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"Mami, warum weinst du?"



Das oder ähnliches ist etwas, dass man nur ungern aber leider immer häufiger aus dem Mund des eigenen Kind hört. Es gab Zeiten, da hätte man dem Kind die Wahrheit sagen können ohne befürchten zu müssen, dass sich sogenannte "geschulte" Leute auf einen stürzen wie die Geier auf das Aas. In meinem Fall ist das jedoch nicht mehr so. Nicht, seitdem der Vater meines zweitjüngsten Kindes beschlossen hat, uns das Leben zur Hölle zu machen.

Patchworkfamilien sind heutzutage Gang und Gebe und doch ist es ein Trugschluss, dass diese Welt einfach ist. Ich bin 30 Jahre alt und meines Zeichens Mutter von drei wundervollen Kindern im Alter von aktuell elf, acht und drei Jahren. Ich habe eine sogenannte Patchwork-Kreation denn jedes meiner Kinder hat einen anderen Vater.
Natürlich denken bei solchen Aussagen viele Leute, dass das ja schon alles sagen würde. Könnte aber wer fragt heutzutage wirklich noch nach? Zumal es doch wesentlich einfacher ist, sich aus der Distanz heraus spontan eine schlechte Meinung zu bilden und diese dann bestenfalls auch gleich hochzuhalten. Gut, das wäre ein anderes Thema. Zurück zum Kernpunkt der Sache. Wie bereits erwähnt, drei Kinder, drei Väter und damit garantiert niemals Langeweile.

Meinen ersten Ehemann verliess ich als meine Tochter damals knapp über ein Jahr alt war. Für mich war kein Platz mehr in seinem Leben denn er hatte sich neu verliebt und zog dem Kind und mir diese Frau vor. Dass diese Frau mit mir verwandt ist, setzte damals dem Geschehen nicht die Krone auf. Nein.
Ich war also angehalten mit einem Kind in dem Alter alleine durchzukommen. Entgegengesetzt zu heute war der Kindsvater damals nicht wirklich an seinem Spross interessiert. Er sagte damals, es sei einfach zu viel Verantwortung mit mir und der Kleinen. Schon klar. Nichtsdestotrotz habe ich damals, obwohl ich natürlich verletzt war, bitter darum gekämpft, dass sich der Kindsvater nicht aus der Verantwortung zieht. Ich habe ihn lange bearbeiten müssen um einen regelmäßigen Kontakt aufzubauen.

Anfangs waren es wenige Stunden Freitags in denen er das Kind bei mir besucht hat. Es hat Jahre gedauert bis der Kontakt so stabil wurde wie er heute ist. Heute ist meine Tochter alle vierzehn Tage bei ihrem Vater. Sie ist alt genug um sich Gehör zu verschaffen und ihren Vater selber an die Hand zu nehmen. Ein harter Weg bis hier hin denn die besagte neue Frau in seinem Leben hat einiges versucht um Hürden zu schaffen.

Ich war natürlich immer der sogenannte Buh-Mann, der immer was zu meckern hatte. Nein, das Kind darf nicht im Alter von drei Jahren alleine mit dem zehn Jahre alten Nachbarskind durch die Gegend ziehen. Nein, bringt das Kind bitte nicht erst um Mitternacht ins Bett. Nein, das Kind liebt zwar Fastfood aber es muss es dennoch nicht von Freitags bis Sonntags durchgehend haben.
Allerlei Dinge, die eine schlechte und nervige Mutter schon mal aufs Tablett bringt. Nichtmal die gut gemeinte Hilfe, der Braut zur Hochzeit, im Namen meiner Tochter ein richtig gutes Kochbuch für Anfänger zu schenken damit die beiden etwas gemeinsames daraus machen können, war angebracht. Böse Mutter. Ganz Böse.

Man sieht, es wurde schon mit dem ersten Kindsvater niemals langweilig.

