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Blutmond Leseprobe

 

 

 

 

 

 

 

Jeanette Peters

 

 

 

 

 

Blutmond

 

 

 

Colors of moonlight 1

Widmung

 

Widmung

 

 

 

An all die verlorenen Seelen,

die vergessen haben,

an die Unermesslichkeit der Liebe zu glauben.

 

 

Liebe ist nicht Liebe, die sich verwandelt,

wo sie Wandel findet.

Sie ist das Zeichen,

fest gegründet,

das unter jedem Sturme mag besteh'n.

Die Liebe wechselt nicht im Ebb und Flut.

Sie dauert fort bis an der Zeiten Rand.

(William Shakespeare)

 

 

 

Eine kurze Geschichte der Welt

 

Eine kurze Geschichte der Welt

 

 

Vor vielen Jahrhunderten beschlossen die Vampire, ihre Existenz den Sterblichen zu offenbaren. Die Menschen erzitterten, als sie erfuhren welcher Jäger durch ihre Reihen trieb.

Aus dem Schatten heraus, lenkten die Vampire das Geschick der verschiedenen Völker bereits seit langer Zeit. Für ihr Überleben war es notwendig, eine Symbiose mit den Menschen einzugehen. Sie dienten den Vampiren als Nahrung. Durch die Jahrhunderte hindurch fielen viele Menschen dem Blutrausch der Vampire zum Opfer. Doch das hielt viele von ihnen nicht davon ab sich schon in jungen Jahren als Bluthure anzubieten.

Der Umgang mit den Sterblichen, war auch für die Wesen der Nacht nicht ungefährlich. Manchmal entwickelte sich eine starke Seelenbindung zwischen Mensch und Vampir. Geschah dies, blieb dem Unsterblichen nur die Wahl, den Menschen zu einem der Ihren zu machen oder zu vergehen, sobald sein Seelengefährte der Sterblichkeit erlag.

Mit der Zeit lernten beide Gattungen miteinander zu leben.

 

Doch ob Mensch oder Vampir, weder das Schicksal noch das Leben nimmt auf eine der Arten Rücksicht ...

Teil 1

 

Teil 1

 

Ausbildung

 

 

 

Alter

 

Alter

 

 

5

Martina

Martina

 

Martina warf einen abschätzenden Blick auf die Fünfjährige, die vor ihr stand, und schürzte die Lippen. In den letzten fünf Jahren war es ihrer Tochter gelungen ihr Leben auf den Kopf zu stellen.

»Los, geh deinen Mantel und die weißen Lackschuhe holen!«, herrschte sie das blonde Mädchen an und gab ihr einen Schubs. Nicht kräftig genug, um Joleen hinfallen zu lassen, doch die Kleine musste einige Ausfallschritte machen, ehe sie losrennen konnte.

»Mach ich Mama«, rief sie noch mit der piepsigen Stimme – der Martina schon die ein oder andere Kopfschmerzattacke verdankte – und verließ das Wohnzimmer. Martina legte die Hände auf ihre Oberschenkel und bemerkte, wie sie zitterten. Sollte sie vielleicht noch etwas zu sich nehmen, ehe man sie abholte?

Sich selbst antwortend, schüttelte sie den Kopf. Es war nicht ratsam, benebelt zu sein, wenn man ein Abkommen mit Vampiren traf. Sie lächelte zynisch. Die Vereinbarung selbst gab es nun seit einigen Wochen. Und sie war sämtliche Punkte wieder und wieder durchgegangen. Sie wusste, wie wichtig es war, wenn man sich mit den Wesen der Nacht einließ. Sie formulierten die von ihnen aufgesetzten Verträge gerne zu ihren Gunsten. Wenn man nicht aufpasste, ging man am Ende leer aus. Das war ein guter Grund, vorerst nichts zu sich zu nehmen. Sie griff nach der Zigarettenschachtel, die vor ihr auf dem Tisch lag. Beinahe galant und andächtig zog sie eines der weißen Stäbchen aus der Packung heraus, ehe sie es sich in den Mund steckte und anzündete. Schon nach dem ersten Zug ließen das Zittern und die Anspannung ein wenig nach.

Sie stand auf und ging zu der Bar, die in einer Ecke des unaufgeräumten und eklektisch eingerichteten Wohnzimmers stand. Die meisten Möbel hier waren von Freunden oder wohlwollenden Freiern gekommen. Einige waren von ihr selbst herangeschafft worden, wenn die Nachbarn mal wieder den Sperrmüll vor ihren Häusern abstellten. Kein Stück passte zum anderen.

Sie schenkte sich ein Glas des billigen Whiskeys ein und dachte zurück an bessere Zeiten.

Vor sechs Jahren hatten ihr noch alle Möglichkeiten offengestanden. Sie war jung, hübsch und gut darin, viele Verehrer, um sich zu scharen. Meistens mehrere Liebhaber zur gleichen Zeit, die ihr ein sehr exklusives Leben ermöglicht hatten.

Und dann ... ja dann war sie schwanger geworden.

»Undankbares Miststück«, murmelte sie und kippte das gesamte Glas Whiskey hinunter, nur um sich gleich darauf noch einmal nachzuschenken.

Als sie schwanger geworden war, wollte natürlich keiner ihrer zahlreichen Liebhaber die Möglichkeit akzeptieren, ein Kind mit ihr zu bekommen. Schon damals war sie dazu übergegangen, gelegentlich Drogen zu nehmen, also nutzte sie die Gelegenheit und verlangte gleich von sechs Männern Geld für eine Abtreibung. Geld konnte schließlich nie schaden.

Schnell war es ihr gelungen eine billige Hinterhofklinik ausfindig zu machen, in der ihr das kleine Missgeschick entfernt werden sollte.

Sobald sie auf dem Tisch lag, war ihr jedoch klar geworden, dass sie es nicht konnte. Sie liebte den Fötus der in ihr heranwuchs nicht. Nein. Die Unfähigkeit, dieses Kind – diesen Störfaktor - nicht beseitigen lassen zu können, war die Schuld ihrer Mutter gewesen.

»Dämliche Kuh!«, fluchte Martina und schüttelte den Kopf. Ihre Mutter war streng gläubig gewesen, hatte täglich in der Bibel gelesen und auch diszipliniert nach deren Regeln gelebt. Und auch Martina war gezwungen gewesen, sich den Regeln der katholischen Kirche zu unterwerfen.

Mit sechszehn war sie von zu Hause abgehauen. Seit dem dachte sie so gut wie gar nicht mehr an ihr Elternhaus zurück. Doch in dieser Sekunde – diesem kleinen, entscheidenden Augenblick – war die Erziehung ihrer Mutter mit ganzer Wucht auf sie eingestürzt und sie hatte die Abtreibungsklinik unverrichteter Dinge wieder verlassen.

Sie leerte das Glas erneut mit einem Zug und nahm die Flasche in die freie Hand, um sich abermals einzuschenken.

»Mama, ich habe alles!«, ertönte die nervig quiekende Stimme hinter ihr, und Martina zuckte zusammen. Schnell stellte sie Glas und Flasche ab, drehte sich um und holte aus, um ihrer Tochter mit der flachen Hand in das Gesicht zu schlagen.

»Du dämliche Göre!«, fauchte sie. »Wie oft habe ich dir schon gesagt, du sollst dich nicht so an mich anschleichen?«

Joleen stand vor ihr, hielt sich mit tränenden Augen die Wange, die bereits begann, sich rot zu verfärben.

Mist, sie hätte nachdenken sollen. Die Vampire fanden sicherlich einen Weg, ihr durch diese kleine rötliche Verfärbung ein Bein zu stellen.

»Tut mir leid, Mama«, jammerte Joleen und sah sie aus großen Augen an.

»Los, geh und leg dir Eis auf das Gesicht!«, forderte sie und drehte sich dann von ihrer Tochter weg.

»Ja, Mama. Es tut mir leid, Mama, ich wollte dich nicht erschrecken«, flüsterte die Fünfjährige eingeschüchtert und verschwand dann in Richtung Küche. Ihre weißen Lackschuhe machten dabei bei jedem Schritt ein klackendes Geräusch.

Martina verdrehte die Augen. Bald ging es ihr besser. Sie hätte schon viel früher auf diese Idee kommen sollen. Doch erst eine Nachbarin hatte sie auf die Möglichkeiten aufmerksam gemacht, die ihr offenstanden, um ihre Situation zu verbessern.

Es gab Vampire, dies war eine allgemein bekannte Tatsache. Vampire lenkten den Großteil des Weltgeschehens, auch dies wusste Martina. Gekümmert hatte sie sich jedoch nie darum. Solange es sie selbst nicht betraf, war es ihr egal.

Früher hatte sie einen aus dem Nachtvolk als Freier gehabt, doch das war schon lange her. Vampire waren großzügig, selbst wenn man ihnen nur für eine Nacht als Bluthure diente.

Wieder schüttelte sie den Kopf. Man musste aufpassen, wenn man sie von sich trinken ließ. Gerieten sie in einen Blutrausch, konnte es für die Bluthure tödlich enden. Immer wieder gab es Berichte darüber, wie ein Vampir die Kontrolle verlor und eine Bluthure statt Lust den Tod geerntet hatte.

Sex und Nahrungsaufnahme waren für Vampire etwas, was sich angenehm verbinden ließ. Und auch ihre Opfer erlebten durch sie Stunden der höchsten Ekstase.

Doch das Gefühl, das Vampire bei Menschen auslösten, konnte in die Abhängigkeit führen. Man kam einfach nicht mehr davon los, wollte immer wieder den Rausch erleben, den man nur durch einen Vampir erlangen konnte. Die Blutlust war – anders als der Blutrausch – eine Garantie für vollkommene sexuelle Erfüllung. Martina kannte viele Huren, die nach und nach zu Bluthuren verkommen waren, weil sie sich immer und immer wieder einen Vampir ins Bett holten. Dies war etwas gewesen, worauf Martina immer geachtet hatte. Auch wenn Vampire gut zahlten, es lohnte sich nicht von ihnen abhängig zu werden und sich womöglich versklaven zu lassen.

Nun, das galt natürlich nur für sie. Nicht für das kleine Mädchen, das in diesem Augenblick, mit vorsichtigem Blick, das Wohnzimmer betrat.

Zacharias

 

Zacharias

 

Es klopfte und Zacharias brachte die Tür mit einem kurzen, mentalen Befehl und einem Kopfnicken dazu, sich zu öffnen.

Gelangweilt sah er seinem Bruder entgegen, der mit einem nonchalanten Lächeln auf den Lippen den Raum betrat. Eine seiner aktuellen Bluthuren folgte ihm.

»Bruder«, sagte Cirrus und setzte sich in den Sessel, der Zacharias gleich gegenüberstand. Seine Blutsklavin – ein mageres Ding, das die Zwanzig noch nicht erreicht haben konnte – setzte sich zu seinen Füßen auf den Boden.

»Was willst du, Ci?«, fragte Zacharias und fixierte sein Gegenüber mit ruhigem Blick.

