„A dream, you dream alone, is only a dream. A dream, you dream together, is reality."-John Lennon
Prolog
Wieder einmal war ich alleine. Wie sollte es auch anders sein? Mom und Dad waren wie immer auf Geschäftsreise und meine Schwester Alexa, war bestimmt mal wieder mit ihren hochnäsigen Freunden unterwegs. Alexa, oder auch Lexi genannt, war eine eingebildete, arrogante Zicke, die immer alles bekam was sie wollte. Sie versuchte mir in allen erdenklichen Formen, mein Leben schwer zu machen, deswegen war es nicht weiter verwunderlich, dass ich sie absolut nicht ausstehen konnte.
Begonnen hatte eigentlich alles mit meiner Adoption. Leo und Sarah hatten mich als kleines Kind adoptiert, auch wenn sie schon eine Tochter hatten. Da ich keinerlei Erinnerungen an mein früheres Leben hatte, dachte ich nun würde alles gut werden. Endlich hätte ich eine Familie. Doch Alexa hasste mich schon vom ersten Tag an und machte mir dies nur all zu deutlich klar. Über die Jahre terrorisiert sie mich förmlich, beschimpfte mich und schikanierte mich wo es nur ging. Selbst in der Schule wurde ich später von allen als Streberin oder als Freak bezeichnet, denn Alexa, die ein Jahr älter war als ich, hatte bis zu meiner Einschulung bereits die Mehrheit gegen mich aufgebracht. So kam es, das ich praktisch ohne Freunde aufgewachsen war. Stattdessen machte ich meinem Ruf als Außenseiterin alle Ehre und zog mich immer weiter zurück.
Natürlich hatte ich meine Eltern darauf angesprochen, doch als Antwort bekam ich nur ein desinteressiertes „Ach, du bekommst das schon hin“ von ihnen. Wenn Lexi sie jedoch um etwas bat, egal wie banal es auch sein mochte, bekam sie es praktisch auf einem Silbertablett serviert. Letztes Jahr beispielsweise, wollte ich an meinem sechzehnten Geburtstag gemeinsam mit meinen Eltern schick essen gehen. Doch wie zu erwarten konnte meine Schwester mir nicht einmal das gönnen. So fragte sie unsere Eltern stattdessen noch am gleichen Tag ob sie nicht Lust hatten mit ihr gemeinsam zum Strand zu fahren. Leo und Sarah, die wie zu erwarten hellauf begeistert von dieser Idee waren, sagten sofort zu.
So kam es dazu, dass Mom, Dad und Lexi zum Meer fuhren, während ich meinen Geburtstag allein verbringen durfte. Schließlich meinte meine Schwester ich hätte noch einige Hausarbeiten für die Schule zu erledigen und keine Zeit um sie am Strand zu verschwenden. An diesem Abend fragte ich mich erneut, warum man mich überhaupt in diese Familie gebracht hatte, wenn ich ihnen allem Anschein nach sowieso gleichgültig war. Sie hatten nicht einmal an meinen Geburtstag gedacht.
Mittlerweile jedoch hatte ich mich schlichtweg mit meiner miserablen Situation abgefunden und versuchte stattdessen einfach das Beste daraus zu machen.
Da ich über keine Freunde verfügte, mit denen ich hätte etwas unternehmen können, hatte ich mir zwangsweise ein Hobby zulegen müssen, um nicht noch völlig durchzudrehen vor Langweile. So erkannte ich schnell mein Talent für Musik. Jede Melodie, die ich einmal gehört hatte konnte ich automatisch wiedergeben. Manchmal hatte ich den Eindruck, als würden aber auch völlig fremde Melodien in meinem Kopfherumgeistern. Dabei war ich fest davon überzeugt, dass ich sie noch nie gehört hatte. Vielleicht war das der Grund, warum man mich Melody taufte. Leo und Sarah hatten mir schon sehr früh eingeschärft, dass nicht sie mir diesen Namen gegeben hatten, sondern ich bereits schon immer so genannt und wurde und auch nicht auf einen anderen Namen reagiert hatte.
Man könnte also sagen, dass ich trotz meiner Schwierigkeiten mit meinem Umfeld mich darum bemühte ein recht normales Leben zu führen.
Doch schon bald sollte sich das ändern.
1.
Es war ein ganz normaler Morgen für mich. Der Wecker klingelte, ich erwachte aus einem unruhigen Schlaf, ging duschen und ohne jemanden zu sehen oder zu Frühstücken lief ich in die Schule. Da ich es nicht weit bis zur Schule hatte, war ich in bereits in kürzester Zeit da.
Lexi, die natürlich schon lange bevor ich erwachte weg war, fuhr wie immer mit ihrem sündhaft teurem, schwarzen Jaguar. Meine (Adoptiv-) Eltern, hatten ihn ihr zu ihrem sechzehnten Geburtstag gekauft. Während ich, wie gesagt, nichts bekommen hatte. Es zeigte mir nur noch deutlicher, wie wenig ich ihnen doch bedeutete. Umso mehr freute ich mich auf die Schule. Dort war ich ein Ass in jedem Fach. Schließlich hatte ich genug Zeit zum lernen.
In wenigen Tagen würde sogar ein Schüleraustausch stattfinden, an dem ich teilnehmen würde. Nur wenige hatten diese Chance gehabt. Ich war eine davon gewesen. Umso mehr hassten mich meine Mitschüler dafür. Nicht dass sie alle an diesem Schüleraustausch teilnehmen wollten um etwas zu lernen nein, sie wollten dort mitmachen, weil auf dem Internat indem wir für das halbe Jahr wohnen sollten, der berühmte Teenestar Jason Cummings, seit kurzem ebenfalls zur Schule ging. Mich persönlich interessierte er jedoch nicht. Es war mir egal wer dieses Internat besuchte, hauptsache der Aufenthalt würde mir und meinen Noten zugutekommen. Man sagte, wer dieses Internat besucht hatte, auch wenn es nur für einen kurzen Zeitraum war, dem würden sich Türen öffnen, von denen man nicht mal geträumt hätte.
Zu meinem Bedauern nahm meine Schwester ebenfalls an diesem Schüleraustausch teil. Im Gegensatz zu mir jedoch nicht ganz freiwillig. Lexi hatte scheinbar enorme Probleme mit ihren Noten und würde höchst wahrscheinlich das Schuljahr widerholen müssen, doch nachdem sich der Direktor mit unseren Eltern in Verbindung setzte um sie darüber zu informieren, gab es nur noch eine Lösung: Lexi müsste am Schüleraustausch teilnehmen. Zuerst hatte sie deswegen einen riesen Aufstand gemacht, als sie dann jedoch mitbekam, dass Jason Cummings dieses Internat besuchte, zählte sie praktisch jede Minute bis zur Abfahrt.
Mittlerweile, war ich an der Schule angekommen und die ersten Sprüche wie „Och seht mal unser Freak ist wieder da!“ oder „Hey Freak! Zeig uns doch mal dein Gesicht! Oder hast du etwa angst, dass wir sehen könnten wie hässlich du bist?“
Es tat mir weh so genannt zu werden, doch ich ließ mir nichts anmerken und lief in den Raum, indem ich gleich Geschichte haben sollte. Nachdem ich von den bereits anwesenden Personen einen gehässigen Blick bekommen hatte, setzte ich mich auf meinen Stammplatz in der hintersten Reihe direkt neben dem Fenster. Der Platz neben mich blieb wie immer leer. Schließlich wollte doch keiner das Risiko eingehen auch nur im entferntesten mit dem Freak in Verbindung gebracht zu werden. Mittlerweile störte es mich jedoch nicht mehr. Ich hatte mich schlichtweg daran gewöhnt allein zu sein und genoss es teilweise sogar. Dennoch beobachtete ich alles um mich herum aufmerksam. Es war spannend und teilweise sehr amüsant was man alles so mitbekam, wenn man darauf achtete. Besonders die Streiche die sich meine Mitschüler untereinander spielten.
Statt Mrs. Griffin, unserer Geschichtslehrerin, betrat Mr. Aron, unser Direktor, den Raum. Innerhalb von Sekunden setze sich jeder auf seinen Platz, schwieg und betrachtete den schick gekleideten Mann vor uns.
„Guten Morgen alle zusammen. Wie ihr euch schon denken könnt, bin ich nicht ohne Grund hier. Aus finanziellen Gründen, wurde der Schüleraustausch vorgeschoben und findet deshalb schon morgen statt. Falls dies ein Problem darstellen sollte, so melden Sie sich bitte umgehend bei mir. Wir treffen uns morgen um sechs Uhr morgens am Flughafen. Bitte vergesst nicht eure Tickets.“ Mahnend hob er seinen Zeigefinger und sah sich streng im Raum um. Bevor auch nur einer etwas dazu sagen konnte, wandte sich Mr. Aron bereits ab, nur um sich an der Türschwelle noch einmal umzudrehen.
„Einen schönen Tag wünsche ich noch.“, zwinkerte er und schloss die Tür hinter sich.Manchmal fragte ich mich ob er bipolar war, so sehr wie seine Stimmung schwank.
Das Raunen welches nun durch die Menge ging ließ darauf schließen, dass ich nicht die einzige war die sich über diese Nachricht freute. Natürlich freute ich mich darauf endlich eine Pause von meinem vertrauten Umfeld zu bekommen, schließlich wäre das wie Balsam für meine Seele. Endlich frei von all dieses fiesen Sprüchen, frei von den missbilligen Blicken und vor allem frei von dem ganzen Druck der hier auf mir lastete. Da waren Lexi und die restlichen Personen die ebenfalls an dem Austausch teilnahmen zwar etwas lästig aber nichts womit ich nicht fertigwurde. Natürlich würden sie mich auch weiterhin schikanieren, allen voran Lexi, doch möglicherweise hatte das Schicksal etwas erbarmen mit mir und sie würden sich eine andere Beschäftigung suchen. Da würde mir der Umstand, dass Jason Cummings ebenfalls dort sein würde, bestimmt zugute kommen.
