Cover

Perāmō - Magische Seelengefährten

Perāmō

Magische Seelengefährten

 

Gay Fantasy

 

Jessica Martin

 

© Jessica Martin, März 2017

39108 Magdeburg

 

 

Cover: Juliane Schneeweiss, www.juliane-schneeweiss.com

Bildmaterial (c) Depositphotos.com

 

 

Die Personen und Begebenheiten in dieser Geschichte sind ausschließlich meiner Fantasie entsprungen. Ähnlichkeiten mit realen Personen, Ereignissen oder Orten wären daher reiner Zufall.

 

E-Books sind nicht übertragbar und dürfen weder kopiert noch weiterverkauft werden.

Bitte respektieren Sie dies, denn in jedem Buch stecken viel Liebe, Zeit und Arbeit.

 

Über Feedback jeglicher Art freue ich mich.

Gerne können Sie mich per E-Mail oder über meine Facebook-Seite anschreiben.

 

JessicaMartin_Autorin@t-online.de

 

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Danksagung

An dieser Stelle möchte ich meinen Testleserinnen danken, die mit ihrem Input und kritischem Blick die Geschichte noch besser gemacht haben. Ihr seid die Besten!

 

  

Hinweis:

Im Anhang des Buchs findet der interessierte Leser Verzeichnisse mit den wichtigsten Personen, sämtlichen Zaubersprüchen und magischen Begriffen sowie allen Fremdwörtern und Orten.

 

 

Für meine Tochter.

 

Weil du unbedingt wolltest, dass Adrian jonglieren kann, und mir alles über die Zuckerfeen verraten hast.

Bitte behalte deine grenzenlose Fantasie!

 

 

Inhaltsverzeichnis

Eine ungewöhnliche Aura

Der Reiz des Ungewissen

Ein verführerischer Nachbar

Funklöcher und heiße Kanuten

Magier existieren

Auf ins Abenteuer

Sei mein Seelengefährte

Geheimnisse der Vergangenheit

Aura magus

Versammlung der magischen Welt

Eine verlorene Seele

Das Votum

Salubritastrank und eine wichtige Entscheidung

Spritzen, Trips und die Krux mit dem Ballspiel

Die Verwandlung

Aller Anfang ist schwer

Das alte Leben hinter sich lassen

In die Grotte

Das letzte große Geheimnis

Ein neues Leben beginnt

Verzeichnisse

Außerdem bereits erschienen

Impressum

 

Eine ungewöhnliche Aura

Eine ungewöhnliche Aura

 

Fridolin

 

Ich hasse Freitage. Das ist der einzige Tag, an dem ich mein Haus verlassen muss, um einkaufen zu gehen. An sich ist das natürlich nicht schlimm, meist habe ich alles, was ich für die Woche brauche, schnell in meinem Korb verstaut und stehe eine halbe Stunde nach Betreten des kleinen Supermarkts hier im Ort, wieder an der Kasse.

Das Problem ist nicht das Einkaufen selbst, sondern, dass ich mich dabei unter Menschen begeben muss. Das hasse ich einfach, denn ich bin der Sonderling in dieser Eintausend-Seelen-Gemeinde. Ich lasse mich halt nicht so oft auf der Straße blicken. Wenn, dann starren mich die Menschen immer an, tuscheln hinter meinem Rücken und verbreiten Gerüchte, die nicht mal ansatzweise der Wahrheit nahe kommen. Nicht, dass ich das Bedürfnis hätte, die Leute auf ihre blühende Fantasie hinzuweisen.

Für heute habe ich es glücklicherweise fast geschafft. Noch vierhundert Meter, dann bin ich mit meinen Einkäufen im Haus, kann die Tür hinter dieser primitiven Welt schließen und in meine eigene verschwinden.

Normalerweise würde ich es mir spätestens hier einfach machen, doch vor mir geht ein Mann die Straße entlang und da ich nicht weiß, ob er sich vielleicht im falschen Moment zu mir umdreht, laufe ich weiter.

Der Typ schwankt ziemlich hin und her, was mich vermuten lässt, dass er betrunken ist. Zwar ist es Freitagabend, doch gerade mal halb sieben, daher meiner Meinung nach etwas zu früh, um sich zu betrinken, aber bei den Menschen wundert mich mittlerweile gar nichts mehr.

Wenn der Kerl nur endlich in eines der Häuser verschwinden würde. Gerade als ich überlege, es doch zu riskieren, gerät er ins Straucheln. Er kann sich an einem Baum am Rand des Gehwegs abfangen, fällt jedoch auf die Knie und im nächsten Moment sackt er sich in sich zusammen.

»Beim Allmächtigen das passt mir aber gar nicht«, fluche ich, während ich neben ihm stehen bleibe. »Hey, Sie, geht es Ihnen gut?«

Er rührt sich nicht vom Fleck, gibt nicht mal einen Laut von sich.

Seufzend stelle ich meine Einkäufe ab und hocke mich neben ihn. »Hey!« Ich halte ihn an den Schultern fest und rüttle etwas an ihm, doch er scheint ohnmächtig zu sein. Nach Alkohol riecht er zumindest nicht. »Hallo! Hören Sie mich?«

Im ersten Moment reagiert er nicht, doch dann öffnet er plötzlich die Augen und schaut mich panisch an. »Kreislauf macht schlapp«, flüstert er und fällt mir heftig atmend in die Arme.

Unsicher, was ich machen soll, sehe ich mich um. Weit und breit ist niemand zu sehen. Ich atme tief durch, dann schnappe ich mir mit der einen Hand meine Einkaufstüten und umfasse mit der anderen die Finger des Mannes. »Das werde ich bereuen«, murmle ich vor mich hin, sehe mich noch mal um und schließe ich die Augen.

Als ich sie eine Sekunde später öffne, hocke ich mit meinen Einkauf vor meinem Wohnzimmertisch, während der Typ auf der Couch liegt. Ich richte mich auf und sehe zu ihm runter. »Hey! Sind sie bei Bewusstsein?« Um ihn besser sehen zu können, öffne ich den Vorhang.

Im helleren Licht erkenne ich, dass er kreidebleich ist, fast grau, jedoch gibt er ein Geräusch von sich, das am ehesten einem seltsamen Grunzen ähnelt. »Zu hell«, murmelt er.

Nachdem ich das Licht gedimmt habe, lege ich ihm die Decke über, denn er beginnt zu zittern. »Bleiben Sie liegen. Ich hole Ihnen was zu trinken«, informiere ich ihn, schnappe nach meinen Einkaufstüten und bringe sie in die Küche.

Zwei Sekunden später stehe ich vor dem Tisch und halte ihm ein Glas Limonade hin, denn ich hoffe, dass die seinen Kreislauf wieder ankurbelt.

»Sie sind ja schnell«, murmelt er, als ich ihm helfe, sich aufzurichten. »Danke.«

»Schon in Ordnung«, sage ich seufzend. »Kann ich Ihnen etwas zu essen bringen? Eine Banane vielleicht? Ich habe gerade welche eingekauft.«

»Ich will Ihnen keine Umstände machen«, murmelt er und versucht sich aufzurichten, fällt jedoch sofort wieder aufs Polster zurück. »Geht gleich wieder.«

»Ja. Das sehe ich.« Augenrollend gehe ich in die Küche zurück und hole eine der Bananen, die ich gekauft habe. Als ich wieder vor ihm stehe und er mich mit riesigen Augen anstarrt, bemerke ich meinen Fehler, beschließe jedoch, mir nichts anmerken zu lassen. »Bitte, essen Sie die Banane. Sie sind immer noch sehr blass.«

»Wie haben Sie das gemacht?«

Ich zucke mit den Schultern und nehme ihm das leere Glas ab, während ich ihm das Obst in die Hand drücke. »Bitte, essen Sie etwas. Wohnen Sie hier in der Nähe oder darf ich Ihnen ein Taxi rufen?« Wie auch immer ich das anstellen werden.

»Wie bin ich überhaupt hergekommen?«

Verdammt, wieso stellt er ständig diese Fragen? »Ich ähm... ich habe Sie... hergebracht.« Es entspricht immerhin der Wahrheit.

Er starrt mich mit großen Augen an, dann wandert sein Blick über meinen Körper. »Sicher doch«, murmelt er mit amüsiertem Schmunzeln. »Und verraten Sie mir auch, wie Sie das angestellt haben?«

»Sie sind hier, oder?«, antworte ich patzig. »Also, benötigen Sie ein Taxi?«

»Wo sind wir?«

»Gartenweg zwanzig.«

Er schüttelt den Kopf, während er mit noch immer amüsiertem Blick die Banane schält. »Dann sollte ich es zu fuß schaffen. Ich wohne in der neun.«

»Sie sind der neue Nachbar?«, frage ich überrascht. Ich habe vom Fenster aus in der letzten Woche zweimal einen Möbellieferwagen gesehen und bereits vermutet, dass jemand in das baufällige Gemäuer gezogen ist, das seit gut zwanzig Jahren leer stand. »Da haben Sie sich aber etwas vorgenommen.«

»War günstig zu haben«, meint er kauend.

»Sie haben für diese Ruine tatsächlich Geld bezahlt?«, frage ich ungläubig und sehe ihn mir etwas genauer an. Er ist ein attraktiver Mann. Sein Haar ist rabenschwarz, glänzt im schummrigen Licht fast bläulich und ein dunkler Bartschatten ziert das kantige, blasse Gesicht. Ich schätze ihn auf etwa Mitte bis Ende Dreißig. Er hat sich offenbar gut gehalten, denn er ist normal gebaut, hat jedoch verführerisch breite Schultern. Wenn es nur nicht so kompliziert wäre, etwas mit einem Menschen anzufangen.

Er seufzt und legt die leere Bananenschale auf den Tisch. »War nicht der Rede wert.«

»Na dann«, murmle ich, vergrabe die Hände in den Taschen und wende den Blick ab, um mich davon abzuhalten, die Bananenschale verschwinden zu lassen, denn ich mag es nicht, wenn es unordentlich ist. »Fühlen Sie sich schon besser?«

»Etwas.« Er deutet auf das leere Glas, das ich auf dem Tisch abgestellt habe. »Dürfte ich um ein Wasser bitten, Herr...«

»Xeller«, antworte ich, während ich das Glas nehme. »Ich bin gleich zurück.«

»Sie sind der seltsame Junggeselle, oder?«, ruft er mir nach. »Von Ihnen habe ich gehört.«

»Na wunderbar.« Augenrollend fülle ich das Glas an der Spüle und trage es anschließend ins Wohnzimmer zurück. »Und wer sind Sie?«

»Adrian Leipold.«

»Oh, der neue Grundschullehrer?«

Er nickt seufzend, nimmt mir das Wasser ab und trinkt es mit ein paar großen Schlucken aus. »Danke, für Ihre Hilfe, Herr Xeller.«

»Gern geschehen«, sage ich lächelnd, um nicht unfreundlich zu wirken, obwohl es mir sehr viel lieber wäre, wenn er endlich aufbrechen würde, denn es scheint ihm ja wieder besser zu gehen.

Er macht jedoch keine Anstalten aufzustehen, sondern sieht sich neugierig um. »Schön haben Sie es hier. Sieht gar nicht aus, wie das Haus eines durchgeknallten Freaks.«

Verdutzt starre ich ihn an. »Ähm... danke?«

Er beißt sich auf die Unterlippe. »Tut mir leid. Das kam falsch rüber. Es ist nur so, dass ich über Sie mehr als über jeden anderen Menschen hier im Ort gehört habe und ich wohne erst seit zwei Wochen hier.«

Ich verstehe nicht, was er mir damit sagen will. Soll ich mich jetzt geehrt fühlen?

»Allerdings scheinen die Gerüchte wirklich nur das zu sein. Zumindest kann ich weder einen Hexenkessel noch tote Tiere hier entdecken.«

»Tote Tiere?«, frage ich perplex. »Warum sollte ich tote Tiere in meinem Haus haben?«

»Keine Ahnung«, antwortet er lachend. »Die Leute haben mir schon die haarsträubendsten Geschichten über Sie erzählt. Vermutlich stimmt nicht mal ein Bruchteil davon.«

Unsicher, was ich darauf erwidern soll, schürze ich die Lippen und sehe auf die große Standuhr in der Zimmerecke, doch dieser Herr Leipold scheint den Wink entweder nicht zu verstehen oder zu ignorieren, denn nachdem er das Glas wieder auf den Tisch gestellt hat, lehnt er sich zurück und sieht mich lächelnd an.

»Was machen Sie denn so beruflich, wenn ich fragen darf?«

»Ich bin freiberuflich als Lektor und Korrektor tätig. Außerdem schreibe ich hin und wieder eigene Bücher.«

»Tatsächlich? Was haben Sie geschrieben?«, fragt er sofort.

Ich unterdrücke ein Seufzen und hole eines meiner aktuellen Bücher aus dem Regal. Als ich es ihm reiche, nimmt er es, liest den Titel und Klappentext, schüttelt jedoch den Kopf, während er es mir zurückgibt.

»Tut mir leid, historische Liebesromane sind nicht mein Genre.«

Mit einem knappen Lächeln wende ich mich ab und stelle das Buch ins Regal zurück.

»Sind Sie... also... ich meine, wegen der Protagonisten und...«

»Homosexuell? Ja, das bin ich«, antworte ich, als er nickt. »Sonst würde ich wohl kaum derartige Romanzen schreiben, nicht wahr?«

»Vermutlich«, antwortet er glucksend. »Ich hoffe, dass ich Ihnen nicht zu nahe getreten bin. Ich hatte nur nicht erwartet, hier im Ort einen Gleichgesinnten zu finden.«

Überrascht wende ich mich um. »Sie sind homosexuell?«

Er beißt sich auf die Unterlippe, nickt jedoch. »Ja, allerdings hänge ich das nicht an die große Glocke. Allein schon wegen meines Berufs.«

»Verständlich.«

Für einen Moment breitet sich Schweigen aus, dann räuspert der Typ sich. »Danke für das Wasser und die Banane und, dass Sie mich nicht auf der Straße haben liegen lassen, wie auch immer Sie das angestellt haben.«

»Es war wirklich nicht der Rede wert«, antworte ich abwinkend. »Das hätte jeder getan. Fühlen Sie sich denn jetzt besser?«

»Ja. Ich habe heute einfach zu wenig gegessen, denke ich.«

»Dann kann das schon mal vorkommen«, sage ich lahm. Ich versuche ja wirklich, höflich zu sein, aber wenn es nach mir ginge, wäre er schon zurück in seinem eigenen Haus. »Soll ich Sie noch begleiten oder tragen Ihre Beine Sie wieder?«

Herr Leipold lächelt schwach, während er sich hochstemmt. »Wird schon gehen.«

Zufrieden nicke ich und gehe in den Flur vor. Mein Gast folgt mir auf wackligen Beinen, stützt sich im Türrahmen ab und sieht sich auch hier um.

Als er meinen abwartenden Blick sieht, lächelt er. »Verraten Sie noch, wie Sie es gemacht haben?«

»Was meinen Sie?«, frage ich kopfschüttelnd.

»Mich innerhalb von zwei Sekunden von der Straße auf ihr Sofa zu befördern.«

Ich zwinge mich, zu lachen. »Sie waren ohnmächtig. Ihr Zeitgefühl trügt Sie anscheinend.«

Wieder schaut er mich von Kopf bis Fuß an. »Dann haben Sie mich getragen?«

Seufzend greife ich nach der Türklinke und drücke sie nach unten. Als ich die Tür öffnen will, wird mir bewusst, dass sie verschlossen ist. »Moment«, murmle ich, während ich begleitet von seinem leisen Lachen den Schlüssel aus einer der Schubladen des kleinen Schranks suche und schließlich fündig werde. »Das ist so eine Angewohnheit.«

»Sicher«, gluckst er, denn er glaubt mir offenbar kein Wort. Hoffentlich fragt er mich nicht, wie ich es geschafft habe, die Tür auf- und hinter mir wieder zuzusperren und den Schlüssel in den Schrank zu legen, während ich ihn getragen habe. »Noch mal vielen Dank für Ihre Hilfe. Wenn ich mich mal revanchieren kann, sagen Sie mir Bescheid.«

»Das ist wirklich nicht nötig«, entgegne ich mittlerweile etwas ungeduldig und halte ihm die Tür auf.

Herr Leipold sieht aus, als würde er noch etwas sagen wollen, doch dann klappt er den Mund wieder zu und tritt nach draußen. »Einen schönen Abend noch.«

»Danke, den wünsche ich Ihnen auch.«

»Dann bis bald. Wir sehen uns sicher öfter mal, da wir ja quasi Nachbarn sind.«

»Vermutlich nicht«, widerspreche ich. »Ich ziehe es vor, im Haus zu bleiben. Ich arbeite ja vom Computer aus und so.«

»Verstehe.« Er sieht sogar etwas enttäuscht aus. »Na dann, wünsche ich viel Erfolg dabei.«

»Danke. Ihnen auch beim Unterrichten.«

Er schnaubt leise und wendet sich zum Gehen. »Danke. Dann tschüss, bis bald mal wieder.«

»Auf Wiedersehen.« Als er auf den Gehweg tritt und nach rechts abbiegt, schließ ich seufzend die Tür und verriegele sie erneut. Endlich wieder allein in meinem Haus, atme ich tief durch und mache mich dann auf den Weg in die Küche, um meine Einkäufe in den Schränken zu verstauen und mich anschließend um mein Abendessen zu kümmern.

 

Als es am nächsten Tag um kurz nach zehn klingelt, halte ich mit der Teetasse in der Hand überrascht inne, denn ich bekomme nie Besuch. Um zu sehen, wer da stört, schließe ich die Augen. Ohne Zweifel steht Herr Leipold vor der Tür, denn seine Aura erkenne ich, da ich mich ja bereits mit ihm in einem Raum befunden habe. Außerdem ist sie wirklich einzigartig. Offenbar ist er ungeduldig, denn er klingelt schon wieder.

Seufzend stelle ich meine Tasse auf dem Couchtisch ab und stehe eine Sekunde später im Flur, wo ich die Haustür aufschließe und öffne. »Herr Leipold! Was kann ich für Sie tun?«

Er starrt mich mit offenem Mund an, dann blinzelt er ein paarmal, während er sich über die Lippen leckt. »Guten Morgen.« Er hält mir ein Bündel Bananen hin. »Die wollte ich Ihnen bringen. Als Ersatz für gestern.«

»Das war nicht nötig«, sage ich ernst. »Außerdem haben Sie nur eine gegessen.«

Herr Leipold lächelt. »Ich weiß, aber ich hielt es für seltsam, mit nur einer Banane in der Hand hier aufzukreuzen.«

»Ach so.« Widerwillig nehme ich ihm das Obst ab. »Dann, danke.«

Er sieht nicht so aus, als würde er wieder gehen wollen. »Nun, da ich einmal hier bin«, beginnt er auch gleich, vergräbt dabei die Hände in den Taschen und schluckt sichtbar, »wollte ich fragen, ob Sie heute Abend schon was vorhaben.«

»Oh. Nein, eigentlich nicht, aber–«

»Würden Sie mit mir zu Abend essen?«, fällt er mir ins Wort.

Ich reiße ungläubig die Augen auf. »Bei Ihnen zu Hause?« Da kriegen mich keine zehn Pferde rein. Das Gebäude ist mit ziemlicher Sicherheit einsturzgefährdet.

»Nein, nein. Ich dachte, eher an ein Restaurant. Frau Ribbeck aus Nummer zehn hat mir zwei gute Lokale empfohlen. Ich lade Sie ein, weil Sie mir ja geholfen haben und so.«

»Ich dachte, dafür sind die Bananen.« Ich halte demonstrativ das Obst in die Höhe.

»Oh, ja. Also, schon, aber ähm... leisten Sie mir trotzdem Gesellschaft? Ich würde mich wirklich freuen.«

»Danke, aber ich gehe nicht gerne aus.«

»Verstehe. Ich könnte auch etwas kochen. Gegen sieben? Passt Ihnen das?«

Herrje, der Typ ist echt hartnäckig. »Tut mir leid, ich will Ihnen wirklich nicht zu nahe treten, aber ich möchte nicht in Ihr Haus kommen.«

Er grinst. »Kein Problem. Bis später dann.«

Mit diesen Worten wendet er sich ab, flitzt die Treppe runter und ist im nächsten Moment auf dem Gehweg. Kopfschüttelnd schließe ich die Tür hinter mir und verriegele sie wieder. Als ich noch einmal auf die Straße blicke, fällt mir auf, dass der Sichtschutz der Eingangstür gar nicht runtergezogen ist. Verdammt, kein Wunder, dass er mich vorhin so verdutzt angestarrt hat. Hoffentlich erzählt er nicht rum, was er gesehen hat, auch wenn ihm vermutlich eh keiner glauben wird. Vorsichtshalber ziehe ich jedoch den Sichtschutz runter und stelle sicher, dass er auch richtig einrastet, bevor ich mich wieder auf die Couch setze und nach meiner Teetasse greife.

 

Kurz vor neunzehn Uhr klingelt es erneut. Diesmal brauche ich meine Augen gar nicht zu schließen, um zu wissen, wer da vor meiner Tür steht. Das kann daran liegen, dass ich ihn mittlerweile kenne und seine Aura so hell strahlt.

Ich gehe in den Flur und öffne nur widerwillig die Tür. »Guten Abend.«

»Pünktlich auf die Minute.«

»Wie bitte?«, frage ich verdutzt, doch er läuft bereits zwei Einkaufstüten schwenkend an mir vorbei. »Was soll das? Was haben Sie vor?« Ich werfe die Tür ins Schloss und verriegele sie, während ich versuche, seiner Aura zu folgen.

»Ich lade Sie zum Abendessen ein. Das hatte ich Ihnen doch versprochen«, ruft er.

»Ja schon, aber ich sagte doch, dass ich kein Interesse habe«, versuche ich zu erklären, als ich in der Küche neben ihm stehe.

Mit einem Bund Möhren in der Hand fährt er zu mir herum. »Herrgott, würden Sie damit aufhören?«

»Womit?«

»Sich ständig irgendwo zu materialisieren«, antwortet er, als wäre das offensichtlich. »Oder binden Sie sich zumindest ein Glöckchen um oder so.«

Erschüttert reiße ich die Augen auf. »Ein Glöckchen?«

Er grinst. »Das war nur ein Spaß.«

»Was genau haben Sie vor?« Perplex beobachte ich, wie er seine Einkaufstüten auspackt. »Sie wollen doch wohl nicht hier kochen?«

»Doch schon. Sie meinten doch, dass Sie nicht gern ausgehen und in mein Haus wollten Sie ja nicht kommen, ich hatte also keine andere Wahl, nicht wahr?«

»Das ist wirklich nicht nötig«, versuche ich, ihn daran zu hindern, sich in meiner Küche auszubreiten. »Bitte, ich habe Ihnen gerne geholfen. Sie brauchen sich nicht noch weiter zu bedanken.«

»Na, nun bin ich hier und habe Steaks, Kartoffeln und Gemüse besorgt«, sagt er fröhlich, während er sich suchend umsieht. »Dürfte ich Sie um zwei Töpfe, eine Pfanne, ein scharfes Messer und ein Schneidebrett bitten?«

Perplex starre ich ihn an.

Herr Leipold presst die Lippen zusammen, offenbar um nicht zu grinsen, denn mein Anblick muss äußerst amüsant sein. Dann streckt er mir plötzlich die Hand hin. »Wollen wir uns nicht duzen? Ich bin Adrian.«

Für einen Moment starre ich auf seine Hand, nehme sie dann jedoch. »Fridolin.«

Er gibt ein leises Quietschen von sich, während er sich nun ganz eindeutig wirklich anstrengen muss, nicht loszulachen. »Ist das dein Ernst?«

»Durchaus.« Genervt entziehe ich ihm meine Hand.