»Unser Besuch wird bald eintreffen. Ich bin lediglich hier um dich darüber zu informieren«, erklärte Cirrus und strich in einer gedankenverlorenen Geste über das flachsfarbene Haar seiner Blutsklavin. »Falls du noch etwas zu dir nehmen willst ehe du dich in menschliche Gesellschaft begibst, wäre nun der geeignete Zeitpunkt.« Er griff an das schwarze Samtband, welches die junge Frau trug. Es diente dazu, die Bissspuren am Hals der Blutsklavinnen zu verdecken. »Wenn dir keine der Bluthuren aus dem Harem zusagt, bin ich auch gerne bereit dir Angela für eine Weile zu überlassen. Es stört mich nicht, sie mit dir zu teilen.«

Gegen seinen Willen wanderte Zacharias Blick über den schlanken, weißen Hals, der nur das Samtband als Zierde trug. Sofort fanden seine Augen die perfekte Stelle um sich zu näheren und sein Verlangen nach Blut machte sich bemerkbar. Es verflüchtigte sich jedoch, als er die vielen Bissspuren seines Bruders darauf entdeckte. Langsam schüttelte er den Kopf.
»Danke, Ci. Ich weiß dein Angebot zu schätzen, aber ich habe mich bereits am frühen Abend genährt«, erklärte Zacharias abwinkend.

»Wie es dein Wunsch ist, Bruder«, erwiderte Cirrus nickend und gab der jungen Frau einen kleinen Stoß. »Du kannst zurück zu den anderen gehen. Ich werde dich rufen lassen.«

»Danke, Sir«, wisperte sie leise. Den Blick hielt sie dabei gesenkt. Während er dabei zusah, wie sie mit schwingenden Hüften den Raum verließ, bemerkte Zacharias, wie umfassend ihre Ausbildung gewesen sein musste. Zu viele der Menschen vergaßen die oberste Regel im Umgang mit einem Vampir.

Sieh ihnen niemals in die Augen.

Es fiel ihnen leicht die Menschen zu manipulieren und sie dazu zu bringen, sich zu unterwerfen. Oftmals genügte dafür schon kurzer Augenkontakt. Ein Blick und der Mensch, der ihn kreuzte, war den Wünschen des Vampires unterworfen. Es gab natürlich auch Menschen, die einen außergewöhnlich starken Willen besaßen. Ihnen gelang es, dem Vampir länger zu widerstehen. Doch am Ende unterlagen sie alle.

»Wer ist unser Gast noch gleich?«, fragte Zacharias, und hob eine Augenbraue. Er musterte seinen Bruder eingehend. Wenn Zeit für jemanden keine Rolle spielte, gingen die Nächte ineinander über. Für gewöhnlich kümmerte er sich nur selten um die Geschäfte, die seine Familie mit den Menschen abwickelte.

»Aber Bruder. Es war schließlich deine Stimme die dazu geführt hat, diesem Handel zuzustimmen«, Cirrus' Stimme beinhaltete leichten Tadel und scharfe Belustigung. »Es geht um die Crackhure die uns ihre Tochter verkaufen will.«

Etwas regte sich in Zacharias' Gedächtnis. Ja, er erinnerte sich. Der Kontakt zu dieser Hure war ihnen vor wenigen Wochen von einem ihrer menschlichen Mitarbeiter vermittelt worden. Eine der Tagesbotinnen hatte ihnen in demütiger Haltung mitgeteilt, ihre Nachbarin suche Kontakt zu einem Vampir, der bereit wäre ihr ihre Tochter als Bluthure abzukaufen.

Zacharias schüttelte mit einem leichten Lächeln den Kopf. Den Preis, den die Hure verlangte, war lächerlich gering. Vor allem, wenn man bedachte wie jung ihre Tochter noch war.

Sie hatten lange darüber diskutiert, ob es ratsam wäre, einen so jungen Menschen zu sich zu nehmen. Cirrus, Agenta, ihre Schwester, und Fayn, eine ihrer Cousinen, sowie Nikolas, Fayns Bruder, waren sich uneinig gewesen. Cirrus und Fayn waren der Meinung, es könnte sich lohnen einen Menschen schon von klein auf, auf das Leben als Bluthure vorzubereiten. Agenta und Nikolas jedoch waren der Ansicht die Wartezeit, bis das Mädchen als solche genutzt werden konnte, wog den Aufwand nicht auf. Natürlich waren zehn oder auch zwanzig Jahre für jene, die bis in alle Ewigkeit lebten, keine nennenswerte Zeit. Dennoch äußerten sie Bedenken.

Am Ende kam es, wie es kommen musste und Zacharias' Stimme war ausschlaggebend. Sie kamen darin überein das Mädchen als eine Art Testobjekt aufzunehmen. Anhand ihrer Entwicklung wäre zu entscheiden, ob es sich lohnte diesen für sie alle, neuen Weg einzuschlagen. Sicherlich würde dieses Menschenkind es unter ihrem Dach besser haben, als in der Obhut der Crackhure. Es gab viele Frauen wie die Mutter des Mädchens. Sollte es mit diesem Kind klappen konnten sie eine vollkommen neue Generation von Blutgefährten heranzüchten. Und die Kinder fanden bei ihnen ein besseres zu Hause, als bei den Menschen, die sich ohnehin nicht um sie scherten.

Sie waren in diesem Alter noch komplett unschuldig und einfach zu beeinflussen. Noch leichter, als Menschen ohnehin schon beeinflussbar waren. Sie wuchsen mit den Aufgaben, die ihnen zufielen auf und hätten dadurch einen vollkommen anderen Bezug zu ihnen, als jene die erst in späten Jahren die Wahl trafen, sich an das Volk der Vampire zu binden.

Ob die Kinder es wollten oder nicht, war ihm gleichgültig. Die meisten Bluthuren waren nur zu eben solchen geworden, weil sie dem Rausch den es mit sich brachte, wenn sich einer von ihnen von einem Menschen nährte, nicht widerstehen konnten.

Zacharias stand auf und sein Bruder tat es ihm gleich.

»Ich werde unsere Gäste in Empfang nehmen«, erklärte er Cirrus. »Du kannst die anderen holen. Sie werden sich die Ankunft unseres Neuzugangs sicherlich nicht entgehen lassen wollen.«

Cirrus nickte zufrieden, und gemeinsam verließen sie den Raum.

 

Obwohl sie Bedienstete hatten, ließ es sich Zacharias nicht nehmen Kunden, die ihnen lukrative Geschäfte anboten, persönlich zu empfangen. Er wusste, wie überlebenswichtig die Menschen für sie waren, weswegen er sie als notwendiges Übel betrachtete. Es kam ihm jedoch nicht in den Sinn, sich an einen Menschen zu binden.

Wenn man sich eine Bluthure nahm, war dies meistens ein Abkommen, das eine Nacht lang galt. Blutsklavinnen waren an einen Vampir gebunden und standen ihm zu Willen, doch auch der Unsterbliche band sich ein Stück weit an diesen Menschen. Was seine Familie betraf, geschah dies immer auf freiwilliger Basis.

Die Bluthuren lebten in einen eigenen Flügel im Haus. Dort warteten sie darauf, von einem der Vampire, ob nun er selbst, ein Familienmitglied oder ein befreundeter Vampir, für eine Nacht ausgewählt zu werden. Dafür erhielten sie Kost, Logis und, falls es nötig sein sollte, ärztliche Versorgung. Und man überließ ihnen die Wahl, ob sie dem Vampir zu Willen sein wollten. Am Ende blieb ihnen immer noch, das Angebot auszuschlagen. Zudem stand ihnen, sowie auch den Blutsklavinnen, die Möglichkeit offen, sich von erfahreneren Menschen unterrichten zu lassen.

Die Blutsklavinnen erhielten meistens ein Zimmer in der Nähe des Vampires, an den sie gebunden waren. Oder, wie im Fall seines Bruders der sich gerne mehrere Blutsklavinnen hielt, einen separaten Teil des Hauses, der sich natürlich von dem der Bluthuren unterschied. Man gewährte ihnen mehr Freiheiten, da sie nicht nur körperlich, sondern auch seelisch an ihren Vampir gebunden waren. Diese Bindung konnte unterschiedlich stark ausfallen, doch sie hielt die Sterblichen davon ab, sie bei anderen Vampiren oder Menschen ans Messer zu liefern. Denn damit verrieten sie auch sich selbst..

Das Mädchen, das sie heute seiner Mutter abkauften, wurde von Beginn an mit den Regeln und Gepflogenheiten der Vampire vertraut gemacht werden. Wenn sie alt genug war durfte sie selbst entscheiden, ob sie Bluthure oder Blutsklavin werden wollte. Außerdem stand ihr natürlich die Wahl offen abzulehnen, wenn jemand sie zu seiner Sklavin machen wollte.

Sie würde vorerst bei den Bluthuren leben, da diese genug Zeit besaßen, sich um das Mädchen zu kümmern. Agenta war es gewesen, die zwei von ihnen ausgewählt und angewiesen hatte, sich stets um das Wohlergehen des Kindes zu kümmern. Dafür erhielten sie eine kleine Bezahlung. Obwohl seine Schwester gegen die Aufnahme des Kindes gewesen war, bemühte sie sich seit der Entscheidung darum, das Testobjekt versorgt zu wissen. Der Testlauf sollte so reibungslos wie möglich über die Bühne gehen.

Dieses Kind konnte für sie alle der Beginn einer vollkommen neuen Ära sein. Keines seiner Familienmitglieder wollte riskieren, dass etwas schief ging.

Gemeinsam hatten sie beschlossen, dem Kind eine ausführliche Schulbildung zugutekommen zu lassen. Diese fand natürlich in ihrem Haus ab zusätzlich zu dem Unterricht, an dem jede Blutgefährtin teilnehmen konnte. Über das Alter, wann man sich das erste Mal von ihr nähren konnte, waren sie sich noch nicht einig. Doch in einem Punkt stimmten sie alle überein: Sie musste sich selbst dazu entschließen.

Menschen, die man dazu zwang sich ihnen als Nahrungsquelle darzubieten, verfielen oftmals dem Wahnsinn oder starben einfach. Dabei war es unerheblich ob noch genügend Blut durch ihren Körper floss. Es war ihnen in all den Jahrhunderten nicht gelungen herauszufinden, woran es lag. Ein natürlicher Schutz der Menschen gegen ihresgleichen?

Zacharias schüttelte den Gedanken ab und konzentrierte sich auf die Straße, die vor ihrem Anwesen vorbeiführte. Ja, der Wagen war bereits vorgefahren. Er konnte die Präsenz des Fahrers spüren, der bei seiner Familie angestellt war. Ihre Gäste mussten sich also irgendwo auf dem Grundstück befinden.

Als er seine Sinne auf das Familienanwesen lenkte fand er sie beinahe sofort. Er öffnete die Tür und wartete, den Blick gelassen nach draußen gerichtet.