Nachdem unsere Geschichtslehrerin kurz daraufhin den Raum betrat und sofort mit dem Unterricht begann, konzentrierte ich mich voll und ganz auf die Thematik. Es war nicht leicht aufmerksam zu bleiben wenn meine Gedanken ständig zu der bevorstehenden Abfahrt abdrifteten, aber schließlich schaffte ich es doch. Alles was mich noch an den morgigen Tag erinnerte, war das leichte, aber unverkennbare Kribbeln im Bauch welches von meiner Vorfreude zeugte.
Als es dann endlich zum Schulschluss schellte konnte ich es kaum abwarten nach Hause zu kommen und meine Koffer zu packen. Dementsprechend beeilte ich mich auch meine Sachen zu packen. Kaum hatte ich jedoch das Schulgelände verlassen, da hörte ich wie ein Wagen mit quietschenden Reifen neben mir hielt. Es war der schwarze Jaguar meiner Schwester. „Na du Freak, haben wir es heute mal eilig nach Hause zu kommen? Kaum verbreitet sich die Nachricht unserer Abfahrt lebt unser Mauerblümchen plötzlich auf, ist das nicht putzig?“, Lexi hatte das Fenster runtergelassen und starrte mich mit ihren grünen Augen gehässig an. „Wenn du denkst durch unseren Aufenthalt an der Eastwood würde sich auch nur das geringste ändern liegst du falsch. Du wirst nach wie vor nur der Dreck unter unseren Füßen sein, das verspreche ich dir.“, fauchte sie und fuhr weiter.
Ich hatte es so satt wie sie mit mir umging und natürlich hätte ich ihr gerne gesagt wohin sie sich ihre Sprüche schieben konnte, doch seien wir mal ehrlich- dazu fehlte mir einfach der Mumm.
Noch immer wütend kam ich schließlich zu Hause an, schloss die Tür auf und begab mich ohne Umschweife direkt in mein Zimmer, wo ich meinen Koffer unter dem Bett hervorzog. Da das Eastwood Internat in Florida war, packte ich größtenteils nur luftige Klamotten, wie kurzärmlige Shirts, Kleider, Röcke, Shorts und dünne Pullover sowie meine heißgeliebten Jeans nicht verzichten. Nachdem ich meine Klamotten, Kosmetik und Hygieneutensilien in meinem Koffer verstaut hatte, schnappte ich mir einen Rucksack und stopfte sämtliche Hefte, Schreibsachen und Bücher hinein. Oben drauf legte ich mein Flugticket, Telefon und Geldbeutel.
Als ich endlich fertig war, ließ ich mich auf das Bett fallen und starrte an die Decke. Wie es wohl auf dem Internat sein würde? Würde ich möglicherweise Freunde finden?
Ich hoffte es sehr, immerhin war ich jetzt schon siebzehn –fast achtzehn- und hatte bisher keine Freunde gehabt. Meine Schüchternheit und mangelndes Selbstwertgefühl waren dabei keine große Hilfe. Zudem kam auch noch mein gewöhnungsbedürftiger Kleidergeschmack. Meine Vorliebe für Jeans und Hoodies schienen nicht alle zu verstehen. Dadurch dass mich alle schikanierten hatte ich mir über die Jahre angewöhnt meine Kapuze tief ins Gesicht zu ziehen so, dass man mein Gesicht kaum noch erkennen konnte. Selbst zu Hause legte ich diese Angewohnheit nicht ab. Doch Mom und Dad schien das nicht zu stören und auch meine Lehrer schenkten mir nur einen kritischen Blick bevor sie sich in Gedanken riefen, dass ich mit abstand eine der besten Schüler der Schule war und sie es mir kommentarlos durchgehen ließen.
Die Schikanen und meine Vorliebe für Hoodies war jedoch nicht der einzige Grund wieso ich mein Gesicht regelrecht vor allen versteckte.
Der eigentliche Grund war, dass ich niemandem zeigen wollte wie sehr ich mich von meiner Familie unterschied. Adoption hin oder her.
Ich war sozusagen das genaue Gegenteil von ihnen. Lexi hatte kurze, glatte, blonde Haare die ihr bis zur Schulter reichten. Dazu grüne Augen und braungebrannte Haut. Sie war eine genaue Mischung aus Leo und Sarah. Ich hingegen war anders.
Ich hatte lange, pechschwarze Haare, die mir in gleichmäßigen Wellen bis zur Hüfte fielen. Dazu schokoladenbraune Augen und eine so blasse Haut, als hätte sie noch nie die Sonne gesehen. Wobei das eigentlich nicht einmal so abwegig war, schließlich war es in London öfters bewölkt anstatt sonnig. Doch um ehrlich zu sein, machte mir das Wetter nichts aus. Ich genoss es spazieren zu gehen vor allem wenn es draußen Regnete. Auch wenn ich innerhalb von Minuten bis auf die Knochen durchnässt war, genoss ich es den Regen meiner Haut zu spüren. Soweit ich wusste war es in Florida überwiegend sonnig. Somit würde ich auf die beruhigende Wirkung des Regens verzichten müssen.
Gedankenverloren drehte ich mich so, dass ich durch das Fenster nach draußen blicken konnte und malte mir aus wie mein Aufenthalt im sonnigen Florida wohl ablaufen würde, bis meinen Lider zu schwer wurden um sie noch länger aufzuhalten.
Ich träumte von einer wunderschönen Frau, die mir so ähnlich sah, dass man meinen könnte sie wäre meine große Schwester. Wenn da nicht dieser kleine aber feine unterschied gewesen wäre: Sie hatte wunderschöne, weiße Flügel.
Die weißen Flügel bildeten zu ihren schwarzen Haaren einen starken Kontrast, was sie nur noch wunderschöner wirken ließ, als sie eh schon war.
Sie strahlte eine solche Wärme und Geborgenheit aus, dass ich sie am liebsten umarmt hätte. Langsam kam sie auf mich zu und sprach mit mir. Trotz dessen dass ich genau sah wie sich ihre Lippen bewegten hörte ich nichts. Es war so, als ob ich plötzlich taub geworden wäre.
Dennoch sprach sie unbekümmert weiter. Als sie mein verwirrtes Gesicht wahrnahm, schien sie zu realisieren dass etwas nicht stimmte. Stumm deutete ich mit meinen Händen zu meinen Ohren um ihr zu signalisieren, dass ich sie nicht hören konnte. Ausdruckslos starrte sie in meine Augen, bevor sie die kurze Strecke die uns voneinander trennte überwand und nahm mich in den Arm. Reflexartig hatte sich mein Körper versteift doch kaum fühlte ich die Geborgenheit die sie ausstrahlte, entspannte ich mich völlig in ihren Armen. Es fühlte sich so richtig an in den Armen des fremden Engels zu liegen, beinahe so, als würde ich schon immer dorthin gehören. Meine Arme schlossen sich automatisch enger um ihren Körper und ich legte meinen Kopf auf ihre Brust.
Ich fühlte mich so wohl in diesem Moment, dass ich mir wünschte dieser Traum würde niemals enden. Dabei fühlte sich alles so real an. Der Herzschlag unter meinem Ohr der kräftig schlug, ihr Atem den ich auf dort spürte wo sie ihr Gesicht in meinen Haaren vergrub und diese wunderbare wärme die sie ausstrahlte.
Erst nachdem ich merkte wie sich der Stoff ihres Gewands unter meinem Gesicht leicht dunkler Färbte, bemerkte ich, dass ich weinte. Als der Engel von mir abließ konnte ich in ihren Augen ebenfalls Tränen erkennen. Noch einmal beugte sie sich zu mir und gab mir schließlich einen zarten Kuss auf die Wange. Wohlig schloss ich die Augen. Sobald ich meine Augen wieder öffnete erblickte die vertrauten Umrisse meines eigenen Zimmers. Wie ich mit einem kurzen Blick auf den Wecker feststellte, war es noch mitten in der Nacht.
Grübelnd zog ich mir die Decke näher ans Gesicht. Was hatte dieser Traum nur zu bedeuten? Wer war dieser Engel der mir so ähnlich sah und doch komplett anders war? Und vor allem, was hatte sie mir versucht zu sagen?
All das, blieb mir vorerst noch verborgen. Aber früher oder später, würde ich es herausfinden. Davon war ich überzeugt.
Ich erwachte genau fünf Minuten bevor der Wecker geklingelt hätte. Heute war der große Tag. Ich würde endlich nach Florida fliegen und die Eastwood besuchen. Dieses mal, würde ich Freunde finden und mich nicht von Lexi runtermachen lassen.
Dennoch überkamen mich Zweifel ob mir das wirklich gelingen würde. Ich hatte noch keinerlei Ahnung wie ich ihren miesen Sprüchen am besten aus dem weg gehen sollte wo wir durch gemeinsam dorthin fahren würden.
Schnell schon ich den Gedanken jedoch wieder von mir. Darum würde ich mich kümmern wenn es soweit war. Im Moment gab es wichtigeres.
Voller Enthusiasmus schwang ich mich aus dem Bett, zog mir das dunkelrote Top, eine schwarze Jeans und ebenfalls dunkelrote Sneaker an, die ich bereits gestern herausgelegt hatte. Schnell bürstete ich mir meine schwarzen, langen Haare und beschloss sie kurzerhand heute mal offen zu tragen. Dann schnappte ich mir noch meine Mütze, damit man mein Gesicht wie gewohnt nicht sehen konnte. Ich wollte eine Veränderung. Aber die, sollte erst an der Eastwood stattfinden. An der Eastwood wo es keine Vorurteile gegen mich gab. Dort wo mich keiner kannte. Bisher hatte ich mich immer hinter einer Maske versteckt. Nun wurde es zeit, die Maske abzulegen und zu zeigen wer ich wirklich war. Ohne darauf zu achten was andere von mir dachten.