Während dieser freudigen Achterbahnfahrten des gemeinsamen Sorgerechts kam Kindsvater zwei hinzu. Schwer enttäuscht vom Verhalten des ersten schrieb er sich auf die Fahne, ein besserer Papa zu sein. Also zog ich mit meiner Tochter in eine andere Stadt und wagte einen Neustart.
Es funktionierte. Das Leben bekam wieder mehr Qualität für mich und vor allem für die Kleine. Er gab sich sichtlich jede Menge Mühe wirklich alles besser zu machen. Dann kündigte sich Kind Nummer zwei an. Ja, das Kind war ein Wunschkind. Für uns beide.

Glücklicher hätte es nicht laufen können. Die Schwangerschaft war wundervoll, die Geburt hat er gemeistert als würde er das dauernd mitmachen. Das erste Jahr des Jungen (heute acht Jahre alt) lief bilderbuchartig ab. Der Kindsvater kümmerte sich so wie es sein sollte um beide Kinder und achtete stets darauf, dass niemand zu kurz kam.

Die Kinder wurden älter, Mami konnte wieder ein bisschen Geld verdienen gehen also suchte Papa sich ein Hobby für abends wenn die Mama zum Kellnern musste. Ein berühmtes Online-RPG welches weltweit Millionen in seinen Bann schlug.
Das Chaos nahm seinen Lauf. Während Papa sein Leben auf seinen Job und dieses Hobby beschränkte, war es an mir, für alles andere zu sorgen. Ich besaß die Frechheit, dass mir irgendwann der Kragen platzte und ich ihn vor die Wahl stellte. Das Spiel oder wir. Zänkische Weiber immer. Furchtbar.


Jedenfalls gewann das Spiel und so stand ich mit zwei Kindern alleine. Neue Wohnung ein paar Strassen weiter. Neuer Start. Wundersamerweise entwickelte sich aus dem verzankten Paar ein befreundetes. Manchmal ist es also sinnvoll auf Abstand zu gehen.

Anfangs gab sich Kindsvater Nummer zwei auch wirklich Mühe weiterhin für die Kinder da zu sein. Das schwächte ab und wurde letztendlich auf den neuen Mann geschoben. Dass dieser aber ebenfalls immer für das Zusammenhalten war, wenn es um die Kinder ging, wurde totgeschwiegen.
Die Kontakte namen ab. Nur noch sporadische Besuche ausserhalb der vierzehntägigen Regelungen. Die Unterhaltungen schwächten ab. Platzhirsche hat es eben überall.

Dennoch war er zumindest für den Jungen so gut es ging da. Samstags auf Sonntags, alle 14 Tage waren ihm genug.

Ich zog mit meiner Familie zurück ins die Stadt aus der ich ursprünglich kam. Erhielt dort auch Unterstützung meiner Familie wenn es darum ging mal auf die Kinder zu achten oder einfach mal ein Großelterntag anstand.

Katastrophenjahr 2010.


In dem Jahr als ich den Vater meines dritten Kindes geheiratet habe, habe ich scheinbar, böse Mami!

, den Stein ins Rollen gebracht. Es war ja so falsch von mir zu glauben, dass ein festes und geregeltes Leben für Kinder wichtig wäre. Wie konnte ich nur?


Mittlerweile waren gute fünf Jahre ins Land gegangen seit der Trennung zu Vater Nummer Zwei. Der Junge hat den neuen Mann akzeptiert und lieben gelernt. Immer öfter wurde aus dem neuen Mann für den Jungen "Papi". Mein Mutterherz blühte auf, weil es mir zeigte, dass der Junge sich angenommen und wohl fühlte. Dann kam die Kiste mit der Namensänderung durch unsere Hochzeit. Versicherungen mussten umgeteilt werden, da ich natürlich als frisch gebackene Ehefrau über mein Mann versichert wurde aber dieser die Kinder, die alle bei uns leben, nicht aufnehmen durfte. Chaos pur.



