hätten mir ja auch wieder eine Zugkarte kaufen können. Noch nie habe ich mich so auf eine Bahnfahrt gefreut.
Auf der Rückbank mache ich es mir in dem Freemont gemütlich. Hole mein Buch raus und lese. Bekomme nicht mehr mit was um mich herum passiert und wann wir überhaupt losfahren.
Die Sonne.
Ich starrte. Lange. Der große goldene Ball stand genau über den Baumwipfeln. Wahrscheinlich war es Spätnachmittag. Seit meinem dreißigsten Geburtstag im April hatte ich die Sonne nicht mehr gesehen.
Ich hatte im Buch der Toten gelesen und zugelassen, dass es mich zu einem richtigen Arschloch gemacht hatte. Das war schlimm, sehr schlimm. Andererseits konnte ich nun bei Tageslicht aufwachen. Das war gut, sehr gut.
„Oh man Betsy ist echt durchgeknallt.“ Ich hab wohl laut gesprochen, denn Mum dreht sich um und sieht mich missbilligend an. Innerlich zucke ich mit den Schultern und lese weiter.
Und zu Marc hatte ich all diese furchtbaren Sachen gesagt . . . er war mir immer ein guter Freund gewesen und ich hatte ihn Dr. Blutegel genannt.
„Der arme Marc“ Dads blick trifft mich durch den Rückspiegel.
„Lenk deinen Vater nicht vom Fahren ab!“
„‘tschuldigung“ damit mache ich mich wieder über das Buch her.
Ich sah mich um. In ungefähr zwanzig Metern Entfernung stand Marc, in den Händen meine alte 12-Kaliber-Flinte. Wie war noch mal die Statistik? Menschen, die ein Gewehr besaßen,
wurden öfter Opfer dieses Gewehrs als Opfer anderer Gewalttätigkeiten?
Da ich jetzt genau in seiner Schusslinie saß, schwor ich im Stillen, dass ich zukünftig diesen Statistiken mehr Aufmerksamkeit widmen würde.
„Schusswaffen? Gar nicht gut.“ Mum räuspert sich, sehe sie jedoch nicht an.
»Ich erinnere mich an alles, leider. Ich denke, jetzt ist der Moment, wo ich zu Kreuze kriechen sollte. Es tut mir leid, was ich zu dir gesagt habe, Marc.« Ich sah zu ihm auf. »Ich habe es nicht ernst gemeint. Ich wäre sehr traurig, wenn du ausziehen würdest.«
»Aha.«
»Wirklich, Marc. Es tut mir wirklich leid. Ich habe Mist gebaut.«
»Okay.« Der Gewehrlauf war weiter auf mich gerichtet.
„Das Marc ihr nicht sofort verzeiht ist verständlich.“
„Markus es reicht!“ pflaumt Mum mich an. „Wenn du nicht still sein kannst, muss ich dir das Buch wegnehmen.“ Bloß nicht mein Buch. Missmutig lege ich das Lesezeichen rein und stecke es in die Tasche.
Gedankenverloren blicke ich aus dem Fenster. Wie schön wäre es jetzt im Zug mit Marc zu sitzen. Ein Seufzen entringt sich meiner Kehle.
Im Fenster spiegelt sich sein Anblick wieder.
Die dunklen Locken, die das Gesicht gekonnt in Szene setzen. Die braunen Augen und die vollen weichen Lippen. Manche würden sagen er sieht aus wie jeder andere, aber für mich ist er etwas Besonderes. Als wäre er dem Betsy Taylor Roman entsprungen.
Ich kann nicht widerstehen, ziehe mein Handy vor und schreibe ihm eine SMS.
Bist du wahr oder nur ein Traum?
Alles scheint mir so unwirklich. Ich warte auf Antwort, die nach einer halben Stunde immer noch nicht gekommen ist. Das Handy liegt in meinem Schoß und langsam senken sich die Lider.
„Wach auf!“ eine Stimme, eine sanfte Hand an meiner Wange. Warmer Atem streicht mir über das Gesicht. Schwermütig erheben sich die Lider. Zuerst kann ich nur eine verschwommene Gestallt erkennen. Reibe mir über die Augen, bis sich mein Blick schärft. Marc hat sich über mich gebeugt. Braune Quarze funkeln mich an. Ich weiß nicht wo ich bin, sehe unruhig umher. Erwarte Sinclair in der nächsten Ecke. Zärtlich berühren seine Lippen die meinen. Nur flüchtig. „Nach wem suchst du?“ Sein Blick versucht den meinem zu folgen.
„Wo sind wir?“ lächelnd steckt er mir eine Strähne hinters Ohr.
„Im Zug“, ist alles, was er dazu sagt. Quietschende Bremsen bestätigen die Aussage. Das heißt, es ist mein Marc. Aber wo sind wir? Auf den Weg nach Heidelberg? Schwerfällig richte ich mich auf. Marc gibt mir gerade soviel Platz wie nötig. Bewegt sich ansonsten nicht von meiner Seite. Wir sind allein im Abteil. Keine Betsy, kein Sinclair. Nur ich und Marc. Mein Marc. Sanft streicht sein Atem über mein Gesicht, als er sich zu mir beugt und unsere Lippen sich berühren. Zaghaft nur, damit sie den Traum nicht zerstören. Ein Keuchen entringt sich unser beider Kehlen.
Etwas bewegt sich auf meinem Schoß. Es kribbelt und summt. Die Vibration meines Handys zeigt mir an, dass ich eine SMS bekommen habe. Mit zitternden Fingern klicke ich auf den Umschlag.
Auch wenn es mir wie in einem Traum vorkommt, so bin ich doch real.
Dreimal muss ich die Nachricht lesen, um sie zu verstehen. Erleichtert schließe ich die Augen. Kein Traum, Marc existiert wirklich.
Orientierungslos blicke ich aus dem Fenster. Wo wir wohl sein mögen?
In diesem Moment erscheint ein Abfahrtsschild: Göttingen. Wow, die Hälfte der Fahrt habe ich verschlafen.
„Wir machen gleich eine Pause.“ Mum hat sich zu mir umgedreht und schüttelt den Kopf. Was habe ich den jetzt schon wieder angerichtet? Mit den Schultern zuckend sehe ich mir noch einmal die SMS an.
Es war die beste Zugfahrt meines Lebens.
Schreibe ich aus einem Impuls heraus zurück. Ich muss lächeln, als ich an den Moment denke, wo der Schaffner die Karten sehen wollte und was danach geschehen ist.
Und meine ist jetzt gerade die Schlimmste. Warum fährst du nicht mit dem Zug zurück?
Er sitzt wohl gerade darin. Wie gerne wäre ich jetzt da.
Eltern! Muss mit ihnen im Auto zurückfahren. Können wir uns wieder sehen?
Einfach raus mit der Frage. Entweder es geht gut oder nicht.
Noch bevor ich eine Antwort bekomme, fährt Dad auf den Rastplatz.
„Dein Handy kannst du im Auto lassen.“ Super Mum hat es bemerkt. Schnell verstaue ich es unter dem Sitz, bevor ich aussteige und ihnen in das Gebäude folge.
Fast eine ganze Stunde verbringen wir in diesem dämlichen Kabuff. Alles sieht aus wie in den Nachkriegszeiten, so wie ich es aus den Filmen kenne. Und das Essen schmeckt mindestens genauso schlecht. Wie meine Eltern da in Ruhe alles aufessen können, ist mir ein Rätsel.
