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Der erste Tag


Ich war gerade im Bad, als meine Mutter mich rief: "Lucy, dein Bus fährt weg. Komm!" "Ja! Bin sofort da.", rief ich mit einem genervten Tonfall. Meine Mutter war immer so hysterisch. Ich schaute in dem Spiegel. Darin sah ich ein Mädchen mit mittelblonden Haaren und einer dicken Nase. 'Ich hasse meine Nase', dachte ich. So sah also ein 13-jähriges Mädchen aus, das in den Sommerferien umgezogen war. Und heute war mein erster Schultag an der neuen Schule. Ich war total aufgeregt. Wie würden die Anderen wohl auf mich reagieren? Sie kannten sich ja schon seit zwei Jahren. Und jetzt kam ich dazu. "Lucy!!!!", meine Mutter erschreckte mich zu Tode. Ich rannte runter, schnappte meine Tasche und ging zum Bus. Ich kam gerade rechtzeitig, der Bus fuhr gerade vor. Die anderen Kinder und ich stiegen ein. Fast jeder Platz war besetzt, deswegen suchte ich mir einfach einen neben jemandem in meinem Alter. Ich schaute mich um. Überall redeten die Kinder miteinander oder saßen schweigend da und hörten Musik. An der nächsten Haltestelle stiegen ein paar Leute aus, auch diejenige neben mir. Ich schaute aus dem Fenster und dachte an meine alten Freunde. Die hatten bestimmt viel Spaß. Ich fragte mich, wie schnell ich wohl neue Freunde finden würde.
Als der Bus an der Schule ankam, stieg ich schnell aus. Ich lief den Anderen einfach hinterher, einer von ihnen würde mich schon zum Sekretariat führen. Dort sollte ich Bescheid geben, dass ich da war. Und wirklich - ein Mädchen ging in einen Raum auf dem "Sekretariat" stand. Ich folgte ihr. Im Sekretariat musste ich eine Weile warten bis ich dran kam. Dann sollte ich auf meinen neuen Klassenlehrer warten, der mich dann mit zur Klasse nahm.
In der Klasse sollte ich mich vorstellen: "Ich bin Lucy. Ich komme aus Napanee, das liegt in Kanada." - "Wie alt bist du?", unterbrach mich Mr. Wood, mein Lehrer - "13." - "Und was sind deine Hobbys?" - "Äähh...ich zeichne und tanze sehr gerne." - "Gut, ich denke, das ist das Wichtigste. Hat jemand noch Fragen?" Ein paar Schüler meldeten sich. Mr. Wood nahm ein Mädchen namens Mary dran: "Wann hast du Geburtstag?" - "Am 1.Februar.", antwortete ich. Jetzt war ein Junge namens Justin dran: "Warum bist du nach Los Angeles gezogen?" - "Mein Vater hat hier eine bessere Arbeit gefunden. Und außerdem ist es hier doch viel schöner." Mr. Wood unterbrach hier meine Vorstellung, weil er meinte, wir sollten mit dem Unterricht anfangen. Ich setzte mich und schaute mir alle meine Mitschüler genau an. Sie sahen sehr nett aus, eine paar lächelten mich sogar an.
In der ersten Pause kam Mary zu mir. Sie redete eine Weile mit mir, dann nahm sie mich mit zu ihren Mädels. Wir lachten und hatten viel Spaß. Mir schien es, als würde ich hier eine schöne Zeit haben.