Bisher war er nur der Mutter begegnet und sie war früher, für menschliche Verhältnisse, sicherlich hübsch gewesen. Doch die Jahre des gesteigerten Alkohol- und Drogenkonsums hatten ihr die Schönheit geraubt. Dennoch war er gespannt auf die Tochter, denn sie bekam nicht die Möglichkeit, solcherlei Lastern zu verfallen.

Durch den Vertrag, den sie aufgesetzt hatten, war sie ihr gesamtes Leben an seinen Clan gebunden, es sei denn, seine Familie gab sie frei. Zacharias lächelte. Dies geschah nur dann, wenn sie bereit war, sich als Blutsklavin an einen Vampir zu binden.

Sein Blick schweifte über das Grundstück. Die hohen Zedernbäume säumten das gesamte Anwesen und versperrten den Blick von außen. Die weiten Rasenflächen waren, dank ihrer Tagesboten, gepflegt und sauber. Der Kiesweg, der zu ihrem Haus hinaufführte, schimmerte sanft im Mondschein. Die Blumen, die von ihren Dienern gepflanzt worden waren, verströmten einen angenehmen Duft, der sich mit der sanften Nachtluft vereinigte und eine perfekte Symbiose mit ihr einging.

Dann entdeckte er die hochgewachsene, blonde Frau die ein vollkommen erschöpftes Kind an ihrer Hand hinter sich herzog. Er kniff leicht die Augen zusammen und beobachtete sie genauer. Das Mädchen hielt nur mit Mühe mit der Mutter schritt, rannte beinahe schon. Ihre Augen waren weit aufgerissen und er konnte selbst von seiner Position sehen, wie schnell ihr Atem ging.

Leicht angewidert schüttelte er den Kopf. Der Weg zum Haus hinauf war lang. Wenn die Mutter dieses Tempo von Anfang an vorgelegt hatte, wunderte die Erschöpfung des Mädchens ihn nicht.

Der Wind drehte die Richtung, trug nun ihre Stimmen zu ihm hinüber. Er verstand nur Wortfetzen, doch trotzdem war der Kontext klar herauszuhören.

»...arte bitte, Mama«, ein Keuchen wurde vom Wind herangetragen. »...cht so schnell, bitte, Mama.«

Er konnte sehen, wie die Frau stehen blieb und sich von ihm abwandte, um ihre Tochter anzusehen. »...ell ...ch... icht... an! Du ...ndankba... Gör!« Er konnte das hilflose Schluchzen des Kindes hören, als die Mutter es erneut bei der Hand packte, die dann in unvermindertem Tempo weiterging.

Zacharias rümpfte die Nase. Bei diesem Schauspiel wünschte er sich eindringlich, dieses Kind würde sich bewähren. Ihm war bewusst, wie viele solcher Kinder es noch gab, die bei ihnen sicherlich ein besseres Leben finden konnten.

Ein Schrei drang an seine Ohren, noch ehe er bewusst wahrnahm, was dazu geführt haben konnte. Er wusste nur, dieser war von dem Kind gekommen.

Als er den Blick wieder auf Mutter und Tochter fokussierte, sah er das Mädchen am Boden liegen und er vernahm ein leises Schluchzen. Die kleinen Hände des Mädchens umschlossen ihr Knie. Anscheinend war das Kind über die vielen Steine gestolpert oder es war von seiner Mutter einfach weitergezogen worden, als es das Tempo nicht mehr mithalten konnte.

Wieder hörte er das Keifen der Mutter, die ihre Tochter unsanft am Oberarm packte, sie brutal auf die Beine zog und anfing das Kind zu schütteln. »Stell dich nicht so dumm an! Musst du mir eigentlich immer alles kaputt machen? Du bist verdammt undankbar! Immer, immer habe ich mich um dich gekümmert und was machst du? Du machst alles kaputt!«, schimpfte sie. Ihr Wortfluss ging noch weiter, während sie das Mädchen immer fester schüttelte, stark genug, um die Zähne der Kleinen aufeinander schlagen zu lassen.

Ehe Zacharias sich bewusst entschied, was zu tun war, verließ er seine Position an der offenen Haustür und bewegte sich auf die beiden zu. Gerade rechtzeitig, wie er feststellte. Als er knapp hinter der Mutter zum Stehen kam, hob diese die Hand, um ihre Tochter zu schlagen.

»Kann ich vielleicht weiterhelfen?«, fragte er mit sanfter Stimme. Es bereitete ihm ungemeines Vergnügen zu sehen, wie die Mutter mitten in ihrer Bewegung erstarrte.

Sie fuhr zu ihm herum und lächelte ihn freundlich an, ohne ihm dabei direkt in die Augen zu blicken. Sie war gut instruiert worden. »Werter Herr«, säuselte sie und von der abfälligen Haltung, die sie ihrer Tochter gegenüber an den Tag legte, war nichts mehr zu sehen. »Sie hätten uns doch nicht entgegenkommen müssen. Es war schon überaus freundlich von Ihnen und Ihrer Familie uns einen Wagen zu schicken.«

Zacharias' Blick glitt an ihr vorbei und blieb an dem Mädchen hängen. Verweinte, riesige, grüne Augen starrten ihn an und das Gesicht war gerötet vom Weinen. Doch in ihrem Blick lag Neugierde und sie musterte ihn auf jene Art, wie nur Menschenkinder es taten.

»Du musst Joleen sein«, sagte er lächelnd.

Der Blick des Kindes schweifte unsicher zu seiner Mutter hinüber, als suche es nach einer Anweisung was es nun zu tun hatte. Zacharias unterdrückte ein Lächeln, da er bemerkte, welch gute Voraussetzungen dies für ein Leben als Blutsklavin waren.

»Na los, sei nicht so unhöflich und stell sich vor!«, zischte die Mutter und gab dem Mädchen einen Schubs.

Sie stolperte einen Schritt vorwärts und kam direkt vor ihm zum Stehen. Zacharias warf der Mutter einen verärgerten Blick zu und wandte sich dann wieder lächelnd an das Mädchen. »Hast du dir wehgetan, als du gefallen bist?«, fragte er. Es interessierte ihn nicht wirklich. Zudem war die Frage überflüssig, da ihm der Blutgeruch bereits in die Nase stieg. Doch er wollte dem Kind die Möglichkeit geben seine eigenen Worte zu finden.

Die Kleine sah ihn weiterhin nur aus großen Augen an, sagte nichts, brachte aber ein Nicken zustande. Ihre blonden Locken wippten leicht im Takt der Bewegung. Die Unsicherheit in ihren Augen schwand ein wenig.

»Wollen wir nicht hineingehen und uns mal ansehen, was wir dagegen machen können?«, fragte Zacharias weiter und wieder blickte das Mädchen zu ihrer Mutter. Die Frau nickte kaum merklich und verzog angesäuert das Gesicht, erst dann nickte auch das Mädchen erneut. »Na dann komm mal mit!«, forderte Zacharias sie auf und ging los.

Er hörte wie auch Mutter und Tochter sich wieder in Bewegung setzten. Das Mädchen blieb dicht neben ihm. Nach wenigen Schritten spürte er etwas ungewohnt Warmes und Sanftes an seiner Hand. Verwundert sah er hinab. Das Mädchen hatte seine Hand ergriffen und sah zu ihm hinauf. Sie sprach immer noch nicht, doch er konnte weder Angst noch Verunsicherung in ihren Augen entdecken.

Vorsichtig streckte er seine Sinne aus, um die Gefühle des Mädchens besser verstehen zu können. Eine nützliche Fähigkeit wenn man sich unter Menschen bewegte.

Nein, die Kleine hatte keine Angst, zumindest nicht vor ihm. Dieses Kind hungerte nach der Liebe seiner Mutter und es fragte sich, wieso die Frau, die es geboren hatte, es immer wieder von sich stieß. Die Kleine, Joleen, war neugierig, weil sie jemanden wie ihn noch nie gesehen hatte. Und sie war überrascht, weil noch nie jemand derart sanft mit ihr umgegangen war.

Im Stillem nahm Zacharias sich vor die Vergangenheit des Mädchens genauer zu ergründen. Der Zugang zu ihren Erinnerungen war leicht und auf diese Weise konnte er sich ein besseres Bild von ihrem bisherigen Leben machen. Doch die wenigen Schwingungen und Eindrücke, die er von Joleen empfing, reichten schon, um ihn zu verärgern.

Und da behaupteten die Menschen, Vampire seien grausam. Niemals würde einer von ihnen jemanden verwandeln und ihn dann von sich stoßen. Es war ein ungeschriebenes Gesetz, sich um jene zu kümmern, die man erschuf. Selbst ihre Bluthuren behandelten sie besser, als dieses Kind von seiner Mutter behandelt worden war.

Zacharias atmete tief durch, denn auch wenn er keine Atemluft benötigte, half es ihm, sich zur Ruhe zu mahnen.

Sie kamen an der Treppe an und die Kleine blieb unsicher stehen. Ihre Finger lösten sich von seiner Hand. Sie blickte zu ihrer Mutter zurück, unschlüssig, was sie nun tun sollte.

»Na, worauf wartest du? Geh schon da hoch!«, wies die Frau das Kind herrisch an.

Zacharias beobachtete wie die Kleine unsicher von einem Fuß auf den anderen trat und die Lippen aufeinanderpresste. »Mein Knie tut so weh, Mama.« Ihre Stimme war hoch. Zacharias wusste, dies war normal für Menschenkinder. Es würde sich im Laufe der nächsten Jahre noch ändern.

»Nun stell dich mal nicht so an!«, fauchte die Mutter und warf Zacharias ein entschuldigendes Lächeln zu. »Mach, dass du die Treppe hochkommst! Sonst setzt es was!«

Das Kind zuckte zusammen, als die Mutter einen Schritt auf es zu machte und wieder empfand Zacharias nichts als Verachtung für diese Frau. Doch er wunderte sich über sein eigenes Verhalten. Wieso rührte es ihn derart? Normalerweise war er besonnen und machte sich nicht viel aus den Menschen. Ja, er beachtete sie nicht einmal großartig, es sei denn, er musste sich von ihnen nähren. Doch dieses Kind ... es hatte etwas an sich, das den Drang in ihm auslöste, es beschützen zu wollen.

Joleen folgte der Anweisung ihrer Mutter und setzte den Fuß des unverletzten Beines auf die erste Stufe. Sie zuckte bei jeder Bewegung zusammen, doch sie wagte es nicht, ihre Mutter nochmals um Hilfe zu bitten. Zacharias überkam Mitleid – eine ihm ebenfalls vollkommen fremde Gefühlsregung.

Er überbrückte die geringe Entfernung, die ihn von ihr trennte, mit einem schnellen Schritt und hob sie hoch. Überrascht sah Joleen ihn an, doch dann lächelte sie ihm dankbar zu. Der Blutgeruch stieg ihm erneut, dieses Mal um ein vielfaches stärker, in die Nase. Er konnte spüren, wie seine Reißzähne ausfuhren. Er ließ sich nichts anmerken und trug das Kind ins Haus hinein, wo er es wieder auf den Boden setzte. Die Mutter folgte ihnen.