Endlich steigen wir wieder ins Auto. Sofort greife ich unter den Sitz und ziehe das Handy raus.
2 neue Mitteilungen.
Ich bin leider viel im Stress. Weiß nicht, ob es eine Möglichkeit geben wird. Mach dir lieber nicht zu viel Hoffnung.
Die Zweite kommt eine halbe Stunde später.
Markus? Bitte antworte mir. Lass es uns langsam angehen und wir werden sehen.
Irgendwie trifft mich das gerade wie ein Schlag. Was will er mir damit sagen. Ich weiß nicht, wie lange ich über die letzte SMS nachdenke. Dad ist bereits losgefahren, als mich ein erneutes Surren hochschrecken lässt.
Markus? Bitte sag etwas. Gib uns Zeit, wir haben uns doch erst einmal gesehen. Klar war das heftig, aber ich möchte nichts überstürzen.
Ich muss ihm antworten, aber was soll ich schreiben? Ich lasse einfach mein Herz sprechen.
Wahrscheinlich hast du recht. Ich bin überrumpelt von dem was du schreibst. Klar, ein Schritt nach dem anderen. Bin ja eh viel zu Jung und gehe noch zur Schule.
Was für einen Müll schreibe ich da eigentlich? Ich bin siebzehn Jahre und gehe in die dreizehnte Klasse. Nur noch drei Monate und ich habe das Abi in der Tasche.
Markus bleib mal ruhig. So habe ich das nicht gemeint. Ich bin nicht viel älter als du. Habe auch erst meine Ausbildung abgeschlossen. Lass uns alles nur langsam angehen. Mit Treffen und reden. Der Rest ergibt sich.
Oh man, wie dämlich bin ich eigentlich. Tief durchatmend schließe ich kurz die Augen.
Federleicht streicht die Hand über meine Wange. Die braunen Augen sehen mich verlangend an.
„Ich hab auf dich gewartet.“ Formen seine Lippen die Worte, bevor sie die meinen berühren. Schmerzhaft zärtlich gleitet seine Zunge über meine Lippen, spalten sie und umspielen die meine. Mein Körper drückt sich ihm entgegen und meine Hände greifen nach seinen Schultern, ziehen ihn enger an mich. Rasend vor Leidenschaft berühren und küssen wir uns. Die Knöpfe an meinem Hemd fallen zu Boden, als er es aufreißt. Die Hand gleitet über meine Brust, umspielt meine Nippel. Die Zähne kratzen über meine Kehle. Der Kopf fällt mir nach hinten, erleichtert ihm den Zugang. Meine Augen fallen zu und keuchend geht der Atem. Eng wird es in meiner Jeans. Eine Hand gleitet in meinen Schritt und drückt leicht zu. „Heute noch nicht“, haucht er in mein Ohr und zwickt mein Ohrläppchen, was mich stöhnen lässt.
„Markus!“ schneidend scharf wie eine Messerklinge reißt mich Mums Stimme aus dem Traum. Mein Puls rast, die Lenden zucken. Mit wildem Blick sehe ich mich um. Wir sind zu Hause. Gerade fährt Dad in die Garage. Gott sei Dank ist es bereits dunkel draußen, sodass Mum mein gerötetes Gesicht nicht sieht.
Kaum das der Motor abgestellt ist springe ich aus dem Fahrzeug.
„Gute Nacht. Ich muss morgen früh raus. Schreiben einen Aufsatz.“ Mum will noch etwas sagen, doch Dad unterbricht sie.
„Lass ihn. Er hat bald Prüfung.“ Danke seufze ich in Gedanken.
Im Badezimmer genehmige ich mir nur eine kurze Dusche, bevor ich mich ins Bett lege. Mein Handy ist stumm. Keine Nachricht mehr von Marc. Soll ich ihm schreiben? Eine Weile überlege ich noch und schreibe ihm schließlich.
Bin zu Hause angekommen. Werde jetzt schlafen, morgen wieder Schule. Gute Nacht. Markus
Es dauert keine drei Minuten, als die ersehnte Antwort kommt.
Schlaf gut und träum was Süßes von Betsy und Marc.
Wenn er wüsste. Damit fallen mir bereits die Augen zu und ich schlafe ein.
Drei Monate, wie sollte ich die überleben.
Die verdammten Klausuren raubten mir den letzten Nerv.
Das Einzige was mich am Boden hält sind Betsy und ihre Leute. Ganz besonders Marc, wobei ich ihn ja gleich in doppelter Ausführung genießen konnte.
Hey in welcher Ecke des Landes treibst du dich gerade rum?
Das ist eine der häufigsten Fragen, die ich ihm stellte und meistens bekomme ich immer die gleiche Antwort.
Ganz in deiner Nähe. Sag mir bescheid, wenn du das nächste Mal mit dem Zug fährst, dann finde ich dich.
Als wenn ich es nur auf eine Zugbekanntschaft abgesehen habe.
Missmutig lasse ich mich in die Kissen sinken, greife das aktuelle Band von Betsy - Nur über meine Leiche - raus und beginne zu lesen.
„Wie armselig." Auf ihrem Weg zur Espressomaschine hatte Jessica einen Blick über meine Schulter geworfen. „Machst du tatsächlich eine Liste für deine Geburtstagsgeschenke? Knigge würde sich im Grab umdrehen."
„Soll er doch. Außerdem ist das keine Geschenkeliste, sondern eine Namensliste der Leute, die du zu meiner Überraschungsparty einladen wirst."
Jessica, eine dürre Nervensäge mit fantastischer milchschokoladenfarbener Haut, lachte mich aus. „Süße, es schmerzt mich, es dir sagen zu müssen, aber - wir - planen - keine - Party."
„Ihr müsst euch allerdings nicht allzu viel Mühe geben, um Ant zu überreden. Mir macht es nichts aus, wenn sie nicht kommt", fügte ich hinzu.
„Schnucki." Jessica ließ von der Espressomaschine ab, weil deren Bedienung ihr zu kompliziert war - ein allabendliches Ritual -, und rührte stattdessen Kakaopulver in eine Tasse Milch. „Vor zwei Monaten hast du dich sehr klar ausgedrückt: keine Party. Und wir haben dich beim Wort genommen. Also hör auf, Gästelisten aufzustellen und dir Sorgen zu machen, dass deine Stiefmutter kommen könnte. Das ist völlig unnötig."
„Redet ihr über die Überraschungsparty, die nicht stattfinden wird?", fragte Tina.
Ich weiß nicht warum, aber das Lesen macht mich in letzter Zeit immer verdammt Müde. So ist es auch jetzt nicht verwunderlich, das ich nach den wenigen Zeilen eingeschlafen bin.
Ich erwache, mal wieder in einem fremden Bett. Doch der Geruch kommt mir sehr bekannt vor. Langsam erhebe ich mich, richtig es ist Marcs Zimmer. Aber wo ist er? Ich steh auf und geh ins angrenzende Bad um mich zu erleichtern und frisch zu machen. Noch vom Schlaf benebelt taumel ich etwas und bemerke nicht, wie sich die Tür öffnet. Erst als ich in das Zimmer zurückkehre und beinahe gegen jemanden stoße, blicke ich auf und schreie.
Im Sekundenbruchteil steht Tina im Rahmen, blickt von mir zu dem anderen und wieder zurück. Auch Betsy stürmt herein, schreit sofort los.
