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Vorwort



Ich bin kein ängstlicher Mensch. Vielleicht bin ich ein wenig paranoid, aber nicht ängstlich.
Es liegt nicht an anderen Menschen, sondern eher an dem, was ich von ihnen denke.
Oder über sie. Das fing schon früh an. Ich musterte Menschen nach ihrem Blick und ihrem Ausdruck. Ich weiß nicht warum mich interessiert wie Menschen - die ich nie gesehen habe - gucken. Aber ich bin in der Lage mich auf sehr unwichtige Dinge zu konzentrieren.
Es gibt wenige Menschen bei denen ich nicht immer weiß was sie denken.
Komischerweise sind das dann auch meine besten Freunde.
Aber es gibt einen Unterschied ob jemand mein bester Freund ist oder ich ihrer.
Ich beurteile Menschen sehr scharf. Es gibt wenige Menschen denen ich mich vollkommen anvertraue. Es gibt eine Person der ich mich voll und ganz anvertraue.
Sie

ist ein wunderbarer und besonderer Mensch. Unsere Fähigkeiten machen uns besonders. Wir sind anders als die anderen. Darum erzähle ich unsere Geschichte.
Sie

sind besonders. Manchmal reichen nur Blicke bei uns beiden und wir verstehen einander.
Das verstehen die meisten nicht. Wie sollten sie auch. Ich habe mich immer für etwas besonderes gehalten. Und das bin ich auch, wenn auch nicht unbedingt im positiven Sinne.
Doch als ich Sie

besser kennenlernte erkannte ich den Mensch in ihr

. Die wundervolle Gestalt
die mich jeden Tag ansieht und mir das Gefühl von Wärme gibt. Ich war nicht die einzige Person, die die Dinge auf meine Art und Weise sieht.
Die schönsten Momente des Tages sind intensive Blicke bei uns beiden.
Sie lassen mich Nähe spüren.


