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A winters day
In a deep and dark december;
I am alone,
Gazing from my window to the streets below
On a freshly fallen silent shroud of snow.
I am a rock,
I am an island.
- Simon and Garfunkel, I Am A Rock




Die Straßenlaternen beschienen jede einzelne Schneeflocke und ließen sie wie tausende Fliegen erscheinen, die tobend das Land bedeckten. Am Fenster krochen langsam Eisblumen die Scheibe hinauf und verwischten die äußere Welt zu einen grauen und kalten Brei. Dicke Wolken am Himmel verschleierten den Mond.
In seinem Zimmer war es kalt. Die Heizung war kaputt, schon seit Monaten, aber es kümmerte ihn weniger als Auslandspolitik. Eine kleine Nachttischlampe brannte. Er saß auf dem nackten Boden und fror. Seine Zähne schlugen aufeinander. Gänsehaut überzog seinen Körper. An der Wand waren die Spinnweben der letzten sieben Jahre – seit seinem Einzug – versammelt, die Staubschicht auf den Schränken war dicker als das Fell eines Hundes.
Er blickte nach draußen mit leeren Augen. Er sah nichts bestimmtes an.
Schneeverwehungen hatten sich am Fensterkreuz gebildet.
Ich sitze schon zu lange hier.
Red keinen Unsinn. Du musst noch länger sitzen bleiben.
Aber mir ist so kalt ...
Du musst dafür büßen, was du dem armen Kerl angetan hast.
Er hat es verdient!
Wollen wir etwa schon wieder streiten? Du weißt ganz genau, dass das nicht stimmt, dass du dich besser unter Kontrolle haben musst.
Du hast wohl recht, wie immer.
Keine Antwort. Stille. Atmen. Warten.
Wieder sah er Richtung Fenster. Der Schnee auf dem Fensterbrett lag nun viel höher als gerade eben. Wieder hatte er die letzten vielleicht dreißig Minuten einfach vergessen.
Darf ich mir Socken anziehen?
Nein. Du bleibst schön in deiner Unterhose.
Kälte nagte an seinen Zehen. Seinen Hintern hatte er das letzte Mal vor drei Stunden gefühlt. Arme und Beine waren nur noch Klumpen. Kondenswolken stiegen aus seinem Mund, und im Gegensatz füllte sich seine Lunge mit Eis. Wieso musste er es auch unbedingt tun?
Der Wind ließ nach. Der Schnee wurde immer weniger, bis er nicht mehr wusste, ob er überhaupt noch fiel. Aber die Straßenlaternen waren noch eingeschaltet. Obwohl er sie nicht sehen konnte, nahm er einen kleinen Schein wahr, der verstohlen zum Fenster hereinsickerte. Wie ein Einbrecher. Manchmal glaubte er sogar, sie durch die Wand hindurch summen zu hören.
Darf ich jetzt aufstehen und mich anziehen?
Nein. Bleib sitzen.
Aber ich bin so müde. Mir ist so kalt.
Bleib wach. Du bist ein Fels. Du bist eine Insel. Sei standhaft.
Jawohl.
Nicht, dass er wirklich böse war. Er war eine der freundlichsten Personen, der man begegnen konnte. Jeder, der nett zu ihm war, wurde dafür tausendmal so nett behandelt. Aber von Zeit zu Zeit – von Zeit zu Zeit kam es vor, dann gab es einen Moment, in dem es Klick

machte. Er konnte nicht bestimmen, wann oder warum es geschah, es geschah einfach, und dann wollte er allein sein, weil er in diesem Zustand nicht unbedingt nett zu anderen war.
Dieser arme Kerl.
Er war schon beinahe zur Tür herein, da kam dieser arme arme arme Kerl und fragte ihn nach der Uhrzeit. Woher sollte er denn wissen, wie spät es war, verdammt noch mal? Dann erinnerte er sich an nichts mehr, er wachte immer erst auf, wenn es zu spät war, und wenn er merkte, was er getan hatte, weinte er oft viele Stunden.
Darf ich bitte aufstehen?
Keine Antwort.
Bitte, lass mich aufstehen.
Nein. Wenn die Sonne aufgeht, du weißt doch, wie es läuft.
Jawohl.
Irgendwann tauchte dann sein Freund auf. Es war einfach toll. Er mochte die gleichen Sachen, aß das gleiche Essen und verstand ihn, egal was ihn bedrückte. Auch wenn er mal wieder unartig war. Zwar schimpfte er dann, aber am Ende verzieh er ihm. Immer. Er sagte ihm immer, wenn er fragte, warum er so war, warum es manchmal einfach Klick

machte, dass er ein Berserker ist. Ein großer Krieger, gefangen in dem Körper eines einfachen Menschen, und ab und an kam es vor, dass der Krieger nach außen trat und sein Handeln und Denken bestimme. Du kannst nichts dafür, tröstete er immer, wenn er weinte, du bist ein Fels. Du bist eine Insel. Sei standhaft.
Die Sonne ging auf. Die letzten Stunden waren vorbeigegangen wie eine Brise.
Darf ich jetzt bitte aufstehen?
Versprichst du, dich zu benehmen?
Jawohl.
Versprichst du, sofort nach Hause zu gehen, wenn du merkst, dass der Krieger wiederkommt?
Jawohl.
Gut. Du darfst aufstehen.
Langsam erhob er sich. Seine Arme waren taub. Jegliches Gefühl war aus seinen Beinen gewichen, und beinah wäre er wieder hingefallen.
Mir ist so kalt. Darf ich mich anziehen?
Ja das darfst du.
Ich bin müde. Ich möchte bitte schlafen.
Nein, du darfst nicht schlafen. Jetzt noch nicht. Bleib wach. Denk dran, du bist ein Fels, du bist eine Insel.
Jawohl.
Er stolperte langsam an den Schrank und suchte sich Kleidung heraus.
Ich muss standhaft sein, dachte er müde. Die Sonne Stieg immer höher und bedeckte seine Schultern.
Ich bin ein Fels. Ich bin eine Insel.
Und ein Fels spürt keinen Schmerz. Und eine Insel weint niemals.

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Tag der Veröffentlichung: 06.10.2009

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