„Was um Gottes Namen ist das?“
„Ein Zombie“, lässt sich Garrett vernehmen, der ebenfalls aufgetaucht ist.
„Und was machst du schon wieder hier?“ könnte Tina Gift spucken, würde ich jetzt nicht mehr leben.
„Tina lass ihn. Das ist Marcs Entscheidung, wen er mitbringt.“
„Aber eure Majestät.“ Wütend stampft Betsy auf, was Tina sofort verstummen lässt.
„Tina schaff mir den Zombie aus dem Haus. Garrett in dein Zimmer zurück und du bleibst, wo du bist. Marc müsste eigentlich bald nach Hause kommen.“ Sie gähnt, dreht sich um und verschwindet ohne ein weiteres Wort.
Nachdem auch Tina und die anderen das Zimmer verlassen haben, lege ich mich wieder ins Bett und warte, und warte und …
Ein lautes Klopfen an der Tür lässt mich aus dem Schlaf fahren.
„Markus bist du schon wieder eingeschlafen? Junge du sollst doch nicht bis in die frühen Morgenstunden wach bleiben.“ Oh man, meine Mutter.
„Mum was willst du?“ frage ich genervt.
„Essen ist fertig, komm endlich runter!“ Was hat sie den heute? Schwerfällig steh ich auf, schwanke noch etwas wegen des plötzlichen Weckens. Das wird in letzter Zeit alles immer schlimmer.
Während des Essens drohe ich wieder einzuschlafen. Kann mich selbst nicht verstehen.
„Junge was ist nur mit dir? Das geht jetzt seid drei Monaten und wird mit jedem Tag schlimmer!“ besorgt sieht mein Vater mich an, doch ich zucke nur mit den Achseln.
„Es wird nur der Abistress sein. Nächste Woche habe ich alles überstanden, dann kann ich auch endlich mal ausschlafen.“
„Ich würde eher sagen, du solltest nicht zu viel in deinen komischen Fantasybüchern lesen.“ Erwidert meine Mutter schroff, doch ich gehe erst gar nicht darauf ein.
„Wenn es nicht mehr geht, sagst du aber bescheid.“ Auch mein Vater übergeht ihre Aussage, was mich schmunzeln lässt.
„Es wird schon. Ich kann es mir nicht erlauben, jetzt krank zu machen.“ Mitfühlend ist der Blick meines Vaters, als ich in mein Zimmer zurückgehe.
Höre noch wie sie sich wegen mir streiten, was nichts Neues mehr ist.
Seufzend lege ich mich aufs Bett, hole das Handy hervor und schreibe Marc.
Komm ich lad dich ein auf meine Traumreise zu Betsy.
Es dauert nicht lange, bis seine Antwort kommt.
Nur zu gern Kleiner, aber die Patienten warten.
Ich knurre innerlich, doch dann kommt mir eine Idee.
Was muss ich haben, um einmal von dir untersucht zu werden.
Ich kann förmlich sein Lachen hören, als ich die Antwort bekomme.
Privat oder Kasse?
Wenn er so fragt.
Ich: Privat. Könnt grad was Gutes gebrauchen.
Marc: Was ist los?
Ich: Scheiß Abistress.
Marc: So schlimm? Komm erzähl.
Ich seufze, soll ich ihm wirklich sagen, was los ist? Einfach Augen zu und durch
Kann nachts nicht mehr richtig schlafen, dafür penn ich am Tag in den unmöglichsten Situationen ein.
Marc: Wie ist dein Kreislauf?
Jetzt habe ich den Arzt in ihn richtig geweckt, na super.
Der geht.
Marc: Geht heißt nicht das alles in Ordnung ist. Versuch es mit einem Kräutertee oder heißer Milch mit Honig zum Schlafen. Wann sind die letzten Prüfungen?
Ich: Okay, ich werd‘s versuchen. Nächste Woche noch drei Stück, dann hab ich es geschafft.
Marc: Halt mich bitte auf den Laufenden.
Mh, die Aussage kann man jetzt irgendwie eindeutig zweideutig sehen, grübel ich.
Mach ich. Werd jetzt schlafen. Gute Nacht.
Es war gerade einmal neunzehn Uhr am Samstag, aber das Interessierte mich nicht. Kaum hatte ich das Handy weggelegt, glitt ich auch schon ins Land der Träume.
Liebkosende Hände lassen mich langsam erwachen. Schlaftrunken öffne ich die Augen. Marc lächelt mich an.
„Endlich Feierabend?“ frage ich mit noch rauer Stimme vom Schlaf.
„Ja und ich durfte mir von Tina bereits eine Standpauke anhören. Warum du allein in meinem Zimmer bist.“ Verlegen sinke ich den Blick.
„Es tut mir leid, doch ich kann meine Träume nicht kontrollieren.“ Sanft streicht ein Finger über meine Wange.
„Dafür brauchst du dich nicht entschuldigen, ich freue mich, wenn du hier bist.“ Ich will etwas erwidern, doch der Finger legt sich auf meine Lippen. Kurz darauf wird er von seinem Mund ersetzt. Spielerisch taucht die Zunge in meinen Mund, fordert die meine zu einem aufreizenden Spiel heraus. Er lässt mich stöhnen und ich greife nach seinen Oberarmen. Ziehe ihn zu mir aufs Bett. Doch er löst sich von mir, bleibt jedoch neben mir liegen und sieht mich musternd an.
„Du siehst müde aus. Geht es dir nicht gut?“ Unruhig gleitet mein Blick durch den Raum. „Ausweichen ist nicht, erzähl schon.“ Ich seufze.
„Im Traum wie in Realität machst du dir sorgen. Es ist nur der Abistress, mehr nicht. Nichts was ich ab nächstes Wochenende nicht wieder aufholen kann.“
„Du hast mir bereits von meinem zweiten Ich erzählt.“ Lächelnd streicht er über meine Augenringe. „Komm, schlaf etwas.“ Damit zieht er mich wortlos in seine Arme. Ich brauche nicht lange, genieße die Wärme seiner Haut und schlafe ein.
Traumlos und ruhig ist diese Nacht. Fühle mich einfach nur geborgen. Niemand weckt mich.
Als ich erwache, bin ich orientierungslos. Keine Ahnung wo ich bin oder wie spät es ist. Die Sonne scheint, das ist alles, was ich im ersten Moment erkenne. Erst nach wenigen Minuten lichtet sich der Schleier des Schlafes und ich erkenne mein Zimmer. Ich bin in der Wirklichkeit angekommen. Ich greife nach meinem Handy. Sonntag Mittag halb zwei, wow habe ich solange geschlafen?
Ich fühle mich ausgeruht, genehmige mir eine heiße Dusche, bevor ich zu meinen Eltern hinunter gehe.
„Guten Morgen mein Junge. Wie geht es dir?“
„Morgen Dad, ich hab super geschlafen und jetzt habe ich Hunger.“
„In der Küche ist noch etwas für dich. Deine Mutter ist bei ihrer Freundin.“
Ach deshalb ist es so ruhig hier. Im Kühlschrank finde ich diverse Schüsseln, nehme mir eine ordentliche Portion und erwärme den Teller in der Mikrowelle.
Mit dem Essen setze ich mich zu meinem Vater ins Wohnzimmer.
Die letzte Woche ist der Horror für mich gewesen.
Schaffe es vielleicht auf zehn Stunden schlaf, bei sieben Tagen. Kann mich kaum noch auf den Beinen halten.