»Warte hier!«, wies er die Mutter knapp an und sah dann zu Joleen, die ihre Mutter mit großen Augen ansah. Die Frau nickte stumm. »Joleen, komm mit mir! Wir werden dein Knie verarzten.«

Das Mädchen ergriff bereitwillig die Hand, die er ihr hinhielt. Er führte sie in eines der Badezimmer des Hauses und sie blieb unschlüssig neben ihm stehen, während er sich suchend umsah.

Es war nur eine kleine Wunde und er war sich sicher, sie auch ohne das Hinzuholen des Arztes, der für gewöhnlich für die Blutgefährtinnen zuständig war, versorgen zu können. Es war besser, wenn seiner Familie nicht gleich der Blutgeruch in die Nase stieg, während sie den Vertrag erneut besprachen. Das lenkte sie nur unnötig ab und dadurch könnte ihnen etwas Wichtiges entgehen.

»Setz dich dort hin!«, sagte er und deutete auf die Toilette, deren Deckel hinuntergeklappt war. Die Badezimmer im Haus wurden für gewöhnlich von den Angestellten oder den Blutgefährtinnen benutzt, doch dieses hier nur höchst selten, da es sich in einem der privaten Bereiche befand. Das Mädchen nickte und setzte sich.

Zacharias griff nach einem Tuch und befeuchtete es am Waschbecken, ehe er sich vor Joleen hinkniete und begann die Wunde zu säubern. Das Mädchen zuckte zwar zusammen, gab aber keinen Laut von sich. Stattdessen sah sie ihn fortwährend an.

»Wie heißt du?«, fragte Joleen plötzlich und überraschte ihn damit. Es gelang Menschen nicht oft, ihn zu überrumpeln, doch das Mädchen war bisher so still gewesen. Er war nicht davon ausgegangen, sie könnte den Mut finden von sich aus zu sprechen. Er musste lächeln, als er sich eingestand ein wenig beeindruckt zu sein. Ihre Unbedarftheit nahm ihr die instinktive Angst, die die meisten Menschen im Umgang mit ihnen an den Tag legten.

»Zacharias«, antwortete er knapp. »Aber du solltest mich besser mit Sir ansprechen.«

»Wieso?« Joleen runzelte die Stirn und sah ihn weiterhin an.

Es schien ihr überhaupt nichts auszumachen, ihm in die Augen zu sehen. Eine irritierende Tatsache. »Weil es so üblich ist. So wird es verlangt«, antwortete er.

Sie legte den Kopf auf die Seite und ein nachdenklicher Ausdruck erschien auf ihrem Gesicht. »Ich habe einen Zacharias in meinem Kindergarten gehabt, bis meine Mama mich da weggeholt hat«, erklärte sie freimütig und wirkte beinahe ein wenig traurig dabei. »Aber wir haben alle immer Zach gesagt, weil Zacharias blöd klingt.«

Die Aussage Joleens überrumpelte ihn und er begann zu lachen, ohne etwas dagegen tun zu können. Als er in ihr Gesicht blickte, sah er sie zum ersten Mal wirklich lächeln. Die Angespanntheit, die ihr anheim wohnte, wenn die Mutter in der Nähe war, schien mit einem Mal verschwunden. Er musste zugeben eine gewisse Sympathie für das Kind zu empfinden.

»Also gut, wenn wir alleine sind, dann darfst du mich auch Zach nennen«, gestand er Joleen. »Aber wenn jemand anderes dabei ist, wirst du Sir sagen, verstanden?«

»Das ist unser Geheimnis«, versprach sie und nickte dabei derart heftig mit dem Kopf, dass ihre Locken auf und ab hüpften.

»Ganz recht«, bestätigte er und fuhr dann damit fort, ihre Wunde zu säubern.

»Wieso hast du so komische Augen?«, fragte sie einen Moment später und Zacharias hielt erneut inne.

Mit dieser Frage hätte er rechnen müssen. Sterbliche vermieden für gewöhnlich derartige Fragen, doch Menschenkinder waren bei solchen Dingen einfach argloser.

»Weil ich ein Vampir bin«, antwortete Zacharias. »Wenn wir verwandelt werden, dann trüben unsere Augen ein und verlieren ihre Farbe.«

»Und dann werden sie grau?«, fragte das Mädchen und Zacharias nickte neuerlich.

Dann tat sie etwas, womit er überhaupt nicht rechnete. Sie streckte ihre kleine Hand aus und streichelte ihm über die Wange. »Ich finde deine Augen schön. Sie sind komisch, aber trotzdem schön!«, erklärte sie und lächelte ihm einmal mehr zu.

Zum ersten Mal, seit er seine Existenz als Vampir begonnen hatte, fand er sich sprachlos in der Gegenwart einer Sterblichen wieder. Er war es gewohnt das Ruder fest in der Hand zu halten, besonders dann, wenn er sich mit Sterblichen umgab. Diesem Kind jedoch, war es, in kurzer Zeit gelungen, ihn gleich mehrfach zu überraschen.

»Danke«, murmelte er und stand auf, um ein Pflaster aus dem Schrank zu holen. Joleen beobachtete ihn weiter und als er nun seine Sinne ausstreckte, um zu erfahren, was in ihr vorging, spürte er nichts als pure Dankbarkeit.

Cirrus

 

Cirrus

 

Er saß neben seiner Schwester auf der Couch im Salon und schwenkte einen Kelch, der mit Blut gefüllt war. Cirrus betrachtete angespannt seine Familie. Sie alle schienen ähnlich nervös, denn von der Entwicklung dieses Mädchens hing einiges für sie ab.

Vampire mochten Veränderungen nicht sonderlich. Wenn sie ihnen jedoch derart nützlich sein konnten, wie diese – vorausgesetzt ihr Vorhaben klappte – dann hießen sie sie durchaus willkommen. Zacharias nahm ihre Gäste in Empfang und dies war begrüßenswert. Nicht nur, weil er von ihnen allen am besten mit Menschen umgehen konnte, sondern auch, weil seine Fähigkeit, die Gefühle seines Gegenübers zu erforschen, nützlich in solchen Angelegenheiten war.

»Sie kommen zu spät!«, stellte Nikolas fest und rümpfte die Nase.

»Immer mit der Ruhe Nikolas, vielleicht stecken sie im Stau fest«, murmelte Fayn und legte ihrem Bruder beruhigend die Hand auf den Unterarm. Nikolas schnaufte, sagte jedoch nichts mehr.

»Ihr täuscht euch«, bemerkte Agenta. »Sie sind bereits im Haus. Wenn ihr weniger reden und euch mehr auf eure Sinne konzentrieren würdet, wäre euch das bewusst.« Ihre Stimme drang sanft und ruhig durch den Raum und Cirrus bemerkte, wie auch Nikolas sich wieder entspannte.

»Nun, dann werden sie sicherlich bald hier sein«, erklärte Cirrus und lächelte selbstgefällig. »Ich bin gespannt, was für einen kleinen Vogel wir uns da ins Nest holen.«

Agenta sah ihn unsicher an, nickte aber dann. »Ja, ich auch. Mit diesem Kind steht und fällt vielleicht alles. Ist euch bewusst, was sich uns für Möglichkeiten bieten werden wenn sich unser Vorhaben bewährt?«, fragte sie.

»Wenn«, bemerkte Nikolas. Im Gegensatz zu Agenta war er immer noch nicht glücklich mit ihrem Mehrheitsentscheid und etwas in Cirrus flüsterte, Nikolas würde es diesem Kind nicht leicht machen.

»Sie kommen!«, bemerkte Fayn, ehe noch jemand etwas sagen konnte.

Es war erholsam und amüsant zu sehen, wie jedes seiner Familienmitglieder eine gleichgültige Miene aufsetzte und zur Tür hinüber sah. Er tat es ihnen gleich.

Die Tür öffnete sich und Zacharias trat ein. Hinter ihm betrat eine hochgewachsene, blonde Frau den Raum. An der Hand hielt sie das, worauf sie alle gewartet hatten. Ein Kind, gerade mal fünf Jahre alt, blond, mit strahlend grünen Augen. Cirrus war zufrieden. Dieses Mädchen würde einmal eine Schönheit werden.

Das Kind sah verunsichert in die Runde und musterte sie alle. Der Blick war nicht aufdringlich und doch fehlte ihm die Scheu, mit der die Menschen sie normalerweise ansahen.

»Ihr dürft euch setzen«, erklärte Zacharias knapp und kam dann zu ihnen hinüber, um gleich neben platz zu nehmen. Cirrus blickte seinen Bruder fragend an, der kaum merklich nickte. Er wirkte zufrieden.

Lächelnd wandte er sich zu der Frau und dem Mädchen um, die immer noch unschlüssig mitten in dem Raum standen. »Schau dir das an!«, raunte Zacharias ihm kaum hörbar zu und dann beugte er sich ein Stück nach vorn, damit er das Mädchen ansehen konnte. »Joleen, komm doch her und setzt dich zwischen mich und meinen Bruder!«, forderte Zacharias das Kind auf.

Cirrus warf ihm einen überraschten Blick zu.

Sein Bruder bedachte ihn lediglich mit einem breiten Grinsen und es stellte sich schnell heraus, wieso.

Das Mädchen blickte kurz zu ihrer Mutter, die mit ausdrucksloser Miene nach vorne starrte. Als Joleen keine Anweisung von ihr bekam, nickte sie erfreut. »Ja.« Sie klang froh über die Einladung seines Bruders, was Cirrus in höchstes Erstaunen versetzte. Für gewöhnlich mieden Menschenkinder sie. Es war ein natürlicher Schutzinstinkt. Doch dieses Kind schien überhaupt keine Furcht vor ihnen zu haben.

Das Mädchen blieb nach zwei Schritten stehen, was ihn noch mehr in erstaunen setzte, und blickte dann Zacharias an, um hinzuzufügen: »Sir.«

Cirrus wandte den Blick wieder zu Zacharias um, der höchst zufrieden wirkte und sich auf der Couch zurücklehnte. Das Mädchen kam zu ihnen herübergelaufen und sprang dann mit einem Hüpfer zwischen ihnen auf die Couch. Dann sah sie Cirrus neugierig an. »Bist du auch ein Sir?«, fragte die Kleine und die großen Augen musterten ihn.

Cirrus konnte seinen Bruder leise lachen hören und warf ihm einen giftigen Blick zu. »Ja, bin ich«, antwortete er.

Sie nickte und runzelte dabei die Stirn, als würde sie versuchen die Bedeutung dahinter zu verstehen. »Du auch?«, fragte sie schließlich an Nikolas gewand, der eine Augenbraue hob und nickte. Das Mädchen lächelte und sah dann zu Fayn. »Sind Mädchen dann auch Sirs?«, fragte Joleen.

