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Borderlands VII – Land hinter Nebel

 

 

"Nur Nixon konnte nach China gehen" - altes Vulkanisches Sprichwort

 

A´kebur hatte Zeit. Die Enterprise war in den fähigen Händen seiner Mannschaft, wie ihm sein Erster Offizier indirekt zu verstehen gegeben hatte. Er würde nur stören, sollte er sich auch noch als Chefingenieur gebärden und seinen Leuten auf die Finger schauen. Schlimmer, sich selbst in die Eingeweide des Schiffes vorarbeiten.

Seine Tochter, Cindy, hatte sich nach dem Nachmittag, an dem er Tiaren als den Erben ihres Vaters und als seinen Gefährten vorgestellt hatte, verabschiedet. Trotz aller Erklärung und trotz alles Verständnisses konnte sie den Vorwurf des Verrats nicht aus ihren Augen wischen.

A´kebur verstand es. Er verstand es wirklich, fühlte er doch ähnlich. Die Wunde in seinem Herzen schmerzte und die Liebe, die er noch immer fühlte, war scharf und rein, wie an dem Tag, wo er sich ihrer zum ersten Mal bewusst geworden war. So, wie in den Momenten, wo er sie mit seinen Händen greifen konnte und er gewusst hatte, dass es genauso, wie es war, richtig war.

Jetzt jedoch war es nicht mehr richtig. Tiaren fühlte sich auf einer ganz bestimmten Ebene ihrer Beziehung falsch an. Er war der Erbe, aber er war nicht Etienne und ganz gleich, was Tiaren auch tun würde oder wie sehr er Etienne auch in einigen Dingen ähnelte, es würde nie der Gleiche sein können. Aus diesem und aus einigen anderen Gründen. A´kebur war daher insgeheim dankbar, dass er Tiaren nun die nächste Zeit nicht würde sehen müssen. Der junge Romulaner war tatsächlich auf der vulkanischen Akademie angenommen worden und würde dort lernen, mit seinen Psi-Fähigkeiten umzugehen. Er setzte auch den Anfang für ein Austauschprogramm zwischen Vulkaniern und Romulanern; schließlich sahen die Friedensverhandlungen trotz aller Zwischenfälle im Augenblick recht vielversprechend aus. Botschafter Chioma und Senatorin Sokala hatten sich zusammengesetzt und sprachen nun das erste Mal ehrlich miteinander.

Spock hingegen war als Sonderbotschafter zu den Ka'ossianern gereist, doch was sich dort ergeben würde, war noch unklar.

A´kebur kam das alles so vor, als wäre es weit entfernt, als würde es ihn nicht mehr berühren, während es ihn eigentlich zerriss. Vielleicht war er zu früh in den Dienst getreten. Durch seinen Angriff hatte Tiaren Wunden aufgerissen, die nicht einmal im Ansatz verheilt gewesen waren. Wie dünn die Haut war, wurde ihm erst jetzt bewusst, hatte er doch weit mehr Zeit zum Nachdenken, als ihm lieb war.

Mit trüben Augen sah er die Kinder seiner Familie spielen. Sie waren von der Schule nach Haus gekommen, wurden hier und da gemaßregelt und taten doch das, was sie wollten. A´kebur versuchte sich zu erinnern, ob er auch so frei gewesen war. Im Augenblick, wo er sich die Frage stellte, war die Antwort ein Nein. Diese Ausgelassenheit und Unbeschwertheit war nichts, was ihm entsprach oder was er genossen hatte. Nur, wenn Etienne ihn herausforderte, ihm ein verschmitztes Lächeln geschenkt hatte, hatte er gewusst, wie es sich anfühlte. Es war ein Rausch und es war ein Geschenk an ihn gewesen.

A´kebur rieb sich kurz die Nasenwurzel und widmete sich wieder den Berichten, die er regelmäßig von der Enterprise bekam.

Im Augenblick war er wegen Auf- und Umrüstarbeiten mehr oder minder im Zwangsurlaub und vor zwei Wochen würde es nichts für ihn zu tun geben. Den Berichten zufolge verlief alles nach Plan, aber die Zeit musste sich schon genommen werden.

"Onkel?", fragte eine helle Mädchenstimme von der Tür her. Danielle, Enkelin von Etiennes Schwester, stand mit einem Glas Ginger Ale in der Tür. "Ich dachte mir, dass du vielleicht was Kühles gern hättest?"

A´kebur blinzelte. Die Erde war selbst im Hochsommer nicht so heiß wie Vulkan im Winter. Doch Ginger Ale liebte er. Er bedankte sich. "Wie war die Schule?", fragte er, während er einen Schluck nahm.

"Och, das Übliche. Ich bin froh, wenn ich sie hinter mir habe", meinte Danielle, "und, hast du was Neues erfahren?"

Das Mädchen war wie fast alle Duvals schrecklich neugierig und mit ihren fast fünfzehn in der schlimmsten "ich will hier weg und die Welt entdecken"-Phase. In einer schwachen Stunde hatte ihre Großmutter ihr erzählt, dass Etienne in genau diesem Alter sein Zuhause verlassen hatte. Seitdem war die ganze Familie froh, wenn Danielle nachmittags von der Schule heimkam.

"Was ist so schlimm an der Schule?", fragte A´kebur und schob das Datenpad etwas zurück. "Schule ist wichtig. Du lernst die Dinge, die du später einmal brauchst." Er überging die Frage nach etwas Neuem.

"Ob ich das wirklich mal brauche, werde ich natürlich erst später sehen", gab das Mädchen altklug zurück und setzte sich auf einen der Stühle. "Es ist nur so, dass ich hier noch nie weggekommen bin. Zur Klassenfahrt nach Vulkan vor zwei Jahren war ich krank, ausgerechnet. Kannst du mich nicht mal mitnehmen, wenn du wieder dorthin fliegst? Du besuchst doch sicher bald Tiaren?"

A´kebur lächelte. "Ich glaube nicht, dass ich in der nächsten Zeit nach Vulkan komme. Außerdem hatte ich versprochen, dass ich ein wenig auf der Erde bin. Deine Großmutter freut sich, denke ich zumindest. Aber ich verspreche, dass ich mit dir auf Vulkan spazieren gehen werde. Nur ich fürchte, dass du die ersten Stunden froh über einen Sitzplatz und einer eiskalten Ginger Ale sein wirst."

"Ach was, so empfindlich bin ich nicht, zur Not suche ich mir einen Kühlschrank! Und ich nehm dich beim Wort, Onkel!" Danielle sprang auf, gab A´kebur einen Kuss auf die Wange und tänzelte von dannen.

A´kebur blinzelte. Dann lachte er. Hinter ihm kreischten die Jungen auf, die sich gerade in einem Planschbecken balgten. Menschenkinder waren eindeutig spielerischer und weniger besorgter. Und sie waren weniger kriegerisch. Aber sie waren Kämpfer, wenn auch meist recht talentfrei. A´kebur hatte auf einmal keine Lust mehr, sich Berichte durchzulesen, neue Crewmitglieder mit Namen und Biographie kennen zu lernen. Er hatte Hunger und er fühlte sich schlecht. Er fühlte diese Unruhe in sich, die er hasste und die ihm keiner nehmen konnte. Und er spürte die Tränen. "Bastard", murmelte er.

Doch keiner war da, der ihm antwortete. Selbst Etiennes Stimme in seinem Kopf, die er in den letzten Jahren immer wieder als Erinnerung und Aufmunterung mit sich herumgetragen hatte, war fort. Dieses Stück Seele seines Geliebten war bei einem Fremden.

A´kebur konnte es auf einmal nicht ertragen, hier zu sein. Er wusste aber auch keinen anderen Ort. Sein Sehnen fraß ihn auf. Er wusste jedoch, was er tun sollte. Einfach nur laufen, bis die Gedanken versiegten und die Gefühle leicht und luftig wurden. Ohne auf seine Umgebung zu achten, zog er seine Tunika aus und ließ sie achtlos auf die Bank fallen. Dann lief er, sehr viel schneller als jeder Mensch, da die Gravitation fast nicht der Rede wert war. Wohin er lief, war ihm gleich. Fort von den Gebäuden ins Grüne, wo sich die Bäume im sommerlichen Wind wiegten und die Luft angenehm leicht war. Kein Staub, keine Wüste, keine öden Felsen. Eine Landschaft, wie sie wohl nur Menschen für selbstverständlich hinnehmen konnten. Doch A´kebur achtete nicht wirklich darauf.

Mit jedem Schritt, den er lief, konnte er weniger seine Tränen aufhalten. Aber das war auch nicht der Sinn der Übung. Tränen schämte er sich nicht, hatte er nie getan. Was er nicht ertragen konnte, war die Enge in seiner Brust und der Knoten in seinem Bauch. Er lief schneller und doch musste er fast zwei Stunden laufen, ehe er wirklich ins Schwitzen geriet. Und noch viel länger, ehe der Knoten sich löste und sein Herz ein wenig leichter war. Mittlerweile war jedoch die Sonne untergegangen und Terra zeigte, dass es wirklich kühler war als Vulkan.

Der Mond kroch mit seinem weißblauen Licht über die Baumwipfel; noch etwas, was es auf Vulkan nicht gab. Wo der Wald lichter wurde, ergoss sich ein kleiner Fluss in einen See. Frösche und Grillen sorgten für eine Geräuschkulisse, die A´kebur jedoch nicht störend fand. Es zeigte, dass alles um ihn herum lebendig war. Ein paar Handvoll des doch recht kühlen Wassers ins Gesicht erfrischten ihn. Kurz musterte A´kebur sein Gesicht auf der mondbeschienen Oberfläche. Etienne, wasserliebend wie er gewesen war, wäre vermutlich einfach hineingesprungen und hätte ihn dann auch hineingezerrt oder mit Worten gelockt.

Etienne liebte das Wasser über alles!

 

 

63 Jahre zuvor

 

A´kebur sah sich im Maschinenraum um. Die Nachtschicht war gerade angebrochen und nur wenige Mitglieder seiner Crew waren anwesend. Eigentlich war auch seine Schicht zu ende. Etienne wartete auf ihn. Cindy würde von ihren Erlebnissen in der Schule erzählen und sich dann über Thomas, einem Jungen in ihrer Klasse, beschweren, weil dieser immer an ihren Zöpfen zog. A´kebur hatte schon mehr als einmal den Versuch unternommen, Cindy im Bat’leth-Kampf zu unterrichten. Aber er musste es heimlich machen, weil Etienne dagegen war. Er war gegen vieles und in letzter Zeit stritten sie sich häufig. A´kebur verstand nicht, warum das so war.

Zögernd berührte er einen Kontrollschalter und las dann die Informationen auf dem Bildschirm. Mit Unbehagen musste er feststellen, dass er nicht gern in sein Quartier zurück wollte. Wahrscheinlich würden sie wieder streiten und das Ergebnis war schlimmer als jede Verwundung, an die er sich erinnern konnte.

A´keburs logische Seite wusste natürlich, dass sie beide in letzter Zeit unter enormem Stress gestanden hatten und deswegen leichter reizbar waren.

Der Para-Warpantrieb hatte nach dem Durchfliegen einer Gaswolke einige Schwankungen gezeigt, für die er bisher keine Erklärung hatte finden können und Etienne hatte sich inzwischen daran gesetzt, seine Erkenntnisse zur Bewahrerkultur zusammenzufassen. Der Stoff reichte für ein komplettes wissenschaftliches Werk in drei, vier Bänden, doch Etienne hasste Schreibarbeiten, selbst seine eigenen, und konnte keinen rechten Anfang finden. Es half auch nicht, dass dessen Vorgesetzter immer mal wieder Bemerkungen hatte fallenlassen, die ihm kaum schmeichelten. Ein Amateur war nach dessen Meinung kaum in der Lage, ein Fachbuch zu schreiben. Einzig Cindy war ein guter Anlass, sich über all diese Dinge nicht zu ärgern, doch A´kbur und Etienne hatten schnell feststellen müssen, dass die alte Weisheit stimmte: Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr. Sie wollten das Mädchen um keinen Preis der Welt missen, aber wirkliche Ruhe hatten sie zuletzt vor …

A´kebur konnte sich nicht erinnern. Es war zu lange her.

Daneben gab es seine eigene Arbeit. Es stand die Inspektion der Dragon im Trockendock bei Station Alpha 22 an, die er überwachen musste und dafür noch einiges vorzubereiten hatte. Er konnte sich keine Gedanken darüber machen, wann er das letzte Mal Ruhe hatte. Er hatte zu tun.

A´kebur sah die Zeitanzeige, ohne sie zu brauchen. Er fühlte die Zeit und er war fünfzehn Minuten über seinem Schichtende. Fünfzehn Minuten und dreiundzwanzig Sekunden.

Seine Maschinencrew hatte inzwischen ihre eigene unnachahmliche Art gefunden, ihren Chefingenieur auf sein Schichtende hinzuweisen. Wenn kein Notfall vorlag, dann tauchte einer seiner Lieutenants mit einem Hüsteln auf und sagte etwas wie "Sir, dürfte ich das übernehmen? Diese Relais sind mein besonderes Fachgebiet" oder "ich habe mir diese Schaltzeichnungen gestern noch einmal angesehen, ich denke wir könnten sie verbessern."

Es hatte eine Weile gedauert, bis er begriffen hatte, dass sie schlicht logen. Und dass diese Lügen nicht dazu dienten, um ihn bloß zu stellen, ihm den Respekt verweigerten oder ihn in irgendeiner anderen Weise zu beleidigen. Sie waren nur allesamt der Meinung, dass ihr Chef einen Anspruch auf seine Pausen hatte und dieser gewöhnlich diesen Anspruch einfach ignorierte.

Mit einem tiefen Seufzer verließ er den Maschinenraum, ehe wieder eines dieser für ihn jetzt durchsichtigen Manöver gestartet wurde. Seine Leute sollten ihre Zeit sinnvoll einsetzen. Langsam, fast schlendernd, ging er die Gänge entlang zu den Turboliften, und wählte dann die Ebene der Offiziersquartiere.

Kaum hatte die Tür sich geöffnet, scholl A´kebur auch schon ein "Nein, Cindy, das habe ich dir schon dreimal gesagt!" entgegen. Etienne und seine Tochter standen sich im Wohnzimmer gegenüber, beide die Hände in die Hüften gestützt, beide mit gleich finsterem, entschlossenem Gesicht. "Aber A´kebur hat gesagt, wenn ich richtig lernen will, mit einem Bat’leth zu kämpfen, dann muss ich auch mit dem Zebre...Zerum... na, diesem besonderen Klingonendolch umgehen können. Auf dem Holodeck sind die doch nicht scharf!"

Prompt richteten sich Etiennes Augen anklagend auf A´kebur.

Dieser hob nur eine Augenbraue und trat ein, so dass sich hinter ihm die Tür schließen konnte. "Sie sollte kämpfen lernen", sagte er nur knapp und ging dann ins Bad. Er wusste, dass er der Auseinandersetzung auswich. Aber es hatte in den letzten Tagen so viele davon gegeben, dass er froh war, um jede Minute, in der er nicht dabei sein musste. Jeder Kampf war besser. Streit war nur zermürbend.

Er hörte noch, wie Etienne sagte: "Cindy, egal was A´kebur sagt, du nimmst keinen dieser Dolche in die Hand. Das mit dem Kämpfen lernen, besprechen wir später. Bitte geh jetzt erstmal deine Hausaufgaben machen, Schatz."

Cindy antwortete nicht, aber A´kebur wusste, dass sie einen Flunsch zog. Gleich darauf verschwand sie in ihrem Zimmer, wie das Zischen des Schotts verriet.

Als A´kebur sich wieder hinaustraute, war auch Etienne nicht mehr im Wohnzimmer. Er seufzte auf menschliche Weise. "Feigheit vor dem Feind ist eine Schande", murmelte er und ging zum Replikator und bestellte sich einen heißen Kakao. Er brauchte dringend einen.

Mit dem dampfenden Gebräu in der Hand ging er hinüber ins Schlafzimmer. Etienne hatte sich hierher verzogen und saß mit gekreuzten Beinen auf dem Bett, Datenpads und Notizpapier um sich ausgebreitet. "Mit der Bat’leth-Sache hätte ich ja leben können. Aber der Dolch schneidet einem die Finger ab, wenn man ihn falsch anfasst. Ist mir selber fast passiert", knurrte er, ohne aufzusehen.

"Er ist virtuell", murmelte A´kebur. "Sie könnte sich nicht daran schneiden, selbst wenn sie es wollte. Und ich habe keinen hier. Wenn sie es gelernt hat, dann kann ich einen besorgen."

"Du weißt genau, dass Holodecks keine sichere Sache sind, und Cindy bekommt dann von vorneherein den Eindruck, ihr könne nichts passieren." Etienne sah auf, und das gedämpfte Licht des Raumes, dass ihm sonst schmeichelte, ließ ihn müde und angespannt aussehen, älter als seine 40 Jahre. "Tu mir also bitte den Gefallen und frage mich vorher, bevor du ihr so etwas versprichst."

"Ich habe es ihr nicht versprochen, ich habe gesagt, dass sie es beherrschen muss als Kriegerin", sagte A´kebur mit Nachdruck. "Und ich habe ihr erklärt, dass ihr der Dolch die Finger abschneidet, wenn sie ihn nicht halten lernt und dass sie das Geschenk erhält, ohne diesen Nachteil zu lernen, was natürlich länger dauert, als man es normalerweise würde. Die Angst ist ein guter Lehrer. Aber sie ist sehr geschickt."

Etienne rieb sich über die Stirn. "Das ändert nichts daran, dass du mir nichts davon gesagt hast. Es ist ja richtig, dass sie kämpfen lernt. Aber solche Waffen haben Zeit, bis sie älter ist. Sie sollte erst einmal unbewaffneten Kampf lernen oder wie man sich verteidigt. Sie ist keine Klingonin, A´kebur. Und auch keine Vulkanierin."

A´keburs Kiefer verhärtete sich. "Natürlich ist sie es nicht und ich nehme Rücksicht darauf. Aber du siehst es nicht. Du denkst, dass ich nicht aufpasse. Aber ich passe auf, dass sie nicht verletzt wird. Sie muss keine Initiation bestehen, sie bekommt keine scharfen Waffen in die Hand und ich lehre sie auch den unbewaffneten Kampf. Was willst du noch, Etienne? Sie ist ein Mensch. Ich weiß, wie zerbrechlich Menschen sind und ich bin sehr vorsichtig! Vertraust du mir nicht?"

"Doch. Aber hörst du überhaupt zu? Das Problem ist, dass du es ihr einfach versprochen hast und ich nichts davon wusste!" Etienne zerknüllte eins der Papiere. "Was soll sie denn denken, wenn jeder von uns etwas anderes sagt? Außerdem hat sich vorhin ihre Lehrerin gemeldet. Cindy hat einen ihrer Klassenkameraden fast verprügelt."

A´kebur hob eine Augenbraue. "Und, hat sie gewonnen?", fragte er.

"Ich sagte, fast." Etiennes Blick wurde finsterer. "Offenbar hat einer der Jungen ihr vorgehalten, sie wäre ja gar kein richtiges Mädchen, weil ja ihre Mutter nicht da ist und auf sie aufpasst. Und dann erklärte er wohl, dass sie von einem Klingonenvater nur lernen würde, wie man Leute haut. Wonach sie eindrucksvoll bewiesen hat, wie fest sie zuschlagen kann." Etienne atmete tief durch. "Der Junge hat einen Verweis bekommen und Miss Peters redet mit seinen Eltern. Cindy hat nur eine kleine Strafarbeit bekommen."

A´kebur überlegte. "Handarbeit?", fragte er dann. "Ich kann ihr Stricken beibringen", schlug er dann vor. "Außerdem sind die Nadeln auch mehrfach nutzbar."

Nun huschte doch ein Schmunzeln über Etiennes Gesicht. "Ich glaube nicht, dass das Problem damit gelöst ist. Cindy hat mich natürlich gefragt, ob ich denn inzwischen wüsste, wo ihre Mutter sei und warum sie sie nicht haben wolle. Und warum alle anderen Kinder Großeltern haben und sie nicht. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte außer ihr zu versichern, dass das alles nicht stimme und wir bei nächster Gelegenheit ihre Großeltern besuchen."

A´kebur blinzelte. "Familie ist wichtig und Cindy muss wissen, woher sie kommt. Das würde ihre Probleme mit diesem Jungen lösen? Ich glaube das zwar weniger, aber es würde ihr mehr Gewissheit geben. Unsere Familien sind der Spiegel, in dem wir uns wiederfinden. Ohne sie sind wir blind."

"Schön gesagt. Problem ist nur, dass ich seit über 20 Jahren nicht mehr mit meinen Eltern gesprochen habe. Hin und wieder habe ich ihnen eine kurze Nachricht geschickt, wo ich bin und dass es mir gut geht, mehr nicht. Von Danielle und Marc höre ich öfter, aber ich habe sie auch ewig nicht gesehen. Cindy weiß nicht einmal, dass sie Cousins und Cousinen in ihrem Alter hat." Geistesabwesend verstrubbelte Etienne seine Haare. "Sie alle wissen nicht einmal was von dir."

A´kebur sah ihn merkwürdig an. Dann zog er abrupt eines der Datenpads hervor, tippte darauf und reichte es Etienne. "Da ist die Adresse. Sie freuen sich, wenn sie etwas von dir hören. Und vielleicht ergibt sich eine Möglichkeit, dass du sie mit Cindy besuchst. Schließlich hast du noch Urlaub und soweit ich weiß, soll der größte Teil der Mannschaft für die nächste Inspektion das Schiff verlassen. Die Dragon ist fast zwei Monate im Trockendock und damit ist das die beste Gelegenheit, wenn alle ihren Urlaub nehmen, die entbehrlich sind. Schließlich braucht das Schiff nur noch die Ingenieure."

Etwas zögerlich nahm Etienne das Pad an sich. "Sie leben immer noch auf Alpha", murmelte er, "und falls sie mich nicht sehen wollen, zumindest ihr neues Enkelkind werden sie kennenlernen wollen." Er blickte zu A´kebur. "Ehrlich gesagt hätte ich dich gerne dabei. Du bist schließlich meine Familie."

A´kebur sah ihn schief an. Dann räusperte er sich und kämpfte sichtlich mit Worten. "Ich..., äh, du meinst also, dass ich mitgehen soll. Ich weiß nicht, ob ich gehen kann. Die Dragon wird fast auseinandergebaut und wieder zusammengesetzt. Ich ..." Er sah Etienne unglücklich an. "Außerdem, warum sollten sie dich nicht sehen wollen? Ich meine, es sind keine Klingonen, oder?"

"Nein, sie sind Franzosen mit Traditionsbewusstsein, und das ist weitaus schlimmer. Gut möglich, dass sie mich auf der Stelle wieder hinauswerfen. Aber wenn sie es nicht tun, dann müssen sie mich auch mit dem vollen Anhang akzeptieren." Etienne lächelte etwas schief. "Es wäre nur einfach schön, wenn ich Rückendeckung hätte, das ist alles. Nach Hause gehen ist manchmal der schwerste aller Wege, sagte mal jemand."

A´kebur konnte das sehr gut nachvollziehen. Doch er musste auch feststellen, dass seine Strategie, was die Familie anbelangte, eine völlig andere war. Nun, ihre Voraussetzungen waren wohl auch etwas unterschiedlich. "Ich kann nichts versprechen", sagte er, "aber ich werde vielleicht nicht die ganzen zwei Monate auf dem Schiff bleiben müssen." Auch wenn es ihm ganz und gar nicht behagte, wegzufliegen, wenn die Dragon wehrlos im Trockendock lag.

"Danke. Deine Maschinenmannschaft wird auch ein paar Tage ohne dich auskommen." Etienne legte seine ganzen Unterlagen beiseite und sah etwas erleichterter aus. "Lustig wird es garantiert nicht werden und du kannst meinen Vater nicht zum Kampf herausfordern. Aber Cindy soll wenigstens einmal die Chance haben, den Rest ihrer Familie zu treffen. Aber genug von mir. Wie lief es heute bei dir?"

A´kebur wiegte seinen Kopf. "Es gab keine besonderen Vorkommnisse. Eigentlich so wie immer. Der Antrieb läuft, ein paar Gelpacks mussten ausgetauscht werden. Irgendwie ist in einigen Sicherungen der Wurm drin. Aber nichts, was erwähnenswert wäre."

"Dann brauchen sie dich auch nicht unbedingt hier", gab Etienne mit unbestechlicher Logik zurück.

"Ich rede von dem Auseinanderbauen!", knurrte A´kebur. "Nicht von jetzt. Jetzt können wir den Antrieb nicht abschalten und Durchchecken. Er ist seit seiner Inbetriebnahme so oft angegriffen worden, dass es fahrlässig ist, ihn nicht von grundauf neu aufzubauen."

"Ich weiß. Deswegen geht es ja auch ins Trockendock. Naja, wir werden mal sehen. Ich schicke meinen Eltern jedenfalls eine Nachricht und drohe meinen Besuch mit Cindy an." Etienne streckte sich und warf einen finsteren Blick auf seine Datenpads. "Hier komme ich sowieso nicht weiter."

A´kebur überblickte das Chaos auf dem Bett. Er hütete sich jedoch, einen Kommentar darüber von sich zu geben. Etienne machte es sich sowieso sehr schwer mit seinem Buch. Und sein Vorgesetzter war ihm bisher auch keine Hilfe. A´kebur hatte schon erwogen, Mr. Troi zu befragen, wie er Etienne helfen konnte. Aber bisher hatte er immer wieder Abstand gewonnen. "Willst du schlafen?", fragte er daher lahm.

"Keine Ahnung. Und du? Warte, ich mache dir Platz." Die restlichen Unterlagen landeten auf dem Teppich.

"Weiß nicht." A´kebur schnaufte kurz und kreiste mit den Schultern. "Ich hatte noch vor, auf dem Holodeck eine Trainingseinheit zu absolvieren. Dann störe ich dich nicht. Wollte aber vorher noch sehen, ob Cindy Hilfe bei ihren Hausaufgaben braucht."

"Nein, die Strafarbeit ist nur ödes Abschreiben, das bekommt sie alleine hin. Und ich glaube, ich komme mit", meinte Etienne schmunzelnd, dann wurde er wieder ernst, als ihm etwas einfiel. "Verdammt, geht nicht. Ich muss noch die letzte Auswertung schreiben der Analysen von gestern. Hatte ich vollkommen vergessen." Etienne stand auf. "Dreh eine Runde für mich mit."

A´kebur nickte. "Bis später", verabschiedete er sich. Er ging noch zu Cindy und drückte ihr die Schulter. "Das nächste Mal", riet er leise, "musst du schneller sein, dann sieht dich die Lehrerin auch nicht."

"Mach ich! Aber vielleicht hält der doofe Thomas jetzt seine Klappe", gab sie zurück und sah A´kebur entschlossen an. "Und, ähm, darf ich trotzdem das Kämpfen mit dem Dolch lernen? Heimlich?"

A´kebur lächelte, schüttelte aber den Kopf. "Ich kann es heimlich machen, aber nicht gegen den ausdrücklichen Wunsch deines Vaters. Sagen wir aber so, er hat den Kampf mit dem Speer nicht verboten." Er grinste und gab ihr einen Kuss auf den Scheitel. "Mach deine Hausaufgaben, Cindy-cha."

"Mach ich! Danke, A´kebur!" Das Mädchen umarmte ihn, wobei ihre Arme kaum um seine Taille reichten. Dann machte sie sich jedoch schnell wieder an ihre Aufgaben und wirkte dabei einiges glücklicher.

A´kebur machte sich auf den Weg zum Holodeck. Wirklich zufrieden war er nicht mit der Situation, er brauchte aber Ablenkung, sonst würde er wieder die Wände hochgehen. Etienne brauchte Ruhe und Cindy besaß ausgezeichnete Ohren, wie die Ärztin kürzlich versichert hatte. Eigentlich hatte A´kebur kein Problem damit, dass sie diese hatte, aber Etienne meinte, dass es ihrer kindlichen Psyche nicht gut tat, wenn sie bestimmte Laute zu Ohren bekäme. Somit war das Holodeck unter den genannten Situationen die beste Möglichkeit, Frust jeglicher Art abzutrainieren. A´kebur schwor sich allerdings, sollte er jemals wieder an der Konstruktion eines Schiffes beteiligt sein, würde er auf absolut schalldichten Wänden bestehen.

 

Die Dragon lief drei Tage später im Dock der Station Alpha 22 ein. Sie lag mitten im Alpha-Quadranten, praktisch im Herzen der Föderation. Captain Volkov genehmigte allen Urlaub und wollte es sich auch selbst nicht nehmen lassen, einige Tage auszuspannen. Etienne hatte auch von seinen Eltern Nachricht erhalten: Henri und Catherine Duval freuten sich auf Cindy und versicherten, dass sie hocherfreut waren, wenn er sie vorbeibrächte. Es war die Antwort gewesen, die Etienne erwartet hatte. Ob er selbst überhaupt das Haus betreten durfte, würde er noch sehen. Seit ihre Kinder groß waren, hatten sich die Duvals ein Häuschen auf dem Land gekauft und genossen ihren Ruhestand. Ein Pirat, selbst der eigene Sohn, war nichts, das in ihre Welt passte.

A´kebur verbrachte nach wie vor die meiste Zeit bei seinem Warpantrieb. Erst, als im Dock die Wartungscrews der Station seinen Maschinenraum belagerten, trat er den Rückzug an. Widerwillig und auf Befehl des Ersten Offiziers, der festlegte, dass auch die Maschinencrew Urlaub machte. Erst im zweiten Monat, wenn es wieder an den "Zusammenbau" ging, wie A´kebur es formuliert hatte, würden sie wieder gebraucht werden.

A´kebur würde aber auch nicht einen Rückzieher machen, hatte er doch Etienne versprochen, ihn zu begleiten. Ein wenig unbehaglich war ihm schon. Wenn Etienne keine Angst vor Klingonen hatte, aber vor seinen Eltern schon, dann fand er das bemerkenswert.

Doch das war wohl wieder eine dieser menschlichen Eigenarten, obwohl A´kebur inzwischen wusste, dass diejenigen, die einem nahe standen, einen schlimmer verletzen konnten als jeder Feind.

Cindy war bei den Neuigkeiten, dass sie ihre Großeltern kennenlernen würde, erst begeistert gewesen, doch nun, wo der Zeitpunkt näher rückte, drückte ihr Gesichtchen Besorgnis aus. "Was, wenn sie mich nicht mögen?", war ihre schlimmste Sorge. Etienne hatte sie zwar beruhigt, dass Großmama und Großpapa sie natürlich mögen würden, doch Cindys Befürchtungen blieben. Dass ihr Daddy seine Eltern seit Ewigkeiten nicht gesehen hatte und offenbar mit ihnen zerstritten war, beunruhigte sie dabei noch mehr.

Sie konnte nur in ihrer Unruhe aufgehalten werden, als A´kebur sie auf seinen Arm nahm und einfach mit ihr zu der Transporterplattform ging, von wo sie auf das Passagierschiff gebeamt werden sollten. Sie hielt sich fest und fühlte sich zumindest für diese Zeit sicher, so wie es immer getan hatte, wenn er sie trug. Dabei spielte es keine Rolle, dass sie eigentlich groß und stark sein wollte. In solchen Momenten tat es nur gut und A´kebur wusste es mit blinder Gewissheit. "Wir kommen innerhalb von 12 Stunden an", informierte A´kebur seine Pflegetochter. "Du kannst die Holosuiten benutzen. Sie sollen ganz gut sein. Und andere Kinder gibt es auch."

Mit dieser Aussicht war Cindy gleich etwas abgelenkt. A´kebur und Etienne setzten sich in die Lounge und hielten sich an ihren Getränken fest. Keiner wusste so recht, was ihn erwartete. Schließlich brach Etienne das Schweigen. "Ich habe nie viel von meiner Familie erzählt. Irgendetwas, was du gerne wissen würdest?"

A´kebur schielte zur Seite, dann zuckte er mit der Schulter in Nachahmung einer rein menschlichen Geste, die ihm angemessen schien. "Kein Thema über Religion, keine Kampfherausforderungen, kein Sex mit dir, nicht so grimmig gucken, die Hand geben, nicht die Zähne zeigen, lächeln und sagen, dass ich der Chefingenieur des Flaggschiffs von Starfleet bin, um meine Potenz zu beweisen. Ich weiß nicht. Die Namen und biographische Lebensläufe habe ich aus der Datenbank. Fehlt noch etwas?"

Etienne musste grinsen. "Ja, das fasst es in etwa zusammen. Aber es gibt noch einiges, das nicht in Datenbanken steht. Meine Eltern schätzen es über alles, wenn alles um sie herum in geregelten Bahnen verläuft. Als ich zu Starfleet wollte und Marc dann später auch, waren sie nicht begeistert. Am liebsten wäre es ihnen gewesen, wir wären auf Alpha geblieben oder vielleicht nur bis zur Erde gezogen wie meine Schwester und wären Lehrer, Anwälte oder sonst etwas geworden, bei dem man den Schreibtisch nicht verlässt. Manchmal dachte ich, meine Eltern wären per Zeitreise in unser Jahrhundert gefallen und würden eigentlich aus der Vergangenheit stammen. Dabei meinen sie es nicht einmal böse. Doch Verständnis für andere Ansichten als die ihren kennen sie nicht. Ich kann nur hoffen, dass Alter hat sie milder gemacht und Cindys große Augen erweichen ihr Herz für mich schwarzes Schaf."

A´kebur zog die Augenbrauen zusammen. "Sie werden dir weh tun", stellte er dunkel fest, "Und du erwartest, dass ich dabei zusehe und nichts sage, richtig?"

"Sie können mir nur wehtun, wenn ich es zulasse. Und ich werde dir sicher nicht den Mund verbieten. Versuchen wir es nur erst einmal ohne Streit."

A´kebur nickte. "Ich werde ruhig bleiben, aber ich werde nicht schweigen, wenn sie dir weh tun."

"Ich bin ja auch nicht ganz hilflos. Trotzdem danke." Etienne nahm einen Schluck Kaffee, schmeckte ihn aber kaum. Er war unendlich froh, A´kebur in seinem Rücken zu wissen, auch wenn dieser seinen Beschützerinstinkt vielleicht etwas übertrieb. Doch es wärmte Etiennes Herz jedes Mal aufs Neue zu wissen, dass jemand da war, der so um ihn besorgt war.

 

Über der Alphakolonie ging gerade die Sonne auf, als das Passagierschiff in den Orbit einschwenkte. Cindy hatte zwischendurch ein Nickerchen gemacht und sich in gespannter Erwartung an die Hände ihrer beiden Väter geklammert. Auf der Oberfläche herrschte im Augenblick Frühling. Überall blühten Bäume und ein Duft von Honig lag in der Luft. Das Haus der Duvals lag mitten in einer riesigen Parkanlage und war idyllisch anzusehen mit den rosenbewachsenen Mauern.

Etienne atmete tief durch und betätigte die Klingel, während A´kebur noch überlegte, wie viel Realität mit der Holosimulation übereinstimmte, die ihm Etienne vor Jahren gezeigt hatte. Es war fast identisch und das war beängstigend. Nur, dass die Eindrücke überwältigender waren. Dieser Planet hier war noch üppiger als die Erde und allein der Luxus der Gerüche in der Luft war berauschend. A´kebur schnaufte kurz und nahm Haltung an, als er Schlurfen hinter der Tür hörte.

Egal wie, er musste genug Eindruck hinterlassen, damit Cindy und Etienne sicher waren vor diesen traditionsbewussten Franzosen, die offenbar gefährlicher als ein Haufen Klingonen waren; nach Etiennes Beschreibung.

Doch die Person, die in der Tür erschein, sah denkbar harmlos aus: Eine kleine schlanke Frau um die siebzig mit hochgesteckten grauen Haaren und einer Schürze über dem Kleid. Sie blickte Etienne an, dann fuhr ihre Hand zum Mund. "Etienne! Du bist wirklich da! Ich hätte dich fast nicht erkannt! Mon Dieu!"

"Hallo, Mutter." Etienne schaffte ein Lächeln. "Ich wollte dir wie versprochen dein Enkelkind vorstellen." Er schob Cindy nach vorne.

Seine Mutter verbarg wieder ihren Mund, um ihre Aufregung zu zeigen und ihre Freude. Dann stieß sie einen lauten Ruf aus, den A´kebur als nonverbalen Laut, der Freude ausdrückte, identifizierte. Egal, wer diese Franzosen waren, diese Frau schien keine Französin zu sein. Vielleicht hing ja das Problem mit dem Vater zusammen. A´kebur betrachtete die zwei weiblichen Wesen ihrer Rassen, die sich innig umarmt hatten. Cindy auf jeden Fall freute sich und grinste zahnlückig. "Oma?", fragte sie, wie um sicher zu gehen.

"Willkommen, ma petite!" Hingerissen wuschelte Cathrine Duval ihrer Enkelin durch die Haare und gab ihr unzählige Küsse auf die Wange. "Du hättest uns schon viel früher mit ihr besuchen müssen, Etienne! Sie sieht dir so ähnlich! So ein kleiner Goldschatz!"

Erst nach einer ganzen Weile bemerkte sie, dass sie alle noch immer auf der Türschwelle standen. "Kommt doch herein, ich mache uns Tee!" Erst als A´kebur in den Flur trat, schien Catherine ihn überhaupt wahrzunehmen. Etwas befremdet sah sie ihn an. "Und wer sind Sie?"

"Das ist Lieutenant Commander A´kebur Lanar Re, Chefingenieur der USS Dragon von Starfleet. Ich glaube, ich habe euch geschrieben, dass ich im Augenblick auf diesem Schiff lebe", stellte Etienne den Klingonen vor.

A´kebur neigte respektvoll sein Haupt. "Ma´am!", grüßte er knapp, da er nicht wusste, wie Etienne wollte, dass er sie anredete. Jetzt wusste er, was er hatte fragen sollen. Doch dafür war es nun zu spät.

"Nun, dann seien Sie willkommen, Mr. Re. Ich wusste allerdings nicht, dass wir so illustre Gäste haben würden." Ein kurzer, anklagender Blick zu Etienne, bevor Catherine Cindys Hand nahm und sie alle ins Wohnzimmer führte. Der große, sonnendurchflutete Raum war mit gemütlichen Polstermöbeln, Blumenvasen und Gemälden vollgestopft und vermittelte einen Eindruck von heimeliger Perfektion. Etienne, der sich nur zu gut an die Einrichtung erinnerte, wenn auch nicht an das Haus, unterdrückte ein Würgen. Er hatte nichts mehr gehasst als diese rosenbestickten Kissen! Doch da musste er nun durch.

Catherine öffnete die Tür zum Nebenzimmer und rief: "Henri!"

Gleich darauf betrat ihr Mann das Zimmer. Henri Duval war groß und schlank, doch das Alter hatte seine ehemals kräftige Statur etwas ausgezehrt. Das Gesicht war ernst, kantig und wenig nahbar, aber seine dunklen, wachen Augen hatte er an Etienne vererbt.

"So, da bist du also", brummte er und musterte Etienne.

Dieser fühlte sich mit einem Schlag wieder wie fünfzehn. Wie der junge, wütende Teenager der die Enge seines Heims hasste und unbedingt weg wollte.

"Vater", war alles, was er sagen konnte.

Henri Duval nickte nur knapp. Dann sah er fragend zu A´kebur. "Das ist ein Kollege von Etienne", erklärte seine Frau ihm. "Lieutenant Commander A´kebur Lanar Re." Sie sah kurz zu A´kebur. "Ich hoffe, ich habe Ihren Namen richtig ausgesprochen."

A´kebur nickte. "Ich konnte keinen Fehler entdecken", teilte er ernsthaft mit.

Cindy hatte dem kurzen Austausch eher misstrauisch beigewohnt. Ihr war die Atmosphäre nicht entgangen, als ihr Opa das Zimmer betreten hatte. Dieser begrüßte den unvermuteten Gast höflich und sah dann sie an. "Also das ist meine kleine Enkeltochter. Du bist hübsch", sagte er ihr.

"Danke", erwiderte Cindy und musterte ihren neuen Großvater. "Ich freue mich, dass ich dich und Oma endlich treffen kann. Und ihr habt doch auch bestimmt meinen Daddy vermisst."

Ihr Opa Henri schien ein Schnauben zu unterdrücken. Statt einer Antwort lud er sie auf die Terrasse ein, um den Tee dort zu trinken, den seine Frau geräuschvoll in der Küche aufsetzte.

A´kebur unterdrückte ein Mahlen seiner Kiefer. So langsam bekam er eine Ahnung davon, was hier vor sich ging. Sein Gefährte suchte die Anerkennung seines Vaters genauso wie er sie gesucht hatte. Nach seiner bescheidenen Meinung auf diesem Gebiet war das ein Selbstmordkommando. Die Bedingungen der Väter an ihre Söhne waren nicht immer wirklich erfüllbar. In seinem Fall zumindest war es so gewesen. Sie verstanden einander jetzt besser als zuvor. Doch sein Vater blieb bei seiner Entscheidung, seinem jüngsten Sohn die Weihen des Kriegers zu verweigern. Er sollte den Kelch, den seine Herkunft darstellte, bis zur Neige kosten. Vielleicht, aber auch wirklich nur vielleicht, war er dann würdig genug.

A´kebur fragte sich, als er Etienne heimlich beobachtete, welche Bedingungen dieser zu erfüllen hatte. Dass er nicht den Wünschen seiner Eltern gefolgt war, war das eine. Aber nicht immer war das, was ausgesprochen wurde, auch das, was tatsächlich zu erfüllen war. Während Etienne mit steifem Rücken auf die Terrasse ging, kam A´kebur zu dem Schluss, dass er wohl unter diesen Umständen Etienne den Kampf überlassen musste. Das hieß jedoch nicht automatisch, dass er zu allem schwieg. Er fasste Cindys Hand und lächelte ihr aufmunternd zu. "Schönes Haus", murmelte er, auch wenn sich ein nicht wirklich ausgesprochenes Fragezeichen an der Feststellung befand.

Cindy sah sich demonstrativ kritisch um und zuckte mit der Schulter. "Nett hier!", murmelte sie genauso leise zurück.

Die vier setzten sich an den großen Tisch, bevor Catherine mit dem Tee und Kuchen kam. Cindy ließ sich gleich die Obsttörtchen schmecken zur Freude ihrer Oma, doch Henri sah noch immer so aus, als wolle er sich lieber in sein Arbeitszimmer verkriechen und warten, bis die Gäste weg waren.

"Etienne, hast du Nachrichten von deinem Bruder bekommen?", brach seine Mutter schließlich das unbehagliche Schweigen, "er hat sich endlich verlobt. Eine Kollegin aus seiner Forschungsstation."

"Nein, das wusste ich noch nicht."

"Nun, ich denke, er möchte sicher, dass du zur Hochzeit kommst", fuhr Catherine fort. "Außerdem kennst du ja deine Nichte und deine Neffen noch gar nicht! Marie kommt bald in den Kindergarten, und die Zwillinge sind die reinsten Wildfänge. Danielle hat mir letztens wieder Holobilder geschickt, ich muss sie dir unbedingt zeigen!"

Cindy blinzelte überrascht. Soviele Namen und sie war mit jedem davon verwandt. A´kebur lächelte sie an. Er hatte eine recht konkrete Vorstellung davon, wie sie sich fühlte. Seine Tochter grinste verschwörerisch zurück. "Sind das alles Cousins und Cousinen von mir?", fragte sie ihre Oma.

Catherine lächelte. "Marc ist dein Onkel und Danielle deine Tante. Ihre Tochter Marie ist fast fünf und dann sind da die Zwillinge Maurice und Michel. Wenn ihr zu Marcs Hochzeit fahrt, wirst du sie alle kennenlernen, mein Schatz!"

Henri stellte seine Tasse geräuschvoll ab. "Etienne du hast uns noch gar nicht erzählt, wo Cindys Mutter ist. Wir hatten gehofft, du bringst sie mit."

A´kebur war gespannt, wie sein Gefährte dieses Thema umschiffen wollte. Es war ihm nicht entgangen, dass dieser einige Punkte in dem Gespräch umging. Als er jedoch sah, dass er sich innerlich wand, räusperte er sich.

"Cindys Mutter hat wieder geheiratet und lebt nicht mit auf der Dragon", informierte A´kebur die Großeltern neutral.

"Aha." Henri sah nicht begeistert aus. Für ihn schien es offensichtlich, dass sein Sohn etwas falsch gemacht hatte, wenn ihm die Frau weggelaufen war. "Hast du denn überhaupt genug Zeit für Cindy?"

Etienne ballte die Faust unter dem Tisch. "Ja, habe ich. Die Dragon ist wie eine große Familie und kein Kind wird alleingelassen."

"Dann hast du ja großes Glück", meinte Henri hart.

Cindy sah von einem Erwachsenen zum anderen. Sie wollte auf einmal nicht hier sein. Sie hatte sich gefreut, ihre Familie kennen zu lernen, aber sie hatte nicht gewollt, dass ihr Vater ausgeschimpft wurde. "Es ist nicht Daddys Schuld", rief sie daher gerechterweise wütend, "Mama ist gegangen und sie hat mich Daddy gegeben. Er hat nicht gewusst, dass ich da bin, aber er hat mich sofort aufgenommen. Und Papa A´kebur auch."

Catherine und Henri starrten Cindy überrascht an, dann wanderte ihr Blick zu ihrem Sohn und dessen Kollege.

"Etienne?", hakte Henri schließlich nach, das Gesicht finster. Catherine wirkte verunsichert und schwieg.

Etienne atmete tief durch. Er hatte gewusst, dass er es früher oder später zugeben musste. Wie ein Verbrecher, dem man ein Geständnis abzwang. "Nichts, was ihr hören wollt. Aber ja. A´kebur ist Cindys Vater genau wie ich ihrer. Ich bin nicht alleinerziehend und deswegen habe ich ihn auch mitgebracht."

Cindy war blass geworden, als sie begriff, dass sie etwas gesagt hatte, was offensichtlich nicht gut war. Hilfesuchend sah sie zu A´kebur, der sich stumm erhob. Die Blicke aller auf sich, reichte er Cindy die Hand. "Ich denke, wir werden uns ein wenig die Gegend ansehen", sagte er ruhig. "Dein Vater hat einiges zu erzählen und ich schätze, wir stören hier nur."

Dankbar griff das Mädchen nach seiner Hand und sie verließen das Haus durch die Terrassentür. Etienne war einerseits dankbar, dass Cindy aus der Schusslinie war, aber von A´kebur fühlte er sich ein wenig im Stich gelassen. Die Blicke seiner Eltern ruhten abwartend auf ihm, und er wusste nicht, wie er nun anfangen sollte.

"Ihr ...", seine Mutter atmete tief durch, "Ihr seid zusammen?", stieß sie dann mühsam aus.

Etienne nickte. "Ja, wir kennen uns seit neun Jahren und sind seitdem Gefährten. Ich wusste nicht, wie ich es euch sagen sollte." Er zwang sich, dem Blick seiner Eltern nicht auszuweichen, als ob er sich dessen schämte.

Sein Vater erhob sich. Seine Augen waren vor Abscheu aufgerissen, dann drehte er sich abrupt um und ging mit weitausgreifenden Schritten ins Haus zurück. Wenn Etienne erwartet hätte, dass sein Vater die Tür zu seinem Arbeitszimmer zuschlagen würde, so sah er sich eines Besseren belehrt. Der leise Klick war dennoch wie ein Donnerschlag. Seine Mutter hatte den Blick auf ihre Hände gesenkt und schien ihn nicht anschauen zu wollen.

