Cover

Widmung

 

 

Über den Autor

Früher habe ich diesen Abschnitt mal begonnen mit: Ich bin ein Nerd – und ich stehe dazu.

Ich denke eigentlich, dass sich das als Einstieg ganz gut gemacht hat. Warum ich es gestrichen habe, ist mir nicht so ganz klar.

Da der Einstieg nun aus dem Weg ist, ein paar Informationen zu mir: Ich bin 1985 in Berlin Neukölln geboren und habe dort die ersten 21 Jahre meines Lebens verbracht, bevor ich zum Studium der Germanistik und Anglistik nach Würzburg bin. Mittlerweile habe ich das beschauliche, kleine Städtchen wieder verlassen und bin in das wieder etwas größere Göttingen gezogen – da fühlt man sich dann gleich wieder heimischer. Das verbuche ich als Pluspunkt.

Meine Freizeit verbringe ich vor allem mit Tabletop-, Rollen und Brettspielen und natürlich, wie könnte es anders sein: mit dem Lesen von Büchern.

Ein weiteres Hobby ist das Warten darauf, wo der Boden meiner Wohnung als erstes durchbrechen wird: unter dem Spiele- oder Bücherregal?

So, genug Unfug über mich, das hier ist schließlich kein Datingportal.

 

Viel Spaß mit dem neusten Band der Schattengalaxis-Saga.

Andere Werke von Daniel Isberner

 

Schattengalaxis-Saga:

Die letzten Tage (Am Rande des Untergangs 1)

Feuertod (Am Rande des Untergangs 2)

Blutfall

Das letzte Gefecht (Am Rande des Untergangs 3)

Am Rande des Untergangs (Sammelband)

Projekt Wiederkehr

 

BattleTech:

Gejagt - Der Silent-Reapers-Zyklus

Silent-Reapers-Zyklus 1 – Tödlicher Kontrakt (E-Book)

Silent-Reapers-Zyklus 2 – Auf der Flucht (E-Book)

Silent-Reapers-Zyklus 3 – In Blakes Namen (E-Book)

Silent-Reapers-Zyklus 4 – Verraten und Verkauft (E-Book)

Silent-Reapers-Zyklus 5 – Blakes Horror (E-Book)

Silent-Reapers-Zyklus 6 – Allein gegen Alle (E-Book)

Experimental Technical Readout: Most Wanted (Englisch/PDF)

 

Legenden von Foresun

Legenden der Elben – Verbannt

 

Kurzgeschichten

Der Brand – Brandgefährliche Kurzgeschichten (10 Geschichten/E-Book)

Blutroter Stahl (Mit einer Geschichte beteiligt)

 

Autorenratgeber:

Wie veröffentliche ich richtig?: Selfpublishing-Tipps für Einsteiger & Fortgeschrittene (E-Book)

 

 

 

Mehr Informationen:

http://www.danielisberner.de

 

Dramatis Personae

Auf Seiten der Ix:

 

Dretus’iti: Anführer der Farmerallianz der Ix. Angehöriger der niederen Kaste.

Pawet’opa: Anführerin der Ix. Angehörige der Kriegerkaste.

 

 

Auf Seiten der Menschheit:

 

Carter, Lilly: Agentin des Geheimdienstes der Terranischen Republik. Hiraschosa-Mensch Hybridin.

Kasrer, Zetoras: Präsident der Terranischen Republik. Ehemaliger Flottenadmiral. Besitzt Level 6 Implantate.

Levin, Elliot: Menschlicher Wissenschaftler, während der Besatzung der menschlichen Kolonien in die Sklaverei geboren. Arbeitet für die Ix.

Levin, Jania: Agentin der militärischen Forschungsabteilung der Terranischen Republik. Besitzt Level 7 Implantate.

Levin, Seamus: Leiter der militärischen Forschungsabteilung der Terranischen Republik.

MacLehmann, Victoria: Chefin von Hildem Kinzoku

Ranai: Leiterin des Geheimdienstes der Terranischen Republik. Besitzt Level 5 Implantate.

 

 

 

Prolog

Frieden!

Frieden ist schön, aber in der Geschichte des Universums hat er noch nie lange angedauert. Ganze Spezies haben sich selbst vernichtet, weil die Vorstellung von Frieden nicht mit ihrem Wesen vereinbar war.

Seit die Ix vor zwanzig Jahren kapituliert haben, herrscht in den Kolonien der Menschheit Frieden. Oder zumindest etwas, das ihm nahe kommt. Immer wieder versuchen einzelne Gruppen, die sich nicht damit abfinden können, dass ihre ehemaligen Unterdrücker nun Verbündete sind, ihn zu stören – doch keine von ihnen hatte damit bislang Erfolg.

Wer den Frieden störte, erlitt einen Unfall oder verschwand. Die Menschheit brauchte keine Störer, sie brauchte Struktur. Struktur, die ihr nach Jahrzehnten der Unterdrückung durch eine brutale Alienspezies fehlte.

Frieden!

Frieden ist eine Illusion. Keine Illusion hat jemals dem Zahn der Zeit standgehalten.

 

Kapitel 1

14. März 2295

Unterirdisches Geheimdiensthauptquartier – Erde

 

Ranai lehnte sich in ihrem Sessel zurück und betrachtete die Hologramme der Erdoberfläche.

Genau siebzig Jahre zuvor hatte die Terranische Republik versucht, den damals sterbenden Planeten zu terraformen. Der Prozess hätte den Planeten wieder in ein grünes Paradies zurückverwandeln sollen. Stattdessen hatte es die Erde getötet. Der Planet war in Flammen aufgegangen, der Mond in tausende Teile zerbrochen – und die Ix waren aus der interdimensionalen Spalte befreit worden, in die die Setzät, die damals in der Galaxis vorherrschende Alienspezies, sie mehr als siebentausend Jahre zuvor verbannt hatten.