Agentas plötzliches Lachen ließ die Angespanntheit, die bis zu diesem Augenblick in dem Raum vorherrschte, verschwinden. »Nein, Mädchen oder Frauen, sind Ladys«, erklärte Fayn mit einem sanften Lächeln.

Wieder nickte das Mädchen und sah schließlich zu Agenta, deren tiefrotes Haar im Licht der Kronleuchter aufleuchtete. »Deine Haare sind toll«, rief das Mädchen und machte große Augen. »Darf ich die mal anfassen?«

Cirrus bemerkte, wie Zacharias dem Kind einen kleinen Stups verpasste und sie sah zu ihm. Er sah Joleen an, als erwartete er etwas von ihr und das Mädchen nickte verstehend. Cirrus hatte nicht die geringste Ahnung, was dort vor sich ging, doch als das Mädchen sich schließlich wieder zu Agenta umdrehte und »Lady?«, hinzufügte, verstand er.

Anscheinend hatte sein Bruder sich ein wenig Zeit genommen, um dem Mädchen einige Grundregeln zu erklären. Die Tatsache, sie derart schnell umgesetzt zu sehen, war durchaus beeindruckend. Cirrus nickte zufrieden. Die Zeichen standen günstig. Wie es aussah, war es die richtige Entscheidung gewesen.

Martina

 

Martina

 

Martina starrte fassungslos auf ihre Tochter, denn ihr war deren Verhalten unverständlich. Was hatte dieser Vampir in der Zeit angestellt, in der er angeblich ihre Wunde versorgt hatte? War sie womöglich von ihm hypnotisiert worden? Vampire konnten solche Dinge. Zumindest gab es Geschichten darüber. Hatte er von ihrem Blut getrunken? Es störte sie nicht, wäre dies der Fall. Genau dafür setzte sie Joleen schließlich hier ab. Der Verhaltensumschwung ihrer Tochter wunderte sie dennoch.

»Setz dich ruhig«, erklärte die rothaarige Vampirin mit einem Lächeln, das Martina einen kurzen Blick auf die Reißzähne erhaschen ließ. Sie erschauderte und ihr Unterleib zog sich zusammen, da sie sich erinnern konnte, wie es das letzte Mal gewesen war, als sie solche Zähne gespürt hatte.

Angespannt nickte sie und steuerte den letzten freien Sessel an, um sich dort hineinzusetzen. Lasziv schlug sie die Beine übereinander. Es war ein unbewusster Vorgang, der ihr nach den vielen Jahren in ihrem Gewerbe, in Fleisch und Blut übergegangen war.

Der Vampir, der ihr und Joleen auf dem Weg zum Haus hinauf entgegengekommen war, schob ihr einen Stapel Papiere über den Tisch zu und deutete ihr mit einer Handbewegung an diese zu lesen. Es juckte ihr in den Fingern sofort danach zu greifen, doch Martina riss sich zusammen.

»Wie du feststellen wirst, haben wir alle Punkte in dem Vertrag aufgeführt die wir bereits besprochen haben«, erklärte er und legte eine Hand auf Joleens Kopf. »Mit deiner Unterschrift trittst du jegliches Recht an deiner Tochter ab und übergibst sie in unsere Hände. Wie wir mit ihr verfahren und was wir mit ihr machen, obliegt alleine unserer Entscheidung, du wirst kein Mitspracherecht haben.« Als Martina kurz nickte, um ihre Verstehen signalisieren, fuhr er gleich fort. »Als Gegenleistung wirst du eine einmalige Zahlung von zwanzigtausend erhalten, sowie eine monatliche Zahlung von zweitausend solange Joleen noch nicht volljährig ist.«

Diese Worte wärmten Martinas Innerstes. Damit hätte sie ausgesorgt. Sie brauchte sich keine Sorgen mehr darum zu machen, wie sie dieses lästige Kind versorgt bekam. Mit dem Geld von den Blutsaugern konnte sie sich ein schönes Leben machen und gleich dazu war sie das nervige Gör los. Für sie war es eine Win-win-Situation.

»Wo soll ich unterschreiben?«, fragte Martina ekstatisch und lächelte jeden der Vampire erfreut an, hütete sich jedoch davor, ihnen direkt in die Augen zu sehen.

Die Gesichter der Vampire schienen vollkommen ausdruckslos zu sein. Doch als sie bei der Frau mit dem schwarzen Haar ankam, kam sie nicht umhin, doch einen Blick in diese grauen, kalten Augen zu werfen. Und dort sah sie etwas aufblitzen, was ihr nicht gefiel. Der Blick der Vampirin könnte Probleme bedeuten.

Sie irrte sich nicht. Die Frau beugte sich vor und ihr Blick schweifte zwischen Martina und Joleen umher, die mit gerunzelter Stirn hin und her sah.

»Du bist dir im Klaren was das bedeutet? Von dem Augenblick deiner Unterschrift hast du keine Tochter mehr«, erklärte die Vampirin und bedachte Martina mit einem Blick, der Unbehagen bei ihr auslöste. »Du wirst kein Recht haben, sie zu besuchen oder sie zurückzufordern. Von dem Augenblick an, wo du unterschreibst, wird es für dich sein, als hättest du nie ein Kind entbunden.«

»Das ist mir bewusst«, erklärte Martina hartherzig.

In dem Gesicht des Mädchens hatte es begonnen zu arbeiten und Angst war in Joleens Augen getreten. »Mama, worüber redet ihr?«, fragte das Mädchen ängstlich und rutschte ein wenig auf dem Sofa vor.

»Darüber, da...«, setzte Martina an.

Der Vampir, der neben ihrer Tochter saß, hob die Hand und Martina verstummte sofort. Es war nicht ratsam einem Unsterblichen zu widersprechen. Es gab Geschichten, in denen eine solch unbedachte Handlung zum Tod desjenigen geführt hatte.

»Wir würden es schön finden, wenn du hier bei uns wohnen würdest. Darüber haben wir mit deiner Mutter gesprochen«, erklärte der Vampir und Martina wunderte sich, wie sanft seine Stimme klang.

Auch die Vampirin mit dem schwarzen Haar stand auf und ging zu Joleen hinüber. »Wir haben nicht viele Kinder hier und wir fänden es schön, wenn du eine Weile bei uns bleibst«, erklärte sie.

Joleen sah zu Martina, doch diese war bereits dabei den Vertrag zu unterschreiben. Sie brauchte ihre Tochter ... nein das Kind, das nun den Vampiren gehörte, nicht ansehen, um zu wissen wie stupide Joleen nun dreinschaute. Diesen Blick bekam das Balg immer, wenn sie etwas nicht verstand. Was recht oft der Fall war. Eindeutig eine Eigenschaft, die sie ihrem Erzeuger verdankte.

»Und meine Mama?«, fragte das Mädchen und Martina musste mit Mühe ein Lachen unterdrücken. Wenn sie die Vampire richtig verstand, besaß das Mädchen nun keine Mutter mehr.

»Die wird nicht bei uns wohnen«, erklärte nun der Vampir, der auf der anderen Seite von Joleen saß.

Das Mädchen runzelte wieder die Stirn, und der dritte männliche Vampir stand auf und holte einen Umschlag hervor, den er vor Martina auf den Tisch legte. Ihr Herz begann zu rasen. Dies war sicherlich ihre Bezahlung.

»Das ist deine Entschädigung sowie die erste Monatsrate. Du kannst nachzählen wenn du möchtest«, erklärte der Vampir und setzte sich wieder hin.

Martina juckte es in den Fingern, den Umschlag an sich zu reißen und jeden einzelnen Schein durch ihre Hände gleiten zu lassen, doch sie beherrschte sich. Sie war schlau und so war sie zu Freunden gegangen, um sich zu informieren, wie sie sich verhalten musste, sobald sie den Vampiren gegenüberstand.

»Ich vertraue auf Ihr Ehrgefühl«, erklärte sie und schenkte dem Vampir ihr schönstes Lächeln. Ihr Blick war weiterhin auf den Umschlag gerichtet. »Und nun werde ich mich verabschieden, wenn Sie es mir gestatten.«

Die Vampire wechselten alle miteinander einen kurzen Blick und nickten dann einstimmig. Martina lächelte noch einmal liebenswürdig in die Runde. Dann nahm sie, mit großer Freude, den Umschlag und ihr Exemplar des Vertrages an sich. Mit gemächlichen Schritten und rasendem Herzen verließ sie den Salon.

Zacharias

Zacharias

 

Der Schreck der Joleen durchfuhr, als ihre Mutter mitteilte, nun gehen zu wollen, war heftig. Zacharias, der sich auf die Gefühle der Kleinen eingestellt hatte, gelang es nur mit Mühe, nicht selbst zusammenzufahren.

Ohne einen weiteren Blick für ihre Tochter übrig zu haben, stand die Frau auf und verließ den Raum. Erst als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, kam Leben in das Mädchen.

»Meine Mama soll aber nicht gehen«, schluchzte Joleen auf und sprang plötzlich von der Couch. Ihre unerwartete Agilität überraschte sie alle und weder er noch Cirrus waren in der Lage, sie zurückzuhalten.

»Mama, Mama, Mama, warte!«, rief die Kleine und lief auf die Tür zu.

Zacharias wollte aufspringen, um sie aufzuhalten, doch Fayn hielt ihn mit einer sanften Berührung zurück und schüttelte den Kopf. »Lass sie Abschied nehmen«, flüsterte seine Cousine. Zacharias nickte, obwohl ihn eine dunkle Ahnung beschlich.

Sehr viel langsamer und ruhiger folgten sie alle gemeinsam dem Mädchen. Diesem war es inzwischen gelungen, die schwere Tür zu öffnen und in die Eingangshalle zu stürmen.

»Mama! Mama! Mama! Warte bitte! Mommy!« Die Rufe hallten durch das Haus. Zacharias versuchte zu verstehen, was Joleen an ihre Mutter band, obwohl diese sie derart schlecht behandelte.

Als er gemeinsam mit seiner Familie die Eingangshalle betrat, stand die Crackhure bereits an der Eingangstür und das Kind erreichte sie gerade noch rechtzeitig, um die kleinen Arme um die Taille der Mutter zu legen. Sie drückte sich fest an die Frau.

»Mama, nimm mich mit!«, flehte sie und sah mit großen Augen zu Martina auf. Diese machte sich nicht einmal die Mühe zu ihr hinabzusehen, sondern versuchte stattdessen, die dünnen Ärmchen von ihrem Körper zu lösen. »Bitte, Mama. Oder bleib mit mir hier, ja?«, flüsterte das Mädchen inbrünstig und Zacharias fragte sich, ob sie wirklich das Richtige taten.

»Lass mich los!«, fauchte die Frau mit gefühlloser Stimme. »Ich will dich nicht!«

»Aber du bist doch meine Mama«, murmelte das Mädchen in völligem Unverständnis.

»Nein, nicht mehr«, antwortete die Frau und lächelte kalt. »Und nun lass mich los, du Göre!« Sie holte aus.

