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Just One Day



Was würdest du tun, wenn du für einen Tag tot sein könntest?
Wenn du merkst, dass es nicht, wie in allen Hollywood-Filmen, ein Happy End gibt?
Wenn dich niemand vermisst?
Wenn sie sich freuen, dass du tot bist?
Und was machst du dann wenn du zurück kommst?
Stellst du sie zur Rede?
Lasst du es auf sich beruhen?
Oder erfüllst du gar ihren größten Wunsch, deinen Tod?
Ich möchte euch erzählen, was ich getan hätte….




Das erste Mal befasste ich mich mit dem Thema Tod, als ich sechs Jahre alt war. Damals starb mein Opa an Altersschwäche. Ein natürlicher Tod, sagte man. Er hatte ein langes, glückliches Leben, sagten sie mir. Ich glaubte es. Er war doch schon so alt. Doch das Thema Tod ließ sich nicht abschütteln.
An meinem 12ten Geburtstag verunglückten meine Eltern und mein großer Bruder tödlich. Wir waren auf dem Weg zu meiner Geburtstagsparty, als uns ein Lkw übersah und wir über die ganze Fahrbahn geschleudert wurden, in den Graben stürzten und uns vier Mal überschlugen. Ich war die einzige Überlebende. Drei Wochen lag ich im Koma und fünf Monate im Krankenhaus. Mein linker Arm wurde fast vollständig abgetrennt, aber sie konnten ihn retten. Meine Eltern oder meinen Bruder konnten sie nicht retten. Aber meine verdammte linke Hand. Sie hatten kein langes, glückliches Leben. Nach intensiver Reha, konnte ich sogar wieder etwas in meiner Hand fühlen. In meinem Herzen nicht. Der Tod wurde mein ständiger Begleiter. Am Morgen stand er mit mir auf und Frühstückte, am Abend gingen wir gemeinsam schlafen. Fortan lebte ich bei meiner Tante. Petronella. Sie hasste mich, ich war ein Ärgernis in ihrem Lebe, mehr nicht. Als ich Sechzehn wurde, und die Wunden ein wenig vernarbt waren, kam ich zurück an eine öffentliche Schule. Zuvor unterrichtete mich ein überaus strenger und stinkender Privatlehrer, da meine Tante zu weit draußen lebte. Und schlag an meinem Sechzehnten Geburtstag, schob sie mich in die Stadt ab. Sie ließ sich nur mehr alle paar Wochen blicken, aber nur um ihre Wohnung in Augenschein zu nehmen. Jeden Monat schickte sie mir ein bisschen Geld von ihrem gewaltigen Vermögen. Es reichte gerade mal für das Essen. In der Schule galt ich als Freak. Ich war ihnen einfach zu verschlossen, zu ruhig. Sie hänselten mich und verspotteten das was ich war. Alleine. Ich hatte weder Freund noch Familie und schon gar keinen Geliebten. Nicht einmal die Lehrer kümmerte es ob ich da war, oder eben nicht. Morgens riefen sie mich nicht mal auf.
Seit langem reizte mich der Gedanke, dem allem ein Ende zu setzen. Einen Dolch ins Herz oder doch Gift? Viel zu dramatisch. Ich wollte ihr falsches Mitleid nicht. >>Oh die Arme, Arme Nina. Niemand hat sich je um sie gekümmert. Warum hat sie sich das Leben genommen? Wieso? WIESO?<< Meine Antwort: Wieso nicht?
Was bringt er einem zu leben? Nichts daran ist toll, alles ist nur Lüge. Ich würd mir auch nicht die Pulsadern aufschneiden. Viel zu viel Blut welches mich um meinen Beschluss schwanken lassen könnte. Schlaftabletten wären angenehm, oder Morphium. Nur schwer da ran zu kommen. Oder eben doch das gute alte Hochhaus-springen, oder die Neuheit: Autobahnbrücke. Niemals würde ich mich vor einen Zug werfen. Was kann der Lokführer denn dafür? Mein Entschluss war gefasst. Ich würde sterben. So oder so. Ich konnte nicht behaupten nicht geliebt geworden zu sein. Meine Eltern liebten mich. Mein Bruder liebte mich, auch wenn er es nie zugegeben hatte. Ich wusste es einfach.

Jetzt, da ich in der Stadt lebte, hatte ich die Möglichkeit nach all der Zeit, die drei nebeneinander liegenden Gräber zu besuchen. Es war fast das erste, welches ich nach meinem Einzug tat. Dieser Friedhof war schön. Gepflegt und Grün. Bäume rahmten sie ein. Die drei schlichten Grabsteine. Die Narben rissen wieder auf. Ich fiel auf die Knie und begann zu schluchzen. Die Namen und das Todesdatum und dann auch noch die Widmungen.
Es war einfach zu viel für mich.

Magdalena Phol  23. 1.2006 Geliebte Mutter mit 35 verstorben.
John Phol  23. 1.2006 Geliebter Vater mit 39 verstorben
Jonathan Phol  23. 1.2006 Geliebter Bruder mit 18 verstorben.