"Du kommst mit deiner kleinen, süßen Tochter hierher. Und diesem, diesem... Mann ... Willst du immer noch das trotzige Kind sein? Warum tust du das alles? Du kannst mit keinem Mann so tun, als ob du mit ihm eine Familie bildest." Sie sah auf. Enttäuschung stand in ihrem Gesicht. "Ein Kind, ein Mädchen, und zwei Männer. Ich verstehe nicht, warum man Cindy euch überlassen hat. Sie hat hier eine Familie, wenn ihre Mutter und deren Familie sie nicht haben wollte. Ich verstehe nicht, warum man sie auf einem Schiff durch das All fliegen lässt, wenn sie hier ein Zuhause haben kann. Bist du hier, um sie herzubringen? Wenn ja, dann ist das die erste vernünftige Tat von dir. Ich war so froh, dass du kein Verbrecher mehr bist. Aber du bist nie zu uns zurückgekommen. Stattdessen führst du dieses unstete Leben."

"Mutter, mein Leben war niemals so stabil gewesen wie jetzt. Und Cindy ist glücklich. Ich habe sie hergebracht, weil sie endlich ihre Großeltern kennenlernen wollte, nicht um sie einfach abzugeben. Wir sind eine Familie, ob es dir und Vater nun gefällt oder nicht."

"Ob es uns gefällt, Etienne? Darum geht es nicht. Ein Kind braucht ein Zuhause und bitte entschuldige, aber ein Klingone und ein ehemaliger Krimineller auf einem Schiff erfüllen diese Kriterien nicht. Ich weiß nicht, was dein Vater denkt. Aber ich werde beantragen, dass Cindy zu uns kommt. Hier wird sie die Sorge und Liebe bekommen, die sie braucht. Sie ist ein kleines Mädchen und sie braucht weiblichen Beistand."

Etienne sprang fast auf. "Mutter, du nimmst mir Cindy nicht weg! Sie ist mein Kind. Sie ist meine Tochter und meine Familie, verstehst du? Und wenn sie jemals den Eindruck bekommen sollte, ich würde sie nicht mehr wollen, würde ich mir das niemals verzeihen!"

Catherine ergriff seine Hand. "Denk darüber nach, Sohn. Es geht hier nicht um dich. Wir hatten gedacht, dass du geheiratet hast und anfängst, vernünftig zu werden. Das hatten wir nicht erwartet. Wenn du ruhig darüber nachdenkst, wirst du erkennen, dass ich recht habe. Wir nehmen dir Cindy nicht weg. Ganz bestimmt nicht."

Etienne schüttelte den Kopf. "Nein, sie gehört zu mir, zu uns. Und das ist kein Egoismus. Ich erwarte ja auch gar nicht, dass ihr mich versteht oder akzeptiert, aber Cindy kann für all das nichts."

Catherine nickte. "Ja, sie kann nichts dafür. Und du auch nicht, dass du so veranlagt bist. In jeder Familie gibt es wohl immer wieder ein Kind, das nicht so ist, wie die anderen. Aber zieh deine Tochter nicht mit hinein. Ich werde jetzt aber nichts mehr sagen. Du regst dich auf. Denk darüber nach. Und, wenn dieser... Kollege ... Nun, ich werde jetzt reingehen. Du bist willkommen."

Etienne seufzte lautlos. Was hatte er erwartet?

Jedoch der Gedanke, seine Eltern könnten ihm Cindy wegnehmen, war so grauenvoll, dass er keine Sekunde länger darüber nachdenken wollte. Da war der Vorwurf seiner Mutter, er wäre abnormal, weitaus erträglicher. "Mutter, ich glaube nicht, dass ich unter diesen Umständen wirklich willkommen bin. Es ist wohl besser, wir fahren wieder. Ich habe eure Geduld schon genug strapaziert."

"Du kannst nicht weg. Das geht nicht. Wir haben allen gesagt, dass du mit deiner Frau kommst. Sie wollen Cindy sehen..."

A´kebur kam mit Cindy wieder. Sie unterhielten sich, während A´kebur versuchte, ihr die Botanik des Planeten zu erklären. Sein Wissen war bemerkenswert, wenn man bedachte, dass er sich gewöhnlich nur für Maschinen interessierte. Aber hier war wohl der Vulkanier in ihm aktiv, der alles an Wissen in sich aufnahm, wenn er denn nur davon erfuhr. Als er Catherines Stimme hörte, sah er zur Terrasse. Sie verstummte, wenn auch nur kurz. "Nun, wie auch immer, du kannst nicht einfach so wieder gehen."

"Doch, natürlich kann ich das. Denn wenn deine Freunde und Verwandten meine Frau erwarten, kann ich damit leider nicht dienen. Ich kann nur einen Helden der Föderation mitbringen, dessen Gefährte zu sein ich das Glück und die Ehre habe." Etienne stand auf und ging zu A´kebur und Cindy hinüber. Spontan hob er das Mädchen hoch und drückte sie fest an sich.

Cindy verstand, dass es immer noch nicht vorbei war. "Tut mir leid, Daddy", flüsterte sie.

A´kebur trat an Etiennes Seite und sah zu dessen Mutter hinauf. "Auch mir ist es eine Ehre, einen Gefährten an meiner Seite zu wissen, der mich liebt und der für mich da ist. Der sich um keine Konventionen kümmert, weil sie nicht in das enge Schema seiner Welt passen, sondern tut, was ihm sein Verstand gebietet und sein Herz ihm sagt. Eine Rechtfertigung über diese Erklärung hinaus ist nicht notwendig und geht Sie nichts an."

"Aber..." Catherine sah ihren Sohn hilflos an.

"Mutter, bitte grüße meinen Vater von mir. Wenn Marc mich einlädt, sehen wir uns bei seiner Hochzeit. Cindy, verabschiede dich bitte von deiner Oma." Etienne setzte sie ab.

Sie sah ihn zögernd an, dann ging sie jedoch gehorsam zu ihrer Großmutter. "Auf Wiedersehen", murmelte sie.

Catherine beugte sich zu ihr hinunter. "Auf Wiedersehen, Cindy", verabschiedete sie sich auch. "Es tut mir leid, dass ihr nur so kurz bleibt. Aber warte einen Augenblick." Sie ging ins Haus zurück und kam gleich wieder mit einer kleinen Spieldose in der Hand zurück. "Das hier ist für dich. Diese Spieldose hatte deine Urgroßmutter gehabt. Sie soll jetzt deine sein."

"Danke schön, die ist wunderhübsch!" Cindy drückte ihren Schatz an sich und strahlte ihre Großmutter an. "Wir besuchen dich bestimmt bald wieder!" Catherine bekam noch einen Kuss auf die Wange, bevor Cindy zu ihren Eltern zurücklief. Etienne rang sich ein Lächeln ab. "Auf Wiedersehen, Mutter."

Diese sah, wie der Gefährte ihres Sohnes ihre Enkeltochter ganz selbstverständlich auf den Arm nahm und ihr respektvoll zunickte, dann ging er in der Erwartung, dass Etienne folgen würde.

 

Als sie allein waren, meinte A´kebur: "Deine Familie ist ein genauso harter Knochen wie meine beiden. Eine faszinierende Ähnlichkeit. Den Counselor könnte das interessieren."

"Tu mir den Gefallen und spiel in den nächsten Minuten nicht den Vulkanier", murmelte Etienne. "Herzukommen ist ein Fehler gewesen."

"Nein!", meinte A´kebur. "Es war wichtig. Auch für mich. Es gibt noch mehr Eltern, die es nicht mögen, wenn der Sohn nicht das tut, was sie denken."

"Ich denke immer noch, dass Klingonen und Vulkanier da einfacher sind. Deiner Familie hat vor allem nicht gepasst, was du tust. Meiner passt nicht, was ich bin."

A´kebur schnaufte. "Oh, meinem Vater passt es auch nicht, was ich bin. Er hätte trotz allem mehr einen Klingonen gewollt. Vom Standpunkt eines Klingonen aus hat er sich geradezu vulkanisch verhalten, als er mich zu den Vulkaniern schickte. Und was dich angeht: Du hast mit ihm gekämpft und deine Integrität bewiesen. Du bist es würdig, mein Gefährte zu sein. Da du jedoch gesagt hast, dass ich nicht kämpfen soll, werde ich deinen Vater nicht herausfordern. Menschen sind eben anders, auch wenn du die Regeln akzeptiert hast."

"Wenn du meinen Vater herausforderst, bestätigst du ihm nur, dass du ein wilder, mordlustiger Klingone bist. Es hätte nichts gebracht. Aber nun kann ich mir wenigstens nicht mehr vorhalten, ich hätte es nicht versucht. -Tut mir leid, Schatz", wandte er sich an Cindy. "Du kannst ja nichts dafür, dass dein Daddy sich nicht mit Oma und Opa versteht."

"Sie mögen auch A´kebur nicht", stellte diese klar. "Warum mögen sie euch nicht? Ist es das, warum auch Thomas mich geärgert hat? Weil ihr nicht wie andere Eltern seid? Ich meine, wie eine Mum und ein Dad."

"Ja, teilweise. Und ihnen gefällt nicht, was ich in meinem Leben gemacht habe. Es kommt viel zusammen. Aber deine Oma hat sich trotzdem sehr über dich gefreut, Cindy. Wenn du sie besuchen willst, kannst du das jederzeit tun; solange du hinterher wieder zu uns zurückkommst."

Cindy sah ihn verblüfft an und auch A´kebur war eindeutig irritiert. "Wieso sollte ich nicht zurückkommen?", fragte sie.

"Nein, schon gut. Ich rede Unsinn." Etienne strich seiner Tochter über den Kopf. "Beeilen wir uns, dann erwischen wir das nächste Shuttle zum Transporter. Wir sollten richtigen Urlaub machen."

"Aber, aber …" Cindy sah ihn ängstlich, aber auch enttäuscht an. "Ich wollte doch noch … Es gibt doch noch mehr, die Duval heißen, oder?"

"Häschen, es hat nichts mit dir zu tun, glaub mir. Und wenn wir deinen Onkel und deine Tante besuchen, ist es einfacher. Irgendwann werde ich auch bestimmt mit meinen Eltern zurechtkommen", versprach Etienne ihr und schaffte es, wieder zu lächeln.

Cindy schluckte ihre Enttäuschung runter und nickte tapfer. "Okay, Daddy", flüsterte sie. Sie sah vorsichtig zu A´kebur auf, dessen blaue Augen auf ihr ruhten. Es war für sie merkwürdig beruhigend, seinen Blick zu spüren. Spontan umarmte sie ihn und ließ ihn nicht wieder los. A´kebur wisperte nur: "Cindy-cha!"

Etienne betrachtete seine beiden am meisten geliebten Wesen von der Seite und fühlte sich elend. Cindy verdiente besseres als solche Situationen. War es nicht wirklich sehr selbstsüchtig von ihm, ihr diese Dinge zuzumuten? Nein, Cindy gehörte zu ihm und zu A´kebur. Sie war kein schwaches Geschöpf und würde sich durchbeißen können. Sie bei Menschen aufwachsen zu lassen, die nicht über den Tellerrand sehen konnten, würde ihr nichts Gutes bringen.

Etienne griff nach A´keburs freier Hand. Danke, dass du da bist, war seine stumme Botschaft. Er spürte verblüfft, dass seine Worte direkt bei A´kebur landeten. Die Mauer, die normalerweise alle Emotionen und Gedanken aufhielt, weil sie sonst A´kebur wahnsinnig machen würden, war weg. Etienne begriff, dass sie nicht mehr da gewesen war, als dieser mit Cindy weggegangen war. Ich bin immer da, versicherte A´kebur ebenso und meinte das genauso, wie er es dachte.

Danke. Ich fühle mich gerade, als wäre ich der schlechteste aller Väter. Aber was soll ich machen? Ich hoffe, Cindy versteht es eines Tages.

Sie versteht mehr, als du glaubst, brummte A´kebur in Gedanken eindeutig gutmütig.

"Wohin gehen wir jetzt?", fragte er laut. "Du sagtest etwas von einem richtigen Urlaub!"

"Ich wollte Betazed oder Risa vorschlagen", erwiderte Etienne. "Beide sind ideal zum Urlaub machen, auch für Kinder gibt es dort eigene Strände und Spielhäuser. Was denkt ihr?"

"Wir fliegen von hier fort. Okay", murmelte Cindy. "Risa? Ich habe gehört, es gibt einen riesigen Spielpark auf Risa." Sie sah abwechselnd von einem Vater zum anderen. "Risa?", wiederholte sie.

"Risa also." Etienne lachte. "Nicht zu vergessen das hervorragende Essen dort und andere Unterhaltungsmöglichkeiten." A´kebur bekam für eine halbe Sekunde ein leicht anzügliches Grinsen geschenkt, was diesem interessante grüne Ohrenspitzen bescherte.

Cindy kreischte vergnügt: "Risa, wir fliegen nach Risa!" Sie zappelte, so dass A´kebur sie wieder runterließ. Jeder schwere Gedanke war in diesem Moment vergessen, als sie herum hüpfte und tanzte. Etienne sah es mit grenzenloser Erleichterung. Cindy war niemand, der lange unzufrieden sein konnte oder wollte.

"Dir ist es auch recht?", fragte er seinen Klingonen leise.

"Du wolltest immer schon nach Risa", erinnerte ihn A´kebur an einen Traum. "Ich habe nichts dagegen. Dafür erzählst du mir jedoch, was dich vorhin so beunruhigt hat, dass du nach mir geschrien hast."

"Ich habe was?", Etienne runzelte die Stirn.

"Vorhin, als du mit deiner Mutter allein gesprochen hast. Du warst aufgeregt, entsetzt, wütend. Ich weiß nicht genau. Doch es war wichtig."

"Ach so, ja, war ich. Sie meinte, es wäre besser, wenn ich Cindy bei ihr lassen würde, und es klang für einen Moment so, als wollte sie rechtliche Schritte einleiten. Von dem Moment an wollte ich nur noch weg." Etienne drückte A´keburs Hand fester. Er spürte, wie dieser für einen Moment zögerte.

"Sie würde das nicht tun!", sagte er, doch klang mehr wie eine Frage.

"Sie könnte, wenn sie wollte. Und möglicherweise würde man ihr sogar recht geben. Aber ich denke, sie hat gesehen, dass Cindy bei uns sein will. Meine Mutter hatte genug unglückliche Kinder im Haus, um das noch mal zu riskieren", gab Etienne zurück.

A´kebur sagte dazu nichts, doch Etienne spürte, wie sich die Barriere wieder schloss. Sanft, aber bestimmt. Er kam nicht mehr hinein, außer er erzwang sich den Zugang, weil er als Gefährte dieser Seele niemals wirklich ausgeschlossen werden konnte.

"Wir werden uns später darüber unterhalten", sagte er. "Cindy braucht das nicht zu hören."

Etienne nickte. Wenigstens vor solchen Dingen wollte er Cindy auch weiterhin beschützen.

 

Die Reise zurück zu einem Transportschiff dauerte nicht lange. Risa war zwei Tagesreisen entfernt, bei niedriger Geschwindigkeit, und die drei machten es sich derweil bequem.

Doch wirkliches Urlaubsgefühl stellte sich nicht ein; zu sehr saß Etienne die Begegnung mit seinen Eltern noch in den Knochen. Cindy war zum Glück gut beschäftigt während des Fluges, doch ab und an umarmte sie Etienne spontan, als ob sie ihn trösten wolle.

Der Empfang auf Risa war überwältigend. Etienne war schon des Öfteren hier gewesen, aber es beeindruckte ihn jedes Mal aufs Neue.

Als sie den Shuttle verließen, schallte ihnen zur Begrüßung Musik entgegen. Junge Frauen und Männer in leichten Sommergewändern, alle ausnahmslos attraktiv nach den Maßstäben der meisten humanoiden Rassen, standen Spalier und legten ihnen Blumenkränze um. In der Luft lag der überwältigende Duft von Blumen, Meer und vielen anderen und eindeutig fremden Gerüchen. Für Etienne war Risa ein Traum, wie er auf der Erde nur in Hawaii und anderen am und in der Nähe des Äquators befindlichen Inseln geträumt wurde.

Für A´kebur wäre es wohl ein Kulturschock gewesen, wenn er nicht vorgewarnt gewesen wäre. Die Erde und die Alpha-Kolonie sowie der eine oder andere Planet, den er bisher gesehen hatte, waren mitunter ähnlich oder hatten das Potential dazu. Dennoch sah er mit finsterem Blick auf die Blumengirlanden um seinen Hals und fand, dass das kein Schmuck war, der ihm stand. Aber er enthielt sich eines Kommentars, sondern folgte seinem Gefährten, der trotz der überwältigenden Üppigkeit, des fröhlichen Lachens der Einwohner und der Musik um sie, immer noch bedrückt wirkte. Selbst das Lächeln war falsch und A´kebur fragte sich, ob er nicht doch Etiennes Vater hätte herausfordern sollen.

Doch nun waren sie hier und wenn man aus Cindys strahlendem Gesicht schloss, müsste man sie hier mit Gewalt wegzerren.

"Willkommen auf Risa", begrüßte sie ein junger Mann in etwas formellerer Kleidung und einem Datenpad. "Haben Sie sich schon für eine Unterkunft und ein Programm entschieden oder darf ich Ihnen etwas empfehlen?"

"Für unsere Tochter die Kinderprogramme. Sie soll sie sich selbst aussuchen", erklärte Etienne, "und wir hätten gerne eine Suite im Flower Palace mit allen Extras."

"Gern, es ist alles arrangiert. Ihr Gepäck ist unterwegs. Darf ich einen Assistenten oder eine Assistentin vorschlagen? Sie könnten sich dann direkt an jemanden wenden, den Sie mit allem beauftragen können, was Sie wünschen. Natürlich können Sie sich auch an das Personal wenden."

"Danke, aber wir kommen vorerst alleine zurecht", verneinte Etienne das Angebot, "ich bin schon öfter hier gewesen. Cindy?"

Das Mädchen stand noch bei einigen der jungen Frauen und ließ sich Blumen von ihnen in die Zöpfe flechten.

Sie lächelte und sah fragend auf. "Ja, Daddy?"

"Hübsch siehst du aus. Aber komm, wir wollen zu unseren Zimmern gehen." Etienne hielt ihr die Hand hin. "Nachher hast du dann freie Bahn, alles zu entdecken."

"Oh, das ist toll. Ich kann hier einfach so rumlaufen und ich werde nicht von der Sicherheit abgehalten?"

"Nein, wirst du nicht, außer du verlässt den Planeten, fällst in einen Vulkan oder bist am Ertrinken", brummte A´kebur trocken.

"Und ich kann wirklich alles tun?" Cindy griff Etiennes Hand und sah zu ihm hoch. Dieser lachte. "Ja, außer jemand kommt und verbietet es dir. Aber lass besser die Finger von Getränken, die du nicht kennst. Beim ersten Mal hier habe ich risanischen Feuersekt für Grapefruitsaft gehalten und war fast einen Tag bewusstlos. Gut, dass Harlan mich rechtzeitig gewarnt hat, bevor ich auch noch risanischen Silberpunsch probiert habe."

Cindy kannte natürlich die Geschichten ihres Vaters und wusste, dass der alte Schmuggler Harlan Merryweather Etienne als fünfzehnjährigen Ausreißer unter seine Fittiche genommen hatte. "Versprochen, Daddy." Sie sah zu A´kebur und kicherte leise. "Dir stehen Blumen irgendwie nicht!"

Ihr Pflegevater brummte, was ihr ein noch ausgeprägteres Kichern entlockte. A´kebur nahm die Blumen ab. "Ich bin ein Krieger und keine Blumenvase", beschwerte er sich dann. Er gab Etienne kurzerhand die Girlande. "So, und was jetzt?", fragte er ihn.

"Zum Flower Palace, das schönste Hotel hier. Ich hatte vor, dein Ingenieursgehalt schamlos auszugeben." Etienne grinste und ging voran.

Es war nicht weit.

Zwischen gepflegten Bäumen, mannshohen Blütenstauden, kleinen Plätzen mit Springbrunnen und Bänden und mosaikgeschmückten Gebäuden wanderten sie bis zu einem marmorverzierten Torbogen. Dahinter erstreckte sich ein säulengeschmücktes Gebäude, das direkt aus den alten irdischen Märchen von 1001 Nacht entsprungen schien. Ihre Suite, wie es ihm schien. Überall waren Wasserbecken, seidene Kissen, Spiegel und noch mehr Blumen verteilt.

A´kebur fragte sich, als er das alles mit strategischem Blick erfasst hatte, wo sich ein Trainingsplatz verstecken mochte. Oder ob es den überhaupt hier gab. Er hatte den Verdacht, dass er lange suchen musste.

Aber da es Etienne gefiel, sagte er nichts, sondern folgte artig.

Cindy schmiss sich mit einem Jauchzen in die Kissen und sagte, dass sie erst einmal da bleiben wollte. Etienne gestattete es mit einem Lächeln und so gingen sie allein in den privateren Bereich der Suite, um alles in Augenschein zu nehmen. Hier war alles ebenso üppig, aber dennoch weitläufig genug eingerichtet, um trotz des vorherrschenden Luxus keine Enge auszulösen. Holzjalousien aus Dufthölzern waren auf halber Höhe heruntergelassen, so dass das Licht gedämpft war. Blumen standen in übergroßen Vasen auf den Boden und wurden von Schmetterlingen umflogen. A´kebur sah nach einem prüfenden Blick, dass ihr Gepäck schon ausgepackt und verstaut worden war. So langsam beschlich ihn die Vermutung, dass er außer um etwas zu trinken und zu essen, keinen Handschlag würde machen dürfen. Und selbst das könnte unter den Begriff Arbeit fallen.

Etienne jedenfalls ließ sich mit einem Seufzen auf das große runde Bett fallen, dessen Wassermatratze mit einem gluckernden Geräusch nachgab. "Bevor du mir die Wände hochgehst, es gibt Trainingsplätze. Hier gibt es alles, du musst nur fragen. Also lehn dich bitte auch erst mal zurück", beruhigte er A´kebur stumme Zweifel, ohne auch nur einmal eine gedankliche Anfrage geschickt zu haben.

A´kebur schnaufte kurz. "Ich bin entspannt", murrte er und wusste, dass er log. "Bitte entschuldige."

Etienne zog eine Augenbraue hoch. "Wir sollten uns nachher unten im Blütensalon verwöhnen lassen. Danach BIST du entspannt, versprochen." Er stand wieder vom Bett auf und begann, seine Sache durchzusuchen. Kleidung in Schwarz und Weißtönen war so sehr zu Etiennes zweiter Natur geworden, dass er festgestellt hatte, dass er keine Alternativen dazu mehr im Schrank hatte. Doch Risa verfügte über hervorragende Geschäfte, in denen diesem Problem abgeholfen werden konnte; vorerst blieb er bei einem Anzug in Creme und Beige.

A´kebur stand derweil am Fenster und sah hinaus in den Garten und den Springbrunnen. Die Auseinandersetzung mit den alten Duvals ging ihm nicht aus dem Kopf. Im gleichen Moment, wo er dieses Problem wälzte, dachte er an den Zustand der Dragon. Beides vermischte sich zu einem schwerverdaulichen Knoten in seinem Magen. Finster zog er seine Augenbrauen zusammen, während er seine Schultern unbewusst anzog.

Unvermittelt spürte er warme Hände auf seinen Schultern, die sie leicht kneteten. "Hey. Wir wollten uns entspannen, oder? Was ist los?"

"Äh, nichts. Ich ...", A´kebur schnaufte, "Ich habe an die Dragon gedacht."

"Denkst du, sie sinkt, wenn du nicht da bist?"

A´kebur blinzelte überrascht, dann sah er Etienne verwirrt an. "Das All besteht nicht aus Wasser, in welchem ein Schiff versinken könnte", dozierte er.

"Eben. Also was machst du dir Sorgen?"

A´kebur lächelte schief und hoffte, die Signale auszusenden, die Etienne auch richtig interpretierte. Doch sein Gefährte hatte seine alles umfassende Affinität zur Technik noch nie geteilt und konnte nur bis zu einem gewissen Grad dessen Sorge verstehen. Es musste wohl wie die Sorge um ein Kind sein, schätzte er, und zumindest das konnte er nachvollziehen.

"Komm, gehen wir etwas essen. Aber vorher zieh dir bitte was Dünneres an. Bei der Hitze verbietet sich jede Uniform."

A´kebur trug zwar zivil, aber der dunkle, strenge Anzug gemahnte in seinem Schnitt immer noch an seine Uniform.

Der Blick, den A´kebur an sich herunter gleiten ließ, hieß damit aber auch, dass er den Grund nicht sah, warum er sich umziehen sollte. Doch dann fragte sein Gefährte ihn, was denn für diese Umgebung seiner Meinung nach angemessen schien. Die Auswahl von A´keburs Kleidung war so gering, dass Etienne beschloss, dass nicht nur er allein Kleidung benötigte. Zudem, so erinnerte er sich, besaß A´kebur außer edlen Tuniken von Vulkan, Trainingskleidung sowie einem Kampfdress keine Sachen, die die Bezeichnung Freizeitkleidung verdienten. Der Rest bestand aus Uniformen jeglicher Art für jeglichen Anlass. Also beschloss Etienne die Pläne insgesamt zu ändern. Nachdem sie gegessen hatten, eine Kleinigkeit auf einer der unzähligen Terrassen, machten sie sich auf den Weg zu den Geschäften. A´kebur fiel auf, dass ihn unterwegs immer wieder Blicke von Passanten streiften. Die meisten schienen abschätzend bis einladend.

Sexuelle Einladungen schienen insgesamt vorzuherrschen, wenn er die knapp bekleideten Touristen aus allen Teilen des bekannten Universums richtig einschätzte. Um jedoch weiteren Blicken vorzubeugen, starrte er finster zurück und schaffte es so, etwa zwei Drittel der Bewerberinnen und Bewerber abzuschütteln. Etienne gab vor, davon nichts zu bemerken. Er schickte ihm jedoch eine Verkäuferin auf den Hals, um seinen Gefährten dazu zu bringen, etwas auszuwählen. A´kebur schaute ihn unglücklich an. "Muss das wirklich sein?", fragte er und deutete auf einen bunten Fetzen Stoff, der nicht offenbarte, wie man ihn anziehen sollte und ob er nicht doch einfach nur ein Halstuch war.

"Ja, muss es." Etienne suchte durch unzählige Kleiderständer, während die Verkäuferin A´kebur in die Sachen half. Offenbar hatte man überall an Stoff gespart: Wenn die Hosen nicht zu kurz oder zu eng waren, dann fehlte beim Oberteile die vordere oder hintere Seite. Ärmel schien es gar keine zu geben.

Er sah auf, als er A´kebur seufzen hörte.

Etienne schnappte nach Luft. Der Ausblick war phänomenal. Die Hose saß verdammt eng und sie betonte, was zu betonen war. Darüber saß ein Oberteil in einem schimmernden blauen Stoff, der auf merkwürdige Weise transparent wirkte. Die Verkäuferin bot gerade eine Art Medaillon an und meinte, dass A´keburs Haare mit blauen Steinen, Zöpfen und Bändern bezaubernd aussehen würden. A´keburs Blick auf sie war eindeutig tödlich.

Aber er ließ zumindest zu, dass sie sein übliches Haarband herausnahm, sodass die Locken offen bis zur Taille fielen.

Etienne schluckte und war dankbar, dass seine eigene Hose nicht so eng geschnitten war. Sobald sie den Laden verließen, müsste er vermutlich einen Phaser zücken, um seinen Gefährten zu verteidigen.

"Sieht gut aus", bescheinigte er betont lässig. "Wir nehmen es." Dann wandte er sich hastig ab und kramte weiter zwischen den Klamotten.

Er hörte, wie sich A´kebur abrupt zu ihm umgedreht hatte. Er musste nicht zurückschauen, um zu wissen, dass er im Falle eines Falles jetzt Staub gewesen wäre.

"In Ordnung", flötete die Verkäuferin. "Dann werde ich Ihnen noch einige Stücke in Ihrer Größe ins Hotel liefern lassen und jetzt die Friseuse rufen. Sie wird Ihnen die Haare machen." Mit diesen Worten war sie außer Reichweite getänzelt und rief nach einer Kollegin.

A´kebur fühlte sich umzingelt und wusste, dass keine Waffe der Welt ihn retten konnte. Außer er floh, so schnell ihn seine Beine trugen. Dagegen sprach aber etwas: Er hatte Etienne versprochen, brav mitzuspielen. Also hielt er still und ließ zu, dass eine weitere begeisterte junge Frau an seinen Haaren herumzupfte, nachdem sie ihm versicherte, dass sie nichts abschnitt und nichts, was sie tat, permanent war.

Etienne war derweil auch endlich fündig geworden. Ein dunkelrotes Outfit mit silbernen Nieten, dessen Stoff an einigen Stellen unterbrochen war, um die Illusion des Zugeknöpftseins wieder aufzuheben. Als er A´kebur wieder einsammelte, hatte dieser tatsächlich ein paar blaue Perlen im Haar und die Locken schimmerten wie noch nie. Doch es sah nicht albern aus, im Gegenteil. Ein wenig erinnerte es an einen Indianer, der sich mit einem Inder getroffen hatte.

Wenn A´kebur sich bewegte, dann glitzerten winzige Edelsteine auf und gaben ihm etwas Geheimnisvolles. A´keburs Gesicht jedoch drückte eindeutig Unbehagen aus. Er hatte die Arme verschränkt und wirkte in sich versunken. Erst als Etienne auf ihn zutrat, sah er auf. Für einen Moment wirkte er überrascht, sogar der Adamsapfel hüpfte kurz und verriet mehr als jedes Wort, was A´kebur gerade dachte. Als er jedoch aufstand, war er wieder vulkanisch ausdruckslos. "Lass uns gehen", brummte er und es klang wie die Aufforderung zur überhasteten Flucht, wenn man zwischen den Zeilen las.

Auf der Straße war es allerdings, wie Etienne vermutet hatte. Waren vorher wenigsten ein paar Leute von der finsteren Miene seines Gefährten eingeschüchtert, so schien das jetzt eher ein zusätzlicher Anreiz zu sein. Schließlich war Etienne es leid und legte seinen Arm besitzergreifend um A´keburs Hüfte.

Damit heimste er den nächsten überraschten Blick ein. Soviel Nähe hatten sie sich in der Öffentlichkeit noch nie zugestanden. "Bist du sicher?", fragte A´kebur leise.

"Die Leute sind kurz davor, dich mir wegzuschnappen und wegzuschleppen", wisperte Etienne zurück. "Und da ich mich schon oft genug um dich geprügelt habe, muss es nicht jetzt unbedingt sein."

A´kebur räusperte sich. "Erstens", knurrte er dunkel, "kämpfe ich ganz gut für mich und ich kann mich wehren; zweitens, die Leute hier laufen sowieso vor die nächste Wand, wenn sie weiter ihren Hormonen nachgeben. Und drittens: Magst du nicht mehr um mich kämpfen?"

"Viertens habe ich nichts dagegen, aber wir sind im Urlaub, und da kämpft man nicht. Und fünftens wollte ich nicht schon wieder auf der Krankenstation landen. Seit ich dich kenne, bin ich da Dauergast." Etiennes Grinsen nahm dem Vorwurf die Spitze.

Doch A´kebur presste unwillkürlich seine Lippen zusammen. Im nächsten Moment legte er seinen Arm um Etienne und sah jeden weiteren Bewerber so finster an, dass nun wirklich einer vor eine Wand lief. Die Frauen jedoch wirkten etwas enttäuscht, zuckten aber gutmütig mit der Schulter.

Den Weg zurück schafften sie ohne weitere Zwischenfälle.

Cindy, die inmitten ihrer Spielsachen in ihrem Zimmer der Suite saß, sah ihre beiden Väter kritisch an und beschloss: "Ihr seht ja jetzt endlich wie Urlaub aus!"

A´kebur hockte sich vor sie. "Und, wie müsstest du für den Urlaub aussehen?", fragte er.

"So wie jetzt!" Cindy stand auf und drehte sich. Sie trug ein Kleid mit Blumendruck, und von ihren Haaren war vor lauter Blumen fast nichts mehr zu sehen. Dann griff sie nach A´keburs Haaren. "Die Perlen sehen schön aus. Solltest du immer so machen."

Etienne unterdrückte ein Glucksen. Aber er sprang mit ein, als A´kebur meinte, dass jetzt wohl Zeit fürs Essen war.

"Ich bekomme gleich was im Kinderparadies", erklärte Cindy. "Die nette Frau hat mir schon erzählt, dass es heute ein Feuerwerk gibt und ein großes Begrüßungsfest für uns. Ich werde dann abends zurückgebracht. Darf ich länger aufbleiben?"

"Sicher doch. Es sind ja schließlich Ferien. Aber sei nachher leise, wir schlafen dann sicher schon", meinte Etienne.

"Okay! Bis nachher!" Cindy gab ihren Eltern eine Umarmung, griff ihren Plüschtribble und hüpfte von dannen.

A´kebur sank auf seine Fersen und sah ihr nach. "Etienne, ich glaube, ich weiß nicht, was auf Risa den Leuten so gefällt. Aber sie weiß es und du auch. Ich denke, dass ich euch den Urlaub schwer mache."

"Nein, du brauchst bloß etwas Übung. Komm, gehen wir in den Blütensalon. Schließlich haben wir jetzt endlich mal Zeit für uns." Etienne zog ihn kurzerhand auf die Beine und grinste.

"Hier sind alle so ... Ich weiß nicht", brummte A´kebur. "Läufig?", fragte er.

"Nein, sie sind einfach nur entspannt und locker und wollen alltägliche Zwänge abschütteln. Sie meinen es nicht böse, aber sie wollen sich amüsieren", stellte Etienne richtig. Und je brummiger und steifer du schaust, umso anziehender wirkst du auf sie.

A´kebur blieb abrupt stehen und hielt Etienne fest. "Ich ziehe sie an, weil ich sie abweise? Du bist verrückt. Niemand lässt sich bei Verstand mit jemandem ein, der sie umbringen will, wenn man ihn anfasst."

Etienne verschränkte die Arme und versuchte beleidigt auszusehen. "Ach ja, und was bin ich dann? Ich HABE dich angemacht, obwohl ich wusste, dass du mich lieber umbringen würdest. Und ich bin immer noch bei dir, vergiss das nicht."

"Du bist eine Ausnahme!", brummte A´kebur, wirkte dabei aber nicht annähernd überzeugt. Leiser fragte er: "Heißt das, ich bin nicht überzeugend?"

Etienne musste sich jetzt wirklich auf die Lippe beißen. "Sagen wir, wenn man weiß, wonach man Ausschau halten musst, ist es nicht schwer zu erkennen. Ist das so schlimm?"

"Ich meine es ernst", erwiderte A´kebur. "Ich will nicht, dass sie mich anfassen. Damit ist es schlimm."

"Wenn dir es wirklich zuwider ist, lassen sie dich in Ruhe, versprochen. Immerhin soll man sich hier wohlfühlen. Aber die Massage wirst du dir nicht entgehen lassen wollen."

A´kebur schüttelte den Kopf. "Du verstehst nicht, es ist wichtig." Als er das sagte, änderte sich seine Haltung plötzlich. "Es ist nicht wichtig. Ich bin kein Krieger. Ich bin kein Klingone." Die plötzliche Erkenntnis ließ ihn wanken. Die Leute hier nahmen ihn nicht ernst, weil er kein Klingone war. Sie sahen es ihm an und reagierten daher so.

"Nein, A´kebur. Du könntest Vollklingone oder sogar Nausicaaner sein und man würde dich trotzdem so ansehen, glaube mir. Wir Menschen nennen das Sex-Appeal. Dagegen hilft absolut gar nichts. Und dass du dir dessen selbst nicht wirklich bewusst bist, macht es nicht besser. Andere mit dieser Art Anziehung nutzen es voll aus und werden dadurch zu einem billigen Reiz. Verstehst du?", versuchte Etienne es ihm zu erklären.

A´kebur sah ihn jedoch an wie jemand, der nicht einmal den Ansatz verstanden hatte. "Ich bin ein Mischling", zischte er, "Ich bin alles, aber nicht sexuell so attraktiv, dass sich alle hier wie die Vollidioten verhalten. Sie nehmen mich nicht ernst. Sie denken, dass ich nicht stark genug bin und sie mich daher so herausfordern dürfen. Das ist der Grund! Das ist der einzige Grund!"

"Nein, verdammt. Jetzt hör einmal im Leben auf mich und glaub mir, wenn ich dir das als jemand sage, der damit mehr Erfahrung hat! Man nimmt dich ernst und man hat Respekt vor dir. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass man dir am liebsten auf der Stelle die Kleider vom Leib reißen würde." Etienne blickte einem Gefährten direkt in die Augen. "Aber was kümmert es dich? Ich werde dich bestimmt nicht teilen."

A´kebur schoss prompt das Blut ins Gesicht und färbte zudem die Ohrenspitzen grün. "Ich höre immer auf dich", murmelte er dann betroffen. "Aber, du sagst doch selbst, das Irren menschlich ist."

"Ja, ist es. Aber wenn wir Menschen uns auf unseren Instinkt verlassen, liegen wir selten falsch. Irren tun wir uns nur dann, wenn wir zuviel nachdenken." Sie hatten den hinteren Teil des Hotels erreicht und durchschritten einen Bogen aus Blüten. Das Ambiente dahinter kannte A´kebur bereits vom Holodeck, doch das war nur ein schaler Abglanz.

Er erinnerte sich dennoch sehr gut daran, was sie an diesem virtuellen Ort gemacht hatten. Unwillkürlich hielt er die Luft an. Etienne hatte ihn hier eingefordert und A´kebur... Er wusste nicht, warum er nachgegeben hatte. Unsicher folgte er Etiennes stummer Aufforderung. Im Gegensatz zur Holosuite war das der Ort fast öffentlich zu nennen und darüber konnte ihn auch der Luxus nicht hinwegtäuschen.

Zwei junge Menschen, ein Mann und eine Frau, begrüßten sie und führten sie zu den Umkleiden. Nur mit Handtüchern umwickelt wanderten sie hinüber zu den Wasserbecken. Etienne ließ sich mit einem Seufzen in ein dampfendes Bad sinken und winkte den behilflichen jungen Frauen, sich A´keburs Verspannungen anzunehmen.

Freundlich forderten diese ihn auf, sich ins Becken zu setzen. Geschickt beraubten sie ihn seines Handtuches, bevor er ins milchig-cremig anfühlende Wasser sank. Der Duft war schwer und fast betäubend. A´kebur schloss die Augen und wich nicht einmal aus, als die Frau ihn in einem irritierenden Rhythmus zu massieren begannen. Erst als sie zu ihm ins Wasser glitt, sah er sie an. Doch da sie seinen intimeren Bereichen nicht zu nahe kamen, ließ er sie gewähren. Stumm seufzte er auf, als sie einige besonders hartnäckige Knoten löste. Er blinzelte zu Etienne, der ohne Begleitung dasaß und ihn einfach nur beobachtete. "Und du?", fragte A´kebur.

"Ich genieße den Anblick", schnurrte Etienne und streckte sich. Die junge Frau schmunzelte bei diesem Kommentar und winkte weibliche Verstärkung herbei. Sie hatte schon verstanden, was hier vor sich ging und A´kebur dämmerte es mehr als nur ein wenig. Er ließ die zwei ihn weiter massieren, dann schickte er sie weg, auch wenn er zugeben musste, dass es gut tat und er noch gut und gern ein wenig mehr ihr Geschick genossen hätte. Aber jede Minute länger brachte ihn in Gefahr, sich alsbald nicht mehr bewegen zu können und schon jetzt erfasste ihn eine Trägheit, die ihm sehr bekannt vorkam. So hatte ihn damals Etienne außer Gefecht gesetzt. Entspannung war für ihn gefährlich, konstatierte er. Sehr gefährlich. Jeder Feind konnte ihn jetzt überwältigen und er würde nicht einmal in der Lage sein, seinen Arm zur Abwehr zu heben. Aber in diesem Bad waren keine Feinde, nur sein Gefährte, der zu ihm hinübergeschwommen kam.

"Und, habe ich zuviel versprochen?"

"Du bist ein gefährlicher Mann", flüsterte A´kebur.

"Danke. Das fasse ich als Kompliment auf." Etiennes nasse Finger wanderten übr A`keburs Rücken, der sich dank der Massage noch wärmer als sonst anfühlte. "Verdammt, es ist zu lange her", murmelte er.

A´kebur suchte Etiennes Blick. Dunkle Augen, so nahe wie schon lange nicht mehr. Er liebte das Feuer darin. Er liebte den Menschen, der ihn anschaute. Und es tat weh, so zu lieben. Es war wirklich verdammt lange her; und mit einem Mal tat jede Sekunde allein so weh, als hätte man ihn mit einem Laser in der Mitte geteilt. A´kebur rückte näher, küsste Etienne erst langsam, dann mit aller Kraft, die ihm zur Verfügung stand.

Etienne erwiderte das Sehnen, erging es ihm doch genauso. Er hatte A´kebur in der letzten Zeit schmerzlich vermisst, doch sie waren immer zu müde, zu angespannt, zu beschäftigt gewesen, einander zu genießen. Er erwiderte den Kuss mit Enthusiasmus und schlang seine Arme um A´keburs Taille.

Dieser empfing ihn mit Ungeduld und wartete kein Einverständnis ab. Er senkte die Barrieren in dem Moment, wo er Etiennes Körper vereinnahmte und ihr Versprechen erneuerte. Voller Ungeduld nach der langen Zeit erschöpfte sich ihre erste Vereinigung jedoch so schnell wie eine Kerzenflamme im Sturm.

Schweratmend klammerten sie sich aneinander, während das Wasser leichte Wellen gegen den Rand schlug. "Lass uns bloß nicht wieder soviel anstauen." Etienne küsste A´kebur den Hals entlang und machte sich dann über die Ohren her.

Statt einer verbalen Antwort bekam er dafür ein scharfes Zischen. A´kebur bäumte sich auf und hielt sich hilflos an ihm fest. Etienne spürte, wie sein Gefährte noch mit ihm vereint wieder bereit wurde. "Etienne", stieß A´kebur endlich aus

Dieser zog seinen Gefährten noch fester an sich und biss ihn leicht ins Ohr. Es war jedes Mal aufs Neue ein unvergleichlicher Anblick, wenn A´kebur so vollkommen die Kontrolle verlor und sich fallen ließ. Jenseits allen klingonischen Stolzes und vulkanischer Kühle blieb ein Wesen zurück, dass absolut ehrlich mit sich und seinem Geliebten war. Und diesen Teil an A´kebur liebte Etienne besonders.

Die Zeit verlor ihre Konturen und der Ort wurde bedeutungslos. Waren sie eben noch fast verzweifelt übereinander hergefallen, spielte davon nichts mehr eine Rolle. A´kebur würde wohl niemals ganz die vollkommene Langsamkeit im Liebesspiel beherrschen, doch er war ein gelehriger Schüler gewesen und Etienne bekam mehr als nur eine Kostprobe davon.

Irgendwann beschlossen sie jedoch, aus dem Becken zu steigen, bevor sie dort überhaupt nicht mehr herauskamen. Mit weichen Knien stolperten sie zu den Sitzkissen und bemerkten kaum, dass sie die Handtücher vergessen hatten zu benutzen.

A´kebur schloss erschöpft die Augen. Die Kissen rochen ähnlich betäubend wie das Badewasser und das Öl. Ein wenig anders. Was es war, konnte er nicht sagen. Doch verspannte Muskeln hatte er ganz bestimmt nicht mehr. Etienne glitt an seine Seite, machte es sich an seiner Schulter bequem und strich sanft durch seine Haare. Für den Augenblick waren sie angenehm müde und zufrieden.

"Ich hoffe, Risa ist langsam mehr nach deinem Geschmack", murmelte Etienne.

"Mhm", antwortete A´kebur wortarm.

"Ich nehme das als ein Ja!" Etienne küsste seinen Klingonen aufs Ohr.

"Mhmmm …" A´kebur seufzte, blinzelte und versuchte sich gegen Etienne zu wehren. "Wo… empfindlich …", versuchte er einen Satz zu formulieren.

"Hm?" Etienne brauchte einen Moment, um zu begreifen, was A´kebur ihn fragte. Dann schmunzelte er. "Ich dachte eigentlich, das wüsstest du langsam. Zeit genug es herauszufinden hattest du ja wohl."

"Nicht so … effektiv!" A´kebur rollte sich auf die Seite, um das eine Ohr zu schützen. "Nicht so effektiv. Unfairer Vorteil."

Etienne grinste wie eine Katze am Sahneteller. "Oh, ich bin genauso schwach zu machen, wenn du die richtigen Mittel anwendest. Ansonsten sei froh, dass niemand weiß, wie einfach man dich zahm bekommen kann!"

A´kebur schaute ihn böse an. Aber er hatte Mühe, seine Gesichtszüge zu kontrollieren, so dass er einfach wieder aufgeben musste. Kurzerhand packte er jedoch Etienne im Schritt und massierte ihm die Hoden. "Dann so", knurrte er.

Etienne stöhnte auf. "Vorsichtig damit, die brauch ich noch …" Vielmehr brachte er dann aber nicht an zusammenhängenden Worten über die Lippen. A´kebur war nach dem ersten groben Angriff sanfter geworden. Er hatte nicht vor, Etienne weh zu tun. Noch immer fehlte es ihm an dem, was Etienne einmal als Finesse bezeichnet hatte. Er verstand in der Technik und auch vom Verstand her die Bedeutung des Vorwurfs. Aber in Momenten wie diesen vergaß er alles schnell wieder. So schwang ein Hauch Entschuldigung in seinem Kuss. Er ließ Etienne kommen und fing ihn auf. Fast ein wenig ungewohnt fürsorglich.

Sein Gefährte klammerte sich an ihn und rang nach Atem, dann lächelte er A´kebur an. "Soll ich dir sagen, was meine empfindlichste Stelle ist? Du bist es."

A´kebur sah ihn sprachlos an. Im nächsten Moment umarmte er ihn heftig. "Du bist die meine", gestand er leise ein. A´kebur war kein Mann großer Worte, aber wenn er dann doch die richtigen fand, hätte Etienne vor Glück und Liebe platzen mögen.

Mit diesem Gedanken fanden sie beide Ruhe für diese Nacht. A´kebur schlief in Etiennes Armen ein, bis dieser ihm nur wenig später folgte. Am Morgen jedoch wurden sie aus ihrer intimen Ruhe aufgestört. Das Personal des Hotels störte sie zwar nicht auf, aber sie waren äußerst neugierig, wie sie durch die Fenster in den Pavillion schauten.

"Hübsche Männer", wisperte eine Frauenstimme.

"Wirklich schöne Männer", wisperte eine andere. "Diese Muskeln und die Haut. Die ist sicher wie Seide."

"Eigentlich erstaunlich. Klingonen sollen ja harte Männer sein. Und menschliche Männer neigen oft zu Körperbehaarung. Aber die sind bei allen Göttern äußerst hübsch gelungen."