„Junge es reicht jetzt. Du gehst zum Arzt, lass dir wenigstens etwas verschreiben. Die Prüfungen sind vorbei.“ Was soll ich darauf sagen? Mein Vater hat ja recht. In einer Woche bekommen wir die Ergebnisse gesagt.
„Morgen Dad, heute möchte ich nur noch schlafen.“ Schleppend ist der Weg in mein Zimmer, ich habe das Gefühl meine Füße sind tonnenschwer.
Ob ich meine Zimmertür schließe, weiß ich nicht mehr, schaffe es gerade noch eine SMS zu schreiben, bevor mir die Lider zuklappen.
Marc ich brauch deine Hilfe. Bin am Ende. Markus
Die Antwort bekomme ich nicht mehr mit.
„Kleiner was machst du nur für Sachen?“ Ein Windhauch gleich dringt die Stimme an mein Ohr. Leicht streicht etwas über meine Stirn. „Öffne deine Augen Markus.“ Ich versuche den Worten zu gehorchen, doch wollen die Lider sich nicht heben. Zart berührt mich etwas an den Lippen, übt druck aus und lässt mich den Mund öffnen, als ein Keuchen meiner Lunge entflieht. Etwas gleitet in meine Öffnung und jetzt reiß ich doch die Augen auf. Starre in zwei wunderschöne braune Rehaugen. Lächelnd vergrößert er etwas den Abstand und sieht mich an. „Na bist du jetzt wach?“ Bin ich wach oder träume ich noch immer? Langsam geht mein Blick durch den Raum.
„Mein Zimmer“, hauche ich, als ich alles erkenne. Er nickt, beugt sich nach unten und holt etwas aus einer Tasche …
„Komm ich will mir einmal deinen Blutdruck ansehen.“ Damit legt Marc die Manschette um meinen Bizeps. Ich kann es noch immer nicht realisieren.
„Ich träume nicht oder?“ Er schüttelt leicht den Kopf, verzieht aber missbilligend das Gesicht.
„Nach deiner SMS habe ich versucht dich anzurufen. Beim dritten Mal nahm dein Vater ab. Er hat versucht dich zu wecken, ohne Erfolg. Ich sagte ihm das ich Arzt bin und er bat vorbei zu kommen. Da wir uns scheinbar kennen.“ Genervt verdrehe ich die Augen.
„Dad übertreibt, ich bin einfach nur wegen dem Prüfungen kaputt. Jetzt kann ich ne Woche meinetwegen durchschlafen.“ Sein überlegender Blick entgeht mir nicht.
„Du hast mich vor einer Woche etwas gefragt.“ Ein teuflisches Lächeln umspielt seine Lippen. „Du kannst es herausfinden. Komm die Woche mit zu mir.“ Ich will etwas erwidern, das ich das nicht kann, aber er versiegt meinen Protest mit einem innigen Kuss. „Du sagtest du bist mein Privatpatient. Markus ich habe das nicht vergessen und ich möchte gerne mehr sein, als nur eine Zugbekanntschaft oder ein heißer Traum.“ Bei dem letzten Satz verzieht er etwas das Gesicht zu einem wissenden Blick. Mir fällt nichts ein, was ich noch dagegensetzen soll. „Dein Dad hat mir bereits sein Okay gegeben. Komm ich helfe dir beim Tasche packen.“ Ich bin sprachlos und überrumpelt. Langsam stehe ich auf, um alles rauszusuchen.
Er wohnt etwas außerhalb von Wismar, knapp zwei Autostunden von meinen Eltern entfernt. Es ist eine ruhige Gegend, ländlich. Großes Einfamilienhaus mit Garten.
„Wohnst du hier allein?“ Ehrfürchtig sehe ich mich um. Er umfasst meine Taille, dirigiert mich in das Haus und in ein großes Wohnzimmer.
„Setz dich hin oder leg dich, wie du magst. Ich komm gleich wieder.“ Damit verschwindet er aus dem Zimmer, nimmt meine Tasche mit. Geistesabwesend blicke ich mich um. Der Raum ist hell und freundlich. Weiße Möbel und beigefarbene Wände. Große Pflanzen zieren das Panoramafenster. Auf Nussbaumlaminat kommt der weiße Flokati vor dem Kamin super zum Vorschein. Ich lasse mich in die Lehne zurücksinken, schließe die Augen und …
„Du kannst es nicht lassen oder?“ langsam öffne ich die Augen. Wo bin ich den jetzt schon wieder gelandet? Marc sitzt neben mir auf dem Sofa, streicht eine Strähne aus meinem Gesicht und lächelt mitfühlend. Mir dreht sich alles, kann die Wirklichkeit vom Traum nicht mehr unterscheiden. Alles verläuft ineinander.
„Träume oder Wache ich?“ versuche mich aufzurichten, aber er drückt mich in die Kissen zurück.
„Genieße es jetzt einfach einmal dich auszuruhen. Lass dich von mir verwöhnen. Ohne Betsy und ihrem Gefolge. Nur wir beide für eine Woche.“ Leicht berühren seine Lippen, die meinen. Mit der Zunge leckt er darüber, vor Verlangen fallen mir die Augen zu und mit seinem leisen Lachen in den Ohren schlafe ich wieder ein.
Als ich das nächste Mal erwache, liege ich in einem großen Bett. Ein kleines Nachtlicht brennt und sanfte Klänge sind zu vernehmen. Ein schwerer Arm lag um meine Mitte und ich schmiege mich dichter an den heißen Körper.
„Schlaf weiter“, murmelt Marc hinter mir, haucht dabei leichte Küsse in meinen Nacken. Ich schließe dich Augen, versuche wieder in den Schlaf zu finden, doch es gelingt mir nicht.
Meine Finger zeichnen über seinen Arm, zwirbeln die feinen Härchen. Er knurrt und beißt mich leicht in die Schulter. Es soll nur eine Rüge sein, doch löst er etwas ganz anderes damit aus. Zischend hole ich Luft, straffe meinen Körper und drücke mich ihm entgegen. Der Arm schlingt sich fester um meinen Leib, dabei gleitet die Hand auf meine Brust, reizt die Nippel, bis sie hart sind. Ich möchte mich zu ihm umdrehen, doch er beißt mir wieder in die Schulter, lässt Stromstöße durch meinen Körper bis in die Lenden gleiten.
„Marc“, stöhne ich, doch sein Griff lockert sich nicht.
„Du sollst schlafen!“ raunt er mir zu, doch seine Hand zeigt mir, was er wirklich möchte. Langsam wandert sie in tiefere Regionen. Mein Atem geht schnell vor Erwartung. Auch seine Luft entkommt rasend seinen Lungen, als er mein bereits steifes Glied umfasst. Zuerst nur sacht gleitet mein Schaft durch seine Hand. Doch mit jedem Biss, den er mir in die Schulter und Nacken verpasst, erhöht er auch den Druck und das Tempo seiner Hand. Unruhig drücke ich mich zum einen seiner Hand aber auch seinem Becken entgegen. Auch er ist erregt, doch das kümmert ihn scheinbar gerade nicht. Findet Spaß daran mich zu verwöhnen. Es dauert nicht lange, bis ich mich in seiner Hand ergieße. Ermatte lasse ich mich wieder in seine Arme ziehen. Leichte Küsse platziert er auf meiner Schulter, leckt sanft über die Male, die er mir verpasst hat. Ich kuschel mich an ihn, bette den Kopf auf seinem Bizeps und trifte ins Land der Träume.