Der Knabe entschied sich dafür, den Nachnamen des neuen Mannes anzunehmen. Er hatte die Wahl, wollte es so und hat es dem Standesbeamten auch sehr deutlich gemacht. Verletzter Stolz auf Seiten des leiblichen Vaters.
Der Gegenschlag folgte recht zügig. Im Februar 2011 wurde ich ins Jugendamt zitiert. Besagter Vater Nummer 2 stellte die Behauptung auf, ich würde ihm den Jungen ja vorenthalten. Dass ich mehrfach gesagt habe, dass ich unter keinen Umständen ein Auto bewege wenn nicht mal die öffentlichen Verkehrsmittel mehr fahren, war ja egal. Wäre meine Mutwilligkeit. Natürlich. Schnee und Glatteis sind ja bitte danke nicht gefährlich.



Das Jugendamt gab mir recht und des Vaters Stolz bekam die nächste Kerbe. Die böses Mami geht auch noch hin und schlägt eine Elterntherapie vor um der Kommunikation, die bis dahin mehr schlecht als recht war, neue Starthilfe zu geben. So ein Blödsinn!!!

Es wurde wieder ruhiger um die Familie.
Bis zu dem Tag an dem der Junge aus seinem Papa-Urlaub, der einmal pro Jahr mit einer Woche doch sehr begrenzt war, zurückkam und sich in seinem kindlichen Leichtsinn die Aufmerksamkeit seines Vaters erhaschen wollte und in den Raum stellte, er würde zu Hause verprügelt werden. Gewiss, freiwillig und am besten mit einem Baseballschläger.



Jedenfalls hatte Papi 2 mächtig Sorge. Sehr gut.

Aber anstatt den Weg der Logik zu gehen und die Mutter zur Rede zu stellen, machte dieser Mann ein Fass auf, welches sich nie wieder schliessen lassen wird. Er telefonierte sämtliche Instanzen, vom Jugendamt, über irgendwelche Kinderhilfsorganisationen etc , ab und versuchte Druck zu machen. Natürlich, es ging ja um Leib und Leben und das Kind musste bitte sofort, wenn es geht gleich mit Beamten der Polizei, aus dem Kindergarten geholt und vor der Familie der Mutter gerettet werden. Mir wachsen rote zwei Meter lange Zähne wenn niemand hinschaut, gewiss .....wenn wirklich niemand hinschaut.



Ärgerlich.

Der Auftakt zu einem ewigen Gerenne begann. Trotz der Tatsache, dass es Gespräche auf dem Jugendamt gab, in denen selbst die Beamte mit allen Mitteln versuchte dem Kindsvater klar zu machen, dass die Vorwürfe haltlos waren, gab der Vater nicht auf. Er hatte den Gedanken der Rettung. Niemand weiß wovor aber retten ist schon immens wichtig. Gott, verschone mich mit Helden.



Es ging vor Gericht. Ein wahres Spektakel an richtig guten Aussagen. Wenn ich mal zitieren darf: "Der Junge bekommt bei mir nur noch Mineralwasser zu trinken. Säfte und Tees nicht mehr. Davon trinkt der zu viel und muss dann zu oft auf Toilette geschickt werden." Herrlich nicht wahr? Ist aber nur eines der Highlights der Verhandlung.


Wieder kam von mir als Mutter die Äußerung, Hilfe auf der Beratungsstelle in Angriff zu nehmen. Wurde erneut damit abgetan, es sei jawohl schwachsinnig.Wozu sich auch mit der Mutter auseinandersetzen oder schlimmer noch das Kind mal richtig kennen lernen. Auch gut, dann eben nicht.

Das Theater zog sich fort. Es gab eine Menge Vorwürfe die, obwohl von diversen Stellen, hier Jugendamt, Psychologen, dem Kindergarten aus der Welt geschafft wurden, dennoch an der Tagesordnung standen.

Ein wahrliches Wunder geschah, als ich auf die Beratungsstelle zuging und darum bat, den Kindsvater doch mal einzuladen. Auf einmal ging es. Ein Jahr lang regelmäßige Therapiestunden zwischen den Eltern. Wunderbar.