Sie schlug das Mädchen mit viel Kraft dahinter. Der Griff des Kindes löste sich tatsächlich von der Mutter und Joleen fiel hart zu Boden. Doch das war der Frau anscheinend nicht genug, denn sie ging auf das am Boden liegende Kind zu und trat noch einmal nach ihm.

Zacharias reagierte rein instinktiv, als er nach vorne schnellte. Ehe er sich selbst bewusst dazu entschied, schloss sich seine Hand um den Hals der Frau und er presste sie mit einem kräftigen Ruck an die Wand. Alles, was er sah, lag hinter einem feinen, roten Schleier. Seine Wut sorgte dafür, dass seine Instinkte seine Handlungen bestimmten. Und er war sich bewusst, dass auch seine Augen nun in einem tiefen Rot glühten.

»Du hast kein Anrecht mehr auf sie«, zischte er drohend. Die Frau legte sie Hände um sein Handgelenk, in der Bemühung den Griff zu lösen. Ihre Augen weiteten sich vor Schreck, als ihre Füße den Boden verließen. »Das heißt, wenn du noch einmal die Hand gegen unser Eigentum erhebst, werden wir dich töten!«

Die Frau nickte. Sie verstand ihn. Angewidert warf er sie mit einem Ruck von sich fort. Ihr Körper rutschte einige Meter weit über den Boden, bis ihr Kopf kräftig gegen die Wand schlug. Zacharias achtete nicht weiter auf sie. Stattdessen schloss er die Augen, um sich wieder zu beruhigen.

Nur langsam spürte er, wie die Wut in seinem Inneren nachließ.

»Mama? Mama, bitte wach auf!«

Erst als das leise Weinen an sein Ohr drang, öffnete er die Augen wieder und suchte den Raum nach Joleen ab.

Das Mädchen hockte neben den Körper seiner Mutter, die kleinen Hände auf deren Schulter gelegt. Sie schüttelte die Frau immer wieder. Unter dem Kopf bildete sich bereits eine kleine Blutlache. Sein Stoß war kräftiger gewesen, als beabsichtigt.

»Mama, bitte wach auf«, flüsterte Joleen erneut und sah erschrocken auf das Blut. Dann richtete sie den Blick auf Zacharias. Anders, als erwartet, sah er keine Wut in ihm, sondern ein Flehen. »Kannst du sie nicht wieder gesund machen? Du hast auch mein Knie wieder gesund gemacht.«

»Ich denke, das ist nicht möglich, Joleen«, erklärte Zacharias leise und ging auf sie zu.

Sie weinte nur noch heftiger und schüttelte ihre Mutter erneut. »Doch, du kannst das. Das weiß ich«, flüsterte sie und die großen Augen musterte seine ganze Familie nacheinander. »Bitte«, flehte sie. Zacharias kostete es große Überwindung, den Kopf erneut zu schütteln.

»Sie lebt noch«, flüsterte Fayn und warf ihnen allen einen vielsagenden Blick zu. Sie alle wussten, was sie damit andeutete. Alles in Zacharias sträubte sich dagegen.

»Könnt ihr gar nicht helfen? Bitte?«, flehte die Kleine erneut, und selbst in Nikolas' Blick schlich sich ein Anflug von Mitgefühl. Das Kind sah jedoch bereits wieder auf die Mutter und weinte immer heftiger. »Mama, du musst aufstehen«, bat sie. »Du wirst bestimmt wieder gesund, die Sirs und die Ladys helfen dir bestimmt, aber du musst jetzt aufstehen!«

Zacharias hörte, wie sein Vetter tief brummte. Das Flehen des Kindes hatte Erfolg. Es berührte seinen Cousin. Nikolas ging zu ihr und kniete sich neben der Frau nieder. »Steh auf Kind und lass dich wegbringen«, forderte er. »Ich mache sie dann wieder gesund.«

Joleen sah Nikolas zögernd an und dann sprang sie sofort auf und umarmte ihn kräftig. Zacharias konnte sehen, wie sich der Körper seines Cousins verspannte. Er mochte keine überraschenden, körperlichen Berührungen. Dennoch ließ er es sich für wenige Sekunden gefallen, was erstaunlich war. Dieses Kind schien auf sie alle eine seltsame Wirkung zu haben.

»Danke, Sir«, wisperte das Mädchen und sprang dann schnell beiseite.

»Bringt sie weg, wir wissen nicht wie die Mutter reagiert, wenn sie wach wird. Womöglich hat sie Durst«, sagte er und drehte den Körper der Mutter um, damit sie mit dem Gesicht nach oben lag.

»Komm mit mir«, hörte Zacharias seine Cousine sagen. »Wir werden ein schönes Zimmer für dich suchen und deine Sachen auspacken. Und später besuchen wir dann deine Mutter.« Zacharias nickte zufrieden und wusste, Fayn würde sich gut um das Kind kümmern.

Nikolas führte sein Handgelenk an den Mund und biss hinein. Zwei feine Rinnsale Blut traten daraus hervor. Dann hielt er seine Hand an den Mund der Mutter.

Zacharias beschlich ein ungutes Gefühl, während er zusah, wie sein Vetter die Mutter der Kleinen zu einer von ihnen machte und er das anhaltende Schluchzen von Joleen hörte, das sich wie eine dunkle Vorahnung durch die Flure des Hauses zog.

 

Fayn

Fayn

 

Sie brachte das Kind in den Flügel der Bluthuren. Dort befanden sich Christin und Tony, die Frauen, deren Aufgabe es nun war, sich um das Kind zu kümmern.

Sie erwarteten sie bereits. Als sie das verweinte Gesicht des Kindes sahen, zeichnete sich Sorge in den Gesichtszügen der Frauen ab. Eine Bestätigung für Fayn, die richtige Wahl getroffen zu haben.

Sie musterte die beiden Bluthuren. Christin war so hell, wie Tony dunkel war. Ihr langes weißblondes Haar, die blasse Haut, die bei Blutgefährtinnen der Standard war, hervorgerufen durch den Blutmangel, und die weiße Kleidung, die sie stets trug, standen im starken Kontrast zu Tony. Diese hingegen hatte eine dunkle, mokkafarbene Haut, ihre Augen waren von einem tiefen Braun, sie wirkten beinahe schwarz, und ihre langen dunklen Haare reichten ihr ebenfalls bis zur Hüfte. Sie waren beide zur gleichen Zeit bei ihnen eingetroffen, doch anstatt sich den üblichen Anfeindungen hinzugeben, die unter den Bluthuren an der Tagesordnung lagen, freundeten sie sich an. Sie besuchten auch gerne einen Vampir zu zweit, wenn dies sein Wunsch war.

Durch ihre Freundschaft waren sie nicht in die abgestumpfte Katatonie hinabgeglitten, die von vielen Bluthuren Besitz nahm und nur durch den Sex mit einem Vampir zu durchbrechen war. Durch ihre Verbindung gelang es ihnen, sich ihre Persönlichkeit zu bewahren.

Sie knieten beide nieder, als Fayn schließlich vor ihnen stehen blieb.

»Ihr dürft euch erheben«, erklärte die Vampirin. Neben ihr zog das Kind die Nase hoch. Fayn vermied ein Naserümpfen und dachte bei sich, wie abstoßend Menschen doch in mancherlei Hinsicht waren. Sie sah mit einem freundlichen Lächeln zu dem Kind. »Joleen, das sind Christin und Tony. Sie werden sich jetzt eine Weile um dich kümmern und dir dein Zimmer zeigen«, erklärte Fayn. Joleen nickte. Der kleine Körper erbebte immer noch durch die stummen Schluchzer. Fayn sah wieder zu den beiden Bluthuren. »Sollte sie sich nicht beruhigen, lasst nach einem von uns schicken. Wir werden uns dann schon darum kümmern.«

Christin und Tony nickten und verbeugten sich. Fayn nahm das Unbehagen in den Augen der Frauen wahr. Sie hörten die Worte, die Fayn nicht aussprach. Sie würden das Kind mental beeinflussen, wenn es nötig sein sollte. So würde sie sich beruhigen, selbst wenn sie es gar nicht wollte.

»Kommst du nicht mit?«, fragte Joleen und drückte Fayns Hand fester.

»Nein, ich muss mich um deine Mutter kümmern«, erklärte Fayn.

Joleens Mund formte sich zu einem verstehenden »Oh«, und das Mädchen ließ die Hand los, die sie seit einigen Minuten hilfesuchend umklammerte.

Fayn überlegte einen Augenblick, dann sagte sie: »Du bleibst hier und bist ein braves Mädchen!« Sie war nicht sicher, ob es Worte waren, die Menschenkinder gesagt bekamen, wenn man sie alleine ließ. Doch Joleen nickte ernsthaft, was Fayn als beruhigend empfand, als sie zurück in die Eingangshalle ging.

 

Sobald sie in die Eingangshalle trat, bemerkte sie die Veränderung. Der Körper der Mutter lag nicht länger auf dem Boden. Anscheinend war auch das Blut bereits von einem ihrer Diener entfernt worden. Sie spürte die Präsenzen ihrer Familie jedoch im Salon und sie wirkten allesamt erregt.

Neugierig, was dort vor sich ging, näherte sie sich der geschlossenen Tür.

»... kein gutes Gefühl bei der Sache«, erklärte Zacharias eindringlich, während Fayn den Salon betrat.

»Was hätten wir machen sollen? Das Mädchen dabei zusehen lassen, wie die Mutter verblutet?«, konterte Nikolas aufgebracht. »Ein toller Start für unser Experiment. Das Kind würde uns den Tod der Mutter anlasten.«

»Und was willst du mit ihr machen? Du hast sie verwandelt. Damit bist du auch für sie verantwortlich!«, fuhr Zacharias seinen Vetter an. »Du hast doch gesehen, wie sie das Kind behandelt. Glaubst du wirklich, wir könnten sie guten Gewissens hier behalten?«

»Wie du bereits sagtest, ich habe sie verwandelt, und somit unterliegt sie auch meinen Anweisungen«, antwortete Nikolas. Er blickte zu der Couch hinüber und als sie seinem Blick folgte, sah sie die Mutter des Mädchens, die dort abgelegt worden war.

»Wir sollten trotzdem alle ein Auge auf sie haben«, erklärte Cirrus nun. Nikolas fuhr zu ihm herum und sah ihn wütend an. Cirrus hob beschwichtigend die Hände und fuhr fort: »Ich teile deine Meinung. In diesem Augenblick, hast du das einzig richtige gemacht. Dennoch, gegenüber ihrer Tochter besitzt diese Frau ein erstaunliches Aggressionspotenzial.«

Fayn trat endgültig in den Raum und räusperte sich leise. Alle Blicke richteten sich auf sie. »Es wird so vorherbestimmt sein«, sagte sie leise. »Wir werden auf beide achtgeben und dann sehen, wie es sich entwickelt. Und vielleicht ist dieses ja der Bruch, den sie gebraucht hat, um ihrer Tochter endlich näher zu kommen.«

»Wie meinst du das?«, fragte Zacharias verwirrt. Seine Stimme klang abwehrend.