Unterricht


Nach der Pause gingen wir wieder zum Unterricht, der allerdings, aufgrund des schönen Wetters, draußen abgehalten wurde. Und da waren wir nicht die einzigen. Fast die ganze Schule hatte draußen Unterricht. Ich konnte mir also die anderen Schüler genauer ansehen. Ich sah viele kleinere, aber auch viele größere Schüler. Man sah, wie sie sich ins Zeug legten, um gute Noten zu bekommen. Dabei hatte das Schuljahr erst heute angefangen. Auf meiner alten Schule würden alle Schüler gähnend da sitzen und tuscheln. Auf jeden Fall nicht aufpassen. Doch hier war alles anders. Lag wahrscheinlich daran, dass die Lehrer hier viel besseren Unterricht gaben.
Ich schaute mir wieder die anderen Klassen an. Alle waren so ... stylisch gekleidet. Sie liefen rum wie die Stars. Aber das ist ja auch verständlich, hier wohnen ja die ganzen Berühmtheiten. Deswegen können sie auch dieselben Klamotten kaufen, wie die Stars.
Mir fiel auch auf, dass hier fast alle bunte Haare hatten. Die meisten hatte nur ein paar Strähnen, aber ich hatte noch meine Naturhaarfarbe. Und viele waren braun gebrannt. Im Gegensatz zu denen sah ich aus wie ein Vampir.
Ich schaute mir nochmal meine Mitschüler an und versuchte, ihre Namen dabei im Kopf zu sagen. Da war Whittier, blonde Haare mit pinken Strähnen drinnen, schlank, blaue Augen und sehr nett. Dann war da Tina, Cheerleader, sehr egoisteisch und tussig, aber auch sehr hübsch. Dann waren da noch die Zwillinge Britney und Amber, beide Schwarzhaarig, dunkle Haut und sehr schüchtern, wie Mary mir erzählt hat. Da waren auch noch die zwei heissesten Jungs der Klasse, Mike und Steve, beide nicht mein Fall, Mike mit blonden Wuschelhaaren, Steve hellbraune Wuschelhaare, beide Muskeln wie sonst keiner auf der Schule. Und da war noch der Aussenseiter David, der Fette, für den sich niemand interessierte. Ich auch nicht. "Lucy?", Mrs. Fenty riss mich aus meinen Gedanken: "Kannst du mir sagen, was der Unterschied zwischen Baumwolle und Polyester ist?" Ich überlegte: "Ich glaube, Baumwolle ist aus der Natur und Polyester ist künstlich." "Richtig.", sagte Mrs. Fenty.
Ich wollte mir meine Klassenkameraden weiter anschauen, doch dann blickte ich "aus Versehen" zu einer anderen Klasse und sah IHN!

ER!


Ich bekam einen Schock fürs Leben. So einen süßen Jungen hatte ich noch nie gesehen! Er hatte kastanienbraunes Haar, seine Augen konnte ich leider nicht sehen. Und er hatte so dünne Arme. Ich weiß auch nicht, wieso, aber ich mochte es, wenn Jungs mal nicht so stark aussahen. Er hatte ein kleines Stupsnäschen und sah generell sehr klein aus. Aber er war mindestens einen Jahrgang über mir. Vielleicht sogar zwei. Er trug - trotz der Hitze - einen dunkelblauen Hoodie und 3/4-Shorts. Ich scannte ihn wahrhaftig mit meinem Blick. 'Hoffentlich bemerkt er nichts.', dachte ich mir: 'Das wäre zu peinlich. Ich frage mich, wie alt er wohl ist. Und wie er heißt. Was für Hobbys hat er? Auf was steht er bei Mädchen? Wie viele Beziehungen hatte er? Ist er zurzeit in einer?' Fragen über Fragen schossen mir durch den Kopf. Aber die wichtigste Frage von allen, die mich zum Nachdenken Brachte, war: Wie würde er auf mich reagieren?
In der nächsten Pause sagte ich zu Mary, sie solle mir bitte die ganze Schule zeigen. Der Grund war er, aber das sollte sie nicht gerade am ersten Tag erfahren.
Sie zeigte mir die Plätze, wo die meisten Ältesten saßen. Dann war da der Platz, wo es gemischt war. Da war dann auch noch die Wiese, wo sich die Leute aus dem zweiten Jahrgang über uns aufhielten. Und da sah ich ihn! Ich sagte Mary, ich fände es hier schön und würde gerne hier bleiben. Mary meinte, dass das meistens nicht so einfach wäre, weil hier die Großen das Sagen hatten. Aber mir war das egal - ich wollte hier bleiben! "Das ist doch völlig egal. Lass es uns doch mal ausprobieren.", sagte ich. Mary gab sich geschlagen und wir suchten uns einen Platz. Zum Glück war er nahegelegen von ihm. So konnte ich ihn gut beobachten. Er redete mit seinen Kumpels und sah ziemlich fröhlich aus. In der Clique war kein einziges Mädchen. Das bedeutete, entweder hatte er keine Freundin, war schwul oder seine Freundin ging nicht auf die Schule. Ich hoffte, dass er keine hatte.
Mary erzählte mir irgendwas, doch ich hörte ihr nicht zu.
Er beachtete mich leider nicht. Aber das sollte sich noch ändern.