»Tut mir leid, tut mir leid. Es ist ein schöner Name.«

Ich werfe ihm einen ungläubigen Blick zu, der ihn grinsen lässt, sodass ich beschließe, ihn noch ein wenig mehr zu amüsieren. Wenn er es wagt, zu lachen, schmeiße ich ihn hochkant aus dem Haus, samt seiner Lebensmittel. »Fridolin Oleander Tiräeus Xeller, um genau zu sein.«

»Oh mein Gott.« Er drückt sich den Handrücken gegen den Mund und schluckt ein paarmal. »Ist Oleander nicht eine Pflanze?«

»Meine Mutter war Botanikerin.«

»Sicher, na klar.« Er muss sich das Lachen immer noch verkneifen. »Gut, Fridolin. Ich freue mich, dich kennenzulernen.«

»Du gehst nicht wieder, oder?«, frage ich seufzend, woraufhin er grinsend den Kopf schüttelt. »Warum nicht?«

»Du bist mir noch eine Erklärung schuldig.«

Stirnrunzelnd sehe ich ihn an. »Was für eine Erklärung?«

»Wie du mich gestern in dein Haus gekriegt hast.«

Ich schüttle den Kopf und suche ich die Töpfe aus dem Schrank, um die er gebeten hat. »Das habe ich dir doch bereits gesagt.«

»Du hast mich also getragen.« Sein Tonfall zeigt deutlich, dass er mir ein Ja nicht abnehmen wird, daher schweige ich. »Dachte ich mir. Bist du so was wie ein Vampir oder so?«

Erschrocken fahre ich zu ihm herum. »Wie kommst du denn darauf?« Ich zwinge mich, zu lachen. »Vampir, also wirklich. So was gibt es doch nicht.«

»Hätte ich bis vor vierundzwanzig Stunden auch behauptet, doch dann hast du dich drei Mal aus dem Nichts vor meinen Augen materialisiert und kannst mir offenbar keine Erklärung dafür liefern, wie du mich in kürzester Zeit in dein Haus bekommen hast. Daher gehe ich davon aus, dass du kein normaler Mensch bist.«

»Und das würde dich nicht schockieren?«, frage ich herausfordernd.

»Keine Ahnung«, antwortet er grinsend. »Ich bin noch zu nervös, um durchzudrehen, vermute ich.«

»Nervös?«

Er schluckt und zum ersten Mal sieht er so aus, als wüsste er nicht, was er sagen soll, nickt jedoch.

»Weil du denkst, dass du im Haus eines Vampirs bist?«, hake ich verwirrt nach.

Jetzt gluckst er. »Weil ich mich in das Haus eines wahnsinnig attraktiven Mannes eingeladen habe und hoffe, dass er mir erlaubt, ihm ein Abendessen zu kochen.«

Ungläubig schüttle ich den Kopf. »Ja, das würde mich auch nervöser machen.«

Adrian grinst. »Komm schon, schockier mich noch etwas mehr. Was bist du? Ein Mutant oder so?«

»Mutant? Nein, wohl kaum«, antworte ich lachend. »Ich bin ein ganz normaler–«

»Oh, bitte«, stöhnt er. »Du bist wie groß? Einssechzig?«

»Ein Meter fünfundsechzig«, korrigiere ich grimmig.

»Tut mir leid. Einsfünfundsechzig. Ich bin einsachtzig und wiege locker zwanzig Kilo mehr als du. Nie im Leben hast du mich hier reingetragen.«

»Ich hatte wohl einen Adrenalinschub«, versuche ich, mich noch irgendwie rauszureden.

Jetzt lacht er lauthals los. »Ehrlich, Fridolin, ich glaub dir kein Wort. Spuck’s aus. Was ist dein Geheimnis?«

»Ich...« Verdammt, was mache ich denn jetzt? »Ich fürchte, du musst jetzt gehen. Es war nett, dass du etwas kochen wolltest, aber das ist kein guter Einfall, verstehst du?«

Er betrachtet mich mit schräg gelegtem Kopf, dann seufzt er leise. »Tut mir leid. Ich wollte dich nicht bedrängen. Ich frag nicht weiter nach, ja? Versprochen.«

»Danke.« Erleichtert atme ich aus und erst als er die Augenbrauen hochzieht, fällt mir auf, dass ich damit wohl zugegeben habe, doch nicht so normal zu sein, wie ich zu behaupten versucht habe.

»Lässt du mich trotzdem das Essen kochen? Ich würde mich wirklich freuen. Ich meine, ich kenne hier noch nicht so viele Leute und es wäre einfach nett, etwas Gesellschaft zu haben.«

Hin- und hergerissen zwischen dem Bedürfnis, meine Ruhe zu haben und dem Gefühl, ihm wehzutun, wenn ich ablehne, nicke ich schließlich seufzend. »Kann ich dir bei irgendwas helfen?«

Der Reiz des Ungewissen

Der Reiz des Ungewissen

 

Adrian

 

Himmel bin ich nervös. Dieser Mann ist aber auch sexy. Die blonden, langen Haare hat er zu einem Zopf gebunden. Sein schmales Gesicht zieren dünne, blasse Lippen, die ich zu gern leuchtend rot küssen würde, eine absolut hinreißende Stupsnase und seine Augen sind dermaßen stechend grün, dass ich kaum wegsehen kann. Zwar ist er für einen Mann wirklich klein, trotzdem er hat etwas an sich, das mich völlig in seinen Bann zieht.

Da kann ich sogar über diesen furchtbar lächerlichen Namen hinwegsehen. Außerdem kann er für den ja nichts. Ich bin froh, dass ich mich zusammenreißen konnte, als er mir gesagt hat, wie er heißt, denn ohne Zweifel hätte mich Herr Fridolin Oleander Tiräeus Xeller aus seinem Haus geworfen, wenn ich es gewagt hätte, zu lachen.

Dabei wäre das doch wirklich schade gewesen, schließlich ist er so ein hübscher Kerl und ich kann es gar nicht erwarten, ihn näher kennenzulernen. Vor allem will ich sein Geheimnis knacken, denn auf keinen Fall hat er mich in sein Haus getragen. Gestern hatte ich noch keine Erklärung dafür, wie er das geschafft haben könnte, aber nachdem ich heute schon ein paarmal mit meinen eigenen Augen gesehen habe, wie er aus dem Nichts plötzlich vor mir stand, bin ich mir sicher, dass er irgendwelche Kräfte oder Fähigkeiten besitzt, die normale Menschen nicht haben.

Keine Ahnung, woher er sie hat, ob er ein Mutant oder so was ist, aber ich war schon immer der Meinung, dass wir Menschen nicht die am höchsten entwickelten Wesen im Universum sind. Dafür ist diese Gesellschaft viel zu primitiv und ich bin es leid, ein Teil davon zu sein.

»Also, Fridolin«, beginne ich, denn wir haben uns jetzt lange genug angeschwiegen. »Verrätst du mir, woran du gerade arbeitest? Schreibst du ein neues Buch oder so?«

»Im Moment nicht. Die Muse ist gerade still.«

»Muse?«

Fridolin nickt, während er derart unbeholfen versucht, Möhren zu schälen, dass ich Angst um seine Finger habe. »Das heißt, dass ich derzeit keinen Einfall für ein neues Buch habe und dann ist es sinnlos, irgendwas zu schreiben.«

»Verstehe.« Ich betrachte ihn einen Moment. Er hat lange, schmale und furchtbar ungeschickte Finger. »Wie alt bist du eigentlich?«

Er hält mit dem Messer in der Hand inne und sieht auf. »Was schätzt du denn?« Ein Lächeln umspielt seine Lippen, doch ich bin mir nicht sicher, ob er tatsächlich gerade versucht, mit mir zu flirten.

»Ich bin nicht so gut in so was«, gebe ich zu, während ich ihn noch einmal von oben bis unten ansehe. »Anfang dreißig vielleicht?«

Fridolin nickt lächelnd. »Einunddreißig. Und du?«

»Ich bin schon ein bisschen älter«, muss ich einräumen, woraufhin er die Augenbrauen in die Höhe zieht, was mich etwas unbehaglich werden lässt. »Dreiundvierzig.«

Er schnappt nach Luft. »Wirklich? Das hätte ich ja nicht gedacht. Du siehst wenigstens fünf Jahre jünger aus.«

»Danke«, murmle ich mit warmen Wangen. »Das musstest du nicht sagen.«

Für einen Moment herrscht Stille und als ich aufsehe, blickt er mich stirnrunzelnd an. »Wie kommst du darauf, dass ich das gesagt habe, weil ich mich dazu gezwungen fühle?«

»Nicht gezwungen«, widerspreche ich. »Ich meinte halt, dass du das nicht hättest sagen müssen, um mir zu schmeicheln, oder so.«

Er sieht ziemlich verwirrt aus. »Du denkst, dass ich dir schmeicheln wollte?«

»Nein. Ich meine, ja. Ach, egal.« Seufzend zucke ich mit den Schultern. »Vergiss einfach, was ich gesagt habe.«

Fridolin legt den Kopf schief, sieht mich prüfend an, dann widmet er sich wieder seinen Möhren. »Menschen. Merkwürdige Geschöpfe«, murmelt er kaum hörbar.

Wieder bekomme ich dieses seltsame Gefühl. Ist er wirklich kein Mensch, oder sieht er sich einfach nur nicht als einer? Warum sonst sollte er uns als merkwürdige Geschöpfe bezeichnen?

»Du bist keiner, oder?«, platzt es aus mir raus.

Er sieht ruckartig auf und ein Anflug von Panik legt sich auf sein Gesicht. »Du... du hattest versprochen, nicht–«

»Tut mir leid. Tut mir leid«, rudere ich sofort zurück. »Natürlich. Es klang nur so seltsam, als du meintest, dass Menschen merkwürdige Geschöpfe seien.«

Er blinzelt ein paarmal, dann konzentriert er sich wieder auf die Möhren, die er mittlerweile fertig geschält hat. »Soll ich sie ganz lassen oder hättest du sie lieber zerteilt?«

»Vielleicht lieber kleinschneiden, sonst werden sie nicht gar, fürchte ich.«

Nickend macht Fridolin sich ans Werk.

»Kochst du denn gerne?«, frage ich, als wir uns wieder nur anschweigen.

»Ja«, antwortet er sofort, grinst dann jedoch, was absolut sexy ist. »Das sieht man doch, oder?«

Das bringt mich zum Lachen. »Ich muss zugeben, dass ich mir schon irgendwie Sorgen um deine Finger mache.«

Fridolin gluckst. »Normalerweise mache ich mir nicht die Mühe, so zu kochen.«

»Du meinst, du isst dann Fertiggerichte?«

»Dieses Mikrowellenessen? Nein, ich... ähm... ja, das meinte ich. Nicht nur, aber es geht dann sehr viel schneller.«

»Mhm«, murmle ich, glaube ihm jedoch kein Wort. Nicht zuletzt, weil es in dieser Küche offenbar gar keine Mikrowelle gibt. Dennoch lasse ich es darauf beruhen, denn ich will mein Glück ja nicht herausfordern. Vielleicht ist er doch ein Vampir und am Ende lande ich noch auf seinem Speiseplan. Das möchte ich dann doch vermeiden. »Was ist dein Lieblingsessen?«

»Lieblingsessen?« Er scheint angestrengt darüber nachdenken zu müssen. »Zählen diese Getreidestangen mit Honig oder Schokolade?«

»Ich dachte zwar eher an richtiges Essen, aber klar, Müsliriegel sind auch mal lecker.«

»Müsliriegel«, murmelt er vor sich hin. »Ja, die esse ich gerne. Und dieses mit Salz bestreute Gebäck in Form von kleinen Brezeln.«

»Okay«, sage ich gedehnt, denn darauf wollte ich ja eigentlich nicht hinaus. »Hast du denn auch ein warmes Leibgericht?«

»Natürlich«, antwortet er nickend. »Pasta mit Spinat oder mit Tomatensoße und... wie heißt es gleich... beinahe püriertes Schwein?«

»Hackfleisch?«, schlage ich ein wenig irritiert vor.

»Ja genau. Der Fleischhändler hier im Ort hat eine sehr gute Qualität, da kaufe ich gerne ein. Allerdings nur einmal pro Woche, das genügt mir.«

»Mhm.« Hat er tatsächlich gerade Fleischhändler gesagt? »Und dann machst du dir Spaghetti Bolognese?«

Er nickt. »Ja, richtig.«

»Das esse ich auch gerne«, erzähle ich. Vielleicht lädt er mich dann ja mal ein.

Als die Kartoffeln und die Möhren auf dem Herd stehen, spüle ich das Fleisch ab und tupfe es trocken. Fridolin beobachtet mich dabei ununterbrochen, als würde er zum ersten Mal sehen, wie jemand Steaks vorbereitet. Als ich ihn um etwas Fett für die Pfanne bitte, sieht er ein wenig ratlos aus. Butter ist das Einzige, was er da hat, sodass ich beschließe, schnell mal nach Hause zu laufen, denn damit kann ich nun wirklich kein Rindfleisch braten.

»Was hältst du von einem Glas Rotwein zum Essen? Oder magst du lieber Bier?«, frage ich, bevor ich die Küche verlasse. »Ich hab beides da.«

»Wein wäre nett«, sagt er lächelnd. »Ich trinke kein Bier.«

»Okay, dann Wein. Bin gleich wieder zurück.«

»Warte«, hält er mich zurück. »Was ist mit den Töpfen dort? Muss ich etwas umrühren oder so?«

Belustigt sehe ich in sein fragendes Gesicht. »Nein, das kocht von allein. Keine Sorge, da kann nichts passieren und ich bin in zwei Minuten wieder da. Du kannst aber schon mal die Backröhre vorheizen.«

»Na gut«, murmelt er mit einem vorsichtigen Seitenblick auf den Herd.

Schmunzelnd flitze ich das kurze Stück die Straße runter und in meine Bleibe. Mit einer Flasche Wein und dem Becher Butterschmalz eile ich zurück zu Fridolins Haus. Ehe ich klingeln kann, öffnet er mir die Tür, als hätte er davor gewartet, und schließt sie, nachdem ich im Flur stehe.

In der Küche angekommen, nimmt er mir die Weinflasche ab und beginnt in seinen Schränken nach einem Korkenzieher zu suchen. Ich stelle derweil die Pfanne auf den Herd und lasse sie heiß werden.

»Sag mal, hast du schon aufgeräumt?«, frage ich verblüfft, denn sämtliche Messer sind verschwunden, die Spüle glänzt, als wäre sie nagelneu und auch die Holzbretter liegen sauber und zu meiner Überraschung trocken auf der Arbeitsfläche, wo wir sie benutzt haben.

Fridolin sieht sich ein wenig verdutzt um, dann nickt er. »Ja. Ich mag es lieber ordentlich und da dachte ich, nutze ich die Zeit.«

»Wow, da hast du dich aber beeilt. Ich war keine fünf Minuten weg und alles ist picobello.«

Er lächelt lediglich, dann scheint er einen Korkenzieher gefunden zu haben. Er hantiert ein wenig unbeholfen damit herum, wendet mir schließlich den Rücken zu und greift nach zwei Weingläsern, die er anscheinend schon bereit gestellt hat. Eine viel zu kurze Zeit später, hält er mir eines der gefüllten Gläser hin.

»Danke schön«, sage ich lediglich. Mittlerweile bin ich mehr als neugierig, was hier vor sich geht, aber ich muss zugeben, dass ich auch ein wenig Angst davor habe, es herauszufinden. Ich bezweifle zwar, dass er irgendein gefährlicher Alien ist und für derart intelligente, autonome Roboter fehlt der Menschheit noch das Knowhow, fürchte ich, aber ganz geheuer ist mir die ganze Sache trotzdem nicht. Vielleicht ist er wirklich so was wie ein Vampir oder Mutant oder so. Es ist kaum vorstellbar, aber ganz abwegig nun auch wieder nicht. Zumindest halte ich es für wahrscheinlicher, als in der Küche eines Alien zu stehen.

Vielleicht gibt es aber auch eine simple Erklärung für sein seltsames Verhalten und dieses Materialisieren aus dem Nichts. Ich weiß allerdings nicht welche.

»Ich wusste nicht, welche Temperatur der Herd haben muss, daher habe ich ihn nur ein wenig heiß gemacht.«

»Ein wenig heiß?« Ich werfe einen Blick auf den Temperaturregler, aber er steht auf Null. »Er ist doch gar nicht eingeschaltet.«

»Oh. Der Schalter ist kaputt«, erklärt er, als ich darauf deute. »Also, ich meine, man kann ihn drehen, aber er funktioniert nicht richtig. Die Temperatur ist nicht die, die man eingestellt hat.«

»Woher weißt du dann, welche Temperatur der Herd hat?«

»Ich mache das nach Gefühl.«

Ungläubig sehe ich ihn an. »Nach Gefühl?«

Er schluckt sichtbar. »Na ja, ich nutze ihn ja nicht so oft und wenn, dann stelle ich einfach das Essen rein, wenn der Herd meiner Meinung nach ausreichend heiß ist.«

»Okay.« Ich unterdrücke ein Kopfschütteln und prüfe die Hitze der Pfanne. Da sie heiß ist, lasse ich etwas Butterschmalz reingeleiten und brate anschließend die Steaks an. »Die Pfanne ist feuerfest, oder?«, frage ich sicherheitshalber, woraufhin der Hausherr sie skeptisch beäugt. »Wird schon so sein«, entscheide ich, klappe den Herd auf und schiebe die Pfanne auf den Rost. »Das Fleisch braucht jetzt eine viertel Stunde. Da du ja schon aufgeräumt hast, könnten wir den Tisch decken, oder?«

»Oh, das habe ich schon getan«, sagt er mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht. »Ich habe den Esstisch im Wohnzimmer eingedeckt. Daran sitze ich sonst nur zum Arbeiten.«

»Wie hast du das denn alles in der kurzen Zeit geschafft?«, kann ich mich nun doch nicht davon abhalten, zu fragen.

Fridolin blinzelt wieder schnell. Das scheint er immer zu machen, wenn ich ihm eine Frage stelle, auf die er nicht gleich weiß, was er antworten soll. »Ich habe mich beeilt.«

»Okay.« Plötzlich kommt mir ein Gedanke, der mich nervös werden lässt. »Wir sind aber alleine hier, oder?«

Er nickt stirnrunzelnd. »Ja. Natürlich. Wer sollte denn noch hier sein?«

»Keine Ahnung. Es ist nur so schwer vorstellbar, dass du allein innerhalb von fünf Minuten den Müll beseitigt, das Besteck und die Bretter abgewaschen, abgetrocknet und weggeräumt hast und es dann auch noch geschafft hast, den Tisch zu decken«, antworte ich mit klopfendem Herzen.

»Habe ich aber nun mal«, verteidigt er sich leise. »Hier ist keiner weiter.«

Ich atme tief durch, nicke dann jedoch. »Na gut, ich glaube dir.« Keine Ahnung, wieso, aber das Unbehagen darüber, dass sich noch jemand anderes hier im Haus aufhalten könnte, ist gerade größer, als die Verwunderung darüber, wie er das alles geschafft hat.

»Ich habe nicht oft Gesellschaft«, murmelt er plötzlich. »Ich bin mit den Gepflogenheiten dabei nicht sonderlich vertraut. Wäre es angebracht gewesen, mit dem Decken des Tisches zu warten?«

»Nein, schon gut.« Er sieht so verloren aus, dass er mir fast leidtut. »Keine Sorge, das war schon in Ordnung.« Um ihm zu zeigen, dass ich es ernst meine, lächle ich ihn an, was er nach kurzem Zögern erwidert. »Dann schauen wir mal nach den Kartoffeln und den Möhren, hm?«

»Die sind gar.«

Ich will gerade fragen, woher er das wissen will, besinne mich dann jedoch eines Besseren, schließe kopfschüttelnd den Mund und drehe mich stattdessen zu den Töpfen um.

 

Das Essen verläuft, vielleicht auch durch die zweite Flasche Wein, die Fridolin hervorgezaubert hat, erstaunlich angenehm. Was er anfangs sehr verschlossen war, quasselt er seit dem dritten Glas beinahe ununterbrochen. Erst erzählt er mir alles, was er über die Nachbarn in unserer Straße weiß, dann plaudert er über seinen Job als Lektor und Korrektor. Offenbar gefällt ihm seine Arbeit, denn er bekommt richtig rote Wangen, während er redet. Kann aber auch am Wein liegen.

»Es tut mir leid, ich hab dich gar nicht zu Wort kommen lassen«, stellt er auf einmal fest, während er nach der Weinflasche greift und den Rest auf unsere Gläser verteilt. »Wie ist es denn heutzutage als Lehrer?«

»Sehr anstrengend«, antworte ich seufzend, denn eigentlich will ich nicht über meinen Job sprechen. »Die meisten Kiddies sind total verzogen, versuchen einem, wann immer es geht auf der Nase rumzutanzen, und können sich schlecht konzentrieren. Wenn man dann mit den Eltern darüber reden will, lassen die natürlich nichts auf ihre ach so tollen Sprösslinge kommen.«

Fridolin starrt mich mit großen Augen an. »Das klingt ja furchtbar. Warum machst du diesen Job, wenn du ihn offenbar hasst.«

»Ich hasse ihn nicht«, widerspreche ich, stutze allerdings. »Okay, ich hasse meinen Job, aber irgendwie muss man ja zu Geld kommen. Meine Exfrau hält jeden Monat ihre gierige Hand auf und ich hab ja jetzt das Haus, an dem noch Einiges gemacht werden muss.«

»Exfrau?«

Seufzend trinke ich mein Glas leer und stelle es anschließend auf den Tisch. »Jap. Damals hielt ich es für eine gute Idee, mittlerweile stehe ich dazu, schwul zu sein, auch wenn ich es wegen des Jobs eben nicht publik mache.«

»Verstehe. Nur, ist das nicht anstrengend, wenn man seine Vorlieben verstecken muss?«, fragt er mit gerunzelter Stirn, woraufhin ich nur mit den Schultern zucke.

»Keine Ahnung. Bestimmt. Bisher hatte ich aber auch noch keine Beziehung zu einem Mann, die ich verstecken musste.«

Nun werden Fridolins Augen riesig. »Du bist Jungfrau?«

»Was? Nein!« Empört schüttle ich den Kopf. »Nur weil ich noch nie ernsthaft mit einem Mann zusammen war, heißt das doch nicht, dass ich noch nie mit einem geschlafen habe.«

»Oh.« Röte schießt in sein Gesicht. »Das zu fragen war unangebracht, nicht wahr? Es tut mir leid.«

»Schon gut«, sage ich abwinkend. »Wie ist es denn bei dir? Du hast ja gesagt, dass du nicht so oft Gesellschaft hast. Heißt das, dass es... na ja, bei dir gerade auch niemanden gibt?« Mit etwas schneller als normal klopfendem Herzen, warte ich gespannt auf seine Antwort.

Der Mann mir gegenüber schüttelt den Kopf. »Nein, es gibt niemanden an meiner Seite.«

»Oh.«

»Das ist nicht schlimm«, meint er schulterzuckend, während er mit dem Glas in seiner Hand spielt. »Ich habe mich daran gewöhnt, allein zu sein.«

»Was ist mit deiner Familie?«, taste ich mich weiter vor, denn ich stelle es mir schrecklich einsam vor, nie jemanden zum Reden zu haben. Das war etwas, was ich bei meiner Ehe immer als Vorteil gesehen habe. »Bekommst du nie Besuch von ihnen?«

»Meine Eltern sind schon vor Jahren gestorben«, antwortet er leise. »Geschwister habe ich keine.«

»Das tut mir leid«, sage ich mitfühlend. »Vielleicht könnten wir ja mal was zusammen unternehmen, wenn uns mal langweilig ist, meine ich.« Ich versuche, betont beiläufig zu klingen, damit er nicht denkt, dass ich ihn bedränge oder so. »Hey, was hast du für Hobbys? Vielleicht mögen wir ja beide das Gleiche.«

»Das bezweifle ich«, murmelt er, doch ich höre es trotzdem. »Eigentlich habe ich keine Hobbys.«

»Was machst du denn dann den ganzen Tag allein hier drin?«, frage ich verdutzt.

»Arbeiten.«

»Immer? Jeden Tag?«

Er nickt lediglich. »Ich kenne es nicht anders.«

Was soll das denn bedeuten? Er klingt ja fast so, als wäre er schon hundert Jahre alt. »Würdest du denn mal was mit mir zusammen machen wollen?«

»Geschlechtsverkehr?«

Völlig überrascht öffne und schließe ich ein paarmal den Mund ohne, dass etwas Sinnvolles dabei rauskommt. »Ich dachte eher daran, dass wir einen Film zusammen schauen oder mal ausgehen, aber ich wäre definitiv nicht abgeneigt«, gebe ich zu, denn es entspricht der Wahrheit.

