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Das, was ich nicht kommen sah

 

 

 

 

Entflammt

 

 

Das, was ich nicht kommen sah

 

Der Tag war strahlend. Nein, er war mehr als das, denn er war vollkommen. Obwohl es Dezember war, kalt Draußen, nebelig und dunkel, verspürte ich, dass heute etwas sonderbares passieren würde. Sobald ich aus meinem Bett gekrochen war, stand ich unter Strom. Meine Adern pulsierten und die Glückshormone schossen nur so durch mein Blut. Nur noch 14 Tage und dann würde ich 16 werden. Meine Laune schien ansteckend zu sein, denn als ich die Treppen runter gekommen war, hatte meine Mommy schon den Kaffee für mich gekocht und ihn so zubereitet, wie ich ihn am liebsten hatte. Hell. Hälfte Wasser, Hälfte Mich und zwei Löffel Zucker. Daddy nennt es immer „Plemmper“, aber ich liebe es genau so.

Ich trank ihn hastig und lief wieder die Treppen hinauf, da ich ziemlich im Stress war.

Vor genau zwei Wochen gab mir meine Tante ihren Schminkkasten, den ich unbedingt mal ausprobieren wollte, weil man bei guter Laune auch etwas Make-Up auftragen könnte.

Ich stellte mich vor den Spiegel und musterte mich. Ein kleines, schlankes Mädchen erschien mir im Spiegel, mit frisch geschnittenen, kinnlangem Haar. Die blondbraunen Haare lagen heute perfekt. Ich fühlte mich gut. Ich trug mir Wimperntusche, Eyeliner und etwas Puder auf, ging Richtung Schrank, zog mein blaues Hemd und meine schwarze Jeans über, packte meine Tasche und lief zur Tür. Wie jedes Mal rannte ich aus der Tür, mit dem Kuss, den ich meiner Mommy auf die Wange drückte und den Worten: „ Mommy ich habe dich lieb, bis heute Mittag.“

Dann verließ ich das Haus.

Als ich aus dem Haus war, wartete Annie schon auf mich. Sie umarmte mich verräterisch und wir liefen los. Wenn ich jetzt schon gewusst hätte, was noch passieren würde, wäre sie mir nicht unter die Augen getreten.

Nach kurzer Zeit, merkte ich, dass ich immer noch total unter Strom stand, nicht wissend was mir widerfuhr, doch eins blieb mir im Klaren, heute, Marisabella, heute ist dein Tag.

Als wir in der Schule ankamen, setzt ich mich wie üblich auf meinen Platz in der letzten Reihe. Neben Mona.

Mona ist undefinierbar. Ob sie wohl eine gute Freundin ist? Mit der man Unterschiedliches teilen kann? Konnte ich bei ihr ich selbst sein?

Ich strahlte sie an und sie spürte auch, dass ich gute Laune hatte. Auch wenn jetzt Schule war und ich später noch den Literaturkurs hatte- der allerdings zur Zeit echt ätzend war- freute ich mich -scheinbar- auf die Mittagspause mit Mona.

Erst Mathe, dann Deutsch und zuletzt Physik. Schlimmer kann es nicht werden, oder ?

Ich meine Deutsch ist toll, aber Mathe und Physik an einem Tag, dass ist definitiv zu viel des Guten.

Ich zählte die Sekunden ab. 5,4,3,2,1 und es gongte. Endlich! Mona grinste mich mit ihrem fesselnden Lächeln an und wir liefen den Gang entlang.“ Du Marry? Ich glaube ich habe heute jemanden gesehen, der verdammt gut aussieht!“ -Aha, da war es schon wieder, dass ich-habe-heute-mal-wieder-eine-glatte-10-entdeckt-um-dich-zu-überzeugen-Lächeln. „ Ja, Mona... Wer ist den heute unser Mr. Charming?“

Langsam verlor ich den Überblick.

„Kyle Kingly“, kicherte Mona. „Kyle Kingly, ist der nicht in der 12? Also der kleine?“ Ich prustete los und Mona stimmte in mein Prusten mit ein. Oh ja, sie meinte es ernst. Kyle. Kyle Kingly.

„ Aber Mona? Ehrlich gesagt, ist er ja nicht so mein Typ. Ich meine, naja du weißt schon was ich meine, er ist klein. Also nicht, dass ich ihn jetzt deswegen verurteilen würde. Ich meine er kann ja nichts dafür. “ Mona konnte sich nicht mehr halten. Sie wusste, dass ich manchmal aus, naja, sagen wir Instinkt Menschen zu verurteilen neigte. Das ist ja auch irgendwie normal in unserem Alter, oder nicht? Doch! Sicherlich! Das kennt doch jeder, wenn er ehrlich zu sich selbst ist - ohne oberflächlich wirken zu wollen. Ich finde größere Jungs eben einfach attraktiver.

Da sie nicht aufhören konnte zu lachen und ich kein Spielverderber sein wollte, lachte ich mit. Dann wir liefen wir in den Raum in dem mein Literaturkurs stattfand. Da war meine Sünde! Wirklich, bildlich vor mir, saß sie da am Fenster. Was ich vorher natürlich nicht ahnen konnte. Urplötzlich hörte ich auf zu lachen, denn es schien mir nicht mehr derart lustig zu sein. Eigentlich war es von Anfang an nicht lustig, aber ich wurde ja quasi genötigt zu lachen.