Den Rest der Nacht verbringe ich in einem tiefen, traumlosen Schlaf.
Marc verwöhnt mich von vorne bis hinten. Lässt mich nichts machen.
Jedes Mal wenn ich versuche aufzuräumen, steht er hinter mir. Nimmt alles aus meiner Hand, hebt mich hoch. Küsst meinen Nacken und lässt mich erzittern.
„Du sollst dich ausruhen.“ Schimpft er dann immer wieder. Ich lehne mich an den kräftigen Körper.
„Es ist langweilig.“ Schmolle ich, was ihn lachen lässt.
„Leg dich wieder hin!“ befiehlt er leise, haucht dabei Küsse auf meine Ohrmuschel. Nur wiederstrebend mach ich mich lang. Mit einem Buch in der Hand setzt er sich zu mir. Mit dem Kopf auf seinem Schoß mach ich es mir gemütlich und lausche seiner Stimme, als er beginnt zu lesen.
„Carolina!"
Sie schreckte auf, und ich fuhr fort, bevor sie antworten konnte. „Sehen Sie, es tut mir leid, aber ich kann mich im Moment nicht mit Ihnen unterhalten. Zurzeit ist alles einfach ein großer Schlamassel: Meine beste Freundin ist ganz furchtbar krank, und mein anderer Freund hat sich in Alonzo verknallt, ich muss viel länger babysitten, als eigentlich ausgemacht war, dieses Kind scheißt in jede Windel, die sich ihm nähert, eine meiner Untertanen will ihren menschlichen Freund wandeln, ich habe in ein paar Tagen Geburtstag und trinke kein Blut mehr, mein Großvater ist krank und zieht ein paar Häuser
weiter ein, mir wurde mit Weihwasser in die Brust geschossen von einem Farm Boy, der in mich verknallt ist, und ein vielversprechender neuer Herbsttitel erzählt meine Lebensgeschichte. Als wenn das nicht genug wäre, habe ich noch nichts für meine Hochzeit vorbereitet, die demnächst stattfinden wird. Es - wie sagen Sie in Europa so schön? - passt mir jetzt gerade schlecht"
Marcs tiefe Stimme ist beruhigend. Während er liest, streicht er mir über den Rücken. Meine Augen fallen zu und wieder vermischen sich die Welten.
Ich erwache, mit dem Kopf auf seinem Schoß. Doch es ist das falsche Zimmer.
„Marc?“
„Ich bin hier, schlaf weiter.“
„Ich träume schon wieder oder? Gleich kommt Betsy ins Zimmer oder Sinclair.“ Leichtes Zittern durchläuft Marcs Körper, als er lacht.
„Du träumst immer Kleiner. Auch mit offenen Augen. Hier wird keiner reinkommen, wir sind in meinem Haus.“ Ich blicke mich um. Es ist das Schlafzimmer in dem ich letzten Morgen aufgewacht bin.
„Aber wie ist das möglich?“ Mir dreht sich alles und ich schließe wieder die Augen.
Sanfte Küsse wecken mich, starke Arme halten meinen Körper umschlungen.
„Alles ist gut.“ Flüstert mir Marc ins Ohr. „Wach auf Markus. Ich bin bei dir.“ Hecktisch geht der Puls und endlich wache ich schweißgebadet und schreiend auf. Halte meinen Kopf zwischen den Händen. Sanft zieht er mich in seine Arme.
„Was ist passiert?“ Besorgnis liegt in seiner Stimme. Ich will sie nicht hören, will ihn nicht sehen oder spüren. Mit einem Stoß gegen seine Brust mache ich mich frei und stürme aus dem Zimmer. Ziellos irre ich durch das Haus, lasse mich irgendwo in einer Ecke nieder und kauer mich zusammen.
Ich weiß nicht, wie lange ich mich schon verstecke. Kann von dem Versteck keine Fenster oder Uhren sehen.
„Markus bitte komm raus. Wo steckst du Kleiner. Lass uns reden!“ Leise nur ist die Stimme zu vernehmen. Doch ich rühre mich nicht.
Weitere Stunden vergehen, ich muss eingeschlafen sein. Doch diesmal träumte ich nicht, wofür ich dankbar bin. Von Marc ist nichts zu hören. Ob er schläft?
Langsam erhebe ich mich, schleiche ins nächste Badezimmer. Nirgends ist eine Spur von ihm. Erleichtert atme ich tief durch.
Doch ich habe mich zu früh gefreut.
Als ich die Nasszelle verlasse, steht er an der gegenüberliegenden Wand.
Sein Blick durchbohrt mich. Verzweifelt senke ich den Kopf, weiß nicht, wie ich ihm gegenübertreten soll. Marc nimmt mir die Entscheidung ab. Umfasst mein Handgelenk und zieht mich aufs Bett.
Noch bevor ich reagieren oder mich wehren kann, umschlingt er von hinten meinen Oberkörper und hält dabei meine Arme vor der Brust gekreuzt.
„Rede mit mir Markus. Nur so kann ich dir helfen.“ Heftig schüttel ich den Kopf, versuche mich aus seinem Griff zu befreien, aber ohne Erfolg. „Ich lasse dich nicht los. Ich kann dich auch ans Bett ketten, wenn du mich dazu zwingst.“ Bei dieser Aussage erstarre ich.
„Das meinst du nicht im ernst oder?“ Spüre sein nicken.
„Doch das meine ich. Schau in den Nachtschrank, wenn du mir nicht glaubst.“ Er gibt mich frei. Nur eine Sekunde überlege ich, ob ich fliehen soll, doch da legt sich seine Hand um meinen Bizeps. „Denk nicht einmal im Traum daran.“ Seufzend ziehe ich die Schublade auf. Silberglänzend blitzen mir die Handschellen entgegen. Alle Fragen die ich bis dahin habe, verfliegen augenblicklich.
Ergeben sinke ich nach hinten. Werde von ihm aufgefangen und gehalten.
„Ich halte das alles nicht mehr aus.“ Beginne ich leise zu sprechen. „Es wird von Mal zu Mal schlimmer. Traum und Wirklichkeit vermischen sich. Kann es nicht mehr auseinanderhalten. Ich will das nicht mehr. Will mein Leben zurück.“ Noch nie habe ich geweint, doch jetzt rollt mir eine einzelne Träne über die Wange. Sanft schaukelt Marc vor und zurück.
„Erzähl mir, was passiert?“ Bittet er leise. Ich schlucke den Kloß hinunter, bevor ich weiter erzähle.
„Du weißt, wie gerne ich die Bücher von Betsy lese. Aber seid dem ich dich kennengelernt habe verwischt alles. Zunächst träumte ich nur von Betsy und ihren Leuten, verlor mich in ihre Welt. Doch dann kamst du, siehst aus wie den Büchern entsprungen. Meine Träume vermischen sich.“ Ich greife an meinen Kopf, drücke ihn zusammen um den Druck auszugleichen. Sanft schieben seine Hände sich dazwischen, tauschen den Platz mit den meinen.
„Alles ist gut. Ich werde die Bücher weit weglegen, bis du bereit dafür bist.“ Was soll das heißen? Verwundert drehe ich den Kopf zu ihm. Doch er lächelt mich nur an. „Später, es ist noch zu früh um alles zu verstehen.“ Seine Lippen ersticken jeglichen Protest. Die Hände tun ihr Übriges, um mich vollkommen vergessen zu lassen.