Etienne hatte die Unterhaltung im Halbschlaf mitbekommen und musste grinsen. Vorsichtig richtete er sich auf, ohne A´kebur zu stören. "Ladies, wenn Sie so freundlich wären, uns unsere Kleidung zu holen?"

Prompt antwortete ihm Kichern. "Aber gern der Herr. Wir werden frische Sachen besorgen, wenn es recht ist. Uns ist es ein Vergnügen."

"Das glaube ich Ihnen!" Etienne grinste und wartete, bis ihm die Kleidung gebracht wurde; A´kebur musste ja nicht mitbekommen, dass er schon wieder angegafft wurde.

Dieser hatte sich ein Kissen gegriffen und es zusammengestaucht. Aber er war noch lange nicht wach, wie Etienne wusste. Die Frauen huschten gut gelaunt davon und kurz darauf kamen sie mit zwei säuberlich gefalteten Stapeln Sachen zurück. Sie legten sie ab und gingen dann wieder.

Etienne zog sich leise an, weil er es noch nicht übers Herz brachte, A´kebur zu wecken. Er schickte jedoch eine kurze Nachricht an Cindy, damit sie sich nicht wunderte, wo ihre Väter geblieben waren. Sie würden sich jedoch zu einem verspäteten Frühstück wieder einfinden.

Als er die Verbindung unterbrach, rührte sich A´kebur verschlafen und immer noch sehr entspannt. Kein Vergleich zu dem Chefingenieur, der wie von einer Feder aufgezogen aus dem Bett sprang, unter der Dusche verschwand, einen kaum vom Replikator ausgeworfenen Kaffee hinterstürzte und dann in den Maschinenraum entschwand. In der letzten Zeit war das sehr häufig passiert und Etienne hatte den Eindruck gewonnen, dass A´kebur dem kurz darauf folgenden Streit entfloh, der regelmäßig nach dem Aufstehen von Cindy anstand. Sie hatten in letzter Zeit häufiger gestritten. Einmal hatte er die zwei nebeneinander sitzen gesehen, und gehört, wie sie sich darüber unterhielten und A´kebur einfach fragte, warum Cindy sich so oft mit ihrem Vater stritt.

Cindy hatte geantwortet: "Daddy meint immer, dass ich dies oder das nicht darf und ich vorsichtig sein soll. Dabei erlaubst du mir viel mehr! Warum ist er so ängstlich?"

A´kebur hatte überlegt, als sie das sagte. Dann hatte er gesagt, dass die kulturellen Unterschiede mitunter etwas größer sind, als man glaubt. Bei beiden seiner Familien wird der Nachwuchs nicht so stark vor allen möglichen Dingen geschützt, wie es bei den Menschen der Fall ist. Wenn die Kinder verletzt sind, dann werden sie behandelt und dann schickt man sie wieder los, bis sie gelernt habe, in einer Umgebung, die ihnen feindlich gesonnen ist, nicht nur zu überleben sondern sich sogar heimisch fühlen zu können. Menschen sehen das in weiten Teilen ihrer vielfältigen Kultur nicht so, auch wenn A´kebur herausgefunden hatte, dass es Menschenstämme gab, die es ähnlich handhabten.

Cindy hatte daraufhin die Nase gekraust und war erst einmal zufrieden gewesen. Und als Etienne sich das nächste Mal mehr zurückgehalten hatte mit seiner Sorge, hatte Cindy auch weniger protestiert.

Seitdem war es besser geworden. Hier auf Risa konnte Cindy absolut nichts passieren.

Sofern nicht A´kebur doch noch irgendwo ein Bat’leth eingepackt hatte.

Jetzt blinzelte A´kebur ihn an und wirkte fragend. "Was ist?", murmelt er dann.

"Nichts weiter, nur Morgen. Magst du aufstehen, dann gehen wir frühstücken." Etienne konnte nicht umhin, seinen Gefährten ein wenig versonnen anzulächeln. Eine Nacht wie diese konnten sie öfter gebrauchen.

Sonst entglitten sie einander, weil der Tag sie auffraß. Sie würden zwar letztlich nie wirklich einander verlieren, aber das Gefühl war ähnlich. A´kebur schnaufte kurz und befreite sich mehr oder weniger geschickt aus den vielen Kissen. "Dekadent", murmelte er dabei.

"Gib zu, du hast es genossen", zog Etienne ihn auf und reichte ihm seine Kleidung.

A´kebur entging nicht, dass es nicht die vom Vorabend war, fragte aber nicht nach. "Natürlich habe ich es genossen. Du auch."

Das hatte er allerdings. Nachdem A´kebur sich angezogen und seine Haare geordnet hatte, kehrten sie zur Suite zurück. Cindy begrüßte sie strahlend. "Es war so toll gestern! Wir haben ein Feuerwerk angeguckt und jede Menge Essen bekommen! Mit Lilapudding! Und die anderen Kinder sind ganz nett! Heute gehen wir auf Schatzsuche!"

"Das ist schön, Häschen." Etienne strich ihr die zerzausten Zöpfe glatt.

Er zuckte kurz zusammen, als sich A´keburs und seine Finger berührten. Aber irgendwoher hatte sein Gefährte einen Kamm hergezaubert und begann Cindys Haare zu kämmen und neu zu flechten. "Was für einen Schatz sucht ihr denn?", fragte A´kebur Cindy.

"Den Schatz des Blumenvolks!", erzählte Cindy und griff sich vom Tisch ein Brötchen; Frühstück war bereits breitgestellt worden. "Hier haben früher geheimnisvolle Leute gelebt und sie haben Schätze hinterlassen. Und wir dürfen sie heute suchen!"

Etienne schmunzelte. Offenbar hatte Cindy seinen Entdeckerdrang geerbt. "Dann wünsche ich dir viel Glück heute. Du findest ganz bestimmt den Schatz!"

"Oh ja!" Plötzlich horchte sie auf, als quer durch den Saal ihr Name gerufen wurde.

"Ich muss weg!", sagte sie hastig und rutschte von ihrem Stuhl. Das Brötchen jedoch nahm sie mit. "Hab euch lieb!", rief sie noch, aber ohne sich umzusehen, dann war sie mit einem Haufen anderer Kinder aus dem Saal hinaus gerannt.

"Risa ist ein Abenteuer für menschliche Kinder", brummte A´kebur und fragte sich im Stillen, ob er hier auf Risa Gagh bekam.

"Nicht nur für sie. Hier sind sogar Klingonen und Vulkanier und deren Kinder. Und sonst alle anderen Völker, die man sich vorstellen kann. Solange sie friedlich sind, sind sie willkommen." Etienne nahm sich ebenfalls Frühstück. "Und, was möchtest du heute tun?"

Er stutzte, als A´kebur ihn verblüfft ansah. "Was ist?", fragte er.

"Vulkanier sind hier auf Risa?", fragte A´kebur seinerseits.

"Ja. Sie tun so, als würden sie hier Forschung betreiben und die hiesige Flora untersuchen, aber ich glaube, sie suchen nur nach einem Vorwand, doch Urlaub zu machen."

"Glaube ich nicht", brummte A´kebur skeptisch.

"Doch. Du kannst ja die Augen offen halten", meinte Etienne schmunzelnd.

"Mhm …" A´kebur zuckte unbestimmt mit der Schulter. "Nun, wir könnten ja diese Vulkanier suchen. Obwohl, sie werden nicht erfreut sein, wenn ich meine Erfahrungen mit ihnen zugrundelege."

"Das mag sein. Aber willst du sie wirklich treffen? Die surakgetreuen Vulkanier werden wie üblich arrogant sein und die "Ketzer" wollen dich vermutlich nur vom rechten Weg abbringen. Ich würde es lassen."

A´kebur sah ihn misstrauisch an. "Du bist ein Anhänger Suraks?", fragte er.

"Bitte was?" Etienne lachte ungläubig. "Ich habe nichts gegen den alten Surak, aber ich war von je her gegen jede Form von Extremismus. Und selbst wenn Vulkanier der Logik abschwören, tun sie das auf eine Art, die jeden gesunden Verstand ausschließt."

"Nun, dann verstehe ich nicht, warum du so besorgt bist, dass ich von Suraks Weg abkommen könnte, wenn ich diesen noch nie in meinem Leben gegangen bin."

"Nein, aber die Typen können lästig sein, wenn sie denken, dass du Surakanhänger bist. Und wir wollen doch eigentlich ausnahmsweise mal keinen Ärger, oder?" Etienne musterte A´kebur von der Seite. Dessen Mundwinkel zuckten verräterisch und Etienne hatte das Gefühl, eine der seltenen Humoranfälle A´keburs zu erleben. Doch ehe er nachhaken konnte, hatte dieser sich erhoben.

"Meines Wissens sind wir hier, weil du das Meer von Risa sehen willst. Du hattest damals so etwas gesagt. Soll ich zitieren?"

"Ja, ich liebe das Meer von Risa. Eigentlich hatte ich überlegt, es aufzusparen, damit wir Cindy mitnehmen können, aber wir können ja mehrmals hinfahren. Ich ordere ein Lunchpaket; dort gibt es nämlich keine Touristengeschäfte mehr. Der Strand ist so lang, dass jeder, der dort hinkommt, denkt, er sie der einzige Besucher."

Die Sehnsucht war unverkennbar und A´kebur sah ihn nur stumm an. Er verstand. Also gingen sie gemeinsam zur Rezeption und sie bekamen prompt einen Korb mit Lebensmitteln sowie ein Fahrzeug, mit dem sie bequem an ihr Ziel gelangen konnten. A´kebur überließ Etienne das Steuer, er wollte die Umgebung betrachten und vielleicht entdeckte er einen dieser merkwürdigen surakgetreuen Anhänger, die angeblich auf Risa waren, und behaupteten, wissenschaftlichen Arbeiten nachzugehen.

Doch er sah im Vorbeifahren niemanden von ihnen. Klingonen waren wirklich da und noch einige andere Vertreter von Völkern, die nicht für ihre Friedlichkeit und Urlaubsbegeisterung bekannt waren.

Die Luft wurde frischer und roch leicht nach Salz, was zusammen mit dem Blumenduft ein betörendes Potpourri ergab. Etienne parkte das Gefährt unter ein paar palmenartigen Bäumen, griff den Picknickkorb und verließ den Weg. Nach ein paar Momenten lichteten sich die Bäume und sie erreichten das Meer. Der Sand war silberweiß und fein, und grünliches Wasser schlug in kleinen Wellen gegen den Strand. Etienne atmete tief durch und schloss die Augen.

Er hörte den Sand, der unter A´keburs nackten Füßen auseinandergetrieben wurde. "Ich frage mich", murmelte er, "warum du niemals auf einem der zahlreichen Wasserplaneten dein Auskommen gesucht hast. Das Meer liegt dir im Blut, aber du fliegst zwischen den Sternen."

"Das Meer hat irgendwo seine Grenzen, und in unserer Zeit hat man es mit der Technik vollkommen erobert. Der Weltraum bietet wenigstens noch Geheimnisse. Auch wenn er nicht so wunderbar riecht." Etienne lächelte A´kebur an. "Viele meiner Vorfahren waren Seefahrer, doch irgendwann erlosch der Entdeckerdrang in meiner Familie. Mein Bruder und ich sind quasi die ersten seit Jahrhunderten, die wieder einen Fuß vor die Haustür setzen wollten."

"Die übrigen sind so wie es deine Eltern sind: Bodenverbunden." A´kebur verschränkte die Arme. "Bereust du, wie es gekommen ist? Ich meine, würdest du etwas anders tun, wenn du die Macht hättest."

Etienne schüttelte den Kopf. "Nein. Es lief nicht immer alles so, wie es sollte oder wie ich es mir gewünscht habe, aber ich denke, dass nur das Ergebnis zählt. Wäre ich zuhause unter der Bettdecke geblieben, dann hätte ich weder dich noch Cindy."

A´kebur atmete tief durch. "Du willst sagen, dass es perfekt für dich ist. Du dich nicht manchmal fragst, was du hier tust. Warum du ein Quartier mit mir teilst, warum du die Schikane deines Vorgesetzten erträgst …"

"Ich dachte, das hätten wir alles schon. Ich mache das für euch. Ich will mit euch beiden zusammen sein, und das ist die beste Lösung. Du kannst das tun, was du am besten kannst, Cindy ist gut aufgehoben. Und immerhin kann ich reisen. Ich darf neue Orte entdecken helfen." Etienne zog seine Jacke aus.

"Es hört sich wie ein fauler Kompromiss an", meinte A´kebur. "Du machst es für uns. Nein, ich glaube nicht, dass du glücklich bist."

"Und was soll ich machen? Einfach gehen? Nein, A´kebur. Ich habe meinen Frieden mit meinem Leben gemacht. Ich will nicht wieder auf der Flucht sein, allein, die ganze Welt gegen mich. Denn das wäre die einzige Alternative, wenn ihr nicht wärt." Etienne ging ein paar Schritte auf das Wasser zu. "Und ich will nicht mehr ohne euch beide sein."

Die Worte waren hart über Etiennes Lippen gekommen. Er schwieg und auch A´kebur sagte nichts mehr. Keiner wusste, was er noch sagen sollte. Nur das Meer rauschte und enthob sie nur scheinbar davon, das Gespräch weiter fortführen zu müssen. "Ich habe darüber nachgedacht", sagte A´kebur nach einer Weile.

"Ich muss auf keinem Schiff sein. Auf keinem Raumschiff. Wir können auf einen Planeten, der dir gefällt. Cindy wird ganz normal aufwachsen."

Etienne lachte leise. "Was soll ich auf einem Planeten? Stellst du dir uns allen Ernstes mit Haus und weißem Gartenzaun wie bei meinen Eltern vor? Nein, wir beide würden die Wände hochgehen und Cindy vermutlich auch. Sie ist mir -uns- da zu ähnlich."

"Und dennoch leidest du", schloss A´kebur gnadenlos.

"Nein, ich bin gestresst und urlaubsreif und wir haben uns in den letzten Wochen das Leben gegenseitig nicht leicht gemacht. Das ist alles." Etienne atmete tief durch und ging bis zum Wasser. Das Meer war warm und weich an seinen Füßen.

Ungewohnt zurückhaltend kam A´kebur näher, berührte seine Schultern, dann begann er sie zu massieren. "Ich glaube, dass es meine Schuld ist. Aber ich bin nicht gut darin, so etwas zu erkennen."

"Nein, es ist nicht deine Schuld. Wenn überhaupt, dann meine, weil ich falsch konstruiert bin für die Welt, in der wir leben. Aber ich will es nicht anders. Wirklich nicht." Etienne legte den Kopf zurück, seufzte leise und genoss.

Er wusste nicht, dass A´kebur unglücklich aussah. Sein Gefährte hatte seine Barrieren fest verschlossen. Aber A´kebur wusste, dass er so nichts erreichte. Etienne war ein ähnlicher Dickschädel wie er selbst. Er ließ seine Hände sinken und legte sie auf die Taille von Etienne. "Gut, dann bist du schuld“, sagte er trocken. Er konnte nicht ganz verhindern, dass er verärgert klang.

"Lass uns das Thema wechseln", war Etiennes einzige Antwort. Was brachte es, sich gegenseitig unglücklich zu machen? Er konnte und wollte A´kebur nicht überreden, Starfleet zu verlassen. Und Cindy brauchte ein stabiles Zuhause. Etienne drehte sich in A´keburs Armen und küsste ihn einfach.

Die Antwort war ein wenig ungestüm. "Tut mir leid", flüsterte A´kebur leise, als sie sich atemlos ansahen. "Aber ich verstehe, was du fühlst und ich weiß, was du fühlst."

"Ich auch. Deswegen ist es doch gut." Etienne lehnte sich an ihn und schloss die Augen. Unvermittelt zog er A´kebur nach vorne und mit einem Platschen landeten sie im Wasser. Die warmen Wellen umarmten sie. Etienne grinste, denn A´keburs Augen waren für Sekunden groß, ehe sie sich schlossen, um das Wasser abzuhalten. Im nächsten Moment entbrannte eine Wasserschlacht. A´kebur wusste sich entsprechend zu revanchieren und bald war es Etienne, der herumprustete und sich fragte, ob Menschen Kiemen entwickeln konnten.

Immer wieder tauchten sie unter und versuchten sich zu fangen, doch schließlich hielten sie lachend und schweratmend inne und beschlossen Waffenstillstand.

Etienne griff zu den Verschlüssen von A´keburs Hose. A´kebur hatte das Gefühl, als wollten sie alle Zeit nachholen, die sie auf der Dragon nicht gehabt hatten. Augenblicklich hatte er wieder das Unbehagen, dass hier nicht wirklich alles vollkommen war. Etienne würde niemals zufrieden sein, niemals zufrieden sein können. Alles war ein Kompromiss. Es ging ihm gut, sie hatten einander, sie hatten eine Familie und doch blieb für immer etwas, was Etienne auf Zehn Vorne an den Fenstern stehen ließ, um dort für Minuten, mitunter Stunden in das Weltall zu schauen, ohne wirklich etwas zu sehen.

Doch was sollten sie im Augenblick tun? Die Dragon war die beste Lösung, die ihnen beiden zufriedenstellende Tätigkeiten verschafften und Cindy ein gutes Umfeld bot. Und Etienne stand nach wie vor unter Bewährung. Er durfte kein eigenes Schiff besitzen und den Föderationsraum nicht verlassen.

"Hey." Etienne riss seinen Gefährten aus seinen Grübeleien, in dem er ihn zwang ihn anzusehen. "Vergiss es, ja?"

"Wie sollte ich das vergessen? Ich hatte gehofft, dass ich dir helfe. Dass ich uns allen helfe. Aber dem ist nicht so. Ich will eine Lösung für uns beide und ich werde alles tun, was ich kann. Das schwöre ich, bei Kahless."

"Und was? Ich sehe da keine Alternative. Es wird immer etwas geben, das nicht für uns alle ideal ist. Ich sagte doch, weder du noch Cindy können was dafür, dass ich mit dem Universum ein Problem habe."

A´kebur wich zurück, schüttelte seine Haare aus und stapfte aus dem Wasser. "Dann werde ich das Universum ändern", rief er verärgert.

"Jetzt warte doch mal! A´kebur!" Etienne folgte ihm zurück an den Strand. "Was willst du denn machen?"

"Ich weiß es nicht. Aber ich werde es herausfinden. Ich werde herausfinden, wo dich das Universum drückt und ich werde es beseitigen, Etienne. Und sag mir nicht, dass es unlogisch ist. Es ist mir egal. Du fühlst dich gut, wenn du mit Cindy streitest, auch wenn es für mich unlogisch ist und ich eher denke, dass es besser ist, das nicht zu tun. Du fühlst dich schlecht, wenn ich mit Cindy kämpfe, aber du wirst mich dennoch immer dabei unterstützen. Es gibt also immer einen Weg, der nicht logisch ist. Also werde ich hier auch einen finden. Die Menschen sagen, wenn der Weise nicht zum Berg will, dann muss der Berg zum Weisen. Kann auch sein, dass das jetzt anders ging. Aber du weißt, was ich meine."

"Aber hier geht es erstens um Föderationsgesetze, zweitens um deine Karriere und drittens um Cindys Zukunft! Selbst wenn ich die Dragon verlassen und auf eigene Faust reisen dürfte, würde man mir Cindy sofort wegnehmen, verstehst du?", versuchte Etienne es ihm klarzumachen.

"Oh, ich verstehe!", rief A´kebur und drehte sich aufgebracht zu ihm. "Ich verstehe es. Aber ich verstehe noch sehr viel mehr. Ich werde dich verlieren."

"Nein, wirst du nicht." Etienne griff nach dessen Oberarmen und hielt ihn fest. "Du wirst mich nie verlieren, hörst du? Egal was passiert."

A´keburs Blick war verzweifelt. Er schüttelte den Kopf und hob hilflos die Hände.

"Jetzt hör mir mal bitte zu. Du kannst nichts tun, wirklich, außer für mich und Cindy da zu sein. Niemand ist dazu bestimmt, ein perfektes Leben zu führen und man kann nicht alles haben, was man sich wünscht. Ich könnte jetzt auch in einer Reha-Kolonie sein, vollgestopft mit Drogen. Ich könnte tot sein. Ich könnte noch in Torans Kerker sein. Aber das bin ich alles nicht. Dank dir."

A´kebur senkte die Schultern. "Du gehörst zu mir - tiefer und inniger als je ein Wesen zu mir gehören könnte. Ich habe geschworen, dich zu schützen und das werde ich tun. Selbst wenn ich jetzt noch nicht weiß, wie. Und auch wenn du sagst, dass es undankbar ist. Das meinst du doch? Ich sollte nicht soviel fordern."

"Du? ICH sollte nicht soviel fordern, darum geht es! Ich kann nicht noch mehr von dir verlangen, hörst du? Und ich will nicht, dass du unser jetziges Leben riskierst, nur, weil ich komische Anwandlungen habe!" Etienne drückte A´keburs Arme fester und sah ihn eindringlich, fast bittend an.

Eine Ewigkeit schien dieser einen Kampf zu fechten, ehe er nachgab und die Spannung nachließ. Jederzeit hätte er sich gegen die Umarmung wehren können, doch er berührte mit seiner Stirn Etiennes und schloss die Augen.

Etienne lockerte seinen fast brutalen Griff und zog A´kebur stattdessen sanft an sich. Für einen Moment meinte er, Tränen in A´keburs Augen zu sehen. Doch Klingonen hatten keine Tränendrüsen und Vulkanier würde man nicht mal im Tod weinend erwischen und ob A´kebur weinen konnte, wusste er nicht. Er hatte ihn noch nie weinen gesehen. Etienne schloss die Augen und glaubte für den Moment, dass sein Gefährte Tränen für ihn vergießen konnte. Es gab kein größeres Zeichen der Hingabe.

Sie blieben sehr lange so stehen. Die Barrieren von A´kebur waren schon lange nicht mehr aufrecht und insgesamt so löchrig wie ein Schweizer Käse.

Etienne fragte sich, wie er je A´kebur davon überzeugen konnte, dass sein Kampf ein Kampf gegen Windmühlen war. Er hatte mehr, als er je erhofft hatte und er lebte ein Leben, welches ihm eigentlich nicht zustand. Nur A´kebur duldete keine Schatten. Zumindest keine Schatten auf dem Leben seines Gefährten. Vielleicht mit Geduld und vielleicht mit ein wenig mehr Aufmerksamkeit konnte es ihm gelingen, die Zweifel an ihrem Glück zu beseitigen.

A´kebur sog geräuschvoll Luft in seine Lungen und sah ihn betreten an. "Ich bin ganz bestimmt kein Klingone", murmelte er betreten. "Ich fühle mich schwach wie ein Neugeborenes."

"Schwäche zuzugeben ist die Größte aller Stärken", gab Etienne zurück und lächelte leicht. "Komm. Machen wir es uns gemütlich. Oder willst du schon zurück?"

A´kebur verneinte: "Ich will nirgendwohin."

"Na dann." Etienne zog ihn zu ihrem Picknick Korb und holte eine Decke, die er ausbreitete, sowie Handtücher hervor. Eins davon reichte er A´kebur. "Hier. Trockene Sachen haben wir nicht dabei, aber was soll's. Es ist ja warm." Dem Kommentar folgte ein anzüglicher Blick.

A´kebur lachte leise. Er zog die feuchte und sandige Tunika aus, entledigte sich auch der Hose. Er streckte sich in den Sand und beobachtete Etienne.

Dieser schälte sich ebenfalls aus seinen Sachen, hängte sie über die nächstbeste Palme und suchte dann das Essen heraus. Es bestand vor allen Dingen aus Obst, das duftend und saftig war. Er wählte einen risianischen Apfel. "Hier, wenn du kleckerst, werde ich es wohl ablecken müssen", meinte er grinsend.

A´kebur ging nur zu gern darauf ein. Etienne wollte jetzt nicht daran denken, also würde er es auch nicht tun. Er nahm eine der Früchte und sah sie interessiert an. Er kannte diese nicht, aber er biss erst einmal hinein, um dann irritiert abzulassen. "Gibt es ein Messer da drin?", fragte er.

"Ja, hier." Etienne reichte ihm eins, nahm sich dann selber eine Frucht und machte es sich dann neben A´kebur bequem. Er blieb aber auf der Decke. Sandige Hintern waren nicht sein Fall.

A´kebur hatte jedoch nur Aufmerksamkeit für die widerspenstige Schale. Er fragte sich, ob nicht doch noch ein anderes Werkzeug in dem Korb verborgen war. Wahlweise konnte er auch einen Werkzeugphaser einsetzen. "Hast du eine Idee?", fragte er Etienne, als er dessen Belustigung spürte. Mittlerweile hatte er die Vorstellung gewonnen, dass die Schale eine Sollbruchstelle haben musste. Was machte sonst diese Frucht für einen Sinn, wenn man nicht an den Inhalt herankam?

Dieser schmunzelte. "Schüttel sie leicht, und dreh dann am Stil." Er demonstrierte es an seiner eigenen Frucht, und sie klappte wunschgemäß auseinander in fertigen Spalten. "Risa-Äpfel. Ich kenne nichts Benutzerfreundlicheres."

A´kebur sah ihn finster an. "Und warum gibst du mir das Messer, wenn es sinnlos ist?", fragte er.

"Weil du ohne Werkzeug doch nicht glücklich bist." Etiennes Grinsen wurde breiter. "Jetzt iss lieber auf, bevor sie Beine bekommt."

"Häh?" A´kebur riss die Augen auf. Heftig schüttelte er seinen Apfel und drehte dann am Stiel. "Läuft nicht weg", murmelte er.

"Ich necke dich doch nur." Etienne sah zu, wie A´keburs Obst wunschgemäß auseinander klappte. Dann wurde er wieder ernst. "Ich habe noch mal nachgedacht, seit wir bei meinen Eltern waren. Ich hätte gerne, dass du ebenfalls das Sorgerecht für Cindy hast. Ganz offiziell."

A´kebur sah überrascht auf. "Das ist …" Er stoppte, weil er nicht wusste, was er sagen sollte.

"Wäre das ein Problem für dich? Ich will dich nicht zwingen, aber sie wäre einfach besser abgesichert."

"Kein Problem für mich", erwiderte A´kebur. "Aber, wenn ich sie annehme, dann ist sie sowohl mit einem kompletten Clan auf Qo’noS als auch mit einer altehrwürdigen Familie auf Vulkan verwandt. Meinst du wirklich, dass das alles für sie vereinfacht?"

"Sie ist vor allem mit dir dann verwandt, darum geht es. Und ich glaube kaum, dass deine Familien Interesse an ihr haben, oder? Von daher macht das nichts." Etienne sprach es nicht laut aus, aber die Idee, A´kebur mit in die Pflicht zu nehmen, kam ihm vor allem bei dem Gedanken daran, was mit Cindy passieren würde, wenn er eines Tages nicht mehr da wäre. Und bei seinen Eltern wollte er das Mädchen auf keinen Fall wissen. Nicht, dass Etienne glaubte, in den nächsten zehn Jahren zu sterben, aber sein Leben war immer so unsicher gewesen und er spürte deutlich, dass er keine zwanzig mehr war. A´kebur hingegen blieb noch lange jung und würde es noch sein, wenn man Etienne begrub.

Er hörte A´kebur lachen, halb verborgen hinter den langen Haaren. "Sie werden kein Interesse anmelden", versprach er, "aber sie werden mit jeweils unterschiedlichen Gründen entsetzt sein. Vulkanier, die einen Menschen in der Familie haben, der nicht nur angeheiratet ist und Klingonen, die Menschen sowieso als einen Scherz des Universums betrachten."

"Was soll's? Ich meine, es ist nur konsequent, wenn du sowieso schon die Familienehre mit einem menschlichen Gefährten ruiniert hast. Da fällt ein Kind auch nicht mehr ins Gewicht", konterte Etienne aufreizend logisch.

A´kebur sah auf. "Es steht außer Frage", sagte er. "Sie ist meine Tochter. Die Formalitäten sind nur Formalitäten, damit auch die Bürokraten wissen, dass sie meine Tochter ist."

"Das meine ich. Es wäre mir wichtig." Etienne schob sich ein Stück Obst in den Mund.

"Dann brauchen wir weiter kein Wort darüber verlieren. Wir werden den Captain davon in Kenntnis setzen. Vielleicht kann sie auch ein gutes Wort einlegen, damit es nicht allzu lange dauert."

"Danke." Etienne sah A´kebur an und fühlte sich erleichtert. Schweigend aßen sie zuende und beobachteten, wie die Sonne über den Horizont kroch. Die Tage waren hier sehr kurz und es würde schon bald dunkel werden. Schließlich stand Etienne auf und ging wieder Richtung Wasser. A´kebur folgte ihm.

Unvermittelt bekam er einige Spritzer Wasser ab, bevor Etienne in den Wellen verschwand. Gleich darauf umarmte ihn dieser von hinten. "Hab dich", wisperte er.

A´kebur packte ihn, wirbelte ihn herum und fing ihn auf. "Ich habe dich auch", sagte er und er meinte es, wie er es sagte.

Etienne lachte. "So, glaubst du? Fang mich doch." Damit war er wieder weg.

A´kebur grinste unheilvoll. Im nächsten Moment war er auf der Jagd und er machte sich den Spaß, Etienne immer wieder entkommen zu lassen. Es war ungemein befriedigend, den Menschen durchs Wasser zu jagen. Es war warm und angenehm, und A´kebur spürte, wie seine Anspannung, die von mangelndem Training kam, langsam nachließ. Es tat gut, wie ein Kind herumzutoben. Schließlich ließ Etienne sich von ihm fangen und A´kebur bekam einen stürmischen Kuss zur Belohnung.

"Du schmeckst salzig", sagte er ohne dass es eine Beschwerde gewesen wäre. "Ich will mehr von dir", wisperte er.

"Ach ja? Und, was wenn ich mehr von dir will?" A´kebur bekam einen leichten Klaps auf seinen wohlgeformten Hintern.

"Mhm, dann musst du darum kämpfen", sagte A´kebur stolz.

"So? Nichts leichter als das." Etienne zog ihm die Beine weg und stürzte sich auf ihn. Sie waren wieder im seichteren Wasser, sodass sie nicht mit dem Kopf untertauchten.

A´kebur jedoch erwies sich als guter Kämpfer. Er nahm Etiennes Bewegungsmoment und warf ihn über sich. Wie ein Raubtier kam er über ihn, küsste ihn harsch und versuchte ihn so festzuhalten, dass er nicht entkommen konnte.

Doch das Wasser war Etiennes Element. Er wand sich aus A´keburs Griff; die Haut war glitschig genug dafür. Er warf seinerseits A´kebur um und drückte seinen Oberschenkel gegen dessen Schritt.

A´kebur knurrte. Minuten rangen sie miteinander, aber Etienne schaffte es, A´kebur so zu reizen, dass dessen Bewegungen immer etwas fahriger wurden. Seine Geheimwaffe wollte er erst zum Schluss aufheben. Dafür war das Gerangel einfach zu schön.

Doch schließlich beugte er sich hinunter und begann an A´keburs Ohr zu knabbern. Gleichzeitig rieb er sich an dessen Unterleib. Weicher Sand gab unter ihnen nach, während sich A´keburs Körper unter ihm wölbte. Sollte sein Gefährte jemals Hingabe erlernt haben, so war es in Momenten wie diesen, wo sein Körper besser als der Verstand wusste, was gut für ihn war. Und in Momenten wie diesen war seine Hingabe perfekt.

A´kebur grollte tonlos und versuchte mit fahrigen Händen noch immer die Kontrolle zu erlangen, doch bald hielt er sich nur an Etienne fest, streichelte ihn, küsste ihn, während er sich Stück für Stück verlor.

Doch Etienne hatte sicher nicht vor, hier einen Schritt weiterzugehen. Sand konnte ziemlich unangenehm werden. Er zog A´kebur hoch und schob ihn Richtung Decke, wo sie es doch etwas bequemer hatten. Etienne kramte in seiner Jackentasche und holte eine kleine Tube hervor; er hatte diesmal an alles gedacht. A´kebur versuchte ihm die Tube zu entwenden.

Etienne entzog sie ihm aber wieder. "Pack dir deine eigene ein!", meinte er grinsend und schob A´keburs Beine auseinander. Sonnenuntergang am Strand von Risa und A´kebur unter sich. Das würde er sich jetzt bestimmt nicht nehmen lassen!

Dass dieser grollte, machte es nur noch aufreizender. "Habe ich", murmelte dieser auf klingonisch, verstummte jedoch abrupt, als Etienne ihn kehrseitig eroberte. Er schnappte nach Luft, um sie zischend wieder entweichen zu lassen.

"Falsch, mein Lieber, ich habe dich. Irgendwelche weiteren Proteste?", wisperte Etienne und bewegte sich langsam. Wann hatte er A´kebur zuletzt gehabt? Es war bestimmt schon Monate her.

"Argh…!" A´kebur bot seine Kehle an, als er aufstöhnte. Mit ganzer Kraft hielt er entgegen, während er mit dem letzten Stück Verstand einige verirrte Sandkörner identifizierte, die sich eigentlich nicht dort befinden sollten, wo sie sich jetzt befanden. Aber für wirkliche Proteste war es jetzt zu spät und so zuckte sein Verstand mit der metaphorischen Schulter.

Etienne bemerkte es ebenfalls, aber im Wasser wäre es noch unangenehmer gewesen. Fast entschuldigend küsste er seinen Gefährten und bewegte sich ein wenig schneller, stöhnte leise.

Bald war kein Gedanke mehr, sondern nur noch Fühlen. A´kebur hatte alle Barrieren gesenkt und so konnte keiner mehr sagen, wo der eine anfing und der andere endete. Als sie in einem gleißenden Licht verglühten, blieb nichts als Staub übrig.

Irgendwann hob Etienne wieder den Kopf und streichelte über A´keburs Gesicht. "Hey, noch da?", fragte er leise.

"Ganz nah bei dir", seufzte A´kebur.

Offenbar hatte er seinen Klingonen fürs Erste geschafft. Zufrieden rollte Etienne von ihm herunter und legte einen Arm um ihn. Hinter dem Horizont glühte eine rote Sonne; sie würde noch ein, zwei Stunden dort stehen.

Sie kamen spät in der Nacht zurück ins Hotel. An der Rezeption wurden sie schon erwartet, was ihnen beide merkwürdig vorkam. "Eine Nachricht für Sie!", berichtete der Nachtportier leise. "Ich habe sie auf Ihr Terminal in Ihrer Suite geladen."

"Danke." Etienne runzelte die Stirn. "Vermutlich wollen sie dich wieder im Maschinenraum sehen."

Im Zimmer angekommen, sahen sie sich die Nachricht an. Eine Frau mit strengem Gesicht erschien auf dem Bildschirm. "An Mister Etienne Duval. Hier spricht Mrs. Finnley vom Ministerium für Jugendschutz. Aufgrund einer Klage müssen wir die Umstände der Versorgung Ihrer Tochter Cindy überprüfen. Bitte melden Sie sich zum nächstmöglichen Termin auf der Erde. Unser Büro ist in New York. Mit freundlichen Grüßen." Entsetzt starrte Etienne auf den Bildschirm, dann rammte er die Faust auf den Tisch. "Verdammt, sie haben das nicht wirklich getan!"

A´kebur stand wie vom Donner gerührt hinter ihm. Dann schüttelte er sich, als hätte ihn jemand mit Wasser übergossen. "Deine Eltern?", grollte er dunkel und drohend. "Sie wollen uns Cindy wegnehmen?"

"Wie sonst erklärst du dir das?" Etienne atmet tief durch und rief dann die Rezeption an. "Eine Verbindung zur Alpha-Kolonie bitte. New Avalon, Mr. Und Mrs. Duval."

Er bekam eine Bestätigung, dass die Verbindung aufgebaut wurde. A´kebur setzte sich neben ihm, doch die Anspannung, die in seinem Gefährten steckte, konnte Etienne mit seinem ganzen Körper spüren. "Ist das die Herausforderung, die dein Vater ausspricht?", fragte er und Etienne konnte eine gewisse Vorsicht feststellen, weil sich A´kebur wohl nicht sicher darüber war, was für ein Kriegsschauplatz das werden würde.

"Gute Frage. Meiner Mutter jedenfalls hat mir versprochen, nichts dergleichen zu unternehmen, aber …" Er unterbrach sich, als das Gesicht seines Vaters auf dem Bildschirm erschien.

"Was gibt es?"

"Das fragst du MICH?" Etienne musste an sich halten, um nicht zubrüllen. "Habt ihr das Jugendministerium kontaktiert?"

Sein Vater bedachte ihn mit einem Blick, der sagte, dass sich diese Frage seiner Meinung nach erübrigte. "Natürlich haben wir das getan. Du glaubst doch nicht, dass wir dabei zu sehen, wie du deine Tochter so aufwachsen lässt."

"Ich wusste, es war ein Fehler, euch zu besuchen! Was zur Hölle geht es euch an, wie ich mein Kind erziehe! Ihr habt euch nie um meine Belange gekümmert, warum also jetzt?"

"Wir haben nichts von deiner Tochter gewusst. Und wärst du ein guter Vater gewesen, dann hättest du das selbst erkannt. Und du hättest sie schon lange zu uns gebracht. Ich werde mit dir nicht darüber streiten, Etienne. Der Sorgerechtsantrag ist schon eingereicht. Der Rest wird vom Gericht geregelt."

"Was zur Hölle weißt du schon darüber, was ein guter Vater ist? Ich lasse mir Cindy nicht wegnehmen, niemals!" Etienne schlug gegen die Tastatur, und das Bild wurde schwarz. "Ich lasse sie mir nicht wegnehmen", wiederholte er leiser. All die Befürchtungen der letzten Tage kamen mit voller Wucht zurück, und Etienne hatte nur einen Gedanken: sich Cindy schnappen und weg. So weit wie es nur ging.

Plötzlich spürte er A´keburs Hand auf seiner Schulter. "Ich nehme die Herausforderung an", sagte er und erhob sich. Kurz kontaktierte er den Nachtportier und informierte ihn darüber, dass sie am Morgen abreisen wollten. Er sollte ihnen zudem einen Flug zur Erde buchen.

"A´kebur, mit Kampf hat das nichts zu tun! Je aggressiver wir auftreten, umso mehr geben wir ihm Recht! Es reicht, wenn einer von uns die Fassung verliert." Etienne atmete tief durch. "Wenn wir verlieren, nehme ich Cindy und verschwinde."

A´kebur sah ihn an und lächelte. "Ich verstehe diesen Kampf sehr gut", sagte er. "Und ich werde meine Großmutter anrufen. Ich denke, sie wird die richtigen Argumente finden. Das ist ein Kampf ohne Bat’leth. Also wähle ich eine andere Waffe."

"Tu das! Und wir sollten Captain Volkov und Ian benachrichtigen. Sie werden uns sicher helfen." Etienne setzte sich schließlich und strich sich durch die Haare. "Wir hätten das mit dem Sorgerecht schon längst machen müssen."

"Willst du in Selbstmitleid versinken?", fragte A´kebur und wirkte vage verärgert.

"Selbstmitleid? Unvorsicht war das!" Etienne sprang wieder auf und wanderte herum.

A´kebur sah keinen Sinn darin, die Energie, die sich aufbaute, auf diese Art zu verbrauchen. Er kontaktierte Vulkan und erklärte Lial die Situation. Dabei erzählte er ihr auch, dass er vor der Nachricht schon geplant hatte, Cindy zu adoptieren. Er gedachte, dies auch jetzt noch zu tun und benötigte von ihr eine Leumundsaussage.

Die alte Vulkanierin nickte. "Natürlich, mein Enkel. Es ist ein logischer Schritt. Ich stehe in dieser Angelegenheit hinter dir. Die Menschen lassen sich, wenn es um Kinder geht, häufig von ihren Emotionen leiten und lassen dabei das eigentlich Wohl des Kindes meist außer Acht."

"Willst du damit sagen, dass sie ihren Nachwuchs voller Absicht leiden lassen, ohne dass es einen Sinn macht? Ich werde um Cindy kämpfen. Da ich waffenlos bin, bitte ich dich, meine Waffe zu sein."

"Das werde ich, mein Enkel. Kinder gehören zu ihren Eltern, und es gibt in diesem Fall keinen logischen Grund, sie zu voneinander zu trennen. Ich melde mich wieder. Langes Leben und Wohlergehen, Lanar." Die alte Dame hob ihre Hand zum Gruß und A´kebur erwiderte ihn. Dann unterbrach er die Verbindung. "Damit kann der Kampf beginnen", sagte er an Etienne gerichtet. "Ich glaube jedoch, dass es hier wie Schach ist. Ich hoffe, ich mache die richtigen Züge. Ein Kampf mit dem Bat’leth ist mir lieber. Ich kann damit besser umgehen."

"Ist nicht alles so einfach im Leben. Und entschuldige bitte, dass ich das nicht als faszinierendes Experiment oder als Spiel sehen kann!" Damit stürmte Etienne hinaus.

A´kebur sah darin kein Experiment. Aber er fühlte sich nicht durch Etiennes Meinung verletzt. Er wusste jedoch, dass, wenn er nicht auf normalem Wege kämpfen konnte, er es auf die Art der Vulkanier machen musste. Das hieß, er musste alle Alternativen bedenken, Wahrscheinlichkeiten berechnen und eine Strategie finden, mit der er Etiennes Vater davon abhielt, Cindy aus ihrer Gemeinschaft zu schlagen. Das hieß aber auch, dass er Cindy informieren musste. Das Mädchen würde nicht wissen, wie ihm geschah, wenn sie zur Erde flogen und dort ein Jugendschützer sie mit sich nahm. Etiennes Emotionen würden verhindern, dass er mit ihr sprach.

Cindy kam ein paar Minuten später aus ihrem Zimmer; offenbar hatte die Diskussion sie geweckt. Strahlend umarmte sie A´kebur und zeigte ihm einen kleinen, leuchtenden Stein. "Den habe ich ganz alleine gefunden! Ich habe nämlich gemerkt, dass die Betreuer für uns die Sachen versteckt haben, da bin ich los und wollte was Eigenes finden! Habe ich dann auch! Das ist ein risanischer Sonnenstein! Man hat ihn früher benutzt, um Licht zu haben. Wo ist Daddy?", überfiel sie ihn mit einem Wortschwall.

A´kebur nahm sie einfach hoch und setzte sie auf seiner Hüfte ab. "Daddy geht es gerade nicht sehr gut. Ich muss mit dir sprechen, Cindy. Bist du sehr müde?"

"Nö! Ich habe sowieso nicht richtig geschlafen, weil ich euch unbedingt noch den Schatz zeigen wollte." Ihr Gesichtchen wurde ernst. "Was ist denn los?"

A´kebur betrachtete den Stein und lächelte. Er setzte Cindy wieder ab und setzte sich dann zu ihr. "Wir haben große Probleme, Cindy. Sehr große Probleme und die müssen wir lösen."

"Kann ich was helfen? Haben du und Daddy Streit?", wollte sie wissen.

A´kebur schüttelte den Kopf. "Nein, wir haben keinen Streit, Cindy-cha. Deine Großeltern, die Eltern von Daddy glauben, dass es dir bei uns nicht gut geht. Sie wollen das Sorgerecht für dich und haben schon die ersten Schritte dafür eingeleitet. Das bedeutet, wenn man gegen Daddy und mich entscheidet, dass du bei ihnen leben wirst."

"Was?" Cindys große blaue Augen wurden noch größer vor Angst. "Ich will aber nicht weg von euch! Ich will bei euch bleiben! A´kebur, bitte, tu was, damit ich nicht wegmuss!", flehte sie und klammerte sich in seinem Hemd fest.

A´kebur umgriff ihre kleinen Hände und löste sie sanft. "Und deshalb will ich mit dir reden", sagte er ruhig. "Daddy will fliehen mit dir. Doch das wird dir und ihm für den Rest unseres Lebens schaden. Daddy wird man einsperren und du wirst dann ganz bestimmt zu seinen Eltern kommen. Daher müssen wir einen anderen Weg gehen und dabei musst du mir vertrauen."

Das Mädchen nickte und schluckte tapfer die aufsteigenden Tränen hinunter. "Ich vertraue dir", flüsterte sie, "aber versprich mir, dass ich nicht von euch weg muss!"

A´kebur strich ihr über die Hände. "Es kann sein, dass du das erst einmal musst. Ich werde versuchen, dass zu verhindern, aber es könnte durchaus möglich sein. Wenn das passiert, dann musst du tapfer sein, versprichst du mir das?"

"Ich bin immer tapfer! Aber ich gehe nicht von euch weg! Mama hat mich alleine gelassen, und ich dachte, ich bin ganz allein auf der Welt! Aber ich habe euch! Meine Großeltern sind mir egal!" Sie drückte ihr Gesicht gegen A´keburs.

Dieser strich ihr über das Haar. "Deine Großeltern lieben dich. Aber sie denken, dass wir dir schaden. Dass unser Leben dir schadet. Es ist eine andere Welt, aus der sie kommen. Ihr Denken ist anders. Ob wir sie überzeugen können, dass dennoch alles in Ordnung ist, kann ich nicht sagen. Aber wir werden die überzeugen, die das entscheiden werden. Man wird dich auch fragen, was du darüber denkst. Du solltest dir deine Antworten und das, was du denkst, sehr genau überlegen."

Cindy nickte. "Aber, wenn Oma und Opa mich wirklich lieb haben, warum wollen sie dann was, was mich traurig macht?", fragte sie, "oder ist das nur, weil sie Streit mit Daddy haben?"

"Möglich ist alles. Ich habe ihre Gedanken nicht gelesen und ihre Gefühle nicht gespürt. Doch das hier ist ein Kampf, der sehr viel mehr Wunden zufügen kann, als jeder Kampf mit einer Waffe, es je könnte."

"Ich habe auch mehr Angst, euch zu verlassen, als mich mit dem Bat’leth zu schneiden", murmelte Cindy, "darf ich heute bei euch schlafen?"

"Du kannst bei mir schlafen. Etie…, Daddy muss ein wenig spazieren gehen. Ich bleibe bei dir."

"Danke." Etwas beruhigter ließ sich Cindy von A´kebur ins Nebenzimmer tragen und kuschelte sich zufrieden an ihren Ziehvater. Sie schlief schnell ein, doch A´kebur blieb wach und wartete. Etienne kam aber nicht zurück.

 

Etienne hatte seine Wut irgendwo lassen müssen. Natürlich wusste er, dass es nichts brachte, A´kebur anzubrüllen; dieser hatte selbstverständlich recht. Doch der hilflose Zorn und vor allem die kalte Angst, Cindy zu verlieren, saßen tief in seinem Herzen und wollten sich so schnell nicht beruhigen. Nach einer Weile merkte Etienne, dass er auf den sanft beleuchteten Wegen das Nachtlebenviertel angesteuert hatte. Ein paar Gläser romulanisches Ale konnten sicher helfen.

Er suchte nicht lange, sondern kehrte in das nächstgelegene Etablissement, das romulanischen Ale ausschenkte. Der Wirt hob nicht mal eine Augenbraue, als er gleich drei Ale auf einmal bestellte und das erste in einem Zug hinunterschüttete. Er spürte die Wirkung schneller, als er es gewohnt war und blinzelte. "Sehr gut", knurrte er.

"Hat sie dich rausgeschmissen?", fragte ihn jemand von der Seite.

Etienne wandte sich nicht von seinem Rettungsanker, dem Bier, ab. "Nein", brummte er zurück, "bin selber gegangen. Die Welt hat heute was gegen mich."