Da Lexi wie erwartet schon weg war und sie mich sowieso niemals freiwillig mitgenommen hätte, rief ich mir ein Taxi, welches mich zum Flughafen bringen sollte. Die Fahrt über starrte ich gedankenverloren aus dem Fenster und fragte mich was mich wohl alles erwarten würde. Ich wusste nicht viel über das Eastwood Internat. Es war weltbekannt dafür, dass die Sprösslinge wichtiger Geschäftsleute, sowie Diplomaten dort Unterrichtet wurden. Dementsprechend achtete die Eastwood auch darauf die Privatsphäre der Schüler so gut wie möglich vor neugierigen Blicken zu schützen. Es war also kein wunder dass wir vor unserer Zusage auf den Schüleraustausch genauestens unter die Lupe genommen wurden, eine Aufnahmeprüfung bestehen mussten um sicherzustellen dass unser Bildungsstand angemessen war und natürlich ein Verschwiegenheitsabkommen unterschreiben mussten, welches explizit darauf hinwies, dass die Privatsphäre der Schüler dort sehr erst genommen wurde und keineswegs an Außenstehende weitergegeben werden durfte. Umso erstaunte war ich als bekanntgegeben wurde das auch Lexi an diesem Schüleraustausch teilnehmen durfte. Da ich keinerlei Interesse an dem Tratsch der High Society hatte -selbst wenn, hätte ich mich sowieso mit niemandem darüber unterhalten können- und die Aufnahmeprüfung ohne Probleme bestanden hatte (ebenso wie die gesundheitlichen Untersuchungen), trennte mich nur noch ein Flug von meinem Ziel. Was mich jedoch erstaunte war der Umstand, dass Lexi ebenfalls am Schüleraustausch teilnehmen durfte. Immerhin hätte sie die Aufnahmeprüfung mit ihren Noten niemals bestanden!
Als wir endlich am Flughafen ankamen und ich den Taxifahrer bezahlt hatte, lief ich samt Gepäck schnurstracks in die große Halle, in der Mr. Aron schon auf alle wartete. Insgesamt waren wir fünf Schüler. Ausnahmslos Mädchen: Lexi, Anna, Karin, Rose und Ich. Wie erwartet, hatte Lexi mehr Koffer dabei als sie selbst tragen konnte. Wenn ich mich nicht verzählt hatte, dann waren es genau vier Koffer, plus Schminktäschchen und Handtasche. Wie konnte man nur so viele Sachen mitnehmen.
„Ah Melody, da bist du ja endlich. Ihr müsst euch beeilen! Los, los sonst verpasst ihr noch euren Flug.“ War ja klar, dass ich wieder schuld war. Die anderen warfen mir tödliche Blicke zu, bevor wir dann eilig eincheckten. Innerlich wappnete ich mich schon gegen ihre fiesen Sprüche, die garantiert kommen würden. Wie sollte ich den Flug mit diesen vieren nur überleben? Ich seufzte ein letztes mal und stieg dann, gemeinsam mit den anderen, ins Flugzeug.
2.
Der Flug verlief vergleichsweise ruhig. Zwar redete keiner mit mir, aber das fand ich nicht schlimm. Ich genoss es regelrecht. Es war angenehm für mich. Zu meiner Freude stellte sich heraus, dass Lexi Flugangst hatte. Als ich sie so ängstlich gesehen hatte, konnte ich mir beim besten Willen ein amüsiertes Schmunzeln nicht verkneifen. Es war einfach zu komisch. Mir machte das fliegen nicht im geringsten etwas aus. Ganz im Gegenteil. Ich fühlte mich freier denn je.
Nach fast neun Stunden Flug setzten wir endlich zur Landung in Miami an. Im ersten Moment fühlt ich mich unendlich traurig. Es war zwar ein langer Flug gewesen, mit nur begrenzter Bewegungsfreiheit, dennoch fühlte ich mich leicht unwohl als ich wieder festen Boden unter den Füßen hatte.
Dieses Gefühl verflog aber eben so schnell wie es gekommen war und bald darauf platzte ich beinahe vor Vorfreude. Zügig machten wir uns auf die suche nach unseren Koffern und verließen daraufhin den Flughafen. Kaum waren wir draußen angekommen, blendete mich die Sonne. Der Himmel war unbewölkt, sodass die Sonne mich regelrecht zu verbrennen drohte. Irgendwie fühlte ich mich in der Sonne nicht wohl. Vielleicht lag das daran, dass ich es einfach nicht gewohnt war mich für einen längeren Zeitraum bei sonnigem Wetter draußen aufzuhalten.
„Entschuldigt bitte. Ich soll euch zum Internat bringen. Würdet ihr mir bitte folgen.” erschrocken drehte ich mich herum und blickte in das faltige Gesicht eines älteren Mannes. Woher wusste er davon, dass wir zum Internat wollten? Seltsam. Dennoch nickten wir nur und liefen dann zusammen zu einem schwarzen BMW. Ich hatte das Gefühl, als würde mich dieser alte Mann beobachten. Nicht auf die unangenehme Weise, sondern irgendwie wirkte er hoch konzentriert. Ich ließ mir aber nichts anmerken. Gerade als wir einsteigen wollten, blieb der Mann vor uns stehen. ,,Kleine, wie ist dein Name?” Sprach er etwa mit mir? Um mich zu versichern, dass er mich meinte, schaute ich über meine Schulter hinter mich ob jemand möglicherweise dort stand. Überraschenderweise stand dort jedoch niemand. Also drehte ich mich wieder zu ihm „Mein Name ist Melody, Sir.” Kurz zuckte er zusammen, bevor er etwas unverständliches murmelte, das klang wie ,,Sehr interessant.” Seltsame Person.
Lexi wollte schon auf dem Beifahrersitz platz nehmen, doch der alte Mann hielt sie zu ihrem Missfallen am Arm fest und sagte ihr sie solle sich nach hinten setzen. Stattdessen deutete er mir mit einer Handbewegung, ich solle mich auf den Beifahrersitz setzen, was wiederum Lexi dazu veranlasste mir einen tödlichen Blick zuzuwerfen. Ich wusste, dass ich das noch bereuen würde, dabei hatte ich nicht einmal etwas getan. Grummelnd setzte ich mich nach vorne in den Wagen. Die Welt war ja so ungerecht.
Bevor ich mich jedoch ganz meinen Gedanken hingeben konnte, fing der Mann, der sich mittlerweile ans Steuer gesetzt hatte und den Wagen geschickt durch den Verkehr manövrierte, an zu erzählen.
„Mein Name ist Mr. Cloj und ich bin für alle neuen Schüler zuständig. Außerdem bin ich der Ansprechpartner aller Schüler. Ihr könnt mir alles erzählen was euch auf dem Herzen liegt. Ich kümmere mich darum.” Dabei warf er mir wieder einen undefinierbaren Blick zu. ,,Nun ja, wie ihr wahrscheinlich bereits mitbekommen habt, besucht Mr. Cummings ebenfalls auf unser Internat.” Anna, Lexi, Rose und Karin entwich ein leises verliebtes seufzen woraufhin ich nur die Augen verdrehe konnte und weiterhin die Fahrbahn vor uns taxierte.
„Genau das will ich nicht!”, sprach Mr. Cloj in strengen Ton weiter. „Ich möchte, dass ihr euch vorbildlich verhaltet und ihm nicht kreischend hinterher rennt, wie hirnlose Hühner.” Nur mühsam konnte ich mir ein lachen verkneifen. Wie sollten sie sich denn bitte vorbildlich verhallten? Sie waren doch hirnlose Hühner, vor allem Lexi.
Auch Mr. Cloj schien der Ansicht zu sein. „Ihr werdet auf dem Internat genauso behandelt wie jeder andere Schüler. Ihr werdet zu zweit in Zimmer eingeteilt. Jedem von euch wurde bereits ein Zimmer zugeteilt. Eure Mitbewohnerinnen werden euch auf dem Schulgelände erwarten. Ah ja, bevor ich es vergesse, der Unterricht für euch beginnt erst am Montag. Also habt ihr noch etwas Zeit euch einzuleben. Den Rest werdet ihr von euren Mitbewohnerinnen erfahren. Und jetzt wünsche ich euch noch einen schönen Aufenthalt.”
Überrascht stellte ich fest, dass wir tatsächlich bereits angekommen waren. Ich staunte nicht schlecht, als ich das Gebäude sah. Es war recht alt, trotzdem unglaublich schön. Hinter dem Gebäude, lag ein Wald indem man sich höchst wahrscheinlich schnell verlief und von weitem konnte ich noch gerade so das Meer hören. Rechts und links des Gebäudes standen weiter kleine Gebäude, die aber noch recht neu aussahen.
Wir standen mitten auf einem riesigen Parkplatz, der schon fast überfüllt wirkte. Dennoch war weit und breit keiner zu sehen bis auf einmal etwa zehn Meter hinter uns fünf Mädchen um die Ecke langsam auf uns zukamen. Sofort viel mir auf, dass eines der fünf Mädchen wunderschön war. Man konnte zwar nicht ihr Gesicht sehen, aber ich hatte einfach das Gefühl, dass sie wunderschön war. Sie stand etwas abseits der anderen Mädchen. Genau wie ich. Genau vor uns blieben die fünf stehen. Eines der Mädchen, stellte sich uns als Natalia vor. Sie war etwas größer als ich und hatte blonde, kurze Haare, die mich sofort an Lexi erinnerten. Der einzige Unterschied war, dass ihre nicht glatt waren, sondern wellig. Trotz der Schuluniform, die hier Pflicht war, schaffte sie es, mit ihren High Heels und einer Menge Make up im Gesicht, sofort einen negativen Eindruck bei mir zu hinterlassen. Ein weiteres blondes Mädchen stellte sich uns als Mia vor. Auch sie wirkte mit ihrem überheblichen Grinsen im Gesicht nicht sonderlich sympathisch. Die dritte war, wer hätte es gedacht, blond und genauso unsympathisch wie ihre Vorgängerinnen. Wo war ich hier nur gelandet? Auf dem Planteten der Blondinen?