Er nickt vor sich hin, als würde er angestrengt überlegen, dann lächelt er zaghaft. »Ich werde darüber nachdenken.«

»Okay.« Er ist wirklich ein sehr seltsamer Kerl. Um vom Thema abzulenken, sehe ich über den Tisch. »Was meinst du, sollen wir abwaschen? Dann lasse ich dich anschließend wieder in Ruhe.«

Fridolin schüttelt den Kopf. »Das ist nicht nötig. Das Geschirr habe ich ganz schnell wieder im Schrank.«

»Bist du dir sicher?«, frage ich sicherheitshalber, doch er nickt. »Na gut, wenn du meinst.« Etwas schwerfällig erhebe ich mich, denn der Wein hat mich ziemlich müde gemacht. An der Haustür angekommen, sehe ich ihn doch ein wenig abwartend an, aber er steht einfach nur mit der Hand auf der Türklinke da und lächelt. »Möchtest du vielleicht meine Handynummer haben?«, biete ich an. »Ich meine, für den Fall, dass du dich dazu entscheidest, mal was mit mir zusammen machen zu wollen.«

»Oh.« Er blinzelt ein paarmal. »Ich besitze kein Telefon.«

»Was?« Jetzt verarscht er mich doch. Ich kenne wirklich niemanden, der kein Handy hat.

»Es ist so. Ich meine, ich bin hier in einem Funkloch und ich wüsste auch gar nicht, wen ich anrufen sollte. Mit meinen Auftraggebern und den Autoren habe ich per E-Mail Kontakt.«

»Dann geb ich dir meine E-Mail-Adresse und du schreibst mir dahin«, schlage ich mittlerweile ein wenig verzweifelt vor. Ich will ihn wirklich nicht bedrängen, aber ich würde ihn sehr gern wiedersehen, was aber von ihm aus kommen soll, schließlich will ich nicht wie eine nervige Klette wirken.

Zu meiner unendlichen Erleichterung nickt er. »Sicher. Ich kann aber nur montags schreiben, weil ich nur da in der Bibliothek bin und dort den Internetanschluss nutze.«

»Du hast hier kein Internet?«

»Nein. Wie gesagt, ich bin hier in einem Funkloch.«

»Willst du mich auf den Arm nehmen? Wir haben Glasfaserkabel liegen«, entgegne ich verdutzt.

»Ich hab aber nun mal keinen Internetanschluss hier, sondern gehe montags in die Bibliothek«, informiert er mich offenbar leicht genervt.

Abwehrend hebe ich die Hände. »Okay, schon gut.« Mir wird das langsam zu blöd. Wenn er mich nicht treffen will, soll er es doch einfach sagen, statt sich diese dämlichen Ausreden einfallen zu lassen. »Vergiss es einfach.« Ich trete aus dem Haus und gehe die Treppe runter.

»Was ist mit deiner E-Mail-Adresse?«, ruft er mir nach, als ich kurz vor dem Bürgersteig bin.

Ich fahre zu ihm herum. »Schon gut, echt. Ich hab’s kapiert.« Mit diesen Worten wende ich mich wieder ab und will gehen, komme jedoch nicht weit, denn nur eine Sekunde später spüre ich seine Hand auf meiner Schulter.

»Warte mal.«

Erschrocken zucke ich zusammen. »Gott, wie machst du das, verdammt?«

»Es tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken. Du wirktest nur gerade verärgert auf mich, denn deine Aur– Ausstrahlung hat sich verändert. Ich verstehe aber nicht, warum.«

Ich lache überrascht auf. »Du fragst mich jetzt echt, warum ich verärgert sein könnte? Vielleicht, weil du dir die haarsträubendsten Ausreden einfallen lässt, um mich nicht anrufen zu müssen?«

»Ich besitze wirklich kein Telefon«, erwidert er vehement.

Ich verdrehe die Augen. »Schon klar, wegen des Funklochs.«

»Hast du dein Handy bei dir? Dann hol es raus und sieh selbst nach.«

Eigentlich will ich einfach nur noch gehen, doch als ich in sein verzweifeltes Gesicht hinunter sehe, ziehe ich mein Handy aus der Hosentasche und drücke auf einen Knopf, um das Display zum Leben zu erwecken. Tatsächlich. Null Empfang. »Unglaublich.«

»Ich habe nicht gelogen.«

»Nein. Tut mir leid. Es kam halt so rüber. Heutzutage ist es kaum vorstellbar, dass jemand nicht ständig erreichbar sein will.«

Fridolin verschränkt die Arme vor der Brust und sieht sogar ein wenig beleidigt aus. »Wie gesagt, es gibt niemanden, der mich anrufen wollen würde. Wenn ich jemanden außerhalb dieses Orts kontaktieren will, schreibe ich ihm eine E-Mail oder einen Brief. Das mache ich schon seit Ewigkeiten so und es funktioniert wunderbar.«

»Okay. Entschuldige bitte. Ich habe wohl zu voreilig geurteilt.«

Fridolin nickt und lässt seufzend die Arme sinken. »Ich hatte doch gesagt, dass ich darüber nachdenke. Ich habe mich in deiner Gegenwart wohlgefühlt und der Abend war wirklich sehr angenehm, aber ich bin halt der Ansicht, dass es schwierig wäre, sich auf einen Menschen einzulassen.« Er verzieht kurz das Gesicht und beißt sich auf die Unterlippe. »Ich meine... Egal. Kannst du mir etwas Zeit geben, um darüber nachzudenken?«

»Ich habe nie gesagt, dass wir was miteinander anfangen sollen. Ich hatte nur vorgeschlagen, mal etwas zusammen zu unternehmen«, erinnere ich leise. »Du hast das mit dem Sex angebracht.«

Er wird sogar etwas rot, was total süß ist. »Sag mir deine Adresse. Ich schreibe dir, ja? Außerdem weiß ich ja, wo du wohnst.«

»Stimmt.« Wie konnte ich das vergessen? Nachdem ich ihm meine E-Mail-Adresse gegeben habe, fällt mir noch etwas ein: »Nur, falls du vorbeikommst... klingel bitte einfach, ja?«

Er nickt stirnrunzelnd. »Ja, natürlich.«

»Ich meine ja nur, für den Fall, dass du vorhast, einfach aus dem Nichts in meiner Küche aufzutauchen oder so«, necke ich grinsend, woraufhin er die Augen aufreißt und dann schnell den Blick senkt.

»Das tue ich nicht«, murmelt er leise. »Ich traue mich sowieso nicht in dein Haus rein.«

»Hey«, schnaube ich empört. »Es ist sicher.«

Fridolin sieht mit besorgtem Blick auf. »Adrian, in dem Haus hat seit über zwanzig Jahren niemand gelebt. Davor hat eine Ewigkeit diese alte Dame darin gehaust und da sah das Haus schon aus, als würde es beim nächsten Sturm zusammenfallen.«

»Wie willst du das beurteilen? Da warst du doch noch ein Kind.«

Er blinzelt wieder schnell, dann zuckt er mit den Schultern. »Man sieht dem Haus sein Alter doch an.«

»Alles klar. Danke, für deine Sorge, aber das ist unnötig. Das Haus mag alt sein, aber es ist nicht einsturzgefährdet oder so«, widerspreche ich bestimmt. »Außerdem renoviere ich es ja gerade.«

Fridolin wirft einen Blick die Straße runter auf mein Häuschen, dann schaut er mich an und seufzt leise. »Na gut, wenn du meinst.« Wieder sieht er die Straße runter.

»Fridolin?«

Er blickt zu mir auf. »Ja?«

»Danke, für den schönen Abend.« Ich lächle ihn an, zwinge mich jedoch dazu, ihm nur die Hand hinzustrecken und ihn nicht an mich zu ziehen, als er sie zögerlich nimmt. »Bis bald, hoffe ich.«

»Ich melde mich bei dir«, sagt er leise. »Auf Wiedersehen.«

Ich lächle ihm noch mal zu, dann wende ich mich um und trete auf den Bürgersteig. Nach ein paar Metern sehe ich über meine Schulter, doch er ist verschwunden, die Haustür ist zu und der Flur dunkel.

Ich habe immer noch keine Erklärung dafür, wie er das mit dem Materialisieren macht oder wer oder was er überhaupt sein könnte. Allerdings hoffe ich, dass ich es irgendwann noch rauskriege, denn ganz eindeutig steckt eine interessante Geschichte dahinter, die ich nur zu gern erfahren möchte. Gleichzeitig ist er ein wirklich netter, etwas verschrobener Mann.

Ich muss ihn einfach näher kennenlernen.

Ein verführerischer Nachbar

Ein verführerischer Nachbar

 

Fridolin

 

Ich weiß nicht, wie er es angestellt hat, aber ich kann nicht aufhören, an Adrian Leipold zu denken. Er ist der erste Mensch seit Jahrzehnten, der es geschafft hat, in mein Haus einzudringen. Ich bin mir immer noch nicht sicher, warum ich es zugelassen habe, aber ich schiebe es erst mal darauf, dass er ein sehr einnehmendes Wesen hat und schließlich mehr oder weniger über mich hergefallen ist.

Das Essen war allerdings sehr angenehm, auch wenn ich mich beim Kochen wahrscheinlich ziemlich ungeschickt angestellt und zwischendurch auffällig verhalten habe. Ich muss in seiner Gegenwart wirklich besser darauf Acht geben, was ich tue oder sage.

Zumindest bin ich seit Samstagnacht etwas beruhigter, was seine Wohnsituation angeht. Ich habe mir erlaubt, eine Runde um sein Haus zu gehen, als er geschlafen hat, und konnte einige der Wände... na, nennen wir es, ausbessern. Das Haus bräuchte jedoch eine Grundsanierung, denn viele der Balken waren morsch. Auch wenn sie nun stabiler sind, das Haus nicht mehr jeden Moment einstürzen kann, sollte er sie austauschen lassen, denn ich konnte sie nur verjüngen, nicht ersetzen. Wie lange das anhält, wenn ich nicht ständig in der Nähe bin, weiß ich nicht. Ich vermute jedoch, wenn ich einmal die Woche bei ihm am Haus bin, wird es eine Weile gut gehen.

Hoffentlich kommt nur nie jemand vom Magierrat dahinter, dass ich einem Menschen durch meine Kräfte helfe, denn dann stecke ich in echten Schwierigkeiten. Streng genommen ist es uns ausdrücklich verboten, Magie in Gegenwart eines Menschen anzuwenden oder ihm gar damit bei etwas zu helfen. Schließlich war das damals, im Mittelalter und vor allem in der Frühen Neuzeit, beinahe unser Untergang und auch das Todesurteil für viele unschuldige Menschen. Zwar wollten die Magier, Hexen und Zauberer nur Gutes tun, indem sie ausgewählten Menschen mit Hilfe ihrer Kräfte Unterstützung anboten, doch leider konnten die unser Geheimnis nicht bewahren, was zur beinahe vollständigen Ausrottung unserer Spezies geführt hat.

Seitdem hat der Magierrat ein Verbot für das Zurschaustellen von Magie verhängt. Ich halte diese Regel für sinnvoll, aber sich daran zu halten, ist nicht immer ganz leicht. Die Menschen bemerken vieles nicht gleich, aber in Zeiten von permanenter Videoüberwachung kann man sich ja kaum noch irgendwo unbeobachtet fühlen. Zwar stört unsere Magie den Empfang der Geräte, doch ich bin mir nicht sicher, wie groß die Reichweite dabei ist und ob nicht doch jemand aus einigen Metern Entfernung etwas aufzeichnen könnte. Das wäre ganz schlecht.

Hexenverbrennungen gehören zwar der Vergangenheit an, aber ganz gewiss würden die Menschen mich gefangen nehmen und eine Erklärung dafür verlangen, warum ich mich teleportieren oder das Wachstum von Lebewesen beeinflussen kann. Nicht, dass das meine einzigen Kräfte wären. Ich kann auch Gegenstände bewegen und sie dazu bringen, meinem Willen zu folgen, wie zum Beispiel ihre Größe, ihren Aggregatzustand oder ihren Aufenthaltsort zu ändern. Oder, im Falle des Geschirrs oder der Fenster zum Beispiel, sich selbst zu reinigen.

Ich weiß, dass ich das vor Adrian geheimhalten muss. Nicht zuletzt bin ich einer der Wächter der Magiergesellschaft, das heißt, meine Aufgabe ist es, zu überwachen, dass Magier unsere Existenz nicht preisgeben. Es wäre daher unverantwortlich, mich mit Adrian einzulassen. Bestimmt hat er sowieso schon etwas gemerkt, doch ich bezweifle, dass er weiß, was ich bin.

Obwohl das wirklich, wirklich gute Gründe sind, Adrian zu vergessen, kann ich nicht aufhören, an ihn zu denken. Seit seinem Besuch vor einer Woche geistert er ununterbrochen durch meine Gedanken. Ich habe mir sogar schon Argumente überlegt, warum ich zu ihm rübergehen und ihn fragen soll, ob er immer noch Interesse daran hat, sich mit mir zu verabreden. Es sind alles niedere, egoistische Motive, aber dennoch lassen sie mich nicht los.

Zweimal war ich in den letzten Tagen nachts in seinem Haus, habe die Balken in den Wänden und Decken kontrolliert. Auch um die morsche Linde in seinem Garten, die ganz gewiss beim nächsten Herbststurm in sein Wohnzimmer gestürzt wäre, habe ich mich gekümmert, denn ich wollte nicht, dass sie gefällt werden muss. Sicher, ich kann ihr Ableben nur hinauszögern, denn irgendwann werde ich den Ort verlassen und mir eine neue Bleibe suchen müssen. Langsam fangen die Menschen hier nämlich an, sich darüber zu wundern, dass ich nicht altere. Zwar könnte ich es zulassen, aber ich sehe es schlicht nicht ein, mich der menschlichen Vorstellung in dieser Richtung anzupassen, denn mir gefällt, was ich im Spiegel sehe.

Mein größtes Problem, das ich habe, wenn ich an Adrian denke, ist das Eigenleben meines Penis. Es erscheint primitiv, ist aber nicht zu leugnen. Bisher hat es noch kein Mensch geschafft, mich derart aus der Fassung zu bringen und eher auf meinen Unterleib zu hören, als auf meinen gesunden Magierverstand. Dennoch stehe ich am Samstagnachmittag vor Adrians Haustür und drücke auf den Klingelknopf. Es dauert einen Moment, dann höre ich von drinnen ein Poltern und ein leises Fluchen, bevor die Tür aufgeht.

»Fridolin! Hallo.« Adrian hüpft auf einem Bein herum, während er die Tür weiter aufzieht.

»Hallo. Geht es dir gut?«, frage ich mit Blick auf seinen linken Fuß, den er über seine rechte Wade reibt. »Hast du dich verletzt?«

»Nur an einem der Kartons gestoßen, die ich noch nicht ausgepackt habe. Möchtest du reinkommen?«

Ich nicke. »Sehr gerne.«

»Tatsächlich?«, fragt er mit hochgezogenen Augenbrauen, als ich an ihm vorbei in den Flur trete. »Ich hätte schwören können, dass du letztens noch meintest, mein Haus nicht betreten zu wollen.«

»Ach so, ja. Ich hoffe einfach, dass es nicht genau jetzt zusammenfällt«, wage ich es, einen Witz zu machen.

Adrian guckt ein wenig verdutzt, dann lacht er los. »Das wird es nicht, keine Sorge.«

»Gut, ich wollte dich gerne etwas fragen«, komme ich zum eigentlichen Punkt meines Besuchs.

»Schieß los!«

»Möchtest du immer noch Zeit mit mir verbringen?«

Er nickt sofort und auf seinem Gesicht breitet sich ein Strahlen aus. »Ja, sicher. Hast du schon eine Idee, was wir machen wollen?«

»Ja.« Ich nicke ebenfalls, erfreut, dass er seine Meinung nicht geändert hat.

»Super. Welche? Was wollen wir unternehmen? Kino? Bowling?«

»Nein, ich möchte nicht ausgehen. Du weißt ja, wie die Leute über mich reden.«

Adrian lächelt noch immer. »Okay, kein Problem. Wir können auch noch mal zusammen bei dir kochen und hinterher einen Film schauen.«

»Ich habe kein Fernsehgerät, weil ich doch keinen Empfang habe.«

»Du meine Güte«, murmelt er, nickt dann jedoch. »Okay, dann kochen wir eben und unterhalten uns. Das war doch auch nett, hm?«

»Oder wir könnten Geschlechtsverkehr haben«, schlage ich vor, denn das ist schließlich der Grund meines Besuchs. »Du hattest erwähnt, dass du bereits neben einem Mann geschlafen hast, daher vermute ich, dass du auch Erfahrung mit homosexuellem Geschlechtsverkehr hast und ich würde mich wirklich freuen, wenn du mir zeigen könntest, wie das geht.«

Adrians Augen sind riesengroß und sein Mund steht offen, doch er sagt nichts, sondern starrt mich nur reglos an.

»Entschuldige, habe ich mich wieder falsch ausgedrückt?«, rudere ich zurück, denn hinsichtlich des korrekten Verhaltens Menschen gegenüber habe ich noch Einiges zu lernen.

Meine Mutter hat mich immer vor ihnen gewarnt und gemeint, dass sie die Angewohnheit haben, Dinge in Worte hineinzuinterpretieren, die man nicht gesagt hat. Ich habe allerdings die Erfahrung gemacht, dass die Wenigsten es für gut befinden, wenn man ihnen direkt sagt, was man denkt. Sie wirken dann meist verärgert oder verstört, wie Adrian jetzt gerade.

Auch an ihren Auren kann man es nicht ablesen, denn die verhalten sich sehr merkwürdig. Zwar habe ich bereits erkannt, dass sie sich dunkelgrün verfärben, wenn jemand lügt, was das Flackern und andere Farbwechsel bedeuten, ist mir jedoch noch ein Rätsel. Adrians Aura pulsiert zum Beispiel gerade stark, wobei helle und dunkle Wellen sich rasch abwechseln.

»Du... du willst, dass ich dir zeige, wie Sex geht?«, fragt er stotternd.

Ich nicke, froh darüber, dass er mich anscheinend doch verstanden hat. »Genau. Bisher habe ich lediglich Bücher zu diesem Thema gelesen und anhand der Darstellungen und Beschreibungen ist mir die physiologische Komponente bekannt, jedoch würde ich gerne auch erfahren, wie die Empfindungen dabei sind, denn sie sollen recht unterschiedlich sein.«

Unter Magiern ist es leider nicht gestattet, erotische Kontakte zum gleichen Geschlecht zu haben. Ich habe meine Eltern einmal nach dem Grund gefragt. Sie haben mir jedoch unmissverständlich klargemacht, dass es schlichtweg verboten ist und ich niemandem erzählen soll, dass ich überhaupt solche Gedanken habe.

»Tut mir leid, dass ich das jetzt frage, aber... verarschst du mich gerade?«

Verwirrt stelle ich fest, dass er verärgert klingt und auch seine Aura ist dunkler geworden, obwohl sie noch immer stark pulsiert. »Nein, das ist eine ernstgemeinte Bitte.«

»Du hattest noch nie Sex?«

»Richtig.«

»Und du willst, dass ich es dir zeige?«

Seine sonst sonnengelbe Aura beginnt rötlich zu flimmern, was ich jedoch nicht zu deuten weiß. »Das ist meine Bitte, ja«, antworte ich dennoch.

Er atmet tief ein und langsam wieder aus. »Das kommt ein wenig überraschend, muss ich zugeben. Ich wusste nicht, dass du noch nie Sex hattest.«

»Beeinflusst das denn deine Einstellung dazu? Bei unserem letzten Treffen meintest du, dass du nicht abgeneigt wärst«, frage ich neugierig, denn ich bin davon ausgegangen, dass Geschlechtsverkehr bei jedem Mal mehr oder weniger auf die gleiche Weise durchgeführt wird, wobei die unterschiedlichen Anatomien von Mann und Frau natürlich Berücksichtigung finden müssen.

»Ja sicher«, sagt er sofort. »Ich meine, das erste Mal ist doch etwas Besonderes.«

Stirnrunzelnd sehe ich ihn an. »In wie fern?«

Adrian bläst die Wangen auf und schüttelt den Kopf. »Darf ich dich erst mal fragen, wie es kommt, dass du bisher noch keinen Sex hattest und warum du es gerade mit mir tun willst?«

»Nun, bisher habe ich noch keinen Menschen kennengelernt, bei dem ich dieses Verlangen danach hatte«, gebe ich zu, verschweige jedoch, dass es mir mit einem Magier verboten ist. Mein Herz beginnt ein wenig schneller zu schlagen und meine Hände werden feucht. »Bei dir ist es jedoch da«, füge ich etwas verlegen hinzu.

Adrians Aura beginnt in schwindelerregender Frequenz zu pulsieren, während sie leuchtend rot wird und kaum noch zu ignorieren ist. Er räuspert sich und schluckt ein paarmal sichtbar. »Ich fühle mich wirklich geschmeichelt und ich hätte auch kein Problem damit, wenn wir Sex haben, aber ich denke, du überstürzt das Ganze ein wenig. Wir sollten uns erst noch etwas näher kennenlernen, denke ich, um zu sehen, ob du dann immer noch der Meinung bist, dass ich der Richtige für dein erstes Mal bin.«

»Na gut«, sage ich nachdenklich, denn es ist nachvollziehbar, was er sagt. Ich sollte wohl tatsächlich erst einmal sehen, was für ein Mensch er ist und ob ich ihm trauen kann. Zwar werde ich ihm weiterhin nichts von meiner wahren Natur verraten, doch sicherlich kann es nicht schaden, etwas mehr über ihn in Erfahrung zu bringen, bevor wir uns nackt sehen. »Dann möchte ich dich gerne zu einem Essen bei mir einladen. Heute Abend zwanzig Uhr, wenn dir das nicht zu kurzfristig ist?«

Adrian nickt, während seine Aura sich endlich wieder beruhigt und in ein Orange übergeht. »Aber nur essen und reden, ja?«

»Natürlich«, antworte ich nickend, damit er nicht denkt, dass ich ihn bedränge. »Hast du einen Wunsch?«

Er grinst und seine grünen Augen funkeln sogar. »Überrasch mich.«

Lächelnd nicke ich und wende mich zur Haustür um. »Dann sehen wir uns heute Abend. Ich freue mich darauf.«

Adrian öffnet mir die Tür, während er mich kopfschüttelnd ansieht. »Du bist schon ein seltsamer Mann, Lino.«

»Lino?« Ich sehe ihn verwirrt an, denn ich bin mir nicht sicher, warum er mich so anspricht.

Adrian presst kurz die Lippen zusammen, dann zuckt er mit den Schultern. »Eine Mischung aus Fridolin und Oleander.«

»Oh. Verstehe. Was ist mit Tiräeus?«

»Dazu ist mir noch nichts Passendes eingefallen«, erklärt er grinsend. »Bisher gefällt mir Lino am besten.«

»Ich weiß nicht, ob ich damit einverstanden bin, wenn du mich so nennst«, gebe ich zu, denn bisher hat noch nie jemand meine Vornamen abgekürzt oder kombiniert. Allerdings scheint es ein Brauch unter Menschen zu sein, die sich gut kennen, was wiederum bei Adrian und mir noch gar nicht der Fall ist. »Vielleicht sollten wir noch etwas damit warten.«

Adrian sieht reichlich amüsiert aus. »Bis nach dem Sex, meinst du?«

»Ja. Oder zumindest, bis wir uns vertrauter sind«, bestätige ich.

»Und dann darf ich Lino zu dir sagen? Wie nennst du mich dann?«

»Ich weiß es nicht«, muss ich zugeben. »Hast du einen zweiten Vornamen?«

Adrian grinst. »Nein, tut mir leid, so einfach wird es wohl nicht. Da musst du dir etwas anderes einfallen lassen.«

»Hm.« Nachdenklich trete ich ins Freie, doch im Moment fällt mir keine Abkürzung für seinen Namen ein, die angenehm klingt. »Ich muss noch etwas darüber nachdenken.«

»Schon okay«, sagt er leise lachend. »Bis heute Abend. Ich freue mich auch.«

Ich winke ihm zum Abschied, dann gehe ich nach Hause, wobei ich überlege, was ich zum Abendessen auf den Tisch bringen könnte.

 

Ich glaube, der Schweinebraten mit Rotkohl und Klößen ist mir sehr gut gelungen. Adrian hat mich jedenfalls ein paarmal überschwänglich gelobt und sich den Bauch getätschelt, als wäre er kugelrund, statt flach, wie er eigentlich ist.

»Hat es dir geschmeckt?«, frage ich, während wir auf dem Sofa sitzen und ich uns etwas von dem Rotwein nachgieße, der ihm letzte Woche schon so gut gefallen hat. »Du hast ganz rote Wangen.«

Adrian kichert. »Hat es. Du hättest mir letzte Woche ruhig sagen können, dass du so gut kochen kannst. Ich dachte, du wärst ein blutiger Anfänger, aber das hier, das war besser als jedes Gericht, den ich bisher im Restaurant gegessen habe.«

»Oh, das war nicht schwer«, sage ich abwinkend. »Das kocht sich doch alles von allein.«

Als ich seinen verwirrten Blick sehe, fällt mir auf, dass er das wohl kaum nachvollziehen kann, denn er kocht ja schließlich ganz anders. Er kann die Lebensmittel ja nicht beeinflussen, um sie auf den Punkt zu garen.