"Deshalb nennt man es Schicksalsrad. Es dreht sich einem zu oder wendet sich von einem weg. Wenn sie heute gegen dich ist, ist sie es morgen nicht mehr."

"Verschonen Sie mich mit Philosophie", murrte Etienne und trank das zweite Glas leer. "Sie klingen schon wie ein Counselor von Starfleet."

Ein volltönendes Lachen ließ ihn zur Seite blicken.

Neben ihm saß ein Mann, dem Aussehen nach etwas jünger als er. Er sah menschlich aus auf dem ersten Blick, aber Etienne vermutete, dass er den Vertreter einer anderen humanoiden Rasse vor sich hatte. Der Mann sah mit seiner gebräunten Haut und den dunklen Haaren sehr gut aus auf eine Art, die Etienne vage vertraut vorkam. Dann begriff er: Es war diese Art von dreisten Piratencharme, den er selbst sein eigen genannt hatte. Dieses Lächeln, das fragte "Was kostet die Welt?". Er selbst hatte es schon lange verloren, das wusste er. Zurückgeblieben war ein Wissenschaftler von Starfleet.

"Ich frage mich gerade, was Sie sehen. Ich heiße übrigens Donald." Das aufreizende Lächeln wurde breiter und als Donald sich vorbeugte, konnte Etienne ein faszinierendes Funkeln in den dunklen Augen sehen.

"Etienne. Und Sie lachen mich garantiert aus, wenn ich es Ihnen sage." Etienne wandte sich wieder seinem Drink zu. Er hatte eigentlich keine Lust, sich mit einem Wildfremden über seine Probleme zu unterhalten.

Donald lehnte sich zurück. Das Gesicht war weitaus ernster als noch vor Sekunden. "Ich würde sagen, mein Charme lässt nach, wenn Sie es mir nicht sagen können. Ich fürchte, dann muss ich mich wohl in die nächste Sonne stürzen. Aber Scherz beiseite. Sie wirken gerade, als hätte ihnen jemand etwas weggenommen, dass Ihnen die Welt bedeutet. Bevor Sie jetzt sagen, dass geht mich nichts an, dann haben Sie recht. Aber ich will es auch nicht wissen. Nur eines, wenn Sie weiter so trinken, ist Ihr Schädel morgen so groß, dass Sie den Moment verpassen, wo Sie das Problem hätten lösen können." Donald grinste leicht. "Okay, ich höre mich wirklich wie ein Counselor an."

"Tun Sie. Also, El Aurianer oder Betazoide? Oder sind Sie einfach nur zuviel in Gesellschaft von Vertretern dieser Völker gewesen? Aber ich gebe Ihnen den Rat, sich ein geeigneteres Opfer zu suchen." Das dritte Ale-Glas wurde mit einem Zug geleert, Etienne fühlte, wie Zorn und Schmerz unter einer weichen Decke verschwanden. Seine Toleranz für das Getränk hatte aufgrund mangelnden Trainings nachgelassen, aber ein viertes schaffte er noch in jedem Fall.

"Mensch. Irgendwo in der dritten Generation einen Vulkaniermischling, der was mit einem Betazoiden gehabt hatte. Oder umgekehrt. Aber wer will das schon so genau wissen, bei dieser pikanten Mischung. Zu tun habe ich überhaupt nichts mit ihnen. Einfach ein Mensch. Aber das ist es nicht, was Sie sagen wollten. Haben Sie Glück, dass das hier Risa ist. Sie werden am Strand schlafen können und man wird zusehen, dass Sie sich nicht verkühlen."

Etienne runzelte die Stirn und sah Donald an. "Ich hatte nicht vor zu schlafen. Aber danke für die Sorge, ich komme zurecht. Guten Abend."

Donald zuckte mit der Schulter. Er winkte dem Wirt und flüsterte dem was ins Ohr. Dann erhob er sich. "Sie muss wunderschön sein und ein ausgesprochen heißes Temperament, wenn Sie sich nicht zurück trauen. Aber solche Frauen verzeihen auch wieder." Er zwinkerte kurz, dann ging er schlendernd nach draußen.

Etienne sah wieder in sein Bier. Der nächste Schluck schmeckte irgendwie nicht mehr. Er winkte dem Barkeeper, um zu bezahlen und stand auf. Der rationale Part in ihm sagte, dass er zurückgehen sollte, sich ins Bett legen, das Ale ausschlafen und morgen mit frischem Mut den Problemen ins Gesicht sehen. Aber dann trat unvermittelt wieder das Gesicht seines Vaters vor seinen Augen auf und er hörte dessen Worte. Dass jemand wie er keine Verantwortung übernehmen konnte. Dass er kein guter Vater war. Was er hier tat, bestätigte seinen Vater nur.

"Zur Hölle mit ihm", knurrte Etienne und verließ die Bar. Er war es so satt, ruhig, vernünftig und brav zu sein. Denn es brachte ja doch nichts. So oder so verurteilte man ihn.

Die warme Nachtluft schlug ihm entgegen; die Straßen waren voller denn je mit Nachtschwärmern. Etienne sah sich um und hatte für einen Moment das Gefühl, dass der Boden schwankte. Doch dann gab sich das wieder. Während er noch überlegt, wohin er jetzt gehen sollte, um seinen Frust auf die Welt und sich selbst abzubauen, sah er Donald an einem der Souvenirstände. Er stach unter den exotischen Schönheiten von Risa hervor wie ein Panther unter Blumen. Etienne beneidete ihn fast.

"Wenn Sie das kaufen, rennen Ihnen für den Rest ihrer Ferien die Frauen nach", meinte er und deutete auf die Figur, die Donald gerade begutachtete. "Aber meist die, die man nicht will." Ihm selber war es jedenfalls so gegangen.

"Eine Fruchtbarkeitsgöttin", sagte Donald und seine Mundwinkel zuckten. "Ein Freund hatte mir diesen Streich gespielt und ich konnte mich fast zwei Tage lang nicht vor Avancen retten. Ich will nicht behaupten, dass es die Hölle war, aber es hat schon etwas Furchterregendes an sich, wenn man Verehrerinnen und Verehrer in einem endlosen Strom erst willkommen heißt und dann vergeblich versucht abzuwimmeln."

"Ging mir bei meinem ersten Besuch hier genauso." Etienne griff nach einem Amulett aus grünem Stein, dass eine Art Blume zeigte. "Das hier ist aber noch interessanter: Es hält die Frauen ab, zieht aber die falsche Sorte Männer an. Oder die richtigen, ganz nach Geschmack. Für die böseren Streiche."

"Ach, schon Erfahrungen damit gemacht?", fragte Donald. "Und, was ist falsch?"

"Ich sage ja, es kommt auf den Geschmack an. Wenn man Gefahr liebt, hat man seinen Spaß damit." Etienne schmunzelte. Wann hatte er das letzte Mal geflirtet? Er fühlte sich eingerostet, es war scheußlich. Aber wie ein Muskel, der lange nicht benutzt worden war, brauchte es einfach wieder etwas Training.

Donald nahm ihm unvermutet das Amulett ab, verzog, als ob er überlegte, den Mund, und zahlte dann dem Händler den Preis dafür. Er hängte sich die Kette einfach um. "Und? Ich werde mal schauen, was für Gefahren sich für mich ergeben. Ich liebe die Gefahr. Vor allen Dingen in der Liebe."

"Das hat weniger mit Liebe zu tun. Ich glaube, jetzt muss ich mir Sorgen um Sie machen." Etienne hob die Augenbraue und deutete hinüber zu zwei stämmigen Kerlen in teuren centaurischen Lederoutfits, die bereits interessiert hinübersahen. "Oder ist das Ihr Geschmack? Allerdings", Etienne deutete auf die anderen Anhänger, die alle unterschiedliche Farben hatten, "es dauert eine Weile, wenn man von selbst dahinterkommen muss. Und was die Form betrifft", er deutete auf ein weiteres Sortiment Anhänger, die eine bienenartige Form aufwiesen, "ich denke, das spricht für sich."

Donald lachte. Der Händler wies darauf hin, welche Farben was bedeuteten und so tauschte Donald seinen gegen etwas mit Honiggelb.

"Gefahr genug für heute", meinte er, und steckte ihn sich in die Hosentasche. "Wer weiß, wofür das Teil gut sein kann."

"Stimmt wohl."

Die Ledertypen hatten sich enttäuscht verzogen.

Etienne musterte Donald. Er sollte wirklich zurückgehen. "Wollen Sie noch woanders hingehen?"

"Ich habe kein bestimmtes Ziel!" Donald lächelte. Er leckte sich kurz über die Lippen.

"Ich auch nicht. Romulanisches Ale macht auf Dauer nicht glücklich, über Probleme reden aber auch nicht. Man ist schließlich auf Risa, um sich zu amüsieren." Etienne lächelte zurück.

"Ich habe ein kleines, nettes Appartment hier zwei Häuser weiter …" Donald deutete unbestimmt die Straße hinauf. "Lust auf etwas zu trinken?"

Etienne zögerte kurz, doch dann nickte er. "Gerne. Saurianischer Brandy macht weniger Kater."

Er wusste nicht wirklich, warum er das hier tat, doch zum ersten Mal seit Wochen, seit Jahren fühlte es sich richtig an. Frei und ungebunden tun und lassen, was er wollte. Keine Verantwortung, kein Bedauern, keine Kompromisse. Keine Angst, eines Tages aufzuwachen und ein alter Mann zu sein mit einem mittelmäßigen Bürojob, dessen Namen man vergessen würde, sobald er Staub war.

Donald hielt Wort. Er hatte tatsächlich ein Apartment und er hatte saurianischen Brandy, von dem er jeden von ihnen reichlich und äußerst großzügig eingoss. "Eine Frage, der Herr", sagte er mit schwerer Zunge irgendwann, "Eure Herzensdame ist keine Dame."

"Wie kommen Sie darauf?", wollte Etienne wissen. Er klang ebenfalls etwas undeutlich, doch es störte ihn nicht. Der Brandy war zu hervorragend, um schon aufzuhören.

"Weil Sie so gut über diese Talismane oder Fruchtbarkeitsamulette Bescheid wissen. Was wird passieren, wenn ich Sie küsse?"

"Falls meine Fahne Sie nicht umwirft", Etienne machte eine vage Handbewegung und grinste, "bekommen Sie den besten Kuss Ihres Lebens. Ich muss Ihnen wohl danken."

Donald beugte sich zu ihm und küsste ihn. Erst fragend, dann ungestüm, weil er merkte, dass er hier jemanden hatte, der alles andere als unerfahren darin war, was ein handfester Kuss war.

Etienne erwiderte den Kuss instinktiv und ließ sich darin fallen. Es war anders als mit A´kebur, doch Donald haftete dieser unverkennbare Duft nach Abenteuer, nach Gefahr und Verbotenem an. Es war in diesem Augenblick weitaus verlockender als die Umarmung desjenigen, den er liebte. Der ihm sagte, er sollte stillhalten. Der gewisse Dinge nie verstehen würde, ganz gleich wie nah sie sich waren oder wie eng verschmolzen.

Er spürte, wie Donald ihn auszog, Küsse verteilte, als wären sie keine Fremden, sondern schon langjährige Freunde, die die intimsten Geheimnisse teilten. Ehe Etienne auch nur begriff, war er unter Donald. Dieser hatte ohne Umstände sich seiner Körpermitte bemächtigt und reizte ihn mit gekonntem Zungenschlag, dass ihm Hören und Sehen verging.

Das war etwas, das A´kebur nun wirklich nicht konnte oder besser, wollte. Etienne verbot sich jeden weiteren Gedanken an seinen Gefährten und schloss die Augen. Der Gedanke daran, etwas zu tun, was ihn das Leben kosten konnte machte das Ganze noch erotischer und erregender. Donald sah ihn keuchend an. "Ich weiß nicht, ob du schon Erfahrung hast, aber wenn du weiter so aussiehst, dann werde ich dich lieben", wisperte er.

"Die Frage ist eher, ob du es mit mir aufnehmen kannst", wisperte Etienne zurück und zog Donald zu einem Kuss an sich. "Oder ob du dich traust. Meine "Herzensdame" könnte dich dafür umbringen."

Donald gluckste. "Ist es nicht immer gefährlich?" Im nächsten Moment schnappte Etienne nach Luft und dann gab es nicht mehr viel, was es zu sagen gab. Donald wusste ganz genau, was er tat und wie er seinen Partner befriedigen konnte. Etienne hatte aufgehört nachzudenken und genoss einfach nur, während er gleichzeitig Donald von seinem eigenen Können überzeugte. Zeit verlor ihre Konturen, und erst, als die lange Morgendämmerung einer kurzen Nacht folgte, hielten sie inne.

Zufrieden schlief Etienne ein. Er spürte nur noch, wie Donald seine Sachen zusammenpackte und die Tür sich leise schloss.

Doch allzu lange währte der Frieden nicht. Etienne wurde erneut wach, als ihm die Sonne ins Gesicht schien. Für ein paar Sekunden lag er noch zufrieden da, dann kehrte sein Verstand langsam zurück. Er sprang auf, verzog kurz das Gesicht ob des leichten Katers und suchte seine Sachen zusammen. Er musste zurück, und zwar schnell. Cindy würde sich Sorgen machen, und A´kebur... nein, daran wollte er lieber nicht denken.

Ganz gleich, was er diese Nacht getan hatte, die Realität hatte ihn wieder.

Eilig duschte er und zog sich an, um zurückzukehren. Verwirrt sah er, als er die Suite betrat, dass die Koffer gepackt waren. Cindy war nicht zu sehen. A´kebur jedoch stand am Fenster und sah hinaus auf das Meer. Er wandte sich um, als Etienne eintrat. Kurz musterte er ihn, dann wandte er sich abrupt ab und teilte mit, dass die Koffer abgeholt werden würden und Cindy sich schon auf dem Passagierschiff befand.

Etienne wusste nicht recht, was er sagen sollte. Mit einer plötzlichen Erkenntnis begriff er, dass A´kebur wusste, was er getan hatte. Die Frage war nur, wann das Donnerwetter kommen würde.

Etienne atmete tief durch. "Tut mir leid", murmelte er. Es war nicht so, dass er die Nacht bereute. Es war eher die Tatsache, dass er sich und ihnen allen damit geschadet hatte. Er hatte A´kebur nicht verletzen wollen, niemals. Doch der Drang, auszubrechen, war übermächtig gewesen.

A´kebur war stehen geblieben. Er drehte sich jedoch nicht um. "Halt den Mund", sagte er nur hart. "Wir haben ein anderes Problem zu lösen."

"Ich weiß. Gibt es Nachricht von Captain Volkov und Ian?"

"Ja!" A´kebur verließ die Suite, ohne auf Etienne zu warten. Das Abschiedskommittee des Hotels blieb wie erstarrt stehen, als er an ihnen vorbeiging und dabei eine Kälte zu verbreiten schien, die eine neue Eiszeit auf Risa einläuten konnte.

Der Flug zur Erde verlief schweigend. Cindy hatte gemerkt, dass zwischen ihren Eltern etwas nicht stimmte und verzog sich mit ihren Spielsachen in eine Ecke. Nur ab und an schoss ein unsicherer Blick zu A´kebur und Etienne. Letzterer versuchte ein aufmunterndes Lächeln, doch es gelang nie so ganz.

Sie landeten im Raumhafen von Nordamerika und ließen sich von dort aus zum Jugendministerium in New York fahren. Mrs. Finnley, die ihnen die Nachricht gesendet hatte, erwartete sie bereits in einem geräumigen Büro. Sie drückte Etienne Hand kurz, A´keburs nach einem Zögern und lächelte dann Cindy an. Das Mädchen blieb hinter A´keburs Hosenbein und sah sie finster an.

"Du musst keine Angst haben", sagte sie. "Ich habe mir die Freiheit genommen, Zimmer im Hotel Delfin zu buchen. Ein paar Tage wird es dauern. Heute Abend würde ich mich dann gern mit Cindy unterhalten."

A´kebur hielt Cindy seine Hand hin, die sie gleich darauf ergriff. "Vielen Dank", sagte er an Mrs. Finnley gerichtet. "Ich werde Cindy bringen."

"Danke, Mr., ähm, Re", sie stolperte über den Namen, den sie in den Unterlagen über Cindys Leben gefunden hatte. "Mr. Duval, bitten bleiben Sie und setzen Sie sich. Ich möchte Ihnen einige Fragen stellen."

Nachdem A´kebur und Cindy den Raum verlassen hatten, fragte Etienne: "Was möchten Sie wissen?"

"Ich möchte mir einen Eindruck von Ihnen machen. Von Ihrem Leben, was Sie denken. Was Sie sich vorstellen. Was Sie über die Zukunft von Cindy denken. Alles Mögliche. Ich kenne Sie nicht und es geht schließlich um Sie, Ihr Leben und das Leben Ihres Gefährten."

Etienne nickte. "Aus Ihren Unterlagen wissen Sie natürlich, dass wir an Bord der Dragon leben. Sie werden sicher nicht bestreiten, dass dort die Ausbildungsmöglichkeiten für ein Kind sehr gut sind. Des Weiteren sollten Sie eine professionelle Beurteilung von Cindy durch den Schiffscounselor Ian Hernando sowie durch ihre Lehrerin berücksichtigen. Meine Meinung ist natürlich nur subjektiv." Etienne wusste nicht, woher er die Ruhe und Geduld nahm, dies alles so sachlich zusagen, obwohl er sich alles andere als ruhig fühlte. Es konnte nur A´keburs Einfluss sein.

"Und Ihre Gefühle, Mr. Duval? Ich kann mir vorstellen, dass es nicht einfach ist, von heute auf morgen Vater zu sein. Sie haben eine sehr bewegte Vergangenheit."

"Cindy ist seit zwei Jahren bei mir, nicht erst seit gestern. Und es stand für mich immer außer Frage, sie jemand anderem zu überlassen, damit er sich um sie kümmert. Und da ich weiß, dass dieses Gespräch auch auf meine Eltern kommen wird, möchte ich vorwegsagen: Ich habe meine Eltern bis vor einer Woche seit über zehn Jahren nicht mehr gesehen und ihnen nur selten Nachrichten geschickt. Sie können mein Leben daher nicht wirklich beurteilen."

Mrs. Finnley nickte. "Sie haben mit Ihrer Familie nicht viel am Hut, umso verwunderlicher ist es, dass Sie sich um Cindy kümmern. Und sogar in einer Partnerschaft leben."

"Nur, weil ich mich mit meinen Eltern nicht verstehe, heißt das nicht, dass ich unfähig oder nicht willens wäre, eine eigene Familie zu haben." Da war sie wieder, die hilflose Wut, sich das anhören zu müssen. Doch Etiennes Stimme blieb ruhig. "Cindy jedenfalls wird niemals fürchten müssen, dass ich sie nicht verstehe oder versuchen werde, sie mit aller Gewalt zur in meinen Augen perfekten Tochter zu machen. Sie wird immer jemanden haben, der sie liebt; nicht trotz ihrer Fehler, sondern wegen ihnen."

"Wegen ihrer Fehler lieben Sie sie?" Mrs. Finnley lächelte. "Ich will Sie nicht in die Enge treiben, Mr. Duval. Nur Sie kennenlernen. Sie müssen sich nicht rechtfertigen. Ich will Ihre Beweggründe kennenlernen, wissen, wer Sie sind, was Sie tun, was Sie planen und wie Cindy da rein passt. Verstehen Sie?"

Etienne nickte. "Ja, natürlich. Ich möchte Ihnen lediglich klarmachen, dass dies kein Thema ist, mit dem ich vollkommen rational umgehen kann. Wie würden Sie sich fühlen, wenn man Ihnen Ihr Kind wegnehmen wollte und das völlig zu Unrecht? Mehr wollte ich nicht sagen, Mrs. Finnley."

Sie nickte. "Ich habe mir Cindys Noten angesehen und mir liegen auch Beurteilungen sowie Fürsprachen Ihres Captains sowie des Counselors vor. Sie werden hochgelobt, als höchst hervorragenden Mitarbeiter wie auch Vater beschrieben. Gleiches gilt für Ihre Partnerschaft. Sie scheinen sich gut zu ergänzen, auch wenn es Außenstehende nicht so sehen mögen. Mir liegt zudem ein Adoptionsantrag Ihres Partners vor sowie eines Schreibens der Familie Re vor. Eine ausgesprochen hohe Reputation, wie ich gestehen muss. Ich werde all das berücksichtigen. Nichtsdestotrotz werde ich alle Betroffenen anhören und mir einen persönlichen Eindruck verschaffen. Mit Ihren Eltern habe ich schon gesprochen."

"Darf ich erfahren, was sie gesagt haben?"

"Nein, Mr. Duval. Genauso wenig, wie sie erfahren werden, was Sie, Cindy oder Mr. Re gesagt hat. Möchten Sie mir noch etwas sagen?"

"Ich denke, ich habe alles gesagt. Ich bitte Sie nur, in erster Linie daran zu denken, was Cindy möchte. Nicht, was angeblich das Beste für Sie ist. Das ist alles." Etienne stand auf und reichte ihr die Hand.

"Das werde ich Mr. Duval. Schauen Sie sich mit Ihrer Tochter doch ein wenig um. Es gibt hier einiges, was sie sicher noch nie gesehen hat. Soweit ich weiß, war sie noch nie auf der Erde. Mr. Re hat sich bereit erklärt, dass er als nächstes kommt. Ich werde ihn durch meine Assistentin kontaktieren. Vielen Dank, Mr. Duval."

Etienne nickte und verließ das Büro. Schweigend nahm er Cindys Hand, die mit A´kebur draußen gewartet hatte. Diesmal schaffte er ein zuversichtlicheres Lächeln. "Komm, Häschen, wir gehen uns New York ansehen. Ich war ganz früher mal hier, und es gibt viel anzusehen."

Cindy lächelte. Als A´kebur sie jedoch losließ, sah sie ängstlich zu ihm auf. "Ich muss auch mit der Frau sprechen. Mach dir keine Gedanken. Schau dir New York an. Die Stadt ist sehr groß."

"Bis nachher!" Cindy winkte A´kebur zu und verließ dann an der Hand ihres Vaters das Büro. A´kebur trat in Mrs. Finnleys Zimmer.

"Mr. Re, bitte setzen Sie sich doch", bedeutete sie ihm, "einige Fragen muss ich auch Ihnen stellen, fürchte ich. Sie haben das Sorgerecht für Cindy beantragt, wie ich aus den Unterlagen entnehme; im Zuge dieses Verfahrens werden wir auch das prüfen. Ich würde gerne den genauen Grund dafür wissen."

A´kebur neigte sein Haupt. "Als ich Cindy das erste Mal sah, eröffnete mir Etienne, dass sie seine Tochter ist. Es stand nicht die Frage im Raum, ob ich sie als seine Tochter akzeptiere und ob ich sie als meine Pflegetochter akzeptiere. Ihre Mutter hatte sie fortgegeben und es gab kein Zurück. Cindy liebt mich und im Laufe der Jahre hat sie mich auch als ihren Pflegevater akzeptiert. Es war der logische Schluss, dies auch rechtlich zu begründen und ich habe sie gefragt, ob sie damit einverstanden ist und auch erklärt, was es bedeutet. Der Grund ist also, weil es der logische Abschluss einer langen Entwicklung ist."

Mrs. Finnley nickte. "Ich verstehe. Allerdings hat Mrs. Tania Avren, Cindys Mutter, nie formell das Sorgerecht abgetreten. Wir haben sie auf Alpha Centauri kontaktiert und deswegen nachgefragt; sie tritt es in der Tat ab." Die Frau räusperte sich. "Nun, Mr. Re, ich gehe doch recht in der Annahme, dass es für Sie recht schwer sein muss, mit einem kleinen Mädchen umzugehen. Ihre Kultur, Verzeihung, Kulturen verstehen unter Kindererziehung etwas völlig anderes als Menschen."

A´kebur lächelte. "Das ist mir bewusst. Etienne sagt, was sich für einen Menschen gehört und was nicht. Aber, verzeihen Sie mir, auf der Dragon sind alle Völker vertreten. Und viele davon nicht einmal humanoid. Cindy wird wie viele Kinder auf der Dragon mit weitaus mehr Kulturen und deren Differenzen aufwachsen, als jedes Kind meiner Kulturen oder die der Menschen. Sie hat es zumindest bisher getan und ich sehe keine Schäden. Es gibt die üblichen Erscheinungen menschlicher Phasen. Es gab sogar die Trotzphase und jetzt steht die Pubertät an. Es könnte Probleme geben. Aber nichts, was sich nicht lösen lässt."

Das entlockte Mrs. Finnley fast ein Lächeln. Aber nur fast. "Sie denken also, eine weibliche Bezugsperson ist im Leben eines Mädchens nicht so entscheidend?"

"Sie hat mehr als nur eine weibliche Bezugsperson, einschließlich des Captains. Aber hauptsächlich ist es im Moment ihre Lehrerin", meinte A´kebur ohne auch nur den Ansatz von Verunsicherung zu zeigen. "Zudem schätzt Cindy durchaus meine Kulturen. Sie mag aber mehr den kriegerischen Aspekt der klingonischen Seite. Etienne versicherte, dass sich das bald ändern könnte und ich ihr zeigen müsste, wie man sich schminkt. Das wird definitiv ein Problem. Zöpfe sind einfacher."

Jetzt zuckten Mrs. Finnleys Mundwinkel doch, aber sie hatte sich schnell wieder unter Kontrolle. "Und wie sehen Sie die Lage, was den Antrag von Mr. Duvals Eltern betrifft? Halten sie deren Einwände in irgendeiner Hinsicht für berechtigt?"

A´kebur ließ sich mit der Antwort Zeit. Er faltete formell die Hände und meinte: "Ihre Einwände wären berechtigt, wenn sie es vorziehen, dass ihre Enkelin ähnlich xenophobe Verhaltensweisen zu erlernen hat, wie sie sie haben. Es wird nicht zu befürchten sein, dass Cindy sie noch jetzt entwickeln wird, aber sie wird darunter leiden. Natürlich käme es auf einen Versuch an, um das herauszufinden, aber ich würde es nur sehr ungern sehen, wenn Cindy leiden soll, um etwas herauszufinden, was mit einer Wahrscheinlichkeit von 78,65 % nicht eintreten wird."

"Sie glauben also nicht, Mr. Und Mrs. Duval handeln aus reiner Sorge über das Wohlergehen der Kleinen?"

A´kebur schüttelte den Kopf. "Sie handeln aus Sorge. Aber ihre Welt ist eine andere. Ich denke aber auch, dass sie in Cindy die Möglichkeit sehen, die Fehler von Etienne auszumerzen. Aber das ist etwas, was ich nur vermute."

"Gut, Mr. Re. Ich denke, das wäre dann alles. Ich danke Ihnen für Ihre Kooperation. Sie hören von uns innerhalb der nächsten Tage; Ihr Adoptionsantrag wird gleich mitbearbeitet, doch falls Cindy zu ihren Großeltern kommt, wird Ihr Antrag einer neuerlichen Überprüfung unterzogen werden." Mrs. Finnley reichte ihm die Hand und A´kebur erwiderte den Druck mit angemessener Kraft. "Natürlich, Mrs. Finnley. Wann wünschen Sie Cindy zu sehen?"

"Heute Abend um fünf. Auf Wiedersehen, Mr. Re." Damit war A´kebur entlassen.

 

A´kebur sah mit stumpfem Blick hinaus auf die Skyline von New York. Er wusste, dass er schon eine ganze Zeit so stand. Exakt 3,45 Stunden. Dass er es so genau war, lag daran, dass er die Gefühle in sich nicht zulassen konnte. Nicht zulassen wollte. Aber er war kein Narr und die Wunde war groß, die in ihm schmerzte.

Im Augenblick schien alles ungewiss. Etienne war vor einer Stunde zurückgekommen mit Cindy und hatte sie in Mrs. Finnleys Büro gebracht, dann war er in einem Sessel des Hotelzimmers in untypisches Brüten verfallen. Zwar hatte er ein Datenpad in der Hand, das den Anschein von Arbeit erweckte, doch die Täuschung war nicht sonderlich gut.

A´kebur hatte zwar nicht mitbekommen, was genau in jener Nacht vor sich gegangen war und vor allem mit wem - Kahless möge dessen Seele gnädig sein! - aber das Band zwischen ihnen war in bestimmten Situationen immer durchlässig gewesen. Etienne ging daher davon aus, dass A´kebur sehr gut wusste, was passiert war. Fragen musste er keine stellen. Erst recht musste er keine Details vermuten.

"Bereust du es?", fragte A´kebur plötzlich. "Bereust du, dass wir gebunden sind? Du schienst etwas gefunden zu haben letzte Nacht."

Etienne sah auf. "Nein, was wir haben, bereue ich nicht, A´kebur. Das solltest du niemals denken. Was gestern Nacht betrifft …" Er atmete tief durch. Wie sollte er das erklären? Er hatte seinen Partner betrogen, so simpel war das! Konnte man dafür überhaupt gute Gründe finden? "Ich wusste nicht, wohin oder was ich tun sollte. Für ein paar Stunden konnte ich alles vergessen. Es war wie zu der Zeit, bevor wir uns trafen. Nur ich und mein selbstsüchtiger Wunsch nach Abenteuer. Ich erwarte nicht, dass du mir das verzeihst oder es gar verstehst."

"Ich fürchte, dass ich es verstehe", erwiderte A´kebur tonlos. "Ich weiß nur nicht, ob ich dich töten soll oder formell um Auflösung bitten möchte. Ich weiß im Augenblick überhaupt nichts."

"Wenn, dann bitte um Auflösung. Bin ich tot, muss Cindy zu meinen Eltern", gab Etienne ebenso flach zurück. "Und vergiss das Sorgerecht nicht. Mir ist ja nicht zu trauen, wie es aussieht." In seinem Inneren war über die Wut und Angst und das hilflose Schuldgefühl eine Kälte gekrochen, die alles abstumpfte. Wenn er A´kebur und Cindy nicht mehr hatte, was blieb dann noch?

A´kebur wandte sich um und sah ihn an. Etienne glaubte zu verbrennen. "Du badest dich im Selbstmitleid", sagte er schneidend. "Ich bin in einer der Holosuites, wenn du mich suchst."

"A´kebur, warte! Denkst du, ich kann dir sagen, was in mir vorgeht? Ich wünschte, es ginge. Ich wünschte, es müsse keine Schranken zwischen uns geben. Aber sie sind da, selbst mit Band. Es tut mir leid, dass ich dich hintergangen habe. Aber, für den Grund kann ich mich nicht entschuldigen." Etienne hielt den Blick seines Gefährten fest. "Du wusstest von Anfang an, dass ich ein Risiko auf zwei Beinen bin. Du hast in all den Jahren gelernt, mit dem Zwiespalt in dir zu leben und trotzdem das Richtige zu tun. Aber ich … ich genieße meinen Zwiespalt."

A´kebur holte tief Luft, aber er sagte kein Wort. Etienne konnte nur hilflos zusehen, wie er das Hotelzimmer verließ, um im Erdgeschoss des Hotels in einer Holosuite das loszuwerden, was er hier nicht loswerden konnte. Etienne wusste, dass er nur so dem sicheren Tod entrann. Wirklich erleichtert war er deswegen nicht. Etiennes Blick glitt zur kleinen Bar des Zimmers, doch dann wandte er sich wieder ab. Alkohol würde er in den nächsten Jahren nicht mehr anrühren.

Er griff wieder das Datenpad und starrte darauf. Die Datenkolonnen verschwammen vor seinen Augen. Er schniefte und merkte, dass er weinte. Er hatte seit ewigen Zeiten nicht mehr geweint. So schaute er überrascht auf, als Cindy an seinem Ärmel zupfte. "Was ist passiert, Daddy?", flüsterte sie.

Etienne wischte sich eilig über die Augen. "Wir haben wieder Streit, Häschen, und ich bin mitgenommen wegen der ganzen Sache. Komm her." Er zog Cindy auf seinen Schoß. "Ich hoffe, Mrs. Finnley war nett zu dir?"

"Ja, war sie. Auch wenn ich Angst hatte. Aber sie wollte nur wissen, wer ich bin und ob ihr lieb seid. Ihr seid lieb. Auch wenn ihr euch ab und zu nicht einig seid. Sie schien aber nicht böse darüber zu sein, dass ihr euch nicht immer einig seid. Sie meinte, dass wäre normal. Eltern täten das mitunter."

Etienne nickte. "Das stimmt wohl." Inklusive eines vollausgewachsenen Ehedramas mit Fremdgehen, Eifersucht, Schuldgefühlen und Mordswut. Aber das musste Cindy nicht wissen. "Hauptsache, keiner tut dir was, Häschen." Er drückte Cindy an sich. "Wir sollten schlafengehen", schlug er vor.

"Und Papi?", fragte sie. "Er war die ganze Nacht gestern so traurig."

"Er kommt später wieder." Hoffentlich, setzte er lautlos hinzu, und das Schuldgefühl biss erneut zu wie eine giftige Natter. "Du kannst bei mir schlafen im großen Bett. Ich mag auch nicht allein sein."

"Daddy?" Cindy schniefte leise. "Es liegt an mir, nicht wahr?"

"Nein, Schatz, tut es nicht, du musst mir glauben! Wir beide wollen dich nicht verlieren und haben Angst um dich!", erwiderte Etienne eindringlich und küsste das Mädchen auf die Stirn, zog sie enger an sich. "Bitte weine nicht!"

"Aber, er hat so getan, als würde es ihm gut gehen. Und doch habe ich… Ich weiß nicht. Ich glaube, Papi hat Angst, dass es nicht funktioniert."

"Ja, habe ich auch. Aber wir werden uns für dich bemühen, Häschen. Wir bekommen das hin, versprochen. Hab dich lieb, Cindy."

"Ich dich auch. Und Papi. A´kebur. Ich habe euch beide lieb. Mach, dass A´kebur nicht mehr weint, ja?"

"Ich versuch es, Schatz, ich versuche es", wisperte Etienne und war dankbar, dass Cindy seine eigenen Tränen nicht sah. Er hob das Mädchen hoch und trug sie zum Schlafzimmer. Er wusste nicht, was er tun sollte, aber etwas würde er tun müssen.

Cindy rollte sich zusammen und kuschelte sich an ihren Tribble. "Hab euch beide lieb", wisperte sie und dämmerte langsam weg.

Etienne zog seine Jacke aus und legte sich neben sie. Schlafen konnte er eine ganze Weile nicht und strich nur sanft über Cindys Köpfchen. Doch irgendwann forderten der Stress und die Gefühlsverwirrungen ihren Tribut und Etienne schlief ebenfalls ein.

Er erwachte spät in der Nacht, als A´kebur das Zimmer betrat. Aber er blieb nicht lange. Er zog nur frische Sachen an und ging dann wieder. Er war nur kurz stehen geblieben, um Cindy und vielleicht auch ihn anzusehen. Etienne wusste es nicht.

Am liebsten hätte Etienne ihn aufgehalten, doch er wollte auf keinen Fall Cindy wecken. Er schlief nicht wieder ein, sondern starrte bis zum Morgengrauen an die Decke.

 

Cindy schob lustlos ihr Frühstück auf dem Teller hin und her, als das Hotel eine Nachricht meldete. Etienne, der ebenso wenig Appetit hatte, nahm das Gespräch entgegen. Es war Mrs. Finnley. "Mr. Duval, guten Morgen. Bitte kommen Sie doch mit Cindy um elf Uhr in mein Büro und bringen Sie auch Mr. Re mit."

"Natürlich", erwiderte Etienne und fühlte sein Herz bis zum Hals schlagen. Offenbar stand nun die Entscheidung an. Er hinterließ bei der Rezeption eine Nachricht für A´kebur und machte sich dann daran, Cindys Zöpfe zu flechten. Er hatte A´kebur hundertmal dabei zugesehen, doch wirklich gut gelang es ihm nicht.

Als er das zweite Mal damit begann, weil das Ergebnis nicht vorzeigbar war, nahm ihm jemand die Bürste aus der Hand. "Rück zur Seite", brummte A´kebur ohne eine Begrüßung und setzte sich dann zu Cindy, die ihn ein wenig ängstlich, aber auch unendlich erleichtert ansah. A´kebur machte sich routiniert daran, ihr die Haare zu machen. Er flocht die beiden Zöpfe neu und steckte Cindys Lieblingsspangen ein, die immer glitzerten, wenn sich ihr Kopf bewegte. "Du siehst hübsch aus", versicherte A´kebur ihr.

"Danke!" Das Mädchen strahlte ihn an und umarmte ihn kurz. A´kebur sah tadellos aus und keinesfalls so übermüdet wie Etienne. "Ich bin froh, dass du da bist", wisperte sie. Resolut nahm sie je eine Hand von A´kebur und Etienne und in ihrem Blick war etwas Mahnendes.

Aber weder der eine noch der andere Vater schienen ausbrechen zu wollen. "Dann gehen wir zu Mrs. Finnley", sagte A´kebur. "Sie wird schon warten."

Das tat sie tatsächlich, und nicht nur sie. Im Vorzimmer saßen bereits Henri und Catherine Duval. Etiennes Mutter wich dessen Blick aus und strahlte stattdessen Cindy an, während Henri seinen Sohn finster ansah.

Etienne drückte Cindys Hand fester.

Cindy sah zu ihm auf. Dann machte sie sich jedoch bestimmt los und trat auf ihre Großeltern zu, die sie erstaunt anblickten. "Ich weiß nicht genau, warum ihr mich meinen Eltern wegnehmen wollt", sagte sie mit fester Stimme. "Aber ich will nicht. A´kebur sagt, dass ihr mich liebt und dass ihr denkt, das es nicht gut ist, wenn ich bei meinen Vätern bleibe. Aber ich bin nicht allein und sie sind nicht allein. Ich habe viele Freunde auf der Dragon und ich liebe meine Väter. Sie sind für mich da gewesen und sie sind auch jetzt für mich da. Euch kenne ich nicht und ich will glauben, dass ihr mich liebt. Aber ich will bei ihnen bleiben. Ich verspreche, dass wir zu Besuch kommen. A´kebur sagt, dass es wichtig ist, zu wissen, woher man kommt, denn die Familie, aus der man stammt, trägt man in sich. Also will ich euch kennenlernen." Sie hob ihr Kinn an und schluckte, weil sie mit Tränen kämpfe. "Doch egal was ihr sagt, ich werde nicht mit euch gehen."

"Kleine, du weißt noch nicht, was das Beste für dich ist", brummte Henri, während seine Frau aussah, als wolle sie gleich in Tränen ausbrechen. "Aber Schätzchen, wie kannst du so was sagen. Wir wollen doch nur …"

Weiter kam sie nicht, denn Mrs. Finnley betrat den Raum. Sie musterte die Anwesenden und zückte ein Datenpad.

Ehe sie jedoch etwas sagen konnte, trat Cindy forsch zu ihr. "Sie brauchen nichts mehr machen. Ich habe mich entschieden. Ich bleibe bei Daddy und A´kebur. Und in den Ferien besuche ich alle Großeltern. Uroma Lial, Oma Amaris, Opa Loran, Oma Catherine, Opa Henri, und alle anderen. Auch die Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen werde ich besuchen. Ich werde bei jedem sein. Das verspreche ich."

Mrs. Finnley hob die Hand. "Langsam, Cindy. Mr. Duval …" Sie sah beide Männer an, die sich dieses Namens erfreuten, und blieb dann bei Etienne hängen. "Mr. Etienne Duval, Sie behalten das uneingeschränkte Sorgerecht für Cindy. Mr. Re, Ihrem Antrag wird stattgegeben. Wir brauchen nur noch Ihre beiden Unterschriften."

Etienne hatte nicht bemerkt, dass er den Atem angehalten hatte. Stumm drückte er Cindy an sich und hielt sie fest.

Sie sah Mrs. Finnley mit großen Augen an und wurde ganz aufgeregt, als A´kebur unterschrieb. Henri Duval hatte sich erhoben. "Wie können Sie …?"

A´kebur sah auf. "Sie haben eine Enkelin gewonnen. Sie haben nicht verloren", sagte er.

Mrs. Finnley nickte. "Die Kommission ist zu dem Schluss gekommen, dass das Mädchen bei ihrem Vater gut aufgehoben ist. Uns war das Wohl des Kindes das Wichtigste."

Catherine schniefte leise und murmelte etwas von "Aber wir haben es doch gutgemeint", während Henris Gesicht sich verfinsterte. Er trat nahe an seinen Sohn heran. "Wenn ich könnte, würde ich dir unseren Familiennamen aberkennen lassen!"

Etienne blickte seinen Vater kalt an. "Dann würde ich eben A´keburs tragen. Ich will nur, dass du uns in Ruhe lässt."

"Daddy", murrte Cindy. "Hört auf zu streiten!"

Mrs. Finnley sah das Mädchen baff erstaunt an. "Eine wahre Diplomatin und mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn. Du wirst mal eine große Frau, Cindy Duval."

Die Kleine grinste. "Ich werde so groß wie Daddy und A´kebur!" Dann griff sie nach den Händen ihrer Väter und zog sie Richtung Ausgang. Etienne schaffte es noch, Mrs. Finnley kurz seine freie zu reichen. "Ich danke Ihnen."

"Tschüß, Oma Catherine, tschüß, Opa Henri. Ich besuche euch ganz bestimmt." Cindy winkte.

"Bist du jetzt mein richtiger Vater?", fragte sie ihn, als die Tür sich geschlossen hatte. A´kebur nickte. "Ja, jetzt auch vor dem Gesetz."

"Das ist so toll!" Sie schmiegte sich an ihn. "Jetzt kann ich immer bei euch bleiben."

"Ja, Häschen", bestätigte Etienne ihr, "wir werden immer eine Familie bleiben." Er sah zu A´kebur, der ihn jedoch nicht ansah.

"Und, war es schlimm?", fragte der Cindy. Seine Pflegetochter schüttelte mit einem breiten, zahnlückigen Lächeln den Kopf. "Nein, aber du hast recht, sie lieben mich. Sie haben Angst. Aber ich bleibe dennoch bei euch und sie werde ich besuchen. Ich werde sie alle besuchen, denn man muss wissen, woher man kommt. Wer die Familie ist, aus der man stammt. Werde ich auch meinen Onkel, deinen Bruder Morgqr, kennen lernen?", fragte sie.

A´kebur sah sie verblüfft an. "Vielleicht, ich werde fragen, ob es möglich ist."

"Toll!" Cindy hüpfte ein bisschen. "Vielleicht kann ich ja mit meinen Cousins Bat’leth üben!" Sie sah fragend zu Etienne.

Dieser lachte. "Übe aber vorher lieber noch ein bisschen. Nicht, dass du sie verletzt."

"Ich meinen Onkel verletzen? Oh, ich werde ganz bestimmt kämpfen. Aber ich glaube, er ist besser. Aber nicht so gut, wie A´kebur."

A´kebur grinste. "Ich glaube, Etienne meinte das ein wenig anders."

Cindy machte ein erstauntes Oh, dann jedoch zuckte sie einfach mit der Schulter. "Egal, du bist dennoch besser."

Etienne jedenfalls wusste inzwischen, dass es sicherer war, das Mädchen zwischen Klingonen unterzubringen als bei seinen Eltern. Wenn sie darauf bestand, sollte sie zur Alpha-Kolonie reisen dürfen, aber Etienne würde dort keinen Fuß mehr hinsetzen. Ein Kapitel, das lange offengeblieben und nie ein Ende gefunden hatte, war jetzt abgeschlossen.

"Wir haben immer noch Ferien", bemerkte er schließlich, "wo wollen wir also hin? Schon wieder zurück auf die Dragon?"

"Ich werde zurück zum Schiff gehen", antwortete A´kebur. "Du kannst mit Cindy noch ein wenig herumreisen. Wir sind sicher wieder für einige Monate unterwegs, so dass sich zwischendurch keine weitere Möglichkeit ergibt."

"Cindy?", wandte sich Etienne an seine Tochter, "Was denkst du?"

Sie schüttelte den Kopf. "Ohne A´kebur will ich nicht!", erklärte sie entschieden, "und du auch nicht, Daddy, das weiß ich doch! Entweder wir fahren alle zusammen oder wir gehen zurück!"

"Du solltest", riet A´kebur. "Etienne hat hier auf der Erde auch noch Familie. Es werden nicht alle so sein, vermute ich."

"Nein, sind sie nicht. Meine Schwester Danielle und ihre Familie leben hier. Möchtest du deine Cousine und deine Cousins nicht kennenlernen?"

Cindy schien zu überlegen. "Doch", meinte sie, "aber warum ohne A´kebur? Papi, komm doch mit", schmeichelte sie.

A´kebur schüttelte den Kopf. "Ich muss wirklich zurück. Dafür kannst du mir jedoch alles erzählen, Cindy-cha."

Die Kleine verzog den Mund. "Na gut. Aber wir sind ganz bald wieder da! Hab dich lieb." Sie umarmte ihren jetzt ganz offiziellen Zweitvater.

Etienne wusste, dass Cindy etwas dagegen hatte, dass sich ihre Väter trennten, ohne sich versöhnt zu haben; denn dass nicht alles zum Besten stand, war nur allzu offensichtlich. Doch Cindy war gewitzter und dreister, als er gedacht hatte, denn sie sagte: "Daddy, gib A´kebur einen Abschiedskuss! Ich gucke auch weg!" Damit drehte sich abwartend um.

A´kebur schoss auf Etienne einen warnenden Blick zu. Er strich Cindy über den Kopf. "Hab Spaß", sagte er und ging dann.

Sein Ziel war das Starfleet-Hauptquartier, um sich von dort direkt zur Dragon bringen zu lassen. Noch ein paar Stunden mit Etienne zusammen und er hätte ihn zum Kampf herausgefordert, den dieser unter Garantie nicht überleben würde. Der einzige Grund, warum er es nicht getan hatte, war, dass er das Gefühl hatte, dass die Schuld für den Verrat Etiennes bei ihm lag.

Vielleicht war es das Beste, wenn sie sich einige Tage nicht sahen und seine Wut, wenn schon nicht verrauchte, dann doch etwas abkühlte. Und er sich Gedanken darüber machen konnte, was denn nun wirklich so schief gelaufen und was für Konsequenzen zu ziehen waren.

Cindy war enttäuscht. Sie sah Etienne an, aber nur kurz. Dann schüttelte sie den Kopf. "Was ist passiert?", fragte sie.

"Ich kann es dir nicht sagen, Schätzchen. Wir Erwachsenen sind manchmal einfach zu kompliziert, fürchte ich." Er schlenderte mit Cindy Richtung Shuttleservice.

Seine Schwester lebte in Ohio in einem wunderbaren Haus, soweit er das von Bildern gesehen hatte. Dort umgab sie nicht die idyllische Gartenlandschaft von New Avalon, sondern wilderes, noch immer ungezähmtes Land. Es würde Cindy sicher gefallen.

Vor allen Dingen, wo seine Schwester nicht dieses fast fanatische Wesen übernommen hatte. Etienne hatte es auch nicht, aber da Danielle sehr viel ruhiger war, wäre es für ihn kein Wunder gewesen. So hoffte er, dass Cindy ein wenig abgelenkt war und er eine Zeit hatte, um sich etwas zu überlegen. Er merkte plötzlich, dass er bisher nur reagiert hatte. Seine Wut aufgrund der Enttäuschung und seine Sehnsucht nach Freiheit hatte er im Fremdgehen ausleben wollen. Es war keine Lösung, selbst ohne A´keburs Reaktion wusste er es. Sein Gefährte hatte Recht: Es gärte in ihm und die Angst, Cindy verlieren zu können, hatte es wieder zutage getragen.