Als ich am nächsten Morgen nach meinem Buch greifen will, ist es verschwunden. Nur ein kleiner Zettel liegt an dem Platz.
Dieses Abenteuer bestreiten wir gemeinsam. Wenn du bereit da für bist.
Tage vergehen, Wochen sogar Monate.
Das Abi habe ich in der Tasche, doch noch keine Ausbildung in Sicht.
Wie soll ich auch, da ich immer noch krankgeschrieben bin.
Was Marc für ein Arzt ist, weiß ich immer noch nicht genau, aber mich beschleicht der Verdacht, dass er ein Seelenklempner ist.
Die meiste Zeit verbringe ich bei ihm, nur wenn er mal für mehrere Tage weg muss, fahre ich nach Hause.
Er bat mich, ihm zu vertrauen, was mir eigentlich nicht schwerfällt. Aber ihm meine komplette Betsy-Reihe zu geben, ist dann doch etwas anderes.
Lächelnd zieht er mich in die Arme.
„Du weißt noch gar nicht was dir entgeht Kleiner. Bald wirst du es erfahren, vertraue mir. Nur noch einige Tage.“ Um meinen Protest zu ersticken, legt sich sein Mund auf meiner. Die Zungen fechten miteinander und unsere Hände erforschen den Körper des anderen. Er weiß genau, wie er mich ablenken muss.
Ich habe das Gefühl, als wenn wir uns schon ein Leben lang kennen würden.
Drei Monate lebe ich mittlerweile bei Marc. Sämtliche Bücher hat er vor mir verschlossen. Soll mich ganz auf mich selbst konzentrieren.
Naja auf mich und auf ihn. Ich liebe es, ihn auf die Palme zu bringen oder zu verführen.
„Kleiner wo bist du?“ Marc kommt gerade von der Arbeit nach Hause. Zehn Stunden hat er mich heute allein gelassen. Habe mir die Zeit mit putzen und essen kochen verbracht.
Kopfschüttelnd kommt er ins Schlafzimmer, in dem ich gerade erwache.
„Was machst du nur wieder? Ruhe habe ich dir verordnet, nicht Hausputz.“ Ich knurre und ziehe ihn zu mir.
„Essen ist im Backofen, muss nur noch einmal erwärmt werden.“ Nach einem flüchtigen Kuss steht er lächelnd wieder auf.
„Ich habe nächste Woche Urlaub und ich denke mir, dass du bereit bist.“ Fragend sehe ich ihn an, kann gerade nicht folgen. Ungefragt ergreift er meine Hand und zieht mich in seine Arme. „Lass uns essen und dann reden wir in Ruhe darüber.“ Widerwillig folge ich ihm in die Küche.
Ich liege mit dem Kopf auf seiner Brust.
Nach dem Essen hat er ein Buch aus dem Safe geholt und ist mit mir ins Schlafzimmer gegangen.
„Ich habe dir damals gesagt, dass du noch nicht bereit für die Reise bist. Doch heute glaube ich, können wir es wagen. Lehn dich zurück und tauche, so wie damals in das Gehörte ein. Habe keine Angst vor dem, was du in deinem Traum erlebst. Ich werde dich begleiten. Vertraust du mir?“ Skeptisch sehe ich ihn an, nicke aber. Denn das steht außer Frage: Ich vertraue ihm blind.
Leise ist seine Stimme, als er zu lesen beginnt.
„Wofür, verdammt noch mal, willst du denn drei Millionen ausgeben?", kreischte Cathie. „Torte natürlich."
„Redest du gerade mit Cathie?", fragte Laura. „Ja. Torte ...", fuhr ich fort.
„Cathie, du solltest zu unserem Herrn gehen", schlug Laura vor.
„Herrn?", fragte Cathie in meinem Kopf. „Sie meint Jesus", sagte ich.
„Dieses Gespuke gehört sich nicht", blieb meine Schwester am Ball.
„Sag deinem lieben Schwesterchen, dass sie ihre Ratschläge für sich behalten soll", sagte Cathie.
„Sie sagt, danke für den Rat", sagte ich.
„Denk nur an all die Spenden, die du mit dem Geld machen könntest", schalt mich Laura freundlich, „und du könntest trotzdem eine wunderschöne Hochzeit haben." (Hatte ich erwähnt, dass die Teufelstochter von Pfarrern erzogen worden war?)
„Ich brauche es für die Torte", fuhr ich fort.
„Wie bitte?! Soll die Torte etwa die Größe eines Lamborghini haben?", fragte Cathie.
„Das Kleid, die Kleider der Brautjungfern, den Empfang, das Essen ..."
„Das du nicht essen kannst!", stöhnte Marc.
„Die Ausgaben während der Flitterwochen, Alkohol für die Bar, das Catering, Kellner, Kellnerinnen ..."
„Eine Kirche, die man den Katholiken abkaufen muss."
Die anderen hatten sich an meine einseitige Konversation mit Cathie gewöhnt, aber Marc schüttelte immer noch den Kopf, als wollte er sagen „Die spinnen, die Frauen", in einer Art, wie sie alle Männer anscheinend schon im Alter von drei Jahren perfekt beherrschen.
Krampfhaft versuche ich mich wach zu halten. Möchte nicht einschlafen und alles verpassen. Marc bemerkt es, legt das Buch zur Seite und beugt sich über mich.
„Kleiner entspann dich. Wenn du einschläfst, bin ich da. Keine Angst ich fang dich auf der anderen Seite auf.“ Zart haucht sein Atem über mein Ohr, hinterlässt eine Gänsehaut. Schwach nicke ich, weiß ich doch ganz genau das ich mich nicht mehr lange wach halten kann. Mit einem Kuss auf mein Haar richtet er sich wieder auf und liest weiter.
Das beunruhigte mich mehr als alles andere, Begräbnis inklusive: Marc Spangler hatte kein Privatleben. Er ging nicht aus. Er hatte keinen Sex nur so zum Spaß. Für ihn gab es nur das Krankenhaus und Vampire.
Seit Tagen versuchte ich ihn auf seinem Handy zu erreichen, bekam aber nur seine Mailbox oder, schlimmer noch, überhaupt keine Verbindung. Es war, als wäre er zum Mars gereist.
Die Augen fallen mir zu und noch ehe ich mich richtig versehe, beginne ich zu träumen.
„Kleiner komm wach auf. Unser Abenteuer hat soeben begonnen.“ Sanft streichen fremde Lippen über mein Ohr, zwicken Zähne in das empfindliche Fleisch.
Fremde Lippen? Nein ich erkenne sie. Sie, der Geruch und die Wärme gehören eindeutig zu Marc. Meinem Marc Bauer.
„Was?“ Irritiert sehe in seine wunderschönen Augen. Lächelnd streicht er mir über die Wange.
„Bist du bereit?“ Bereit wofür? Langsam erhebe ich mich, blicke mich um. Und richtig wir befinden uns in dem Zimmer aus dem Roman.
„Wie …“ Marc legt einen Finger auf meine Lippen, unterbindet damit meine Frage.
Wortlos zieht er mich aus dem Bett.
„Wir müssen leise sein. Ursprünglich ist Marc mit seinen aktuellem Freund im Urlaub. Betsy ist allein im Haus.“ Klar ich kenne das Buch, weiß genau was wann passiert und doch bin ich nervös. Sollten wir wirklich hier sein?