»Hast du denn schon viel an deinem Haus geschafft?«, frage ich, um vom Thema Essen abzulenken.

Er nickt. »Ja. Gestern war ein Statiker da und hat sich Wände und Decken angesehen, um mir zu sagen, was dringend gemacht werden muss. Du hast dich völlig umsonst gesorgt, denn er war total überrascht darüber, wie gut die Balken noch in Schuss sind. Er meinte sogar, dass ich da in den nächsten Jahren nichts erneuern muss.«

»Oh. Das ist ja erfreulich.« Mit leichtem Unbehagen wird mir klar, dass es sogar ziemlich gefährlich werden könnte, was ich da gemacht habe. Wenn ich nämlich nicht mehr regelmäßig in seinem Haus sein sollte, werden die Balken wieder altern, in schnellerem Tempo, als es von Natur aus passieren würde. Beim Allmächtigen, da habe ich wirklich nicht gut genug drüber nachgedacht. »Lässt du das Haus trotzdem regelmäßig überprüfen?«

»Nein, das ist nicht nötig«, sagt Adrian kopfschüttelnd. »Sicher müssen die Balken irgendwann mal ausgetauscht werden, aber nicht in den nächsten zehn Jahren.«

Herrje, ich muss ihn unbedingt warnen, bevor ich die Stadt verlasse. Für ein paar Monate werde ich aber noch hierbleiben, daher habe ich noch Zeit, um mir eine gute Erklärung einfallen zu lassen.

»Wie war es denn in der Schule?«, versuche ich erneut das Thema zu wechseln. »Waren die...«, wie hat er sie genannt?, »... Kiddies denn wieder sehr aufmüpfig?«

Adrian lächelt. »Es sind noch Sommerferien. Die Schule geht erst in vier Wochen wieder los.«

»Oh, dann musst du nicht arbeiten?«

»Ich habe ein paar Termine in der Schule, aber ich muss nicht täglich hin, nein.« Adrian trinkt einen Schluck Wein, dann blickt er mich wieder an. »Die meiste Zeit über bin ich allein zuhause.« Seine Aura beginnt plötzlich zu pulsieren und wird auch sehr viel dunkler, aus dem Sonnengelb wird ein sattes Orange.

»Darf ich fragen, was du gerade fühlst?«, frage ich neugierig. »Ich werde aus deiner Ausstrahlung nicht recht schlau.«

Adrian wird feuerrot im Gesicht. Das Pulsieren seiner Aura lässt etwas nach, obwohl sich die Farbe nicht ändert. »Meine Ausstrahlung?«

»Ja. Damit meine ich deine Mimik«, flunkere ich etwas, denn ich kann ihm ja schlecht die Wahrheit sagen. Ich muss zugeben, langsam wird es anstrengend, jedes Wort zu überdenken, bevor ich es ausspreche. »Der Ausdruck in deinen Augen, zum Beispiel.«

»Was sagen dir meine Augen denn gerade?«, fragt er mit heiserer Stimme.

Ich sehe tief in seine grünen Iriden, die einen starken Kontrast zu dem nun rötlichen Flackern um ihn herum bilden. »Ich bin mir nicht sicher. Es wirkt auf mich fast so, als würdest du mir drohen, aber ich glaube nicht, dass du das tun willst, daher weiß ich es nicht genau.«

Adrian beugt sich vor, sodass uns etwa zwanzig Zentimeter trennen. »Nein, ich will dir nicht drohen, Lino. Ganz im Gegenteil«, sagt er leise, wobei er die Hand nach mir ausstreckt, im letzten Moment jedoch zögert und sie wieder sinken lässt, bevor er sich räuspert. »Hat noch nie jemand mit dir geflirtet?«

Überrascht schüttle ich den Kopf. »Nein.« Dann kommt mir ein Geistesblitz. »War es das, was du gerade getan hast?«

Als Antwort bekomme ich ein Seufzen. Adrian lässt sich nach hinten gegen die Sofalehne fallen und greift nach seinem Glas. Er leert es in einem Zug, dann stellt er es kopfschüttelnd auf dem Tisch ab. »Mir dir habe ich mir ja wirklich einen ganz harten Brocken angelacht.«

»Was bedeutet das?«, will ich neugierig wissen. »Ist das etwas Gutes oder etwas Schlechtes?«

Er lacht. »Da bin ich mir auch noch nicht so sicher. Hast du denn bisher überhaupt schon irgendwelche Erfahrungen mit einem Mann gemacht?«

Wahrheitsgemäß schüttle ich erneut den Kopf.

Adrian nickt langsam. »Mit einer Frau vielleicht?«

Wieder muss ich verneinen.

»Okay.« Er atmet tief ein und blickt auf das leere Glas auf dem Tisch. »Ich habe gerade versucht, mit dir zu flirten. Der Blick, den du nicht deuten konntest, sollte verführerisch wirken.«

»Verstehe«, sage ich erfreut, dass ich nun endlich einen Anhaltspunkt habe, wieso seine Aura sich verändert hat. »Und warst du dabei besonders fröhlich oder–«

»Erregt«, murmelt mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. »Als wir uns tief in die Augen gesehen haben, hat mich das erregt.«

»Oh.« Mein Blick wandert auf seinen Schritt, doch durch die Jeans ist nicht zu erkennen, ob er eine Erektion hat. Aus den Büchern habe ich allerdings gelernt, dass sich auch bei menschlichen Männern dadurch Erregung zeigt. Ich sehe in seine Augen zurück. Adrian starrt mich mit einem noch intensiveren Blick an, als vorhin, als wir uns so nah waren. Beinahe habe ich das Gefühl, dass er mich mit seinen Augen verschlingt. »Ist das jetzt wieder ein verführerischer Blick?«, frage ich neugierig.

Adrian lacht leise, schlingt plötzlich seine Arme um mich und zieht mich so nah zu sich, dass ich seinen Atem in meinem Gesicht spüren kann. »Küss mich, Lino.«

»Das habe ich noch nie gemacht«, murmle ich etwas verlegen, denn ganz eindeutig muss ich noch eine ganze Menge lernen.

Der Griff an meinen Schultern verstärkt sich, dann spüre ich seine Lippen auf meinen. Ein heftiges Kribbeln flutet meinen Bauch und meine Augen fallen zu, wodurch ich Adrians rotpulsierende Aura noch stärker wahrnehme. Als ich plötzlich seine feuchte Zunge spüre, die über meine Lippen leckt und sich mit leichtem Druck dazwischen schiebt, richtet sich mein Penis auf und mir entweicht ein Stöhnen. Adrian nutzt den Moment, neigt den Kopf etwas, drängt seine Zunge noch tiefer in meinen Mund und streicht fast schon lockend über meine. Neugierig erwidere ich das Spiel, was ihn an meinen Lippen lächeln lässt.

Als wir uns voneinander lösen, bin ich sogar etwas außer Atem und meine Erektion schmerzt beinahe. Langsam öffne ich die Augen und sehe in sein lächelndes Gesicht.

»Und, hat dir dein erster Kuss gefallen?«

»Oh ja, sehr«, antworte ich krächzend und versuche, den Frosch in meinem Hals durch Räuspern zu verjagen. »Danke schön.«

Adrian kichert leise. »Gern geschehen.«

»Adrian?«

»Ja?«

»Können wir uns bitte noch mal küssen?«, frage ich hoffnungsvoll, denn es war ein so schönes Gefühl und ich möchte nicht, dass es schon wieder vorbei ist.

Adrian beißt sich grinsend auf die Unterlippe, während er eilig nickt. Sein Blick richtet sich auf meine Lippen, doch er macht nicht den Anschein, als würde er sich zu mir vorbeugen wollen. Unsicher, warum er das nicht tut, runzle ich die Stirn. Adrian lächelt, dann nimmt er meine Hände und legt sie an seine Wangen.

»Trau dich, Lino. Denk nicht darüber nach, tu einfach, was sich gut anfühlt.«

Ich schließe die Augen und lasse mich von meinen Empfindungen leiten. Langsam streichle ich mit meinen Daumen über seine Wangen, während ich mich vorbeuge und seinen herrlichen, ganz einzigartigen Duft in mir aufsauge. Vorsichtig spitze ich die Lippen, beuge mich noch ein bisschen weiter vor, bis ich seinen Mund auf meinem spüre. Seufzend lasse ich meine Finger in seine Haare gleiten, umfasse mit einer Hand seinen Hinterkopf und ziehe ihn fest an mich. Adrian keucht erschrocken und für einen Moment befürchte ich, zu grob gewesen zu sein, doch dann schlingen sich plötzlich seine Arme um meine Taille und wir fallen übereinander auf das Sofa, wobei er auf dem Rücken landet.

»Oh Gott«, stöhnt er leise.

Erschrocken sehe ich ihn an. »Oh, das tut mir schrecklich leid. Habe ich dir wehgetan?«

Adrian schüttelt den Kopf. »Nein, das war ein lustvolles Stöhnen.« Er zieht mich ein wenig weiter zu sich hoch, sodass ich meine Knie links und rechts neben seiner Hüfte abstütze. Kaum sitze ich auf seinem Schoß, hebt er das Becken an. »Spürst du?«

»Ja.« Ich nicke eilig, als ich fühle, wie sein erigierter Penis sich gegen meinen Po drückt, während eine Hitze meinen Unterleib flutet, die ich so noch nie gespürt habe. »Nun küssen wir uns aber, oder?«

Lachend zieht Adrian mich zu sich hinunter und presst seine Lippen auf meinen Mund. Unser zweiter Kuss ist ganz anders, als der erste. Noch viel aufregender. Unsere Zungen tanzen regelrecht miteinander, während mein Becken offenbar ein Eigenleben führt, denn ich kann mich nicht davon abhalten, mich an ihm zu reiben. In meinen Penis kribbelt es wahnsinnig heftig. Während der ganzen Zeit trennen sich unsere Lippen nur, wenn wir Luft holen müssen, und auch dann nur, solange wie nötig. Ich bin sehr erregt, so sehr, dass ich laut stöhne, als er seine Hände an meinen Po legt und mir seine Erektion entgegen drückt.

»Gott, Lino, du bist ein Naturtalent.« Japsend lässt Adrian den Kopf auf das Polster fallen.

Erleichtert grinse ich, während ich versuche, seine fast schon blendende Aura zu ignorieren, um mich auf seine strahlenden, grünen Augen konzentrieren zu können. Ich weiß nicht warum, aber Adrians Aura stahlt viel heller, als die von allen anderen Menschen oder Magiern, die ich bisher getroffen habe. Es ist, als würde sie sichergehen wollen, dass ich sie auch bloß nicht übersehe.

Schwer atmend sieht Adrian zu mir auf. »Bitte versteh das jetzt nicht falsch, aber könntest du von mir runtergehen? Wenn du weiter auf mir sitzen bleibst, glaube ich nicht, dass ich mich noch lange beherrschen kann.«

»Beherrschen?«, frage ich verwirrt, klettere jedoch von seinem Schoß und setze mich an das andere Ende des Sofas.

Er lächelt. »Wenn wir uns weiter aneinander reiben, reiße ich dir die Klamotten vom Leib und falle über dich her.«

»Oh. Weil du mit mir Geschlechtsverkehr haben willst, richtig?«

»Richtig«, bestätigt er, während er sich aufsetzt und seine Kleidung richtet.

»Verstehe.« Nachdenklich nicke ich. »Aber, das will ich doch auch, also, warum tun wir es denn dann nicht?«

Adrian stöhnt leise, wobei er den Kopf schüttelt. »Lass uns nichts überstürzen. Wir sollten uns noch ein wenig besser kennenlernen, meinst du nicht auch?«

Eigentlich bin ich nicht seiner Meinung, aber wenn er lieber noch warten möchte, wird mir nichts anderes übrigbleiben, als es hinzunehmen. »In Ordnung.«

Einen Moment lang sieht er mich nachdenklich an, dann seufzt er wieder. »Was hältst du davon, wenn wir uns morgen Abend einen Film ansehen?«

»Einen Film? Mit deinem Fernseher?«, frage ich ein wenig erschrocken, denn ich weiß nicht, ob er sein Fernsehprogramm über ein Kabel empfängt, oder über eine Funkverbindung, die würde nämlich durch mich gestört werden.

»Genau. Ich könnte uns Popcorn machen.«

»Ich weiß nicht, ich schaue ja kein Fernsehen«, sage ich daher vage. Es ist nicht so, dass ich nicht weiß, wie das Fernsehen der Menschen funktioniert. Sie sehen sich auf diesen Geräten Theaterstücke an, wahrscheinlich, um dafür das Haus nicht verlassen zu müssen. Sie werden durch Kameras aufgezeichnet und wieder abgespielt, wenn der Fernseher eingeschaltet wird. Es gibt auch diese Metallscheiben, DVDs, mit denen sie sich die Filme immer wieder anschauen können.

»Nie? Gehst du auch nicht ins Kino, oder guckst über den Laptop?«

»Am Laptop arbeite ich lediglich«, erkläre ich schluckend. »Da habe ich keine Filme drauf.«

Adrian runzelt kopfschüttelnd die Stirn. »Du hast wirklich noch nie einen Film gesehen?«

»Nein. Also, wegen des Funklochs hier kann ich kein Fernsehen empfangen, glaube ich.«

»Aber...« Er sieht reichlich verwirrt aus. »Was hat das Funkloch damit zu tun? Die Zeiten von Antennen oder Satellitenschüsseln an jedem Haus sind doch lange vorbei. Du könntest dir einfach einen Kabelanschluss freischalten lassen.«

Überrascht starre ich ihn an. »Oh, tatsächlich? Das wusste ich gar nicht. Vielleicht kaufe ich mir dann doch mal so ein Gerät. Was kann man denn da für Filme sehen?«

»Alles, was du möchtest«, antwortet er lachend. »Komödien, Krimis, Actionfilme. Was immer du willst. Tagsüber laufen Shows und Serien. Nervig ist nur die Werbung.«

»Werbung?«

»Oh Mann. Morgen Abend zwanzig Uhr kommst du zu mir rüber. Ich mache Popcorn und du besorgst eine Flasche von diesem super leckeren Wein und dann führe ich dich in die Geheimnisse des Kabelfernsehens ein.« Kopfschüttelnd steht er auf. »Du bist echt unglaublich, Lino. Irgendwie scheinst du nicht von dieser Welt zu sein.«

Ich folge ihm, als er leise lachend Richtung Flur geht. »Findest du es abschreckend, dass ich mich mit dem Fernsehen nicht auskenne und noch keinen Geschlechtsverkehr hatte?«

Adrian bleibt abrupt stehen. »Nein! Ich muss zugeben, es ist schon ein wenig seltsam, aber ganz sicher nicht abschreckend. Im Gegenteil, du bist herrlich anders, als alle Menschen, die ich bisher kennengelernt habe. Ich finde es sehr spannend, Zeit mit dir zu verbringen, und kann es kaum erwarten, mehr über dich zu erfahren. Ich bin wirklich gern mit dir zusammen.«

»Das freut mich sehr. Ich verbringe auch gerne Zeit mit dir«, sage ich erleichtert lächelnd. »Dann komme ich morgen zu dir. Soll ich noch etwas anderes, als eine Flasche Wein mitbringen? Etwas zu essen oder etwas anderes?«

»Was denn zum Beispiel?«, will er mit neugierigem Blick wissen.

Schulterzuckend sehe ich ihn an. »Ich weiß es nicht. Ich habe ja noch nie Fernsehen geschaut. Ich weiß nicht, was man dafür alles braucht.«

Adrian lächelt. »Genau das meine ich. Keine meiner bisherigen Bekanntschaften hätte jemals so was zu mir gesagt. Du überraschst mich immer wieder, Fridolin.« Er kommt einen Schritt auf mich zu und legt eine Hand an meine Wange. »Keine Sorge«, murmelt er, bevor er mir einen Kuss auf die Lippen drückt. »Du brauchst nichts weiter mitzubringen. Zieh dir einfach nur was Bequemes an.«

»Ist gut«, flüstere ich mit kribbelnden Lippen.

Lächelnd greift er nach der Türklinke. »Ich freue mich schon sehr.«

»Ich mich auch.« Bevor er gehen kann, halte ich ihn am Unterarm fest und ziehe ihn noch mal an mich, um ihm auch einen Abschiedskuss zu geben. »Bis morgen.«

»Bis morgen.« Während eine orangefarbene Aura ihn umgibt, schlüpft er aus der Tür.

Ich glaube, langsam habe ich verstanden, wodurch die Farbe seiner Aura beeinflusst wird. Es sind seine Emotionen. Wenn er ganz entspannt ist, leuchtet sie sonnengelb. Je erregter er ist, desto mehr färbt sie sich orange oder gar rot. Wenn er verärgert ist, scheint sich schwarz hineinzumischen, denn sie wird dunkler. Welche anderen Farben sie wann annimmt, habe ich noch nicht herausfinden können, aber sicher wird das noch passieren, je besser wir uns kennenlernen.

Ich bin mir immer noch sicher, dass es keine gute Idee ist, mich auf ihn einzulassen, doch sollte der Magierrat mich deswegen aufsuchen, werde ich mich damit herausreden, dass ich durch Adrian die Menschen studieren kann.

Funklöcher und heiße Kanuten

Funklöcher und heiße Kanuten

 

Adrian

 

Ich muss sagen, ich mag Fridolin. Er ist ein ziemlich weltfremder, etwas chaotischer, aber absolut liebenswerter Mann. Allein seine Begeisterung bei unserem Filmmarathon am Sonntag vor zwei Wochen war niedlich. Anfangs war er allerdings sehr skeptisch, hat fast schon ängstlich beobachtet, wie ich mit der Fernbedienung den Film gestartet habe und als ich ihm angeboten habe, auf Play zu drücken – offenbar hat er tatsächlich noch nie eine Fernbedienung benutzt –, hat er sich geweigert. Er schien ziemlich überrascht zu sein, als der Film schließlich losging und hat sich etwas in ein Notizbuch geschrieben, dass er dabei hatte, während er mich darüber ausgefragt hat, wie eine Fernbedienung funktioniert. Ich habe mein Bestes gegeben, es ihm zu erklären, doch so genau kenne ich mich mit dem Prinzip von Infrarot nicht aus, sodass er im Endeffekt beschlossen hat, sich am Montag im Internet darüber zu informieren.

Ich bin immer noch davon überzeugt, dass er etwas an sich hat, was nicht ganz menschlich ist. Leider habe ich noch nicht herausgefunden, was es ist, doch da wir uns jetzt so oft sehen, gebe ich die Hoffnung nicht auf, das Geheimnis zu lüften.

Wir haben, seit dem zweiten Abendessen bei ihm, beinahe jeden Tag zusammen verbracht. Bisher haben wir nicht noch mal miteinander rumgemacht oder uns überhaupt geküsst, abgesehen von Begrüßungs- und Abschiedsküsschen, was irgendwie seltsam, aber auch süß ist.

Letzte Woche war ich am Dienstagnachmittag mit ihm im Elektrogeschäft, denn er wollte sich nun unbedingt auch einen Fernseher kaufen. Zwar schien der Laden an dem Tag gerade ein paar technische Probleme zu haben, denn manche Geräte, wie Radios oder dergleichen funktionierten nicht richtig, dennoch konnte Lino einen Fernseher samt DVD-Player und einer Auswahl an Filmklassikern erstehen, wobei ich so frei war, ihn dabei zu beraten. Kaum bei ihm angekommen, hat er mich genötigt, beide Geräte anzuschließen. Ich glaube, seitdem läuft der Fernseher ununterbrochen.

Heute müsste sein Kabelanschluss freigeschaltet worden sein und der Typ vom Internetanbieter war wohl auch da. Jedenfalls habe ich das dem aufgeregten Geplapper meines Lieblingsnachbarn vorhin entnommen. Bevor er wieder in sein Haus verschwunden ist, hat er mir noch das Versprechen abgenommen, nach dem Mittagessen rüberzukommen und dem Laptop beizubringen, dass er jetzt ins Internet kann, um es mal mit Linos Worten zu sagen.

Also stehe ich jetzt hier vor seiner Tür und warte darauf, dass er auf mein Klingeln reagiert. Normalerweise brauche ich gar nicht auf den Knopf zu drücken, daher befürchte ich schon, dass er nicht zu Hause ist, doch nach dem zweiten Klingeln öffnet sich schließlich die Tür.

»Komm rein! Bin im Wohnzimmer!«

Überrascht trete ich den Flur, doch Lino scheint schon wieder verschwunden zu sein. Als ich ins Wohnzimmer komme, weiß ich auch warum. Er sitzt auf dem Sofa und starrt wie gebannt den laufenden Fernseher an, auf dem er sich offenbar Sport ansieht.

»Hey«, grüße ich und setze mich neben ihn. »Spannend?«

Er reagiert nicht, fixiert nur weiter mit offenem Mund den Bildschirm.

»Was schaust du da? Kanu fahren?«, frage ich, um eine Reaktion zu bekommen, was funktioniert, denn er nickt eilig. »Ich wusste nicht, dass du dich so dafür interessierst.«

»Nein.«

»Was?«

Er sieht mich kurz an. »Nein, tue ich auch nicht.«

»Warum guckst du es dann?«, will ich grinsend wissen.

»Schau doch mal, wie viele Muskeln die Kanufahrer haben«, antwortet er mit fast schon sehnsüchtiger Stimme.

Amüsiert ziehe ich die Augenbrauen hoch, doch er bemerkt es nicht, so begeistert, scheint er von den Sportlern zu sein. »Pass auf, dass dir nicht gleich der Sabber aus dem Mund läuft«, necke ich ihn, woraufhin er den Mund schließt und mich kurz empört ansieht, seinen Blick jedoch anscheinend nicht viel länger vom Bildschirm abwenden will oder kann. »Du stehst also auf Muskelmänner?«

»Ein bisschen«, murmelt er. »Was für breite Schultern die haben. Und die Oberarme.«

Mittlerweile mehr als belustigt, wende ich mich dem Bildschirm zu, um zu sehen, was ihn da so fasziniert. Ich muss zugeben, sexy sind die Kanuten schon, auch wenn ich nicht unbedingt auf Muskelprotze stehe. Bisher waren es mehr Männer Linos Statur, die meine Aufmerksamkeit erregt haben. »Ich kann durchaus erkennen, warum du so hin und weg bist«, gebe ich zu. »Wie lange schaust du das schon?«

»Ich weiß nicht. Ich glaube, das ist der vierte Durchgang. Es ist eine Qualifikation für irgendwas, hat der Allwissende gesagt.«

»Der Allwissende nennt sich Kommentator«, erkläre ich grinsend. »Hast du einen Favoriten?«

»Nein, die sind alle sehr erotisch.«

Lachend werfe ich den Kopf in den Nacken. »Ich meinte, ob du für eine bestimmte Nation bist.«

»Oh, nein«, antwortet er und bekommt ganz rote Wangen. »Ich habe gar nicht darauf geschaut, wer für welches Land antritt.«

Das ist so dermaßen witzig, dass ich mich kaum noch einkriege. Lino sieht mich für einen Moment unsicher an, dann kichert er ebenfalls los.

»Ich schau schon mal nach deinem Laptop, wenn es dir recht ist?«, frage ich, als er sich so weit beruhigt hat, dass er weitergucken kann. »Lino?«

»Hm?«

»Unglaublich.« Kopfschüttelnd sehe ich ihn an. »Dein Laptop? Kann ich ihn mir schon mal anschauen?«

Er starrt schon wieder mit offenem Mund auf den Fernseher, nickt jedoch, nachdem ich ihm angestupst habe, sodass ich vom Sofa aufstehe und mich im Zimmer umsehe. Auf dem Esstisch werde ich schließlich fündig. Ich klappe das Gerät auf und während es hochfährt, gehe in den Flur, wo ich beim Reinkommen den Router entdeckt habe.

 

Eine halbe Stunde später gebe ich auf. Lino guckt mittlerweile Turnen, was ihn ebenso fasziniert. Dennoch werde ich ihn stören müssen, denn ich bekomme einfach kein WLAN-Signal.