Die Ix … zehn und zwölfbeinige, spinnenartige Aliens mit vier Armen und Tentakeln auf dem Kopf. Sie waren über die Menschheit hergefallen, die nicht auf einen solchen Ansturm vorbereitet war. Kolonie über Kolonie war gefallen, bis nur noch das Rateri-System übrig war. Mit Hilfe einer Gruppe von Hirachosa, einer parasitären, von den Ix als Spione gezüchteten Spezies, hatte die Kolonie sich militärisch aufgerüstet. Sie hatten Technologien entwickelt, die selbst die Ix nicht mehr produzieren konnten.

Doch am Ende waren es nicht die überlegenen Waffen, die die Ix bezwungen hatten. Die Aliens starben. Nicht nur vereinzelt, sondern als Spezies. Bevor sie Galaxie über Galaxie endgültig unterjochen konnten, wurden die Ix und ihr Planet von einer Seuche heimgesucht, die sie langsam tötete. Weder Pflanzen noch Lebewesen waren weiter in der Lage sich fortzupflanzen. Es war Technologie, die die Ix vor der endgültigen Ausrottung gerettet hatte. Brutkammern hatten die kriegerische Spezies über hunderttausende Jahre am Leben gehalten.

Doch verbannt in die interdimensionale Spalte, ohne ihre Wissenschaftler und Ressourcen, waren die Kammern nach und nach verfallen, das Wissen, neue zu bauen verlorengegangen. Nachdem Pawet’opa – eine Nachfahrin des Admirals, der den Setzät mit beinahe der gesamten Flotte der Ix in die Falle getappt war – den Rat der Überlebenden ermordet hatte, hatte sie die Wahrheit über die Geburtenrate ihres Volkes erfahren. Und am 20. April 2270 kapituliert.

All das war mittlerweile Geschichte. Nicht jeder kannte die Wahrheit hinter sämtlichen Ereignissen, manche kannten nur einzelne Wahrheiten – doch Ranai wusste alles. Nachdem die Ix kapituliert hatten und die Terranische Republik aus der Asche des Krieges wiedererschaffen worden war, hatte Zetoras ihr den Posten angeboten. Er war damals der Admiral, der den Krieg »gewonnen« hatte und war von den Bürgern der Republik kurzerhand zu ihrem Präsidenten gewählt worden.

Und warum auch nicht? Ich bin im Feld nicht mehr zu gebrauchen.

Bis zum Ende des Krieges war Ranai die letzte verbliebene Level Fünf Agentin gewesen, die dem damaligen Rateri Protektorat geblieben war. Genetisch verändert, um nicht zu altern – trotz ihrer mittlerweile über neunzig Jahre, sah sie noch immer aus wie Ende zwanzig – und mit Nanoimplantaten ausgestattet, war sie das tödlichste Werkzeug des Protektorats gewesen. Bis eine Nuklearexplosion ihre Implantate beschädigt hatte. Der einzige Grund, dass sie noch immer lebte, war die Tatsache, dass einer der feindlichen Hirachosa wenige Monate vorher versucht hatte, ihren Körper zu übernehmen. Er war gescheitert, doch ihre Implantate und genetischen Veränderungen hatten es Ranai gestattet, Teile der Fähigkeiten und Erinnerungen des Hirachosa in sich aufzunehmen. Es waren die Heilfähigkeiten des Hirachosas, die ihr Überleben gesichert hatten.

Sie schaltete die Hologramme ab und stand langsam auf. Es gab keinen Grund, sich zu hetzen. Ihr Geheimdienst hatte die Kolonien fest im Griff und es gab nur selten Momente, in denen es auf Minuten oder gar Sekunden ankam.

Ranai ließ ihr Büro hinter sich und ging durch die grauen, mit antiken Gemälden geschmückten Gänge der unterirdischen Anlage. Die Erde war der ideale Ort gewesen, um das Hauptquartier des Geheimdienstes zu verstecken. Es gab nur noch wenige Menschen, die eine direkte Verbindung zu dem Planeten hatten. Während der Herrschaft der Ix waren die meisten Menschen vergleichsweise jung gestorben, da es keine ausreichende medizinische Versorgung gegeben hatte. Von Zetoras abgesehen, lebte kein Mensch mehr, der auf der Erde geboren worden war.

Das führte dazu, dass es nur selten Touristen gab, die den trostlosen, matschig braunen und verkohlten Planeten besuchten. Forschungsteams gab es regelmäßig, aber ohne Vegetation gab es keinen Sauerstoff. Das bedeutete, dass sie auf einige wenige Biosphären angewiesen waren, die weit weg von der Zentrale des neuen Geheimdienstes errichtet worden waren.

Ursprünglich hatte die Gefahr von Meteoriteneinschlägen aus dem Asteroidengürtel, den der zerstörte Mond gebildet hatte, selbst die neugierigsten Wissenschaftler ferngehalten. Nach sechszehn Jahren war deren Neugierde allerdings größer geworden, als ihre Angst vor dem Tod. Ranai hatte die ersten beiden Biosphärenbaustellen von Meteoriten treffen lassen, die sie durch alte Anlagen der Ix kontrollieren konnte, danach hatte Zetoras ihr befohlen, die Wissenschaftler gewähren zu lassen. Sie sollte lediglich dafür Sorge tragen, dass die neugierigen Forscher dem Geheimdiensthauptquartier nicht zu nahe kamen.