Dann stellte sich die vierte vor. Erstaunlicherweise war sie nicht blond. Sie hatte schwarze Haare, die jedoch hundert prozentig gefärbt waren, was man an ihrem Haaransatz deutlich sehen konnte. Sie wirkte nicht ganz so überheblich wie die anderen, dennoch schenkte ich ihr keine größere Beachtung. Es schien als wären die vier ziemlich gute befreundet so eng wie sie beieinander standen und ihre Schuluniform perfekt aufeinander abgestimmt hatte.
Schließlich blieb mein Blcik am fünften Mädchen haften, welches etwas hinter den vieren stand. Sie war ungefähr so groß wie ich und schaute die ganze Zeit auf den Boden. Leise, fast flüsternd, stellte schlussendlich auch sie sich vor.
„Hallo, mein Name ist Lia. Ich bin die Mitbewohnerin von Melody.” Ich konnte mein Glück kaum fassen. War es wirklich möglich, dass ich nicht mit einer dieser möchtegernbarbies –mal abgesehen von Nummer vier (ja, ich hatte ihre Namen schon vergessen!)- mein Zimmer teilen musste. Das Leben schien doch nicht so ungerecht zu sein wie gedacht.
Lexi, die sich natürlich wieder aufspielen musste, trat einen Schritt vor sodass sie nun den Mittelpunkt unserer kleinen Gruppe darstellte. „Hallo, mein Name ist Alexa, aber bitte nennt mich Lexi. Und das “ sie deutete auf uns „Sind Anna, Karin, Rose und Melody.” Als sie meinen Namen aussprach, konnte man ihren gehässigen Ton kaum überhören, was ich gekonnt ignorierte. Endlich schaute Lia vom Boden auf und starrte mir direkt ins Gesicht. Zum ersten Mal, konnte ich sie genau sehen. Wie ich schon vermutet hatte, war sie wunderschön. Sie hatte dunkelbraunes Haar welches sie unter ihrer Mütze verbarg. Ihre Augen waren von einem dunklen, tiefen blau. Trotz der Sonne, wirkte sie ziemlich blass. Ob es ihr gut ging?
Nachdem wir uns vorgestellt hatten, bekamen wir unsere Zimmerschlüssel und teilten uns dann schließlich in Zweiergrüppchen auf. Lia und ich liefen stillschweigend nebeneinander her. Keiner von uns beiden wusste so recht was er sagen sollte. Als wir dann jedoch vor einer Tür stehen blieben wandte sie sich zu mir um.
„Das ist unser Zimmer. Ich wusste nicht was dir gefällt, also habe ich das Zimmer nach meinem Geschmack eingerichtet. Ich hoffe es stört dich nicht.“, flüsterte sie leise „Natürlich können wir es auch ändern.”, schob sie sofort hinterher als ob sie damit rechnete dass ich deswegen sauer sein würde.
„Das ist war wirklich sehr nett von dir. Ich bin mir sicher du hast einen super Geschmack.”, versuchte ich sie zu beruhigen. Sie war ja fast noch schüchterner als ich!
Zögernd nickte sie und öffnete anschließend die Tür. Erstaunt blickte ich mich um. Das Zimmer war einfach der Wahnsinn! Der Raum war so groß, wie unser Wohnzimmer und das war ja schon ziemlich groß gewesen. Auf der rechten Seite stand ein überdimensionales, hellblaues Himmelbett. Auf der rechten Seite, stand ein ebenfalls großes Himmelbett. Es war genau wie das andere, nur war es nicht hellblau, sondern in einem dunklem rot. Es war wunderschön.
„Ist..ist das meins?” stammelte ich und zeigte dabei auf das dunkelrote Bett. „Ja. Wenn du die Farbe nicht magst, dann können wir-”, weiter kam sie nicht, denn ich fiel ihr sofort ins Wort „Oh Gott nein! Es ist wunderschön! Dunkelrot ist meine Lieblingsfarbe. Danke.” Vor lauter Freude schloss ich sie in den Arm. Zuerst wirkte sie etwas perplex, erwiderte nach kurzem zögern jedoch die Umarmung.
„Also gefällt dir? Wirklich? Du weißt gar nicht wie glücklich mich das macht!” schniefte sie. Weinte sie etwa? „Ja, es gefällt mir. Sehr sogar. Wie sollte es auch nicht? Es ist wunderschön.” Das stimmte. Alles war perfekt aufeinander abgestimmt.
Neben meinem Bett, stand ein Tisch in dunklem Braun. Darauf befanden sich diverse Schulsache für mich. Hatte Lia sich all die mühe für mich gemacht? Nun kamen auch mir die Tränen. Bisher hatte sich nie jemand die Mühe um mich gemacht und jetzt? Jetzt stand ich einem Mädchen gegenüber, welches schon soviel für mich getan hatte, ohne dass sie mich überhaupt kannte. Das war einfach überwältigend. Schon jetzt konnte ich spüren, dass wir gute Freundinnen werden würden.
Als wir uns voneinander lösten, wischte Lia sich tatsächlich flüchtig mit der Hand die Tränen aus dem Gesicht, schenkte mir jedoch ein zaghaftes lächeln, welches ich prompt erwiderte. Erneut viel mein Blick auf ihre Mütze, die weiterhin größtenteils ihr Gesicht bedeckte. Lia, der mein Blick nicht verborgen geblieben war, senkte sofort den Kopf und starrte wieder auf den Bode. Schockiert über diese Reaktion legte ich ihr meine Hand auf die Schulter um ihre Aufmerksamkeit wieder auf mich zu lenken.
„Aber Lia du musst dein Gesicht nicht vor mir verstecken!“, versuchte ich ihr eindringlich klar zu machen. Zunächst reagierte sie nicht darauf, doch schließlich hob sie ihren Blick und traf den meinen. Erst jetzt schien sie meine Kopfbedeckung wahrzunehmen und sah mich erst überrascht dann verwirrt an. Nun war ich es die den Kopf beschämt sank.
„Melody, ich verstehe nicht ganz.“, ihre Verblüffung konnte man ihr deutlich an ihrem Tonfall anhören. „Eben sagtest du nicht ich müsse mein Gesicht nicht verstecken und doch tust du genau dasselbe.“ Sie hatte ja recht. Wie konnte ich zu ihr so etwas sagen, wenn ich es selbst nicht konnte?
Seufzend starrte ich auf meine Füße. „Ich weiß. Es ist nur so, dass ich mittlerweile schon so sehr daran gewöhnt bin ständig und überall bedeckt herumzulaufen, dass es mir nicht einmal mehr auffällt.“ Begann ich leise zu erzählen.
„Lass uns erst einmal hinsetzen und wenn du möchtest, kannst du mir danach alles erzählen. Ich bin eine gute Zuhörerin.“, sprach Lia bevor ich weiterreden konnte.
Dankbar schenkte ich ihr ein lächeln und lies mich von ihr zu ihrem Bett führe, wo wir es uns im Schneidersitz bequem machten. „Wir müssen nicht darüber reden wenn du nicht möchtest. Immerhin sind wir uns quasi erst eben begegnet.“, einfühlend legte sie mir die Hand auf das Bein. Auch wenn ich erfreut darüber war, dass sie auf mich Rücksicht nahm, und das trotz dessen dass wir uns erst eben kennengelernt hatten, musste ich mir endlich einmal alles von der Seele reden. Nur so konnte ich hier einen Neuanfang starten, so wie ich es ursprünglich geplant hatte.
Also schüttelte ich den Kopf und holte tief Luft bevor ich begann.
„Als ich noch sehr klein war, wurde ich adoptiert. An meine Eltern oder an mein Leben in den ersten paar Jahren kann ich mich nicht erinnern. Ich weiß noch wie froh ich war endlich eine Familie zu haben und anfangs war auch alles gut, doch mit der Zeit änderte es sich. Meine Eltern nahmen mich immer weniger wahr. Meine große Schwester hasste mich schon bevor ich auch nur einen Schritt in das Haus gesetzt hatte. Es hätte mich also nicht wundern dürfen dass sie mich schikanierte wo es nur ging. Als ich dann in die Schule kam, brachte sie sogar den anderen Kindern dazu mich zu ärgern. Sie nahmen mir das Essen oder mein Spielzeug weg, schoben alle Fehler auf mich und beschimpften mich.“, Gedankenverloren zeichnete ich diverse Muster auf die hellblaue Bettwäsche, bevor ich weitersprach. „Irgendwann wurde mir alles zu viel. Mom und Dad waren immer öfter Geschäftlich unterwegs, meine Mitschüler tyrannisierten mich regelrecht und nicht einmal zu Hause hatte ich dank meiner Schwester meine Ruhe. Also begann ich mich immer mehr abzuschotten. Ich entdeckte meine Vorliebe für Hoodies, lernte viel und begann zu singen. Es änderte sich nicht viel über die Jahre. Durch das viele lernen wurde ich eine der besten Schülerrinnen meiner Schule und auch noch zu einem viel größeren Außenseiter.“, wütend über die Tränen die bei dieser Erinnerung aus meinen Augen quollen, rieb ich mir über mein Gesicht. „Dass ich mich so eindeutig von meiner Familie unterscheide macht es noch viel schwerer. Deswegen wollte ich auch nicht dass die anderen sehen dass ich nicht zu ihnen gehöre. Auch wenn meine Schwester das immer wieder lautstark betont.“, spöttisch lachte ich über meine eigene Dummheit.
„Klingt als wäre deine Schwester eine richtige Hexe wenn du mich fragst. Du bist bestimmt glücklich darüber sie wenigstens für eine Weile los zu haben, nicht wahr?“, tröstend strich sie mir über die Schulter, woraufhin ich lediglich schnauben konnte. „Schön wäre es. Aber weißt du noch das blonde Mädchen welches uns vorgestellt hat?“, fragte ich sie
„Du meinst diese Alex?“
Ich nickte „Alexa. Das ist meine Schwester.“, fassungslos sah Lia mich an.