»Lino?«

»Hm?« Erschrocken sieht er zu mir auf. »Ja?«

»Hast du die Nummer von dem Techniker, der dir den Router angeschlossen hat?«

Er runzelt die Stirn. »Ja, die müsste irgendwo bei den Unterlagen mit bei sein, wieso?«

»Also entweder ist dein Router kaputt oder dein Laptop. Jedenfalls schaffe ich es nicht, dass dein Laptop das WLAN-Signal findet. Ich könnte auch erst mal meinen Laptop herholen und schauen, ob es am Router liegt, bevor ich den Techniker anrufe.«

»Was bedeutet das alles? Was für ein Signal meinst du?«

»Na, du hast doch jetzt einen Internetanschluss. Der Router, also diese kleine Box im Flur, bei der die Lämpchen leuchten, sendet ein Signal aus, das dein Laptop empfängt. Zumindest in der Theorie, denn irgendwie findet dein Laptop den Router einfach nicht.«

»Nein, das geht auch nicht. Der Mensch hat mir extra ein langes Kabel verkauft, weil ich wusste, dass– ich meine, für den Fall, dass es da Probleme gibt. Verbinde damit mal die beiden Geräte, dann funktioniert es bestimmt.«

»Aber, das ist schwachsinnig, Fridolin. Der Sinn eines Laptops ist doch, dass du ihn überall mit hinnehmen kannst, statt durch ein Kabel einschränkt zu werden.«

Er zögert, schaut offenbar unsicher im Raum umher, bevor er mich lächelnd ansieht. »Ich muss doch sowieso in der Nähe eines Stromanschlusses sein, denn mein Akku ist kaputt. Da stört mich ein weiteres Kabel nicht. Kannst du es mir bitte einfach so einrichten, dass ich immer, wenn ich den Laptop anschalte, auch ins Internet kann und nicht noch etwas anklicken muss oder so?«

»Ja, sicher«, sage ich nickend, auch wenn ich immer noch davon überzeugt bin, dass es sinnvoller wäre, die WLAN-Verbindung zum Laufen zu bringen. »Ich bringe beim nächsten Mal trotzdem meinen Laptop mit her, denn irgendwas scheint ja nicht zu funktionieren und mich würde schon interessieren, ob der Router vielleicht defekt ist. Ich vermute aber eher, dass es an deinem Laptop liegt, denn er findet überhaupt kein Signal. Mir werden zu Hause mindestens fünf verschiedene Netzwerke von sämtlichen Nachbarn angezeigt.«

»Ja, das kann sein. Den Laptop habe ich ja schon etwas länger«, meint Lino nickend, während er mir das Kabel reicht. »Vielen Dank für deine Hilfe.«

»Kein Problem.«

»Brauchst du mich dafür, oder...«

Lachend schüttle ich den Kopf. »Geh Muskeln anglotzen, ich richte dir deinen Internetzugang ein.«

»Du bist super.« Sagt’s und verzieht sich freudestrahlend aufs Sofa.

 

»So, Herr Xeller, der ersten Pornonacht mit Muskelprotzen steht nichts mehr im Wege«, verkünde ich, nachdem ich meine Arbeit getan habe, und lasse mich neben ihn aufs Sofa fallen.

Lino zieht die Stirn kraus. »Pornos sind Sexfilme, ja?«

»Oho«, sage ich überrascht. »So was kennst du? Das überrascht mich nun doch etwas.«

»Na ja, in einigen Büchern, die ich zum Thema Geschlechtsverkehr gelesen habe, wurde erwähnt, dass Menschen sich diese Sexfilme anschauen. Vorwiegend bei der Selbstbefriedigung, aber wohl auch mit ihrem Partner zusammen«, erzählt er völlig ungeniert. »Gesehen habe ich aber noch keinen.«

Ich nicke lächelnd. »Das dachte ich mir. Nun, das kannst du jetzt ja nachholen.«

»Du hast mir Sexfilme auf den Laptop gespielt?«

»Nein, die kannst du im Internet gucken«, erkläre ich, etwas amüsiert über seinen schockierten Gesichtsausdruck. »Keine Sorge, dein Laptop ist noch jugendfrei.«

»Oh, gut. Danke. Ich möchte nicht jedes Mal Menschen beim Geschlechtsverkehr sehen, wenn ich meinen Laptop anschalte.«

Verdutzt blinzle ich ihn an, bevor mir ein Lachen entweicht. »Ach Lino, die Filme starten doch nicht, sobald du den Laptop hochfährst.«

»Umso besser«, murmelt er. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich sie überhaupt sehen möchte. Ich meine, ist es denn statthaft, jemandem beim Geschlechtsverkehr zuzusehen, ohne, dass er es weiß?«

»Nun, dafür werden die Filme gedreht.«

»Oh.« Mit großen Augen sieht er mich an. »Die Menschen wollen, dass jemand anderes sieht, wie sie Sex haben?«

»Jap.«

»Warum?«

»Sie bekommen Geld dafür«, antworte ich schulterzuckend. »Vielen gibt das sicher auch noch einen zusätzlichen Kick.«

»Wirklich?«

»Wirklich.«

»Das ist ja unglaublich. Hast du so was auch schon mal gemacht?«

Glucksend schüttle ich den Kopf. »Oh nein. Ganz sicher will niemand sehen, wie ich Sex habe.«

»Doch, bestimmt.« Sein Blick wandert einmal an meinem Körper entlang, dann sieht er mich mit zufriedenem Gesichtsausdruck an. »Ich würde es mir auf jeden Fall ansehen.«

Wir scheinen beide gleichermaßen entsetzt über seine Offenbarung zu sein, denn sekundenlang starren wir uns mit offenen Mündern an, bevor Lino feuerrot im Gesicht wird, während mein Blut gen Süden rauscht. Ehe ich weiter darüber nachdenken kann, rutsche ich zu ihm rüber, ziehe ihn an mich und presse meinen Mund auf seine Lippen. Er keucht erschrocken auf, dann schlingt er seine Arme um meine Schultern und erwidert den Kuss leidenschaftlich. Wie schon bei unserem letzten Kuss flutet ein unglaubliches Kribbeln meinen Mund, kaum, dass seine Zunge meine Lippen berührt.

»Gott, Lino, ich will dich«, höre ich mich sagen, während meine Finger unter sein T-Shirt gleiten. Seine warme Haut ist ganz weich, seine Bauchmuskeln zucken hektisch und ihm entweicht ein leises Stöhnen.

Schweratmend löst er sich von mir und sieht mir in die Augen. »Bitte, Adrian, können wir heute Sex machen? Bitte.«

»Ja«, entscheide ich spontan, aber auch, weil ich weiß, dass wir beide es nicht aus einer Laune heraus tun, sondern nun schon seit Wochen darauf hinfiebern. Es war richtig, zu warten, uns kennenzulernen, doch jetzt sind wir dafür bereit, denke ich.

»Oh, der Allmächtige sei Dank. Ich dachte schon, du zeigst es mir nie.«

»Wen meinst du mit Allmächtiger?«, frage ich an seinen Hals, den ich mich gerade hinab küsse.

Lino lässt den Kopf in den Nacken fallen und drängt sich mir noch weiter entgegen. »Was?«

»Egal.« Ich beginne, sanft an seiner weichen Haut zu knabbern, arbeite mich dabei weiter nach oben, was ihn zum Stöhnen bringt. »Wie viel weißt du über Sex zwischen Männern?«, raune ich ihm ins Ohr.

Schwer atmend richtet er seinen Blick auf mich. »Ich weiß, dass es verschiedene Methoden gibt, um sich gegenseitig zum Orgasmus zu bringen. Durch Oral- oder Analverkehr oder auch durch Reiben des Penis mit der Hand oder anderen Körperteilen.«

»Klingt doch schon mal nicht schlecht«, kommentiere ich sein Vorwissen und bin erleichtert darüber, dass ich dahingehend keinen echten Aufklärungsunterricht mehr leisten muss. »Weißt du denn, was dir gefällt?«

»Ich hab ja noch nichts davon gemacht«, murmelt er.

Lächelnd lehne ich mich gegen die Sofalehne zurück und ziehe ihn auf mich, sodass er auf meinen Oberschenkeln sitzt. »Ich meinte, ob du weißt, wie du dich selbst stimulieren musst, um zum Orgasmus zu kommen. Was dir dabei besonders gut gefällt und was dich eher kalt lässt.«

»Oh, ich denke schon«, antwortet er grinsend.

Neugierig, wie er reagiert, schiebe ich sein T-Shirt hoch und ziehe es ihm über den Kopf. Als ich seinen Oberkörper entblößt habe, stockt mir der Atem. »Wow, Lino, das ist ja wunderschön.« Staunend lasse ich meine Finger über die Tätowierung auf seiner Brust gleiten. »Was bedeutet es?«

Er sieht meinen Fingern zu, wie sie einen der Sterne nachfahren, die um eine Figur, verteilt sind. Die Figur scheint ein Mensch zu sein, der von einem Ring aus Nebel umgeben ist.

»Eine Aura. Meine Aura«, antwortet er

»Aura? Was ist das?«

»Du kannst es dir wie eine Art pulsierendes Energiefeld vorstellen, das deine Emotionen sichtbar macht. Es umgibt jedes einzelne Wesen auf dieser Welt. Je nach Art, also ob Mensch, Vogel, Insekt, Fisch und so weiter, hat die Aura eine andere Grundfarbe. Durch die Emotionen ändert sich die Farbe oder die Frequenz, mit der sie pulsiert«, erzählt er leise.

»Welche Farbe hat deine Aura?«, frage ich neugierig.

»Das weiß ich nicht«, antwortet er lächelnd. »Ich kann meine eigene Aura nicht sehen.«

»Oh, das ist schade«, murmle ich, wobei mir auffällt, wie unsinnig das eigentlich ist. »Habe ich auch eine?«

Er nickt kaum sichtbar, dann lächelt er zögerlich. »Du hältst mich jetzt für verrückt, oder?«

»Nein«, sage ich sofort und meine es auch so. »Ich meine, klar, ist es schon irgendwie seltsam, dass wir uns über Auras unterhalten, die es ja nicht wirklich gibt.«

»Auren und es gibt sie.«

»Oh, tatsächlich? Okay, danke. Aber, woher willst du wissen, dass es sie gibt? Ich kann bei dir keinen farbigen Nebel oder so was sehen.«

Lino presst die Lippen aufeinander, dann lächelt er wieder. »Aber ich kann deine sehen. Sie ist leuchtend gelb. Wie die Sonne. Wenn du erregt bist, färbt sie sich rot und pulsiert heftig. Es ist ungewöhnlich und ich weiß nicht, warum deine gelb ist, denn bei allen anderen Menschen, die mir bisher begegnet sind und von denen ich gehört habe, ist sie hellblau, wie bei allen anderen Säugern.«

Irgendetwas an ihm oder auch in mir, lässt mich ihm glauben. Ich weiß, dass ich ihn rein rational gesehen, für durchgeknallt erklären sollte, doch seltsamerweise, bezweifle ich nicht, dass er tatsächlich Auren sehen kann. Ich glaube sogar, dass es Teil dieses Geheimnisses ist, das er mit sich trägt.

»Erzählst du mir irgendwann, warum du Auren sehen kannst?«, frage ich leise, als er offenbar frustriert seufzt.

Sein Kopf fährt hoch und er starrt mich mit großen Augen an, bevor er tief durchatmet und meinem Blick ausweicht. »Ich weiß nicht«, murmelt er. »Es wäre keine gute Idee.«

»Warum nicht?«

»Das kann ich auch nicht sagen«, flüstert er und will von meinem Schoß rutschen, doch ich halte ihn an der Hüfte zurück und ziehe ihn wieder zu mir.

»Ist okay, Lino. Wenn du es nicht sagen kannst oder möchtest, dann musst du auch nicht«, versichere ich, während ich langsam über seinen Rücken streichle.

Er legt die Stirn auf meiner Schulter ab und seufzt leise. »Ich würde es dir gern erzählen, aber es ist verboten.«

»Verstehe.« Eigentlich kapiere ich kein Wort und habe ungefähr drei Millionen Fragen an ihn, aber weiter zu bohren, würde ihn im Moment vielleicht nur verunsichern oder in Bedrängnis bringen und das will ich wirklich nicht. Stattdessen streichle ich weiter über seinen Rücken und drücke ihm einen Kuss auf die Wange, worauf er jedoch nicht reagiert. »Hey.«

Lino hebt den Kopf von meiner Schulter und sieht mich traurig an.

»Was hältst du davon, wenn wir den Sex auf heute Abend verschieben und stattdessen ein wenig das Sommerwetter genießen. Wir könnten einen Spaziergang machen und uns ein Eis holen, was meinst du?« Lächelnd reiche ich ihm sein T-Shirt, woraufhin er von meinem Schoß rutscht und es sich wortlos überzieht. Als er weiterhin schweigend den Fernseher ausschaltet und schließlich nach seinem Portmonee greift, das auf dem Tisch liegt, ziehe ich ihn zu mir. »Was ist los?«

Er schmiegt sich sofort an mich. »Ich bin mir nicht sicher«, flüstert er und sieht mir nachdenklich in die Augen. »Denkst du, dass es gut ist, wenn du mit mir zusammen gesehen wirst?«

»Was?« Verdutzt blicke ich ihn an. »Wie meinst du das?«

»Na ja, die Menschen in diesem Ort denken doch, dass ich ein Sonderling bin. Du selbst hast gesagt, dass sie dir verrückte Geschichten über mich erzählt haben«, beginnt er, was ich leider mit einem Nicken bestätigen muss. »Wenn wir uns jetzt ein Eis kaufen gehen, dann denken sie womöglich, dass wir miteinander befreundet sind und vielleicht haben sie dann Bedenken, weil du ja nach den Ferien ihre Kinder unterrichtest.«

»Mach dir keine Gedanken, Lino. Es ist mir völlig gleich, was die Leute denken«, versuche ich, ihn zu beruhigen. »Du bist so ein interessanter, liebenswerter Mann. Ich bin gern mit dir zusammen und ich werde mir sicher nicht von irgendwelchen tratschenden Weibern vorschreiben lassen, mit wem ich ein Eis essen gehe.« Demonstrativ nehme ich seine Hand und verschränke unsere Finger miteinander.

Lino sieht lächelnd auf unsere Hände hinunter. »Sich an den Händen zu halten, ist ein Zeichen dafür, dass man zusammengehört, richtig?«

»Ja und es signalisiert anderen, dass man sich gern hat. Ich finde, es ist durchaus auch eine Form von Intimität, denn abgesehen vom Händeschütteln, vermeiden Menschen es in der Regel, sich zu berühren, wenn sie einander nicht vertraut sind oder sich in irgendeiner Weise mögen«, erkläre ich, denn so wie ich es verstanden habe, ist er ein Eigenbrötler durch und durch, hat also bisher keine Erfahrung hinsichtlich Freundschaften gemacht. »Ich will ganz ehrlich sein, Lino. Wenn wir jetzt händchenhaltend rausgehen, werden wir ganz sicher am Ende des Tages das Thema Nummer eins sein. Sollten wir das Glück haben und uns spricht niemand an, werden die Leute trotzdem wilde Geschichten über uns verbreiten, von denen keine einzige der Wahrheit entsprechen wird. Ich für meinen Teil habe es satt, mich zu verstecken. Aber wenn du das lieber vermeiden willst, verstehe ich das auch. Es ist also deine Entscheidung, wie wir uns in der Öffentlichkeit geben.«

»Du meinst, ich gelte dann nicht mehr nur als der Sonderling, der angeblich tote Tiere in seinem Haus aufbewahrt, sondern als ein homosexueller Sonderling, der angeblich tote Tiere aufbewahrt und nun den neuen Grundschullehrer in seine Fänge gelockt hat?«

»Gut möglich«, antworte ich lachend. »Vielleicht wird man dir auch anhängen, dass du mich durch einen Zauber dazu gebracht hast, deinem Willen zu folgen. Vermutlich wird von rosa Glitzerstaub die Rede sein. Vielleicht erklären sie uns am Ende aber auch beide für verrückt und jagen uns Mistgabeln schwingend aus dem Ort. Wer weiß das schon? Ich muss zugeben, ich bin schon ein wenig gespannt auf ihre Reaktionen.«

Lino lacht leise, dann drückt er meine Hand. »Na gut, wenn du das Risiko eingehen willst, dir von den Nachbarn nachsagen zu lassen, dass du dich von rosa Glitzerstaub verzaubern lässt, dann nehme ich ein Schokoladeneis mit bunten Streuseln oben drauf.« Grinsend sieht er zu mir auf.

Ich ziehe ihn an mich, schlinge beide Arme fest um ihn und drücke ihm einen Kuss auf die Lippen, was augenblicklich dieses wundervolle Prickeln auf meinen auslöst. Er erwidert meinen Kuss, wobei er sich auf Zehenspitzen stellt und mit den Händen meinen Hinterkopf umfasst. Als wir uns voneinander lösen, sind seine Wangen gerötet und er atmet schwer.

»Welche Farbe hat meine Aura jetzt?«, frage ich neugierig.

Lino schließt kurz die Augen, dann lächelt er. »Orange. Und sie pulsiert schneller als sonst.«

»Wow.« Für einen Moment betrachte ich sein hübsches Gesicht, dann öffnet er die Augen und sieht mich unsicher an, sodass ich einen Schritt zurücktrete und seine Hand nehme. »Dann lass uns mal die Nachbarn schocken.«

Magier existieren

Magier existieren

 

Fridolin

 

Der Nachmittag mit Adrian war wirklich toll. Wir haben einen ausgiebigen Spaziergang durch den Park gemacht, der in der Nähe unserer Straße liegt, und uns anschließend in die einzige Eisdiele hier im Ort gesetzt, wo wir jeder einen großen Eisbecher verdrückt haben – meiner war mit bunten Zuckerstreuseln dekoriert, während Adrians Portion aus mehr Sahne als Eis bestand.

Ich habe ihn natürlich eingeladen, denn er hat ja meinen Laptop mit dem Internet verbunden. Anschließend hatten wir die Idee, den Sommertag zu nutzen und bei mir im Garten zu grillen. Wir mussten uns allerdings ziemlich beeilen, denn offenbar hatten viele andere Leute auch diesen Einfall, sodass wir noch gerade so ein paar Steaks und Würstchen bei dem völlig verdutzten Fleischhändler erstehen konnten. Er hatte sicher nicht mit mir gerechnet, da ich donnerstags ja nie bei ihm einkaufe.

Zwar haben uns die Leute generell sehr überrascht angestarrt und einige sind stehengeblieben und haben sich nach uns umgedreht, doch niemand hat etwas dazu gesagt, dass wir Hand in Hand unterwegs waren. Adrian meinte, das käme noch, aber vielleicht macht er sich da völlig umsonst Sorgen.

»Was meinst du, sollen wir den Grill gleich anwerfen?«, will Adrian wissen, kaum, dass wir wieder in meinem Haus sind. »Ich muss zugeben, ich habe schon irgendwie Appetit.«

»Du hast doch so einen riesigen Sahne-Eis-Turm gegessen, wie kannst du jetzt schon wieder Hunger haben?«, frage ich verblüfft, öffne jedoch die Terrassentür, damit wir in den Garten gehen können.

Adrian grinst lediglich und zuckt mit den Schultern. »Ich dachte, wenn die Nacht genauso anregend wird, wie der Nachmittag, dann werde ich die Energie sicher brauchen.«

Während ich das Schloss des kleinen Schuppens aufschließe, den ich sicher schon einige Jahre nicht betreten habe, versuche ich herauszufinden, was er mir damit sagen will. Seiner Aura nach zu urteilen, ist er leicht erregt, sodass ich davon ausgehe, dass es etwas Anzügliches bedeuten sollte, auch wenn mir nicht ganz klar ist, was. »Wieso fandest du den Nachmittag anregend?«, frage ich daher, versuche aber, nicht zu neugierig zu klingen.

Adrian lacht leise, als er neben mir steht und mich dabei beobachtet, wie ich mich mit dem Schlüssel in dem halb verrosteten Schloss abmühe. »Dir beim Eisessen gegenüberzusitzen und zuzusehen, wie du mit deiner Zunge Streusel vom Löffel leckst, war mehr als heiß«, raunt er mir ins Ohr. »Wenn du nur halb so geschickt dabei bist, an anderen, stabförmigen Dingen zu lecken, werde ich diese Nacht nie vergessen, da bin ich mir sicher.«

»Du meinst deinen Penis, ja?«, frage ich sicherheitshalber, woraufhin er glucksend nickt.

»Am Dirty Talk müssen wir wohl noch arbeiten.« Er deutet auf das Schloss, das ich längst offen hätte, wenn er mir nicht dabei zusehen würde. »Brauchst du Hilfe?«

»Nein, es geht schon. Vielleicht könntest du ja schon mal zu dir gehen und die Holzkohle holen, wenn du so großen Hunger hast?«

»Gute Idee«, befindet er lächelnd, drückt mir einen Kuss auf die Wange und ist im nächsten Moment wieder im Haus verschwunden.

Erleichtert durchatmend ziehe ich den Schlüssel aus dem Schloss und richte meinen Blick darauf. Während ich mir vorstelle, wie der Bügel aufschnappt, höre ich das gewohnte leise Flirren. Anschließend klickt es ein paarmal im Inneren des Schlosses, bevor der Bügel sich löst und ich die Tür öffnen kann.

Das Bild, das sich mir bietet, ist selbst für einen gestandenen Magier wie mich im ersten Augenblick überraschend. Ich vermute, dass sich sämtliche Insekten meines Gartens in den kühlen Schuppen verzogen haben, denn es wimmelt nur so von Auren verschiedener Größe und Helligkeit. So viele auf so engem Raum habe ich noch nie gesehen. Kaum, dass ich einen Schritt in den Schuppen gemacht habe, flüchten sie auseinander.

»Ganz ruhig, ihr könnt bleiben, wo ihr seid, ich will nur den Grill und die Möbel, dann lasse ich euch wieder in Ruhe«, murmle ich vor mich hin, auch wenn ich natürlich nicht mit Tieren sprechen kann und sie mich somit auch nicht verstehen, sondern munter weiter durch den Schuppen jagen. Irgendwie gefällt mir das Bild, der tanzenden, hellgrünen Auren der Insekten. Ein paar hellblaue sind in Bodennähe dabei, daher vermute ich, dass sich dort das eine oder andere Mäuschen versteckt. Da ich nicht länger stören will, sehe ich mich schnell im Garten um, doch Adrian ist noch nicht zurück. Die Nachbarn können diesen Teil meines Grundstücks glücklicherweise nicht einsehen, daher stelle ich mir vor, wie der Grill, zwei Gartenstühle und der Tisch auf der Terrasse stehen, woraufhin die Dinge sich auch gleich in Bewegung setzen. Kurz darauf schließt sich die Tür und das Schloss verriegelt sich von selbst.

Da ich Adrian noch nicht hören oder sehen kann, teleportiere ich mich in die Küche, um zu schauen, ob ich irgendwas im Kühlschrank habe, was wir zu dem Fleisch dazu essen könnten.

Zehn Minuten später spüre ich ein warmes Gefühl im Brustkorb, doch ehe ich herausgefunden habe, woher es kommt, steht Adrian in der Küche. »Da bin ich wieder. Und ich bringe die frohe Kunde mit, dass du nicht mehr der Sonderling mit dem Fetisch für tote Tiere bist. Mit mir gesehen worden zu sein, hat dir offenbar ein neues Image verpasst.«

»Wovon redest du denn da?«, frage ich lachend, denn er sieht sehr amüsiert aus, wie er mit dem kleinen Beutel Holzkohle in der Hand im Türrahmen lehnt und ein Grinsen im Gesicht hat.

»Frau Ribbeck hat von Frau Löhnburg erfahren, dass wir beide Hand in Hand die Straße runtergelaufen sind.«

»Moment, die Löhnburg aus der Vier hat uns gesehen?«

»Richtig. Frau Ribbeck bedauert es natürlich sehr, dass sie zu dem Zeitpunkt gerade ihr Badezimmer geputzt hat und sich somit nicht selbst davon überzeugen konnte, dass es stimmt, daher war ich so freundlich, es zu bestätigen. Jedenfalls sind sowohl Frau Ribbeck als auch Frau Löhnburg der Meinung, dass es Zeit wurde, dass dich jemand aus diesem schrecklich einsamen Haus geholt hat, und sie hat mich gebeten doch mal nachzusehen, ob du noch immer Kadaver hier drinnen hast. Auch da konnte sie nun beruhigen.«

Verwirrt sehe ich ihn an. »Sie fanden es in Ordnung, dass wir homosexuell sind? Hast du nicht gesagt, dass die Menschen das stören würde?«

»Offenbar stört es zumindest die beiden nicht so sehr. Oder sie hat sich nicht getraut, es anzusprechen, was ich mir bei ihr irgendwie nicht vorstellen kann. Sicher kommt da noch was.« Adrian zuckt mit den Schultern, dann stößt er sich vom Türrahmen ab und kommt zu mir. »Was machst du da?«

»Ich wollte gerade Nudelsalat machen«, antworte ich wahrheitsgemäß, aber mit einem leichten Stechen im Bauch. Sicher wird er es seltsam finden, dass lediglich alle Zutaten im rohen, ungeschälten Zustand in der Schüssel liegen, aber ich wusste erst nicht, was ich machen sollte und dann war er plötzlich so schnell wieder hier. »Willst du schon mal den Grill anmachen? Er steht schon auf der Terrasse.«

Adrian wirft noch einen skeptischen Blick in meine Schüssel, gibt mir dann jedoch ein Küsschen und verlässt die Küche.