Das tat sie, indem sie einige kurze Befehle in das Tablet eingab, das sie immer mit sich führte. Ein rotes Leuchten an ihrer ausgewählten Zielstelle und ein beinahe unmerkliches Vibrieren, das durch die Anlage lief zeigte ihr, dass auch der neueste Meteorit sein Ziel perfekt getroffen hatte.

Früher hätte ich die Befehle einfach über meine Implantate abschicken können. Ein einziger Gedanke hätte gereicht …

Bei dem Gedanken daran schüttelte sie traurig den Kopf. Sie erreichte ihr Ziel und lies ihre Miene ganz automatisch in die unlesbare Maske fallen, die sie immer trug, wenn sie nicht allein war. Die Tür zum Sprungraum ging automatisch auf und gab ihren Blick auf das Sprungtor des unterirdischen Komplexes frei. Sprungtore waren die Reisemethode, mit der die Menschheit sich zwischen den Sternen bewegte. Sie ermöglichten Reisen zu Lichtjahre entfernten Orten in Nullzeit. Man musste lediglich die Koordinaten eingeben, durch das Tor treten und schon war man an seinem Ziel.

In ihrem Fall ein Schwimmbad auf Rateri I, in dem Lilly – ihre Adoptivtochter und Stellvertretende Leiterin des Geheimdienstes – auf sie wartete.

 

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Badeparadies Jägersee – Rateri I

 

Lilly lag auf der Wiese des Schwimmbades und sonnte sich. Ihr feuerrotes Haar war mittlerweile nur noch schulterlang, sie war immerhin keine vierzehn mehr und konnte es sich in ihrer Position im Geheimdienst nicht erlauben, eine derart auffällige Frisur zu haben, aber es fiel noch immer in wilden Wellen an ihrem Kopf herunter. Seit dem Ende des Krieges waren fünfundzwanzig Jahre vergangen und sie war neununddreißig, genetisch war sie jedoch keinen Tag älter als sechsundzwanzig – in dem Alter hatten sich die genetischen Veränderungen durchgesetzt, die auch bei ihren Eltern den Alterungsprozess gestoppt hatten.

Angus O’Neil und Naomi Carter waren beide Level Fünf Agenten gewesen, genetisch genauso verändert und mit Implantaten ausgestattet, wie es Ranai war. Die Veränderungen machten Menschen normalerweise zeugungsunfähig, aber Lillys Vater war von einem Hirachosa befallen worden, den er jedoch besiegt hatte. Die Veränderungen seines genetischen Codes, die der Parasit vorgenommen hatte, bevor er besiegt worden war, hatten dazu geführt, dass sie gezeugt werden konnte. Wie das genau passieren konnte, obwohl ihre Mutter ja noch immer nicht hätte zeugungsfähig sein dürfen, war noch immer ein Rätsel.

Dabei hatte sie nicht nur einige Fähigkeiten ihrer Eltern übernommen. Dr. Seamus Levin, der Leiter der militärischen Forschung der Terranischen Republik, hatte sie untersucht und dabei Veränderungen an ihrem genetischen Code entdeckt, die offenbar eine Kombination der Nanoimplantate ihrer Eltern und eines Hirachosas waren. Es machte Lilly zu einer Anomalie, die niemand so recht verstand.

Außer vielleicht Seamus, aber er hält seine Karten gut verdeckt.

Ihr knapper Bikini und durchtrainierter Körper sorgten dafür, dass sie Blicke auf sich zog. Durch ihre geschlossenen Augen konnte sie das zwar nicht sehen, aber sie spürte sie auf sich. Schon leichte Veränderungen der Luft um sie herum ließen sie jede Bewegung in ihrer Umgebung wahrnehmen – dazu gehörten auch die Kopfbewegungen der im Schwimmbad herumlaufenden Männer und Frauen. Die Blicke der Männer waren ihr egal, sie hatte kein Interesse an ihnen, aber sie genoss es, wenn die Frauen sich nach ihr umsahen.

Sie hörte die unverkennbaren Schritte ihrer Adoptivmutter und öffnete die Augen.

»Morgen Ranai«, sagte sie, als die Geheimdienstleiterin sich neben ihr ins Gras setzte.

»Musste es das Schwimmbad sein?«, fragte Ranai genervt.

»Ich mag die Sonne, das Wasser … und wieso nicht? Niemand achtet hier auf uns.«

Ranai sah sich um, um Lilly zu zeigen, wie viele Blicke auf die beiden Frauen gerichtet waren.

»Okay, niemand achtet darauf, was wir sagen«, gab Lilly widerwillig zu.

»Was gibt es Neues?«

»Das Übliche. Die Ix bauen sich auf ihrem Planeten weiter auf. Sie haben mittlerweile echte Städte errichtet, nicht mehr nur die fertigen Containerbauten, die Zetoras ihnen bei der Kolonisation von Zeris’opa hinstellen lassen hat, und beginnen damit, erste echte Technologien zu entwickeln.«

»Militärische Entwicklungen dabei?«

Lilly musste kichern: »Also bitte … Für was hältst du mich? Wenn ich auch nur irgendwo auf dem Planeten eine Waffe rieche, dann beseitige ich sie. Zusammen mit jedem, der mit ihr in Berührung gekommen ist.«

»Das habe ich gehört«, Ranai seufzte. »Du weißt, dass Pawet’opa sich beim Parlament über das brutale Vorgehen beschwert hat? Sie lässt deinen Namen offiziell aus dem Spiel, aber sie weiß, dass du es bist.«

»Gut!«, antwortete Lilly eisig. »Sie ist schuld am Tod meiner Eltern. Sie hat mich gefoltert, um mehr über mich zu erfahren. Sie kann sich gerne bei mir melden, wenn sie ein Problem mit meinem Vorgehen hat. Dann beende ich ihre Beschwerden – ein für alle mal.«

»Ich denke, darauf verzichten wir besser.«

Lilly schnaubte verächtlich. Sie wusste, dass Ranai Recht hatte. Die Anführerin der Ix zu töten würde die gesamte Spezies in ein Chaos stürzen und eine Menge Gefahren mit sich bringen. Pawet’opa war das Einzige, was die kriegerischen Aliens im Zaum hielt.