„Ist das dein ernst!? A-aber sie wirkt so…so arrogant! Das kann unmöglich deine Schwester sein.“, stammelte sie.
„Wie gesagt sie ist meine Adoptivschwester. Wir sehen uns kein bisschen ähnlich und unsere Persönlichkeiten trennen Welten.“, lachend über Lias Gesicht lies ich mich in die Kissen fallen. Es tat so gut sich endlich alles von der Seele geredet zu haben.
Während Lia sich erst wieder fassen musste, schloss ich die Augen und entspannte mich zum ersten mal seit langen wieder.
„Heißt das, dass du noch nie wirklich Freunde hattest?“, fragte sie nach einer Weile.
„Leider.“, gab ich zu.
„Das können wir ändern.“, perplex über ihre Worte setzte ich mich wieder auf und sah in ihr grinsendes Gesicht.
„Ich wäre gerne deine Freundin wenn du möchtest. Ich weiß wir kennen uns noch kaum aber hey, so beginnen doch die besten Freundschaften, oder nicht?“, zwinkernd öffnete sie die arme damit ich sie umarmen konnte. Gerührt und unfassbar glücklich ließ ich mich bereitwillig in ihre Arme fallen.
„Danke, Lia.“
„Ich bin noch nicht lange an dieser Schule.“ Nachdem wir uns voneinander gelöst hatten begann nun auch Lia von ihrem Problem zu erzählen. „Mein Bruder und ich wir hatte schon immer ein sehr inniges Verhältnis und nachdem unsere Eltern bei einem Unfall ums Leben kamen, schweißte uns das nur noch mehr zusammen. Da wir nun jedoch allein auf und gestellt waren beschloss mein Bruder dass er nun für uns sorgen musste. Anfangs schlugen wir uns durch indem wir gelegentlich Jobs hier und da annahmen doch irgendwann gelang es ihm genug für uns beide zu verdienen auch wenn das für ihn hieß die Schule vorläufig zu schmeißen. Stattdessen meinte er, ich solle die beste Bildung bekommen die möglich wäre damit sowas nie wieder vorkommt. Da er aufgrund seines Jobs jedoch keine Zeit hatte sich weiterhin um mich zu kümmern einigten wir uns darauf, dass ich auf die Eastwood gehen sollte.“, aufmerksam lauschte ich ihrer Geschichte, während sie mit einer ihrer braunen Strähnen spielte die sich aus ihrer Mütze gelöst hatte. „Anfangs war ich noch total begeistert wieder die Schule besuchen zu können, doch das hat sich schnell geändert.“, mit einem traurigen Blick wandte sie sich zu mir. „Du musst wissen ich sehe nun ja…nicht schlecht aus. Früher hatte ich immer sehr viele Freunde und auch deren Eltern fanden mich immer ganz reizend. Als ich dann älter wurde, wurde mir jedoch klar, dass die meisten nur wegen meines Aussehens mit mir befreundet sein wollten. Nach und nach stellte sich heraus dass ich nie wirklich Freunde hatte die mich wegen mir, also wegen meiner Persönlichkeit mochten, verstehst du was ich meine?“, zweifelnd schaute sie mich an, sprach jedoch weiter als ich ihre Frage bejahte. „Nun, deswegen beschloss ich hier Freunde zu finden die mich nicht nur wegen meinem Aussehen mochten. Kaum dass ich hier ankam, wurde ich auch schon ignoriert. Nicht einer versuchte mich näher kennenzulernen. Stattdessen wurde ich zur Außenseiterin und man redet nur dann noch mit mir wenn irgendjemand irgendetwas von mir möchte.“, tröstend tätschelte ich ihr die Schulter, so wie sie es zuvor bei mir getan hatte.
„Das tut mir leid für dich. Es muss bestimmt sehr einsam gewesen sein.“, zwar hatte ich auch keine Freunde gehabt aber immerhin war mir mein Umfeld vertraut gewesen. Für Lia musste es sehr hart gewesen sein alleine hier klar zu kommen.
„Das war es. Aber vor ein paar Wochen hat mein Bruder entschlossen seinen Abschluss hier nachzuholen. Wir sehen uns zwar nicht so oft weil er weiterhin sehr beschäftigt ist, dennoch bin ich mehr als glücklich dass ich ihn jetzt öfter sehen kann. Manchmal haben wir sogar dasselbe Fach.“, grinste sie glücklich. „Außerdem bist du ja jetzt da. Du warst mir von Anfang an sympathisch. Ich wusste einfach dass wir Freudinnen werden würden!“ Wenn möglich wurde ihr grinsen jetzt noch breiter als vorher.
Von dem schüchternen Mädchen von zuvor war so gut wie nichts mehr übrig geblieben. Stattdessen sah ich ein fröhliches, energiegeladenes Nervenbündel vor mir sitzen. Kaum zu fassen dass ich dachte sie wäre schüchterner als ich.
„Melody?“
Fragend sah ich sie an. Hatte ich was verpasst?
„Glaubst du nicht es wäre an der Zeit, dass wir unsere Kopfbedeckung abnehmen?“, ihr zaghaftes Lächeln wies darauf hin, dass sie etwas nervös war. Um ehrlich zu sein ging es mir da nicht viel anders als ihr auch. Schließlich hatte ich mein Gesicht schon lange nicht mehr anderen gezeigt. Dennoch musste ich mir in Gedanken rufen, dass ich mir vorgenommen hatte, das es nun Zeit für eine Veränderung wurde.
Entschlossen nickte ich „Du hast recht. Bei drei?“, grinsend sahen wir uns an und schlossen die Augen.
„Eins, zwei…drei.“
Bei drei nahm ich mir meine Mütze herunter, schüttelte kurz meinen Kopf und öffnete anschließend meine Augen.
Blinzelnd betrachtete ich staunend die Schönheit vor mir. Lia war mit ihren dunkelbraunen, langen glatten Haaren die ihr bis an die Taille reichten einfach umwerfend. Ihre Haut war wunderbar rein und ihre Gesichtszüge wirkten so fein wie ich es mir bei einer Elfe vorstellte, eine kleine feine Nase, leicht gerötete Wangen, volle rosa Lippen und blaue Augen von denen man kaum seinen Bick wenden konnte.
„Wunderschön.“, kam es von uns beiden gleichzeitig. Kichernd plapperten wir einfach drauf los.
„Lia, du bist umwerfend! Ich kann es nicht fassen, dass du so etwas versteckt hältst!”, warf ich ihr vor.
„Das musst ausgerechnet du sagen. Hast du dich mal im Spiegel angesehen? Du bist der Wahnsinn!”, schüchtern wandte ich meinen Blick ab und spürte wie mir die röte ins Gesicht schoss. Ich war Komplimente einfach nicht gewöhnt.
Plötzlich klopfte es an der Tür. Draußen war lautes Geschrei zu hören. Verwundert ließ ich meinen Blick von der Tür zu Lia wandern. Die mich ebenfalls verwundert anblickte.
Was war da nur los? Warum schreien denn alle?
Als es dann noch einmal, diesmal eindringlich, an der Tür klopfte, erhob Lia sich und marschierte auf die massive Tür hinüber. Bevor sie die Tür jedoch öffnete drehte sie sich mit einem flehendem Ausdruck im Gesicht zu mir um.
„Ich schätze, das wird wohl mein Bruder sein. Bitte erschrecke dich nicht und ich flehe dich an. Schrei bitte, bitte nicht, okay? Es weiß keiner, dass er mein Bruder ist. Das war ein weiterer Grund weshalb ich mein Gesicht nicht gezeigt habe.” Eindringlich sah sie mich noch wenige Sekunden an bevor sie die Tür öffnete.
Prompt viel mir die Kinnlade herunter. Das konnte doch wohl nicht wahr sein oder!? Sagt mir, dass das ein schlechter Scherz war. In der Tür stand der wohl wunderschönste Junge, den ich je gesehen hatte.
Er hatte dunkelbraunes Haar, welches ihm leicht ins Gesicht fiel. Seine Haut war genauso perfekt und makellos, wie die seiner Schwester. Was mir jedoch am meisten gefiel, waren seine Augen. Sie waren von einem so dunklem braun, dass sie schon fast schwarz wirkten. Trotzdem wirkten sie auf mich unheimlich anziehend. Seine Gesichtszüge, waren kantiger, männlicher als bei jedem anderen männlichen Wesen welches ich bis dato gesehen hatte. Er war einfach nur … Wow.
Lia schloss die Türe. Dann zog sie ihn weiter ins Zimmer. Unsere Blicke trafen sich und ich wandte meinen Blick ertappt ab. Dennoch konnte ich seinen durchdringenden Blick weiterhin auf mir spüren.
„Jason darf ich vorstellen. Das ist Melody. Meine neue Mitbewohnerin.” Jason? Hm. Dieser Name kam mir doch irgendwie bekannt vor. Woher kannte ich ihn nur?
,,Melody. Das ist Jason Cummings, mein Bruder.“
3.
Geschockt starrte ich die beiden an. Das war doch nicht ihr ernst, oder?
„Freut mich dich kennenzulernen.” Musste seine Stimme so verführerisch klingen? Kein wunder, dass jedes Mädchen ihm hinterher rennt. Dennoch versuchte ich mir nichts anmerken zu lassen und schüttelte ihm die Hand die er mir entgegenhielt.
Erst jetzt traute ich mich ihm direkt in die Augen zu schauen. Trotz seines makellosen Aussehens, erkannte ich diesen schelmischen Blick und sein arrogantes Grinsen.
Als hätte mich seine Haute verbrannt lies ich ihn sofort los und ging, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, zu meinem Bett, nahm den Koffer der daneben stand und marschierte mit ihm, in den begehbaren Kleiderschrank, welcher mir zuvor nicht aufgefallen war. Er war ziemlich groß und auch schon ziemlich gut bestückt. Lia hatte ganz schön viele Klamotten. Ich packte meine Sachen in die lehren Fächer und als ich damit fertig war, lauschte ich an der Türe, ob ich noch Stimmen hören konnte. Es war totenstill. Also nahm ich den nun lehren Koffer, trat hinaus und schob meinen Koffer kurzerhand unter mein Bett. Dann sah ich mich nach Lia um, konnte sie jedoch nirgends entdecken.
