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Richter Scythe verliert den Kopf

Maria Thermann

 

Inspektor Beagle ermittelt...

 

Drei Kurzgeschichten ohne Speck & Würstchen, aber mit Mord & viel Humor

 

 

 

This novel is entirely a work of fiction. The names, characters and incidents portrayed in it are the work of the author’s imagination. Any resemblance to actual persons, living or (un)dead, events or localities is entirely coincidental.

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Drei Kurzgeschichten

 

 

 

1. Richter Scythe verliert den Kopf

2. Er war einfach weg

3. Hunde lügen nicht

 

 

 

Richter Scythe verliert den Kopf

 

 

“Die Adresse ist Eaton Place 115, Mumsgate. Kommen Sie schnell! Ja, ja, sag ich doch, Einbruch beim Richter Scythe!” Mrs. Winterbottom legte den Hörer auf und verließ den blauen Polizeikiosk. She überquerte die Straße und beeilte sich, zu Ihrem Arbeitgeber zurückzukehren, bei dem sie schon seit 15 Jahren als Haushälterin tätig war.

Sie bemerkte mit Zufriedenheit, daß wenigstens im Eaton Place die Leute sich an die Verdunklungsregelung hielten. Die Straße lag in völliger Finsternis und kein Licht lugte hinter den verdunkelten und teils vernagelten Fenstern hervor. In der Schwärze der Nacht stolperte Mrs. Winterbottom über einen hohen Kantstein und verscheuchte eine Katze mit ihrem Fluch.

“Haben Sie schon überprüft, ob was fehlt? Viel Unordnung hat der Einbrecher ja nicht gerade gemacht,” bemerkte Inspector Beagle, als er sich eine viertel Stunde später im Arbeitszimmer des Richters einfand.

“Den Tresor hat der Halunke nicht aufgekriegt! Ein paar von den Akten sind auf dem Tisch verrückt und der Papierkorb wurde durchwühlt. Ach ja, die Schublade vom Schreibtisch ist aufgebrochen worden und der Inhalt ist weg.” Mrs. Winterbottom zeigte auf das beschädigte Schloss des antiken Schreibtisches.

“Keine Wertsachen sind weg?” Der Inspector kratzte sich am Hinterkopf und verrückte dabei seinen Hut. “Ich meine, welcher Dieb benutzt eine perfekte Gelegenheit wie einen Bombenalarm um einzubrechen und stiehlt dann nur ein paar Federhalter und Schreibblöcke! Wo doch keiner was gemerkt hätte; alle Nachbarn waren doch in den Luftschutzbunker geflüchtet! Irgendwas Wertvolles muß doch fehlen?”

“Also da müssen Sie den Herrn Richter fragen. Ach, ich glaube er kommt gerade nach Hause!” Martha Winterbottom wandte sich ab und eilte in den Flur, um ihrem Arbeitgeber den Mantel abzunehmen.

“Was geht hier vor, Martha? Ein Polizeiauto vor dem Haus?” Richter Scythe folgte Martha ins Arbeitszimmer und sah Inspektor Beagle fragend an. Der lächelte nur freundlich und machte eine leichte Bewegung mit dem Kopf in die Richtung der Küche. Der Richter verstand sofort.

”Martha, mach uns bitte etwas Tee.” Richter Scythe hielt die Tür offen und nickte Martha freundlich, aber entschlossen zu.

Der Inspektor erklärte die Situation, bevor Martha eine Gelegenheit bekam ihre eigene Version zu erzählen. Mrs. Winterbottom verlies mit grimmigem Gesicht das Zimmer und trollte sich in die Küche. Lautes Krachen und das Poltern von Geschirr verrieten was Martha von der Sache im Allgemeinen und von Inspektor Beagle im Besonderen hielt. Der Richter starrte wie betäubt in die Ecke des Zimmers, wo der kleine Tresor gegenüber des Schreibtisches stand.

“Können Sie mir sagen, was dem Schreibtisch entnommen wurde?” Inspektor Beagle sah den Richter fragend an. Kam es Inspektor Beagle nur so vor oder waren die Wangen des Richters gerade rot geworden? Vielleicht war’s das Licht? Mit der funzligen Lampe im braunen Lampenschirm und den verschlossenen, rotbraunen Brokatvorhängen kam ihm der Raum stickig und eher klaustrophobisch vor.