Aber ich traue ihr nicht. Sie führt etwas im Schilde, aber ich weiß nicht was.

Sie wusste, dass Ranai der Ix ebenso wenig vertraute, aber es war besser mit Pawet’opa, als mit jedem Ersatz. Der Teufel, den man kennt …

»Lass uns spazieren gehen«, sagte Lilly und erhob sich in einer fließenden, geschmeidigen Bewegung ohne ihre Hände zu Hilfe zu nehmen.

Ranai tat es ihr nach und die beiden Agentinnen spazierten Barfuß über die grün und lila schimmernde Wiese.

»Vor Kriegsende war das hier alles Sandstrand«, merkte Ranai mit trauriger Stimme an. »Ich habe es geliebt, um den See zu joggen und die Freiheit zu genießen.«

Sie gingen an einer Gruppe pubertierender Jungen vorbei, die ihnen nachpfiffen.

Männer …, dachte Lilly verächtlich und wusste, dass Ranai ihre Gedanken teilte. Männer waren einfach durch Sex zu kontrollieren. Wobei die jüngere Frau die Erfahrung gemacht hatte, dass das für Frauen genauso galt, egal wie sehr ihre Adoptivmutter darauf bestand, dass es bei Männern noch einfacher war.

»Seitdem ist ein Vierteljahrhundert vergangen. Dinge verändern sich«, antwortete sie auf die nostalgischen Gedanken.

»Ich weiß. Ich habe neunzig Jahre auf dem Buckel, auch wenn man mir das nicht ansieht. Lass mir meine Erinnerungen.«

»Oh, du kannst dich erinnern, so viel du willst. Aber sei wenigstens ehrlich mit dir selbst. Es sind deine Implantate denen du noch immer nachtrauerst, nicht der See, den du auch vor dem Bau des Schwimmbades nur besucht hast, wenn ich hierher wollte. Wie oft bist du um den See gejoggt und hast dabei die Kraft und Ausdauer genossen, die sie dir gegeben haben?«

»Zu oft, um es zu zählen.«

»Und dennoch könntest du mir die genaue Zahl sagen, wenn du wolltest.«

Statt zu antworten schaute Ranai über den Zaun des Schwimmbades hinweg auf die Reste des einstigen Sandstrandes, die dahinter zu sehen waren.

»Du weißt, dass du noch immer deutlich mehr leisten kannst, als jeder normale Mensch«, erinnerte Lilly ihre Adoptivmutter an die teilweise noch immer funktionierenden Implantate und die Fähigkeiten, die ihr von dem Hirachosa Zora’dal’talos verblieben waren. »Und ich bin mir sicher, du kannst mehr, als du dir eingestehen willst.«

Ranai seufzte.

»Wir sind nicht hier, um über mich zu reden. Du wolltest etwas Bestimmtes, sonst wären wir nicht hier, sondern würden einen Filmabend machen oder Squash spielen.«

»Ich brauche ein größeres Team auf Zeris’opa. Wenn wir die Städte im Griff behalten wollen, dann brauche ich mehr Personal.«

»Mehr? Wie soll das funktionieren? Ich habe jetzt bereits Probleme Freiwillige für dein Team zu finden. Deine Sterblichkeitsrate ist einfach zu hoch.«

»Dann befehle ihnen halt sich mir anzuschließen.«

»Und du glaubst, dann hast du eine schlagkräftige Einheit, wenn dich alle hassen und um ihr Leben fürchten? Und wo kriege ich so schnell neue Leute her? Lilly, es tut mir leid, aber du musst entweder selbst rekrutieren oder eine Möglichkeit finden, die Überlebenschancen zu steigern«, Ranai holte tief Luft, bevor sie weitersprach. »Ich würde dir dazu raten, an Letzterem zu arbeiten. Gut ausgebildetes, erfahrenes Personal bringt dir weitaus mehr, als wenn du alle paar Wochen ein komplett neues Team hast.«

Lilly ballte die Fäuste, konnte sich aber davon abhalten zu explodieren. Sie hatte jedoch keinen Zweifel daran, dass Ranai den unterdrückten Ausbruch bemerkt hatte. Die Agentin war geschult darin, selbst die kleinsten Regungen zu erkennen – und eines der Implantate, das noch immer funktionierte, war das, das ihr Gehör verstärkte. Wenn sie wollte, dann konnte sie ihren Herzschlag hören.

 

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Ranai brauchte ihre Implantate nicht zu aktivieren, um zu wissen, dass Lilly sauer war. Sie hatte die junge Frau nach dem Tod ihrer Mutter großgezogen, sie kannte sie. So sehr sie auch verstand, warum Lilly mehr Personal brauchte, die Argumente, die sie vorgebracht hatte, entsprachen der Wahrheit. Es war nahezu unmöglich Personal zu finden, dass sich ihrer Adoptivtochter anschließen wollte.

Die Ix waren gefährlich. Die riesigen Aliens waren brutale Krieger und jedem normalen Menschen körperlich weit überlegen. Lilly und sie selbst waren die einzigen ihr bekannten Menschen, die es mit den spinnenartigen Wesen aufnehmen und gewinnen konnten.

Vielleicht mit Ausnahme von Zetoras.