Als mein Blick auf die Uhr an der Wand fiel erschrak ich. Ich hatte nicht einmal bemerkt, wie spät es bereits geworden war. Mit einem weiteren Blick aus dem Fenster vergewisserte ich mich dass die Uhr tatsächlich stimmte. Es war schon recht dunkel.
Ich lief also zurück in den Schrank und holte mir eine schwarze Boxershorts, sowie ein rotes Top und Unterwäsche und lief damit ins Bad. Schnell entsorgte ich mich meiner Klamotten, stieg in die Dusche und ließ dann das warme Wasser an mir herunter prasseln. Erst jetzt bemerkte ich, dass meine Muskeln ziemlich verspannt waren. Seufzend massierte ich meine Schulter und Nacken leicht und fühlte mich sofort besser. Danach nahm ich mir mein Lieblingsshampoo, welches wunderbar nach Kirschen roch und wusch mich damit.
Nachdem ich fertig geduscht hatte und mich angezogen hatte, lief ich zum Bett und ließ mich hineinfallen. Es war so wunderbar weich und kuschelig.
Lia war noch immer nicht zurück. Wer weiß, wohin sie es verschlagen hatte. Vielleicht, musste sie mit ihrem Bruder wichtige Sachen besprechen. Plötzlich tauchte sein Bild wie von Geisterhand vor mir auf und ich schüttelte jeglichen Gedanken an ihn ab. Natürlich sah Jason wirklich gut aus, trotzdem konnte und wollte ich nichts mit ihm zu tun haben. Mir war einfach sofort klar geworden, dass er überheblich war. Ich hatte mir geschworen solche Menschen so gut es ging zu meiden.
Schnell ließ ich meine Gedanken zu anderen Sachen wandern bevor sich meine Laune noch mehr verschlimmerte.Da fiel mir ein, dass heute schon Freitag war. Das hieß, ich würde in zwei Tagen endlich achtzehn werden. Ich wusste nicht warum, aber seit Wochen hatte ich diese Vorahnung, dass dieser Geburtstag anders sein würde, als alle anderen. Nur wusste ich nicht ob das ein gutes Zeichen sein sollte oder nicht.
„Melody, mein Schatz.” Ich öffnete meine Augen und erstarrte. Das war doch nicht mein Zimmer! Wo war ich hier? Ich lag auf etwas weichem und bequemen. Es fühlte sich an wie ein Wasserbett und dennoch war es flauschiger. Es sah aus wie eine Art … Wolke. Sie leuchtete in einem angenehmen orange. „Melody.” Auch wenn die Stimme sanft und ruhig war, zuckte ich zusammen. Schnell schaute ich mich in dem “Raum” um und sah wieder diese wunderschöne Frau. Es war der Engel, von dem ich schon öfters geträumt hatte. Jedoch konnte ich sie bis jetzt nicht hören. Und nicht nur das fiel mir auf. Ihre Flügel, die bisher nur weiß gewesen waren, leuchteten regelrecht. Das Licht, welches sie umgab, war in einem leichtem rosa. Es sah so wunderschön aus, dass mir die Tränen in die Augen stiegen. „Wunderschön.” murmelte ich leise vor mich hin. Der Engel lächelte mich liebevoll an und kam näher zu mir. „Melody, hör mir gut zu. Ich habe nicht viel Zeit. Du wirst in zwei Tagen achtzehn und bis dahin, musst du wissen, wer du wirklich bist. Ich werde morgen Nacht um punkt zwölf in deinem Zimmer auf dich warten. Bitte versuche, allein zu sein. Niemand darf mitbekommen, was ich dir zu sagen habe. Es ist sehr wichtig, hörst du?” Ich war völlig perplex. Woher kannte sie meinen Namen? Woher wusste sie, wann ich Geburtstag hatte? Was meinte sie damit ´Du musst wissen, wer du wirklich bist´? Die Fragen in meinem Kopf überschlugen sich regelrecht, doch bei dem eindringlichen Blick den mir der Engel zuwarf konnte ich nur reflexartig nicken. Sofort entspannte sie sich ein wenig. Sie nahm mich in den Arm und wieder spürte ich die wärme, die von ihr ausging. Ich fühle mich geborgen und zu Hause. „Ach Melody, wenn du wüsstest was alles auf dich wartet. Es naht eine schwere Zeit.” murmelte sie in mein Haar. Hatte sie das wirklich gesagt? Ich löste mich von ihr und schaute sie fragend an. Sie schüttelte nur den Kopf. Sie formte mit ihren Lippen noch ein ´Morgen´ und fing an sich aufzulösen. „Warte!” schrie ich ihr zu. Doch sie war schon fort.
Kerzengerade und schweißgebadet saß ich nun auf meinem Bett in Lias und meinem Zimmer. War das gerade wirklich ein Traum gewesen? Es wirkte alles so unheimlich realistisch. Was hatte das alles zu bedeuten? Wer war diese Frau oder Engel? Alle diese Fragen, musste ich noch einen Tag aushalten.
Ich legte mich wieder hin und versuchte, wieder einzuschlafen. Nach langem hin und her Gewälze, gab ich es schließlich auf und stand auf. Trotz der Dunkelheit, konnte ich ausgesprochen gut sehen. Mein Blick fiel auf Lias Bett, welches noch immer leer war. Wo war sie nur? Ich sah auf die Digitaluhr, die auf Lias Schreibtisch stand. Es war kurz nach halb drei Nachts. Ob ihr etwas passiert war? Sie war bestimmt noch bei Jason. Aber was wenn nicht? Kurzerhand beschloss ich etwas frische Luft zu schnappen, hier drin würde ich noch verrückt werden.
Als zog ich mir statt der Boxershorts eine Röhrenjeans an und schlüpfte in meine Sneaker. Ich nahm mir meinen Zimmerschlüssel und schlich mich nach draußen. Es war nicht schwer nach draußen zu kommen. Schließlich hatte ich mir den Weg gut eingeprägt.
Draußen angekommen, lief ich erst einmal um das Gebäude und entschloss mich dann, mich auf eine Bank zu setzen. Von der Bank aus, konnte man auf einen kleinen See schauen. In ihm spiegelte sich der Mond und die Sterne. Es war ein atemberaubender Anblick.
Plötzlich ertönte hinter mir ein Geräusch. Erschrocken drehte ich mich nach hinten, um zusehen, was passiert war. Erst konnte ich nichts erkennen, doch dann huschte ein kleiner Schatten an mir vorbei. Ich schrie auf und wollte gerade die Flucht ergreifen, als ein leises Miauen ertönte. Sofort blieb ich stehen und sah in die Richtung, aus der das Miauen gekommen war. Dort stand ein kleines, pechschwarzes Kätzchen. Es war noch ein Baby und konnte kaum laufen. Wahrscheinlich, hatte das Kätzchen dieses Geräusch vorhin ausgelöst. Deswegen auch der Schatten vorhin.
Langsam ging ich auf das Kätzchen zu. Ich wollte es nicht erschrecken und verjagen. Doch statt, wie ich es erwartet hätte, wegzurennen, kam es selbstsicher auf mich zu und schmiegte sich an meinen Fuß. Als es mich berührte, spürte ich eine Art Ziehen durch meinen ganzen Körper. Als das Ziehen nachließ, konnte ich eine Verbindung zu dem Kätzchen spüren. Es hört sich vielleicht seltsam an, doch ich war mir sicher, dass ich alle Gefühle, die das Kätzchen zu diesem Zeitpunkt hatte, spüren konnte. Ich konnte fühlen, wie es sich freute und wie sehr es mich schon jetzt liebte. Und ich liebte es auch. Es mag vielleicht total abstrakt klingen aber ich konnte dieses Gefühl, welches mich innerhalb von Sekunden an dieses kleine Wesen band, nicht anders beschreiben. Ich liebte dieses Kätzchen und würde es auch nicht wieder hergeben, koste es was es wolle.
Ich ging auf die Knie und das Kätzchen hüpfte wie selbstverständlich auf meinen Schoß. Die Kleine war wirklich zu süß. Sie hatte pechschwarzes Fell und nicht wie erwartet grüne oder gelbe Augen, sondern kristallklare, blaue Augen. Es war so klein, so zerbrechlich. Einfach niedlich. Ich streichelte durch ihr Fell und sie schnurrte leise. Wieder spürte ich, wie wohl sie sich fühlte. Das Fell war weich und glatt. Irgendwie, hatte ich das dringende Bedürfnis, sie zu beschützen und ihr einen Namen zu geben. Ich überlegte, welchen Namen ich dem Kätzchen geben sollte. Da mich ihre Augen sofort in ihren Bann zogen beschloss ich sie kurzerhand Safira zu nenne. Der Name passte hervorragend zu ihr. „Ab sofort heißt du Safira, meine Kleine.”, liebevoll sah ich sie an. Wie zur Zustimmung schaute sie mich kurz an und gab ein miau von sich.