Kein Wunder, daß Scythe bei seinen Kollegen als Griesgram galt. Beagle seufzte und setzte sich auf einen unbequehmen Stuhl neben einem Buchregal aus Nußbaum. Der Inspektor äugte neugierig auf die Titel und bemerkte mit einem kleinen Anflug von Schadenfreude, daß das Buchregal recht staubig war. “Bei der Ordnung, die hier herrscht, wird es Ihnen doch bestimmt ein Leichtes sein, eine Liste der fehlenden Sachen aufzustellen. Sie sind ein Glückspilz, nicht jeder hat eine so tüchtige Haushälterin,” sagte er dennoch.

Richter Scythe’s Wangen wurden noch etwas roter und er eilte zum Schreibtisch, um den Schaden zu besehen. “Einige Kleinigkeiten fehlen, eine Lapalie, weiter nichts. Ach herrje, mein Notizbuch –“

“Ja? Sie vermissen doch etwas?” Inspektor Beagle war sich sicher, daß der Richter eben vor Schreck die Augen weit aufgerissen hatte. Was verbag der komische Kauz nur?

“Aber nein, es ist ja im Tresor! Hatte ich ganz vergessen, habe es gestern abend noch im Tresor verschlossen.” Der Richter schlug sich mit der flachen Rückseite seiner Hand auf die Stirn und brachte ein heiseres Bellen hervor, daß er vermutlich für Lachen hielt, welches aber dem Inspektor recht gekünstelt vorkam. Es war jedoch nicht zu übersehen: Scythe war sichtlich erleichtert. Er wies jovial auf einen bequemen Sessel und Beagle nahm das Angebot dankend an. Scythe selbst setzte sich auf den unbequehmen Stuhl des Inspektors und wurde mit einemal leutselig. Er heilt dem Inspektor eine Holzkiste mit Zigarren entgegen. Beagle winkte dankend ab.

“Merkwürdige Sache, Herr Richter, finden Sie nicht? Hier haben wir einen Einbruch bei einem Mann wie Ihnen, der Antiquitäten besitzt und einige wertvolle Kleinode öffentlich in Vitrinen zur Schau stellt, aber nichts wird gestohlen! Haben Sie eine Erklärung dafür, Euer Ehren?” Der Inspektor machte es sich in dem angebotenen Sessel bequem. Er sah auf die Wanduhr. Vor einer halben Stunde hätte er Feierabend gehabt. Er atmete tief durch und versuchte sich auf seinen neuen Fall zu konzentrieren.

“Ich vermute, der Einbrecher ist bei seiner Sache gestört worden und floh, bevor er sich richtig umsehen konnte.” Der Richter faltete die Hände auf der Schreibtischplatte zusammen und sah dem Kommissar kalt in die Augen. “Wieso wurden Sie denn eigentlich her bestellt? Hätte ein normaler Streifenwagen nicht mit einer Bagatelle wie dieser hier fertig werden können?”

“Och, ich war gerade in der Polizeiwache, als der Anruf kam. Tut mir ganz gut mal mit etwas anderem als Mord und Totschlag zu tun zu haben.” Inspektor Beagle zupfte an seinem Regenmantel den Kragen zurecht. “Die Wohnung stand laut Mrs. Winterbottom leer. Wo waren Sie, wenn ich bitten darf?”

“Bei Gericht! Montags höre ich den Fall Pincher versus Pinkel. Sie haben vielleicht davon in den Tageszeitungen gelesen. Interessanter Fall. Läuft schon seit einer Ewigkeit.” Der Richter lehnte sich behaglich zurück und zündete sich eine Zigarre an. “Möchten Sie nicht doch eine?” fragte er. Er beugte sich vor und hielt dem Inspektor eine Zigarre unter die Nase.

“Hm…wie die duftet! Havanna, nicht wahr? Ach, die Vorkriegszeit, man wird ganz wehmütig!” Der Inspektor nahm die Zigarre und zog sie unter seiner Nase entlang, dann steckte er sie mit einem Zwinkern in seine Brusttasche. “Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich sie mir später zum Feierabend genehmigen.”

“Aber gewiß doch. Nehmen Sie noch eine.” Der Richter hielt noch immer die offene Zigarrenkiste in der Hand und nickte dem Inspektor aufmunternd zu.