Da war er.

Kyle saß hinten in seiner grünen Winterjacke an einem Tisch und macht Hausaufgaben- Kyle, die Sünde in grün- mich überkam ein unangenehm komisches Gefühl. Obwohl er nicht wusste, wie „außerordentlich freundlich“ ich von ihm geschwärmt hatte, fühlte ich mich schlecht. Um mir mein flaues Gefühl nicht anmerken zu lassen, flüsterte ich zu Mona:„Wenn man vom Teufel spricht, so besucht er einen am liebsten!“ Mona- die Kichererbse- tat das, was sie immer tat und ihm am leichtesten fiel. Lachen. Kyle drehte sich zu uns. Sein Blick traf direkt in meine Augen. Genervt und verwirrt zugleich. Ich wusste nicht wieso, aber ich wollte ihn unbedingt ansprechen, mit ihm reden. In mir brach Panik aus. Mein Blick überflog den Raum. Offenes Fenster. Bingo.

„Ehm, kannst du mal das Fenster zu machen?! Es zieht!“, als ich diese Worte über meine Lippen brachte, hätte ich mir direkt eine Ohrfeige dafür verpassen können. Wie konnte mein idiotisches Ich nur so etwas sagen...

Kyle stand auf. Schloss das Fenster. Setzte sich wieder hin und begann zu schreiben.

Ich war ratlos. Eine unübliche Situation in der ich mich nun befand. Denn eigentlich bin ich nie ratlos. Erster Gedanke: Ich hatte es mir dermaßen erfolgreich versaut!

Ich stieg in Monas immer noch lachende Hülle mit ein, in der Hoffnung die Situation noch retten zu können. Sodass er vielleicht dachte, dass es nur eine Wette gewesen war.

Mein Herz klopfte und mir viel plötzlich auf wie verändert er auf mich wirkte.

Meine Wangen glühten, mein Puls wurde schneller sowie mein Herz schneller pochte.

Er hatte tolles Haar und ein wunderschönes, markantes Gesicht. Als er zu mir aufschaute, blickten mich seine grünen Augen vielsagend an. -Zumindest träumte ich das-.

In Wirklichkeit stand er genervt mit einer hastigen Bewegung auf und ging im schnellen Schritt Richtung Tür. Weg war er. Und ich blieb zurück. Ich verspürte den Drang im nachzulaufen. Mich für etwas, was auch immer, zu entschuldigen. Nur um zu zeigen, dass ich existierte, dass ich da war, dass ich wichtig war. Doch was machte ich stattdessen? Ich lief ihm nach und sprang ihm in die Arme. JA, wahrscheinlich habe ich genau das gemacht. NEIN! Ich blieb wie angewurzelt neben Mona stehen.

Mein Blick wurde trüb. „Oh man Marry, DAS war eine geile Aktion“ strahlte sie selbstgefällig. Ich zwang mir ein Lächeln auf:“ Oh ja, das war es, hast du mal seinen Blick gesehen? Klein Kyle in Aktion.“ Ich sagte das, was wahrscheinlich jeder in meiner Situation gesagt hätte, der sich nicht blamieren wollte. Innerlich: Aaaaawwwww!

Ich bereute diese Worte, doch was ich vorher über ihn gesagt hatte, änderte sich schlagartig. Er war gar nicht klein, er war einfach nur atemberaubend. Wobei, klein war er schon, aber das Atemberaubende überwog.

Meine Definition von klein: männlich 175.

Der Gedanke an ihn ließ mich unter Strom laufen. Das könnte ich nimmer zugeben. Nicht jetzt! Vor allem nicht vor Mona.

Zum Glück war die Mittagspause vorbei, sodass sie mich nicht weiter mit der Situation konfrontieren konnte. Ich musste schleunigst einen klaren Kopf kriegen, jedoch ohne ihr Persönlichkeit.

Sie blickte auf die Uhr, die im Klassenzimmer über der Tafel hing und verließ den Raum, während sie mich flüchtig umarmte. Endlich!

Als sie weg war, setzte ich mich auf meinen üblichen Platz, denkend an Kyle. Ein Verschwenderischer Gedanke. Tagträume waren das, was ich hasste. Doch ich wünschte mir ich wäre, wie in meiner Vorstellung, zu ihm gelaufen und hätte ihn nach seiner Nummer gefragt. Tja, dumm gelaufen Marisabella.

Ich spürte das Bedrängnis mehr über ihn wissen zu wollen.

Ich spürte das Bedrängnis ihn um mich haben zu wollen, koste es was es wolle.

Ich nahm mir fest vor Kontakt aufzunehmen .

Ich erkannte, dass er der Strom war, der heute morgen durch meine Andern pulsierte. Der meine Wangen zum glühen und mein Herz zum Pochen brachte.

Das Glückshormon von heute morgen.

 

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Tag der Veröffentlichung: 03.06.2015

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