Es war nicht genug. Es war einfach nicht genug.

Doch welche Alternativen blieben? Durch die Galaxis reisen war das, was er wollte, soviel wusste er. Die Dragon verlassen und auf einem Planeten oder einer Station zu wohnen, kam nicht in Frage. Überhaupt war das Leben auf der Dragon an sich ideal. Es gab nur den einen Schönheitsfehler: Manchmal fühlte sich Etienne auf der Dragon wie auf einem Galeerenschiff. Sicher, sie flogen zu den entlegensten Winkeln der Galaxis und erforschten unbekannte Welten, aber das Schiff selbst war eine streng hierarchische Welt mit Regeln, die keine Ausnahmen zuließen. Natürlich wusste Etienne rein rational, dass es auf einem Schiff dieser Größe nicht anderes ging. Aber er hasste es, Befehle zu befolgen und "Ja, Sir" zu sagen.

Als Nicht-Mitglied von Starfleet hatte er zwar gewisse Freiheiten, aber andererseits war auch dadurch wieder arg eingeschränkt. Bei wirklich wichtigen Dingen hatte er nichts zu melden. Er konnte hundertmal kompetenter sein als sein Vorgesetzter, er zählte nicht. Er war und blieb der Zivilist, der Laie, der Kriminelle, dem man nichts zutrauen konnte. Doch wenn es um Verbote ging, dann war er plötzlich Crewmitglied mit allen Pflichten. Wie es gerade passte. Captain Volkov und einige andere sahen das zwar nicht so, aber Etienne konnte an diesem Gefühl nichts ändern.

Plötzlich grinste er, als ihm eine Idee kam und damit der Gedanke: Frechheit siegt. Wenn er ein Mitglied mit allen Pflichten war, aber nichts zu melden hatte, dann musste er einen Status erlangen, wo er nicht nur reiner Befehlsempfänger war. Wie hatte A´kebur ihre Trennung überwunden? Er war einfach einen Weg gegangen, der im Grunde kaum eine Lösung zuließ, aber der die einzige Möglichkeit bot. Für ihn bedeutete es, er musste zu Starfleet gehören, egal wie.

Doch das war einfacher gesagt als getan. Die Ausbildung bei Starfleet dauerte Jahre auf der Akademie, und er wusste nicht einmal, ob er überhaupt zugelassen werden würde. Natürlich gab es noch Ernennungen ehrenhalber, aber die beschränkten sich auf den Rang des Fähnrichs und bedeuteten nicht wirklich etwas. Außerdem war ein Fähnrich wirklich unterste Fahnenstange und mit noch mehr Aushilfstätigkeit belastet.

Aber der Gedanke blieb. Etienne beschloss, Captain Volkov zu fragen, ob sie vielleicht eine Idee hatte. Drei, vier Jahre die Schulbank drücken wollte er auf keinen Fall. Etienne überlegte, ob ihm die Starfleetvorschriften unter Umständen weiterhalfen. Einen Versuch war es allemal wert. Noch nicht wirklich konkret, aber mit einem Ziel vor Augen wurde Etienne merklich leichter. Jetzt musste er noch eine Strategie wegen A´kebur finden.

Doch da war es mit den kühlen Überlegungen vorbei. Entschuldigungen, selbst ernstgemeinte, halfen da nicht. Die Wahrheit half nicht, weil Akebur es als Selbstmitleid ansah, das er verachtete, obwohl er selber hervorragend schmollen konnte. Bei seinem Gefährten zählten eigentlich nur Taten. Aber was sollte er in dem Fall machen? Etienne kannte die klingonischen Riten für solche Fälle. Er musste sich der Gnade des anderen aussetzen und dann den ehrenvollen Tod entgegennehmen, wenn er ihm angeboten wurde oder in Schande weiterleben.

Keine guten Aussichten. Cindy saß neben ihm und tat so, als würde sie lesen. Dass sie seit Beginn der Fahrt nicht einmal umgeblättert hatte, machte ihre Tarnung nicht sehr überzeugend. Während er sie ansah, dachte er daran, wie A´kebur und er sich das erste Mal getroffen hatten. Auch das Balzritual war eine Herausforderung. Wie viele Verletzungen vertrug er, bevor A´kebur zu sich kam und ihm vielleicht verzieh?

Es war ja nicht so, dass Etienne erst seit seiner Begegnung mit A´kebur einiges hatte einstecken müssen. Auch vorher war er oft genug in Kämpfe verwickelt gewesen und war angeschossen oder verprügelt worden. Genug Leute hatten ihn aus anderen Gründen umbringen wollen, aber so persönlich war es nie gewesen.

Doch da musste er wohl durch. Etienne sah zu Cindy, die sofort neugierig zu ihm hochblickte. "Ich denke, ich schaffe es, dass A´kebur nicht mehr böse auf mich ist", erklärte er schließlich.

"Bist du daran schuld?", fragte sie.

"Ja, bin ich, Häschen. Dein Daddy hat was sehr Dummes gemacht. Und jetzt muss ich schauen, wie ich das wieder einrenke."

Cindy kniff die Augen zusammen. "Hat er was Dummes getan und du dachtest, du müsstest auch was Dummes tun? Thomas macht auch öfters sowas. Tairi sagt, Männer machen sowas immer."

"Nein. A´kebur kann da überhaupt nichts zu. Deswegen ist er ja auch so wütend und traurig." Etienne atmete tief durch.

"Dann hat Tairi recht. Du wirst dich wohl entschuldigen müssen." Cindy klappte ihr Buch zu. "Ich mag nicht, wenn ihr euch streitet."

"Ich werde es versuchen, versprochen. Aber du kennst ja A´kebur, er hat es nicht so mit Worten. Ich verspreche dir auch zu versuchen, nicht mehr mit ihm zu streiten."

"Okay, das ist gut." Sie nickte zufrieden. "Dann wird er auch das nächste Mal mitkommen und Tante Danielle angucken und nicht sagen, dass er zur Dragon muss."

"Das hoffe ich auch", erwiderte Etienne und legte einen Arm um sie.

 

Die Reise dauerte nicht lange. Es war noch nicht einmal wirklich Nachmittag, als sie schließlich ankamen. Danielles Familie wohnte wirklich wunderschön in einem geräumigen, schlichten Haus. Schon von Weitem schollen Cindy und Etienne Kinderstimmen entgegen; in einem riesigen Sandkasten im Garten saßen drei blonde Kinder, bewarfen sich kreischend mit Sand und schienen ihren Spaß zu haben.

Etienne brauchte nicht einmal zu läuten, als die Tür auch schon aufging und Danielle vor ihm stand. Sie sah noch immer sehr jugendlich aus mit ihrer zarten, schlanken Figur, den kurzen blonden Haaren und den strahlenden blauen Augen. Etienne kam plötzlich der Gedanke, dass Cindy in zwanzig Jahren auch so aussehen mochte.

"Ich wusste, dass du kommst", sagte sie nur und nahm ihn in den Arm. Etienne war verblüfft.

Cindy grinste, als sie die Geschwister sah. Es fühlte sich gut an. Endlich stand das, was sie unter Familie verstand, vor ihr. Keine grummeligen Großeltern, die nicht wussten, dass es ihr gut ging und das auch nicht erkannten. "Und du musst Cindy sein, der Sonnenschein meines meist abwesenden Bruders", rief Danielle, als sie endlich Etienne losgelassen hatte, um sie in Augenschein zu nehmen. "Du bist wunderhübsch, Cindy. Darf ich dich umarmen und dich küssen?"

"Darfst du, Tante!" Cindy fiel Danielle in die Arme; instinktiv hatte sie gespürt, dass hier ein Mensch war, dem man sofort vertrauen konnte. Schließlich bat Danielle die beiden ins Haus und rief nach ihren Kindern.

Es dauerte nicht lange, und die sandbepuderte Bande kam neugierig angelaufen. Marie, die nicht viel jünger als Cindy war, sah diese interessiert an, während die beiden kleinen Jungen schon wieder raufend übereinander herfielen. Es war unglaublich, wie ähnlich die vier sich sahen: Sie alle hätten Geschwister sein können. Marie hatte etwas dunkelblonderes Haar und dunkle Augen; wären nicht die längeren Haare gewesen, hätte man sie für eine Miniaturausgabe von Etienne halten können. Die Zwillinge hingegen waren dunkelhaarig wie Danielles Mann, aber mit ihren blauen Augen.

Aber Cindy erkannte sich in jedem wieder und nach einigem Suchen auch in der Schwester ihres Bruders, ihrer Tante. Bei ihren Großeltern hatte sie größere Mühe gehabt. Sie seufzte geradezu erleichtert, denn sie erkannte, wie richtig A´kebur lag. Man musste seine Familie kennen und sie fand sie gut. Und das Beste war, sie schien die Älteste unter der letzten Generation derer mit dem Namen Duval zu sein. Das fand sie nun wirklich gut. Sie war die ältere Schwester - quasi, irgendwie …

Cindy grinste.

Nach einer kurzen Vorstellung zog Marie Cindy auch gleich mit nach draußen, und die Kinder verschwanden wieder lachend im Garten.

Etienne setzte sich an den großen Esstisch gegenüber von Danielle. "Ich hätte eher herkommen sollen", meinte er, "und mir stattdessen den Besuch bei unseren Eltern sparen sollen."

"Du warst wirklich bei ihnen", Danielle lachte, "du bist unverbesserlich. Du hättest eher hierher kommen sollen. Sie sind in den letzten Jahren noch schlechter auf dich zu sprechen gewesen als sowieso schon. Und dann noch ein Mann an deiner Seite. Also wirklich. Aber ich verstehe dich. Nur, ich hätte dich zumindest warnen können."

"Danke", brummte Etienne trocken, "aber um mich ging es ja diesmal nicht. Sie wollten Cindy haben. Was bei mir schieflief, dann wenigstens bei ihr geradebügeln, ehe es zu spät ist."

"Sie wussten nicht, dass du eine Tochter hast. Ich habe es ihnen nicht gesagt, als du es damals mir eröffnet hast. Ich wusste schon, warum. Ich habe nur angedeutet, dass du in einer Partnerschaft lebst. Sie sind verknöchert und das wird sich nicht ändern. Sie haben schon angerufen, dass du das Sorgerecht mit einem Partner teilst, der offenbar ein Barbarenklingone ist und nur so tut, als ob er sich zivilisiert benehmen könne."

"Siehst du, und ich war so rücksichtsvoll, ihn zu dir nicht mitzubringen. Aber im Ernst, er hat zu tun. Er war drauf und dran, Vater zum Kampf zu fordern." Etienne musste bei der Erinnerung schmunzeln.

"Ernsthaft?" Danielle fielen fast die Augen aus dem Kopf. "Oh, bitte, ruf ihn an und lade ihn ein!", bettelte sie.

"Er wird das nächste Mal mitkommen, versprochen." Etienne zögerte. "Um ehrlich zu sein wir haben Streit. Nicht wegen der Sache mit Cindy, aber… ich bin mir im Augenblick unsicher, was ich machen soll", gab Etienne zu. Er und Danielle hatten sich immer alles sagen können, das hatte sich auch nach all den Jahren nicht geändert.

Jetzt sah sie ihn schief an und er hatte das sichere Gefühl, dass sie wusste, was vorgefallen war. Zumindest ahnte sie.

"Was hast du angestellt?", fragte sie in einem Ton, von dem er wusste, dass er soviel bedeutete, wie: Kannst du nicht einmal Ärger aus dem Weg gehen?

"Ich hab mich betrunken und bin im Bett eines anderen Kerls gelandet", gab Etienne kleinlaut zu, "und jetzt muss ich zusehen, wie ich mich entschuldige."

Danielle wurde rot. "Du bist was???" Sie hustete. "Oh Gott, oh Gott, oh Gott. Etienne!"

Er zog den Kopf ein. "Ich weiß! Die Frage ist jetzt, wie ich da rauskomme, ohne dass er mir den Kopf abreißt. Ich fürchte, wütende und eifersüchtige Klingonen sind noch schlimmer als nur wütende."

Danielle lehnte sich zurück. Ihre Mundwinkel zuckten verdächtig. "Du bist ein Idiot, Etienne!", sagte sie trocken, dann lachte sie. "Oh, wie konntest du nur? Erst einen Partner, der ist, wie er ist, und ihn dann noch betrügen. Ich fürchte, ich werde dich hier verstecken müssen."

"Danke für das Angebot, aber ich werde mich dem wohl stellen müssen. Mit etwas Glück sind es nur drei Tage Krankenstation. Die Ärztin der Dragon hasst mich, ich hasse sie, also will sie mich schnell wieder los sein."

Danielle schnaufte. "Es ist wirklich erbärmlich, wie Männer damit umgehen", sagte sie. "Aber lassen wir das. Du kriegst jetzt einen Kaffee und ein Stück von meinem selbstgebackenen Apfelkuchen. Keine Widerrede!"

Etienne lachte. "Ich hatte nicht vor, da zu protestieren! Dein Kuchen ist vermutlich noch besser als früher. Und erzähl doch mal von Marc Verlobter und den Hochzeitsplänen."

Danielle grinste. "Mach ich. Komm in die Küche, dann können wir die Kinder dabei beobachten, wie sie sich gegenseitig Sand in den Ausschnitt schütten."

 

Der Tag verging wie im Flug, und Etienne gab Danielles Angebot und Cindys Drängen nach, eine Nacht zu bleiben. Und dann noch eine und noch eine. Cindy war begeistert von ihrer neugefundenen Familie und Etienne genoss es, nach so langer Zeit wieder Zeit mit seiner Schwester verbringen zu können.

Doch dann fragte Cindy wieder nach ihrem Pflegevater und es war deutlich, dass sie ihn sehr vermisste. "Willst du dich mit ihm vertragen, wenn ich nicht da bin? Ich weiß, Erwachsene denken immer, dass Kinder stören. Sagt Thomas."

"Du störst nie, Schatz", versicherte Etienne ihr, "aber ich werde mit A´kebur schon allein reden. Willst du noch etwas hierbleiben oder sollen wir langsam zurück zur Dragon?"

"Ich bleibe noch hier. A´kebur wird mit dir kämpfen, das weiß ich." Sie schniefte kurz. "Das mag ich nicht sehen."

Etienne wollte ihr widersprechen und sie beruhigen, aber was wollte er sagen? Es stimmte natürlich. "Mir passiert schon nichts, wirklich. A´kebur und ich bekommen das schon wieder hin." Er umarmte sie.

Er hörte sie wieder schniefen. "Bring ihn wieder zurück", flüsterte sie. "Ich habe euch beide lieb."

"Wir dich auch, Häschen. Wir dich auch."

Danielle war natürlich einverstanden, dass Cindy noch eine Weile blieb und wünschte ihrem Bruder viel Glück. Etienne packte seine Sachen zusammen und nahm das nächste Shuttle zum Raumhaufen, von dem er dann zum Reparaturdock weiterflog, an dem die Dragon zur Reparatur gebracht worden war. Die ganze Zeit über war er ungeduldig und überlegte, was er Captain Volkov sagen sollte. Denn mit ihr musste er zu allererst wegen seiner Pläne sprechen.

 

Die Gänge der Dragon sahen aus wie nach einer Schlacht; überall hingen Lichtleiter aus den Decken und Panele waren aufgeschraubt. Es schien, als würde das Schiff entkernt und nicht nur ein bisschen gewartet. Etienne schlängelte sich zwischen den Technikern hindurch zum Bereitschaftsraum des Captains. Natürlich hatte sie keinen Urlaub genommen, sondern überwachte die Veränderungen am Schiff mit Argusaugen.

Sie sah jedoch auf, als sie Etienne eintrat. Elena lächelte hocherfreut. "Schön Sie zu sehen. Was treibt Sie hierher, wo Sie doch Urlaub haben? Vor allen Dingen, wo Sie alle etwas zu feiern hätten. Ich kann nicht einmal meinen Chefingenieur dazu anhalten, seinen Urlaub zu verlängern."

"Ich fürchte, das Pflichtgefühl treibt uns zurück. Hätten Sie etwas Zeit für mich, Captain? Ich müsste etwas Wichtiges mit Ihnen besprechen."

Elenas Lächeln verschwand. Sie nickte. "Okay, mein Raum ist umbaufrei. Es hängen keine Kabel herum und das Licht funktioniert." Sie ging vor und tatsächlich funktionierten sogar die Türen. Statt sich hinter ihren Schreibtisch zu klemmen, wählte sie die kleine Sitzgruppe nahe am Fenster. "Es scheint wichtig zu sein", sagte sie.

Etienne nickte. "Erst einmal möchte ich mich bedanken für ihr Gutachten für das Jugendministerium. Ohne Ihre und Ians Fürsprache wäre es wohl weitaus schwerer geworden. Sie können sich kaum vorstellen, was es für mich bedeutet hätte, Cindy…" Er brach ab. Es war vorbei, zum Glück. "Aber ich bin wegen einer anderen Sache hier, Captain. Was müsste ich tun, um bei Starfleet aufgenommen zu werden, ohne die Jahre an der Akademie zu verbringen? Nur ganz theoretisch."

Elenas Augenbrauen sprangen fast unter den Pony. "Äh, Sie überraschen mich!", gestand sie. "Bevor ich überlege, verraten Sie mir, warum Sie das wollen?"

"Ich möchte auch die Rechte haben, die mit meinen Pflichten einhergehen", war Etienne ehrlich. "Meine Position hier an Bord ist nach wie vor zwischen allen Stühlen, und egal was ich tue, ich werde so nie auch nur ein Fünkchen Anerkennung bekommen. Sie denken da anders, aber Sie sitzen auch nicht tagtäglich in der exoarchäologischen Abteilung am Schreibtisch oder in der Bar. Ich bin nur geduldet, und da ich ja nicht die Rechte eines Offiziers habe, braucht man sich auch nicht weiter drum zu kümmern. Ich dachte, es würde mit der Zeit besser werden, aber das tut es nicht. Ich kann so nicht weitermachen, in dem ich von allen Seiten eingeschränkt werde."

Elena lehnte sich zurück. Sie nahm sich die Zeit, über alles nachzudenken. Vor allen Dingen, was passiert war, dass Etienne so denken ließ, dass er keine Rechte hatte. "Ich verstehe", meinte sie dann gedehnt. "Mehr Verantwortung, mehr Freiheit, mehr Anerkennung, mehr Rechte. Ich glaube, ich verstehe. Aber korrigieren Sie mich bitte, wenn ich falsch liege."

"Nein, Sie liegen richtig. Kann man da irgendetwas tun, Captain?"

Elena nickte. "Ich frage mich, was Sie so lange hat warten lassen. Und ich frage mich, warum Sie ausgerechnet jetzt kommen. Gut, Sie wollen mehr, dann bekommen Sie mehr. Ob unbedingt als Starfleetoffzier, das werden wir sehen müssen. Aber Sie glauben noch immer, dass Sie nicht dazugehören, richtig?"

"Captain, ich würde gerne glauben, dass dieses Schiff mein Zuhause ist und deren Besatzung meine Kollegen, ja Freunde." Etienne beugte sich vor und sah sie direkt an. "Aber ich habe Augen im Kopf. Es wird hinter meinem Rücken geredet, das weiß ich. Der dusseligste Fähnrich darf wichtigere Dinge erledigen als ich, es sei denn, die Sache ist gefährlich oder einfach nur lästig. Ich habe kein Mitspracherecht. Und was die Verordnungen zu zivilen Mitarbeitern auf Starfleetschiffen betrifft, steht dort: "Sie haben jederzeit und ohne Anrecht auf Erklärung den Weisungen der Offiziere Folge zu leisten." Sie können es nachsehen. Würden Sie auf Dauer so arbeiten wollen? Und haben Sie einmal nachgesehen, wie viele zivile Mitarbeiter es hier auf der Dragon gibt? Die meisten davon sind Ehepartner von Offizieren, die die eine oder andere Kleinigkeit erledigen. Die anderen sind Köche und Lehrer für die Kinder."

"Und Sie sind einer der wenigen wissenschaftlichen Mitarbeiter, die einen zivilen Status haben."

Etienne nickte. "Ja, genau."

Elena lächelte. "Dann wird es Zeit, dass wir Ihr Potential völlig ausschöpfen. Sie haben Recht. Sie sind zu gut als Befehlsempfänger. Das sehe ich ebenso. Ich werde mir überlegen, was in Ihrem besonderen Fall möglich ist. Als erstes jedoch bitte ich Sie, mit mir die technische Überarbeitung der Dragon zu überwachen. Haben Sie Einwände? Wo ist eigentlich Cindy?"

"Sie ist bei ihrer Tante auf der Erde; meine Schwester wird sie in ein paar Tagen wieder herbringen. Und Sie meinen das ernst, dass ich Ihnen helfen kann?"

"Natürlich. Sie waren der Captain eines Schiffs. Was liegt da näher, als wenn ich mich Ihres Wissens bediene? Ich denke, Sie sind nicht nur ein Experte für die Allerersten. Wissenschaft ist das eine. Es gibt noch einiges mehr, was Sie beherrschen. Aber alles braucht seine Zeit und genau die scheint jetzt gekommen. Was das, nun, sagen wir Protokoll angeht, es ist nicht so starr, wie Sie denken, Mr. Duval."

Etienne zog eine Augenbraue hoch. "Das soll heißen?"

"Sie werden niemals Admiral werden. Und auch kein Captain von Starfleet. Aber… nun ja, es gibt da ein, zwei Wege, die die sogenannten Quereinsteiger nehmen. Ich werde Ihnen was zeigen. Den Weg, den Sie nehmen können. Und wenn Sie sich so befähigt zeigen, wie ich vermute, werde ich eine Empfehlung aussprechen."

Etienne verstand. "Wenn Sie das täten, Captain, wäre ich Ihnen sehr dankbar. Aber ich will keine Gefälligkeiten, sondern es mir verdienen. Prüfen Sie mich, wie Sie es für richtig halten. Ich werde Sie nicht enttäuschen", versprach Etienne.

Elena lachte. "Oh, ich denke nicht daran, Ihnen irgendetwas zu schenken. Schließlich will ich weder Sie noch mich beleidigen. Wenn das nun geklärt ist, dann würde ich sagen, fangen wir an. Sie können mir echt helfen. Wenn man die Ingenieure machen lässt, dann bauen sie einem das Schiff auseinander und ergötzen sich an den Innereien. Wenn man großes Glück hat, sind sie so gnädig und setzen alles wieder zusammen. Sie belassen es bei den abgesprochenen Verbesserungen. Aber wenn es sie packt, dann sitzen sie noch länger daran, weil sie eine umwerfende Idee haben, die nur leider alle Zeitpläne umwirft, die man je aufstellen kann."

"Ich weiß, was Sie meinen. Und Sie brauchen jemanden, der eben kein Techniker ist, aber genug davon versteht, um die Dinge überprüfen zu können", schloss Etienne, "ich werde mich gleich daran setzen, wenn Sie mir die Autorisierung geben."

Er sah, wie der Captain ihr Datenpad hob und kurz was darauf eintippte. "Sie haben die Berechtigung. Wussten Sie übrigens, dass Sie auch Zugang zum Antrieb haben? Sie waren nie dort gewesen. Kann es sein, Mr. Duval, dass Sie ein bisschen Angst davor haben, einfach mal in Ihre Personaldatei zu schauen?" Sie grinste und reichte ihm ihr Datenpad. "Organisieren Sie das Chaos. Viel Spaß. Ich werde jetzt mir den Luxus gönnen und einen funktionierenden Replikator suchen. Wollen Sie auch einen Kaffee?"

"Danke, vielleicht später. Besser, ich setze mich gleich daran, ehe das Schiff vollends auseinandergenommen ist." Etienne stand auf. "Ma'am, ich gebe Ihnen heute Abend einen ersten Bericht. Und… ich lese auch meine Akte."

Sie sah ihn geradezu unschuldig an. "Das meine ich auch. Wenn Sie mehr Verantwortung wollen, sollten Sie sich erst einmal kennenlernen. Wenn Sie eines Tages Verantwortung bekommen, müssen Sie nämlich andere kennenlernen und einschätzen können." Damit erhob sie sich und sah sehnsuchtsvoll zu ihrem Replikator. "Heute Morgen haben sie alle Replikatoren ausgeschalten. Eigentlich haben sie den siebten und zehnten Kreislauf lahm gelegt, weil irgendwo ein Kurzschluss ist. Wenn ich es recht überlege, müssten dann noch die Replikatoren auf den Ebenen drei, vier, fünf, zehn und siebzehn funktionieren. Die restlichen Ebenen sind überhaupt nicht betretbar. Ich gehe in die Bar. Wenn Sie mich suchen …"

"Verstanden, Captain." Etienne lächelte "Und vielen Dank. Ich sehe zu, dass Ihr Replikator nachher wieder läuft."

Sie seufzte. "Ich werde drei Kreuze machen, wenn der Antrieb im Zeitplan liegt." Damit ging sie und überließ Etienne dem Chaos.

Etienne braucht einen Moment um zu begreifen, dass er ihren Com-Terminal verwenden sollte. Schließlich setzte er sich hinter den Tisch, gab seine Autorisierung ein und rief als erstes seine Akte auf. Etienne hatte sich tatsächlich immer gescheut, sie erneut anzusehen; eine unbewusste Angst, dass Negatives oder schlimmer, gar nichts dazugekommen war. Doch seine Sorge war unbegründet gewesen. Ausnahmslos alle Beurteilungen waren positiv, selbst die seines Vorgesetzten. Es waren keine Lobeshymne von Lieutenant Jeckings, eher in der Richtung "es gibt nichts Negatives zu vermerken", aber immerhin. Etienne las weiter und fand schließlich die diversen Berichte der Archäologen. Man hätte meinen können, dass sie ein Glas Sekt zuviel getrunken hatten beim Schreiben dieser Texte, so überschwänglich war das Lob. Und doch war es ernstgemeint. Zuunterst war eine Notiz der Bewährungsabteilung, die aus den gesammelten Berichten Resümee zog. "Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Etienne Duval den Auflagen mehr als nur entsprochen und sich darüber hinaus um unschätzbare Unterstützung der Wissenschaft verdient gemacht hat. Es wird empfohlen nach 6 Jahren im Anschluss dieses Berichts, einen Antrag auf Aufhebung der Bewährung zu prüfen." Etienne fasste es nicht. 5 weitere Jahre guten Benehmens, und er war wieder ein in jeder Hinsicht freier Mann.

Das waren fast zu viel der guten Nachrichten. Captain Volkov hatte Recht: Er musste sich einfach wieder mehr zutrauen. Freilich, in den Grenzen dieses Schiffs. Aber es war ja nicht so, als hätte er Fußfesseln oder keinen Zugang zu Computern. Er hatte sich mehr Grenzen gesetzt als die anderen um ihn herum. Es wurde wirklich Zeit, dass endlich etwas fand, wo er sich zuhause fühlen konnte. Nicht Captain, aber was ebenso Herausforderndes …

Etienne grinste. Er öffnete die Übersicht des Schiffs und stieß ein Pfeifen aus. Die Dragon bestand nur aus Chaos!

Wenn die Reparaturen wirklich wie geplant in zwei Wochen abgeschlossen werden sollten, dann mussten sich tatsächlich etwas ändern an diesem planlosen Tun. Griff denn der Chefingenieur nicht ein? Nein, konnte er nicht, denn er konnte nicht überall sein und hatte zudem private Sorgen. Etienne biss sich auf die Lippe. Mit einigen Handgriffen rief er schematische Darstellungen auf und begann eine Liste der Arbeiten zu erstellen, die seiner Meinung nach kompletter Unsinn waren und sofort unterbrochen werden sollten, sowie einige der Dinge, um die sich offenbar niemand kümmerte. Er fand auch die zuständigen Crewmitglieder, doch er konnte sie ja nicht einfach anfunken und sagen, dass es Blödsinn war, was sie taten. Oder doch?

Etienne las die Namen und betätigte dann das Intercom. Mehr als seiner Anweisung, die eigentlich vom Captain kam, nicht Folge leisten konnten sie ja wohl kaum.

Er sah, was der Captain schon getan hatte und für ihn irgendwie seltsam wirkte. Er konnte sich darauf keinen Reim machen, aber er entschloss sich, es so zu belassen. Dann meldeten sich die ersten. "Mr. Duval?", fragte Kiran, ein Andorianer.

Er war Leiter einer der unzähligen technischen Teams. "Mr. Kiran, ich habe hier eine Anweisung auf Umverteilung der Reparaturarbeiten. Setzen Sie die EPS-Zentrale wieder zusammen und begeben Sie sich dann zu Sektion Z-14. Die Jeffriesröhren in den Abschnitten A 23 bis 45 müssen gewartet werden."

"Mr. Duval? Äh, ich… Sie… Sind Sie sicher?"

"Ja, Mr. Kiran. Sie können gerne noch einmal beim Captain nachfragen oder bei Lieutenant Commander A´kebur. Die EPS-Zentrale ist vollkommen in Ordnung; der Fehler, den Sie dort suchen, kam von defekten Lichtleitern im Bereich V 98 und ist bereits behoben."

"Oh, danke. Okay, das ist gut, ich mache mich auf den Weg. Soll ich Ihnen Bescheid geben, wenn ich fertig bin oder dem Captain?"

Etienne lächelte. "Geben Sie mir Bescheid. Bis dahin weiß ich dann auch, wo Sie und Ihr Team als Nächstes gebraucht werden. Duval Ende."

Er lehnte sich zurück und staunte ein wenig über sich selbst. Er hatte Protest und Verweigerungen erwartet, zumindest aber die Bestätigung eines Offiziers. Mit neuem Mut ging Etienne die Listen weiter durch und verteilte Aufgabenbereiche neu. Die meisten andere, die er anfunkte, waren ähnlich kooperativ, auch wenn er im Stillen vermutete, dass sie danach noch einmal beim Captain oder bei A´kebur nachfragten. Etienne hoffte allerdings, dass dieser überhaupt schon durch Elena informiert war.

Aber da er nirgendwo Protest erntete, ging er einfach davon aus. Ausgestattet mit dem Datenpad verließ er nach gut anderthalb Stunden das Büro des Captains und sah sich auf der Brücke um. Er erinnerte sich, dass er eigentlich hier noch zwei andere Experten hingeschickt hatte. Wo waren diese denn hingekommen?

"Alles im Griff?", fragte ihn der Captain, die in diesem Moment die Brücke betrat. Sie hatte zwei Tassen Kaffee mitgebracht und gab ihm eine.

"Danke, ich denke schon. In einer Stunde wird Ihr Replikator repariert; die in der medizinischen Abteilung hatten leider Vorrang. Ich denke, ich habe gut drei Tage Arbeitszeit verkürzt, wenn ich mich nicht verrechnet habe." Etienne nahm dankbar einen Schluck Kaffee. "Das Problem war hauptsächlich, dass viele der Leute nicht wussten, was ihre Kollegen tun. Und andere waren der Meinung, Dinge auszutauschen, die noch neu sind." Er grinste. "Ich erinnere mich, dass man auf der Akademie erzählt bekam, Computernanomodule müssten alle 1,2 Jahre ausgetauscht werden, da sonst das System zusammenbricht und die Galaxis untergeht oder so etwas. Meines auf der Drake hielt fünf und hatte keine Verschleißspuren."

Elena lachte. "Oh, ich kenne diese Sprüche auch noch. Haben Sie Team 5 hoch in die Jeffriesröhre geschickt? Ich hatte das vorgehabt. Mitunter frage ich mich, wozu eigentlich die ganzen Pläne gemacht werden, die dann doch von allen ignoriert werden. Heute Morgen waren sich alle einig, dass alles so ist, wie es dasteht, keine Stunde später war ein Drittel der Leute ganz woanders beschäftigt. Der Chefingenieur hatte sich dann um die eine Hälfte gekümmert, ich um die andere. Kurz darauf gab es den Kurzschluss und damit waren wir dann beschäftigt. Bevor Sie kamen, wollte ich mal sehen, was jetzt so alles passiert ist und wo sich wer befindet."

"Und, sieht es jetzt etwas hoffnungsvoller aus, dass wir den Zeitplan einhalten können, was denken Sie?"

Sie grinste ihn an. "Wir halten immer den Plan. Genauer, die Ingenieure. Denn es kratzt nichts mehr an ihrer Ehre, wenn sie nicht ihre Zeitpläne unterbieten können. Von daher, wir sind hier nur Dekoration. Aber wichtig im Gefüge, weil wir ihnen das Gefühl geben, dass es ohne sie nicht geht, was ehrlich gesagt, auch richtig ist."

"Scheint so. Wenn Sie erlauben, Captain, werde ich den Rest noch durchgehen. Morgen wird vermutlich wieder alles ganz anders aussehen, aber vorerst…" Er schmunzelte.

"Ist es das perfekte Chaos! Tun Sie, was Sie für richtig halten. Ich werde mich jetzt um die Brücke kümmern. Jemand meinte, dass unbedingt die Kommandozentrale auseinandergenommen werden muss. Irgendein Teil hat offenbar seine Garantie verloren und wenn es nicht ausgetauscht wird, zerfällt das Universum in seine Bestandteile."

"Dann überlasse ich Sie mal hier Ihrem Schicksal, Sir." Etienne lächelte und verschwand wieder im Bereitschaftsraum.

Die nächsten Stunden hatte er noch genug zu tun. Erst als Captain Volkov kam und ihm erklärte, er solle Pause machen, ließ er von seiner Arbeit ab. Doch ins Quartier zu gehen, schien keine gute Idee. A´kebur hatte auch frei und seine Kollegen würden ihn schon genötigt haben, zwischendurch Ruhe zu geben. Also steuerte Etienne die Bar an und bestellt bei Suahi einen seiner bunten Lieblingscocktails. Die Bar schien der einzige Raum im Schiff zu sein, an dem die Techniker nicht zugange waren. Etienne vermutete, dass niemand Suahi zum Feind haben wollte und ihm deswegen nicht sein Reich auseinandernahm.

"Ah, mein Freund. Ich hörte, dass du der Assistent des Captains bist. Ich schätze, sie ist hocherfreut, dass du hier bist. Der Erste Offizier koordiniert, der Chefingenieur und sie. Es ist einfach zuviel Arbeit für nur drei Leute. Die Hälfte der Leute auf dem Schiff stammt nicht vom Schiff und die halbe Dragon ist ausgeweidet worden. Belastungstests an allen Ecken und Enden, Auswertungen, so lang wie ein Flug von hier bis nach Andorra. Wenn ich nicht so beschäftigt wäre, ich würde meine Hilfe anbieten."

"Du kannst dafür sorgen, dass die Moral gewahrt bleibt, was fast noch wichtiger ist", gab Etienne zurück. Er zögerte. "Hast du A´kebur gesehen, seit er zurück ist?"

"Nicht ein einziges Mal. Er soll angeblich in einer der Jeffriesröhren verschwunden und nicht wieder aufgetaucht sein. Aber das sind freilich nur Gerüchte."

"Ich denke, er taucht schon wieder auf. Überrede ihn zum Pause machen, falls er herkommt, ja? Oder besser, misch ihm was ins Ginger Ale."

"Mhm?" Suahi stellte ihm sein Lieblingsgetränk hin und sah ihn fragend an. "Darf ein alter Freund Fragen stellen?"

"Darf er. Ob er Antworten bekommt, weiß ich nicht. "Etienne nippte an dem Glas, in dem es zwischen Orange und Türkis waberte.

Suahi nickte. "Verstehe. Darf man fragen, ob der Freund des alten Freundes Ärger hat?"

"Kann man so sagen, Aber das muss der Freund alleine wieder hinbekommen."

Suahi nahm sich ein Glas und polierte es. "Der alte Freund hatte auch nicht vor, dem Freund in seine Sachen hineinzureden. Er denkt eher an ein Angebot, welches nur Zuhören beinhaltet, denn das kann der alte Freund am Besten."

Etienne schmunzelte. "Das hat auch keiner bezweifelt. Übrigens habe ich zum ersten Mal seit Langem etwas Nützliches tun können; als ich den Captain danach fragte, hat sie mir aufgetragen, die Reparaturen umzukoordinieren. Mein alter Freund kann stolz auf mich sein."

Suahi lächelte. "Oh, er ist es. Er fragt sich nur, warum sich der junge Freund bisher so zurückgehalten hat. Melancholie steht ihm nicht."

"Sagen wir einfach, er hat sich nicht getraut und das auch nicht zugeben wollen. So was kommt ab und an mal vor", räumte Etienne ein. "Aber jetzt hat er mehr Arbeit als je zuvor, und der Captain kann sich endlich wieder halbwegs entspannen."

"Das wird sie nicht. Das kann sie nicht, und dass weiß der junge Freund nur zu gut. Aber jetzt sollte der junge Freund selbst ein wenig entspannen", riet Suahi gutmütig in der Manier eines großen Bruders oder eben besten Freundes.

"Dafür fehlt ihm die Anwesenheit seines Gefährten", murmelte Etienne und rührte in seinem Drink.

Suahi nahm ihm diesen kurzerhand weg und stellte ihm einen anderen hin. "Probier das mal. Schmeckt sehr gut!"

Etienne beäugte den milchig gelben Drink und schnupperte daran; einmal hatte Suahi ihm ferengianische Buttermilch andrehen wollen, und Etienne war sich heute sicher, dass das Zeug als wesentlichen Bestandteil Ferengi-Ohrenschmalz gehabt hatte.

Doch dies hier roch verlockend; süß und doch etwas pfeffrig. Und es schmeckte noch besser. "Alle Achtung, Suahi. Was ist das? Ein Etienne-aufmunter-Punsch?"

"In etwa. Man könnte auch sagen, es ist ein Mutmacher! Traust du dich?"

Etienne leerte das Glas und fühlte sich, als könne er Bäume ausreißen. Natürlich wusste er, dass es einfach Suahis besondere Gegenwart war, nicht das Getränk, aber trotzdem. "Ich laufe bestimmt nicht mehr weg", erklärte er und stand auf. "Wünsch mir Glück, alter Freund."

Suahi grinste. "Du bist der glücklichste Mensch in dieser Galaxie, mein Freund. Du hast es nur vergessen."

"Dann wird es Zeit, dass ich mich erinnere. Bis später!"

Von der Bar aus nahm Etienne den Turbolift hinunter zum Maschinenraum. Er war sich auf einmal ziemlich sicher, dass A´kebur keine Pause machte, sondern sich zwischen der Technik vergrub, bis er umfiel. Doch jetzt hatte Etienne einen ganz offiziellen Grund, dort wegzuholen, nämlich auf Anweisung des Captains.

Tatsächlich fand er seinen Gefährten dort und er musste zugeben, dass er allen Grund hatte, zu bleiben. Selbst das Schiff war eindeutig in weniger Einzelteile zerlegt worden. Im Maschinenraum war nicht ein Teil an seinem angestammten Platz verblieben. Wenn Etienne es richtig einschätzte, wurde der komplette Antrieb ausgetauscht und mit ihm ein großer Teil der Kontrollstationen. A´kebur gab gerade Anweisungen und sah nur kurz auf, als er Etienne bemerkte. Dann machte er weiter.

Etienne schob unwillkürlich das Kinn vor. Ignorieren ließ er sich nicht mehr. "Lieutenant Commander!", rief er. "Ich müsste kurz mit Ihnen sprechen." So hochoffiziell konnte er ihn nicht einfach wieder abwimmeln.

A´kebur sah wieder auf. Er nahm unbewusst Haltung an und kam ein Stück näher. "Was müssen Sie besprechen?", fragte er selbst eindeutig förmlich, aber mit einer für Etienne unüberhörbaren Tonlage.

"Den Arbeitsplan, Lieutenant Commander." Er hielt sein Datenpad hoch. "Sie sind seit über sieben Stunden über Ihrer Schicht. Aus Müdigkeit gemachte Fehler sind oft am langwierigsten zu korrigieren."

"Ich mache keine Fehler. Ich bin Vulkanier!" Damit wandte sich A´kebur abrupt ab und nahm seine Arbeit wieder auf. Einige seiner Mannschaft senkten unwillkürlich ihre Köpfe.

"Ich war noch nicht fertig, Sir! Captain Volkov hat mich angewiesen, persönlich darauf zu achten, dass sich niemand überarbeitet. Möchten Sie das mit ihr ausdiskutieren oder gleich mit der Bordärztin?"

A´kebur hielt inne. Er überlegte kurz, dann legte er betont langsam sein Datenpad zurück. " Lieutenant Thomes, übernehmen Sie das Kommando", befahl er.

"Aye, Sir", gab der verblüffte Lieutenant zurück. Auch der Rest der Maschinencrew sah einigermaßen erstaunt aus und gleichzeitig auch erleichtert, dass ihr eindeutig missgelaunter Vorgesetzter endlich ging. Sie alle mochten A´kebur, aber angenehm war es mit ihm nicht immer.

Etienne nickte ihnen zu und ging dann zum Turbolift, ohne zu sehen, ob A´kebur ihm folgte. Dass dieser genau das jedoch tat, sah er, als er sich im Lift umdrehte und dieser mitfuhr. A´kebur ignorierte ihn aber dennoch ungebrochen. Er schien beschlossen zu haben, Etienne soweit es ging, nicht wahrnehmen zu wollen.

Nur genau das wollte und konnte Etienne sich nicht mehr gefallen lassen. Wenn sie die Sache jetzt nicht klärten, dann würde die Kluft zwischen ihnen vielleicht unüberbrückbar werden. "Ich muss mir dir reden", meinte er schließlich, "denkst du, du könntest mir zuhören? Nur für fünf Minuten?"

Etienne sah A´kebur gespannt an und dieser ließ sich Zeit für seine Reaktion. Doch dann neigte er sein Haupt. "Ich höre", sagte er.

"Nicht hier. Gehen wir zurück ins Quartier", widersprach Etienne und gab die entsprechende Anweisung an den Computer des Liftes. Einige Sekunden später waren sie am richtigen Deck angekommen und stiegen aus und gingen zu ihrer Unterkunft. Kaum hatte sich die Tür wieder hinter ihnen geschlossen, holte Etienne tief Luft und begann die rituellen Worte auf Klingonisch zu sprechen. "Es gilt eine Ehrenschuld zu begleichen. A´kebur Lanar Re, ich begebe mich in deine Hände. Es liegt an dir, über mein Leben zu entscheiden, doch einen ehrenvollen Tod habe ich nicht verdient. Kahless möge solange auf meine Seele warten, bis du sie freigibst." Damit kniete er sich hin, ohne A´kebur aus den Augen zu lassen.

Dessen Augen wurden mit jedem Wort größer und reines Entsetzen erkannte Etienne. A´kebur wich nicht zurück, aber er rührte sich auch nicht mehr. Erst nach einigen Minuten hob er nur scheinbar kraftlos seine Hand und versetzte Etienen eine schallende Ohrfeige, dass dieser zu Boden ging. "Mach das nie wieder", flüsterte A´kebur, der lieber schreien wollte. "Wirf dich mir nie wieder zu Füßen. Nie wieder!" Damit wich er angewidert zurück und ging ins Schlafzimmer.

Etienne stand auf und ignorierte das Klingeln in seinen Ohren. "Dann sag mir, was ich tun soll, damit du mir verzeihst!", rief er und stürmte hinter A´kebur her. "Tu, was du denkst, damit es dir besser geht, aber ich kann so nicht weitermachen! Ich will mich entschuldigen und du lässt mir keine Chance! Bitte A´kebur!"

Sein Gefährte zog sich gerade das Uniformhemd über den Kopf. Achtlos schmiss er es in die Ecke, dann sah er Etienne an. "Wofür willst du dich entschuldigen? Ich bin daran schuld, dass du dir das, was du vermisst, bei jemand anderem suchst. Ich bin kein richtiger Klingone, ich bin kein Vulkanier. Ich bin kein Pirat. Ich bin jemand, der zufällig für dich attraktiv genug gewesen ist, dass du ihn ansprichst. Aber ich gebe dir nicht, was du brauchst. Ich weiß keine Lösung, aber ich verspreche dir, dass ich eine finden werde. Ich werde einer Trennung nicht im Weg stehen, auch wenn ich nicht weiß, wie das mit dem Band künftig sein wird. Und jetzt entschuldige mich, mir wurde gesagt, dass ich ruhen soll."

Etienne sah ihn vollkommen überrumpelt an.

Was redete A´kebur da eigentlich? "Sag mal, spinnst du?", fuhr er ihn an, "Wer hat denn etwas von Trennung gesagt? Und du bist nicht daran schuld, verdammt! Es war nur ich und meine verdammte Art zu handeln ohne nachzudenken! Und was soll ich bitte ohne dich machen? Was soll mit Cindy werden, hm? Also rede nicht so einen Quatsch! Oder willst DU mich loswerden?"

"Nein, aber ich kann auch keine …", A´kebur verzog das Gesicht, "ich kann dir nicht geben, was du brauchst, um zu bleiben. Ich habe kein Recht, dich zu halten. Ich habe gespürt, dass du etwas gefunden hast bei diesem Mann. Diesem anderen Mann." Er ballte seine Hände und sah aus, als wollte er sich auf jemanden stürzen. "Ich würde ihn töten, wenn es etwas bringen würde. Aber er zeigt mir nur, wo ich versagt habe."

Etienne schüttelte den Kopf. "Nein, verdammt. Alles, was ich in ihm gesehen habe, war ich selbst, wie ich früher war. Es war für den Moment unwiderstehlich, aber ich will dich nicht ersetzen! Ich habe eingesehen, dass ich nicht bei anderen suchen kann, was mir selber fehlt! Was meinst du, wieso ich Captain Volkov helfe? Ich sagte ihr, ich will zu Starfleet. Ganz offiziell. Und das war mein Ernst!"

A´kebur verstand nicht. "Zu Starfleet?", fragte er. "Was meinst du? Willst du Offizier werden?"

"Ja, ich will endlich richtig dazugehören und die Arbeit tun, die ich am besten kann. Keine halben Sachen mehr. Glaubst du mir nun?"

"Was glauben? Ich verstehe dich nicht, Etienne. Ich verstehe gar nichts. Und es gibt nicht viel, was mir Angst macht. Aber du schaffst es, dass ich Angst habe. Keinem Wesen in diesem Universum kann ich so nahe und doch soweit entfernt sein. Wo du das Wasser bist, bin ich die Wüste. Wo du der Wind bist, bin ich die Windstille. Ich weiß nur, dass ich dich liebe. Aber es scheint nicht genug zu sein. Es kann wohl auch nicht genug sein."

"Es war nicht genug, weil ich es nicht zugelassen habe, A´kebur", erwiderte Etienne leise. "Anstatt die Möglichkeiten zu ergreifen, die sich mir bieten, habe ich nur das gesehen, was ich nicht haben kann. Suahi sagte es mir vorhin und er hat recht: Ich bin der glücklichste Mensch in dieser Galaxis. Es wurde Zeit, dass ich das endlich erkenne. Vielleicht wird ein Teil von mir immer verzweifelt um Freiheit schreien, aber der Teil in mir, der begreift, dass ich es doch bin, hat den Kampf endlich gewonnen. Ich möchte nichts mehr, als dass wir wieder eine Familie sind. Können wir nicht einfach von vorne anfangen?" Etienne trat auf A´kebur zu und streckte seine Hand und damit seine ganze Seele nach ihm aus.