Sie hatte die Ereignisse am Ende des Krieges mit den Ix nie vollständig in Erfahrung bringen können. Die Kameras auf der Brücke der Hagner, dem Flaggschiff der menschlichen Raumflotte, waren im falschen Moment ausgefallen und die Brückenbesatzung redete nicht darüber, was sie gesehen hatte. Ranai hatte mit dem Gedanken gespielt, jemanden von ihnen zu entführen und die Geschichte herauszupressen, aber die möglichen Konsequenzen, wenn sie aufflog, waren zu groß. Es würde ein Geheimnis bleiben müssen, dass sie verfolgte.

Sie fing ihre wandernden Gedanken wieder ein und konzentrierte sich auf Lilly, die schweigend neben ihr herging. Sie hatten die Wiese verlassen und liefen nun über beige gefliesten Boden auf einen der Whirlpools zu, die auf der Anlage errichtet worden waren. Es gab vier von ihnen und drei waren von anderen Gästen, zwei davon offensichtlich Pärchen, belegt. Im dritten hatte sich eine Gruppe Jugendlicher niedergelassen, die das taten, was Ranai von einer solchen Gruppe erwartete: Sie benahmen sich wie Idioten und machten eine Menge Lärm.

Gut.

Lärm würde ihre Unterhaltung überlagern. Die beiden Frauen stiegen in den vierten Pool und redeten weiter. Lilly versuchte noch eine Weile, mehr Personal loszueisen und am Ende ließ Ranai sich darauf ein, ihr zwar nicht mehr Personal, aber mehr finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Das würde es Lilly erlauben, selbst zu rekrutieren.

 

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Parlamentsgebäude, Cork – Orion III

 

Zetoras schaute müde auf den Mann, der sein Büro scheinbar nie wieder verlassen wollte. Thomas Fitzgerald war der Premierminister des Orion-Systems – und eine Nervensäge, soweit es Zetoras betraf.

Seit der Wiedererrichtung der Terranischen Republik wechselte das Büro des Präsidenten, ein Amt, das Zetoras seit Anbeginn der zweiten Republik nicht loszuwerden schien, alle zwei Jahre den Regierungssitz. Es war ein logistischer Alptraum, aber eine Notwendigkeit. Der Verlust der Erde hatte es unmöglich gemacht, den Regierungssitz auf dem Planeten aufzuschlagen und ihn auf ein einziges System, das nicht das Sol-System war zu fixieren, hätte zu Streit innerhalb der Kolonien geführt. Also zog er regelmäßig um, mitsamt dem Regierungsapparat und Parlament.

Der Großteil der Regierungsvertreter der Systeme ließ ihn dabei in Ruhe seine Arbeit machen, aber es gab immer ein paar unter ihnen, die ihm auf die Nerven fielen. Einen Gefallen hier, eine Sonderbehandlung da … und überhaupt, warum wird ihr System von allen am schlechtesten behandelt? Dabei war jedoch noch niemals jemand derart aufdringlich geworden, wie Premierminister Fitzgerald.

Der glatzköpfige Mittsiebziger gehörte zu einer Generation, die vor der Invasion der Ix mächtig und vermögend gewesen war, während der Besetzung jedoch nichts getan hatte, um seinem Volk zu helfen. Ganz im Gegenteil, Zetoras wusste, dass Fitzgerald Rebellengruppen an die Ix verraten hatte, um sich selbst Vorteile zu sichern.

Dennoch musste er sich mit ihm abfinden. Die Beweise gegen Fitzgerald offenzulegen würde zu Unruhen führen. Das Orion-System war bereits instabil, es noch weiter zu erschüttern war keine Option.

Zumindest keine Option, die ich ziehen will, so lange es nicht absolut notwendig ist.

Stattdessen hatte er Ranai damit beauftragt, ständig ein Team zur Verfügung zu stellen, das den Mann überwachte und ihn an der kurzen Leine hielt. Wenn Fitzgerald auch nur versuchen sollte, seine verräterische Ader erneut auszuleben, dann würde er schneller verschwinden, als er gucken konnte, dessen war Zetoras sich sicher.

Er wusste nie genau, was Ranai und ihr Geheimdienst trieben, aber er hatte seine Vermutungen. Er war selbst lange genug beim Geheimdienst und später beim militärischen Geheimdienst gewesen, um das Vorgehen zu kennen.

Er war der einzige überlebende Level Sechs Agent der alten Republik. Genetisch verändert, genau wie Ranai und mittlerweile beinahe Einhundertzwanzig Jahre alt. Was ihn von der Level Fünf Agentin unterschied waren seine deutlich höher entwickelten Implantate, die er bis Kriegsende abgeschaltet gehabt hatte, nach ihrer Aktivierung aber nicht wieder deaktivieren konnte. Seamus hatte es versucht, aber sofort damit aufgehört, als klar war, dass ein erneutes Abschalten Zetoras töten würde. Die letzte Deaktivierung hatte ein Notfallprotokoll aktiviert, das es unmöglich machte, den Prozess zu wiederholen. Trotz all seines Einblicks in die alten Archive und einem IQ, den Zetoras gar nicht wissen wollte, war es dem Wissenschaftler nicht gelungen, die Protokolle zu umgehen.

Er war daher mit aktivierten Implantaten gefangen. Implantaten, von denen sie beide nicht genau wussten, wozu sie in der Lage waren. Sämtliche Aufzeichnungen zum Level Sechs Projekt waren bereits vor Dekaden vernichtet worden – von Zetoras.

Damals war es der richtige und einzige Schritt gewesen. In seiner aktuellen Situation bereute er es allerdings.

»Präsident Kasrer?«, riss Fitzgerald ihn mit einem empörten Flüstern aus seinen Gedanken.