Der Vater zog schonmal den Antrag auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht zurück. Erhaltung des einen Rechts? Sieg auf ganzer Linie.


Den eigenen Ruf wieder geheilt zu sehen zum Greifen nahe. Juchhe. Fehlanzeige.

Die Kommunikation beschränkte sich weiterhin auf die Zeiten wenn der Junge abgeholt oder zurückgebracht wurde. Keine Anrufe für den Jungen, um die ich mehrfach gebeten hatte. Keine Sonderbesuchstage ausserhalb der Reihe. Nein, sowas machen wir nicht.



Stattdessen mehr und mehr Enttäuschungen für den Kleinen. Verabredete Wochenenden wurden spontan auf den letzten Drücker verschoben oder direkt abgesagt.
Natürlich kann man dem Kind nicht verständlich machen, dass man es nicht dabei haben will weil der eigene Hund gerade Welpen bekommen hat. Oder weil man auf Wohnungssuche geht oder aber renovieren muss. Ach, das ist keine Welt in der ein Kind zu sein hat.

Auch darf das Kind nicht kommen wenn Papa und seine neue Frau erkältet sind. "Geht nicht. Wenn die Mama krank ist, ist das okay, die macht das ja schon aber wenn meine Nase läuft, bleibt mir mit dem Kind weg."

Sagte ich schon, dass ich einen Faible für Helden habe?

Dennoch habe ich nie ein schlechtes Wort über die Väter den Kindern gegenüber verloren. Für mich war klar, dass sich das weder gehört noch dass es für das Kind nützlich wäre.
Immer schön die Tigerin sein. Tränchen trocken und dem Jungen sagen, dass Papa das schon bestimmt wieder gut machen wird. Immer wieder erklären, dass Papa ihn wirklich lieb hat. Immer wieder sagen, "sei nicht bockig. Du willst dem Papa doch eigentlich gar nicht absagen. Du bist verletzt weil er das so oft mit dir macht. Geniess lieber die Zeit die ihr habt".

Mütter?? Macht das bloß nicht. Denn.... die neuste Tatsache ist, ganz egal wie sehr ihr kämpft, wie sehr ihr zu Kreuze kriecht für Menschen die euch und noch schlimmer, ihren Nachwuchs im Stich lassen, ihr werdet dafür nur noch mehr Schellte kassieren.


Es wird jemand kommen, gestellt vom Gericht, der sich anhand weniger Worte ein Urteil bilden und eine Empfehlung ans hohe Gericht abgeben muss. Da diese Leute in den meisten Fällen ja keine Kinder haben, wann auch? Sie müssen sich ja schliesslich um die Kinder anderer kümmern

, seid ihr gut beraten alles über euch ergehen zu lassen.

In meinem Falle dann mit dem Schlusswort, ich kümmere mich nicht genug um das Wohlergehen des Jungen. Wie sonst kann ich denn bitte danke verantworten, dass das Kind im September eine Strumpfhose unter der Jeans trägt? Der friert ? Egal! Im Kalender steht September!!


Letztendlich wird es kommen, wie es kommen muss. Der Vater, der von der Geburt des Jungen an, niemals Interesse am Sorgerecht hatte. Fünf Jahre lang ebenfalls auch keinen Bock auf die Pflichten hatte, jetzt aus diesem so sinnvollen Rechtsstreit rausgehen wird und ein Mitspracherecht schriftlich bekommt, welches er mündlich in all den Jahren hatte aber nie genutzt hat.
Das ist es, warum ich weine mein Kind. Ich weine darum, dich gar nicht so gut schützen zu können wenn es um die Willkür deines Vaters und die Willkür irgendwelcher Schulbuchpsychologen mit Null Menschenverstand geht. Darum, dass meine Liebe und Fürsorge in Augen anderer niemals genug sein kann und darum, dass ich nur noch die Hoffnung habe, dass du trotzdem zu dem guten Menschen wirst, zu dem ich dich immer formen wollte.



(geschrieben und erlebt von Para Frost)

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 29.09.2012

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