Wir saßen noch eine Weile so da, bis mir dann doch kalt wurde. Ich schnappte mir Safira und trug sie im Arm bis in mein Zimmer. Wie ich schon erwartet hatte, war Lia noch immer nicht da. Doch darum machte ich mir jetzt keine Gedanken. Ich holte aus der Küche, an der wir vorbei laufen mussten, wenn wir zu unserem Zimmer wollten, eine kleine Schüssel und goss Milch hinein, die ich anschließend vor Safira stellte, die sofort damit begann daraus zu schlecken. Dabei war sie so gierig, dass sie ihr Gleichgewicht verlor und kopfüber in die Schale fiel. Als ich dann auch noch das Gesicht des kleinen Kätzchens sah, konnte ich nicht anders und fing lauthals an zu lachen. Ich nahm sie heraus und ging mit ihr zum Bad, indem ich sie schnell abwusch. Zu meiner Überraschung, wehrte sie sich nicht, sondern genoss es regelrecht von mir gewaschen zu werden. Schnell trocknete ich sie ab und ließ sie dann wieder ihre Milch schlecken. Dieses Mal hielt sie sich etwas mehr zurück. Sie lernte schnell. Als sie fertig war, legten wir uns in mein Bett. Sie kuschelte sich an mich und ich strich ihr durch das weiche Fell. Wie sie wohl an den See gekommen war? Sie schien niemandem zu gehören, denn um ihren Hals befand sich weder ein Glöckchen, noch ein Halsband. Falls sie verloren gehen sollte, beschloss ich ihr kurzerhand ein Halsband zu geben.
Geschmeidig erhob ich mich von meinem Bett und lief zum Schreibtisch, auf dem ich meinen Schmuck gelegt hatte. Ich suchte, bis ich das vorgesehen Kettchen gefunden hatte. Es war ein schlichtes schwarzes Band, welches in der Mitte einen kleinen Kristall hatte. Der Kristall war Schneeweiß und stach dadurch besonders hervor. Vorsichtig legte ich es Safira um den Hals und stellte mit Genugtuung fest, dass es perfekt passte. Eigentlich war es ja ein Armband gewesen, aber ich hatte es sowieso nicht getragen. Dafür fand ich es einfach zu schön. Ich wusste nicht einmal mehr, wo ich es her hatte.
Safira sah mich an. Sie war einfach zu süß. Auf einmal ging die Tür auf und Lia kam ins Zimmer. Überrascht drehte ich mich zu ihr um und sah sie an. Ihr Gesicht veränderte sich von vorsichtig auf schockiert und von schockiert, zu panisch. Ich zog meine Augenbrauen zusammen und sah sie skeptisch an.
„Wo warst du denn die ganze Zeit?” fragte ich sie.
„Ähm … Ich war mit Jason weg.”, stotterte sie und wich meinem Blick aus. Es war glasklar dass sie mir etwas verschwieg aber wenn sie mir nicht mehr sagen wollte, dann musste ich das wohl hinnehmen. „Okay, darf ich dir Safira vorstellen?” Jetzt schaute sie mich mit einem fragenden Blick an. Ich deutete auf das Kätzchen, welches neben mir auf dem Bett lag. „Och, wie süß! Wo hast du denn das her? Darf ich sie mal streicheln?” Ich wusste nicht wie Safira reagieren würde, trotzdem nickte ich Lia kurz zu.
Mit jedem Schritt dem sie Safira näher kam, spürte ich Wut in mir. Aber es waren nicht meine Gefühle, sondern die von Safira. Auf einmal war das Kätzchen nicht mehr neben mir, sondern auf dem Boden, starrte Lia feindselig an und fauchte wie wild. Was war nur los? Safiras ganzer Körper zitterte, als würde sie unter Strom stehen. Ohne darüber nachzudenken, kniete ich mich vor sie und nahm sie in den Arm. „Hey…Alles ist gut, meine Kleine. Beruhige dich.” Langsam beruhigte sie sich, was vielleicht auch daran lag, dass sich Lia von uns entfernte. Warum hatte Safira nur so sehr auf Lia reagiert?
„Melody, wir sollten uns langsam umziehen. Das Essen wird bereits in einer Stunde serviert.” War es schon so spät? Wie viel Zeit war den vergangen, seitdem ich Safira gefunden hatte? Mir kam es vor, als wären erst wenige Minuten vergangen. „Du hast recht, wir müssen uns beeilen.” Ich stand auf, suchte meine Sachen heraus und ging schnell Duschen. Immer wieder musste ich an den Traum heute Nacht denken und daran, ob ich heute tatsächlich mehr darüber erfahren sollte, oder ich nun völlig verrückt wurde.
4.
Wir waren schon viel zu spät dran um noch die Chance auf ein anständiges Frühstück zu haben. Mit Sicherheit hatten die anderen Schüler sich das Beste bereits unter den Nagel gerissen. Nichtsdestotrotz, machten wir uns auf den Weg in den Speisesaal.
Nervös gingen wir nah beieinander durch die menschenleeren Gänge des Internats, bis wir aus der Entfernung Stimmen wahrnahmen. Wir konnten nicht mehr weit von dem Speisesaal entfernt sein.
„Bist du sicher, dass du dazu bereit bist? Du siehst nicht gut aus und selbst deine Hände zittern!“, besorgt wanderte der Blick der blonden Schönheit zwischen meinen Augen und meinen Händen hin und her. Schnell verschränkte ich sie hinter meinem Rücken damit sie nicht sehen konnte wie aufgeregt ich tatsächlich war.
„Ich muss das jetzt tun, Lia. Mein Leben lang habe ich auf diesen Augenblick gewartet. Es wird Zeit dass ich mich nicht mehr verstecke und zeige was wirklich in mir steckt.“, versuchte ich so überzeugt wie möglich zu klingen. Dabei versuchte ich wohl mehr mich selbst zu überzeugen, als meine neue Freundin. Ich war ihr sehr dankbar, dass sie mich diesen wichtigen Schritt nicht alleine gehen lies und sich ebenfalls dazu entschlossen hatte, alle Kopfbedeckungen in die hinterste Ecke unseres Schrankes zu verstauen.
Somit standen wir beide in unserer, zugegeben recht schicken, Uniform nur wenige Meter von unseren ausgelassenen Mitschülern im Speisesaal entfernt. Lia schien im Gegensatz zu mir die Ruhe in Person zu sein. Zwar hatte ich sie auf dem Weg hierher dabei ertappt wie sie immer wieder nervös durch die Gänge spähte, in der Annahme uns würde jemand begegnen, doch ansonsten war ihr nichts anzumerken. Vermutlich lag das zum Teil auch daran, dass sie sich nicht ihr halbes Leben lang vor allen versteckt hatte so wie ich. Oder vielleicht war es auch der Umstand, dass sie nun die Gewissheit hatte, dass sie trotz ihres fantastischen Auftretens, immer eine wahre Freundin an ihrer Seite haben würde. Was auch immer es sein mochte, in diesem Moment wünschte ich mir ich könnte nur halb so selbstbewusst aussehen, wie sie es gerade tat.
Noch einmal atmete ich tief ein bevor ich den ersten Schritt nach vorne wagte.
„Na komm schon, bevor ich es mir anders überlege.“, dabei konnte ich ein leichtes zittern in meiner Stimme nicht verbergen.
„Warte kurz. Da ist noch etwas worüber du bescheid wissen solltest.“
Verwundert drehte ich mich noch einmal nach hinten um Lia fragend in die Augen zu blicken.
„Nun ja wie ich gestern schon erwähnt habe, weiß hier keiner darüber bescheid dass Jason mein großer Bruder ist. Außerdem solltest du dich gleich nicht all zu sehr darüber wundern wenn du siehst, dass sich praktisch alle Mädchen um ihn herum versammelt haben. So geht das hier schon seit Wochen zu. Sie können es einfach nicht lassen ihn anzuhimmeln.“, meinte sie und verdrehte dabei die Augen „Du kannst dir also aussuchen ob wir uns auch dazusetzen sollen, oder wir uns lieber an meinen Stammplatz ans Fenster sitzen. Von dort hat man einen super Überblick über den Campus.“ Erwartungsvoll wartete sie auf meine Antwort, die sie auch prompt bekam.
„Um ehrlich zu sein würde ich es bevorzugen, wenn wir uns an deinen Stammplatz sitzen. Ich kann diesen ganzen Trubel einfach nicht gebrauchen.“, schüchtern lächelte ich sie an, woraufhin sie mir ein bezauberndes lächeln schenkte, mich am Arm packte und kurzerhand in den Speisesaal schliff.
Ganz überrumpelt von ihrer Aktion bekam ich anfangs gar nicht mit, dass sich tatsächlich so gut wie die gesamte weibliche Schülerschaft so nah wie möglich an einen Tisch direkt in der Mitte des Raumes drängte. Erst nachdem Lia mich zur Essensausgabe geschleppt hatte, ich mir einen Jogurt sowie einen kleinen Apfel auf mein Tablett gehievt hatte und mich umdrehte um mich nach besagten Tisch direkt am Fenster umzusehen, bemerkte ich, dass uns alle anderen Schüler –und damit hauptsächlich die männlichen- schamlos begafften.
Augenblicklich versteifte ich mich und senkte rasch meinen Blick auf das Tablett in meinen Händen.
„Melody, komm schon oder willst du da etwa Wurzeln schlagen?“ Erleichtert fuhr ich zu Lia herum die bereits einige Meter von mir entfernt stand und ungeduldig mit ihrem Fuß zuckte.
Eilig schloss ich zu ihr auf und wir setzten uns an den freien Tisch der tatsächlich direkt neben dem Fenster war. Mit einem kurzen Blick hinaus konnte ich feststellen, dass draußen wunderbares Wetter herrschte und konnte es kaum erwarten die Gegend zu erkunden. Ich konnte mir nur zu gut Vorstellen, dass der See an dem ich Safira gestern gefunden hatte, bei Tageslicht atemberaubend aussehen musste.
Plötzliches Gekreische ließ mich erschrocken zusammenzucken. Panisch sah ich mich nach der Ursache des Lärms um, nur um festzustellen, dass es sich dabei um einige Mädchen auf der anderen Seite des Raumes handelte. Ein zierliches brünettes Mädchen welches beinahe hysterisch weinte, wurde soeben von zwei weiteren Mädchen –vermutlich ihre Freundinnen- aus dem Saal geführt. Dabei strichen sie ihr immer wieder beruhigend über den Rücken und sprachen leise auf sie ein.
Fragend wandte ich mich zu Lia, die den dreien ebenfalls hinterher sah.
„Er hat es also schon wieder getan.“, murmelte sie.