»Premier Fitzgerald«, antwortete Zetoras und erhob sich. Zeit, die Höflichkeiten zu beenden. Er hatte eine Verabredung mit seiner Frau. »Es freut mich, dass Sie auch heute wieder den Weg in mein Büro gefunden haben«, er machte keinen Hehl aus seinem Sarkasmus, packte den Mann am Kragen und hob ihn von dem Stuhl, auf dem er sich niedergelassen hatte.

»Hey, was soll das?«, rief Fitzgerald verstört. »Ich habe ein legitimes Recht …«

»Einen Scheiß hast du«, zischte Zetoras und sah den Glatzkopf mit einem Blick an, der ihn sofort verstummen ließ. »Ich habe dein Ansinnen heute fünf Mal abgelehnt. Gestern sieben Mal. Vorgestern vier Mal. Über die letzten drei Wochen verteilt komme ich auf einhundertvierunddreißig Neins. Lass das folgende Nein das einhundertfünfunddreißigste und letzte Nein sein: Nein! Die Republik wird kein Gesetz unterstützen, das es dem Orion-System erlaubt, die Ix als Versuchskaninchen für Experimente zu nutzen. Wenn ich auch nur sehe, dass ein solcher Entwurf ins Parlament eingebracht wird, dann unterhalten wir uns ausgiebig über deine Vergangenheit mit den Ix und den Rebellen im System.« Er wartete einen Moment, um seine Worte wirken zu lassen, dann, als Fitzgerald kreidebleich geworden war, setzte er fort: »Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«

Statt einer Antwort nickte der Mann nur.

»Gut!«, mit diesem Wort katapultierte er den Premier aus seinem Büro und mit der Nase voran gegen die, der Tür gegenüberliebenden, Wand. Der Stoß war so abgepasst, dass er Fitzgerald zwar schmerzte, aber keine bleibenden oder sichtbaren Verletzungen zurückließ.

Die beiden Wachen vor der Tür würden auch nichts gesehen haben. Sie konnten Fitzgerald genauso wenig ausstehen wie er. Womöglich sogar noch weniger, wenn man bedachte, wie respektlos der Premier mit »Untergebenen« umging.

Zetoras nickte den beiden Frauen kurz zu, dann schloss er seine Tür. Auf einen Befehl seiner Gedanken hin schob sich die Vertäfelung hinter seinem Schreibtisch zur Seite und legte den Blick auf ein Sprungtor der neuesten Generation frei. Angetrieben von einem Oraschuskern und gefertigt aus demselben Material, konnte man mit ihm Sprünge durchführen, die auf einen Nanometer genau waren – selbst ohne Empfangstor am anderen Ende.

Oraschus war das Metall, das ihren Sieg über die Ix überhaupt erst möglich gemacht hatte. Es war nahezu unzerstörbar und nur mit großem Aufwand zu verarbeiten. Unter den richtigen Bedingungen war es in der Lage Energie freizusetzen, die es nicht beherbergen können sollte. Eine ganze Reihe anderer Eigenschaften machten es zu einem beinahe übernatürlichen Wunder. Seamus und sein Team hatten mehrere Theorien, woher genau das Oraschus diese Eigenschaften hatte, aber nichts davon war durch Fakten bestätigt.

Nach Meinung der Wissenschaftler, stammte das Material nicht aus ihrem Universum, sondern war vor hunderttausenden von Jahren beim Kollaps einer anderen Dimension »angespült« worden. Es war diese interdimensionale Verbindung, aus der es sich mit Energie speiste.

Vielleicht würden die Wissenschaftler es eines Tages genauer wissen, aber bis dahin beschäftigte Zetoras sich mehr mit den Vorteilen, die ihnen der Rohstoff bot. Wie beispielsweise die Tatsache, dass er hinspringen konnte, wohin auch immer er wollte. Es machte Reisen um einiges leichter – vor allem die, auf die er sich nun begab. Ohne Empfangstor am anderen Ende waren Reisen mit herkömmlichen Sprungtoren denkbar ungenau. Eine Kilometer Abweichung vom Ziel waren mit ihnen keine Seltenheit – und konnten ihn durchaus mitten im Kern des Planeten oder im harten Vakuum des Weltraums stranden. Auf beide Erfahrungen konnte er verzichten. Moderne, mit Oraschus betriebene, Tore dagegen waren auf den Nanometer genau.

Er aktivierte das Tor und trat hindurch.

Für einen Moment hatte er das Gefühl, dass er Eins mit dem gesamten Universum wäre, ein Gefühl von unendlicher Gemeinsamkeit. Er wusste, woher Oraschus stammte und hätte jede Frage des Universums beantworten können. Doch so schnell, wie es gekommen war, so schnell war das Gefühl vorbei, das Wissen verloren und er war allein an seinem Zielort.

 

Friedhof des zwanzigsten Aprils – Rateri I

 

Zetoras materialisierte sich vor dem Grab seiner toten Frau und sah mit Tränen in den Augen darauf hinunter.

Sie starb zu jung

Mehr stand nicht auf dem Grabstein. Sakera hätte nicht mehr gewollt. Sie hatte immer ihre Ruhe haben wollen. Unbelästigt von Reportern, einfach nur sie selbst sein wollen. Ein anonymes Grab, von dem nur ihre engsten Freunde wussten, wo es lag, war die einzige Möglichkeit gewesen ihr das zu bieten.

Sie war, auf den Tag genau vor drei Jahren, von einem betrunkenen Gleiterfahrer erfasst und auf der Stelle tot gewesen. Es hatte in sämtlichen Medien gestanden. Sakera war der Liebling der Boulevardmedien und Nachkriegsberichterstattung gewesen. Eine simple Kneipenbesitzerin, aufgestiegen zur mächtigsten Frau der Republik. Eine solche Geschichte machte Schlagzeilen.