Hier würde ich es tun.
Im Angesicht meiner Familie würde ich mich richten. Um endlich nicht mehr einsam zu sein. Ich musste mir nur noch überlegen wann und wie. Wollte ich doch noch einen dramatischen Tod. Sollte ich es an meinem 17ten Geburtstag tun? Am verfluchten 23. Jänner? Geburtstag feiern ist sowieso seit fast fünf Jahren komplett unangebracht. Aber wollte ich wirklich noch so lange warten? Da rief mich wiedermal meine Tante an. Sie fragte, wie so oft, nach dem Stromzählerstand. Als ich ihr zu erklären versuchte, dass ich gerade bei Mama, Papa und Jonathan war, begann sie zu lachen: >>Was ist denn das für eine dumme Ausrede? Nimm den nächsten Zug und fahr zurück in meine Wohnung. Die drei sind morgen auch noch da. In einer halben Stunde meld ich mich noch einmal und dann möchte ich augenblicklich den Stromzählerstand hören<< Tut, Tut, Tut.
Sie hatte aufgelegt. Sie war so herzlos. Mein Entschluss stand fest. Ich würde nicht bis zu meinem 17ten Geburtstag warten. Es würde bald geschehen.
Eine Woche später, es war ein warmer Sommertag, ich hatte mir einen schönen Tag zu sterben gewählt, stand ich wieder vor den Ruinen meiner Familie. Mit mir eine Spritze voll mit einschläfernden, völlig schmerzfreiem Sedierums. Sorgfältig für einen Elefanten abgewogen. Die im Zoo würden sich wundern, wenn sie den großen Elefanten betäuben wollten. Ob sie dann das dumme Blondchen fragen würden und sie sich dann an mich erinnern würde? Würde ihnen nicht viel nützen. Mein geliebter Tod würde schnell kommen. Ich hatte auch noch einen Abschiedsbrief in meiner Tasche. Ich wusste nicht recht an wen ich ihn wenden sollte. Also schrieb ich ihn in aller Erster Linie an meine Mutter:

>>Mama, geliebte Mutter. Ich kann nicht mehr. Am Tag an dem du mich verließt war der Tag an dem mich mein Lebenswille verließ. Es war so als wäre ich mit euch gestorben und nur mein Seelenloser Körper wandelte noch auf Erden. Mama, heut ist der Tag an dem ich euch folge in den Abgrund. Ich weiß nicht was mich nach dem Dunkel erwartet, ich hoffe ihr seit es. Mein Leben war in den letzten Fünf Jahren so schrecklich. Es war wirklich so als wäre ich schon tot. Niemand kümmerte sich um mich, niemand scherte sich um mich. Ich war so einsam und alleine. Aber heute ist das vorbei. Und wenn mich auch nur Stumpfe verzweifelte Schwärze erwartet ist das immer noch besser als hier zu bleiben und Sinnlos zu leiden. In Liebe, deine Tochter.
Tante Petronella? Danke für die wenigen Trostlosen Jahre in denen ich ein warmes bett und etwas zu essen von dir bekam. Ich danke dir für die Wohnung und das Geld aber ich kann so nicht leben. So einsam und kalt.
Nina<<

Das war es. Mein Letztes Zeugnis für diese Welt. Ich nahm die kalte Spritze in die Hand und legte sie an eine Ader an. Der Schmerz war nur von kurzer Zeit und der Antrieb, an den ich dachte brachte mich dazu das kalte Gift in mich zu pumpen. Ich spürte wie sich die Kälte in mir ausbreitete. In meine Fingerspitzen die taub wurden und in meine Schulter. Ich fühlte wie die Kraft aus meinem Körper schwand. Mein Körper wurde schwerer und schwerer. Meine Beine. Wo waren meine Beine hin. Ich blickte an mir herum und merkte das sie noch da waren. Da fiel ich auf meinen Hosen Boden. Ich klappte einfach zusammen. Meine Lieder wurden schwerer und schwerer. Kurz meldete sich meine Überlebensinstinkt. Ich wollte einfach nicht die Augen schließen, aber dann übermannte mich diese herrliche Kälte und zo mich immer Tiefer und Tiefer in das Innerste meiner Seele. Und dann spürte ich wie ich aus meinem Körper glitt. Mit mir all meine Erinnerung. Ich löste mich aus meiner Hülle und schwebte davon. Ich sah meinen Körper unter mir und dann hörte ich meine Mutter. >>Nina mein Schatz was machst du nur für Sachen. Warum tust du so etwas, du musst dein Leben doch nutzen. Wirf es doch nicht einfach so weg.<< Ich wollte ihr entgegen rufen, dass ich doch niemanden hatte, aber es gelang mir nicht. >>Nina, ich schicke dir jemanden der dich zurück auf die Erde begleitet und der dir das zeigt was nach deinem Tod geschieht. Du wirst alle weinenden Gesichter deiner Freunde sehen und wirst dir wünschen wieder zu leben. Dafür geb ich meine gesamte Liebe mein Schatz. Adrian wird dich wieder zurück bringen.<< ich wollte ihr zurufen , dass das Blödsinn ist und niemand mich vermissen wird aber ich konnte einfach meinen Mund nicht bewegen. Die schwärze um mich war einfach zu fest. Doch da spürte ich eine Hand. Eine Hand die mich wieder nach oben zog. Aus meiner Eiseskälte in die Wärme zurück. Aber ich wollte doch gar nicht.