»Vielleicht gelingt es ihr nun den Hass, den sie auf ihre Tochter hat, abzulegen. Sie wird ein neues Leben beginnen. Vielleicht ist es auch ein Neustart für Mutter und Tochter«, erklärte Fayn weiter. »Dieses Kind dürstet nach der Liebe seiner Mutter, weil es sie nie erhalten hat. Wenn wir es schaffen, dass die beiden sich näher kommen, dann könnte es förderlich für unseren Versuch sein.«

Die Gesichter ihrer Familie bekamen nachdenkliche Züge. Sie würden zu der gleichen Einsicht kommen, wie sie, da war Fayn sich sicher.

»Also gut«, erklärte Zacharias schließlich. »Nikolas, dir obliegt die Entscheidung, was mit Martina passiert. Du bist für sie zuständig, in sämtlichen Bereichen.«

»Dafür soll ich mich von dem Kind fernhalten?«, fragte Nikolas provokant.

»Nein. Sie jedoch vorerst schon. Solange wir nicht sicher sein können, wie so etwas, wie vorhin im Eingangbereich, zu verhindern ist. Denn sie ist nun um ein Vielfaches stärker, was bedeutet, es könnte für das Kind das nächste Mal tödlich enden«, erläuterte Zacharias.

Anspannung lag in der Luft, während Zacharias und Nikolas sich anstarrten. Schließlich sah Fayn, wie ihr Bruder nickte und sie entspannte sich. Er war zwar aufbrausend und stur, doch er wusste auch, was richtig war und was nicht.

Nikolas

Nikolas

 

Nachdem die Besprechung mit seiner Familie beendet war, veranlasste Nikolas, man möge die Mutter des Kindes in einen anderen Raum bringen. Er entschied sich für eines der Gemächer, die für seine Blutsklavinnen vorgesehen waren. Sie fanden ohnehin keinen Nutzen, da es ihm nicht danach verlangte, sich an einen Menschen zu binden. Zudem erschien es ihm besonnener die Mutter des Kindes in seiner Nähe zu behalten.

Was ihn schlussendlich dazu gebracht hatte, dem Flehen des Mädchens nachzugeben, wusste Nikolas immer noch nicht zu sagen. Nun fragte er sich, ob seine Schwester nicht doch richtig lag. Womöglich war es ihnen allen vorherbestimmt.

Es klopfte leise. Ehe er seine Zustimmung ausdrücken konnte, öffnete sich die Tür. Fayn trat ein.

»Sie schläft immer noch?«, fragte seine Schwester und trat zu ihm.

Nikolas nickte. Die Verwandlung dauerte von Mensch zu Mensch unterschiedlich lang. Dies war ihnen allen bekannt. Zu viele Faktoren spielten in die Verwandlung mit hinein und deshalb konnte man keinen genauen Zeitpunkt nennen. Es blieb einem lediglich die Möglichkeit, auf die kleinen Zeichen zu achten, die das Ende der Transformation ankündigten. Fayn lächelte ihn an, und erinnerte ihn einen Augenblick an ihre Mutter. »Brauchst du etwas?«

»In der Tat«, murmelte Nikolas und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich brauche zwei Bluthuren. Eine männlich, die andere weiblich. Am besten jemanden auf den wir verzichten können, da ich nicht weiß, wie gut sie sich nach der Verwandlung beherrschen kann.«

Fayn warf einen Blick auf die blonde Frau, die schlafend auf dem Bett lag. »Ja, sie scheint nicht zu den Menschen zu gehören, die sich gut beherrschen können.«, stimmte sie Nikolas zu. »Ich werde es veranlassen und dir die Bluthuren auf das Zimmer schicken. Wie schaut es mit der Weiblichen aus, hast du da besondere Wünsche?«

Nikolas schüttelte den Kopf. Er hegte kein Interesse an einem bestimmten Typ von Bluthure. Solange er seine Bedürfnisse stillen konnte, war ihm jede von ihnen recht. Seine Schwester verließ den Raum.

Er betrachtete die schlafende Frau. Im Tod besaß sie eine Schönheit, die ihr als lebende niemals vergönnt gewesen war. Sicher, für menschliche Verhältnisse mag es eine Zeit gegeben haben – vor Drogen und Alkohol – wo sie hübsch gewesen sein mochte. Nun, da sein Blut sie verwandelte, erreichte sie einen neuen Grad von Eleganz und Anmut, dies war jetzt schon zu erkennen.

Es klopfte leise. Mit Hilfe eines mentalen Befehls brachte er die Tür dazu, sich zu öffnen. Zwei Bluthuren, traten mit gesenkten Blicken ein und gingen dann sogleich vor ihm auf die Knie.

Die Wahl seiner Schwester sagte ihm zu, doch das wunderte ihn nicht. Sie besaß ein untrügliches Gespür, wenn es um die Auswahl der Bluthuren ging.

»Du«, er deutete auf den Jungen, der blass und schlapp vor ihm auf dem Boden kauerte. »Geh dort rüber und warte, bis sie wach wird. Sie wird durstig sein, wenn sie erwacht.« Die männliche Bluthure nickte und folgte der Anweisung.

Als er die schlafende Neuvampirin betrachtete, durchlief ein Zittern den Körper der Bluthure und Nikolas konnte seine Erregung spüren. Er unterdrückte ein angewidertes Lächeln. Bluthuren waren dermaßen berechenbar. Ihnen ging es nur darum, möglichst oft mit einem Vampir vögeln zu können, sich der Blutlust hinzugeben. Die Aussicht, womöglich dabei zu sterben, blendeten sie gekonnt aus.

Er ließ den Blick zu der weiblichen Bluthure wandern, die für ihn ausgewählt worden war. Sie war noch jung für eine Bluthure. Die meisten Blutgefährtinnen entschieden sich zwischen Ende zwanzig und Anfang vierzig für ein Leben als Bluthure. Also in jenem Zeitraum, in dem sich die meisten Menschen begannen, sich mit ihrer Sterblichkeit auseinanderzusetzen. Der Sex mit einem Vampir ließ sie sich lebendig fühlen. Welche Ironie, denn er brachte sie dem Tod näher als alles andere. Nur ein unbedachter Augenblick ...

»Sieh mich an!«, forderte er. Nun, da sie einen direkten Befehl von ihm erhielt, hob sie den Kopf und starrte ihm erwartungsvoll entgegen. Sie war nicht besonders hübsch, selbst für menschliche Verhältnisse. Ihre braunen Augen wirkten stumpf, ebenso wie ihr hellbraunes Haar, das sich glatt und trostlos um ihr Gesicht legte. Der Körper war etwas zu dürr, als dass er ihm hätte gefallen können. Doch sie war dem Zweck, für den sie hier war, schon dienlich.

»Steh auf!«, befahl er. Die Bluthure kam seiner Aufforderung sofort nach. Mit der rechten Hand umfasste er ihren Nacken und ein erwartungsvolles Zittern durchlief den Körper der Bluthure. Glanz trat in ihre Augen.

Ja, das Feuer der Blutlust packte auch die Menschen und zog sie immer mehr in den Abgrund. Wie lange die hier wohl schon abhängig war?

»Leg den Kopf zur Seite!«, forderte er. Wieder kam die Bluthure der Forderung umgehend nach.

Er beugte sich zu ihr hinab und ließ die Lippen über ihren Hals fahren. Ihr Geruch war nichts Besonderes. Dann trat die Ahnung, von dem Geschmack ihres Blutes, in sein Bewusstsein. Dies war ausreichend, um seine Reißzähne hervorschnellen zu lassen. Ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen, während er sie umrundete und hinter ihr stehen blieb. Die Bluthure verharrte bewegungslos, nur dieses leichte Zittern, das ihren gesamten Körper beherrschte, verriet ihre Erregung.

»Zieh dein Kleid aus!«, knurrte Nikolas. Mit einer ruckartigen Bewegung umfasste er die Brüste der Frau, ehe er einen Schritt von ihr zurücktrat. Die Bluthure stöhnte in freudiger Erwartung auf. Dann beeilte sie sich damit, das Kleid abzulegen. Schließlich stand sie nackt vor ihm und er ließ eine Hand zwischen ihre Schenkel gleiten. Augenblicklich schob er zwei Finger in sie hinein, während er mit der anderen Hand fest in ihre Brustwarze kniff. Die Bluthure war bereits feucht und willig, ihn zu empfangen.

Nikolas Reißzähne wurden nochmals länger. Langsam ließ er sie über die Haut des Weibsbildes fahren, ohne sie jedoch zu durchstoßen. Die Hure sollte ihn anbetteln. Sie sollte flehen und auf den Knien vor ihm liegen.

»Bitte, Sir«, hauchte sie. Sie legte den Kopf noch mehr beiseite, damit er besser an ihren Hals herankommen konnte. »Bitte, ich flehe Sie an, ich brauche Sie in mir.«

Ein zufriedenes Lächeln erschien auf Nikolas’ Gesicht. Diese Worte wollte er hören.

Er zog die Finger aus ihr heraus und griff ihr dann mit der Hand in die Haare. Kräftig zog er ihren Kopf zurück. Wieder stöhnte sie auf und rieb mit ihrem Hintern an seiner harten Erektion.

»Bitte.« Ein erneutes Flehen und der Körper unter Nikolas erzitterte. Mit sanften Druck, brachte er sie dazu, einige Schritte nach vorne zu machen, bis sie an der Rückenlehne des Sofas, das die Mitte des Raumes zierte, zum Stehen kam. Dann presste er sie nach unten, beugte sich über sie und ließ die Spitzen seiner Reißzähne über ihre Haut fahren.

Sobald seine Zähne durch ihre Haut stießen, erbebte die Bluthure unter ihm und schrie vor Lust auf. Nikolas ließ jedoch nicht von ihr ab, sondern drang mit harten, unnachgiebigen Druck in sie ein. Ihr warmes, süßes Blut floss seine Kehle hinab.

Er saugte kräftig an der Wunde und mit jedem Schluck steigerte sich seine Lust. Mit immer härter werden Stößen brachte er sich seinem eigenem Höhepunkt immer näher. Die Frau unter ihm stöhnte laut und schob ihm das Becken immer wieder entgegen. Zwischendurch entfuhr ihr ein Schrei der Begierde.

Er löste die Hand aus ihrem Haar und kniff fest in ihre harten Nippel. Sie schrie erneut auf, dieses mal jedoch vor Schmerz. Er liebte es, wenn durch Schmerz produziertes Adrenalin das Blut durchtränkte. Es besaß einen ganz eigenen Geschmack.

Die Aura der Blutlust hüllte sie ein. Das lustvolle Stöhnen seiner Gespielin zeigte deutlich, wie sehr auch sie den Schmerz genoss. Er packte fester zu und sie kam ein weiteres Mal unter ihm.

Nikolas packte die Bluthure bei der Hüfte und drehte sie um und stieß erneut, noch kräftiger, in sie hinein. Die Bewegungen seines Beckens wurden immer drängender, die Stöße härter und er spürte, wie sie die Schenkel um ihn schlang.