Sie hat es gehasst.

Zetoras hatte eine Armee an Personenschützern abstellen müssen, um zu verhindern, dass der wütende Mob den Fahrer lynchte. In den beiden Wochen nach Sakeras Tod bekam er noch immer Morddrohungen und Hassbriefe und wurde auch noch immer unter Personenschutz gestellt.

Und ausgerechnet heute hatte Fitzgerald nichts Besseres zu tun, als mich stundenlang zu nerven. Das Arschloch kann mir nicht erzählen, er habe es nicht gewusst. Nein, ihm war klar, was er tat.

Trotzdem ärgerte es Zetoras, dass er die Beherrschung verloren hatte. Er war normalerweise ein Muster an Beherrschtheit. Einer der Vorteile seines hohen Alters war, dass ihn nichts mehr überraschen konnte. Normalerweise.

Er kniete nieder und legte den Strauß Blumen nieder, den er extra für diesen Tag hatte züchten lassen. Es war eine Sammlung seltener Pflanzen von allen möglichen Planeten der Republik und darüber hinaus. Unter seiner Führung hatte die Menschheit wieder damit begonnen, Sonnensysteme nach bewohnbaren Planeten abzusuchen. Die Datenbanken der Setzät, die sie auf der Stern der Hoffnung gefunden hatten, waren dabei ausgesprochen hilfreich gewesen.

»Vor zwei Stunden sind die ersten Kolonisten in das Sakera-System aufgebrochen. Ich habe versucht ihnen den Namen auszureden, aber ohne Erfolg«, er schüttelte den Kopf. »Ich weiß, dass du es nicht gewollt hättest, aber es ist ihre Art dich zu ehren.«

Es war Sakera gewesen, die ihn dazu gedrängt hatte, das Kolonisationsprogramm anzustoßen. Sie hatte ihm immer wieder gesagt, dass die Menschheit neue Gebiete brauchte, die nicht vom Krieg zerstört worden waren. Orte, die kein Blut gesehen hatten.

Vielleicht verdienst du diese Ehrung, selbst wenn du sie nicht gewollt hättest.

Er wusste nicht, wie lange er hier gekniet hatte, aber es musste eine lange Zeit gewesen sein. Als er aus der Ferne Schritte hörte und sich wieder aufrichtete, war die Sonne beinahe vollständig untergangen.

Schnell zog er sich die Kapuze über den Kopf, um sein Gesicht zu verbergen und zog sich zwischen einige Büsche und Bäume zurück. Wenn jemand den Präsidenten der Terranischen Republik an diesem Tag über einem Grab knien sehen würde, wäre es mit der Geheimhaltung vorbei.

Langsam und andächtig, wie es sich für einen Friedhof gehörte, ging er über die schmalen Wege zum Ausgang und vorbei an dem Raum, in dem sich das hiesige Sprungtor befand. Er konnte sehen wie Leute ankamen und andere darauf warteten, das Sprungtor benutzen zu können, um wieder zu gehen. Es war besser, wenn er zu Fuß ging. Ein paar Straßen weiter gab es eine Reihe von Geschäften. Dort wäre er in den einkaufenden Massen deutlich anonymer als hier, wo es nur kleine Gruppen von Trauernden gab.

Auf anderen Planeten war das anders. Planeten, die lange unter der Herrschaft der Ix gelitten hatten, hatten deutlich mehr Tote zu beklagen. Doch das Rateri-System – damals noch das eigenständige Rateri Protektorat, das sich nach dem Zusammenbruch der alten Republik gegründet hatte – hatte nur kurze Zeit unter den Ix gelitten.

Er war mit der aufgerüsteten Hagner und Lupardus kurz nach der Okkupation der Ix zurückgekehrt und hatte ihre Invasionsflotte in einen Trümmerhaufen verwandelt. Die Aliens mochten der unvorbereiteten Republik und den anderen Kolonien militärisch überlegen gewesen sein, doch das Rateri Protektorat hatte Hilfe gehabt.

Die Rebellen unter den Hirachosa hatten einen Oraschusfund genutzt, um die beiden Schiffe der Menschen mit Waffen auszurüsten, die die Galaxie noch nicht gesehen hatte. Ein einziger Schuss hatte ausgereicht, um eines der mächtigen Kriegsschiffe der Ix zu zerstören. Doch die Kapitulation und der Frieden hatten den parasitären Aliens nicht gereicht.

Sie waren von den Ix zu einem einzigen Zweck erschaffen worden: Andere Völker zu infiltrieren und zu unterwerfen. Ihr genetischer Code war eigentlich darauf programmiert gewesen, sich den Ix gegenüber unterzuordnen und ihren Befehlen zu folgen, aber mehrere von ihnen hatten es geschafft sich dieser Programmierung zu entziehen. Sie hatten über Jahrtausende in der interdimensionalen Spalte und bereits davor gegen ihre Herren gearbeitet, um sich zu befreien.

Ihr Ziel war dabei immer festgeschrieben: Die Ix ausrotten und das Universum dadurch vor ihnen beschützen. Dass Zetoras den Frieden akzeptiert hatte, statt einen Genozid zu begehen, hatte bei den Hirachosa zu einer Kurzschlussreaktion geführt. Sie hatten die Menschen angegriffen und waren dann, nachdem der Tod ihres Anführers sich herumgesprochen hatte, geflohen.

Wo auch immer sie sich seitdem aufhielten, sie hatten sich nicht mehr gezeigt. Zetoras glaubte jedoch nicht daran, dass das ewig so bleiben würde. Die Hirachosa würden irgendwann zurückkehren, um ihren Plan eines Genozids doch noch umzusetzen.