Ich schließe die Augen und als ich erkenne, dass seine Aura sich auf der Terrasse befindet, versuche ich mich auf das Bild von Nudelsalat zu konzentrieren. Als ich die Augen wieder öffne, kommt mir bereits der erbetene Löffel entgegen gesaust und landet in der Schüssel.

Das mit dem Abschmecken muss ich leider noch selbst übernehmen, denn mir einen bestimmten Geschmack vorzustellen, gelingt mir nicht immer. Vor allem nicht, wenn ich mich nicht hundertprozentig darauf konzentrieren kann, weil mich jeden Moment jemand dabei erwischen könnte. Daher füge ich noch etwas Salz und einige tiefgekühlte Kräuter hinzu, bis ich der Meinung bin, dass es schmeckt.

»Lino?« Adrian steht im Türrahmen und schaut mich stirnrunzelnd an.

Mir wird ein wenig unbehaglich zumute. »Ja?«

»Will ich wissen, warum Grill und Gartenmöbel aussehen wie neu, obwohl du meintest, dass sie jahrelang ungenutzt im Schuppen standen?« Er kommt näher und wirft einen Blick in die Schüssel. »Oder wie du das hinbekommen hast?«

Ich muss schlucken. Auch wenn ich das mit Auren heute Nachmittag ausgeplaudert habe, sollte ich ihm den Grund für all das hier doch besser nicht sagen. Zumindest ist es das, was mein Verstand mir rät. Was absolut richtig ist, denn wenn ich es ihm sage, kann es sein, dass ich großen Ärger mit dem Magierrat bekomme. Auf der anderen Seite, weiß er sowieso schon viel zu viel und bisher schien er keine Probleme damit zu haben, dass ich anders bin. Doch, sollte ich mein Glück wirklich herausfordern? »Nein, das willst du nicht«, höre ich mich sagen. Offenbar hat mein Mund die Entscheidung ohne mich getroffen.

Adrians Lippen zucken, dann schüttelt er den Kopf. »Weil du mir nicht genug vertraust, oder weil du es nicht sagen darfst?«

»Beides«, gebe ich leise zu, denn ich will ihn nicht anlügen.

»Verstehe.« Er nickt, dann deutet er mit dem Daumen hinter sich. »Der Grill ist jedenfalls an. Ich denke, in einer viertel Stunde können wir das Fleisch drauflegen.«

Es verwundert mich sehr, dass er nicht weiter nachfragt. Schließlich habe ich immer eingebläut bekommen, dass Menschen schrecklich neugierig sind und nicht aufhören werden nachzubohren, bis sie eine zufriedenstellende Erklärung für, ihrer Meinung nach, seltsame Dinge bekommen haben. Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir unsere Fähigkeiten geheimhalten. Selbst im Notfall dürfen wir keine Magie anwenden, wenn Menschen es miterleben könnten.

»In Ordnung. Ich bringe gleich Geschirr raus.«

»Darf ich zusehen?«

Adrians Grinsen irritiert mich etwas, dennoch nicke ich. »Sicher, wenn du das für interessant hältst.«

Er lacht und in meiner Brust breitet sich wieder diese Wärme aus. Mittlerweile glaube ich, dass es tatsächlich etwas damit zu tun hat, dass er in meiner Nähe ist. Als er die Arme um meine Taille schlingt und mich an sich zieht, beginnt es in meinem Bauch zu kribbeln. Im nächsten Augenblick presst er mich gegen den Küchenschrank und küsst mich stürmisch. Ich muss mich an seinen Schultern festhalten, denn mir wird beinahe etwas schwindelig. Völlig atemlos ziehe ich schließlich meinen Kopf zurück und blicke in seine tiefgrünen Augen. Seine Aura glüht förmlich und auch seine Erektion, die er gegen meine presst, zeigt mir, dass er sehr erregt ist.

»Wenn es nicht dein erstes Mal wäre, würde ich es jetzt hier in der Küche mit dir treiben«, raunt er mir zu, was das Kribbeln in meinem Bauch noch verstärkt.

Ich möchte so gerne Sex mit ihm haben. Nicht nur, weil ich endlich mal erleben will, wie es sich anfühlt und was ich dabei empfinde, sondern weil Adrian wie ein Magnet auf mich wirkt. Sobald wir uns in einem Raum aufhalten, überfällt mich das dringende Bedürfnis, ihn zu berühren und zu küssen. Das hatte ich noch bei niemandem zuvor, egal ob Magier oder Mensch. Adrian zieht mich förmlich in seinen Bann.

»Darf ich dich deswegen mal etwas fragen?«, taste ich mich vor, denn auch wenn ich anatomisch gesehen weiß, wie Geschlechtsverkehr bei zwei Männern abläuft, habe ich doch eine dringende Frage.

Adrian nickt sofort. »Natürlich.«

»Woher wissen wir, wer seinen Penis in den After des anderen steckt?«

»Oh Mann«, murmelt er. »So wie du das sagst, klingt es furchtbar unerotisch.«

»Entschuldige bitte. Wie hätte ich es denn besser formulieren sollen?«

Adrian lächelt und zieht mich wieder an sich, sodass er meinen Hals küssen kann. Seine Lippen auf meiner Haut fühlen sich unglaublich gut an, denn sie hinterlassen eine kribbelnde Spur, die sich bis zu meinem Ohrläppchen hinaufzieht.

»Du willst wissen, wer heute Nacht wen vögeln darf?«, flüstert er, wobei seine rechte Hand an meinen Po wandert. »Wie wäre es, wenn wir das spontan entscheiden?«

»Mir wäre es lieber, wenn ich weiß, was auf mich zukommt«, gebe ich leise zu. »Man muss sich doch vorbereiten, nicht wahr? Damit es nicht wehtut?«

Wieder beginnt Adrian meinen Hals zu küssen, diesmal in Richtung meines Kieferknochens. Meine Augen fallen zu, als er sich langsam über mein Kinn zur anderen Seite vorarbeitet, während seine Hand über meine Pobacke streichelt. An meinem rechten Ohr angekommen, saugt er mein Ohrläppchen zwischen seine Lippen, was mich stöhnen lässt. Seine Hand wandert über meine Hüfte nach vorne und legt sich schließlich über meine Erektion. »Ich werde dir heute Nacht zeigen, wie sich heiße Lippen um deinen Ständer anfühlen. Anschließend will ich dich in mir spüren. Ich will, dass du mir deinen Schwanz in den Arsch schiebst, mich erst langsam und dann immer härter stößt und mich damit zum Stöhnen bringst, bis ich komme und mein Sperma über unsere Körper spritze.«

Ein Ziehen durchfährt meinen Unterleib und in meinem Bauch kribbelt es heftig. Mir entweicht ein Stöhnen und ich kann nicht anders, als mich seiner Hand entgegen zu drücken, denn es fühlt sich so gut an. »Ich kann es gar nicht erwarten«, gebe ich zu. »Und ich möchte dich so gerne nackt sehen. Ich möchte wissen, wie es sich anfühlt, einen anderen Mann zu berühren.«

Adrian stöhnt. »Wie soll ich denn jetzt noch das Essen überstehen können?«

»Müssen wir denn unbedingt erst etwas essen?«, frage ich, denn richtig Hunger habe ich nicht und ich würde unsere Küsse und das Streicheln nur ungern unterbrechen. Zum Beweis schiebe ich meine Hände unter sein T-Shirt und streichle seinen Bauch.

Wieder stöhnt er, dann löst er sich plötzlich von mir, schnappt meine Hand und zerrt mich aus der Küche. »Zeig mir dein Schlafzimmer, Lino.«

»Die Treppe rauf und dann gleich links.« Ich konzentriere mich auf den Grill und lösche die Glut.

Auf halbem Wege bleibt Adrian plötzlich stehen. »Hast du Gleitgel und Kondome?«

»Gleitgel habe ich, ja. Kondome habe ich für überflüssig gehalten, weil ich keine men–« Oh verdammt, das war wirklich dumm von mir. Wie soll ich das jetzt erklären? Wahrscheinlich wäre es doch einfacher gewesen, schlicht welche zu kaufen und zu benutzen, als diese Unterhaltung zu führen.

Adrian runzelt die Stirn, zieht mich jedoch weiter die Treppe rauf und ins Schlafzimmer. Als er die Tür hinter uns schließt, drückt er mich mit dem Rücken dagegen und sieht mir geradewegs in die Augen. »Was wolltest du eben sagen?«

Schluckend sehe ich ihn an, während ich versuche, eine Erklärung zu liefern. »Ich... ich habe keine ansteckende Krankheit?«

»Nein, das war es nicht, was du sagen wolltest«, entgegnet er kopfschüttelnd. »Du hast Kondome für überflüssig gehalten, weil...?«

»Ich gesu–«

»Komm schon«, fällt er mir ins Wort. »Ich bin mir mittlerweile ziemlich sicher, dass du kein gewöhnlicher Mensch bist. Keine Ahnung, wer oder was genau du bist, aber bitte lüg mich nicht länger an.«

Erschrocken reiße ich die Augen auf. »Adrian!«

»Vertrau mir, Lino«, flüstert er. »So, wie ich dir bisher vertraut habe.«

Ich muss schlucken, während mein Herz heftig rast. »Ich darf es nicht sagen. Es ist streng verboten.«

Adrian nickt. »Na gut. Kannst du mir wenigstens sagen, was du vorhin sagen wolltest? Warum brauchen wir keine Kondome? Ich vertraue dir, aber ich will wissen, warum ich das tue.«

»Weil ich mich nicht mit menschlichen Krankheiten anstecken und sie auch nicht übertragen kann«, antworte ich leise. Ich finde, wenn er mir erlaubt, ihn zu penetrieren, dann hat er das Recht, diese Gewissheit zu haben, selbst wenn ich damit einmal mehr gegen das Magiergesetz verstoße. »Außerdem hatte ich auch noch nie intimen Kontakt mit einem Menschen.«

»Danke für dein Vertrauen.«

Im nächsten Moment spüre ich seinen Mund auf meinem. Ganz zärtlich klopft er mit seiner Zunge gegen meine Lippen. Als ich sie öffne und ihm meine Zunge entgegenkommt, stöhnt er leise. Seine Finger wandern unter mein T-Shirt, schieben es nach oben.

»Jedes Mal, wenn wir uns küssen, prickeln meine Lippen und meine Zunge wahnsinnig«, flüstert er, als wir uns voneinander lösen müssen, damit er mir das T-Shirt über den Kopf ziehen kann. »Das ist zuvor noch nie passiert.«

»Hast du schon viele Männer geküsst?«, frage ich aufgeregt, während ich die Gelegenheit nutze und ihm auch sein Oberteil ausziehe.

Adrian lächelt. »Viele nicht, aber ein paar schon.«

»Und eine Frau?«

»Ja.« Er nickt, während er die Finger in die Gürtelschlaufen meiner Jeans schiebt und mich langsam Richtung Bett zieht.

»Ist es anders, eine Frau zu küssen?«

»Bist du so nervös, Lino?«, will er mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht wissen.

»Ja«, gebe ich zu. Mein Herz klopft schnell und meine Hände schwitzen und ich kann mich an nichts von dem erinnern, was ich in den Büchern gelesen habe. »Ich weiß nicht genau, was ich jetzt machen muss.«

»Du musst gar nichts machen.« Adrian lässt sich aufs Bett fallen und zieht mich auf seinen Schoß. »Schließ die Augen, Süßer.«

Ich tue, was er sagt, auch wenn seine Aura jetzt noch präsenter ist.

»Was immer du tust, es gibt nur eine Bedingung«, höre ich ihn nahe an meinem Ohr murmeln, während er mir die Hose aufknöpft. »Es muss uns beiden gefallen.«

»Ja, in Ordnung«, sage ich schnell, denn das finde ich sehr gut.

»Wenn dir etwas nicht gefällt oder es dir zu schnell geht, dann sagst du es sofort, okay?«

Ich nicke schnell. »Ja, das mache ich.«

»Küss mich.« Es ist mehr ein Flüstern, doch ich höre es trotzdem und obwohl ich ihn nicht sehen kann, finden sich unsere Münder sofort. Ohne, dass wir uns voneinander trennen, zieht Adrian mich mit sich, während er sich nach hinten fallen lässt. Als unsere Oberkörper sich aneinanderpressen, flutet Hitze meine Brust. Adrians ersticktes Keuchen unterbricht unseren Kuss.

Ich öffne die Augen, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist. Er starrt mich mit riesigen Augen an, während seine Atmung ungewöhnlich schnell ist. Eilig rappele ich mich auf, denn vielleicht bin ich ihm zu schwer. »Geht es dir gut?«

»Ja.« Er schluckt, dann fällt sein Blick auf meine Brust. Seine Augen weiten sich noch mehr, während er mich schnell blinzelnd und mit offenem Mund anstarrt. »Das ist... unglaublich. Wenn ich es nicht mit eigenen Augen sehen würde...«

»Was denn?« Verwirrt folge ich seinem Fingerzeig und sehe auf meine Brust hinunter. »Beim Allmächtigen, wie... was... das verstehe ich nicht.« Die Zeichnung, die ich schon von Geburt an auf meiner Haut trage, wird von einer leuchtend gelben Aura umgeben. »Wie ist das passiert?«

Adrian starrt mich mit großen Augen an, dann zieht er mich wieder zu sich hinunter. Im nächsten Moment wirbelt er uns beide herum, sodass er über mir liegt. Er gibt mir einen kurzen Kuss, dann schließt er die Augen und drückt seine Brust gegen meine.

Wieder flutet Hitze meinen Oberkörper, während Adrian nach Luft schnappt. Als er die Augen öffnet, stockt mir der Atem, denn noch nie zuvor habe ich in derart intensiv grüne Iriden geblickt.

»Gott, Lino, keine Ahnung, wie du das anstellst, aber das ist ein unbeschreibliches Gefühl«, haucht er. Dann beugt er sich zu mir runter und küsst mich.

Ich lasse mich von meinen Empfindungen leiten, beginne Adrians Körper zu küssen und zu streicheln, versuche herauszufinden, welche Berührungen ihm wo am besten gefallen, während er meinen Körper erkundet. Wir ziehen uns gegenseitig aus, erforschen jedes Stück Haut, das wir freilegen.

Als Adrian mir schließlich meinen Slip runterzieht, kann ich es kaum noch erwarten, seine Hand an meinem Penis zu fühlen. Ich muss mich regelrecht bremsen, ihm nicht meinen Unterleib entgegenzustrecken.

»Bitte«, entweicht es mir, als er sich viel zu langsam an meinem rechten Bein nach oben küsst.

Adrian lächelt, beeilt sich aber nicht, sondern schiebt sanft meine Oberschenkel auseinander und küsst sich an der Innenseite entlang, was mich beinahe verrückt werden lässt, denn es fühlt sich so gut an und gleichzeitig kribbelt es vor lauter Vorfreude in meinem Unterleib, sodass ich es kaum noch aushalte. Als er endlich am Übergang zur Leiste ankommt, hält er inne, dann richtet er sich mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht auf.

»Warum hörst du auf?«, frage ich ein wenig enttäuscht.

»Geht gleich weiter«, verspricht er und schlüpft aus seiner engen Boxershorts, bevor er sich über mich legt und mich mit einem strahlenden Lächeln ansieht. »Viel besser«, flüstert er und reibt sich behutsam an mir.

Unser Hautkontakt scheint jede meiner Nervenzellen in Aufregung zu versetzen, denn mein ganzer Körper kribbelt und als Adrian dann auch noch anfängt meine Brust und meinen Bauch mit Küssen zu bedecken, kann ich mich kaum noch zurückhalten. Ohne Einfluss darauf zu haben, vergrabe ich meine Finger in seinem Haar und schiebe ihn meinen Körper entlang weiter nach unten. Ich kann ihn kurz lachen hören, dann wird meine Eichel von der wundervollsten Hitze umschlossen, die ich je gespürt habe.

»Oh, verdammt fühlt sich das gut an«, stöhne ich ungehalten.

Seine Zunge streicht immer wieder meine ganze Länge auf und ab, bevor er meine Spitze zwischen seine Lippen saugt, sie küsst und schließlich wieder seine Zunge einsetzt.

Plötzlich lässt er von mir ab und richtet sich ein Stück auf. »Lino?«

»Ja?«, bringe ich krächzend hervor und stütze mich auf meine Unterarme, um ihn anzusehen.

»Kannst du mir bitte Bescheid sagen, bevor du kommst?«

»Ja, na klar«, versichere ich sofort. »Magst du keinen Samen im Mund haben?«

Er schüttelt lächelnd den Kopf. »Die Konsistenz von Sperma finde ich absolut eklig.«

»Wir wollten doch ohnehin noch mehr machen, oder?«, frage ich unsicher, denn eigentlich hatte er es ja so angekündigt.

»Oh ja.« Er zögert kurz, dann stiehlt sich wieder dieses schelmische Grinsen auf sein Gesicht. »Weißt du, was ein 69 ist?«

Ich nicke sofort. »Wenn beide Partner sich gleichzeitig mit dem Mund befriedigen.«

»Himmel, das mit dem Dirty Talk ist wirklich nicht deine Stärke, Süßer«, meint Adrian lachend, drückt mir einen Kuss auf den Mund und einen Augenblick später werde ich auf die Seite gedreht und habe seinen harten Penis direkt vor Augen. »Versuch, die Zähne rauszuhalten, ansonsten kannst du nicht viel falsch machen.« Adrian umfasst seinen Schaft und streicht kurz mit der Spitze über meine Lippen. Ich öffne sie neugierig und im nächsten Moment schiebt er sich stöhnend dazwischen. »Du meine Güte ist das heiß. Nimm die Hände dazu und streichel mich. Bauch, Oberschenkel, Hintern, Hoden, sei neugierig.«

Wie zur Erklärung spüre ich seine Finger an meiner Leiste, die zärtlich durch meine Schamhaare gleiten und schließlich meine Hoden umfassen, während mein Glied wieder in seinem Mund verschwindet. Wenn meine Lippen nicht mit Adrians Penis beschäftigt wären, würde ich wohl ununterbrochen stöhnen. Das Gefühl ist einfach atemberaubend. Ich habe zwar keinen Schimmer, was genau ich hier tue, doch ich lasse mich einfach von meinem Gefühl und seinen Reaktionen leiten.

»Oh Gott«, stöhnt er gedämpft, als ich etwas kräftiger an ihm sauge. Er lässt von mir ab und vergräbt die Nase in meiner Leistenbeuge, als ich beginne, abwechselnd über seine Eichel zu lecken und daran zu saugen. »Himmel, das kribbelt wie verrückt. Wie beim Küssen. Der Wahnsinn.«

Angespornt von seiner Erregung verwöhne ich ihn immer enthusiastischer, drehe ihn schließlich auf den Rücken und knie mich neben ihn, denn er scheint nicht mehr in der Lage zu sein, sich um meine Erektion zu kümmern. Das stört mich jedoch auch nicht, denn es gefällt mir, dass ich ihn so in Ekstase versetzen kann.

»Warte, Lino«, höre ich ihn plötzlich keuchen.

Nur widerwillig lasse ich von ihm ab und sehe in sein gerötetes Gesicht auf.

»Gleitgel? Bitte, ich will dich so sehr.«

Nickend strecke ich den Arm zum Nachttisch aus und hole die Tube heraus, die ich schon vorsorglich gekauft habe. Eigentlich habe ich sie nicht gekauft, sondern neulich nachts im Supermarkt gestohlen, weil ich die Befürchtung hatte, dass die Leute noch mehr über mich und vielleicht auch Adrian reden, wenn jemand sieht, wie ich das Gel kaufe. Vermutlich sollte ich das aber lieber für mich behalten.

»Weißt du, was du machen musst?«, fragt er, während ich versuche, die Folie abzufummeln, in die der Deckel eingeschweißt ist. »Solltest du den Kampf gewinnen, meine ich.«

Ich muss lachen, schaffe es jedoch endlich, eine kleine Ecke zu lösen, woraufhin der Rest sich einfach abziehen lässt. »Wäre doch gelacht, wenn ich das nicht auch ohne Ma–« Im letzten Moment kann ich mich bremsen, doch natürlich hat Adrian es gemerkt.

»Magie?«, fragt er mit hochgezogenen Augenbrauen, obwohl ich mir sicher bin, dass ich das Wort nicht ausgesprochen habe.

Mein Hirn arbeitet auf Hochtouren, doch mir fällt einfach keine glaubhafte Ausrede ein, sodass ich schlucke und vorgebe, mir die Inhaltsstoffe des Gleitgels durchzulesen.

Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Adrian sich aufrichtet und dann legen sich auch schon seine Arme um meine Taille. »Schon okay«, flüstert er und drückt mir einen Kuss auf die Wange. »Tut mir leid, dass ich dich ständig in Bedrängnis bringe.« Er nimmt mir die Tube aus der Hand. »Möchtest du zusehen, wie ich mich vorbereite?«, raunt er mir zu.

Ich sehe auf, als er gerade den Deckel der Tube aufklappt und sich etwas von dem durchsichtigen Gel auf Zeige- und Mittelfinger drückt. Augenblicklich kommt das Kribbeln zurück und erneut breitet sich diese gewaltige Erregung in mir aus. »Ja«, flüstere ich gespannt.

Adrian legt sich auf den Rücken, zieht die Oberschenkel an und bedeutet mir, mich zwischen seine Beine zu knien. Aus Büchern weiß ich, was er damit meint, sich vorzubreiten, aber darüber zu lesen und es mit eigenen Augen zu sehen, sind zwei völlig verschiedene Dinge. Fasziniert beobachte ich, wie er seine Finger in seinen Körper gleiten lässt, sie langsam vor- und zurückbewegt. Sein Stöhnen lässt mich wissen, dass es ihm gefällt und ich kann nur hoffen, dass es ihm genauso gehen wird, wenn es gleich mein Penis ist, der ihn ausfüllt.

Er greift nach meiner Hand und im ersten Moment glaube ich, dass er mir die Gleitgeltube geben will, doch dann führt er sie an seine Erektion. Ich schließe meine Finger um seinen Schaft und lasse mir von ihm zeigen, wie es ihm gefällt. Adrian beginnt sich in meine Hand zu stoßen, während er immer schneller die Finger in seinem Körper vor- und zurückbewegt.

Keuchend starrt er mir dabei ins Gesicht. »Fick mich, Lino«, stöhnt er und hält mir die Gleitgeltube entgegen. »Nur ein bisschen was auf deine Eichel, das reicht.«

»Ist gut.« Meine Hände zittern vor Aufregung, doch diesmal schaffe ich es problemlos, die Tube zu öffnen und etwas von dem Gel auf die Spitze meines Penis zu tropfen. »Kalt«, stelle ich erschrocken fest, was Adrian lachen lässt.

»Wird gleich heiß, Süßer, versprochen.« Er zwinkert mir zu, dann zieht er die Knie noch weiter an. »Rutsch dicht an mich ran, dann suchst du dir eine bequeme Position, in der du deine Eichel problemlos ansetzen kannst.«

»Okay«, flüstere ich mit wild klopfendem Herzen. Ich hätte nie gedacht, dass ich dabei so aufgeregt sein würde. Meine Hände zittern und ich muss ein paarmal tief durchatmen, um mich selbst zu beruhigen. »Ich tu dir auch bestimmt nicht weh?«, frage ich sicherheitshalber, denn das ist meine größte Sorge.

Adrian schüttelt lächelnd den Kopf. »Bestimmt nicht. Lass dich einfach langsam reingleiten. Ich bin mir sicher, dass es dir gefa– Oh mein Gott.« Stöhnend lässt er den Kopf in den Nacken fallen, als ich mich mit behutsamem Druck in ihn schiebe. »Heilige Scheiße, das ist irre«, keucht er. »Dieses Kribbeln... der Wahnsinn.«

Ich kann mein Stöhnen nicht aufhalten, während ich mich immer tiefer in ihn drücke. In meinem ganzen Leben habe ich so etwas Atemberaubendes noch nicht erlebt. »Bei mir kribbelt es auch. Oh, Adrian, diese Hitze und Enge, einfach unglaublich.«

»Bitte, beweg dich schneller, Süßer. Stoß mich.«

Ich ziehe mich vorsichtig ein Stück zurück, denn ich will ihm nicht wehtun, doch das Kribbeln in meinem Unterleib lässt mich kaum noch klar denken.