Nach der Pause las ich auf meinem Stundenplan Kunst und fragte Mary, was sie jetzt hatte. "Chemie", antwortete sie. "Naja, dann bis später.", sagte ich zu Mary. Ich ging zum Kunst-Raum und wartete auf meinen Lehrer. Ich blickte mich um, um meine Kurskameraden anzusehen. Sie waren nicht anders als meine Klassenkameraden - normal, langweilig, kindisch. Anders als ich. Zumindestens empfand ich es so. Ich sah mir die anderen Leute, in anderen Kursen, an und sah Tussis, Schlampen, Hippies, Emos, Gothics, Punks, Cheerleader, Machos und die verschiedensten Arten von Leuten. Und dann sah ich ihn! Schon wieder. Er ging direkt vor mir vorbei. Diesmal konnte ich seine Augen sehen: Meeresblau. So schöne Augen. Ein bisschen glubschig, aber schön. Aber er sah mich wieder nicht. Ich seufzte als mein Lehrer kam, blickte noch kurz zu ihm und ging in den Kunst-Raum.

Im Kunst-Unterricht durften wir zeichnen, was wir wollten. Natürlich erstmal eine Skizze, dann richtig. Ich überlegte, doch mir fiel nichts ein. Mr. Smith kam zu mir und fragte, warum ich nichts zeichnen würde. Ich sagte ihm, dass ich keine Idee hatte. Er meinte: "Am besten ist es immer, Personen oder Sachen, die einen beschäftigen, abzubilden", dann ging er zum nächsten Schüler. Ich überlegte, ob ich vielleicht IHN zeichnen sollte, aber da viele meinten, man würde immer erkennen, was oder wen ich zeichne, käme das sicherlich komisch rüber. Ich dachte also weiter nach und da fiel mir das Bild von mir und meinen Freunden ein, was ich extra mitgenommen hatte. Ich holte es heraus und sah es mir an. Es zeigte meine alte Clique, bestehend aus zwei Jungen, Paul und Jack, und drei Mädchen, Lilly, Jane und mir. Wir standen in der 'Hall of fame' von Avril Lavigne. Sie ist auch aus Napanee. Wir hatten das Bild am letzten Tag gemacht. Ich weinte fast, konnte die Tränen aber noch zurückhalten. Ich legte das Bild neben mich und fing an, es abzuzeichnen. Mr. Smith kam wieder vorbei und sah, dass ich ein Bild abmalte. Eigentlich sollten wir das nicht. Er schaute kritisch und ging weiter. Das bedeutete für mich, ich darf weiter abmalen. Also tat ich das.

Nach Kunst stürmte ich aus dem Klassenzimmer und rannte gegen jemanden. Ich fiel hin und verlor meine Sachen. Derjenige, gegen den ich gelaufen war, lag auch auf dem Boden. Er rappelte sich auf, ich saß noch auf dem Boden und wollte meine Sachen zusammensammeln. Ich blickte hoch...und erschreckte mich so, dass ich meine Sachen wieder fallen ließ. Ich war gegen den Cheerleader-Captain gelaufen! Sie sah mich böse an und fauchte: "Pass gefälligst auf, wo du hinläufst!" Ich nickte. Sie war immerhin vier oder fünf Jahre älter als ich. Sie ging weg. Ich sammelte meine Sachen zusammen - schon wieder. Und dieses Mal lief ER an mir vorbei. Er blickte kurz zu mir runter, das war's dann aber auch schon wieder. Ich seufzte und ging raus in die Pause. Es war ja klar, dass ich mich blamieren musste. Das hab ich an meiner letzten Schule auch schon gebracht. Scheint meine Begabung zu sein.

In der Pause traf ich Mary und erzählte ihr von meinem Missgeschick. "Du Arme! Gegen Nina zu laufen ist ein No-Go! Kann sein, dass dich das noch Jahre verfolgen wird...", sagte sie. Ich seufzte. Alles lief schief..ich meine, geht es NOCH schlimmer? Ich hoffte, dass der restliche Tag schnell vorbei ging.

Ich war ganz in Trance: Ich ging in den Unterricht und schließlich später nach Hause..


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Texte: Rechte liegen bei der Autorin
Tag der Veröffentlichung: 02.06.2012

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