„Wir können hier sein, auch die Geschichte verändern. Es ist dein Traum, da kann alles passieren.“ Fragwürdig sehe ich ihn an, doch Marc lächelt nur.
„Hab keine Angst vor mir. Lass uns deinen Traum genießen und später reden wir. Wenn wir wieder zu Hause sind.“
Vertrauensvoll lehne ich mich an ihn. Genieße seine Wärme und die starken Arme, die mich halten. Leicht nicke ich, was ihm als Zustimmung reicht.
Er nimmt mich an die Hand und wir gehen gemeinsam aus dem Schlafzimmer.
Wie er schon sagt, ist das Haus leer.
„Wo ist Betsy?“ frage ich dennoch leise.
„Noch bei der Beerdigung. Lass uns hier auf sie warten. Ich denke ja mal du möchtest ihr helfen oder?“
„Ja, sie soll sich nicht so lange quälen. Ich hallte es nicht aus, wenn sie alles allein durchstehen muss und keine Hilfe bekommt. Und dann noch die Sache mit den Werwölfen.“ Es schüttelt mich, als ich an den Zombie und alle Gräueltaten denke, die sie durchstehen muss.
„Lass uns ein frühzeitiges Happy End daraus machen.“ Zärtlich küsst er mich, als wir es uns in einem der Zimmer gemütlich machen und warten.
Lange müssen wir nicht warten.
Wir hören, wie die Tür sich öffnet und Betsy das Haus betritt.
„Betsy?“ frage ich blöderweise leise nach. Weiß ich doch, wer kommt.
„Was machst du den hier? Marc ist doch …“ abrupt hält sie inne und starrt an mir vorbei auf Marc.
„Ich bin hier. Es tut mir leid, dass ich so mir nichts dir nichts abgehauen bin. Aber wie du siehst, bin ich wieder da. Wir möchten dir etwas zur Seite stehen, wenn du nichts dagegen hast. Gerade jetzt wo Sinclair und Tina weg sind. Jessica im Krankenhaus ist und du mit deinem Sohn alle Hände voll zu tun hast. Von der Hochzeit mal gar nicht zu reden.“ Beendet Marc seine Rede und legt den Arm um meine Taille. Betsy bemerkt den Unterschied nicht und seufzt erleichtert auf. Doch schon im nächsten Augenblick stockt sie wieder.
„Mein Sohn?“ in diesem Moment schellt die Türglocke.
„Betsy bleib ich geh. Ruh dich etwas aus.“ Leicht nickt mir Marc lächelnd zu und zieht sie hinter sich her in die Küche.
Wie ich erwartet habe, steht ihre Mutter vor der Tür, mit Baby Jon im Arm. Ich höre bereits, wie sie nach Luft schnappt um loszulegen, doch dann erblickt sie mich und verstummt.
„Guten Abend Miss Taylor. Betsy ist gerade nicht abkömmlich, aber ich nehme Ihnen gerne den Kleinen ab und kümmer mich um alles Weitere.“ Immer noch sprachlos starrt sie mich an, überreicht mir das Baby und geht.
In der Küche lege ich Jon in sein Reisebettchen und begebe mich Richtung Telefon, noch bevor es klingelt.
Bereits beim ersten Ton habe ich abgenommen.
„Tina? Hier ist Markus … Ich und Marc sind bei Betsy und werden auf sie aufpassen. … Sehe zu das du nach Hause kommst. … Wir haben hier alles im Griff.“ Damit lege ich auf, bevor Betsy es überhaupt richtig realisiert hat.
„Was wollte Tina?“ fragt sie neugierig, wie sie nun einmal ist.
„Du sollst auf die aufpassen, nicht allein aus dem Haus gehen.“ Erkläre ich ihr kurz und knapp, mehr braucht sie nicht zu wissen.
„Betsy was hältst du davon, zu Jessica ins Krankenhaus zu fahren. Wir kümmern ums um Jon und alles andere.“ Nur wiederstrebend willigt sie ein und geht.
„Puh, die ersten zwei Hürden hätten wir geschafft.“ Erleichtert sinke ich gegen Marcs Brust. Lass mich von seiner Wärme und den kräftigen Armen umfangen.
Wie von selbst liebkosen seine Lippen meinen Nacken. Arbeiten sich einen Weg zur Kehle, bis sie schlussendlich auf meinem Mund zu liegen kommen. Sanft bahnt sich die Zunge einen Weg zwischen die vollen Kissen. Sacht streicht sie über jeden einzelnen Zahn, zwingt sich dazwischen und umgarnt meine Zunge.
Die Knie zittern und würde Marc mich nicht halten, säße ich jetzt auf dem Boden. Zu schnell löst er sich von meinem Mund. Leise dringt das Lachen an mein Ohr.
„Was meinst du, möchtest du noch hier bleiben oder aufwachen?“ Liebevoll ist sein Blick, als er auf meine Antwort wartet.
Entschlossen schüttel ich den Kopf.
„Lass uns vorspulen.“ Kaum verlassen die Worte meine Lippen klingelt das Telefon und Marc nimmt ab.
„Betsy ist zur Zeit nicht erreichbar … sie ist nicht da … ja das wissen wir … nein sie brauchen nicht kommen … ich versichere ihnen, dass Antonia sich melden wird, sobald sie wieder zu Hause ist.“ Erleichtert durchatmend kommt Marc aus der Küche zurück. Zieht mich wieder in seine Arme.
„Die Werwölfe kommen schon einmal nicht hier her.“
„Was ist mit dem Zombie auf dem Dachboden?“
„Ich sag ihr Bescheid und auch wo wir Sinclair, Antonia und Garrett finden.“
„Was mache ich die ganze Zeit?“ Ja ich bin verstimmt, den was Marc sagt, klingt zwar einleuchtend, jedoch fühle ich mich unnütz dabei.
„Du mein Kleiner bleibst immer an meiner Seite.“ Beruhigend haucht er mir einen Kuss auf die Stirn, was mich seufzen lässt.
Betsy lassen wir den Tag über schlafen. Gönnen ihr die Ruhe und kümmern uns um Jon. Besser gesagt Marc kümmert sich um das Baby. Fasziniert beobachte ich ihn. Liebevoll und sicher ist jeder Griff.
„Wie viele Babys hast du schon versorgt?“ die Frage muss ich einfach stellen. Lächelnd und mit dem Zwerg im Arm legt er sich zu mir.
„Nur vier. Meine Geschwister. Ich bin der Älteste von sieben Kindern. Bei meinen zwei Brüdern war ich noch zu jung. Mit zehn und meiner ersten Schwester habe ich dann selbst Verantwortung mit übernommen.“ Mir bleibt der Mund offen stehen, was ihn lachen lässt. „Meine Eltern waren immer an meiner Seite. Es war nie Zwang, ich wollte mich um meine Geschwister kümmern.“
„Guten Morgen Betsy.“ Grüßt Marc, als sie am Abend die Küche betritt. Da er weiß, was sie am liebsten trinkt, hat Marc bereits einen Regenbogencocktail fertig gemacht.
„Oh danke Marc. Guten Morgen oder besser guten Abend ihr zwei.“
„Betsy wir müssen mit dir reden!“ Übergangslos platze ich los, doch noch ehe ich weitersprechen kann, übernimmt Marc.