»Bitte, Lino, es fühlt sich so gut an. Halt dich nicht zurück.«

Mit einem Blick in sein vor Erregung verzerrtes Gesicht, lasse ich mein Becken vorschnellen und im nächsten Moment bin ich ganz in ihm. Adrian keucht und fast schon befürchte ich, ihm doch Schmerzen zugefügt zu haben, doch er schüttelt den Kopf, legt eine Hand an meine Hüfte und bedeutet mir weiterzumachen. Mit der anderen Hand umfasst er seinen Schaft.

»Fuck, so geil. Komm schon, Lino, fick mich.«

Stöhnend gebe ich nach, beuge ich mich weiter über ihn, bis ich mich mit den Händen neben seinen Schultern abstützen kann. Dann überlasse ich meinem Becken die Kontrolle und genieße das intensivste, herrlichste und einfach wundervollste Gefühl, das ich je gespürt habe. Das Grün in Adrians Augen beginnt immer intensiver zu leuchten, die gelbe Aura auf meiner Brust fängt an zu pulsieren und zu sehen, wie seine Hand sich immer schneller an seinem Ständer entlang bewegt, raubt mir beinahe die Besinnung.

»Ich komme«, stöhnt er laut, dann verkrampft er sich und im nächsten Moment spritzt er keuchend sein Sperma über seine Brust. Adrians Aura wird so leuchtend rot, dass sie mich beinahe blendet.

Eine Welle der Ekstase baut sich immer stärker in mir auf, lässt meinen Körper zucken und das Kribbeln in meinem Unterleib derart intensiv werden, dass mir ein Schrei entweicht, als mein Orgasmus mich überrollt. Japsend öffne ich die Augen und sehe in Adrians grinsendes Gesicht.

Und dann ist er plötzlich weg.

Verschwunden.

Perplex starre ich auf das leere Kopfkissen. »Was zum Henker... Adrian?« Noch immer zitternd springe ich auf und stolpere vom Bett herunter. »Adrian?« Ich schließe meine Augen, um seine Aura zu finden, doch ich kann ihn nicht aufspüren.

»Ja!«, höre ich ihn aus Richtung Badezimmer rufen. »Ähm... das musst du mir nun aber doch erklären.«

»Der Allmächtige sei Dank«, flüstere ich, als ich im Bad bin und ihn auf der Toilette sitzen sehe. »Geht es dir gut?«

Er runzelt kurz die Stirn, dann nickt er. »Ich glaube schon. Könntest du...?«

»Oh, natürlich«, sage ich sofort und gehe vor die Tür.

»Wie hast du das gemacht?«, ruft er mir zu.

»Ich war das nicht!«, rufe ich wahrheitsgemäß zurück, kann aber auch keine Erklärung dafür liefern, warum er plötzlich verschwunden und an einem anderen Ort wieder aufgetaucht ist. Also, natürlich kann ich Lebewesen teleportieren, aber nur mit mir, nicht nur sie allein. Zudem hätte ich ihn auch sonst nicht dazu bringen können, sich ins Bad zu begeben, denn das funktioniert nur bei Gegenständen, da sie keinen eigenen Willen haben. Zumal er sich dann hätte dorthin bewegen müssen, und nicht einfach verschwunden und dort aufgetaucht wäre.

Die Toilettenspülung rauscht und ich höre, wie er sich die Hände wäscht, dann öffnet sich die Tür. Ich traue mich kaum, Adrian anzusehen, kann jedoch verstehen, warum er eine Erklärung verlangen wird.

»Lass uns ins Schlafzimmer zurückgehen«, sagt er leise und nimmt meine Hand. Als wir auf dem Bett sitzen, sieht er mich stirnrunzelnd an. »Klartext, Lino. Wer oder was bist du?«

»Ein Magier«, antworte ich seufzend, denn ich bin es leid, ihn ständig anlügen zu müssen. »Aber ich kann mir wirklich nicht erklären, wie du ins Bad gekommen bist. Ich war das nicht.«

»Du kannst dich doch auch materialisieren, oder? Ich habe es gesehen.«

»Teleportieren, ja. Aber ich kann niemanden ohne mich teleportieren. Ich kann Gegenstände dazu bringen, meinem Willen zu gehorchen, aber das funktioniert nur, weil sie eben keinen eigenen haben. Ich hätte dich nie ohne mich ins Bad bringen können.«

»Aber irgendwie musst du es geschafft haben«, widerspricht er fast schon verärgert. »Ich meine... es gibt keine andere Erklärung dafür, oder? Ich kann das nicht selbst gemacht haben, ich bin kein Zauberer oder so was, aber du offenbar schon.«

Ich glaube, er gerät gerade ein wenig in Panik, so schnell wie er redet und mit den Armen fuchtelt. »Kannst du dich bitte beruhigen?«, bitte ich leise. »Bestimmt gibt es eine Erklärung, aber ich habe sie noch nicht.«

»Beruhigen, na klar«, keucht er mit ironischem Unterton. »Fuck, weißt du, was für einen Schrecken ich bekommen habe, als ich plötzlich im Bad war, statt bei dir?«

»Ja, das kann ich mir vorstellen«, sage ich leise, dann sehe ich ihn seufzend an.

Adrian atmet tief durch und nickt dabei er ein paarmal vor sich hin. »Okay. Erklär mir, was genau du bist und welche Kräfte du hast.«

»Wie gesagt, ich bin ein Magier. Ich kann Gegenstände bewegen, indem ich mir vorstelle, wo sie sein sollen und wie sie dann aussehen. Ich kann ihre Form ändern, ihre Temperatur, so ziemlich alles. Ich kann das Alter und Wachstum sämtlicher Lebewesen manipulieren, da fällt mir ein, dass ich für den guten Zustand der Balken in deinem Haus verantwortlich bin. Dabei gibt es jedoch das Problem, dass, wenn ich nicht regelmäßig mit Magie nachhelfe, sie schneller als natürlich wieder altern.«

»Wie bitte? Du hast mein Haus manipuliert?«

»Ich hatte Angst, dass es einstürzen könnte«, antworte ich leise.

Mit offenem Mund starrt er ich an. »Und da hast du es verzaubert?«

»Nein, natürlich nicht. Ich bin kein Zauberer, sondern ein Magier.«

»Ist das nicht ein und dasselbe?«, fragt er mit hochgezogenen Augenbrauen.

»Zauberer benötigen Zaubersprüche und meist auch einen Zauberstab. Wir Magier brauchen so was nicht, sondern können unsere Magie mittels Gedankenkraft freisetzen«, erkläre ich, woraufhin er kurz die Augen schließt und den Kopf schüttelt. »Dafür hält unsere Magie nur solange an, wie wir in der Nähe sind. Manche von uns haben Fähigkeiten, die mächtiger sind, doch bei den meisten ist Schluss, sobald sie sich nicht mehr auf eine Sache konzentrieren oder zu weit entfernt sind.«

Jetzt blickt er mich mit großen Augen an. »Wie viele Magier gibt es denn?«

»Nicht mehr viele. Etwa dreihundert.«

»Du verarschst mich!«

»Warum sollte ich das tun?«, frage ich verwirrt.

»Du willst mir nicht wirklich weismachen, dass hier dreihundert Magier unter uns leben und keiner merkt etwas.«

»Oh, sie sind über die ganze Welt verteilt«, kläre ich ihn auf. »Aber es stimmt, die Menschen merken davon nichts. Zumindest sollten sie das nicht. Schon gar nicht ist es erlaubt, es ihnen zu erzählen. Ich habe keine Ahnung, was dann passiert, denn in den letzten dreißig Jahren hat meines Wissens nach niemand gegen das Gesetz verstoßen. Zumindest nicht in Europa und Afrika, schließlich bin ich der Wächter für diese Kontinente.«

Adrian fährt sich mit der Hand durch die Haare. »Ich komme nicht mehr richtig mit. Du bist ein Wächter? Was ist das? Wie kannst du über zwei Kontinente hinweg kontrollieren, ob irgendein Magier was zaubert?«

»Wir zaubern nicht«, korrigiere ich, denn er scheint dies hartnäckig anzunehmen.

»Was macht ihr dann? Magiern?«

»Wir wenden Magie an.«

»Okay, okay. Und du kannst mit Hilfe deiner Magie spüren, wenn jemand in irgendeinem Teil Europas oder Afrikas ebenfalls Magie anwendet?«

»Nein, da würde ich durchdrehen, schließlich reden wir hier von einhundertvierundsechzig Magiern. Ich habe eine Karte dafür und sie zeigt mir auch nur an, wenn besonders starke Magie in Gegenwart von Menschen angewendet wird. Meine Aufgabe ist es dann, herauszufinden, ob die Menschen etwas davon erfahren haben und falls ja, den Magierrat zu informieren.«

»Na klar. Eine Karte.« Adrian ist zwischenzeitig aufgestanden und läuft vor meinem Schrank auf und ab. »Und jetzt wird auf dieser Karte angezeigt, dass du in meiner Gegenwart Magie angewandt hast?«

»Nun, nein. So einfach ist das nicht. Außerdem habe ich auch keine Magie angewendet. Ich habe dich nicht ins Bad teleportiert. Das ist überhaupt nicht möglich.«

»Aber irgendwas ist passiert.«

»Ja, das stimmt«, gebe ich zu. »Ich habe aber keine Erklärung dafür, wie du dort hingekommen bist oder warum deine Aura plötzlich verschwunden ist.«

Er bleibt abrupt stehen und wirbelt zu mir rum. »Meine Aura ist weg?«

»Sie war es, aber nur kurz. Ich habe versucht, dich aufzuspüren, aber ich konnte dich nicht finden. Erst, als du gerufen hast, wusste ich, wo du bist. Als du aus dem Bad kamst, war sie aber wieder da.«

Eine ganze Weile lang sehen wir uns an, dann kneift er die Augen zusammen.

»Wie funktioniert das mit dem Teleportieren?«

»Ich hab doch gesagt, dass ich dabei sein muss. Ich muss deine nackte Haut berühren, damit ich dich mitnehmen kann. Ich kann dich nicht ohne mich irgendwohin teleportieren.«

»Also hast du mich damals doch nicht getragen!«

Verlegen nicke ich. »Ja, das stimmt, aber das konnte ich dir ja nicht sagen.« Da ich aus seiner Mimik nicht schlau werde, gehe ich zu ihm. »Bist du jetzt verärgert?«

»Ich bin... verwirrt und es stört mich, dass du keine Erklärung dafür hast, was mit mir passiert ist.« Er schlingt die Arme um meine Taille, wobei sein Blick auf meine Brust fällt. »Die gelbe Farbe ist weg.«

Ich sehe an mir runter. »Tatsächlich. Dafür habe ich auch keine Erklärung, fürchte ich.«

»Können wir jemanden fragen? Oder es irgendwo nachlesen?«

»Nein. Es wäre keine gute Idee, einem anderen Magier zu erzählen, dass du von uns weißt. Ich weiß nicht, was sie mit dir oder mir machen würden, denn ich bin nur der Wächter und kein Mitglied des Magierrats. Bisher hat man aber von den Menschen, die etwas über uns wussten, nichts mehr gesehen. Meist wird die Hilfe eines Zauberers erbeten, wenn ein solcher Fall auftritt, aber was genau seine Aufgabe ist, weiß ich nicht.«

Adrian schluckt sichtbar, dann nickt er. »Okay. Vielleicht finden wir es ja auch alleine raus. Ich meine, vielleicht hat es was damit zu tun, dass meine Aura weg war.«

»Ja, das wäre schon ein großer Zufall, wenn das beides nichts miteinander zu tun hätte«, stimme ich nachdenklich zu.

»Wann verschwindet eine Aura denn?«

»Normalerweise nur, wenn man stirbt. Die von Magiern ist zwar für andere Magier auch nicht sichtbar, aber das ist von Geburt an so.«

»Moment. Du hast gar keine Aura?«

»Doch. Magier können sie nur nicht sehen.«

»Woher weißt du dann, dass sie da ist?«

»Na...« Perplex darüber, dass er so was in Frage stellen kann, starre ich ihn an. »Von meiner Mutter.«

Adrian sieht nicht sehr überzeugt aus. »Sie konnte sie sehen?«

»Nein, aber sie hat es mir gesagt«, erkläre ich entschieden, denn niemals hätte meine Mutter mich angelogen. »Sie hat gesagt, dass jedes Lebewesen eine Aura besitzt, also auch wir Magier. Nur können wir sie nicht mehr sehen. Früher war das noch so, doch im Laufe der Zeit sind unsere Auren verblasst.«

»Okay, verstehe«, murmelt er, jedoch bin ich mir nicht sicher, ob er mir wirklich glaubt. »Also waren deine Eltern auch Magier?«

»Sicher.«

Er nickt vor sich hin, während er sich wieder aufs Bett fallen lässt. »Was musst du tun, um dich zu teleportieren?«

»An den Ort denken, zu dem ich will. Den Rest übernimmt meine Magie.«

»Aber wie?«

Seufzend setze ich mich neben ihn. »Wie soll ich das erklären? Die Magie ist in mir, ja? Ich muss keinen Zauberspruch aufsagen, um sie einzusetzen, sondern es einfach nur wollen. Zum Beispiel kann ich jetzt an dein Wohnzimmer denken, bleibe aber hier sitzen, weil ich gerade nicht dort sein will, verstehst du?«

Er nickt.

»Sobald ich aber mit dem Wunsch, mich an diesen Ort zu teleportieren, daran denke, passiert es auch.«

»Okay, ich verstehe das, auch wenn ich mir nicht ganz vorstellen kann, wie es funktioniert. Nur... wie habe ich das geschafft? Ich meine, du sagst ja, dass du es nicht gewesen bist. Dann muss ich es doch selbst irgendwie geschafft haben, oder?« Er schaut mich fast schon ängstlich an, doch ich habe noch immer keine Erklärung dafür.

»Ich weiß es nicht. Du bist definitiv kein Magier, das würde ich spüren. Wir erkennen einander, spüren die Magie des anderen schon aus einiger Entfernung«, berichte ich, denn mittlerweile weiß er so viel, dass es darauf auch nicht mehr ankommt. »Uns umgibt ein Energiefeld. Je mehr von uns auf einem Fleck sind, desto stärker ist es. Deswegen leben wir so weit voneinander entfernt. Kleinere Störfelder und Funklöcher fallen den Menschen weniger auf.«

»Dann ist das der Grund, warum du hier weder WLAN- noch Handyempfang hast?«

»Genau.«

Für einen Moment sehen wir uns einfach nur an. Ich weiß nicht, was in ihm vorgeht, ob er mir glaubt, oder mich für einen verrückten Spinner hält.

Als er seine Hand nach mir ausstreckt und sie an meine Wange legt, flutet Wärme meinen Brustkorb. Adrian zieht mich zu sich, sieht mir tief in die Augen, dann presst er seine Lippen auf meinen Mund und küsst mich zärtlich. Als seine Zunge meine berührt, breitet sich wieder dieses wundervolle Kribbeln in mir aus.

Adrian löst sich von mir und sieht auf meine Brust runter. »Die gelbe Farbe ist wieder da. Ganz schwach, aber ich kann sie erkennen.«

»Ich habe keine Erklärung dafür«, sage ich leise, während er mit den Fingern über meine Haut streichelt. »Es ist noch nie zuvor passiert, aber ich habe auch noch nie zuvor jemanden geküsst, also weiß ich nicht, ob es einfach nur daran liegt.«

»Du hast gesagt, dass meine Aura eine andere Farbe hat, als die der anderen Menschen«, murmelt er.

»Das stimmt. Bisher bin ich davon ausgegangen, dass alle Menschen eine hellblaue Aura haben. Allerdings ist das lediglich meine Erfahrung. Vielleicht ist es gar nicht außergewöhnlich. Das weiß ich aber nicht.«

Adrian seufzt leise. »Gibt es keine Bücher, in denen man das nachlesen könnte? Ich meine, habt ihr nicht auch irgendwelche Nachschlagewerke oder so was? Habt ihr keine Bibliotheken?«

»Doch, schon, aber die wird vom Magierrat kontrolliert. Man kann da nicht einfach so hingehen und sich ein Buch über menschliche Auren ausleihen, ohne einen triftigen Grund dafür zu haben.«

»Aber du bist ein Wächter.«

»Das ist kein Grund. Warum sollte ich deswegen etwas über Menschen recherchieren wollen? Das fällt nicht in meinen Zuständigkeitsbereich«, versuche ich, zu erklären. »Ich sehe anhand der Karte, wenn irgendwo Magie in Gegenwart von Menschen angewendet wird. Meine Aufgabe ist es, mich dorthin zu teleportieren und herauszufinden, warum dies geschieht. Nicht immer muss ich es melden. Wenn der Mensch bewusstlos ist, zum Beispiel, oder nicht erkennen kann, dass Magie im Spiel ist, wie bei den Balken in deinem Haus. Ich hätte keinen Grund, mich über menschliche Auren zu informieren, den ich angeben könnte und ich möchte auch nicht, dass sie von dir erfahren.«

»Ja, das verstehe ich«, sagt er nickend. »Wie oft ist es schon vorgekommen, dass du jemanden melden musstest?«

»Noch nie.«

»Wirklich? Das ist kaum vorstellbar. Es hat noch nie jemand gegen diese Regel verstoßen?«

»Nein«, antworte ich kopfschüttelnd. »Nicht seit ich Wächter bin.«

»Und wie lange ist das?«

»Zweiunddreißig Jahre.«

Er nickt, dann sieht er mich plötzlich mit großen Augen an. »Was? Du hast gesagt, du wärst einunddreißig.«

»Ja, ähm, da musste ich auch etwas schwindeln. Ich kann den Alterungsprozess von Lebewesen beeinflussen, also auch meinen eigenen«, räume ich ein. »Ich bin neunundvierzig.«

»Dann bist du ja älter als ich«, erkennt er. »Hm... ich hatte noch nie etwas mit einem älteren Mann.«

»Na, wenn das deine einzige Sorge ist«, platzt es lachend aus mir raus, woraufhin er grinst.

»Sag mal, dann kannst du mich doch auch verjüngen, oder?«

Ich muss schlucken, denn so was habe ich schon befürchtet. »Das würde bedeuten, dass ich in Gegenwart eines Menschen Magie anwende und nicht nur das, ich würde dir damit auch noch helfen, was ebenfalls verboten ist.«

»Und wer soll das herausfinden? Du bist der Wächter über Europa, oder?«

»Schon. Dennoch ist es verboten. Ich kann nicht gegen die Gesetze verstoßen, nur, weil mich vermutlich keiner dabei erwischen würde«, erkläre ich ernst.

Adrian seufzt leise, nickt jedoch. »Wäre ja auch zu schön gewesen.« Mit einem Grinsen im Gesicht, das mir zeigt, dass er nicht böse ist, zieht er mich an sich und drückt mir einen Kuss auf die Lippen. »Wie fandest du dein erstes Mal?«

»Sehr aufregend. Ich hätte nie gedacht, dass es sich so gut anfühlen würde, einen Mann anal zu befriedigen«, gestehe ich. »Hat es dir auch wirklich gefallen?«

Adrian gluckst. »Ja. Sehr.«

»Da bin ich erleichtert. Ich hatte Angst dir wehzutun oder, dass ich dir nicht gefalle und du es dir anders überlegst und schnell wieder verschwindest«, füge ich leise hinzu, woraufhin er mich mit großen Augen ansieht, bevor er zu lachen beginnt. Adrian lacht so heftig, dass er sich nach hinten aufs Bett fallen lässt und ihm sogar Tränen in die Augen treten. Ich kann gar nicht anders, als einzustimmen, denn irgendwie ist es ja tatsächlich witzig, auch wenn ich das so gar nicht gemeint habe.

Es dauert eine kleine Ewigkeit, bis wir uns wieder beruhigen können und nebeneinander auf dem Rücken liegen und japsend Richtung Zimmerdecke starren. Adrian nimmt meine Hand und drückt sie sanft, sodass ich mich zu ihm umwende. Mit einem Lächeln im Gesicht sieht er mich an.

»Was meinst du, großer Magier. Wollen wir uns anziehen und was essen? Der Grill ist bestimmt ausgegangen, aber der ist ja schnell wieder angezündet.«

Zustimmend nicke ich, denn mittlerweile habe ich großen Hunger. »Gute Idee. Den Grill hatte ich beim Hochgehen schon ausgemacht. Ich hatte Angst, dass ein Waschbär ihn umstößt. Die tummeln sich nämlich abends gerne in meinem Garten.«

»Du konntest die Holzkohle löschen, während wir die Treppe raufgegangen sind?« Adrian ist gerade mit einem Bein in seine Boxershorts gestiegen, sieht mich jetzt jedoch ungläubig an. »Ich dachte, du müsstest die Dinge sehen?«

Ich ziehe meine eigene Unterwäsche wieder an und greife nach meinem T-Shirt. »Nein, ich muss sie mir vorstellen. Sie dürfen nicht zu weit weg sein, aber alles, was sich hier im Haus oder im Garten befindet, kann ich leicht beeinflussen. Dein Haus ist schon zu weit weg, das funktioniert nicht.«

Adrian zieht sich nickend die Hose an. »Ach so. Und die Sache mit dem Nudelsalat vorhin? Da hast du gezau– ähm gemagiert, ja? Hast die Zutaten dazu gebracht, sich zu schälen und so?«

»Ja. Ich glaube zwar nicht, dass gemagiert ein echtes Wort ist, aber ich habe mit meiner Magie etwas nachgeholfen. Du bist einfach zu schnell wieder da gewesen.«

»Und das ganz ohne mich zu teleportieren«, neckt er, während wir die letzten Kleidungsstücke überziehen. »Ich würde wirklich zu gern wissen, wie das passiert ist.«

Im Garten angekommen, heizt Adrian den Grill wieder an und ich stelle Geschirr, Besteck, das Fleisch und den Salat auf den Tisch. Das alles ganz ohne Magie, denn Verbot ist Verbot, da ändert sich auch nichts dran, nur, weil Adrian jetzt von unserer Existenz weiß.

»Ob ich es noch mal probieren soll?«

Ich sehe mich zu ihm um. Adrian steht neben dem Grill und sieht etwas verloren und unsicher aus.

»Versuchen kannst du es«, sage ich vorsichtig. »Aber du bist einfach kein Magier. Ich kann mir nicht erklären, wie es passiert ist, aber ich bezweifle, dass du das gemacht hast. Wie solltest du es können, ohne Magie?«

»Ich weiß es doch auch nicht«, seufzt er, dann kommt er zum Tisch und lässt sich auf einen Stuhl fallen. »Kannst du mir erklären, wie es bei dir funktioniert? Was genau musst du tun, um deine Magie zu aktivieren?«

»Aktivieren? Ich muss nichts aktivieren. Sie ist in mir. Immer.« Ich setze mich auf den anderen Stuhl. »Du musst es dir so vorstellen: Du weißt, dass du etwas Bestimmtes kannst, es aber erst schaffst, wenn du den Wunsch dazu hast.«

»Was sollte das sein?«

Ich zucke mit den Schultern, denn ich weiß nicht, wie ich es besser erklären soll. »Vielleicht ist es für einen Menschen auch zu schwierig nachzuvollziehen.«

»Ich verstehe zwar, was du meinst, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie es funktioniert. Ich weiß noch, dass ich in der einen Sekunde in deine Augen gesehen habe und in der nächsten tauchte das Bad vor mir auf und ich saß auf der Toilette. Woher wusste mein Körper, wo das Bad ist? Ich war doch vorher nie im Obergeschoss.«

»Für einen Magier wäre das kein Problem. Im Gegenteil, ich bevorzuge es zum Beispiel, mich in fremden Gebäuden in einen Keller zu teleportieren, denn da ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass man jemanden trifft«, erzähle ich nachdenklich.