Inspektor Beagle winkte dankend ab. “Eine ist mehr als genug. Sie waren die letzte Nacht und heute den ganzen Tag in den Gerichtsgebäuden?” fuhr er unbeirrt fort.

“Aber ja doch, bei einem so großen Fall wie dem Pincher versus Pinkel gibt’s jede Menge Akten durchzuwälzen, Zeugen zu vernehmen, Gerichtsdiener herumzukommandieren. Nehmen Sie ja nicht an, daß so ein Hans Wurst wie der Hitler mich davon abhält, in England für Recht und Ordnung zu sorgen. Sie doch hoffentlich auch nicht?” Der Richter schien die Geduld zu verlieren.

Bevor Beagle seinen Patriotismus beteuern konnte, wurde die Tür geöffnet und Martha brachte den Tee und einen großen Marmorkuchen mit Zuckerguß. Sie stellte das Tablett mürrisch auf den Tisch und verteilte die Teller und die Kuchengabeln mit augenscheinlichem Unmut. Die Tassen klirrten nur so, als Martha sie auf die Unterteller knallte und dem Inspektor dabei kalt in die Augen sah. Nachdem Martha den Raum wieder verlassen hatte, sagte Inspektor Beagle: “Ich werde Sie nicht lange aufhalten. Wenn Sie mir nur eine Liste mit den Dingen aufstellen würden, die aus dem Schreibtisch fehlen, dann wäre ich Ihnen sehr verbunden.”

Der Richter kritzelte einige Zeilen auf ein Blatt Papier und reichte es dem Inspektor. Der las sich die Zeilen durch, aß hastig sein Stück Marmorkuchen, spülte es mit einem Schluck Tee hinunter und bedankte sich zum Abschied.

“Merkwürdig, merkwürdig. Ich will Schoßhund heißen, wenn hier nicht was faul ist,” sagte Beagle zu seinem Sergeanten draußen vor der Tür. “Was hat denn der alte Besen in der Küche gesagt? Wo war die Winterbottom die letzte Nacht und heute tagsüber?”

“Hat Ihre Tante besucht. Bettlägerig in Clapham. Die Winterbottom kommt nur Montags, Mittwochs und Samstags zum Herrn Richter.” Der Sergeant steckte sein Notizbuch wieder in seine Jackentasche. “Der Einbrecher kam durch ein Dachfenster. Die Winterbottom schwor, sie hätte es geschlossen, aber Sie wissen ja selbst wie unvorsichtig die Leute sind.”

Der Inspektor kratzte sich am Kopf und versuchte, aus den einzelnen Teilen des Puzzle ein ganzes Bild zu erstellen. Es gelang ihm nicht.

Warum hatte ihn der Richter angelogen? Letzte Nacht war während des Bombenangriffs auch das Gerichtsgebäude evakuiert worden. Der Richter hätte mit samt seiner Kollegen im Bunker sitzen müssen. Hatte er aber nicht! Beanstalk hatte Sonderdienst im einzigen Luftschutzbunker nahe des Gerichtsgebäudes gehabt. War es wahrscheinlich, daß der alte Kauz irgendwo im Gericht in seinem Kantor gehockt hatte und einfach den Bombenangriff verschlafen hatte? Nein, daß ergab auch keinen Sinn. Das Gericht war von einem Direktschlag getroffen worden. Jede Menge Schaden. Die Feuerwehr hatte das Gebäude erst am Nachmittag wieder freigegeben. Wo hatte Scythe also die letzte Nacht und den heutigen Tag verbracht, daß er nicht einmal von der Sache mit dem Gericht wußte?

Beagle schnallte mit der Zunge und fuhr sich mit der Hand über sein stoppeliges Kinn. Etwas klingelte in seinem Kopf. Natürlich! Wo hatte der Richter den Zucker für den Kuchen her? Zucker war doch knapp, so viel Zucker gab’s ja gar nicht auf Marken zu bekommen! Er betastete seine Brusttasche vorsichtig. Havanna…und wie kam bitte schön eine Zigarre wie diese unbeschadet über den Ozean, wenn Hitler’s U-Boote doch ihr Unwesen trieben und seit Jahren alles rationiert war?

Beagle spürte, wie seine Nasenflügel zu beben begannen. Hier war etwas faul und man hatte einwandfrei versucht, ihn zu bestechen! Er wandte sich an seinen Sergeanten. “Warten Sie hier und wenn die Winterbottom das Haus verläßt, lassen Sie sich nicht erwischen. Wenn ich Recht habe wird Euer Ehren sich noch heute Nacht auf einen kleinen Ausflug begeben. Ich behalte die Winterbottom im Auge.”