Verwirrt runzelte ich die Stirn bevor ich sie anschließend fragte, was sie damit meinte.
„Wie du dir denken kannst hat mein Bruder einige Fans. Und natürlich machen sich einige von ihnen Hoffnungen, dass er mal mit ihnen ausgeht. Einige von ihnen schreiben ihm sogar Liebesbriefe, welche sie ihm übergeben.“, seufzend lehnte sie sich im Stuhl zurück und verschränkte die Hände vor der Brust.
„Das ist wirklich mutig von ihnen.“, erwiderte ich bewundernd.
„Stimmt. Leider weiß Jason das jedoch absolut nicht zu würdigen und schmeißt die Briefe einfach in den Müll ohne sie auch nur zu lesen. Manchmal geht er sogar soweit und zerreißt den Brief vor allen Anwesenden. Ich vermute mal schwer, dass eben dies gerade eben passiert ist.“
Fassungslos, wie man nur so herzlos sein konnte, schüttelte ich den Kopf. Es war ja schön und gut wenn man die Gefühle nicht erwidern konnte, doch dies konnte man ihnen auch schonender beibringen! Kaum zu fassen dass Jason anscheinend des Öfteren zu solchen Maßnahmen griff, wenn ich Lias Worten glauben schenken durfte. Und wäre würde es wohl besser wissen als seine eigene Schwester?
„Lia, sei mir nicht böse aber wie kommt es dass du so unglaublich nett bist und er so…kaltherzig ist?“, vorsichtig, um ja nicht etwas falsches zu sagen, überlegte ich mir meine Worte genau bevor ich sie aussprach. „Als du mir gestern von deinem Bruder erzählt hast, hatte ich den Eindruck dass er ein sehr anständiger und fürsorglicher Mensch sein muss. Doch wenn ich mir ansehe was gerade passiert ist, passt das nicht zusammen.“
Traurig blickte sie in Richtung ihres Bruders der soeben aufstand und sein Tablett wegbrachte, gefolgt von einer Horde Mädchen.
„Ehrlich gesagt ist er nicht so gemein wie es scheint. Jason war schon immer eine sehr glückliches Kind, lachte viel, hatte viele Freunde und war steht’s für mich da. Doch nach dem Tod unserer Eltern errichtete er um sich herum einen panzer durch den nicht mal ich an ihr heran komme. Als er dann in einer kurzen Zeit, extrem erfolgreich wurde, stieg ihm das alles wohlmöglich über den Kopf. Trotzdem bin ich fest davon überzeugt dass hinter seiner arroganten Maske immer noch genau derselbe Jason steckt von früher. Er muss sich nur selbst wieder finden.“
Nachdenklich ließ ich meinen Blick in dieselbe Richtung wandern, in die auch Lia blickte. Jason stand mit einem überheblichen grinsen in der Menge, während sich die Mädchen und sogar einige Jungs um ihn herum um seine Aufmerksamkeit rissen.
Wenn ich mir den Jungen dort so stehen sah, konnte ich mir nur schwer vorstellen, wie liebevoll er früher gewesen sein mochte.
Plötzlich schoss ein kleines, schwarzes Fellknäul blitzschnell ums Eck, rannte durch die offene Tür, quer durch den Raum direkt auf mich zu. Sofort überkam mich ein unwohles Gefühl in der Magengegend, gefolgt von einer solchen Wut, dass sich mein Herzschlag sofort aufs doppelte beschleunigte. Ohne zu zögern sprang ich von meinem Platz auf und kniete mich auf den Boden, damit Safira direkt auf meinen Schoß platz nehmen konnte.
Wie auch schon heute Nacht als Lia sie streicheln wollte, zitterte der Körper des kleinen Kätzchen vor Anspannung.
„Safira, beruhige dich doch!“, versuchte ich sie zu besänftigen, jedoch ohne erfolg. Fauchend sträubte sie sich gegen meinen Griff und warf ihren Kopf immer wieder unruhig von einer Seite auf die andere.
Vorsichtig, dennoch fest packte ich sie mit einer Hand und zog sie bestimmend an meine Brust, während ich mit der anderen Hand versuchte ihren Kopf von der Außenwelt abzuschirmen. Was auch immer geschehen war, hier musste sie etwas extrem aus der Fassung bringen.
Kurzerhand warf ich einen Blick zu Lia, die mich ausdruckslos ansah.
„Ich glaube es ist besser wenn ich kurz mit ihr an die frische Luft gehe. Tut mir wirklich leid, wir sehen uns nachher, okay?“, mit diesen Worten stand ich auf und eilte mit Safira im Arm hinaus. Kurz überlegte ich wo ich am besten mit ihr hingehen sollte, bis ich mich dafür entschloss wieder zu dem See zu gehen, an dem ich sie in der Nacht zuvor gefunden hatte.
Kaum hatte ich Safira auf dem Boden gesetzt hielt sie still und starrte mich mit ihren blauen Augen vorwurfsvoll an.
„Mein Gott Safira, was ist denn los mit dir? Geht es dir nicht gut?“, frustriert fuhr ich mir mit der Hand durch meine langen, schwarzen Haare.
Ich verstand einfach nicht was mit ihr los war. Außerdem konnte ich einfach nicht begreifen warum ich mich in ihren Gegenwart so seltsam fühlte. Wie auch schon heute Nacht hatte ich wieder Gefühle in mir gehabt, die unmöglich die meinen sein konnten! Irgendetwas stimmte mit mir nicht und ich konnte mir einfach nicht erklären was es war!
Bevor ich mich fassen konnte, vernahm ich hinter mir Schritte, die mich ruckartig herumfahren ließen.
Jason Cummings kam festen Schrittes direkt auf uns zu. Der finstere Blick mit dem er uns betrachtete ließ jedoch nichts Gutes erahnen.
Schnell wanderte mein Blick zu dem kleinen Kätzchen neben mir, welches sich ängstlich an meinen Fuß kauerte und dennoch ein leises, bedrohliches Fauchen von sich gab.
Jason der mittlerweile nur wenige Meter von uns entfernt stehen geblieben war, starrte Safira ebenso feindselig an wie sie ihn.
„Was tust du hier?“, durchbrach ich schließlich die Stille.
Erst jetzt wanderte sein Blick von dem Kätzchen zu mir. Eine Weile sah er mir ausdruckslos in die Augen bis er jedoch schließlich antwortete „Ist es neuerdings etwa nicht erlaubt sich ein wenig die Füße zu vertreten? Ich konnte ja nicht ahnen dass ich nicht einmal hier meine Ruhe haben würde.“, als ob ihn plötzliche Kopfschmerzen plagen würden, fasste er sich an die Schläfe und massierte sie leicht. Sichtlich genervt lies er schließlich seine Hand sinken, schnaubte und sah herablassend auf mich nieder.
„Also schön. Sag mir was du zu sagen hast und dann hau endlich ab. Ich will meine Ruhe.“
Wie bitte? Geschockt starrte ich ihn an. Das konnte doch wohl unmöglich sein ernst sein! Dieser arrogante Mistkerl!
„Sag mal spinnst du? Ich war zuerst hier! Nicht zu fassen wie du dich hier gerade aufspielst. Als ob sich alles nur um dich dreht! Hast du schon mal daran gedacht, dass ich hier rein zufällig gelandet bin? Ich bin bestimmt nicht mit der Absicht gekommen, mich mit so einem Rüpel wie dir zu unterhalten!“, wütend biss ich die Zähne zusammen und taxierte ihn mit zusammengekniffenen Augen.
Kurz glaubte ich sowas wie Überraschung in seinen Blick gesehen zu haben, doch der Augenblick war so schnell vorbei, dass ich ihn mir bestimmt nur eingebildet hatte. Stattdessen trat nun ein undefinierbarer Ausdruck in seine Augen und er stieß ein freudeloses Lachen aus.
„Aber natürlich, Schätzchen. Du kannst mir glauben wenn ich dir sage, dass diese Masche bei mir nicht zieht. Nur weil du dich als unnahbar ausgibst und denkst damit hättest du mein Interesse geweckt, wird sich dein Wunschdenken noch lange nicht in die Realität verwandeln. Das ist so lächerlich, dass es einem schon leid tun kann. Also mach uns doch beiden einen Gefallen und nimm dein Schoßtier und zisch ab!“
Er blieb so ruhig dabei, dass jedes Wort welches er sprach nur noch bedrohlicher wirkte. Seine Augen strahlten eine solche Verachtung mir gegenüber aus, dass ich nicht anders konnte als zu erschauern.
Jason Cummings mochte im Moment bedrohlich -wenn nicht sogar furchteinflößend- erscheinen, doch ich weigerte mich jetzt einfach klein beizugeben wie ich es in meinem Leben sonst immer getan hatte.
Fuchsteufelswild stapfte ich auf ihn zu, bis ich direkt vor ihm zum stehen kam. Erst jetzt viel mir auf dass er mindestens einen Kopf größer als ich war, doch davon lies ich mich vor lauter Wut nicht ablenken.
„Jetzt hör mir mal gut zu du eingebildeter Mistkerl. Weder bin ich an dir interessiert, noch möchte ich es, dass du so über mein Kätzchen sprichst! Sie ist nicht mein Schoßtier und ich bin ganz sicher nicht lächerlich! Wenn hier einer lächerlich ist, dann ja wohl du mit deiner großkotzigen Art. Unfassbar wie ein Mensch so dermaßen unverschämt sein kann. Bevor du durch die gegen rennst und Leuten irgendetwas unterstellst was völlig an den Haaren herbeigezogen ist, solltest du erst einmal daran denken dass du nicht der Nabel der Welt darstellst, Cummings!“, zischte ich ihn an.
Noch ein letztes mal funkelte ich ihn wütend an bevor ich mir Safira schnappte und schleunigst das weite suchte. Hier wollte ich keine Sekunde länger vergeuden.
Tag der Veröffentlichung: 03.08.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für alle die das Mystische genau so lieben wie ich