Der Traum



Lautlos rannte ich durch den Wald hinter unserem Haus.
Ich wollte nur rennen. Das tat ich so schnell ich konnte. Ich hatte kein Ziel doch ich wollte unbedingt der Gegenwart entfliehen.
Es war ein pausenloser, sinnloser Sprint durch einen düsteren Wald bei Nacht.
Ich hoffte nur, das meine Mutter nicht bemerken würde, dass ich weg war.
Ich lief schon lange nicht mehr auf einem Pfad.
Schon am Anfang meines Laufes kam ich vom Weg ab.
Es war schon lange dunkel und anderen Menschen war ich in diesem Wald noch nie begegnet. Es wird von einigen Tieren gesprochen, die hier herumlaufen sollen.
Auch Wilde Tiere konnten mir in meinem derzeitigen Zustand nichts anhaben.
Ich war frei von jeglichem Schmerz außer der, der mir heute zugefügt wurde.
Der Schmerz, der verantwortlich war für meinen wirren Lauf durch einen düsteren Wald in der Nacht.
Schließlich begann ich immer langsamer zu werden, da sich meine Kondition dem Ende näherte.
Ich blieb schließlich stehen und sah mich um. Doch außer Bäumen und Büschen gab es nicht viel zu sehen.
Doch jetzt, als ich endlich stehen blieb und nicht mehr der Wind meine Ohren betäubte, bemerkte ich die vielen Geräusche um mich herum.
Ständiges Rascheln und laute Tiere auf Bäumen und auch um mich herum.
Die Gefahr war nicht wegzudenken, doch ich hatte nicht die geringste Angst.
Ich war gefühlskalt und leblos gewesen, als ich aufhörte zu rennen. Es war das einzige an das ich mich klammern konnte - das Wegrennen.
Nun war ich hilflos und erschöpft.
Langsam stieg der Schmerz von Trauer wieder in mir hoch. Ich drehte mich mehrmals um die eigene Achse um die Geräusche besser zuordnen zu können.
Doch sie kamen von überall.
Immer noch ohne ein Anzeichen von Angst drehte ich mich in die Richtung aus der ich kam und ging los.
Es war kalt und ich umklammerte mit meinem Armen meinen Brustkorb, um mich ein wenig warm zu halten.
Das rascheln blieb nicht aus.
Jetzt sah ich sogar wie sich manche Büsche bewegten.
Trotzdem blieb ich unbeeindruckt.
Ich hatte mir das immerhin alles selbst zu zuschreiben. Ich war der, der Nachts in einen Wald lief.
Ich war der, der alles stehen und liegen lies, um der Gegenwart entfliehen zu können.
Doch jetzt war ich genau wieder da, wovor ich geflohen war. Einsamkeit.
Ich ging weiter, ohne wirklich zu wissen wo ich war. Plötzlich kam das rascheln näher.
Es war lauter als das andere rascheln, was ich mit der Zeit gelernt hatte zu unterdrücken.
Ich hatte das Gefühl es käme auf mich zu.
Plötzlich riss mich etwas zu Boden.
Ich landete auf dem klebrigen Laub, das von dem Regen der vergangenen Tage völlig durchnässt war.
Ich spürte etwas kitzelndes an meinem Bein.
Es waren ganz sicher dünne Härchen, die über mein Bein streiften.
Zu meiner Überraschung war ich immer noch nicht ängstlich.
Ich war sogar beruhigt.
Auf eine seltsame Weise, war mir die Gefahr noch mehr egal als zuvor.
Und das stimmte mich zuversichtlich.
Ich lebte ja noch, also konnte es hier nicht so gefährlich sein, wie alle sagten.
Etwas, was mich zu Boden reißt und nicht weiter angreift ist nicht weiter beängstigend für mich.
Ich spürte die Härchen näher an mein Gesicht kommen. Sie streiften über mein Oberteil bis zu meinem Nacken. Ich hörte das Tier schnüffeln.
Ich dachte daran aufzustehen, doch das Tier befand sich nun genau über meinem Kopf.
Langsam hob ich den Kopf und bemerkte keine unerwartete Bewegung des Tieres.
Ich bewegte meinen Kopf nun etwas mehr, doch das Tier schnüffelte weiter.
Ich drehte meinen Kopf zu dem Schnüffler und sah in zwei gelbliche Augen. Es war dunkel doch ich erkannte den Wolf