Da öffnete ich meine Augen und lag in der prallen Mittagshitze auf einer Holzbank. Neben mir ein überaus gut Aussehender junger Mann. Nicht viel älter als ich. Ich musste einige Male blinzeln um zu begreifen was er da gerade tat. Er lächelte >>Willkommen zurück auf der Erde Mademoiselle <<

>>Wer? Was zum…? Was ist passiert? Ich sollte doch? Ich sollte doch…<<
>>Tod sein? Ja solltest du!! Aber deine Mutter hat ein großes Opfer für dich erbracht um dich zurückzuholen. Naja, hier bist du wirklich tot. <<
>>Was? Ich versteh das alles nicht! Wer bist du?<<
Mein Name ist Avon und ich bin ein Wächter des Lebens. Meine Aufgabe ist es dich durch den Tag nach deinem Tod zu begleiten um die die schreckliche Trauer der Menschen die dich lieben, und die du verlässt, zu zeigen. <<
>>Na toll, danke auch! Und was soll das bitte bringen!? Das wird meine Entscheidung nur bekräftigen. Dämlich.<<
>>Mädchen du gefällst mir, aber ich werde dir schon noch beweisen wie falsch du liegst<<
>>Ja klar…<< unüberhörbar welch selbstsicherer Sarkasmus in meiner Stimme mitschwang.
Er lachte. Irgendwie ist er süß.
>>So dann sollte ich dich mal über das aufklären was in den letzten Stunden so alles passiert ist.
Also: Vor gut 12 Stunden, also um 18:00 Uhr hast du dir das Leben genommen. Wenig später hat dich eine alte Dame, auf den Gräbern liegend, entdeckt. Sie rief sofort einen Krankenwagen gerufen aber es war zu spät. Vom Krankenhaus aus haben sie deine Tante Petronella informiert und deine Schule benachrichtigt. Als aller erstes gehen wir zu deiner Tante Petronella und ich werde dir zeigen wie unrecht du ihr getan hast.<<
Er nahm mich an die Hand und führte mich über einen Weg der mir verflixt bekannt vorkam, kurz darauf wusste ich auch warum. Er führte hinauf zu Tantchen Petronella ‘s Haus.

>>Wie war noch mal dein Name? Avon? Hör mal zu Avon es ist zwar sehr nett das du mich begleitest und so, aber es ist SINNLOS und ich werde es dir beweisen. Wart´s nur ab.<<
Er kicherte.
Tante Petronella saß in der Küche an ihrem überaus kaputten Küchentisch. Sie hätte sich 100000 einen neuen kaufen können, aber dafür war sie einfach zu geizig. Sie saß gebeugt über einigen Papieren und gähnte. Dann viel eine Einzige Träne auf die Papiere. Kurz dachte ich sie würde weinen. Um meinetwillen, schließlich war ich laut Avon ja tot in dieser Welt. Aber dann sprang sie auf und… und… lachte !! Sie lachte!! Ein wahnsinnig wirkendes Lachen welches ihr die Tränen aus den Augen drückte. Dann begann sie zu schreien >>Endlich! Endlich! Endlich! Nicht nur das ich jetzt dieses beträchtliche Erbe bekomme! Nein ich erspare mir sage und schreibe 500 Euro im Monat ohne dieses Gör. Keine Miete, kein Wasser, kein Strom, kein Essen und keine Schulkosten !! HAHAHAHAHAHAHA!!!<< Sie begann überglücklich durch den Raum zu springen als hätte sie gerade im Lotto gewonnen.
Sie war also die ganze Nacht über den Papieren gehangen um nachzurechnen wie viel sie sich ohne mich erspart. Ich hatte mit sowas gerechnet aber trotzdem war ich echt geschockt wie abgebrüht und kalt sie sein konnte. Immerhin bin ich erst seit 12 h tot… Mir stand der Mund offen und ich wollte mich nur noch umwenden und gehen. Avon hatte nichts zu sagen. Er stand neben mir und sein Mund war genauso vor Schock offen wie es meiner war. Er schien sich nicht so schnell zu fangen wie ich. Gerade als ich mich halb von ihr weggedreht hatte begann sie wieder >>Und dieser lächerliche Abschiedsbrief, arme, arme Nina! Weine mein Kindchen, weine. So etwas lächerliches wie diese Schundliteratur habe ich seit langem nicht mehr gelesen<< Lachend warf sie meine mit viel Mühe schön geschriebenen Zeilen ins Feuer. Die Flammen loderten auf und schienen genauso über mich zu lachen wie meine Tante.

Impressum

Texte: alle Rechte liegen bei mir :)
Tag der Veröffentlichung: 31.08.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für meine geliebte Familie, weil ich ohne sie nicht leben könnte

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