A´kebur entschied sich, ehe sein Verstand sich einschaltete. Er ergriff Etiennes Hand. "Wir können nicht von vorn anfangen. Wir sind mittendrin", sagte er jedoch.

"Ich weiß, aber man sagt das wohl so. Es tut mir leid, A´kebur, was ich getan habe. Denkst du, wir können es vergessen?"

"Nein!", antwortete A´kebur hart. "Ich kann und ich werde nicht vergessen und ich glaube auch nicht, dass Menschen so konstruiert sind, dass sie so einfach vergessen. Du sagst, ich soll dir verzeihen, dann verzeih auch mir."

"Und was? Du hast doch nichts gemacht", widersprach Etienne. "Und selbst wenn, ich würde dir alles verzeihen, das solltest du langsam wissen."

A´kebur zog die Augenbrauen zusammen und versuchte die Dinge zu verstehen, die sich ihm entzogen. Dabei waren seine Barrieren soweit offen, dass er sogar die Gedankenwelten der Wesen an Bord der Dragon berühren konnte. "Gut", sagte er schlicht, auch wenn er sich sicher war, dass er noch sehr, sehr, sehr lange über all das hier nachdenken würde. Aber bestimmte Dinge würde er wohl nie begreifen.

Etienne fiel ein Stein von der Größe des Berges Seleya vom Herzen. Er setzte sich aufs Bett, weil er merkte, wie seine Knie nachzugeben drohten; so unaussprechlich erleichtert war er. Wenn A´kebur nicht eingelenkt hätte, hätte er nicht gewusst, was er hätte machen sollen.

Dieser sah ihn an, noch immer verständnislos, aber wenigsten nicht mehr gleichgültig. Selbst wenn es nur nach außen hin gewesen war, weil die Ratlosigkeit überhandgenommen hatte.

Etienne sah auf und schaffte ein Lächeln. "Du solltest dich endlich hinlegen", meinte er, "das mit dem Ausruhen war schon ernst gemeint."

Widerwillig, aber gehorsam ging A´kebur etwas steifbeinig ums Bett. Dann ließ er sich einfach fallen. Sein Blick war pure Verwirrung und absolutes Unverständnis. Aber er ruhte nicht auf Etienne, sondern schien eher im eigenen Inneren nach Antworten zu fahnden.

Etienne stand auf und beschloss seinen Gefährten den eigenen Gedanken zu überlassen. Er selbst konnte wohl nicht zur Aufklärung beitragen, und alles, was er im Augenblick von A´kebur empfing, war Verwirrung; Etienne wusste inzwischen, dass er als Nichttelepath nur in der Lage war ein Gefühl auf einmal aufzunehmen. Doch an der Tür drehte er sich noch einmal fragend um.

"Habe ich noch etwas falsch gemacht?", fragte A´kebur und wirkte dabei zu jung. Zu jung dafür, was er leistete und zu jung dafür, in welchen Schwierigkeiten er im Moment steckte.

Es zerrte an Etiennes Herz und er verfluchte sich im Stillen dafür, dieses ganze Chaos verursacht zu haben. Kurzerhand kam er zurück, beugte sich hinunter und küsste A´kebur. "Ich sagte doch, du hast nichts falsch gemacht. Im Gegenteil. Ich kann nur dankbar sein, dich zu haben."

"Du gehst und ich weiß nicht warum. Ich verstehe nicht einmal die Hälfte dessen, warum du es getan hast. Doch ich habe schon einmal etwas nicht verstanden und du hast damals gedroht, niemals wieder zu kommen. Dieses Mal hast du einem Fremden das geschenkt, wovon ich dachte, es gehört nur uns. Und ich verstehe noch weniger."

Etienne schloss die Augen und lehnte seine Stirn gegen die A´keburs. "Ich kann dir nur anbieten, die Antworten selbst bei mir zu finden. Denkst du, ich verstehe immer, was ich tue und warum? Tatsache ist nur, dass ich Angst hatte und noch immer habe. Fast Cindy zu verlieren und dich auch noch und durch eigene Schuld. Und dann das Gefühl in letzter Zeit, dass mir die Zeit davonrennt. Bevor ich nur noch Staub bin, will ich etwas erreicht haben, auf das ich stolz sein kann. Weswegen man sich an mich erinnert. Das ist nichts, was du verstehen könntest, A´kebur. Wenn ich alt bin, wirst du noch immer nach vulkanischen Maßstäben ein junger Mann sein." Etienne lachte leise. "Hör sich das einer an. Wir Menschen nennen das wohl Midlife Crisis."

A´keburs Blick sagte ihm, dass er das Wort noch nicht gehört hatte. "Ist das eine Krankheit? Soll ich die Krankenstation rufen?", fragte er besorgt.

Etienne lachte. "Nein, nein. Sowie ich das verstehe, erwischt das alle Menschen irgendwann. Besonders Männer fangen dann an, sich teure Sachen zu kaufen, die eigentlich für junge Leute gedacht sind, gefährliche Sportarten auszuprobieren und sich vor allem jüngere Partnerinnen zu suchen. Jedenfalls beschließen sie, ihre "verlorene" Jugend wiederaufleben zu lassen oder gleich ganz ihr Leben umzukrempeln."

A´kebur richtete sich auf und eine Augenbraue verschwand fast unter seinem Haaransatz. "Du hattest jetzt einen jüngeren Partner. Wirst du jetzt eine gefährliche Sportart ausprobieren und dein gesamtes Leben, äh, umkrempeln?"

"Das tue ich ja gerade, in dem ich meine Karriere hier überdenke." Etienne schmunzelte. "Ich fürchte, da musst du durch."

"Eine merkwürdige Krankheit", gestand A´kebur die nächste Stufe seiner Verwirrung ein. "Ich wüsste nicht, dass das bisher Männer in meinen Familien getroffen hätte. Ist das eine rein menschliche Reaktion?"

"Ja, ich vermute es. Vulkanier lassen es sich nicht anmerken, falls sie so etwas bekommen und Klingonen leben sowieso so, als sei jeder Tag ihr letzter."

A´kebur vermutete eine akute hormonelle Erkrankung, die mit dem Alterungsprozess zusammenhing. Er wusste nicht, ob er richtig lag, aber er nickte, weil er den Vergleich durchaus verstanden hatte. "Ich werde auf dich aufpassen, damit du nicht bei der Ausübung einer gefährlichen Sportart stirbst. Aber was notwendig ist, um Heilung zu erfahren, sollst du machen. Ich werde ignorieren, wenn du dafür noch einmal einen anderen Partner benötigst." Den letzten Satz sprach er leiser, weil es ihm selbst weh tat.

Etienne umarmte ihn spontan. "Ich sagte doch, ich mache das nie wieder. Und du zählst zu den jüngeren Partnern, wenn ich das mal so sagen darf. Das poliert mein Ego schon genug auf."

A´kebur erwiderte die Umarmung eher vorsichtig. "Ich weiß, dass ich noch jung bin. Zumindest nach vulkanischen Maßstäben. Aber ich schätze, du hast nicht nur Jugend gesucht."

"Ich sagte dir doch, es kam irgendwie alles zusammen. Aber ich will mich nicht herausreden", meinte Etienne und setzte sich neben ihn aufs Bett.

A´kebur nickte, wenn auch eher widerstrebend. "Gut", sagte er. "Dann sollte das fürs Erste geklärt sein. Ich muss dennoch überlegen. Da du aber sagtest, dass die Ruhepause ein offizieller Befehl ist, sollten wir diesem nachkommen."

"Ja, meinte ich." Etienne musste zugeben, dass er selber ziemlich müde war. Er streckte sich auf dem Bett aus und rollte sich halb zu seinem Gefährten. "Schlaf gut!"

A´keburs Blick war prüfend, dann jedoch legte er sich daneben, schloss die Augen und war in beneidenswert wenigen Atemzügen eingeschlafen. Etienne blieb noch länger wach und sah in A´keburs schlafendes Gesicht. Suahi hatte recht, er hatte alles, wovon man nur träumen konnte und es ganz gewiss nicht verdient. Man musste gewisse Dinge wohl verlieren, um zu begreifen, wie wertvoll sie waren. Doch ein zweites Mal würde das nicht passieren. Irgendwann schlief auch er ein, eine von A´keburs Haarsträhnen um seine Finger gewickelt.

 

Etienne erwachte, weil es kalt war. Die intensive Hitze A´keburs war nicht mehr an seiner Seite. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass sie gut sieben Stunden geschlafen hatten. Die Tür zum Wohnzimmer stand offen und er sah A´kebur in vulkanischer Zeremonialrobe vor einem Meditationslicht sitzen.

Etienne rieb sich übers Gesicht und verwuschelte sich unwillkürlich die Haare noch mehr, dann stand er auf. Leise ging er zum Schrank und suchte sich frische Sachen heraus, bevor er unter die Dusche ging. Als er zurückkam, saß A´kebur noch immer dort regungslos. Etienne wollte ihn ungern stören, aber A´kebur würde schon selber wissen, wann er zurück zum Maschinenraum gehen wollte. Er selbst musste jetzt in jedem Fall seine Arbeit fortsetzen.

Leise ging er zu A´kebur und gab ihm einen Kuss. "Bis später", erklärte er leise.

A´kebur öffnete seine Augen. Sie waren dunkel und weit und Etienne spürte, dass es keine Barrieren gab. "Du bist hier, in meinem Herzen, in meinem Geist. Verbunden über alle Trennung hinweg. Mein Geist in deinem, dein Geist in meinem", erwiderte er. Er berührte Etiennes Gesicht und küsste ihn.

"Unsere Geister sind beieinander", bestätigte Etienne leise und strich durch A´keburs Haare. "Ich sehe dich nach Dienstende."

A´kebur drehte sich nicht um, als die Tür sich hinter Etienne schloss. Er hatte keine Antworten in seiner Meditation gefunden. Hätte er Etiennes Ritualworte angenommen, als echte Selbstanklage angenommen, dann hätte er ihn nach den Ritualen seiner klingonischen Vorfahren töten müssen. Doch Etienne war ein Mensch und er war nicht ganz Klingone. Er konnte so tun, als hätte niemand diese fatalen Worte ausgesprochen und als hätten sie bei ihm keine Resonanz gefunden.

A´kebur schloss seine Augen und rieb sich die Nasenwurzel. Er wollte etwas tun. Etienne helfen und damit sich selbst. Er konnte nicht sagen, dass er nicht schuld war, schließlich stand immer wieder sein Missverständnis der menschlichen Natur in ihrer Beziehung und Partnerschaft. Er dachte, dass sich vieles vermischen und damit auflösen würde, Akzeptanz und Toleranz halfen dabei. Liebe, Berührungen, Küsse und auch Cindy. Aber dem war nicht so. Er hatte das Wort Midlife Crisis nachgeschlagen. Es war tatsächlich ein eher psychisches Problem. Ein wenig auch die Hormone. Die Schuld lag laut Lehrmeinung nicht direkt bei der Familie des Mannes, der sein Leben von Grund auf ändern wollte. Es waren diverse Momente, Lebenserfahrung, Erkenntnisse und sehr viel persönliches Befinden, die diese Krisen auslösten. Es gab sogar humorvolle Kunstumsetzungen zu diesem Thema.

Für A´kebur blieb es jedoch eher befremdlich und hatte den faden Geschmack einer Ausrede oder einer Erklärung für etwas, wofür es keine Erklärung gab. Für ihn waren Etiennes Zweifel und Traurigkeit eine Bedrohung, und wie er nicht gegen Henri kämpfen konnte, weil es sich für menschliche Maßstäbe nicht gehörte, den Vater des eigenen Gefährten herauszufordern, so konnte er auch hier nicht eine Waffe heben, um zu kämpfen oder als Alternative nach einem Medikament fragen. Und er wusste mittlerweile nur zu gut, dass er diese Kämpfe nicht allein würde bestehen können.

 

 

Gegenwart

 

A´kebur hasste es, wenn es keine eindeutigen Antworten und klaren Lösungen gab. Es war ein Grund, warum er Technik so liebte; die Dinge hatten immer Ursache und Wirkung und konnten nicht anders, als wie vorgegeben zu funktionieren. Unabhängig von der Komplexität einer Maschine, die durchaus nach außen hin seltsame Dinge tun konnte, die sich nicht immer nach dem Prinzip Ursache und Wirkung auflösen ließ.

Doch in diesem Fall wusste er selber nicht weiter. Er musste jemanden fragen, der mehr Ahnung in diesen Dingen hatte.

A´kebur legte den Kopf in den Nacken. Er schüttelte nicht die Erinnerung an diese Zeit ab. Eine wichtige Erkenntnis dieser Zeit war nicht nur die Bedeutung des Wortes Midlife Crisis gewesen. Sondern das Wissen, dass er in bestimmten Dingen reden würde müssen, um herauszufinden, wie ein Mensch funktionierte oder wie überhaupt jemand war.

Schweigen half nicht weiter. Etienne war so nahe seinem Herzen, dass er eine Zeit lang geglaubt hatte, dass das genügen würde, um die Differenzen zu beseitigen. Er hatte sich mehr als einmal geirrt. Sein Pirat hatte den Seitensprung genossen und er hatte ihm verziehen. Nicht sofort. Aber später von ganzem Herzen. A´kebur seufzte und atmete tief durch. Es war Nacht geworden und auch wenn Terra in diesen Breitengraden in der Jahreszeit sehr mild war, so war es doch um einige Grad kühler als auf Vulkan. Der Unterschied erinnerte ihn daran, dass seine Familie auf ihn wartete und wahrscheinlich schon Sorgen um ihn hatte.

A´kebur erhob sich von dem Baumstumpf, den er als Platz gewählt hatte und schlenderte nach Hause.

Er kam gerade richtig zum Essen, und eine lärmende Bande, die von allen Seiten ermahnt wurde, doch etwas leiser zu sein, griff begeistert nach den dampfenden Schüsseln und den Obstkörben. Über den Tisch hinweg sah A´kebur zu Cindy hinüber. In einigen Tagen würde sie, genau wie er, wieder zum Dienst antreten müssen, aber im Augenblick tat sie nichts weiter, als die liebevolle Großmutter zu spielen. Sie lächelte A´kebur kurz zu, bevor sie sich wieder um eins der Kinder kümmerte.

Seit Tiaren weg war, hatten sie nicht wieder über ihn gesprochen, doch das Thema hing noch zwischen ihnen. Als die Kinder im Bett waren und sich ein Teil der Erwachsenen zurückgezogen hatten, suchten Cindy und er ohne verbale Absprache den Garten auf. A´kebur deutete auf die runde Gartenbank unter dem mit Goldregen überwucherten Pavillon. Ein ruhiges Refugium, wenn man sich unterhalten wollte.

Cindy setzte sich und zog ein paar der Blüten zu sich heran, um daran zu riechen. "Am Montag wird in der Admiralität wieder die Hölle los sein", meinte sie, "Admiral Castellano spricht sich immer noch dagegen aus, dass Botschafter Spock zu Verhandlungen mit den Kao'ssianern entsandt werden soll und einige andere sind seiner Meinung. Genau wie sie den Fortschritten von den Gesprächen Botschafter Chiomas mit Botschafterin Sokala nicht trauen. Vorsicht in allen Ehren, aber trotzdem, so kommen wir nicht weiter." Sie seufzte.

A´kebur verstand, dass sie mit einem eher unpersönlichen Bereich begann, um überhaupt einen Anfang zu finden und er ging darauf ein. "Ich habe Admirals Castellanos Dossier gelesen. Er scheint kein Vertreter der Toleranz zu sein. Eher scheint er den Krieg zu bevorzugen. Die Klingonen mögen ihn und auch einige andere Völker der Föderation. Wird er Erfolg haben?"

"Ich weiß es nicht. Der Föderationsrat hält große Stücke auf unsere Meinung und ich denke, meine Vorschläge werden durchkommen, aber Restzweifel werden immer bleiben. Und wir brauchen im Augenblick keine Leute, die Misstrauen verbreiten. Die Situation ist schon schwierig genug." Sie sah A´kebur an. "Falls das Mandat für Botschafter Spocks Mission durchkommt, würde die Enterprise das Schiff sein, das ihn zur Heimatwelt unserer neuen Freunde bringt."

"Das hatte ich befürchtet", brummte A´kebur trocken. "Ich schätze, meine Mannschaft wird dann wenig Kleidung brauchen. Die Replikatorlast dürfte sich um 45,3% reduzieren."

Cindy lachte. "Sagen wir, du wirst luftigere Gewänder brauchen; so wie ich das verstanden habe, je mehr Kleidung, je niedriger der Rang. Aber du wirst das schon hinbekommen."

"Ich werde meine Mannschaft nicht unter Wert darstellen. Wenn es sein muss, sind sie alle nackt."

"Wie bei betazoidischen Hochzeiten. Gut, dass ich nicht mit muss. Aber pass du auf, dass die Ka'ossianer sich nicht zu sehr an dich heranwerfen. Sie sehen ja sehr hübsch aus."

A´kebur zog es vor, darauf zu schweigen. In Sachen Beziehungskisten, wie die Menschen so schön bildhaft beschrieben, hatte er eindeutig Ärger genug. "Wer wird mit den Romulanern verhandeln? Sie sind näher an unseren Grenzen."

"Das wird Botschafter Chioma weiterhin tun, und wir haben beschlossen, dass die Romulaner und wir schrittweise die Neutrale Zone abbauen. Unsere Flottenpräsenz an der Grenze ist groß genug. Daher werden du und das Flaggschiff bei den Ka'ossianern eher gebraucht", gab Cindy zurück.

"Es braucht auch bei den Romulanern ein Flaggschiff. Ich habe gehört, dass es ein weiteres Schiff geben soll. Zwei …"

"Ja, das Schwesterschiff zur Enterprise, die Wyvern. Sie ist bautechnisch gleich, aber sie bekommt das rote Design der Dragon. Ich denke, damit sind wir gut gerüstet. Captain Francis wird sie bekommen, du kennst ihn sicher."

A´kebur nickte. "Er ist ein integerer Mann und von seiner Herkunft her dürfte er genehmer sein. Von seiner Einstellung jedoch hätte ich jetzt gesagt, dass Captain Davids Admirals Castellanos Favorit ist."

"Ist er auch, aber er behält das Kommando über die Hawk und ist auch an der Grenze stationiert. Zum Glück will er sein Schiff auf keinen Fall verlassen, sonst gäbe es keine Chance, dass Francis die Wyvern bekommt. Castellano schäumt deswegen." Sie grinste.

"Meine Tochter hat sich zu einer gewieften Taktikerin gemausert und sie denkt auf dem Höhepunkt ihrer Erfahrung daran, in den Ruhestand zu gehen. Schade…" A´kebur lächelte traurig. "Du weißt, wenn ich von der Mission zurückkehre, dann werden möglicherweise Jahre vergangen sein. Wie viele, kann jetzt noch keiner sagen. Fünf, sieben, zehn Jahre. Du wirst die Enterprise für diese Zeit nicht hier haben. Du wirst mehr brauchen als eine Dragon hier, willst du Castellona aufhalten. Es gibt beunruhigende Gerüchte. Nicht viel, aber genug, um an einige eher weniger ruhmreiche Zeiten der Föderation zu erinnern."

Cindy runzelte die Stirn. "Erstens bist du nicht vollkommen aus der Welt, und wie lange die Mission dauern wird, hängt ganz von dir und Spock ab. Ich persönlich rechne mit maximal drei Jahren für alles inklusive. Und Castellano ist mein Problem. Denkst du, ich gehe in Ruhestand, bevor dass alles hier nicht in trockenen Tüchern ist? Also wirklich, Daddy."

"Ja?" Er legte den Kopf schief.

"Du bist unmöglich. Ich mache weiter, bis ich tot umfalle, und das kann laut Statistik noch gute 48,7 Jahre dauern. Vorher wirst du mich nicht los", erklärte sie kategorisch.

"Niemals! Ich wollte nur sicher gehen, dass du nicht mit jungen Männern ins Bett gehst, weil du denkst dass das Leben vorbei ist."

Cindys blaue Augen wurden groß. "Wie kommst du denn auf so was? Du weißt ja, dass Jeremy und ich jetzt seit Jahren getrennt sind, aber deswegen werde ich mich bestimmt nicht in irgendwelche Affären stürzen. Um ehrlich zu sein, ich habe von Beziehungen genug."

"Kommt mir bekannt vor!", rutschte es A´kebur über die Lippen und als er es sagte, wusste er nicht einmal, wen er genau damit meinte.

Cindy hob die Augenbrauen. "Wo hast du denn Probleme? Wie ich das sehe, hast du doch aufgeräumt, oder?"

A´kebur räusperte sich. "So würde ich das nicht nennen", wich er halb aus. "Aufgeräumt ist nichts. Im Gegenteil. Aber man könnte sagen, dass es vertagt ist. Früher oder später werde ich mich damit wieder befassen müssen. Spätestens dann, wenn meine Natur ihr Recht einfordert."

Cindy räusperte sich. Wie alle Kinder war ihr, seit sie wusste, dass auch Eltern intime Beziehungen pflegten, eher unbehaglich bei dem Thema zumute; völlig unabhängig davon, dass sie bei ihren eigenen Kindern ähnliche Gefühle auslöste. Es spielte keine Rolle und auch das Alter ging hier mit ihr nicht mild um. Das Gefühl hatte sich auch über die Jahre nicht wirklich geändert. "Das ist in zwei Jahren ungefähr, oder? Was willst du machen? Ich meine, du denkst doch nicht wirklich, dass du und dieser Romulaner …"

"Kleine Kinder zeugen werden? Nein, aber wir werden Sex haben!", meinte A´kebur dumpf und ignorierte alle gesellschaftlichen Feinheiten. "Ich weiß nicht, ob ich jemand anderes akzeptieren kann. Es wird für denjenigen, der es versucht, gefährlich. Vielleicht ist es auch tödlich. Auf Vulkan hat es seit vielen Generationen niemand mehr probiert, einen gebundenen Vulkanier in seiner Zeit zu begleiten."

Sie nickte unglücklich. "Ja, das ist mir schon klar. Aber ich hoffe, du erwägst nicht ernsthaft so was wie eine Beziehung."

"Nein, nicht im Moment. Ich dachte, ich bleibe solo." A´kebur ergriff ihr Hand und drückte sie. "Keine Sorge, ich werde dich nicht dazu zwingen, irgendjemand als deinen Vater anzuerkennen oder deine Mutter."

"Hör mal, das meinte ich nicht. Ich bin selber schon Großmutter, schon vergessen? Ich meinte nur, dass, na ja, du nicht versuchen solltest, Daddy zu ersetzen. Wenn überhaupt, dann such dir jemanden, der absolut nichts mit ihm zu tun hat."

A´kebur zupfte kurz an seinem Ohr. "Ich werde mir niemanden suchen", sagte er dann.

"Und stattdessen allein und unglücklich bleiben? Nein, das kann ich auch nicht mit ansehen. Irgendwann musst du weitermachen, hörst du? Bitte versprich mir das, A´kebur. Bleib nicht für den Rest deines noch sehr langen Lebens allein, weil dich ein Geist verfolgt. Daddy ist tot und kommt nicht zurück." Cindy sah ihn eindringlich an, doch aus ihrer Stimme sprach große Trauer.

A´kebur schüttelte den Kopf. Letztlich konnte es nur Etienne sein. Niemand anders. Er würde keinen an sich heranlassen. Aber Cindy brauchte das nicht zu wissen. "Ich kann dir nichts versprechen. Aber Geister verfolgen mich nicht."

"Das hoffe ich." Sie lehnte sich an seine Schulter und es schien, als wäre sie wieder das kleine Mädchen, das den starken Arm ihres Papas brauchte. Egal wie alt man wurde, manche Dinge änderten sich nicht, auch wenn niemand, der die beiden zusammen sah, sie je für Vater und Tochter gehalten hätte. Cindy erfüllte es hingegen immer mit Stolz, dass A´kebur nicht zu altern schien. Er blieb für sie für immer der beindruckende junge Mann mit einem Charme, der ihm selbst nicht bewusst war.

Sie hatte das Glück gehabt, zwei großartige Väter zu haben und der eine würde sie ein Leben lang begleiten. Letzteres hoffte sie innig.

A´kebur strich ihr über die Haare und küsste sie auf den Scheitel. "Du weißt, dass ich dich liebe", flüsterte er. "Und ich bin immer für dich da."

"Ich weiß. Ich dich auch", murmelte sie.

Eine Weile saßen sie noch stumm so da und betrachteten den aufziehenden Sternenhimmel. Für sie beide war klar, dass dies für eine lange Zeit der letzte friedliche Moment sein würde.

 

Am nächsten Morgen verabschiedeten sie sich voneinander. Cindy war wieder ganz Admiralin, als sie im Starfleet-Hauptquartier materialisierte. Der Hinweise auf die "wenig ruhmreichen Zeiten der Föderation" hatte etwas in ihr zurechtgerückt. Es waren wirklich Gerüchte, aber beim Zwischenfall mit den Romulanern waren einige Details in den weniger offiziellen Kanälen aufgetaucht, die jetzt ihre volle Aufmerksamkeit hatten. So hatte es sehr lange gedauert, ehe die Verstärkung vor Ort war und dann war es auch noch ein klingonisches Schiff gewesen. Cindy wusste, dass ihr Onkel Lakon an der Grenze gewesen war. Aber er hatte eine Havarie an Bord gehabt, die ihn daran gehindert hatte, auch nur über Impuls hinaus fliegen zu können.

Das alles roch nach Sabotage, aber Cindy war noch nicht soweit, dieses Wort laut auszusprechen. Stattdessen sammelte sie die Admiräle um sich, die ihre Aktionen befürworteten und bereitete sich mit ihnen auf die endgültige Entscheidung des Föderationsrates vor. Alle Vorlagen waren eingereicht und es konnte innerhalb der nächsten Tage entschieden sein.

Der erste Bericht, den sie jedoch bekam, war, dass die Enterprise vor dem Abschluss der Reparaturarbeiten stand. Noch zwei Tage und sie war abflugbereit. Der Captain befand sich an Bord und die Vorräte wurden eingeladen.

Mr. Spock würde auf dem Weg zu den Ka'ossianern von Vulkan abgeholt werden. Es war kein Aufenthalt dort eingeplant, aber auf der Station dort sollte die Datenbanken der Enterprise ein Update erfahren. Da der Flug sehr lange dauern würde, sollten die neuesten Daten eingetragen werden und die waren im Moment bei Vulkan zu finden. Cindy war sich für einen Moment sicher, wohin A´keburs Weg ihn noch auf Vulkan führen würde, abgesehen von seiner Familie, aber sie schob den Gedanken von sich. Hier gab es einen Krieg zu gewinnen. Nicht gegen Feinde von außen, sondern gegen welche, die von innen kamen. Und wenn sie eines gelernt hatte, dann war es, die Waffen richtig einzusetzten.

 

A´kebur wich den Leuten seiner Mannschaft aus, die ihn nicht sahen, weil sie eilig durch die Gänge liefen. Die Crew der Enterprise lag gut in der Zeit. Sie würden 12 Stunden vor dem anvisierten Zeitplan mit allen Arbeiten fertig sein. Sein Erster Offizier Commander Aera hatte das nicht ohne Stolz mitgeteilt. Das neue Sicherheitssystem eingebaut von seinem Sicherheitsoffizier Ch'Grawbil war auch fertig. Er hatte die Gelegenheit genutzt.

A´keburs erster Weg führte ihn aber nicht auf die Brücke, sondern in den Maschinenraum. "Captain im Maschinenraum", ertönte der Ruf.

Kurz würdigte er seine Leute, in dem er jeden anzuschauen schien und nickte zum Gruß. "Weitermachen!", befahl er und trat, als jeder wieder seine Arbeit zu machen schien, zum Bewahrerantrieb. Er schloss die Augen und ließ seine Empfindungen entscheiden, ob alles in Ordnung war, ohne einen Blick auf die Kontrollen zu werfen. Es fühlte sich alles richtig an. Die neuen Justierungen hatten einige kleine Probleme behoben und nun konnte alles mit 150prozentiger Leistung laufen. Chefingenieurin Delacroix kroch ebenfalls persönlich in den Röhren herum, um die letzten Überprüfungen zu machen.

Sie wollte gerade nach einem Werkzeug greifen, als sie den Captain sah. "Alles in Ordnung, Sir!", sagte sie und es war keine Frage.

A´kebur wandte sich ihr zu. "Alles in bester Ordnung. Besser kann es nicht sein."

"Die Arbeiten werden alle im Zeitplan abgeschlossen sein." Ihre Antwort klang etwas dumpf, dann tauchte ihr ergrauender Lockenkopf wieder auf. " Lieutenant Ch'Grawbil wollte übrigens wissen, ob wir inzwischen Einsatzorder haben. Wir wollten die neuen Sicherheitssysteme vorher noch einmal testen, außerdem würde er gerne einige Manöver fliegen, um die neuen Photonentorpedos auszuprobieren."

"Der nächste Stopp ist Vulkan. Wir werden die Datenbanken aktualisieren. Ich denke, wir haben ausreichend Gelegenheit, alle Systeme zu prüfen, bevor wir weiter fliegen. Mr. Spock wird es sicher auch vorziehen, wenn alles 150prozentig funktioniert. Ich werde jedoch noch die Mannschaft über alles informieren. Sie haben übrigens alle ausgezeichnete Arbeit geleistet. Die Enterprise sieht sehr gut aus."

"Danke, Sir. Schließlich haben wir ein Image aufrechtzuerhalten!" Die Ingenieurin grinste und verschwand wieder hinter den Maschinen. Überall auf dem Schiff war die Stimmung so gut; man war erwartungsvoll, dass es endlich wieder losging, auch wenn die meisten noch keine Ahnung hatten, worin ihre nächste Mission bestehen würde. A´kebur hatte wirklich die besten Leute auf diesem Schiff versammelt, die man sich nur vorstellen konnte.

Die letzten würden sich innerhalb der nächsten Stunde auf dem Schiff einfinden und dazu gehörten auch die Familienangehörigen, soweit sie nicht sowieso schon hier waren, um die Quartiere einzurichten. Wie er Cindy noch einmal gesagt hatte, als sie ihm die offizielle Einsatzorder erteilte, sie würden eine lange Zeit unterwegs sein. Familien an Bord eines Schiffes waren etwas, was es im klingonischen Reich nicht gab. Familien machten schwach und erpressbar. Aber sie waren auch eine ungeheure Motivation, wie A´kebur wusste. Sie auf dem Schiff zu wissen, beflügelte jeden, heil wieder nach Hause zu kommen. Freilich, sollte er jemals irgendjemand sagen, dass er in dieser Form eine Art Geiselsystem sah, würde er einige sehr ernsthafte Gespräche mit dem Counselor führen müssen.

Die nächste Station bei seinem Rundgang war die Brücke. Alles wirkte perfekt und die letzten Tests wurden durchgeführt, als er eintrat.

"Captain auf der Brücke!", wurde er gegrüßt.

"Rühren und weitermachen", befahl A´kebur.

Commander Aera übergab ihm ein Datenpad." Alle Stationen melden grünes Licht, Capain", erklärte sie, "die letzten Reparaturen werden abgeschlossen und wir sind in acht Stunden abflugbereit."

"Sehr gut." A´kebur überflog die Punkte und zeichnete den Bericht ab. "In zwei Stunden Treffen der Offiziere zur Einsatzbesprechung. Ich werde die Mannschaft darüber informieren, was unsere Mission ist. Auf jeden Fall werden wir unsere Freunde, die Ka'ossianer, wieder treffen."

Einige der Fähnriche wurden abwechselnd rot und wieder blass, als sie das hörten. A´kebur entging es nicht, ignorierte es jedoch.

"Aye, Sir", gab Commander Aera zurück. Sie schien das Ganze wie immer nicht zu stören; A´kebur vermutete manchmal, dass an ihr eine Vulkanierin verloren gegangen war. Andererseits musste sie sich auch nicht verstecken, wenn es darum ging, spärliche Kleidung zu tragen. Seine Mundwinkel hoben sich nur kurz.

Mit dem Gefühl von Zufriedenheit setzte er sich in seinen Sessel und es war das erste Mal, dass er sich nicht fehl am Platze fühlte. Alles lief wie in einem gut eingestellten Uhrwerk und es war perfekt. Selbst die neue Uniform saß ohne ein beengendes Gefühl am Hals. Das war seiner Meinung nach der größte Fortschritt überhaupt.

 

Exakt, wie Commander Aera es gesagt hatte, waren sie mit den Vorbereitungen fertig. Darüber hinaus die Mannschaft informiert und die Offiziere überlegten insgeheim, wie sie um entblößende Tatsachen herumkamen, denn sie waren es, die als Kommandooffiziere durchaus in den zweifelhaften Genuss kommen konnten, mit in der Delegation vertreten zu sein, die das diplomatische Corps begleitete. Doch als Offiziere mussten sie den Gepflogenheiten anderer Kulturen folgen, solange es sie nicht blamierte. A´kebur hatte sich bereits vorgenommen, nur diejenigen zu Landungstrupps mitzunehmen, die sich auch ohne ihre Uniform noch wohl in ihrer Haut fühlten. Unsicherheiten konnten und durften sie nicht zeigen.

Als Letztes blieb A´kebur nur noch übrig, sich auf der Krankenstation zu einem letzten Check zu melden. Dr. McCoy begrüßte ihn erfreut.

"Dr. Mc Coy", murmelte A´kebur kurz angebunden. Ärzte blieben ihm unheimliche Wesen. Das würde sich nie ändern.

"Ich hoffe, Sie haben Ihre freie Zeit genossen", meinte McCoy gutgelaunt. "Mr. Troi hat mich überredet, mit ihm Betazed zu besuchen. Mir ist das Wetter um diese Jahreszeit da aber zu heiß. Waren Sie schon dort?" Er kam mit seinem Tricorder an und deutete A´kebur, sich auf eine Liege zu setzen.

"Nein, Dr. Mc Coy. Ich hoffe, Sie konnten sich ausreichend erholen", meinte der Captain, während er sich hinlegte und halb in einen meditativen Zustand bewegte, um Ruhe bewahren zu können.

"Schade, es ist eine Reise wert, wenn auch nicht gerade im Sommer." McCoy betrachtete die Werte zufrieden. "Sieht alles gut aus, Captain, bis auf leichte Anzeichen von Müdigkeit. Irgendwelche Beschwerden oder Problem in letzter Zeit?"

"Genau 25 Kinder im Alter von 3 bis 17 Jahren plus eines."

Der Doktor lachte. "Familie zählt nicht, die ist eine der Nebenwirkungen des Lebens! Aber hier an Bord haben Sie das Problem ja weniger. Eher an die 2.000 Leute vom Alter zwischen 1 bis 280 Jahren."

A´kebur ging im Kopf die Daten durch. "283,7 Jahre, Dr. Mc Coy, und die Dame befindet sich im besten Alter. Aber ich denke, Sie werden gerade feststellen, dass Sie mir keine weiteren Tipps geben können. Bin ich entlassen?"

"Sind Sie. Und wenn was sein sollten, Sie haben meine Telefonnummer." Er grinste. "Ich hoffe, ich werde auf dieser Mission wenig zu tun haben. Mich um Geburten und Haushaltsverletzungen zu kümmern ist mir lieber als Phaserverbrennungen zu behandeln."

A´kebur erhob sich und zupfte sein Uniformhemd wieder in die richtige Lage. "Ich ziehe es unter den gegebenen Umständen auch vor, mich auf einem Dinner zu langweilen. Wollen Sie mir noch irgendwelche Ratschläge mit auf dem Weg geben? Das letzte Mal hatten Sie welche."

"Diesmal nicht." McCoy grinste immer noch sichtlich vergnügt. "Sie kommen schon zurecht, Sir, da bin ich mir sicher."

"Danke, Doktor, für Ihr Vertrauen."

"Dafür bin ich da." Pfeifend wanderte der Doktor in sein Büro und A´kebur konnte endlich auf die Brücke zurück.

 

Der Flug nach Vulkan verlief reibungslos. Zwischendurch testete A´kebur die Antriebe und konnte keine Probleme entdecken. Lieutenant Ch'Grawbil bestand auf einigen Manövern, um die neuen Waffensysteme und die Sicherheitssysteme zu testen, doch auch diese funktionierten anstandslos. Schließlich schwenkten sie in den Orbit um Vulkan ein und nahmen Kontakt zur Akademie auf, um die Datenbanken ergänzen zu lassen. Einige vulkanische Techniker kamen an Bord, um den Transfer zu überwachen und hinterher alles zu überprüfen; einen Tag würden sie mindestens brauchen. A`kebur gab natürlich Landurlaub für diejenigen, die Vulkan im Hochsommer aushielten. Er selbst beamte hinunter, um seine Familie zu treffen.

Im Vergleich zu Danielles Haus auf der Erde herrschte hier eine geradezu klösterliche Stille. Unbedarfte Menschen hätten hier ein unbewohntes Haus vermutet.

Ihm wurde wie immer geöffnet und man ließ ihn ein. Er bekam das rituelle Glas Wasser und seine Großmutter nahm ihn in Augenschein. Sie schien zufrieden mit seinem Anblick.

"Es ist akzeptabel, dich zu sehen", erklärte Amaris, "womit kann ich dir dienen? Lakon ist seit einer Woche wieder unterwegs."

"Ich bin hier, um mich zu verabschieden. Ich bin auf einer längeren Mission. Wie lange sie dauert, kann nicht gesagt werden."

Sie nickte. "Ich wünsche dir alles Gute, mein Enkel. Möge deine Mission von Erfolg gekrönt sein. Deine Cousins sind heute Morgen allerdings unterwegs, wenn du sie noch sprechen willst; T'Lis ist mit ihrem Mann zum Kloster gereist, um deine Mutter zu besuchen und Liyas ist an der Akademie."

"Danke, ich werde meine Mutter auch noch besuchen. Mein Aufenthalt dauert sieben Stunden. Die Zeit ist ausreichend."

"Gut. Ich werde den anderen deine Grüße ausrichten, mein Enkel." Mehr Herzlichkeit konnte man von Amaris nicht erwarten; sie war schließlich nicht Lial.

So war auch A´kebur zufrieden. Dennoch vermisste er Lial. Er neigte knapp sein Haupt und ging. Bevor er seine Mutter aufsuchte, überlegte er, ob er Tiaren noch seine Aufwartung machen sollte. Eine gewisse Verpflichtung verspürte er schon. Er ließ sich zurück in die Stadt fahren und dort gleich zur Akademie.

Die Akademie der Wissenschaften war ein riesiger Gebäudekomplex, der sich über einen Berghang zog. Doch selbst Besucher konnten sich hier leicht zurechtfinden, weil alle Abteilungen streng gegliedert waren. Dementsprechend gab es auch einen Bereich für Nichtvulkanier, die hier studierten, ein bunter Haufen von Vertretern aller möglichen Rassen. Die vulkanischen Dozenten waren extra darauf ausgerichtet zu berücksichtigen, dass diese keinen vulkanischen Hintergrund mitbrachten und zuweilen entsetzlich unlogisch waren. Doch wer lernen wollte, war willkommen.

A´kebur fühlte sich an die Enterprise versetzt. Nur, dass die gesamte Mannschaft sich auf dem Boden eines Planeten befand. Die Vielfalt war verwirrend, aber für A´kebur eher beruhigend. "Unendliche Mannigfaltigkeit in unendlicher Kombination", zitierte er und es war so offenkundig, dass er sich fragte, warum es Wesen gab, die diese Faszination nicht zu teilen vermochten. Furcht konnte man schon haben. Doch nur so lange, bis man wirklich begriff. A´kebur machte sich auf die Suche nach den Bereichen, wo sich gewöhnlich die Anfänger aufhalten sollten, weil sie dort nicht weit von ihren Schulungsräumen entfernt waren.

Er musste nicht allzu lange suchen. Eine schwarzgekleidete Gestalt mit auf den ersten Blick vulkanischen Zügen fiel in diesem bunten Gewirr sofort auf. Tiaren stand vor einer der schematischen Zeichnungen zum Thema Gehirnströme, doch als A´kebur nur noch an die zwanzig Meter entfernt war, drehte der junge Romulaner sich um. Er sah überrascht aus. "Captain?"

"Tiaren!" A´kebur hob automatisch seine Hand zum Gruß, ließ sie dann jedoch wieder sinken. Tiarens Anblick und Nähe war und blieb für ihn verwirrend. Vulkanier, Romulaner, Feind, Geliebter, Gefährte, tödliche Bedrohung, Etiennes Seelenträger. Um den Augenblick zu überspielen, wählte er eine menschliche Strategie und schaute kurz auf die Lehrtafeln. "Sie haben mich damals auch damit traktiert. Aber es hilft, um einige Dinge besser zu verstehen."

"Ja, das tut es. Mit den praktischen Übungen tue ich mich allerdings noch sehr schwer", gab Tiaren zu. "Und, was machst du hier?" Dass A´kebur seinetwegen gekommen wäre, war ihm doch etwas unwahrscheinlich.

"Ich wollte sehen, wie es dir geht", sagte A´kebur jedoch und brachte ihn damit dazu, selbst etwas verwirrt zu sein. "Ich habe eine Mission und werde lange Zeit nicht mehr auf Vulkan sein." Und er fühlte sich trotz allem Tiaren verpflichtet. Aber das brauchte dieser nicht zu hören.

"Eine neue Mission für die Enterprise? Dann wünsche ich dir viel Erfolg und vor allem Umsicht. Es sind komplizierte Zeiten", erwiderte Tiaren. "Und, wie du siehst, mir geht es gut. Die Vulkanier sind ziemlich kühl und meine Kommilitonen nicht sonderlich begeistert, aber ich komme zurecht." Er lächelte etwas schief.

A´kebur sah ihn prüfend an. "Nun, ich schätze, du kommst wirklich zurecht, schließlich hast du schon andere Situationen gemeistert. Sollte es dennoch Probleme geben, so denke ich, dass dir zumindest meine Mutter einen Rat geben kann. Meine übrige Familie, nun ja …"

"Ich habe schon gemerkt, dass sie mit mir nichts zu tun haben wollen, aber das war zu erwarten. Ich hatte auch nicht vor, jemanden um Hilfe zu bitten. Keine Sorge. Ansonsten werde ich sowieso besonders im Auge behalten, wenn du verstehst. Kameras, Sicherheitsleute, die Dozenten, die anderen Studenten…" Tiaren zuckte leicht mit den Schultern. "Man lässt keinen Romulaner unbeaufsichtigt auf Vulkan herumlaufen. Ich kann es verstehen."

"Mhm!", A´kebur schüttelte den Kopf. "Paranoid. Ja, man lässt hier niemanden allein herumlaufen. Erst recht keinen Romulaner. Aber es gibt hier keine Kameras. Vulkanier lassen nicht zu, dass ihre Privatsphäre selbst auf öffentlichen Plätzen nicht gestört wird. Nicht einmal für einen Romulaner."

"Na wer weiß." Tiaren legte den Kopf leicht schief. "Ich gebe ihnen allerdings keinen Grund, misstrauisch zu sein. Ich versuche nur, mit dem Lernen voranzukommen."

"Das ist eine sehr gern gesehene Eigenschaft. Ich wünsche dir alles Gute, Tiaren", meinte A´kebur. "Glück und ein langes Leben."

"Dir auch." Tiaren zögerte, dann trat er näher an A´kebur heran. "Ich vermisse dich", wisperte er, "du bist immer weit weg. Ich weiß, du willst es so. Aber dennoch …"

Tiaren spürte, dass A´kebur sich versteifte, obwohl ihn nicht berührt hatte. Widerwillig suchte der den Blick in den goldenen Augen, die nichts, aber auch gar nichts mit denen von Etiennes gemein hatten. Doch die Bitte sah A´kebur und sie war ernsthaft und ohne bösen Hintergedanken. A´kebur schloss seine Augen und senkte dann seine Barrieren.

Tiaren streckte seine mentalen Finger nach A´kebur aus, und ihre Geister verflochten sich für Momente. Bedauern, Ablehnung, Verwirrung, Sehnsucht, alles wirbelte durcheinander und vermischte sich; es war nicht mehr zu erkennen, von wem welches Gefühl stammte. Tiaren brauchte einen Moment um zu merken, dass er seine Stirn gegen die A´keburs gelehnt hatte. Mitten auf dem Campus standen sie da und doch in ihrer eigenen Welt.

A´kebur trennte ganz vorsichtig ihre Geister wieder voneinander, dann wich er mit einem Räuspern zurück. Da er keine Worte mehr wusste und sie auch irgendwie falsch klingen würden, ging er mit langsamen und nur äußerlich gemessen wirkenden Schritten. In Wahrheit konnte er gar nicht schneller gehen. Die Blicke der Studenten auf dem Campus ignorierte er.

Tiaren zwang sich, ihm nicht nachzusehen, sondern sich wieder den Diagrammen zuzuwenden. E war keine Ablehnung gewesen, im Gegenteil, und die schmerzliche Leere in ihm war wieder ein wenig ausgefüllt. Es würde wohl für eine ganze Weile reichen müssen.

 

Kaval stand still wie eine Statue im Flur, während Spock die Gastgeschenke durchging, die er für die Ka'ossianer zusammen mit dem diplomatischen Korps ausgewählt hat. Einige davon waren sehr wertvoll und würden per Shuttle zur Enterprise gebracht werden. Die anderen warteten mit einer Transportermarke versehen darauf, dass sie hochgebeamt werden würden. "Sie brauchen nicht unsichtbar sein", meinte Spock sanft, als er aufsah.

"Verzeihung, Sir, aber ich wollte Sie nicht stören", erwiderte Kaval. "Aber es war mir ein Bedürfnis, Ihnen noch einmal zu danken, dass Sie mich als Attaché mit zur Enterprise nehmen."

Spock gestattete sich ein Lächeln, welches nur in seinen Augen zu lesen war. "Sie haben ein ausgesprochen großes Talent dafür und es wäre Verschwendung, die Anlagen nicht zu fördern. Einen Botschafter auszubilden ist mir eine Ehre."

"Danke, Sir. Ich werde versuchen, Ihren Erwartungen und denen meiner Familie zu entsprechen."

"Nicht Erwartungen, Kaval. Nicht Erwartungen. Folgen Sie einfach Ihren Neigungen. Wenn man versucht, Erwartungen zu erfüllen, macht man meistens Dummheiten."

"Ja, Sir." Kaval war verwirrt, aber er ließ es sich nicht anmerken. "Sollte ich sonst noch etwas wissen?"

Spock hob eine Augenbraue. "Ja, alles und nichts. Was Sie wissen müssen, werden Sie lernen oder Sie haben es schon."

Kaval faltete die Hände. "Ich verstehe, Sir. Man sagte mir schon, Sie seien, nun ja, etwas eigen in der Auslegung von Logik. Ich werde versuchen, Ihre Methoden kennenzulernen, Botschafter."

"Deshalb sind Sie hier, denn auch Ihre Logik ist nicht makellos. Ich glaube, einige finden die Kombination zweier schwarzer Schafe äußerst faszinierend. Vor dem Kontakt mit Menschen hätte man Männern wie Ihnen nahe gelegt, eine intensive Zeit im Kloster zu verbringen. Diese Strategie ist neu."

"Schwarze Schafe, Sir?"

"Ein Wolle tragendes Tier, Vegetarier, Ursprung auf Terra, und wird in der Regel in großen Herden gehalten. Die bevorzugte herausgezüchtete Farbe dieser Tiere war jahrhundertelang weiß. Ein schwarzes Schaf …"

"… ist also eine Anomalie, eine unerwünschte Auffälligkeit. Ich verstehe, Sir", ergänzte Kaval.