Mir der Zunge leckte er das Blut auf, ehe seine Lippen die Wunden erneut umschlossen. Er fuhr fort, den köstlichen Lebenssaft der Frau in sich aufzusaugen. So ritt er sie und näherte sich rasant seinem Orgasmus.

Sobald er zum Höhepunkt kam, ließ Nikolas augenblicklich von der Bluthure ab. Sie lag schwer atmend und zitternd auf dem Sofa. Ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen. Nun, da Nikolas befriedigt und satt getrunken war, interessierte ihn die Bluthure nicht weiter.

»Du kannst gehen!«, erklärte er knapp und nickte kurz hinüber zur Tür. »Lass dir in der Küche ausreichend zu Essen und zu Trinken geben.«

»Natürlich, Sir«, antwortete die Bluthure atemlos und stand zitternd auf.

Seine Blutlust war bereits wieder abgeklungen und nun konnte er sicher sein, nicht den Drang zu verspüren einzugreifen, wenn die neue Vampirin erwachte. Denn sobald sie es tat, würde sie sich der männlichen Bluthure zuwenden.

Er hörte das Rascheln der Kleidung, während die Bluthure sich schweigend anzog. Dann, ohne ein weiteres Wort, verließ sie das Zimmer. Nikolas setzte sich auf das Sofa und starrte abwartend zum Bett hinüber. Bald erwachte die neue Vampirin. Dies könnte eine durchaus interessante Angelegenheit werden.

Martina

Martina

 

Ihr Erwachen fühlte sich eigenartig an. Fremd, wie auch ihr Körper. Wo war sie überhaupt? Der Stoff, den sie unter ihren Fingern spürte, erschien ihr unbekannt. Auch die Matratze, auf der ihr Körper lag, kam ihr fremd vor.

Martina lauschte in sich hinein und ein Schreck durchzuckte sie. Sie atmete nicht. Wieso verlangte ihr Körper nicht nach Sauerstoff? Sie machte einen tiefen Atemzug, doch sie empfand keine Erleichterung. Sie vermisste die Luft nicht. Verwirrt öffnete sie die Augen und setzte sich auf.

Sie war in einem vornehm eingerichteten Raum untergebracht worden. Von wem? Das Bett, auf dem sie lag, ein riesiges Himmelbett, war mit Laken aus Seide bezogen. Das Holz war dunkel und matt, doch sein Geruch lag schwer in der Luft. In einer Ecke stand ein Regal, bestückt mit aufwendig gebundenen Büchern. Am gegenüberliegenden Ende des Raumes war eine Sitzecke aufgebaut worden.

Auf einem Sofa entdeckte sie einen Vampir und zuckte innerlich zusammen. Sie konnte nicht sagen, woher sie es wusste, doch einfach alles an ihm schrie danach.

Das kurze, schwarze Haar betonte das Grau der Augen, die weiße Haut erschien ihr makellos. Seine Kleidung war vornehm und von bester Qualität. Auch seine Haltung besaß eine stille Eleganz. Er sah ihr ruhig in die Augen und schien auf etwas zu warten.

»Was ist passiert?«, fragte Martina verwirrt. Dann kam die Erinnerung. Ihre Tochter, dieses wertlose Balg, war von ihr an die Vampire verkauft worden. Doch was war dann geschehen? Wie kam sie in dieses Zimmer? Wieso war sie noch hier?

»Du bist gestorben«, erklärte der Vampir ungerührt und sah sie weiterhin an.

Martina runzelte die Stirn. Gestorben? Aber sie war doch hier! Sie fühlte sich lebendig. Sie konnte fühlen, sprechen und sich bewegen. Sie erstarrte. Sie handelte wie eine Lebende, doch sie brauchte nicht zu atmen, und auch ihren Herzschlag konnte sie weder spüren noch hören.

»Bin ich ein ...?«, setzte sie erschrocken an, doch sie traute sich nicht, das Wort »Vampir« auszusprechen. Es zu sagen machte es real.

»Ja«, antwortete der Vampir knapp.

»Aber wie?«, flüsterte Martina entsetzt und schüttelte fassungslos den Kopf. Ihr Leben hätte nun, da sie Joleen los war, beginnen sollen. Stattdessen war sie gestorben? Ein Vampir? Ein Wesen der Nacht?

»Du hast dich an unserem Eigentum vergriffen und wurdest dafür bestraft. Einzig das Bitten und Flehen deiner Tochter hat uns zu der Entscheidung geführt, dir eine zweite Chance zu gewähren. Wir haben dich zu einer von uns gemacht«, erklärte der Vampir ungerührt.

Nikolas! Schoss es Martina durch den Kopf. Ja, sie kannte seinen Namen. »Und was, wenn ich das nicht will?«, fragte Martina und bemerkte, wie ein drohendes Knurren in ihrer Stimme mitschwang.

»Dann steht es dir frei, dir selbst einen Pflock durch das Herz zu treiben. Natürlich im übertragenden Sinne", antwortete Nikolas schulterzuckend.

Martina zuckte zusammen. Wenn sie es recht bedachte, wollte sie doch nicht sterben. »Und nun?«, fragte sie, und hoffte, er würde ihr eine Antwort geben.

Nikolas stand auf und kam zu ihr hinüber. »Nun solltest du erst einmal etwas trinken«, erklärte er. »Sicherlich bist du durstig.«

»Blut trinken?«, fragte sie entsetzt. Bei dem Gedanken daran wurde ihr schlecht. Dann runzelte sie die Stirn. Nein, ihr Magen zog sich zwar zusammen, jedoch nicht vor Übelkeit, sondern in freudiger Erwartung. Ja, sie wollte Blut trinken. Nur wo sollte sie es herbekommen?

»Ich habe dir etwas herkommen lassen«, erklärte Nikolas lächelnd. Konnte er ihre Gedanken lesen? »Nein, ich kann deine Gedanken nicht lesen«, versprach er ihr und Martina zog eine Augenbraue hoch. Seine Antwort strafte ihn Lügen. Schließlich antwortete er ja auf ihre Gedanken. »Ich kann deine Gefühle wahrnehmen, da ich derjenige bin, der dich verwandelt hat. Was das bedeutet, werde ich dir erklären, aber erst, wenn du satt bist.« Er öffnete eine Tür und dahinter kam ein großes, einladendes Badezimmer zu Vorscheinen. Hinter der Tür stand ein Junge, blass, abgekämpft, mit tiefen Ringen unter den Augen.

Martina ahnte, weswegen er hier war, und leckte sich die Lippen. Oh ja, sie wollte ihn, wollte ihre Zähne in seinen Hals rammen und ihn aussaugen, bis kein Tropfen Blut mehr durch seinen Körper floss.

Sie spürte eine Veränderung in ihrem Mund. Verwundert öffnete sie ihn und betastete mit den Fingern vorsichtig die scharfen Reißzähne, die bei der Vorstellung den Jungen auszusaugen aus ihrem Zahnfleisch geschossen waren.

»Du wirst dich daran gewöhnen«, erklärte der Vampir. Dann packte er den Jungen am Handgelenk und zog ihn aus dem Badezimmer. »Geh zu ihr, du bist hier, um ihr zu gefallen!«, befahl der Vampir dem Jungen und dieser nickte und kam mit hitzigem Blick auf sie zu.

Martina war sich schon immer bewusst darüber, wie sie einen Mann um den Finger wickeln konnte. Sie setzte ein verführerisches Lächeln auf und rutschte auf dem Bett ein wenig zur Seite, um ihm Platz zu machen. Der Junge blieb mit gesenktem Blick vor dem Bett stehen und begann die Kleider abzulegen.

Fasziniert beobachtete sie das Spiel seiner Muskeln. Doch dann fesselten sie die fein pulsierenden Adern, die sich unter der Haut durch seinen gesamten Körper zogen.

»Komm her!«, hauchte sie. Der Junge folgte der Anweisung sofort. Martina stellte erfreut fest, wie leicht es war und legte eine Hand auf die warme Brust.

Als sie den rasenden Herzschlag unter ihren Fingern spürte, loderte Hass in ihrem Inneren auf. Ihr Herz schlug nicht mehr. Schuld daran trug das egoistische, kleine Ungeheuer, dem sie das Leben geschenkt hatte. Joleen war es zu verdanken, dass sie hier saß und als wandelnde Tote verdammt war.

Wütend und ohne Vorwarnung beugte sie sich vor, und vergrub ihre Zähne in dem Hals des Jungen. Es kümmerte Martina nicht, ob sie ihm Schmerzen zufügte. Sein Zusammenzucken nahm sie nur bedingt wahr. Und dann begann sie an den Wunden an seinem Hals zu saugen. Süßes und warmes Blut schoss ihr in den Mund und der Junge stöhnte unter ihrer harten Berührung auf.

Sie würde Joleen dafür büßen lassen. Das kleine Biest hatte sie das Leben gekostet. Doch erst einmal, musste sie mit diesem Jungen hier vorliebnehmen. Sie saugte kräftiger und spürte, wie der Junge sich an sie drückte. Seine Erektion presste sich spürbar an ihren Schenkel. Während sein warmes Blut ihre Kehle hinab floss, zog sich ihr Unterleib in pulsierenden Wellen zusammen und eine nie gekannte Lust erfasste sie. Ja, sie wollte ihn in sich spüren, wollte auf seinem Schwanz reiten, während sie von ihm trank.

Ohne die Lippen von dem Hals zu lösen, schob sie ihren schwarzen Rock über die Schenkel nach oben. Sie sparte es sich den Stringtanga auszuziehen, sondern zerriss den dünnen Stoff mit einem Ruck. Dann drückte sie den Jungen hinab auf das Bett und ließ die Hüften über seinen harten Schwanz kreisen. Übergangslos ließ sie sich darauf nieder.

Der Junge stöhnte vor Lust laut auf. Auch Martina bemerkte, wie ihr Atem sich beschleunigte. In einer Ecke ihres Gedächtnisses wunderte sie sich darüber, schließlich benötigte sie keine Atemluft mehr. Doch dann hüllte sie eine starke Welle der Blutlust ein und alles andere rückte in den Hintergrund.

Alles, was in diesem Augenblick zählte, war der Schwanz des Jungen, auf dem sie einem Höhepunkt entgegen ritt, wie sie ihn zu Lebzeiten niemals hätte erleben können, da sie daran zerbrochen wäre. Der einzige Gedanke – außer an Sex – der sich in ihrem Kopf weiterhin fest verankert hielt, war der an Rache.

Rache an Joleen, weil sie Martinas Leben zerstört hatte. Sie würde auch das Leben ihrer Tochter zerstören, doch nun, da die Ewigkeit vor ihr lag, konnte sie sich dabei Zeit lassen.

Einige Worte der Autorin

Einige Worte der Autorin

 

Lieber Leser,

 

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Vielen Dank für deine Zeit

 

Jeanette Peters

 

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Impressum

Tag der Veröffentlichung: 14.07.2018

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