Der Sergeant nickte zustimmend und verschwand im Schatten der Hauswand. Gut, daß ich so einen Mann wie Sergeant Beanstalk für diesen Fall ausgewählt habe, schmunzelte Beagle. Der Mann machte seinem Namen alle Ehre. Der Inspektor stieg in sein Auto und der Sergeant quetschte seinen mageren Körper zwischen die Hauswand und die Mülltonnen und machte sich auf eine lange Nacht gefaßt. Beagle löste die Handbremse und ließ sein Auto lautlos die Straße hinuntergleiten, bis er etwa hundert Meter weiter die Handbremse wieder anzog und es sich im Auto bequehm machte, so gut es ging.

Irgendwo in einem anderen Ort ein paar Meilen vor Mumsgate, einer Prozinzstadt, die in der Grafschaft Kent an der englischen Ostküste lag, fielen wieder Bomben; man konnte den rotglühenden Schein des Feuers sehen und die grellen Blitze der Luftabwehr erhellten die Sperrballone, die über der Stadt hingen wie riesige Assgeier. Recht und Ordnung hatte Scythe gesagt…wessen Recht und wessen Ordnung er wohl gemeint haben mochte? Hitlers oder die der Mumsgater Bürger? Zur Antwort fielen zwei Bomben herab, die mit einem Kreischen, das direkt aus der Hölle zu kommen schien, aufschlugen und die Erde mit einer Explosion schüttelten, die man 5 Meilen weit weg im Herzen von Mumsgate noch spüren konnte. Von der See steig eine Briese auf, die den Brandgeruch bis in die Provinzstadt wehte. Der Inspektor hustete und kurbelte die Fensterscheibe hoch. Er drückte sich tiefer in den Sitz seines Dienstwagens und wartete.

Nach etwa einer Stunde verriet ein schmaler Streifen Licht, daß die Haustür geöffnet wurde. Frau Winterbottom setzte vorsichtig einen Fuß nach dem anderen auf die dunklen Treppenstufen und begab sich auf die leere Straße, wo es sicherer war als auf den holperigen Bürgersteigen. Sie drehte sich mehrmals um, spähte mal nach links, mal nach rechts, bevor sie davoneilte.

Beagle wartete, bis die Winterbottom einige dutzend Meter vorbei war, dann ließ er seinen Wagen wieder lautlaus die Straße hinunterrollen, bis er zu einer Kreuzung kam. Die Winterbottom bog links ab, überquerte die Straße und ging zügig, diesmal ohne sich mehrmals umzudrehen, in eine enge Gasse. Beagle fluchte leise, denn er mußte jetzt seinen Wagen zurücklassen. Er stieg aus und eilte hinter der Frau hinter her. Er mußte mehrmals in Hauseingänge tauchen, da die Winterbottom sich dauernd umblickte. Interessant, dachte Beagle. Sie glaubt sich verfolgt. Aber dann wurde ihm bewußt, daß es nur eine natürliche Reaktion einer Frau war, die spät am Abend im Dunklen draußen war.

Nachdem die Winterbottom noch zweimal in kleine Gassen eingebogen war und sich anscheined nun sicher fühlte, hielt sie an einem Gebäude an, öffnete leise die schwere, verschnörkelte Gartenpforte und schritt an dem Gebäude vorbei zum Hinterhof. Beagle beeilte sich, ihr so vorsichtig wie möglich zu folgen. Vom Hinterhof aus lief eine kleine Gasse an einem Zaun entlang und führte zu einem anderen Hof.

Nachdem er der Winterbottom etwa zwei Minuten zu Fuß gefolgt war, hatte sie plötzlich an einer Tür haltgemacht und leise an die Glasscheibe geklopft. Nach einiger Zeit wurde die Tür geöffnet und eine grimmiger Männerstimme zischte ihr zu, was sie zu

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Maria Thermann
Bildmaterialien: Maria Thermann
Lektorat: Maria Thermann
Übersetzung: Maria Thermann
Tag der Veröffentlichung: 25.06.2014
ISBN: 978-3-7368-2228-3

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Erna, die mir die Augen oeffnete fuer die Dinge, fuer die es sich lohnt zu leben.

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