"Ja, aber nicht ganz. Vor etwa dreihundert Jahren, es ist nicht genau belegt, entschied sich eine Züchterin in Australien, ein Kontinent auf Terra, dazu, die unerwünschten schwarzen Schafe aus den Herden des Landes einzusammeln und daraus eine der größten schwarzwolligen Herden zu bilden, die es gibt. Reine, schwarze Wolle. Sie wird heute noch dazu verwendet, um besondere Paradeuniformen von Starfleet zu fertigen. Sie ist durch eine genetische Anomalie zudem weicher als die der weißwolligen Verwandten."

"Also kann sich etwas augenscheinlich Unerwünschtes als etwas Positives herausstellen. Dieses Phänomen habe ich bereits ein paar Male beobachten können. Ich denke, Captain A`kebur ist auch so ein Beispiel dafür."

Spock neigte leicht sein Haupt. "So könnte man es durchaus betrachten. Daher, schwarze Schafe sind eine Herausforderung und sie selbst müssen Herausforderungen meistern, die für die weißen Schafe nicht gelten. Für uns gelten die alten Regeln nicht mehr. Wir müssen neue, eigene finden, und daher dürfen Sie nicht mit aller Kraft darauf drängen, die Erwartungen anderer zu erfüllen. Versuchen Sie Ihre eigenen Stärken zu finden und die Regeln, die dazu passen. Ihre Logik ist nicht makellos. Dennoch sind Sie nicht bar jeglicher Logik. Sie sind noch jung und Ihr Talent ist nicht voll ausgeprägt. Aber die Veranlagungen sind da. Daher, machen Sie sich nicht auf vulkanische Weise unsichtbar. Seien Sie präsent, dann kann ich auch besser um Sie herumlaufen."

Kaval nickte. "Wie Sie wünschen. Ich denke, ich werde wirklich sehr viel von Ihnen lernen Sir."

"Gut, vergessen Sie dabei nicht das Leben", meinte Spock trocken. "Ich bin hier fertig. Ihre Sachen sind schon auf dem Schiff und wir können hochbeamen. Die übrigen Sachen werden abgeholt."

Kaval folgte Spock zum vereinbarten Punkt. Er war ein bisschen überwältigt von der Art Spocks; aus der Ferne hatte es nicht so gewirkt, aber im Gespräch war der Botschafter höchst verwirrend. Kaval hoffte nur, dass er mit der Zeit damit umgehen lernte.

Sie wurden hochgebeamt und es war genauso beeindruckend, wie das erste Mal, als er die Enterprise betreten hatte. Das Schiff war selbst im Transporterraum überwältigend. Nicht nur von der Größe her, sondern auch ästhetisch. "Willkommen an Bord der Enterprise, Botschafter Spock, Attaché Kaval. Ihr Gepäck ist schon in ihren Quartieren. Wünschen Sie Hilfe?"

"Nein, vielen Dank, ich kenne die Pläne des Schiffes", gab Spock zurück. Er und Kaval machten sich auf den Weg zu ihren Quartieren, wobei Spock ihm unterwegs noch das eine oder andere zum Thema Enterprise erzählte; schließlich hatte er auf zwei der berühmtesten Vertreterinnen gedient.

In den Quartieren fanden sie Schiffskommunikatoren; der Captain wollte offenbar, dass sie jederzeit erreich- und ortbar waren. Außerdem gab es eine Einladung zum Begrüßungsessen; die Offiziere würden den Beginn der Mission feiern. Eine der üblichen Traditionen, die niemand brechen würde.

Spock erfuhr, dass der Captain zwei Stunden nach ihrer Ankunft wieder auf der Enterprise sein würde. Das Update der Datenbanken war abgeschlossen und ihre Mission begann.

 

Am Abend trafen sich alle hohen Offiziere sowie der Botschafter beim Captainsdinner. Der Botschafter wirkte unter all den Offizieren in Uniform wie ein Exot und Kaval versuchte wirklich wieder ein Stück unsichtbar zu werden. Doch das ließ Spock nicht zu. Er bezog den jungen Mann in die Gespräche mit ein und nach kurzer Zeit schien Kaval sich hervorragend mit der Wissenschaftsoffizierin zu verstehen. "Captain, denken Sie, wir gehen diese Mission richtig an?", fragte Spock schließlich unverblümt. "Die Ka'ossianer sind schließlich, ähnlich wie die Borg oder das Dominion, eine Kultur, die nur sehr wenig mit unseren Vorstellungen gemein hat."

A´kebur sah ihn etwas belustigt an. "Sie sind der Botschafter. Ich muss durch meine Anwesenheit glänzen, die meiner Mannschaft und durch die Enterprise. Arroganz ist im Übrigen den meisten Völkern angeboren. Die Borg sind dabei, meiner Meinung nach, auf der höchsten Stufe der Eingenommenheit."

"Das mag wohl sein. Doch die Erfahrung hat mich gelehrt, dass auch wir viel zu schnell viel zu selbstsicher werden, wenn die Dinge nach Plan verlaufen. Dabei haben wir noch keine wirklichen Informationen, keine Basis. Ein einzelnes Schiff in einem Reich mit unbekannter Technologie und großen Flotten. Es ist ein großes Risiko. Andererseits, ich habe auch gelernt, dass man ohne Risiken große Chancen verpasst."

A´kebur nickte. "Ja, die Vereinbarung mit den Ka'ossianern sieht vor, dass es nur ein Schiff ist und dass Sie als Botschafter akzeptiert werden. Sie akzeptieren auch den Captain dieses Schiffs mit der merkwürdigen Einstellung zu Frauen und Männern."

Für diese Bemerkung erntete A´kebur leises Lachen seiner Offiziere, welches wiederum ihn schmunzeln ließ.

Der Abend ging noch sehr lang mit Gesprächen und Diskussionen, wobei klar wurde, dass alle den Dingen recht optimistisch entgegen sahen. Nur Lieutenant Ch'Grawbil, der grundsätzlich keiner Sache traute, hielt sich da außen vor. Doch ein paranoider Sicherheitschef würde sie vor Leichtsinn bewahren und A´kebur gedachte nicht, diese Eigenschaft verwässern.

Die nächsten Tage flogen sie unbehelligt zum Rande der Neutralen Zone, dann schlugen sie dort den Kurs in das Gebiet der Ka'ossianer ein. Dabei half ihnen eine eher provisorische Karte des Volkes. Sie hatten in ihrer paranoiden Art nicht genau eingezeichnet, wo sie die Grenzen sahen. Ihrer Meinung nach war das gesamte Gebiet, welches Romulanisches Reiche, das Klingonische Imperium und die Föderation umfasste, ihr Gebiet und weit darüber hinaus. In ihrer Großzügigkeit, wie sie betonten, zeigten sie jedoch gern die Grenzen der Provinzen im Zusammenhang mit dem Reich, über welches sie geboten.

Der Kern des Ewigen Reiches der Ka'ossianer lag jedoch in einem Gebiet, dass aufgrund elektromagnetischer Stürme und Partikelnebel weitgehend von anderen raumfahrenden Kulturen gemieden worden war. Die Schilde und Sensoren der Enterprise waren speziell justiert worden, um trotzdem einwandfrei zu funktionieren, aber ob dem so sein würde, mussten sie erst noch testen. Als die Enterprise schließlich den Rand des betroffenen Gebietes erreichte, tauchte ein anmutiges, riesengroßes Schiff vor ihr aus dem Nebel aus. A`kebur kannte das Design schon, es war die Endal, Generalin Tir'Drans Schiff. Es war vereinbart worden, dass sie die Enterprise während ihrer Reise eskortieren sollte.

Jeder, der schichtfrei hatte, war in die Bar gegangen, um sich das Schiff anzusehen, welches wie ein Juwel vor den vielfarbigen Nebeln wirkte. Die Enterprise war zweifelsfrei beeindruckend. Aber die Ka'ossianer legten eindeutig mehr Wert auf Dekoration jeglicher Art.

A´kebur ließ einen Kanal zur Endal öffnen und grüßte die Generalin. Auf einen Bildkontakt verzichtete er, da er dafür weder passend unbekleidet war, noch wollte er das Licht der Brücke soweit abblenden, dass es der Generalin und den übrigen Brückenmitgliedern nicht weh tat. "Captain A´kebur von der Enterprise. Ich grüße die Generalin der Endal", grüßte er.

"Captain A´kebur von der Föderation, wir grüßen dich und heißen dich und dein Schiff willkommen. Wir werden nun einige Justierungen senden, die eure simple Technik in die Lage versetzt, die Nebel sicher zu durchqueren. Danach folge uns! Endal ende." Mehr Höflichkeit war da nicht zu erwarten; die Ka'ossianer waren nicht arrogant in dem Sinne, sie glaubten wirklich an das, was sie sagten. Doch da ihnen dieses primitive Völkerkonglomerat, das sich Föderation nannte, Paroli geboten hatte, mussten sie es zumindest minimal anerkennen.

Also waren sie so höflich, wie es ging und wie es erlaubt war. Aber keinen Deut mehr.

Troi grinste verhalten. "Sie ist hocherfreut", teilte er seinem Captain mit, der das mit einem Grinsen quittierte. Er wandte sich zur Kommunikation, von wo er die Bestätigung erhielt, dass die Angaben mit den ihrigen im Wesentlichen übereinstimmten. "Die Differenzen zur Feinabstimmung betragen 0,127 Prozent."

"Passen Sie sie an", befahl A´kebur gut gelaunt.

Danach gab er den Befehl, dem Kurs der Endal in den Nebel zu folgen. Grellgrüne und rote Blitze spielten über die Hülle des anderen Schiffes und verliehen seiner anmutigen Form eine noch bizarrere Schönheit. Ch'Grawbil teilt mit, dass die Schilde stabil blieben und auch die Sensoren einwandfrei weiterfunktionierten. Soweit, so gut.

"Unser erster Stopp zur Heimatwelt Ka'oss ist der Außenposten auf Brimev II", erklärte Commander Aera, "laut den Informationen, die man uns gab, ist dort eine der größten Schiffswerften des Reiches."

"Aha, man will uns also gleich beeindrucken", schloss Troi.

"Ich fürchte, sie haben den Eindruck gewonnen, dass wir nur schwer zu beeindrucken sind. Von daher werden sie große Geschütze auffahren", mutmaßte A´kebur. Er kontaktierte den Botschafter, der der Begrüßung zugehört hatte. Wie er jedoch schon vermutete, waren die Ka'ossianer erst einmal nicht an diplomatischen Austauschen interessiert.

Sie wahrten die Distanz, um den barbarischen Fremdlingen ihren Platz zu zuweisen.

Es würde wohl viel gutes Benehmen, eine große Portion Einschüchterung und sehr viel Charme brauchen, sie an einen Tisch zu bekommen. Und das würde wohl vorerst A`keburs Aufgabe sein.

 

Der Flug verlief ohne Zwischenfälle, doch die Mannschaft saß ein wenig wie auf heißen Kohlen. Nichts passierte, und die Warterei wurde ein wenig anstrengend. Mr. Troi beauftragte alle Crewmitglieder, sich genau mit den Informationen vertraut zu machen, die sie bisher über die Ka'ossianer hatten und, wenn sie schon dabei waren, auch gleich ihr Wissen über die Bewahrer auffrischten.

Zwei Wochen nach dem Kontakt entschloss sich A´kebur jedoch zu einem Kniff, um die Ka'ossianer aus der Reserve zu locken. Das bisherige Protokoll sah bisher keine Kontaktaufnahme vor der Ankunft bei der Station vor. Aber die Föderation hatte genug eigene Rituale, um das Eis zu brechen und die meisten dieser Rituale hatten etwas mit Essen zu tun. "Kanal zur Endal öffnen", befahl er.

"Captain A´kebur, hier ist die Endal. Uns ist nicht bewusst, dass du und dein Schiff technische Probleme haben. Oder weshalb brichst du das Schweigen?"

"Das Schiff ist im besten Zustand. Und ich breche das Schweigen, weil ich dich einladen will, Generalin."

Pikiertes Schweigen. "Wir dachten, wir hätten deutlich gemacht, wie wir anzureden seien, Captain. Du und dein Schiff sind aufgrund der großen Gnade der Ewigen Kaiserin unseres Reiches hier, doch dieses Privileg können wir ganz schnell wieder entziehen."

Troi sah A`kebur warnend an.

Dieser verstand und nickte. "Große Generalin, wir sind aus vielen Gründen hier. Auch, weil wir einander getroffen haben. Die Generalin weiß, dass ich mein Knie nicht beuge und mein Haupt nicht senke. Und sie weiß auch, dass ich eine Beleidigung, sofern sie als diese gemeint ist, nicht unerwidert lasse. Ich werte das Du daher als einen Vertrauensbeweis und eine Gunst, die ich zu gern annehme."

Wieder Schweigen. "Keine Vertrauensbeweise zwischen uns, Captain, noch nicht. Wir akzeptieren Ihre Sitte der Anrede hiermit. Fahren Sie mit Ihrem Vorschlag fort."

A´kebur tauschte keinen Blick mit seinem Counseler. "Nun, ich lade Sie hiermit zu einem Diner ein. Der Flug zur Station wird dadurch nicht unterbrochen und ich sehe auch keine unlösbaren Probleme bezüglich Ihres Aufenthalts auf der Enterprise. Im Namen der Verständigung unserer Völker ist es nur ein winziges Stück auf einem langen Weg, aber jeder Weg beginnt mit einem ersten Schritt."

"Gut, Captain. Wir akzeptieren Ihre Einladung und erwarten einen dem Anlass entsprechenden Empfang. Endal Ende."

Troi atmete tief durch. "Ich gehe gleich mit der Küche sprechen, wenn es recht ist, Captain", erklärte er.

"Nicht nur die Küche. Beleuchtung, Kleidung, Sicherheit, Bewaffnung, Dekoration. Das Feinste vom Feinsten im barbarischen Glanz, unserer bescheidenen Meinung nach. Wenn Sie den Protokollmeister mimen würden, wäre ich Ihnen dankbar."

"Ich werde mich um alles kümmern, Captain. Aber ich schlage vor, dass sich im Interesse unserer Gäste die männlichen Offiziere von uns, mit Ausnahme von Ihnen, ein wenig zurückhalten, Captain. Ich denke, Commander Aera, Lieutenant Commander Yamilu und Chief Delacroix sind mehr als ausreichende Vertretung."

"Danke für den Hinweis. Es sollen aber auch Frauen zur Bedienung kommen, genauso wie Männer. Sie sollen sehen, was bei uns üblich ist. Der Kulturschock dürfte dann nicht mehr gar so schlimm ausfallen, wenn sie erzählt, wie niedrig unsere Kulturstufe ist. Dennoch will ich, dass jeder sich tadellos benimmt. Kein Senken des Blicks, höflich, aber stolz. Männer wie Frauen. Nehmen Sie auch ein paar …", A´kebur lächelte, "exotisch aussehende Vertreter der Crew. Schmuck und eine gewisse Nacktheit sind Pflicht. Nehmen Sie nur Freiwillige."

"Ja, Sir. Ich habe bereits mehrere Crewmitglieder für solche Gelegenheiten angesprochen. Ich denke, wir werden uns für nichts schämen müssen. Allerdings, gehe ich nachher besser noch einmal in den Trainingsraum." Troi grinste und verließ die Brücke.

"Captain, bei allem Respekt, aber wir sollten uns auf keinen Fall, wie soll ich sagen, verletzbar erscheinen lassen", gab Commander Aera zu bedenken, "außerdem befürchte ich, dass in der Crew ein gewisser Unmut entstehen könnte, wenn bestimmte Crewmitgliedern nur ihres Äußeren wegen besondere Pflichten bekommen."

"Ich sagte Freiwillige, nicht im Äußeren besonders schöne Wesen jedweder Art und nach welchem Geschmack auch immer. Wir können jedoch nur eine begrenzte Zahl nehmen. Sorgen Sie für einen Ausgleich, Commander."

A´kebur sah seine Brückencrew an. "Das Problem ist, dass es um Scham geht und die Völker, die meine Crew bilden, jeweils eine recht unterschiedlich hohe Schwelle haben. Es geht nicht nur ums Äußere, sondern um die Fähigkeit, damit sicher umgehen zu können. Wer das nicht kann, braucht sich nicht zu schämen. Ich will, dass jeder das weiß. Schließlich, selbst eine Hochzeit auf Betazed ist bis heute nicht jedermanns und jederfraus Sache, wie ich mir habe sagen lassen."

Die Anwesenden lachten leise und auch Commander Aera schien wieder etwas versöhnt zu sein. "Verstanden, Captain, ich werde der Crew genau das mitteilen."

"Danke, Commander. Dann werde ich das Ihren Händen überlassen. Ich möchte, dass die Ka'ossianer beeindruckt sind, selbst wenn sie es nicht zugeben dürfen. Ich will sie jedoch nur soweit brüskieren, wie es unserer Sache dienlich ist. Vor ihnen einzuknicken, bedeutet, sich für eine Partnerschaft zu disqualifizieren. Und wir wollen eine Partnerschaft."

"Ja, Sir, ich weiß." Und mit einem völlig untypischen Lächeln fragte sie: "Denken Sie, Sir, dass mir ein Kleid in Gold oder Silber besser steht?"

A´kebur hob erstaunt alle beide Augenbrauen und offenbarte damit mehr Verblüffung, als er kontrollieren konnte. "Äh, Commander?", fragte er, "ich wage es zu bezweifeln, dass ich ein geeigneter Modeberater bin. Aber Gold steht Ihnen genauso wie Silber."

"Commander, ich sagte ihnen ja, Männer fragt man da lieber nicht", ließ sich Lieutenant Commander Yamilu verlauten. Aera zog nur eine Augenbraue hoch und ging zurück zu ihrer Station. Die beiden Frauen vertrugen sich noch immer nicht so recht, aber da konnte A´kebur nichts tun. Er hatte im Augenblick andere Sorgen. Aber er würde bald eine Gelegenheit schaffen müssen, wo beide Frauen sich entweder gegenseitig ihre Krallen zeigen durften oder endlich so etwas wie gegenseitigen Respekt zollten. Auf Dauer konnte er Dissonanzen dieser Art auf der Brücke nicht dulden.

"Seien Sie einfach bereit", sagte er. "Commander, Sie haben das Kommando. Ich bin bei Botschafter Spock."

 

Er fand Spock zusammen mit Kaval in der Astrophysik; die beiden hatten sich mit den Planeten des ka'ossianischen Reichs beschäftigt. "Captain, es ist höchst faszinierrend", erklärte Spock, "Dank des Nebels haben die Ka'ossianier eine Art natürliche Grenzbarriere, die sie versteckt und schützt. Dementsprechend blieben sie komplett isoliert. Soweit wir das feststellen konnten, waren viele der von ihnen bewohnten Planeten früher einmal Klasse R, also unbewohnbar für humanoide Lebensformen. Überall hat ein Terraforming-Prozess stattgefunden."

A´kebur trat näher und sah die Tabellen, Parameter und die holographisch aufbereiteten Bilder des Alls jenseits der Barriere. "Das würde ihre Paranoia und ihre Arroganz gegenüber anderen Völkern erklären. Sie haben quasi diesen Teil des Universums vollständig selbst erschaffen. Jeder Planet, der bewohnt wird, ist von ihnen geformt worden. Dass kann Gottesphantasien hervorrufen."

Spock nickte. "Und sie haben auch keine anderen Kulturen getroffen, soweit wir das bisher erkennen konnten, dementsprechend hatten sie nie Konkurrenz um ihr Territorium. Die "Stempel" in den Stratosphären einiger Planeten haben sie offenbar schon Millionen Jahre zuvor aufgedrückt. Eine Art Markierung, dass diese Planeten vielversprechend sind und man später wiederkommt, um sie zu nutzen. Doch dann zogen sie sich hinter ihren Nebel zurück und bemerkten offenbar nicht die Entwicklung der anderen Völker."

A´kebur berührte einige Planeten, las die Details und überlegte. "Viele der Planeten scheinen jedoch lange nach den Bewahrern kultiviert worden zu sein. Ich habe den Eindruck, dass wir es hier nicht mit den Bewahrern zu tun haben. Die Spuren der Bewahrer sind älter als die Terraformingprojekte. Aber wir sollten sehen, was wir herausfinden. Sie scheinen jedoch so etwas wie die Erben zu sein oder sie sind dem Erbe der Bewahrer näher, als die Völker jenseits des Nebels."

"Ja, dem scheint so", stimmte Kaval zu, "ich sprach mit Lieutenant T'Mara, der zuständigen Spezialistin für Bewahrerkultur hier an Bord. Sie geht davon aus, dass die Ka'ossianer eine verwandte Rasse der Bewahrer sind, die jedoch technologisch weitaus niedriger entwickelt waren. Als die Bewahrer ausstarben oder verschwanden, übernahmen sie deren Einrichtungen, doch auch hier ging Wissen über die Jahrmillionen verloren. Sie hat auch die Theorie geäußert, dass die Ka'ossianer die Bewahrer vertrieben oder sogar ausgerottet haben, aber dafür gibt es bisher keine Anhaltspunkte."

A´kebur legte die Hände auf den Rücken und ging auf und ab. Spock erinnerte das für einen Moment an seinen Captain, der auch ein Captain der Enterprise gewesen war. Dieser hier jedoch strahlte nicht die geringsten Gedanken aus, hatte eine klingonische Stirn und vulkanische Ohren. A´kebur sah ihn an, als hätte er etwas von ihm aufgefangen. "Es ist eine sich wiederholende Geschichte", sagte er, "eine niedrigere Kultur löscht eine höher stehende aus und erlebt dadurch ihren eigenen Aufschwung bis zum eigenen Ende."

"Mir scheint diese Theorie auch nicht so weit hergeholt, Captain. Aber dies ist oftmals der Lauf der Dinge und wir können die Bewahrer nicht wieder zum Leben erwecken." Spock beendete die Simulation und stand auf. "Wünschen Sie heute Abend meine Anwesenheit, Captain?"

"Unbedingt. Ich überlasse Ihnen die Wahl der passenden Kleidung. Männer haben es so oder so schwer gegenüber dem Matriachart der Ka'ossianer. Ich bin für eine Vielfalt von Eindrücken gegenüber der Generalin. Sie soll soviel wie möglich erfahren über die Kultur der Völker der Föderation."

"Ich werde mich darum bemühen, Captain. Mr. Troi ist vermutlich schon bei den Vorbereitungen, also werde ich mich anschließen."

"Ich würde es vorziehen, nicht anwesend zu sein, Sir", meinte Kaval. "Ich denke nicht, dass ich den besten Eindruck machen würde."

A´kebur und Spock hoben gleichermaßen ihre Augenbrauen, was Kaval jetzt eindeutig verlegen werden ließ. "Es ist Ihre Entscheidung, Kaval", sagte A´kebur jedoch nur.

"Danke, Sir. Lieutenant T'Mara würde allerdings gerne anwesend sein für ihre Studien; sie wird sicher einen guten Eindruck machen. Botschafter, soll ich die restlichen Daten hier noch auswerten."

Spock nickte. "Tun Sie das."

A´kebur und er ließen Kaval bei seinen Studien und gingen. Unausgesprochen war das Ziel Spocks Quartier. "Botschafter?", sprach A´kebur förmlich.

"Ja, Captain?"

"Wie wollen Sie vorgehen? Wir haben die Gelegenheit und wir sind noch nicht innerhalb der Abwehrschilde der Ka'ossianer. Soweit ich das sehe, kommt mir die Rolle des Provokateurs zu."

"Das machen Sie allerdings ausgezeichnet, Captain. In dem Fall kommt mir die Rolle des Friedensstifters zu, der abwägt und vermittelt. Jemand, dem die Ka'ossianer trauen wollen, weil er ungefährlich ist, im Gegensatz zu Ihnen."

A´kebur nickte. "Wir sollten unsere Strategien jeweils abstimmen, sonst könnte der schnellste Antrieb uns nicht heil wieder rausbringen."

"Natürlich, Captain." Während sie durch die Gänge wanderten, begannen sie die Details zu besprechen und Spock bot A`kebur in seinem Quartier eine Tasse vulkanischen Tees an, der im Gegensatz zu Großmutter Amaris’ Gebräu wirklich schmeckte. Komplett vorbereiten konnten sie sich nicht, aber im Augenblick war das alles, was sie tun konnten.

A´kebur genoss den Tee und auch die Gesellschaft des älteren Vulkaniers. Wie bei Lial erfuhr er hier bedingungslose Anerkennung. Bisher war der Flug für ihn von Alleinsein und Einsamkeit geprägt. Jetzt wurde ihm der Mangel bewusst und es schmerzte. Aber er hatte sich entschieden und er würde damit leben. Für Sekunden tauchte er in eine Meditation, dann trank er seine Tasse aus. "Vielen Dank", meinte er und umfasste damit weit mehr, als das Gespräch als solches.

"Ich bin hier, um Sie zu unterstützen, Captain, nicht umgekehrt. Vergessen Sie das nicht", erklärte Spock ruhig. "Aber nun schlage ich vor, dass wir entsprechende Kleidung heraussuchen und die Vorbereitungen überprüfen. Wir haben noch 1,3 Stunden."

A´kebur erhob sich und verneigte sich knapp. "Bis nachher!", sagte er in der üblichen Ungenauigkeit nichtvulkanischer Völker.

Er sah sich persönlich die Vorbereitungen an. Der Commander hatte dafür gesorgt, dass für die Crew, die dabei sein würde, Kontaktlinsen ausgegeben wurden, die das Restlicht automatisch verstärkten und sie sich somit ohne äußere Hilfen auch im Dunkeln bewegen konnten. Sie gab A´kebur auch ein Paar, der sie im Hellen ausprobierte und zufrieden feststellte, dass sie sich automatisch anpassten. Ein schneller Wechsel von Licht und Dunkelheit würde also niemandem schaden. Commander Aera erklärte ihm einige Details und A´kebur würdigte sie. Tatsächlich hatte sie so gute Arbeit geleistet, dass er im Stillen begeistert war. Ob der erwünschte Effekt eintrat, würden sie sehen.

Das Essen war ein Ausprobieren von Grenzen, Geschmack und Einschätzen der kulturellen Besonderheiten der Ka'ossianer. Es war nur als ein offizielles Dinner getarnt. A´kebur hatte in der Liste gesehen, dass sich hauptsächlich Wissenschaftler, Soziologen und Anthropologen eingetragen hatten, um ausgiebig Beobachtungen aller Art zu starten. A´kebur lächelte verhalten.

Seine Crew war eben bestrebt, möglichst viel Neues zu lernen, und er würde sie kaum aufhalten. Im Speisesaal kam ihm Mr. Troi entgegen, der hastig einige letzte Anweisungen gab. Der junge Counselor trug bereits sein "Gewand", an dem zu erkennen war, dass er bereits einige betazoidische Hochzeiten besucht und sich dabei nicht geschämt hatte. "Alles ist soweit fertig, Captain", erklärte er.

A´kebur schaute sich in dem "Speisesaal" um. Die Bezeichnung kam nicht annähernd an das heran, was der Counselor daraus gemacht hatte. Dieser Teil des Schiffs entsprang ganz sicher aus 1000 und eine Nacht - einem Märchen der Terraner, welches er sehr oft Cindy vorgelesen hatte. "Holopojektoren", murmelte er und Mr. Troi grinste breit.

"Ja, sie sind bei der Reparatur eingebaut worden. Man kann alles einstellen, was man will. Wir können also jeden Geschmack treffen, den wir möchten. Sofern es uns gelingt, diesen zu erraten."

A´kebur nickte anerkennend. "Gute Wahl! Nun, dann werde ich mich auch bereit machen. Botschafter Spock wird die Delegation mit empfangen. Der Commander und Sie werden auch mit dabei sein. Ich werde Ihre Fähigkeiten brauchen."

"Natürlich, Sir. Commander Aera hat sich übrigens für Gold entschieden. Sie wollte wohl, dass es sich möglichst mit Lieutenant Commander Yamilus Outfit beißt." Troi verzog leicht das Gesicht. "Entschuldigen Sie, Sir."

A´kebur seufzte stumm. "Wenn Sie mir erklären können, warum sich meine Kommandooffiziere nicht verstehen, wäre ich Ihnen sehr dankbar."

"Ich versuche es selbst schon länger zu verstehen, Sir, aber Commander Aera und Lieutenant Commander Yamilu waren schon auf der Akademie Rivalinnen. Da sie beide die besten in ihrem Jahrgang sind, konnte es keine andere Entscheidung geben, als sie hierher zu versetzen, aber man berücksichtigte ihre Beziehung wohl nicht dabei. Es wird aber keinen Einfluss auf den Verlauf des Abends haben."

"Außer, dass sich ihre Kleidung beißt", murmelte A´kebur trocken.

"Nun, ich bin mir sicher, die Kleider werden nicht die Zähne fletschten", versicherte ihm sein Counselor. "Sie sollten sich auch umziehen gehen, Sir."

"Ausziehen", brummte A´kebur. "Ich bin in meinem Quartier!"

Damit überließ er Troi den letzten Rest der Organisation.

In seinem Quartier wählte er das, was er sich für den Zweck ausgesucht hatte. Aufgrund der Besonderheit, den Status einer Person anhand von Schmuck, Bewaffnung und der Abwesenheit von Stoff zu erkennen, war die Ausstattung mit diesen Sachen auf der Enterprise völlig neu entworfen worden. Die Offiziere trugen hauptsächlich Gold und Silber. Die Steine waren die kostbarsten, die man hatte finden können. Würde je ein Pirat auf die Idee kommen, die Enterprise wäre eine fliegende Schatzkammer, könnte er durchaus dieses Mal Recht behalten.

A´kebur nahm goldenen Schmuck, blaue Steine, eine schwarze Hose mit unterbrochenem Stoff und schwarze Stiefel. Seine Bewaffnung war ein archaisch wirkender Dolch und ein Phaser. "Mehr Pirat als Captain eines Starfleetschiffs", kommentierte er sein Spiegelbild. Er hatte wieder den bajoranischen Ohrring angelegt und er trug den Ring, den er von Etienne bekommen und den er nach dessen Tod nicht mehr getragen hatte.

Er erinnerte sich noch genau daran; Etienne hatte ihn damit zu einem Geburtstag überrascht. Es war ein uraltes Schmuckstück, das Etienne wer weiß woher hatte; A´kebur hatte lieber nicht nachgefragt. Doch dem Metall, ein seltsames Blauweiß, das im Dunkeln ein wenig leuchtete, hatte der Zahn der Zeit nichts anhaben können und passte zu seiner übrigen Aufmachung.

Ehe er ging, steckte er sich seinen Kommunikator an den Gürtel. Der Platz, wo er ihn sonst unterbrachte, war denkbar ungeeignet geworden. Commander Aera betrat gerade den Gang auf dem Weg zu ihm, als er aus seinem Quartier kam. Sie war tatsächlich in Gold gefasst. Kein Kleid, eher war das Metall so an sie angepasst worden, dass es dort, wo es saß, wie eine Fassung für einen besonders edlen Stein wirkte. Die Stellen jedoch, die nach menschlichen Maßstäben eine Schamgrenze darstellten, waren sorgfältig bedeckt. Doch egal wie, sie sah umwerfend aus. "Ich denke, Sie sehen beeindruckend aus", sagte er.

"Danke, Sir, Sie auch", gab sie zurück. "Doch ich fürchte, wenn wir im Ansehen unserer Gäste steigen wollen, müssen wir uns noch luftiger anziehen."

"Sie werden sich daran gewöhnen müssen", erwiderte A´kebur. "Schließlich verlangen wir von ihnen nicht, dass sie ihre Blöße bedecken."

"Nein, Sir. Allerdings könnten die männlichen Crewmitglieder, die die Ka'ossianerinnen noch nicht gesehen haben, unter Umständen etwas abgelenkt sein."

"Ich denke, dass sie aufgeklärt sein sollten. Und sind sie nicht fähig, ihr Verhalten zu kontrollieren, sollten sie ihre Fähigkeiten als Offiziere neu einschätzen lassen. Schließlich ist jeder freiwillig bei diesem Treffen."

"Nein, Sir, wir haben sie vorbereitet und sie werden sich alle tadellos benehmen. Ich sagte nur, dass vielleicht der eine oder andere etwas, nun ja, überrascht aussehen wird. Aber ich werde alle genauestens im Blick behalten, Sir. Wir sollten zum Transporterraum gehen, sie kommen jede Minute."

Ihr Einwand war berechtigt, aber sie kamen pünktlich an. Bevor die Gäste materialisierten, wurden in den für sie freien Bereichen das Licht abgedunkelt. Die Mannschaft zog sich zurück, wenn sie nicht direkt etwas mit dem Empfang zu tun hatten. Die Sicherheitsmannschaft stand spärlich bekleidet Spalier. Die Kontaktlinsen funktionierten einwandfrei, so dass jeder sehen konnte, als wäre das Licht noch an. Lieutenant Ch'Grawbil stand in geradezu martialischer Aufmachung neben der Tür und sah nicht begeistert aus; allerdings hatte A´kebur auch keine Ahnung, wie das zerknautschte Gesicht des Rigelianers bei guter Laune aussah.

Der Transporterchief empfing soeben die Koordinaten und Gestalten materialisierten sich auf der Transportfläche. Es war die Generalin sowie zwei weitere, hochgestellte Ka'ossianerinnen, wie an ihrer spärlichen Bekleidung auszumachen war. Begleitet wurden sie von vier männlichen Vertretern ihrer Rasse, offenbar Bodyguards.

Sie waren wie üblich mit mehr Kleidung bedeckt, aber sie trugen ausgewählte Waffen.

A´kebur hob die Hand, um den Sicherheitschef an seiner Stelle zu belassen. Sie nahmen keinem Gast die Waffen ab.

"Willkommen auf der Enterprise, Generalin Tir'Dran", grüßte A´kebur.

Sie neigte huldvoll den Kopf. "Captain A´kebur", grüßte sie, "dies sind meine Offizierinnen, Molthra Wfen'sis und Chizre Tomloth." Sie deutete zu den beiden anderen Frauen, die in Pastelltöne gekleidet waren. Die Generalin selber trug ein Kleid, wenn man es denn noch so nennen konnte, aus einem weißen, schimmernden Metall, dass sich jeder Bewegung anpasste. Ein wenig wirkte es wie die Haut einer Schlange.

"Ich heiße auch Ihre Offizierinnen willkommen auf der Enterprise. Das ist meine Erste Offizierin Aera und meine Wissenschaftsoffzierin Yamilu. Ich habe mir erlaubt, ein zwangloses Essen vorbereiten zu lassen. Die offiziellen Treffen werden in einem weit formelleren Rahmen stattfinden. Es ist daher eher wie ein Treffen zwischen guten Bekannten."

"Gute Bekannte sind wir noch nicht, Captain, vergessen Sie das nicht", gab die Generalin frostig zurück, "und wir verbitten uns jegliche Anbiederei. Dies ist ein formelles Treffen."

A´kebur lächelte. "Nun denn, dann liege ich richtig, dass ich den Botschafter dazu eingeladen habe. Er wird sich über das formelle Treffen freuen."

"Wir sagten nicht, dass wir über Politik reden würden. Aber gut, zeigen Sie uns den Saal."

A´kebur fühlte sich für einen Moment wie ein Hausverkäufer, auch wenn er bisher noch nicht gewusst hat, wie sich so etwas anfühlte. "Wenn Sie mir bitte folgen würden. Wir haben die Lichteinstellungen Ihren Bedürfnissen angepasst. Daher empfiehlt es sich weniger, andere Bereiche aufzusuchen."

"Das hatten wir auch nicht vor", gab die Generalin zurück, doch sie schien zufrieden, dass man das Licht ihren Gewohnheiten entsprechend angepasst hatte. Die Ka'ossianerinnen würdigten die Gänge der Enterprise keines Blickes und die Dekoration im Speisezimmer bekam nur einige hochgezogene Augenbrauen, aber Unmut äußerten sie nicht. A`kebur wertete das als Fortschritt.

Commander Aera und Lieutenant Commander Yamilu traten gemeinsam vor und A´kebur hoffte, dass deren Kleider definitiv nicht über Zähne verfügten. Uniformen hatten den Vorteil, dass die Regeln klar waren. In solch einer Kleidung war durchaus Disziplinverlust möglich. Aber der Botschafter rettete bewusst oder unbewusst die Situation. "Botschafter Spock kennen Sie schon bereits …"

Spock verneigte sich formvollendet. "Es ist uns eine Ehre und eine Freude, die Generalin und ihre Offizierinnen an Bord der Enterprise begrüßen zu dürfen. Bitte nehmen Sie doch Platz." Die Generalin nickte huldvoll; offenbar war Spocks geradezu sanfter Ton genau der Richtige gewesen.

A´kebur überließ es seinen Offizieren, die Plätze der anderen beiden Damen bereitstellen zu lassen, was diese annahmen. Dass sie die Bedienung durch eigentlich gleichrangige Frauen akzeptierten, war für A´kebur das Indiz dafür, dass sie sie nicht als gleichrangig werteten. Er seinerseits nahm am Kopf der Tafel Platz, woraufhin die Generalin selbstverständlich das andere Kopfende für sich in Anspruch nahm. Auf die Weise war auch der größtmögliche Abstand zu A´kebur gewährt. Dass Commander Aera und Botschafter Spock jeweils neben ihr Platz nahmen, ließ sie gnädig zu.

Troi, der bis auf ein, zwei Kleinigkeiten einer betazoidischen Hochzeit alle Ehre gemacht hätte, setzte sich neben A´kebur. Das schien das Zeichen dafür zu sein, dass das "formlose formelle" Essen beginnen konnte. Insgesamt sechs Offiziere traten ein und brachten das Essen, fünf weitere stellten sich in die Ecken des Saals und dekorierten ihn mit ihrer Anwesenheit. A´kebur kannte sie alle. Gut fand er, dass Lieutenant Zás die Offizierin bediente. Sie gehörte zu der Spezies, die einer irdischen Katzenart nicht unähnlich war, wie A´kebur einmal von Cindy erklärt wurde. Lieutenant Zás war darüber hinaus eine ausgesprochene Schönheit, vollständig schwarz mit grünen Augen und sie trug eine ausgesprochen schöne Halskette. Außer ihrer Bewaffnung war das alles, was sie trug. Rein technisch stellte sie sich damit sogar über die Generalin.

Die Ka'ossianerinnen schienen sich jedoch weniger daran zu stören, dass die Frauen sich so aufputzten, vielmehr hatte sie ein Problem mit den Männern. Doch dann wurde A´keburs Blick auf eine Vulkanierin gelenkt, die eines der Tabletts hereintrug. Es war Lieutenant T'Mara. A´kebur kannte wie von allen seinen Crewmitgliedern die Holobilder, sofern er sie nicht schon persönlich gesehen hatte. Kaval hatte gesagt, dass sie persönlich hier sein wollte, um Studien zu betreiben. Die junge Vulkanierin war atemberaubend schön mit ihrer kurvigen Figur, die in fast jedem Detail unter der durchsichtigen weißen Robe zu erkennen war, der olivdunklen Haut und den dunkelbraunen Haaren.

Obwohl es ein schlichter, kurzer Schnitt war, zierten es feine Goldfäden. Dies alles war an sich nichts Ungewöhnliches, doch anstatt der typischen kühlen Distanz, die jede Erotik sofort wieder abgetötet hätte, strahlte sie etwas Urtümliches, Warmes aus.

A´kebur hatte das Gefühl, einen Tritt in den Magen zu bekommen. Hitze stieg in ihm auf und er brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass es reines, sexuelles Verlangen war. Er räusperte sich kurz, um seiner eigenen Verblüffung Herr zu werden und widmete sich dann allen anderen Details des Essens, denn die Generalin sah mit Interesse auf die für sie exotischen Speisen. "Habt Ihr keinen Vorkoster?", fragte sie pikiert.

A´kebur lächelte bedauernd. "Die Sensoren und die Daten über Ihre Rasse sagen, dass diese Speisen für Sie nicht schädlich sind. Was wir jedoch nicht wissen, ist, ob es Ihnen auch schmeckt. Sie werden probieren müssen, um es herauszufinden. Aber vergiftet werden Sie nicht."

"So?" Die Generalin winkte einen ihrer Bodyguards und gab ihm ein Stück mit Früchten marinierte Gänseleber. Er probierte, flüsterte ihr etwas zu und verneigte sich. Sie nickte und probierte nun selbst; selbst über den Tisch hinweg konnte A´kebur sehen wie sie versuchte, ihr Entzücken über den Geschmack zu verbergen. "Annehmbar", kommentierte sie.

Eine gut sichtbare Untertreibung. Es gab einige, die ein Schmunzeln unterdrücken mussten. Niemand nahm der Generalin ihre Arroganz wirklich übel, denn da gab es etwas an ihr, was sie geradezu sympathisch machte.

Nur A´kebur blieb weiterhin vorsichtig, denn er wusste noch zu genau, wie sie zu ihrem Posten gekommen war. Die Generalin war niemand, der lange zögerte. Sie war auch nicht zu ihrer Position als rechte Hand der vorigen Generalin gekommen, weil sie nicht wusste, was es zu tun galt.

Da die Generalin jetzt aß, nahmen das auch alle anderen zum Anlass, um zu speisen. A´kebur blieb bei Obst. Nach dem Hitzeschock war ihm eher nach Kühlung denn nach pikant gewürztem Fleisch. Und es half auch nichts, dass Lieutenant T'Mara gerade bei ihm vorbeikam, um ihm eins der gefüllten Häppchen anzubieten. "Captain?", machte sie leise auf sich aufmerksam. Ihre Stimme war wie ihr Aussehen: Dunkel und warm, wie Schokolade.

"Lieutenant", antwortete A´kebur, während er gleichzeitig versuchte, die Luft anzuhalten, um die Kontrolle zu behalten. Er sah verkrampft auf die Platte und überlegte, ob er überhaupt so etwas haben wollte. Dann schüttelte er den Kopf. "Nicht für mich", murmelte er, während er von seinem Counselor einen merkwürdigen Blick erntete.

T'Mara nickte nur und ging weiter; A´kebur gelang es, ihr nicht hinterher zusehen. Am anderen Ende des Tisches hatten Spock und Commander Aera es inzwischen geschafft, die Generalin in eine Unterhaltung zu verwickeln. Ihre Offizierinnen hielten sich noch zurück, doch die eine schien Lieutenant Commander Yamilus Auführungen zu lauschen. Offenbar war die allererste Eisschicht gebrochen. Mr. Troi, der neben A`kebur saß, beugte sich leicht zu ihm. "Es scheint doch besser zu laufen als gedacht."

"Ganz ehrlich, ich habe es nicht gedacht, ich habe es nur gehofft. Diese Damen gleichen gefährlichen, hochexplosiven Stoffen. Und ich bin hier, um sie in der richtigen Laune zu halten." A´kebur verzog nicht das Gesicht. Er trank ein Schluck Wasser und hätte gern ein Ale gehabt. Aber das verbot sich von selbst.

"Nein, Sie sind da, um einzuschüchtern. Aber Sie sollten vorsichtig sein, es kann leicht zu weit gehen und dann haben wir eine wirkliche Explosion. Überlassen Sie den Rest lieber unserem honigzüngigen Botschafter."

"Ich hatte nicht mehr vor, mich einzumischen. Er macht seine Aufgabe perfekt. Was empfangen Sie?"

"Die Damen geben es nicht zu, aber ihnen gefällt, was sie sehen. Die Ka'ossianer sind ein sehr auf Ästhetik ausgerichtetes Volk, und ich denke, wir haben die richtige Auswahl getroffen", meinte Troi mit einem Lächeln, "und ihnen gefällt Ihr Aufzug."

"Also die richtige Mischung zwischen Angezogen und Ausgezogen. Mir behagt der Gedanke nicht sonderlich. Die Ka'ossianer sind ein merkwürdiges Volk … "

"Nicht merkwürdiger als wir in ihren Augen. Aber wir konnten sie beeindrucken und das ist ein Anfang. Es wird lange dauern, Captain, aber der erste Schritt ist getan."

A´kebur entspannte sich halb. Aber er blieb wachsam. "Das ist gut", erwiderte er leise und griff nach einem Apfel. Er halbierte ihn und aß ihn dann. Der Blick der Generalin ruhte für einen Moment auf ihn, aber dann widmete sie sich wieder Spock, der sie seidenweich umgarnte.

 

Als die Generalin mit ihren Offizierinnen gegangen war, konnte A´kebur hören, wie nicht wenige Wissenschaftler sich sofort über das eine oder andere Detail austauschten und erste Theorien bildeten, was besondere kulturelle Konzepte darstellten. Es wurde sogar der Vorschlag gemacht, dass man Wissenschaftler austauschen sollte, um sich besser kennen zu lernen. A´kebur notierte sich diese Idee, wusste aber schon jetzt, dass es dafür noch ein ganzes Stück zu früh war. Dafür waren die Ka'ossianer einfach zu paranoid.

Doch im Großen und Ganzen konnte man den Abend als Erfolg verbuchen. Spock teilte ihm dies ebenfalls mit. "Ich bin mir recht sicher, dass wir am Ende unserer Reise einen ausführlichen Dialog haben werden", erklärte er, "der Einfall mit dem Essen war eine gute Idee, Captain. Wenn ich damals an die Klingonen denke, war das hier weitaus einfacher."

"Nun, ich war damals nicht dabei, daher kann ich das nicht beurteilen", meinte A´kebur nicht ohne Ironie. "Wenn es uns gelingt, buchstäblich alle aneinander zu gewöhnen, sollte es einfacher werden. Wie ich eben gehört habe, ist die Wissenschaftsabteilung höchst entzückt und wird jedes noch so winzige Detail einer umfangreichen Untersuchung unterwerfen. Ich werde also spätestens morgen Mittag einen Bericht haben. Auch Ihre Einschätzung ist wertvoll. Für entsprechende Ausführungen sind sie sicher dankbar."

"Natürlich, Captain, Sie werden meinen vollständigen Bericht bekommen", versicherte Spock und verabschiedete sich dann für den Abend.

A´kebur wollte ebenfalls gerade in sein Quartier gehen als Lieutenant T'Mara auf ihn zu kam. "Captain, könnte ich Sie kurz sprechen?", fragte sie.

A´kebur spürte, wie er erneut auf eine irritierende Weise reagierte, wie er es schon seit langer Zeit gegenüber keinem Wesen getan hatte. Er versuchte sich zu kontrollieren, doch seine Ohrenspitzen wurden grün. "Lieutenant T'Mara", fragte. "Um was geht es?"

Die Vulkanierin faltete die Hände im Rücken. "Sir, ich werde Ihnen natürlich meinen Bericht morgen früh liefern, aber ich dachte, dass einige Informationen Sie sofort interessieren könnten. Meine Aufgabe als Expertin für die Bewahrerkultur war es, an diesem Abend weitere Anhaltspunkte für meine Theorien zu sammeln. Ein weiteres Bindeglied hat sich gefunden." In vollkommen unvulkanischer Geste nahm sie seine Hand, an der er Etiennes Ring trug und A´kebur spürte eine Wärme, die er bisher nur von Tiaren her kannte. Vulkanier berührten einander nicht. Dass diese Vulkanierin es tat, war befremdlich und zerrte an A´keburs Nervenkostüm.