„Na dem Getränk musst du auf den Dachboden. Das können wir leider nicht übernehmen.“ Misstrauisch sieht sie uns an. Marc seufzt, bevor er weiter spricht. „Du musst einen Zombie beseitigen.“
„Fang du nicht auch noch davon an. Garrett …“
„Hat letztens schon die Wahrheit gesagt. Geh nach oben und sehe nach. Wir warten hier unten.“ Wütend stampft sie davon, was mich nur lächeln lässt. Denn nur so habe ich Betsy in den Büchern kennengelernt.
Schreie sind von oben zu vernehmen. Zerbersten von Holz und Glas.
Fast eine halbe Stunde, dann kommt Betsy langsam die Treppe wieder hinunter.
Marc hat ihr bereits einen neuen Drink gemixt, den sie dankbar annimmt.
Eine halbe Stunde gönnen wir ihr Ruhe und Erholung.
„Betsy, da wäre noch etwas. Antonias Rudel hat letzte Nacht angerufen. Antonia ist nie da angekommen. Jedoch wissen wir, wo die beiden und auch Eric sich befinden. Tina ist noch immer in Übersee, kommt da einfach nicht weg. Ich bitte dir hier und jetzt unsere Hilfe an. Somit hast du weniger Stress. Aber als aller Erstes. Nimm den Ring ab! Der ist verzaubert oder verflucht, je nachdem wie du es nennen möchtest. Diese Bibliothekarin weiß mehr und steht auch hinter dem Verschwinden.“
„Marjorie? Ich traue ihr ja einiges zu, aber das?“ ungläubig schüttelt Betsy den Kopf.
„Fahr in die Bibliothek und geh ins Kellergeschoss. Wir werden uns derweil um Marjorie kümmern.“ Ihre Ungläubigkeit nervt mich langsam gewaltig. Besänftigend legt Marc eine Hand in meinen Nacken.
„Geh Betsy, für uns wird es auch langsam Zeit.“ Fragend sehe ich ihn an, doch er schüttelt leicht den Kopf, bedeutet mir damit, dass wir später reden würden.
Ohne ein weiteres Wort verschwindet Betsy. Jon liegt sicher und gut versorgt in seinem Bett.
„Komm wir folgen ihr.“ Von hinten schlingt Marc die Arme um meine Taille, zieht mich fest an sich. „Schließ deine Augen!“ flüstert er mir noch ins Ohr. Kaum das sich meine Lider senken, spüre ich einen Luftzug. „Du kannst sie wieder öffnen.“ Haucht er mir zu.
Wie gebannt starre ich auf das Gebäude vor mir. Die Bibliothek. Betsys ist bereits vor Ort.
„Wie …?“ Will ich fragen, doch Marc legt mir die Hand auf den Mund.
„Marjorie kommt. Sie wird überrascht sein, Betsy jetzt schon hier zu sehen.“
„Sollten wir eingreifen?“ Entschlossen schüttelt er den Kopf.
„Betsy braucht die Kraft. Sie muss kämpfen, um die Macht zu erlangen.“ Intensiv sieht er mich an, streicht mir eine Locke aus dem Gesicht. „Ich würde dich ja fragen, ob du beobachten möchtest, aber wir sollten hier abrechen. Du solltest schlafen. Ich erzähle dir, wie es weiter geht.“ Ich möchte protestieren, doch er verschließt meine Lippen mit seinem Mund.
Ehe ich mich versehe, sind wir zurück im Haus, in Marcs Zimmer.
Noch während ich mich versuche zu wehren. Nach Argumenten suche, um wieder zurückzugehen, entkleidet mich Marc. Drückt meinen Körper aufs Bett und unter die Decke.
Immer wieder streichelt er über meine Brust, während seine Lippen und die Zunge meine Rückseite erkunden.
Leise Laute entringen sich meiner Kehle, weiß nicht was mich machen soll. Den Händen oder den Lippen entgegen? Zu intensiv sind die Empfindungen.
„Bitte“ rauchig ist die Stimme, kann nur um Gnade flehen.
Abrupt löst er sich, um mich sofort an seine Brust zu ziehen.
Ich bette den Kopf auf seinem Arm, schließe die Augen und lausche Marcs Stimme.
Bis ins kleinste Detail erzählt er mir von dem Kampf, als wenn er lesen würde. Mir fallen die Augen zu und schon bald schlafe ich ein.
Nur langsam erwache ich aus dem Traum. Schwer sind die Lider, kann sie noch nicht öffnen. Warmer Atem haucht über mein Ohr.
„Lass sie noch zu. Ich erzähle dir, wie es ausgegangen ist.“ Ruhig geht mein Atem, werde von Marcs Stimme eingelullt.
„Nachdem Betsy die Drei befreit und auch Jessica geheilt hat, kamen sie ins Haus zurück. Sinclair erkannte mich und ließ dich schlafen, wollte von mir aber wissen, woher wir alles wussten. Ich erklärte und nach einem Dank sind alle verschwunden. Betsy hat zu diesem Zeitpunkt geschlafen. Den Rest der Geschichte kennst du, ab da läuft alles wieder normal ab. Du hast die Geschichte nur um vier Tage gekürzt und Betsy jede Menge Stress mit den Wölfen erspart.“
Mittlerweile bin ich vollends erwacht. Drehe mich so, dass mein Kopf auf seiner Brust liegt. Lasse eine Hand wandern und merke, wie es ihn erregt.
Gezielt kommen Zunge, Zähne und Lippen zum Einsatz.
Ohne ein Wort zu sagen, zeigt er mir, was ihm gefällt. Ich verwöhne ihn so, wie er es mag. Ein Dankeschön für die Reise.
Schweißgebadet, aber glücklich stehen wir Stunden später auf.
„Seid wann kannst du das?“ frage ich unschuldig. Lehne mich unter der Dusche an ihn.
„Ich bin schon immer ein Traumwandler.“
„Und wie funktioniert das?“
„Nur mit Menschen, die mich in ihre Träume lassen. Und seid der Bahnfahrt hast du es getan. Mich immer wieder eingeladen.“
„Und obwohl ich es noch immer nicht verstehe, habe ich es genossen. Können wir das wieder machen?“
„Jederzeit“, lachend umschlingt Marc meine Taille. Drückt seine Lende gegen meinen Po und lässt mich deutlich spüren, was er als Nächstes tun möchte.
„Mach es!“ stöhne ich und stütze die Hände an den Fliesen ab. Mehr Aufforderung benötigt Marc nicht.
Nach einem Jahr bin ich endgültig bei Marc eingezogen.
Auch eine Lehre als Bibliothekar habe ich begonnen, um so noch mehr Bücher verschlingen zu können.
Fast jede Nacht entführt mich Marc in seine Welt. Zeigt mir, wo er bereits war und was er alles machen kann.
Ich finde es faszinierend, brauche ich so doch nicht mehr verreisen.
Doch genauso wie wir in den Träumen verreisen, sorgt Marc dafür, dass ich meine Ruhephasen habe.
Es ist ein wunderschönes Leben, etwas Besseres hätte ich mir nicht erträumen können. Ob mit oder ohne Marc!
Texte: © M.Kaspereit / Buchausschnitte und Namen von Mary Janice Davidson
Bildmaterialien: google / Design ©M.Kaspereit
Tag der Veröffentlichung: 14.04.2012
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Anmerkung: Einige Passagen habe ich farblich Markiert, für das bessere Verständnis