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Ruf der Stille

Stille. Stellt euch das vor. Kein übliches Plätschern der Regentropfen, keine nervigen Tastaturgeräusche, wie sie in Büros anzutreffen sind, keine laute Hip-Hop-Musik, deren Bass eine Vibration auslöst, kein Tinnitus, der euch nach der gestrigen Party durch die Ohren pfeift, kein Kindergeschrei im Park, kein ständiges Telefonklingeln, kein Husten, kein Nießen, kein Vogelgezwitscher.

 

Es geht nicht, oder? Kein Mensch kann das mehr. Absolute Stille, wirklich nichts, Null Dezibel. Selbst wenn wir versuchen, zu schlafen, hören wir noch unseren regelmäßigen Atem. Wenn wir auf uns selbst wütend sind, hören wir ja fast schon, wie das Blut durch unsere Adern pocht. Wenn wir schlucken, hören wir wie sich unser Kehlkopf bewegt. Vielleicht ist es störend, wenn ich versuche zu schlafen und mein Handy die ganze Zeit klingelt. Vielleicht stört es mich auch, wenn ich versuche einen Essay zu schreiben und die Musik meine Gedanken durcheinander bringt. Aber darf ich mich beklagen?


Eigentlich nicht. Ich habe es ja selbst so gewählt. Ich lasse zum Beispiel meinen Computer an, wenn ich lernen will und höre dann das Knattern der Festplatte und das Rauschen des Ventilators. Und dann entscheide ich mich noch Musik laufen zu lassen, um genau diese Geräusche zu übertönen.

 

Der  österreichische Dichter Ernst Ferstl sagte, dass der gefährlichste Unruhestifter die Angst vor der Stille ist. Eigentlich hat er ja Recht oder? Stellt euch mal vor, wir müssten auf einer Bühne stehen und vergessen plötzlich unseren Text. Wir würden alle versuchen uns raus zu reden. Aber  wieso erkennt man nicht, dass  es viel mehr Mut braucht, auf einer Bühne zu stehen, und einfach zu schweigen? Die Antwort lautet, weil wir es nicht gewohnt sind. Egal wo wir sind. Nirgends ist es wirklich Still. Auf der Straße hört man Autos fahren und selbst in den Wäldern, wo viele die Stille suchen, hört man die Vögel zwitschern.

 

Willy Meurer sagte:  ,,Stille ist nicht nur das Fehlen von Geräuschen. Stille ist vielmehr auch die Einkehr in sich selbst."  Irgendwie hat er damit ja Recht. Zum Beispiel am Abend, wenn man versucht einzuschlafen. Es ist Still, aber trotzdem kann man nicht schlafen, weil man ununterbrochen an irgendetwas denkt. Sei es an die gestrige Party von der einem noch immer die Ohren Pfeifen, oder an die Schule, weil man am nächsten Tag einen wichtigen Test schreibt. Oder man denkt einfach an den Tag und an sein Leben und was man alles noch so vor sich hat.  Denn die Stille stellt keine Fragen, aber sie kann uns auf alles eine Antwort geben. (Ernst Ferstl)

Deswegen werde ich jetzt aufhören zu reden und vielleicht erkennen wir, dass Stille ihren ganz eigenen Klang haben kann.

Impressum

Texte: Daniela Schelch
Tag der Veröffentlichung: 13.09.2019

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