Doch die Menschheit war dafür gerüstet. Seit der Gründung der Republik hatte ihre Forschungsabteilung viel Geld in Hirachosascanner gesteckt. Einer Technologie, die sie aus Datenbanken der Setzät hatten rekonstruieren können. Sie ermöglichte es, einen Hirachosa allein durch einen Scan zu entdecken, ganz ohne die umständliche Blutprobe, die sie zuvor benötigt hatten, um sie zu identifizieren.

Sämtliche militärischen Einrichtungen und wichtige zivile Orte wie Rathäuser oder große Einkaufszentren waren mit den Scannern ausgerüstet. Tendenz steigend. Der Herstellungsprozess war allerdings aufwendig und fand unter absoluter Geheimhaltung statt. Nur wenige Menschen wussten, dass es die Hirachosa überhaupt gab – und die Zahl derer, die von den Scannern wussten, war nochmals deutlich geringer.

In der Einkaufsstraße angekommen, kaufte er hier und da ein paar Kleinigkeiten – Obst, Gemüse und ein paar Nudeln – bevor er zu einem der Sprungtore ging, um nach Hause zu gelangen.

 

Kapitel 2

03. April 2295

Herrschaftspalast in Sigur’est’imont’eruis – Zeris’opa

 

Pawet’opa hob langsam ihr linkes Vorderbein. Dann senkte sie es wieder. Hob es. Senkte es.

Die Anführerin der Ix gehörte der zwölfbeinigen Kriegerkaste der spinnenartigen Aliens an. Ihre vier Arme waren vor ihrem Torso verschränkt und ihre Kopftentakel hingen entspannt herunter. Die Ix nutzten ihren Tentakel als zusätzliches Kommunikationsmittel. Verschiedene Bewegungen und Stellungen konnten Emotionen anzeigen oder unterstreichen.

Die mechanische Prothese, die Elliot Levin ihr für das im Krieg verlorene Bein gefertigt hatte, war neu. Menschen nutzten eine ähnliche Technologie bereits seit hunderten von Jahren, bei den Ix sah das jedoch anders aus. In der interdimensionalen Spalte hatten sie keine Rohstoffe gehabt, um sie in Dinge wie den Ersatz von verlorenen Gliedmaßen zu stecken. Doch mit ihrem neuen Planeten sah das anders aus.

Sie hatten vielleicht kein Oraschus, das hatten die Menschen sichergestellt, aber sie hatten Metall und andere Rohstoffe. Rohstoffe, die es ihnen ermöglichten einen funktionierenden Planeten und ein echtes Wirtschaftssystem aufzubauen. Solange sie keine Waffen produzierten, hatten sie theoretisch freie Hand.

Freie Hand … Dass ich nicht lache.

Sie konnte es nicht beweisen, aber sie war sich sicher, dass so mancher mysteriöse Tod ihrer Artgenossen das Werk von Menschen war. Sie war bislang jedoch nicht in der Lage gewesen, die Terrorzelle auf ihrem Planeten aufzuspüren.

Vielleicht ändert sich das …

Sie zuckte zusammen, als unbändige Schmerzen ihren Körper hinaufrasten.

Der grauhaarige Mann mit der Atemmaske, der vor ihr kniete sah ängstlich zu ihr hinauf.

»Entschuldigung, Herrin!«, sagte er demütig in ihrer Sprache. »Die Konfiguration Eurer Prothese …«

Statt ihn zu schlagen, tätschelte sie seinen seltsamen Kopf, auch wenn es ihr schwer fiel.

»Alles in Ordnung.«

Levin war eine ihrer größten Errungenschaften. Allein die Tatsache, dass er in der Lage war ihre Sprache zu sprechen … Die meisten Menschen waren damit überfordert. Sein Sprachtalent war aber nur ein Teil seines Wertes. Der technische Verstand des Menschen ging weit über das hinaus, was ihre eigene Spezies bieten konnte. Er mochte womöglich nicht die Intelligenz seines Bruders haben, der die militärische Forschung der Menschheit leitete, aber er war trotzdem wertvoll. Ohne ihn hätte sie keine Beinprothese oder die anderen technischen Verbesserungen, die er unter ihrem Chitinpanzer eingebaut hatte.

Sie waren nicht auf dem gleichen Niveau wie die Implantate, die den Menschen zur Verfügung standen, aber sie machten sie schneller, stärker und verlängerten ihr Leben. Wenn sie die Ix zur Herrschaft über die Galaxis führen wollte, dann würde ihre natürliche Lebensspanne nicht ausreichen. Levin hatte es geschafft sie etwa zu verdreifachen. Womöglich war das immer noch zu wenig Zeit, um ihr Lebenswerk vollendet zu sehen, aber so konnte sie wenigstens dafür sorgen, dass die Ix sich auf dem richtigen Weg befanden.

Genau dafür brauchte sie die Menschen. Die Ix drohten auszusterben. Sie hatten ihren Heimatplaneten, dessen Galaxie schon lange vergessen war, verlassen müssen, da er am Sterben war. Konnte man den Geschichtenerzählern glauben, dann war ein Virus ausgebrochen, der die Fortpflanzungsfähigkeit nahezu sämtlicher Pflanzen und Lebewesen zerstört hatte – darunter auch die der Ix. Es waren Brutkammern, die ihrer Spezies seitdem Nachwuchs schenkten und sie am Leben erhielten.

Doch Jahrtausende in der interdimensionalen Spalte hatten nicht

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Daniel Isberner
Bildmaterialien: Justen Moore http://luneder.deviantart.com
Lektorat: Roswitha Druschke, Pippa Schneider
Tag der Veröffentlichung: 26.05.2016
ISBN: 978-3-7396-5712-7

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