Adrian schnappt nach Luft. »Aber wenn dann ist das doch sehr erschreckend.«

Ich zucke nur mit den Schultern. »Na ja, ich teleportiere mich generell nicht in Häuser von Menschen, wenn es nicht sein muss. Aber wenn ich als Wächter unterwegs bin, befinden sich die Leute eher selten im Keller, sondern meist in der Küche oder dem Wohnzimmer. Meist hält sich irgendwo in der Nähe jemand auf, aber noch nie im Keller.«

»Und dann spazierst du einfach die Treppe rauf und suchst den Magier?«

»Ich suche erst mal die Aura des Menschen, um ihm aus dem Weg zu gehen, dann spüre ich den Magier auf.«

»Also stellst du dir einfach einen x-beliebigen Keller vor?«

Ich schüttle den Kopf. »Nein, ich muss mir nichts vorstellen, sondern beschließen, mich in genau den Keller des Menschen teleportieren zu wollen, in dessen Gegenwart Magie angewandt wurde. Den Rest übernimmt meine Magie. Nur wenn ich Gegenstände zu etwas bringen will, dann muss ich mir vorstellen, wie das Ergebnis sein soll und alles andere erledigt meine Magie.«

»Hm.« Sehr zufrieden sieht Adrian nicht aus, was ich voll und ganz verstehen kann, denn ich würde auch zu gern erfahren, was vorhin passiert ist. »Ich hoffe, dass das jetzt nicht falsch rüberkommt, aber ich weiß noch, dass ich nach deinem Orgasmus gedacht habe, dass ich aufs Klo müsste und dann saß ich auch schon drauf.«

»Das klingt irgendwie schon nach teleportieren«, stelle ich fest.

Adrian setzt sich auf und nickt sofort. »Vielleicht hast du mich versehentlich teleportiert und wusstest bisher einfach nur nicht, dass du das kannst.«

»Das glaube ich nicht.«

»Aber du hast doch gesagt, dass du bisher wenig Kontakt zu anderen hattest, also kann es doch sein, dass du noch nicht alle deine Fähigkeiten erkannt hast. Und dass meine Aura weg war, spricht doch auch für Magie, oder?«

»Ich weiß nicht. Irgendwie schon, aber vielleicht ist das nicht die einzige Erklärung dafür«, versuche ich, ihn zu bremsen, denn ich habe das Gefühl, dass er so dringend eine Erklärung sucht, dass er andere Möglichkeiten übersieht. »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ich unbewusst Magie einsetzen könnte. So funktioniert das nicht. Im Gegenteil, ich muss sie einsetzen wollen, sonst passiert nichts. Ich kann mir jetzt zum Beispiel vorstellen, dass die Schuppentür sich öffnet, doch davon passiert es nicht. Ich muss meine Magie dafür einsetzen, aber ich weiß nicht, wie ich dir erklären soll, wie das geschieht. Ich muss es einfach bewusst tun.«

Offenbar frustriert lässt Adrian sich gegen seine Stuhllehne zurückfallen. Er schließt die Augen und atmet tief durch. Als er sie wieder öffnet, sieht er enttäuscht aus, daher vermute ich, dass er versucht hat sich zu teleportieren, aber das wird nicht klappen.

»Selbst wenn du ein Magier wärst, könntest du es vermutlich nicht«, sage ich sanft. »Nicht jeder Magier hat besondere Fähigkeiten. Es gibt Dinge, die alle können, wie Gegenstände zu beeinflussen. Viele können auch Dinge aus dem Nichts erschaffen. Aber nicht jeder hat eine zweite oder gar dritte Fähigkeit.«

Adrians Kopf zuckt zu mir herum. »Nicht?«

»Nein.« Ich muss lächeln, als er mich von oben bis unten mustert. »Ich bin zum Wächter berufen worden, weil ich mich teleportieren kann. Das vereinfacht es, schnell an weiter weg liegende Orte zu gelangen. Dass ich mein Alter und somit mein Aussehen beeinflussen kann, ist ein zusätzlicher Bonus.«

»Dann hast du also drei Fähigkeiten, während andere nur eine haben?«, fragt er mit großen Augen.

Ich nicke. »Das stimmt.«

»Bist du deswegen etwas Besonderes unter euch Magiern?«

Lachend schüttle ich den Kopf. »Ich bin zwar Wächter, aber etwas Besonderes bin ich deswegen nicht. Da gibt es andere, die mächtigere Fähigkeiten haben.«

»Was denn für welche?«

Mein Lachen stirbt sofort und ich presse die Lippen aufeinander. »Bitte nimm es mir nicht übel, aber ich habe dir sowieso schon viel zu viel erzählt. Ich vertraue dir insoweit, dass du es nicht weitererzählst, zumal dir vermutlich eh keiner glauben würde, aber mehr kann ich dir wirklich nicht sagen.«

Für einen kurzen Moment sieht Adrian wieder enttäuscht aus, dann nickt er jedoch. »Das verstehe ich, auch wenn ich wirklich neugierig bin und dich zu gern mal magiern sehen würde.«

»Welche Fächer unterrichtest du eigentlich?«, frage ich ihn grinsend.

»Deutsch, Mathe und Sachkunde, wieso?.«

»Deutsch? Na, ich hoffe, dass du den Kindern dann nicht deine selbsterfundenen Wörter, wie magiern, beibringst«, necke ich ihn, woraufhin er empört nach Luft schnappt und die Augenbrauen hebt.

»Ich bin ein sehr guter Lehrer.«

»Der seinen Job hasst«, werfe ich ein.

Adrian seufzt. »Ja, das stimmt.«

»Warum bist du Lehrer geworden?«

Er zuckt mit den Schultern und beginnt, sich einen nicht vorhandenen Fussel vom Bein zu wischen. »Ich hatte nie eine Ahnung, was ich werden sollte. Ich meine, meine Eltern sind beide Ärzte und das wollte ich auf keinen Fall werden. Sie meinten immer, dass man seinen Beitrag zur Gesellschaft leisten müsse und, dass Lehrer ein solider Job wäre, also habe ich nach dem Abi studiert und nun bin ich, was ich bin.«

»Dann hast du es nur für deine Eltern gemacht? Das ist ja schrecklich«, stelle ich fest. »Meine Eltern haben mich immer dazu animiert, eigene Entscheidungen zu treffen. Sie hätten mir nie vorgeschlagen, etwas zu machen, wobei ich mich nicht wohlfühle.«

»Die ersten Jahre war es ja noch okay«, erzählt er leise. »Aber in den letzten zwanzig Jahren hat sich die Gesellschaft geändert. Die Kinder haben doch kaum noch Respekt und ich bin nicht der Typ, der ihnen drohen oder sie permanent mit Bienchen oder Süßkram bestechen will. Wo die Erstklässler noch Lust aufs Lernen haben, verblasst es ab der zweiten Klasse sehr schnell. Wenn man sie nicht für jede Kleinigkeit lobt, denken sie, man gibt ihnen zu wenig Aufmerksamkeit. Von den Eltern sind sie es gewohnt, im Mittelpunkt zu stehen, dass alles kommentiert wird, was sie tun. Eigenmotivation ist für die meisten ein Fremdwort. Ich bin es einfach leid, tagein tagaus verzogene Gören um mich zu haben.«

»Das klingt wirklich nicht so, als würdest du das Ende der Sommerferien herbei sehnen«, sage ich mitfühlend. »Warum bist du denn so lange Lehrer geblieben und hast nicht etwas anderes gemacht?«

Adrian lacht freudlos. »Das frage ich mich seit etwa fünfzehn Jahren und nun ist es wohl zu spät.«

»Meinst du? Was würdest du denn machen, wenn du es dir aussuchen könntest?«, frage ich, denn bisher haben wir uns selten über so persönliche Dinge unterhalten und ich würde ihn wirklich gern besser kennenlernen. Was ich bisher von ihm erfahren habe, gefällt mir jedoch schon sehr. Ich glaube, er ist ein freundlicher, zuvorkommender und humorvoller Mann.

Er seufzt wieder, dann sieht er mich an. »Weißt du, dass du der Erste bist, der mich das fragt?«

»Oh, das ist...«

»...traurig«, vervollständigt er meinen Satz, dann scheint er für einen Moment seinen Gedanken nachzuhängen, bevor er aufsteht und die Tüte mit dem Fleisch auspackt, um es auf den Grillrost zu legen. »Ich glaube, ich würde dann etwas mit Psychologie oder Verhaltensforschung machen. Mich interessiert schon, warum die Menschen so sind, wie sie sind und warum die Gesellschaft sich in die eine oder andere Richtung entwickelt. Aber dafür müsste ich noch mal studieren und der Zug ist schon vor einigen Jahren abgefahren.« Mit der Grillzange in der Hand dreht er sich zu mir um. »Was ist mit dir? Wolltest du schon immer anderer Leute Arbeit kritisieren?« Er grinst, sicher, damit ich weiß, dass er es nicht böse meint.

»Ja, das macht mir Spaß«, antworte ich nickend. »Mir gefällt es, in die Gedankenwelt des Autors einzutauchen. Man erfährt so viel über einen Menschen, wenn man sein Buch gelesen hat. Mehr, als ihm vielleicht lieb ist.«

»Klingt spannend«, befindet er lächelnd. »Vielleicht sollte ich mal eines deiner Bücher lesen. Vielleicht erfahre ich so deine geheimen Sexfantasien und werde nicht überrascht, wenn wir das nächste Mal in deinem Schlafzimmer sind.«

Mit einem gespielt bösen Blick sehe ich ihn an und bringe die Grillzange dazu, ihm aus den Fingern zu huschen. Adrian guckt erst verdutzt, dann lacht er und schnappt danach, doch so leicht mache ich es ihm nicht, sondern lasse sie langsam auf mich zukommen, sodass er ihr nachgeht. Als er vor mir steht, grinst er über das ganze Gesicht, beugt sich zu mir runter und drückt mir einen Kuss auf die Lippen.

»Spürst du dieses Kribbeln auch jedes Mal, wenn wir uns küssen?«, murmelt er an meinen Mund.

»Ja, und in meiner Brust breitet sich eine wundervolle Wärme aus«, flüstere ich.

Er löst sich von mir und schiebt mein T-Shirt hoch. Fast schon ehrfürchtig sieht er auf die Zeichnung. »Das Gelb ist wieder ganz schwach da.«

Ich schließe die Augen und atme tief durch. »Vielleicht ist es gar nicht meine Aura, sondern deine«, spreche ich aus, was mir in den Sinn kommt.

Adrian sieht zu mir auf. »Meinst du?«

»Kann doch sein. Vielleicht ist es doch nicht nur eine gewöhnliche Zeichnung, wie sie alle Magier von Geburt an haben«, überlege ich laut.

Adrians Augen werden riesig und sein Blick wandert wieder auf meine Brust. »Das ist gar keine Tätowierung?«

»Nein. Das Bild ist schon immer da gewesen. Jeder Magier hat dieses Bild auf der Brust. Es wächst mit und normalerweise verändert es sich nicht«, erkläre ich.

»Wow«, haucht er.

»Adrian, was auch immer hier passiert, scheint bisher nicht vorgekommen zu sein. Ich habe noch von keinem Magier gehört, dessen Zeichnung plötzlich die Farbe wechselt, noch von keinem Menschen, der sich plötzlich teleportieren kann, noch nie von einer menschlichen Aura, die verschwindet und wenige Augenblicke später wieder auftaucht«, versuche ich ihm zu erklären, dass es nicht unbedingt ein gutes Zeichen sein muss, dass diese Dinge passieren. »Ich weiß nicht, was hier vor sich geht und um ehrlich zu sein, macht es mir Angst. Der Magierrat ist bekannt dafür, dass er die Geheimhaltung unserer Spezies über alles stellt. Wenn jemand von alldem hier erfährt, kann das schlimme Folgen für uns beide haben.«

Adrian reckt beinahe trotzig das Kinn in die Höhe. »Wenn du gerade versuchst, mich zu vertreiben, wirst du damit keinen Erfolg haben. Ich mag dich, Lino. Das habe ich schon getan, bevor ich wusste, was du bist. Davon abgesehen, war mein Leben noch nie so spannend und aufregend, wie jetzt, seit ich dich kenne. Ich bin neugierig darauf, was als nächstes kommt und möchte noch viel mehr über dich und deine Welt erfahren. Und wenn ich mich dafür mit einem Magierrat anlegen muss, dann sei es so.«

»Du weißt doch gar nicht, auf was du dich da einlässt«, keuche ich erschrocken.

Mit ernstem Gesichtsausdruck nickt er. »Das stimmt.« Dann lächelt er, schnappt meine Hand und zieht mich zu sich hoch. »Aber vielleicht ist es an der Zeit, dass ich mich mal auf ein Abenteuer einlasse und schließlich lohnt es sich für manche Dinge durchaus, ein Risiko einzugehen.«

Ich lasse mich an seine Brust ziehen und auch wenn ich weiß, dass ich ihm widersprechen und ihn vermutlich wegschicken sollte, kann ich das aufgeregte Pochen meines Herzens nicht abstreiten. Adrian scheint mein Zögern richtig zu interpretieren, denn er beginnt zu strahlen und im nächsten Moment küsst er mich stürmisch.

Als wir uns voneinander lösen, grinst er noch immer. »Komm schon, Lino, lass uns zusammen ein Abenteuer erleben.«

Auf ins Abenteuer

Auf ins Abenteuer

 

Adrian

 

Als ich am Freitagmorgen die Augen aufschlage, kann ich noch immer kaum glauben, dass ich im Bett eines Magiers liege. Doch als ich mich auf die Seite drehe und in Linos schlafendes Gesicht sehe, breitet sich wieder dieses Kribbeln in mir aus und ich kann nicht anders, als meine Hand unter der Decke zu ihm zu schieben und seinen Bauch zu streicheln.

Lino rührt sich nicht, daher lasse ich meine Finger höher wandern. Als ich meine Hand über die Zeichnung auf seiner Brust lege, seufzt er leise.

»Hey, Süßer«, flüstere ich, doch er brummt nur vor sich hin. »Bist ein Morgenmuffel, hm?«

»Lass mich schlafen.«

Leise lachend richte ich mich ein Stück auf, bevor er sich wegdrehen kann, und pinne ihn auf den Rücken. Vorsichtig ziehe ich ihm die Decke weg, bis er splitternackt vor mir liegt.

»Hör auf mich zu ärgern«, grummelt er vor sich hin, doch ich halte seine Hüfte fest und beuge mich über ihn, um sanfte Küsse auf seinem besten Stück zu verteilen. Es dauert auch nicht lange, da richtet es sich neugierig auf.

»Na, einen Teil von dir habe ich schon mal wach bekommen«, stelle ich grinsend fest, was er mit einem weiteren Grummeln kommentiert. Als ich meine Lippen um seine Eichel schließe, geht es jedoch in ein Stöhnen über.

»Adrian«, keucht er atmenlos. »Oh, beim Allmächtigen, das ist so gut.«

Zufrieden, dass ihm meine Idee von einem guten Morgen gefällt, beginne ich ihn leidenschaftlicher zu blasen. Sein Keuchen wird immer lauter und wie schon gestern Abend, krallen sich seine Finger in meine Haare. Er hält meinen Kopf fest, während er immer schneller in meinen Mund stößt. Für einen Moment befürchte ich, dass er sich nicht zurückhalten kann, doch als sein Bauch sich anspannt und seine Atmung nur noch stockend kommt, zieht er die Finger zurück.

»Gleich«, keucht er.

Sofort lasse ich ihn von meinen Lippen gleiten, schließe meine Finger um seinen Schaft und reibe ihn im gleichen Rhythmus weiter. Lino stöhnt laut auf, dann beginnt er zu zucken und im nächsten Moment spritzt sein Sperma über seinen Oberkörper.

Japsend sinkt sein Kopf ins Kissen zurück. »Verdammt, Adrian, das war wirklich geil.«

»Freut mich, dass es dir gefallen hat.« Ich drücke ihm einen Kuss auf den Mund. »Und anscheinend hast du schon ein neues Wort gelernt.«

»Geil?«

»Jap.« Lächelnd gebe ich ihm noch einen Kuss, dann fällt mein Blick auf seine Brust. »Sag mal, schimmert dein Sperma etwa rosa?«

»Ja.« Er nickt und sieht mich neugierig an. »Deins nicht?«

»Nein.«

»Hm. Noch ein Unterschied, von dem ich nichts wusste«, murmelt er, dann schließt er seine Augen wieder und seufzt leise. »Schlafen wir noch mal?«

»Mir wäre eher nach Kaffee und Brötchen.«

»Ich will aber noch nicht aufstehen«, murrt er und versucht doch tatsächlich, sich die Decke wieder überzuziehen. »Außerdem trinke ich nur Tee.«

»Du hast keinen Kaffee?«, frage ich ungläubig. »Wie kannst du mich in dein Bett locken und am nächsten Morgen keinen Kaffee da haben?«

Lino öffnet ein Auge und grinst. »Soweit ich mich erinnere, bist du vor mir in meinem Bett gewesen.«

»Aber nur, weil du noch geheime Magiersachen gemacht hast«, grummle ich schmollend. »Ich will Kaffee.«

Seufzend schnappt er sich meine Hand. Kaum, dass ich es mich versehe, sitze ich plötzlich an meinem eigenen Küchentisch, während Lino auf dem anderen Stuhl sitzt – splitternackt und mit spermaverschmiertem Oberkörper. Er streckt sich gähnend, dann sieht er mich grinsend an.

»Na los, sammel alles für deinen Kaffee zusammen. Brötchen habe ich zu Hause.«

»Ich wusste, dass es Vorteile hat, einen Magier zu vögeln.« Lachend springe vom Stuhl und raffe Kaffeemaschine, Filter und Pulverdose zusammen. »Okay, ich hab alles.«

Lino nimmt meine Hand, doch statt uns in sein Haus zurück zu teleportieren, zieht er mich zu sich runter. »Guten Morgen.« Er drückt mir einen Kuss auf den Mund, der meine Lippen kribbeln lässt.

»Hat es dir gefallen?«, frage ich überflüssigerweise, denn das schimmernde Sperma auf seiner Brust sagt wohl alles.

»Ja, natürlich«, antwortet er sofort. »Daran könnte ich mich wirklich gewöhnen.«

Das bringt mich zum Lachen. »Na, wenn du lieb bist, gibt es vielleicht morgen früh eine Wiederholung.«

»Lieb?« Lino sieht reichlich verwirrt aus.

Ich nicke bestätigend. »Genau. Lieb wäre es zum Beispiel, wenn ich jetzt Kaffee bekäme.«

Lino lacht leise, bevor er mir ein Küsschen auf die Lippen drückt. Ich schließe die Augen, höre ein leises Surren, doch bevor ich es richtig wahrnehmen kann, ist es verschwunden und wir stehen in Fridolins Küche.

 

Ein paar Stunden später sitze ich in meinem Wohnzimmer. Lino ist bei sich zu Hause und macht irgendwelchen Lektorenkram, bevor wir heute Nachmittag gemeinsam einkaufen fahren. Ich bereite die Einführungswoche meiner zukünftigen Erstklässler vor. Zumindest war das mein Plan, doch stattdessen stöbere ich in den Tagebüchern von Linos Mutter.

Er meinte, sie hätte alles, was sie je erlebt hat, aufgeschrieben und wir hoffen, dass wir darin vielleicht irgendeinen Anhaltspunkt für die seltsamen Geschehnisse von gestern Abend finden. Lino selbst hat noch nie einen Blick in die Hefte geworfen, da er die Privatsphäre seiner Mutter nicht verletzten wollte, konnte es aber auch nicht über sich bringen, die Tagebücher zu vernichten. Er hat jedoch eingesehen, dass jetzt ein guter Moment wäre, sie zu lesen. Zwei der fünf Kisten habe ich mit zu mir genommen, denn wenn wir gleichzeitig lesen, sind wir schneller.

Bisher habe ich aber noch nichts Hilfreiches gefunden. Gerade lese ich eines der Hefte, in denen Lino noch ein Kleinkind war. Er scheint ein gewiefter kleiner Kerl und kaum zu bändigen gewesen zu sein. Hat sich, den Erinnerungen seiner Mutter nach, ständig irgendwohin teleportiert, um sich einen Spaß mit ihr zu erlauben. Von Linos Vater lese ich nichts, aber vielleicht war in dieser Zeit auch der freche Sohnemann wichtiger.

»Adrian!«

Erschrocken springe ich von meinem Sofa. »Herrgott, Lino. Erschreck mich doch nicht so.«

»Du musst hier weg.« Er schnappt mir das Tagebuch aus den Fingern, wirft es in eine der Kisten, dann greift er nach meiner Hand. Ein Surren ertönt und nur einen Augenblick später stehen wir plötzlich in einer Toilettenkabine.

»Was ist hier los?«, frage ich verwirrt. »Wo zum Teufel sind wir?«

»Reykjavík.«

»Island?« 

 

<Ende der Leseprobe>

Außerdem bereits erschienen

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Unter seinem Schutz

Roman

444 Seiten

ISBN: 978-3-95949-082-5

E-Book: 6,99€

Print: 16,90€

 

 

Roman Molter ist Personenschützer wider Willen und dabei, seine Karriere zu beenden, als er ein Angebot erhält, das er nicht ausschlagen kann: Nora Winter bittet ihn, für eine horrende Summe ihren Mann Sam und die noch ungeborene Tochter zu beschützen, sollte ihr jemals etwas zustoßen. Als genau das passiert, tritt Roman seinen Job an.

 

Sam geht ihm aber bald auf eine Art und Weise nicht mehr aus dem Sinn, die mit seinem Auftrag absolut nicht zusammenpasst.

 

Wie soll es nun für Roman weitergehen? Und vor allem: Wie soll er seinen Vertrag erfüllen? Aber dabei hat auch noch Sam ein Wort mitzureden.

Mit seiner Hilfe

Roman

492 Seiten

ISBN: 978-3-95949-115-0

E-Book: 6,99€

Print: 16,90€

 

 

Personenschützer Alex wird bei einem Einsatz angeschossen und droht in eine Tablettensucht abzurutschen. Doch er will sich nicht helfen lassen. Ärzte sind für ihn ein rotes Tuch.

 

Lars ahnt nicht, welche Probleme sein neuer Vermieter hat. Schnell wird ihm klar, dass er dem Mann helfen will, auch wenn er dabei seinen Job als Oberarzt verschweigen muss.

 

Die beiden freunden sich an und beginnen eine Dom/Sub-Beziehung. Behutsam führt Lars Alex in diese Welt ein. Aus Leidenschaft und Lust erblüht Liebe. Gleichzeitig wächst Lars‘ schlechtes Gewissen. Als Alex in Lebensgefahr gerät, bleibt Lars nichts anderes übrig, als seinen Beruf zu offenbaren.

 

Wird Alex ihm verzeihen können, oder ist es das Aus für ihre Liebe?

Liebe fängt man mit Geduld

Roman

324 Seiten

ISBN: 978-1537623887

E-Book: 3,99€

Print: 10,95€

 

 

Nach einer schmerzhaften Trennung hat Sportstudent Jannis Becker nur noch ein Ziel: sein Studium abzuschließen. Da seine Eltern seit seinem Coming-out nichts mehr von ihm wissen wollen, lebt er in einer WG und hält sich mit drei Teilzeitjobs über Wasser.

 

Als ein neuer Mitbewohner gesucht wird, vergibt Jannis’ bester Freund Marius das Zimmer an den Doktoranden Tobias von Bergheim.

 

Tobias ist Sportmuffel aus Überzeugung. Mit seiner Promotion und der Betreuung der Kinder seiner Schwester hat er alle Hände voll zu tun. Einen nervigen Mitbewohner, der ihn obendrein als Moppelchen bezeichnet, kann er ganz und gar nicht gebrauchen - egal, wie attraktiv dieser ist.

Adam & Sal - Was keiner zu sagen wagt

Kurzgeschichte

83 Seiten

ISBN: 978-1542977562

E-Book: 2,99€

Print: 5,88€

 

 

Adam und Sal sind seit ihrer Kindheit beste Freunde. Während Adams Eltern ihm stets ein liebevolles Zuhause gaben, musste er den flamboyanten Sal oft genug vor dessen homophoben Stiefvater beschützen.

 

Mittlerweile sind die Männer erwachsen und obwohl beide schwul sind, hat sich an ihrer platonischen Freundschaft nie etwas geändert. Zumindest, wenn man von den wenigen Küssen, zu denen Adam unter Alkoholeinfluss von Sal hin und wieder animiert wird, absieht.

 

Seit einiger Zeit spürt Sal jedoch, dass sein bester Freund ihm etwas verheimlicht. Als beide Männer krank werden und Sals Mitbewohnerin ihn bei Adam einquartiert, hüten sie gemeinsam das Krankenbett. Dabei wird es für Adam zunehmend schwieriger, sein Geheimnis zu bewahren, denn Sal davon zu erzählen, würde ihre Freundschaft zerstören.

 

Oder etwa nicht?

Impressum

Texte: Jessica Martin
Bildmaterialien: Juliane Schneeweiss, www.juliane-schneeweiss.com Bildmaterial (c) Depositphotos.com
Tag der Veröffentlichung: 16.05.2017

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