ganz genau.
Er hatte eine breite Stirn, einen großen Kopf und war ein großer Koloss.
Er sah mir in die Augen und nah ein wenig Abstand.Ich setzte mich ganz langsam hin, um ihn nicht zu verängstigen.
Es war seltsam, dass ich in einer Situation, in der jeder andere panische Angst um sein Leben hätte, ganz ruhig blieb.
Er tut mir ja nichts, dachte ich mir.
Langsam kam sein breites Gesicht und seine schiefen Augen näher.
Mir kam eine Idee und ich hob langsam die Hand.
Als sie auf der Höhe seiner Stirn war, bewegte ich sie langsam in die Richtung seines Kopfes.
Nur ein paar Zentimeter vor seiner Stirn schrak ich zurück. Er fing laut an zu knurren.
Das knurren kam ganz tief aus seinem Rachen.
Es schien, als legte er die Ohren an.
Ich konnte es nicht genau erkennen, den dafür war es doch schon zu dunkel.
Er änderte seine Stellung.
Nun schien er bereit zur Verteidigung oder zum Angriff.
Meine Hand immer noch vor erhoben näherte sich wieder seiner Stirn.
Ich konnte nichts dagegen tun.
Es taten sich keine Zweifel bei mir, an das gute in dem Wolf auf.
Plötzlich macht der Wolf einen Satz und beißt in meine Hand.
Es muss betäubender Schmerz gewesen sein, denn ich fühlte nichts im Moment des Bisses.
Er knurrte dabei und zog ein wenig an meiner Hand.
Dann ließ er sie los und rannte davon.
Ich fiel zurück auf den Boden, hielt meine Hand und fühlte nichts als Verwirrung.
Kein Schmerz, kein Schock.
Ich hatte nicht geschrien als er zugebissen hatte.
Ich legte den Kopf auf das labbrige Laub und bemerkte den verschwommenen Himmel.
Langsam fing sich alles an zu drehen.
Ich sah instinktiv auf meine Hand und bemerkte die große rote Blutlache.
Auch das Moos darunter war rot gefärbt.
Ich ließ den Arm auf und abfallen um wieder ein bisschen Gefühl darin zu spüren - doch er war tot.
Ich ließ ihn in eine Pfütze fallen, welche in wenigen Sekunden rot getränkt war.
Ich sah alles verschwommen und es drehte sich ein bisschen, doch ich versuchte aufzustehen, was mir auch gelang.
Wieder war ich orientierungslos.
Dann sah ich eine kleine Lichtung, der ich vor der Attacke entgegengelaufen war.
Ich setzte mich in Bewegung und versuchte eine schnelles Tempo mit der Koordination meiner Füße zu vereinbaren.
Ich denke, ich lief eigentlich sehr schnell - immerhin hat mich gerade ein Wolf angefallen.
Ich lief so schnell ich konnte und versuchte krampfhaft nicht zu stolpern.
Es würde meinen sicheren Tod bedeuten.
Als ich darüber nachdachte, wurde mir erstmals der Ernst der Lage bewusst.
Ich würde ganz sicher verbluten, wenn ich es nicht nach Hause schaffen würde.
Mittlerweile hatte ich das Gefühl meinem Ziel - mein zuhause - ein wenig näher gekommen zu sein.
Ich hatte keine Ahnung wie spät es war.
Es war sicher schon nach Mitternacht.
Ich war mir nicht sicher wann ich angefangen hatte weg zu rennen.
Ich merkte meiner Hand keine Verletzung an, da ich sie weiterhin nicht spürte.
Doch ich war mir ganz sicher, das jeder andere den Schmerz gespürt hätte.
Irgendwie, wenn ich jetzt gerade so hilflos bin, wünschte ich sie

wäre da.
Sie kann sogar unbewussten Schmerz heilen.
Während ich so nachdachte, war das rennen zur Nebensache geworden und ich musste mich nicht sonderlich anstrengen.
Ich hatte das Gefühl, noch mehr Kondition als auf dem Hinweg zu haben.
Ich rannte nun so schnell wie ich es gar nicht von mir kannte.
Plötzlich sah ich etwas, was ich schon fast nicht mehr kannte.
Licht !
Es sah aus wie eine Laterne. Es musste der Anfang des Walds sein. Für mich war es das Ende eines Albtraums.
Ich rannte nun völlig fixiert auf das Licht und als es näher kam, erkannte ich auch die Straße.
Von hier waren es nur wenige Meter bis nach Hause.
Ich rannte einen steilen Weg hoch, der mir nun doch ein wenig meiner fast unhangebrochenen Kondition nahm.
Ich hatte es tatsächlich geschafft. Kaum war ich vor meiner Tür angekommen und hatte auf die Klingel gedrückt, spürte ich auf einmal ein unbekanntes Gefühl in meinen Beinen.
Es war als würde es ein Loch in meinem Bein geben und mein Blut würde einfach nur fließen.
Das Gefühl in meinen Beinen ließ nach und nahm mir jegliches weitere Gefühl, woraufhin ich zu Boden sank und hart mit dem Kopf auf dem Boden aufschlug. Die Arme instinktiv ausgestreckt, schlug ich auch auf die schrecklich zugerichtete Hand auf.
Das letzte was ich noch wahrnahm, war die Haustür die sich langsam öffnete und verzweifelte Schreie meiner Mutter.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 22.10.2009

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