"Offizierin Tomloth hat dieses Metall erkannt. Nach einiger Überredung erklärte sie Lieutenant Commander Yamilu, dass sie es als heiliges Metall verehren. Es ist offenbar sehr selten bei ihnen und wurde ihnen von den, wie sie sich ausdrückte, verbotenen Göttern geschenkt. Ich glaube, dass sie damit die Bewahrer meinten, denn bei diesem Metall handelt es sich um Zephyrium, ein Erz, das bisher nur in den Ruinen der Bewahrerstätten gefunden wurde."

A´kebur entzog T'Mara seine Hand und betrachtete den Ring. "Es würde zu Etienne passen, dass er mir einen Ring schenkte, der aus der Kultur der Bewahrer stammt." Er zog den Ring ab und gab ihn T'Mara. "Untersuchen Sie ihn. Vielleicht erfahren wir mehr."

"Danke, Sir. Sie bekommen ihn schnellstens zurück. Gute Nacht, Captain." Damit wandte T'Mara sich um und verließ den Raum.

A´kebur schnaufte und fühlte sich, als wäre er ins Wasser gestoßen und untergetaucht worden ist.

"Macht keinen Sinn", murmelte er. Warum sollte er auf eine Vulkanierin so reagieren? Es war schließlich nicht so, als wäre er wirklich ungebunden. Das hier jedoch ging soweit, dass er fast davor gewesen war, sie leise anzugrollen. Wenn sie in den klingonischen Gesten vertraut war, wäre das ein Fauxpas gewesen, den er sich als Captain von Starfleet ganz bestimmt nicht leisten konnte. Für einen Moment wankte er innerlich, dann jedoch bekam er so weit Kontrolle über sich, um ohne äußere Gefühlsregung in sein Quartier zu gehen.

 

Am nächsten Morgen war das Bankett Gesprächsstoff Nummer Eins auf der Enterprise. Diejenigen, die anwesend gewesen waren, mussten natürlich den anderen berichten, die wiederum die Geschehnisse weitererzählte, sodass die wildesten Gerüchte entstanden. Doch es war alles harmloser Klatsch, wie Troi versicherte.

Lieutenant T'Mara brachte A´kebur am Nachmittag den Ring zurück; er saß gerade im Bereitschaftsraum und studierte die Berichte. "Captain, ich habe das Metall analysiert, es ist zweifelsfrei Zephyrium", erklärte sie, "der Ring ist schätzungsweise 576.621 Millionen Jahre alt. Darf ich fragen, wo Sie ihn herhaben? Solch ein völlig unbeschädigtes Stück findet sich auf keiner Ausgrabungsliste."

A´kebur rieb sich die Schläfe. "Er ist ein Geburtstagsgeschenk gewesen", brummte er missmutig.

"Verzeihen Sie die Frage, Sir, es stand mir nicht zu." Sie legte den Ring auf den Tisch. "Ich habe bisher mit meinem Bericht gewartet, um diese Ergebnisse noch mit einzubringen. Ich hoffe, das ist in Ordnung, Sir."

A´kebur griff nach dem Ring und streifte ihn über. "Sie sind Expertin für Bewahrer. Ich weiß, dass das Standardwerk dafür von Etienne Duval stammt. Von ihm habe ich auch den Ring. Er wird ihn, nun, entwendet haben. Auf jeden Fall war der Erwerb nicht legal. Ich werde ihn abgeben, sobald wir zurück sind. Sollten Sie ihn eher brauchen, dann bekommen Sie ihn natürlich sofort."

T'Mara runzelte leicht die Stirn. "Mir war nicht klar, dass es sich bei Etienne Duval um Ihren ehemaligen Partner gehandelt hat. Seine Bücher sind die Grundlage, auf denen all meine Forschung aufbaut. Ich kann mir nicht vorstellen, Sir, dass er den Ring illegal entwendet hat. Er war Wissenschaftler!"

"Er war Pirat, Lieutenant, er war Pirat und Wissenschaftler. Kann sein, dass er nicht wusste, dass dieser Ring auch zur Bewahrerkultur gehörte. Möglich ist es. Vielleicht hat er ihn früh schon im Besitz gehabt. Vielleicht irgendwo erworben, wo nicht mehr klar war, woher er stammen könnte. Es spielt jedoch keine Rolle. Etienne ist tot. Ich kann ihn nicht mehr fragen."

Die Vulkanierin nahm Haltung an. "Ich wollte Sie nicht an schmerzliche Dinge erinnern, Sir. Sie bekommen meinen Bericht heute Abend." Damit wandte sie sich zum Gehen; es war deutlich, dass sie sich ins Fettnäpfchen getreten fühlte.

"Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich Sie brüskiert habe, Lieutenant, aber meine Disziplinen sind nicht vorhanden. Das ist keine Entschuldigung, nur eine Erklärung für meine Emotionen."

"Sir? Ich habe mich ungehörig verhalten und private Dinge angesprochen, die mir nicht zustanden, nicht Sie. Ich bitte um Entschuldigung", gab die junge Vulkanierin zurück. Sie sah etwas betreten aus. "Meine Logik ist nicht immer die Klarste und auch ich kämpfe noch viel zu sehr mit meinen Gefühlen. Ich verspreche Besserung, Sir."

A´kebur merkte, dass seine Ohrenspitzen wieder grün wurden. "Ich mache Ihnen keinen Vorwurf. Sie leisten hervorragende Arbeit. Ich denke, das wäre dann alles."

"Aye, Sir, danke." Doch T'Mara blieb stehen. "Wenn ich frei sprechen darf, Sir, Sie sehen etwas angegriffen aus. Vielleicht sollten Sie den Doktor aufsuchen."

A´kebur entglitten fast die Gesichtszüge. Doch dann nickte er. "Danke für die Aufmerksamkeit. Sie können jetzt gehen!"

Endlich erlöste T'Mara ihn und verließ den Bereitschaftsraum.

Sicher, sie war jung und sie hatte noch nie viel Zeit unter anderen Völkern verbracht, aber so naiv konnte man doch kaum sein. Aber was wusste er schon von jungen Vulkaniern?

Eigentlich gar nichts, wenn er es genau betrachtete. Nur, dass er so langsam begriff, warum seine Tochter sehr viel schneller so etwas wie Weisheit erlangt hatte als er. Aber er brauchte wirklich jemanden, den er fragen musste. Doch es widerstrebte ihm. Eher musste es ihm gelingen, wieder Abstand zu gewinnen.

T'Mara war nach ihrer Vita dreißig Jahre alt. Sie war auf einer Forschungsstation auf einem Planeten geboren worden. Ihre Eltern waren Wissenschaftler. Erst, als ihre Tochter in das bindungsfähige Alter kam, kehrten sie nach Vulkan zurück. Da war T'Mara zwölf Jahre alt. Niemand, der sich mit diesen Details vulkanischer Kultur nicht auskannte, wusste, dass dieses Alter der Grund war, warum die Eltern damals ihre Stellung aufkündigten.

Dennoch, die fehlenden zwölf Jahre machten sich offenbar in ihrer Ausstrahlung und in ihrer Unsicherheit bezüglich der Disziplinen bemerkbar. Sie hatte zwar das logische Rüstzeug, aber nicht die vom ersten Atemzug kontrollierte Erziehung. Wenn ihre Eltern so waren wie alle Wissenschaftler, waren die ersten Lebensjahre eher wild.

A´kebur ahnte, was das für sie bedeutete. Ihn brachte das jetzt im Moment in Schwierigkeiten, denn so wie es aussah, würde er eng mit T'Mara zusammenarbeiten müssen. Ohne die nötige Disziplin zwischen ihnen und bei ihnen beiden würde das auf Dauer kaum erträglich werden, denn auch wenn die junge Vulkanierin es sicher nicht darauf anlegte, so fehlte ihr jegliche unterkühlte Ausstrahlung, die einen über ihr Aussehen hinwegblicken ließen und er selbst sprach aufgrund seiner eigenen Defizite nur zu bereitwillig darauf an.

A´kebur vermutete, dass sich auch in ihren Stationen die Männer ständig nach ihr umdrehten. Eine Vulkanierin mit Sex-Appeal, wo gab es das schon? Ob sie sich dessen bewusst war?

A´kebur glaubte es nicht.

Etienne hatte es ihm einmal vorgeworfen, nicht im Geringsten auch nur zu ahnen, was er mit den empfänglichen Wesen in seiner Umgebung anstellte. Er hatte es immer für übertrieben gehalten. Jetzt spürte er es am eigenen Leib und er war verzweifelt.

Sie war jung und sie war gebunden. Wie üblich wies ihre Akte ihren Partner nicht auf, weil sie wahrscheinlich noch keine feste Bindung eingegangen war. Später, wenn sie es wünschte, würde man ihren Mann als Partner einfügen. Aber selbst wenn nicht, so war das nicht ungewöhnlich. Vulkanier legten viel Wert auf ihre Privatsphäre.

A´kebur wusste, dass er diese Konfusion seiner Gefühle nicht gebrauchen konnte. Besser war, er mied Zusammenkünfte mit ihr allein.

Doch er wusste auch, was meist aus solchen guten Vorsätzen wurde. Würden sie in Zukunft eine Anstandsdame brauchen?

Troi würde sich bestimmt bereiterklären. Nein, bei der zweiten Überlegung entschied A´kebur, dass der Counselor, wenn er davon wüsste, jede Gelegenheit nutzen würde, sie beide zusammenzubringen. Manchmal war die Crew eines Schiffes schlimmer als ein Haufen neugieriger Nachbarn, die nichts Besseres zu tun hatten, als sich um die Angelegenheiten anderer zu kümmern, hatte Etienne einmal gesagt. A´kebur wusste jetzt, wie recht er gehabt hatte.

 

Tiaren las die Nachricht nun schon zum dritten Mal, aber er konnte es immer noch nicht so recht fassen. Wenn er es wirklich richtig verstand, dann lud ihn A´keburs Mutter ein, sie im Klostergarten zum Tee zu treffen. Es war wirklich bizarr.

Doch Tiaren hatte einen freien Nachmittag und bereits alle anfallenden Freistudien für diese Woche erledigt, also beschloss er, dass es nicht schaden könne, sich wenigstens weiterhin mit dem einzigen Vulkanier gut zu stellen, der ihn tatsächlich hier zu akzeptieren schien. Es war Sommer auf Vulkan und die Temperaturen waren alles andere als angenehm für jemanden, der nicht hier aufgewachsen war, doch wie alle Romulaner machte es Tiaren rein physisch nichts aus, es war nur eine Gewohnheit. Trotzdem beschloss er sich zu einer Abwechslung zu seinen üblichen schwarzen Sachen und wählte ein vulkanisches Gewand in Beige.

Die Farbe machte einen Aufenthalt im Freien, so kurz er auch war, sehr viel einfacher. Tiaren zog seine Kapuze über den Kopf und ging zum Kloster. Der Weg war zwar nicht gerade kurz, aber er half, die Gedanken zu klären. Zudem, er würde gerade pünktlich ankommen, auch wenn T'Lera keine exakte Uhrzeit genannt hatte. Er war bisher in dem Tempel und dem Kloster gewesen, als es um A´kebur ging. Hier war ihre Bindung geprüft und dann auch abgesegnet worden. Es war merkwürdig, hier ohne wirklichen Grund hinzugehen.

"Tiaren", hörte er seinen Namen und sah T'Lera, die ihn wirklich erwartet haben musste.

A´keburs Mutter trug ein weißes Gewand mit Schleier und hatte ein Tablett in der Hand. Sie winkte Tiaren, ihr zu folgen und sie setzten sich auf eine Bank im Schatten eines Steingartens.

"Danke für die Einladung", erklärte Tiaren, "aber ich muss zugeben, ich war überrascht."

T'Lera sah auf. Es war kein Lächeln, eher ein sanfter Blick. "Das kann ich mir vorstellen. Sie haben das, was die Menschen ein schlechtes Gewissen nennen. Und Sie haben allen Grund dazu. Doch, da A´kebur Sie anerkannt hat, ist es unlogisch, Ihre Existenz zu leugnen oder Sie leiden zu lassen."

"Ein schlechtes Gewissen? Nein, ich denke nicht. Das ist ein menschliches Gefühl, dass ich auch nicht wirklich verstehe. Was nützt es, Dinge zu bereuen, wenn sie doch geschehen sind? Aber ich bin verwirrt, das gestehe ich. A´kebur hätte das Band trennen lassen können und er hätte allen Grund gehabt, doch er tat es nicht. Aber seitdem hält er sich fern." Tiaren probierte vorsichtig den Tee. Er war aus einer Art Kaktusblüte hergestellt und im Allgemeinen sehr bitter, doch der war köstlich.

T'Lera trank auch einen Schluck und schien ihre nächsten Worte dabei zu überlegen. "Nun, ich werde nicht in Sie dringen, was Ihre Motive und deren Auswirkung anbelangt. Aber ich habe schon vermutet, dass Sie nicht ganz die Natur der Bindung zu meinem Sohn verstehen würden. Er konnte keine Trennung mehr durchführen lassen. Es hätte ihn seinen Verstand, seine Gesundheit und vielleicht sogar sein Leben kosten können. Die Wunden, die durch den Tod seines Gefährten entstanden sind, waren noch nicht verheilt, als Sie die Bindung zu ihm erzwangen."

"Ich weiß. Aber es hätte dennoch einen Weg gegeben. Davon abgesehen, ist diese Art der Seelenbindung wirklich etwas, das sich so leicht knüpfen lässt zwischen zwei beliebigen Personen? Worin liegt der Sinn, wenn sie einfach so aus Zufall entsteht oder sich erzwingen lässt, wenn es doch um die Harmonie zwischen zwei Seelen gehen soll?" Das war etwas, das Tiaren sich gefragt hatte, seit er von der vulkanischen Seelenbindung gehört hatte. Man konnte doch nicht von vorherbestimmten Partnern und ähnlichem reden, wenn praktisch jeder mit jedem verbunden sein konnte.

T'Lera stellte ihre Tasse weg und lehnte sich ein Stück zurück. "Die Bindung, die ein Mann eingehen muss, um seine Zeit zu überleben, wird sehr früh geknüpft. Die Eltern suchen die jeweiligen Paare aus. Dabei wird der Status wie auch die Reife berücksichtigt. Aber vor alle dem wird durch eine Priesterin geprüft, ob eine Bindung überhaupt möglich ist. So einfach ist das nämlich nicht", erklärte sie. "Eine Seelenbindung ist eine Ebene tiefer. Die Verknüpfung erfolgt meist ohne äußeres Zutun. Während bei einer Wahl durch Dritte dem Paar assistiert werden muss, um keinem Schmerzen zu verursachen, können sich zwei entsprechende Wesen auf eine Weise binden, zu der kein Priester Zugang hat. Die Verbindung von Etienne und A´kebur wurde damals nur bestätigt." T'Lera machte eine Pause und sah ihn intensiv an. "Dann gibt es noch eine dritte Variante. Begehren, Willen und Wollen. Eine telepathische Vergewaltigung mit der Absicht, eine Bindung herbeizuführen. Auch auf Vulkan ist diese Variante bekannt und sie gilt als Verbrechen besonderer Schwere. Der Grund ist, weil es möglich ist. In der Vergangenheit geschah das meist in folgender Weise: Ein potentiell geeigneter Partner wurde abgelehnt. Er erzwingt jedoch die Bindung und geht dabei allein mit seinem Willen vor. Die Stärke und Schwäche vulkanischer Männer ist, dass sie ohne Bindung nicht leben können. Der Teil, der die Bindung wünscht, wird also gegen den Mann arbeiten und den Invasor akzeptieren."

"Damit hat das System immer noch eine Schwäche", stellte Tiaren fest. "Mir wurde damals nur gesagt, dass eine telepathische, eine geistige Verbindung möglich ist, die auch ohne den Willen des anderen geknüpft werden kann. Von flüchtigen Dingen wie Seelen war nie die Rede." Tiaren zuckte auf geradezu menschliche Weise mit den Schultern. "Und jetzt bin ich hier, mit einem Teil von Etienne in meinem Kopf. Vermutlich war das der einzige Grund für A´kebur, das Ganze irgendwie zu akzeptieren."

"Zum Teil. Zum anderen, weil Sie seine Verletzungen tragen, und weil er sich irgendwann für Sie verantwortlich fühlte. Er hat Ihnen weh getan. Für ihn ist das Zusammensein mit einem Partner nicht so. Seine Erfahrungen der letzten Jahre waren, nun, lustvoll und freudig." T'Lera nahm wieder ihre Tasse und trank.

Tiaren verzog den Mund. "Ich kann da leider nicht ganz folgen. Alles, was ich weiß ist, dass mein Leben, meine Prinzipien, alles woran ich glaubte und wusste, mit einem Schlag nichts mehr bedeutete. Sie wissen sicher, dass niemand Romulaner gefangen nimmt. Wir begehen Selbstmord, ehe wir uns ergeben. Ich hatte eine eindeutige Pflicht, doch ich wollte weiterleben. Nicht für mich, sondern für ihn. Und es machte Sinn. Das tut es immer noch. Doch sobald ich aufhöre, an A´kebur zu denken, komme ich wieder auf die Frage zurück, was ich eigentlich hier tue. Wer ich überhaupt bin. Ich weiß es nicht mehr." Er nahm noch einen Schluck Tee und lächelte etwas schief. "Und ich rede wie ein Wasserfall. Das wäre mir früher niemals eingefallen."

Für die Feststellung bekam er einen eindeutig amüsierten Blick. Auch ein wenig nachsichtig.

"Nun", sagte T'Lera, "Das hat nur bedingt etwas mit A´kebur zu tun. Sie tragen den Seelenteil von Etienne in sich. Dieser hat sich vollkommen mit Ihrem Wesen, Ihrer Seele und allem, was Sie sind, verbunden. Es geht nicht um Wissen, es geht um die Essenz. Ich hatte den Eindruck einer vollständigen Seele, aber ich hatte auch den Eindruck, dass das nicht immer so gewesen ist. Der Teil, der das Leben liebt und nicht nur die Pflicht kennt, der als den wichtigsten Lebensteil den Partner und die Liebe zu ihm kennt, der ist der, den Sie geerbt haben. Sie sollten diesen Teil als ein Geschenk annehmen. Er hat Ihnen etwas gegeben, was Sie vollständig macht."

"Das ist es ja eben: Ich fühle mich auch vollständig", gab Tiaren zurück, "und wenn ich zurückdenke, weiß ich nicht, wie ich überhaupt habe leben können. Doch es ist ein wenig beängstigend, dass ich nicht mehr weiß, was ursprünglich zu mir gehörte und was nicht. So oder so ist wohl eine neue Person entstanden. Nicht, was Toran, mein Vater, beabsichtigt hatte. Er wollte nur eine billige Kopie, die seine Befehle ausführt. Doch ich werde wohl noch eine ganze Weile gegen diesen Eindruck anarbeiten müssen. Sie kennen sicher Admiral Cindy Duval, oder?"

T'Lera nickte. "Sie ist eine beeindruckende Persönlichkeit und sie ist die Tochter meines Sohnes. Meine Enkelin und ich sehe sie auch so."

"Als ich sie das erste Mal sah, war da das Bild eines kleinen Mädchens mit Zöpfen und das Gefühl unendlicher Wärme und Liebe. Ich wusste überhaupt nicht, was ich tun sollte. Ich kann Kinder nicht einmal leiden! Und sie ist Admiralin von Starfleet und ein paar Jahre älter als ich! Aber ein Teil von mir will um jeden Preis, dass sie zumindest mit mir redet. Doch ich kann verstehen, dass sie nichts mit mir zu tun haben will. Für sie bin ich wohl so etwas wie ein böser Geist."

T'Lera berührte kurz seine Hände und wich dann wieder zurück. "Niemand hat gesagt, dass Sie keinen Preis für das Leben zahlen müssen, dass Sie jetzt führen. Es ist Ihre zweite Chance. Sie haben gewählt in dem Moment, als Sie die Seele meines Sohnes berührt haben. Er hat Sie anerkannt. Hier in diesen Mauern. Jetzt liegt es an Ihnen herauszufinden, wer Sie sind. Dafür sind Sie hier. Dafür und dass Sie lernen. Lernen Sie, eine vollständige Seele zu sein. Ihr Vater hat Ihnen etwas vorenthalten, was Ihr Recht war. Die Formung eines jungen Telepathen auf diese Weise hat Sie tief verletzt. Nicht nur mein Sohn trägt Narben und Wunden, Tiaren."

Der junge Romulaner sah sie an. "Ich versuche, Ihren Rat zu beherzigen. Es ist nur, dass ich, wie sagen die Menschen, zwischen alle Stühle falle. Ich bin kein richtiger Romulaner mehr. Ein Vulkanier werde ich nie sein. Und die Föderation wird noch sehr, sehr lange brauchen, bis sie Romulanern gegenüber nicht mehr misstrauisch ist. Und ich will auch nicht ewig an der Akademie bleiben. Ein paar Jahre sicher und dann?"

T'Lera faltete ihre Hände. Sie sah zum Zuk-Baum, dessen Stacheln im Licht der Sonne funkelten. "Diese Antwort", sagte sie nach einer Weile, "kann man sich nur selbst geben. Man kann diese Frage stellen, doch niemand vermag darauf eine Antwort geben, weil niemand so gut wie man selbst weiß, was man will. Wenn Sie für sich keine Perspektive sehen, dann sollten Sie erst einmal die Akademie absolvieren. Wenn das Romulanische Reich Ihnen nichts bringt, warum sollten Sie es überhaupt in Ihre Überlegungen einbeziehen? Die Antwort jedoch auf alle Ihre Fragen werden Sie nicht auf Vulkan finden."

"Nein, das weiß ich, und schiebe ich diese Überlegungen nicht von mir." Tiaren atmete tief durch. "Ich sollte aber Sie nicht mit meinen Problemen belästigen. Es ist nur, ich habe sonst niemandem zum Reden, und Etienne Duval war jemand, der offenbar sehr, sehr viel geredet hat."

T'Lera sah ihn an und neigte ihr Haupt. "Nein, eigentlich nicht. Ich denke, dass Bedürfnis zu reden, liegt in Ihnen. Aber ich werde Ihnen etwas raten, was ich meinem Sohn damals riet und was ihm auch Lial, meine Großmutter ihm riet. Meditiere. Meditiere hier, in einem anderen Garten, draußen in der Wüste. Kämpfe gegen deinen Feind in dir. Finde den Mittelpunkt deiner selbst. Und erst dann gehe wieder vorwärts, wenn du mit beiden Füßen im Wüstensand steckst."

"Ich werde es versuchen. Meditiert habe ich früher nie, weil ich es für Zeitverschwendung hielt, aber ich werde das nachholen", versprach Tiaren und trank seinen Tee aus. Dann musterte er T'Lera. "Aber nun sind Sie an der Reihe. War es das, was Sie von mir wissen wollten oder warum haben Sie mich heute eingeladen?"

T'Lera erhob sich. "Er ist mein Sohn und Sie werden ihn einen langen Weg in seinem Leben begleiten. Niemand behauptet, dass Vulkanier immer logisch sind. Aber es ist unlogisch, Sie zu verurteilen, wenn der, der heute vor mir steht, nicht mit dem identisch ist, der damals meinen Sohn verletzte. Ich bin hier, um diesen Mann kennenzulernen."

Tiaren lächelte. "Ich danke Ihnen für diese Ehrlichkeit. Aber ich fürchte fast, Sie stehen mit dieser Meinung alleine da."

"Um einmal mehr eine Anleihe bei den Menschen zu nehmen: Na und?", sagte sie und in ihren Augen lag eindeutig ein amüsierter Glanz. "Sie sind willkommen in diesem Garten. So oft Sie mögen, kommen Sie hierher." Sie neigte ein wenig ihr Haupt und ging.

Tiaren sah ihr dankbar nach. Unter all diesen arroganten Vulkaniern war sie ihm als Einzige wirklich sympathisch in ihrer Offenheit. Darin war sie ihrem Sohn sehr ähnlich. Nun, und wenn Meditieren wirklich helfen sollte, dann würde er es versuchen. Man hatte es ihm auch schon in der Akademie geraten, aber dort war er einfach nicht zur Ruhe gekommen.

Doch jetzt...

Tiaren setzte sich, zog die Beine an und atmete tief durch, während er den Sand um die Zuk-Bäume beobachtete. Der leichte Wind zeichnete seltsame Muster hinein und verwischte sie wieder.

In einem Moment kurzer Verwunderung merkte er, dass es ihm einfacher fiel, dann war auch dieser Moment verschwunden und so saß er nur still da, war einfach, atmete einfach und sah und hörte nicht mehr wirklich etwas, ohne dass ihm auch nur eine Kleinigkeit entging. Er blieb, bis die Nacht hereinbrach und die Kühle ihm zeigte, dass einige Stunden vergangen waren. Als er sich erhob, spürte er am Rande wieder die Verwunderung, warum es ihm gelungen war. Aber sie blieb da und die Ruhe war bei ihm.

Doch da Tiaren von je her pragmatisch veranlagt war, und das sich zumindest nicht geändert hatte, nahm er es einfach dankbar hin. Noch hatte er an der Akademie zu tun, und wenn er bereit war, sie zu verlassen, würde er ganz sicher den richtigen Platz für sich finden. Und wenn A´kebur es zuließ, dann in dessen Nähe.

 

Kain schob die Kapuze in den Nacken und sah in den fremden Himmel Vulkans. Die Sterne waren klar und scharf vor dem Schwarz des Alls. Das hier war der Planet seiner Vorväter. Das war der Planet, den sie als Verräter gebrandmarkt verließen, weil sie nicht wie die fanatischen Anhänger Suraks leben wollten.

Die Luft der Wüste strich heiß über sein Gesicht. Dieser Planet war wohl der Grund, warum die Hitze des Bluts keine Akzeptanz fand. Bei solchen Temperaturen war es wohl eine Form der biologischen und kulturellen Anpassung, ein kühles Denken an den Tag zu legen.

Kain verzog den Mund.

Das Verleugnen von Gefühlen kam für ihn nicht in Frage. Aber er bewunderte seine Vorfahren, dass sie hier hatten überleben können. Es war eine Frage des Stolzes. Kraft, Ausdauer, Zähigkeit, Auslese hatte auch das romulanische Volk geformt.

Die Wurzeln für das, was die Romulaner waren, lagen hier, wo ein Kind in archaischer Zeit den Winden überlassen wurde, wenn es nicht den hohen Ansprüchen genügte, die eine feindliche Umwelt an es stellte. Aber es wurde auch sich selbst überlassen, wenn die Fähigkeiten, die es haben sollte, nicht vorhanden waren. Man hatte lange vor der Zeit Suraks genetische Auslese betrieben, um Telepathie, Telekinese und viele Nuancen dieser Fähigkeiten tief in die genetische Struktur der Vulkanier zu prägen. Dazu gehörte auch die Fähigkeit, mit einem Schluck Wasser pro Tag die Wüste zu durchqueren, in die Sonne sehen zu können und vieles mehr. Kain hatte nicht geglaubt, diese Welt je in seinem Leben zu betreten und doch stand er hier und er fühlte Genugtuung!

Denn er war aus freien Stücken hier, nicht als Gefangener, nicht unter Zwang, auch nicht heimlich oder aus Zufall. Er war hier, weil er hier sein durfte, als offizieller Repräsentant der romulanischen Kolonie auf Centrima VII. Seit die Gespräche zwischen dem Imperium und der Föderation liefen, hatten die Vulkanier ein Austauschangebot gemacht, um ihre beiden Kulturen wieder einander näher zu bringen. Bisher hatte sich so gut wie niemand von beiden Seiten wirklich getraut. Doch Kain plagten keine Bedenken. Er wusste, dass die Vulkanier Wort halten würden.

Sie waren so berechenbar, dass es ihm fast weh getan hätte. Aber nur fast.

Vulkan würde sich beugen und sie würden es als logische Folge auslegen. Sie würden sich in die Reihe der Schafe einreihen, die die Völker der Föderation ausmachten und einmal mehr ihren Stolz und ihre Kraft leugnen. Vulkanier waren erbärmlich. Nicht, weil sie stärker waren als jeder andere, sondern weil sie die Stärke nicht nutzten, um sich zur führenden Kraft innerhalb der Föderation aufzuschwingen. Niemals nutzten sie ihre natürliche Überlegenheit aus.

Kain schlenderte in die Stadt, die so ruhig war wie eine Totenstadt. Er hatte kein Nachtleben auf Vulkan erwartet. Nicht einmal in der Hauptstadt. Aber das hier war lächerlich.

Wie konnte man das überhaupt als Leben bezeichnen, so in Leere dahin zu existieren? Kain konnte es nach fast 150 Jahren nicht verstehen und würde es in den nächsten 200 ganz sicher auch nicht. Doch er war hier, um genau das zu tun. Gut finden musste er es deswegen ja nicht. Kain warf einen Blick auf seine Begleiter; seit er Vulkan getreten hatte, hatte man ihm zwei Vulkanier zur Seite gestellt als "Führer". Doch es war klar, dass er bewacht wurde.

Auf Romulus würde ein Vulkanier vermutlich nur mit einer Eskorte von zehn Wachen frei herumlaufen dürfen.

Frei war dabei natürlich geprahlt und eher eine euphimistische Umschreibung. Seine vulkanische Begleitung führte ihn direkt zur Akademie. Dass sie überhaupt hier auf der Straße entlangliefen, war der Tatsache zu verdanken, dass Kain darauf bestanden hatte und auf ein Fahrzeug verzichtete.

Die Reaktion war kalt und bestand nicht mal in dieser entnervenden Angewohnheit, die Augenbraue über irgendwelche Außenweltlerambitionen zu verziehen. Sie zeigten ihm einfach den Weg. Wie die meisten Außenweltler, die keine Unterkunft hatten in einer Familie, war die Akademie auch für deren Unterbringung zuständig. Kain sollte hier bleiben, einige Zeit hier leben und die Kultur der Vulkanier studieren. Dafür war natürlich dieser Ort am Besten geeignet. Er bezweifelte nur, dass er das wirklich würde machen können.

Denn wie viel Einblick würde man ihm schon gewähren? Noch war es zu riskant. Doch fürs Erste war er halbwegs komfortabel untergebracht. Es war für ihn sowieso ungewöhnlich, ganz allein zu reisen; normalerweise begleiteten ihn sein Sekretär und seine Wachen überall hin und zu repräsentativen Anlässen dann auch seine Frau. Valin war von seinen Reiseplänen sowieso nicht begeistert gewesen; ihr Hobby war es, sich regelmäßig zu beklagen. Wenigstens das blieb ihm bei dieser Mission erspart.

Seine Kinder brauchten ihn sowieso nicht. Sie bauten fleißig an eigenen Karrieren. Kaum hatten die zwei stummen Begleiter ihn zu seiner Unterkunft begleitet, gingen sie auch wieder. Kein Gruß, kein Wort. Vulkanier hatten keine Manieren. Dafür war seine Unterkunft eine Überraschung. Gemessen an dem Standard, den er erwartet hatte, bestand sein Lebensbereich für die nächsten Monate aus einer Suite mit drei Zimmern. Ein Wohn- und Arbeitsbereich, einen Hygienebereich und einen Schlafbereich.

Die Größe war nicht üppig, aber deutlich komfortabler als eine Gefängniszelle. Die Ausstattung schlicht, solide und ganz sicher teuer. Holz musste auf einer Welt wie dieser ein Vermögen kosten. Insgesamt dominierte Zurückhaltung in Farben und Formen.

So schlicht das Wesen der Vulkanier, so schlicht ihr Einrichtungsgeschmack.

Aber Kain gefiel es.

Er räumte seine Sachen in den Schrank. Er hatte nie etwas davon gehalten, sich die kleinsten Handgriffe abnehmen zu lassen wie einige seiner Kollegen auf Centrima. Als er fertig war, machte er sich auf den Weg, die Akademie zu erkunden. Hier in diesem Bereich war ein buntes Gemisch an Völkern unterwegs und kein Vulkanier mehr zu sehen; dafür erntete Kain in seiner typisch romulanischen Aufmachung und den ausgeprägten Stirnknochen, die jede Verwechslung mit einem Vulkanier ausschlossen, den einen oder anderen neugierigen und auch misstrauischen Blick. Doch Kain ignorierte es; er hatte Besseres zu tun, als sich daran zu stören.

Am Eingangsbereich zu den Gärten fiel sein Blick auf einen jungen Mann, der ihm irgendwie bekannt vorkam. Er schien Vulkanier zu sein auf den ersten Blick, doch seine etwas zu langen, zerzaust wirkenden Haare und die eindeutig militärische Art seiner Haltung passten nicht dazu. Als er die Augen sah, wusste er, wen er vor sich hatte. Erst recht, als sie sich in einem Erkennen deutlich weiteten.

 

Tiaren hatte zuerst nicht glauben wollen, als er den Romulaner sah, doch es war kein Zweifel möglich. Zuletzt hatte er Kain vor fast zwanzig Jahren gesehen, doch dieser hatte sich kein Stück verändert. Er trat auf ihn zu. "Kain? Was machst du denn hier?"

"Diese Frage könnte ich dir auch stellen. Aber da ich die Antwort habe, ist es wiederum überflüssig. Du verkriechst dich hier, weil du wie ein erbärmlicher, feiger Vulkanier aussiehst. Aber du siehst noch nicht einmal so aus."

Tiaren verschränkte die Arme. "Ich verkrieche mich hier nicht, es war meine Entscheidung. Und falls du die ganze Geschichte von Mutter gehört hast, brauche ich ja nichts mehr erklären, weil du mir sowieso nicht glauben würdest, behauptete ich etwas anderes. Also ist doch viel interessanter, was du hier tust, großer Bruder."

Kain schnaufte abfällig. "Ich bin hier, um die überaus vorzüglich fortschreitende Annäherung des Romulanischen Reiches und der Föderation um weitere Nuancen zu bereichern. Die Bekanntschaft mit den Wurzeln der Romulaner. Ich habe auf meinen Adjutanten verzichtet. Er soll auf der Erde bleiben. Es genügt, wenn ich mich hier allein umschaue."

"Aha." Tiaren war nicht überzeugt.

Er hatte Kain, den Sohn seiner Mutter aus erster Ehe, nur ein paar Mal getroffen, seit dieser sich mit seinem Stiefvater Toran überworfen hatte, und kannte ihn nicht wirklich gut. Aber ein Romulaner ohne Hintergedanken war wie ein Sehlat ohne Zähne: Schlicht unvorstellbar. "Dann hoffe ich, dass du deinen Aufenthalt hier genießt und mit lehrreichen Erkenntnissen wieder heimfährst."

Kain seufzte. "Du bist noch immer wie ein trotziges Kind. Mutter hätte dich nicht Toran geben sollen. Er hat dafür gesorgt, dass du auf dieser Stufe bleibst. Vielleicht lehrt dich ja Vulkan Reife."

"Oh, Vulkan ist in der Hinsicht sehr vielseitig, mach dir keine Sorgen um mich", gab Tiaren spitz zurück, doch dann überlegte er. Herumstreiten brachte nichts und er wollte wissen, was Kain hier wirklich wollte. "Kann ich dich auf ein Ale einladen?"

"Ale? Hier?" Kain sah sich um. "Dann jedoch nur von den Außenweltlern. Offenbar kontrollieren die kaltblütigen Vulkanier nicht alles."

"Stimmt. Es gibt hier eine kleine Bar mit Gerichten und Getränken von allen möglichen Welten, damit sich hier jeder wie Zuhause fühlen kann. Und Ale gibt es hier zufällig auch." Tiaren schmunzelte. "Ich glaube, wir haben noch nie etwas zusammen getrunken und ich hatte auch nicht mehr damit gerechnet."

"Kleiner Bruder, ich auch nicht. Vater hatte etwas dagegen und du hast ihm nur zu gern nach dem Mund gesprochen."

Dem konnte Tiaren nicht widersprechen. "Sagen wir, ich habe überhaupt nichts zu dem Thema gesagt. Aber Toran kann mir inzwischen mehr als nur gleichgültig sein, glaub mir." Er führte Kain durch den Gartenbereich bis hin zu einem weiteren Gebäude, in dem sich die Bar befand. Es war eher eine schlichte Cafeteria, die ein gutgelaunter Denobulaner betrieb. Er begrüßte Tiaren und brachte dann unaufgefordert zwei romulanische Ale.

"Du bist offenbar hier öfters Gast", meinte Kain und nahm einen großen Schluck.

"Bin ich. Brax, der Betreiber, ist einer der wenigen Barbesitzer, die keine Fragen stellen." Tiaren nahm ebenfalls einen Schluck; das Bier war herrlich gekühlt. "Und, wie geht es deiner Familie und deiner Karriere?"

"Nette Unterhaltung über Belanglosigkeiten? Small Talk? Seit wann, kleiner Bruder, bist du unter die Menschen gegangen? Meiner Familie geht es bestens, Valin ist froh, mich nicht zu sehen, deine Neffen sind Offiziere und werden demnächst befördert. Es ist alles bestens. Und, wie geht es deiner Familie?"

"Welche meinst du? Du redest hier mit einem offiziell Abtrünnigen des Reiches, Kain", erwiderte Tiaren mit einem spöttischen Unterton.

Kain lachte hart. "Oh, nein, wenn du das wärst, wäre ich tot!"

"Oh? Mir wurde etwas anderes gesagt oder dass ich zumindest für tot erklärt würde. Interessant." Tiaren war sich dessen vollkommen sicher gewesen. Nicht nur seine Mutter, sondern vor allem sein Vater hätte auf keinen Fall diese Schande hingenommen.

"Tot erklärt?" Kain sah ihn selbstgefällig an. "Nein, hat man nicht. Es ist erwogen worden. Aber in Anbetracht der neuen Beziehungen zur Föderation und weil man die ganze Angelegenheit unter den Teppich kehren will, ignoriert man dich einfach. Tot nicht, aber es wäre gut, wenn du die nächste Zeit nicht im Romulanischen Reich auftauchst. Man wüsste nicht, was man mit dir tun soll. Sich an dir die Finger schmutzig zu machen, würde einige sehr unschöne Dinge aufdecken und daran ist niemandem gelegen."

"Das hatte ich auch nicht vor", beruhigte Tiaren ihn, "ich werde wohl noch eine ganze Weile hierbleiben."

"Mir ist es egal. Ich bin schon froh, dass du nicht mehr Vater dienst. Ich weiß nicht, warum das Reich ihn noch immer duldet." Kain betonte "Vater" abfällig und Tiaren hätte sich nicht gewundert, wenn Geifer dessen Mundwinkel herabgetropft wäre. An sich war es sowieso ein Wunder, dass er ihn als Vater bezeichnete, wenn Toran abwesend war. Aber niemand konnte so abfällig über Toran sprechen, wie Kain, wenn er Vater sagte.

"Weil er Geld und Beziehungen hat und einige hochrangige Offiziere und TalShiar-Mitglieder in seiner Schuld stehen", gab Tiaren zurück. "Aber er wird nicht ewig leben, das garantiere ich."

Kain sah ihn misstrauisch von der Seite aus an. "Was ist in dich gefahren? Seit wann wendest du dich gegen deinen Gott?"

Tiaren lächelte freudlos. "Seit ich weiß, dass er keiner ist. Ist das so verwunderlich, dass ich tatsächlich angefangen habe, für mich selber zu denken?"

"Ja, ist es." Kain grinste. "Es ist merkwürdig. Sehr merkwürdig. Haben die Föderationsfuzzies dein Gehirn gewaschen oder haben sie dir welches dazugegeben?"

"Du hast gar nicht so unrecht, es ist was dazugekommen. Und die zugeknöpften Herrschaften der Föderation hatten nichts damit zu tun und es war auch keine Absicht. Trotzdem kann ich behaupten, es war das Beste, was mir passieren konnte." Tiaren trank sein Ale aus.

"Verrätst du mir, was mit dir passiert ist?", fragte Kain ungewohnt höflich.

Tiaren beugte sich vor und grinste. "Ich trage die Seele eines toten menschlichen Piraten und bin praktisch verheiratet mit einem Captain von Starfleet, der halb Klingone und halb Vulkanier ist."

Kains Gesicht wurde ausdruckslos. Dann stieß er Tiaren leicht zurück und schüttelte den Kopf. "Früher hast du mehr Ale vertragen. Häng nicht zuviel mit den Vulkaniern rum. Du wirst sonst weich." Er lachte und klopfte ihm auf die Schulter.

"Mache ich." Tiaren wusste nicht, ob sein Bruder das Ganze als vollkommen dreiste Lüge akzeptierte oder es vielleicht doch glaubte, was auch immer, im Augenblick war das egal. Tiaren hatte nichts zu verbergen. "Und wie lange hast du vor hierzubleiben?"

"So lange, wie es nötig ist. Ich bin hier, um die Beziehung, die sich knospend zwischen dem Reich und der Föderation zeigen, ein wenig mehr Nahrung zu geben. Ich studiere die Wurzeln. Woher wir gekommen sind und den ganzen folkloristischen Klatsch und Tratsch der Geschichte."

"Ich würde ja sagen, das ist gar nicht deine Art, aber dafür weiß ich zu wenig von dir, Kain. Ich hoffe, du bekommst den richtigen Eindruck von den Dingen hier: Die Vulkanier sind bis auf wenige Ausnahmen ziemliche Langweiler."

Kain nahm einen tiefen Schluck aus seinem Glas und sah in dann in den bescheidenen Raum, der hier die Funktion einer Bar inne hatte. "Dass es hier nicht wirklich Leben gibt, dass habe ich schon mitbekommen. Steife Leute mit steifen Gesichtern ohne eine Spur Humor."

"Genau das. Nur die Älteren oder die jungen Rebellen benehmen sich überhaupt so, als würden sie leben. Ich bin froh, unter den Außenweltlern zu wohnen, sonst würde ich verrückt bei der Stille", gab Tiaren zu.

"Junge Rebellen?"

"Die, die ihre Kindheit nicht auf Vulkan verbracht haben oder allgemein etwas sturere Persönlichkeiten sind. Du musst einmal die Augen aufhalten, dann findest du sie schon."

Kain nickte. "Kann man mit denen etwas anfangen? Ich meine, würden sie sich für Romulaner interessieren?"

"Das klingt als wolltest du sie fürs Reich rekrutieren. Das würde ich dir nicht empfehlen. Aber wie gesagt, die Älteren und die Jüngeren würden zuhören, wenn es um Neues geht", meinte Tiaren.

Sein Bruder winkte ab. "Nein, nicht rekrutieren. Ich weiß nur, dass es einen ganzen Haufen Wissenschaftler und Historiker gibt, die sich nur zu gern mit ihnen verbal schlagen würden, wenn man sie denn ließe. Es gibt einige, die glauben, dass das für uns gut wäre. Wir könnten zeigen, dass Gefühle wichtig sind und dieses ganze steife Gehabe nicht gut für eine Gesellschaft ist."

"Ich glaube nicht, dass die Vulkanier sich ausgerechnet das von uns zeigen lassen wollen. Aber wir sollten klarmachen, dass wir keine unbeherrschten Barbaren sind, die überhaupt nicht logisch denken können. Doch das Misstrauen sitzt tief, das habe ich schon gemerkt. Sie denken, jeder von uns, der herkommt, hat Hintergedanken." Er sah seinen Bruder scharf an.

"Und das macht dir Gedanken?" Kain seufzte. "Natürlich, von einem fanatischen Krieger seines Vaters entwickelst du dich zu einer Memme ohne Knochen im Leib."

Tiaren zog eine Augenbraue hoch. "Und seit wann kennst du mich so gut? Nur weil ich nicht mehr den Befehlen eines Größenwahnsinnigen hinterherrenne."

"Nein, weil du dich nicht mehr wie ein Romulaner benimmst."

"Wenn ich das je habe, kann ich nicht besonders stolz auf unser Volk sein. Du sagtest doch selber, dass ich bloß eine Marionette war. Soll das erstrebenswert sein?"

Kain lachte laut auf. "Du warst kein Romulaner. Ich dachte, dass du es irgendwann werden würdest. Jetzt siehst du aus wie ein Vulkanier und hast nicht einmal deren Verhalten und Denken. Du bist aber auch kein Romulaner, siehst nicht einmal wie einer aus. Toran hat zuviel in deinem Erbgut herumgepfuscht." Das letzte knurrte er nur und schüttete sich angewidert den Rest des Ales in sich.

"Oh ja, das hat er. Und weißt du was? Ich bin im fast dankbar, denn sonst wäre ich jetzt nicht hier." Tiaren ließ sich nicht so einfach ärgern. Es stimmte ja, er musste auf einem verqueren Weg Toran dankbar sein, sonst würde er immer noch blind Befehlen hinterher rennen und nur ein winziges, unbedeutendes Rad im Getriebe sein. Das Romulanische Reich war noch immer seine Heimat, aber wo man anfing, musste man ja nicht für immer bleiben.

"Du meinst das ernst, nicht wahr? Weißt du, kleiner Bruder, ich war eine Zeitlang eifersüchtig darauf, dass du den Weg des Kriegers mit ganzer Kraft einschlagen konntest, während ich immer wieder im Habitus eines Diplomaten auftauchen musste, weil ich nicht nur Geschick im Kampf habe. Krieger ja, aber nicht rein. Dann jedoch hatte ich Mitleid mit dir, als ich sah, was er aus dir gemacht hat. Und ich wollte dich nicht bemitleiden. Jetzt, auch wenn du sagst, dass es dir egal ist, dass du kein Romulaner mehr bist, beneide ich dich wieder. Und das gefällt mir."

"Mich beneiden? Nun, das wäre zuviel der Ehre, großer Bruder." Tiaren lachte. "Mein freies Leben kommt mit einigen Haken, so ist es nicht. Aber danke für die Ehrlichkeit."

"Ich habe nie gelogen, Tiaren. Eine schlechte Eigenschaft bei einem vermeintlichen Diplomaten. Aber ich bin auch keiner." Kain schob sein Glas zurück. "Bevor ich es mir anders überlege: Wenn die Sache hier vergessen ist und die Föderation und das Reich nicht in Staub zerfallen sind, komm zurück."

"Wenn die Sache hier vergessen ist und Toran ebenfalls Staub, dann komme ich zurück, versprochen. Aber vorher werden sich noch sehr viele Dinge ändern, glaub mir."

Kain hob interessiert eine Augenbraue. "Erzählst du es mir jetzt oder werde ich es wieder über die Tratschkanäle oder diplomatischen Wege erfahren?"

"Ich sage nicht, dass ich etwas weiß", meinte Tiaren schmunzelnd. "Aber denkst du wirklich, alles bleibt beim Alten, wenn ein dauerhafter Friede zustande kommt? Und dann sind da auch noch die Ka'ossianer. Und andere Rassen werden sich die Machtverschiebung auch nicht tatenlos ansehen, ganz sicher."

In Kains Augen blitzte etwas auf, das Tiaren in seinem Leben nur ein einziges Mal gesehen hatte. Nein, zweimal. Das eine Mal hatte es ihn betroffen, das andere Mal ging es um den Mord an einem Senator. Sein Bruder hatte damals ganz sicher die Fäden gezogen. Er war ein gefährlicher Mann und ihn zu unterschätzen war, als würde man mit einem Takh kämpfen, in dessen Vorfahren auch Schlangen gewesen sein mussten. Er schlug unbarmherzig und zielsicher zu. Krieger ja, aber auch verschlagener Diplomat, wenn es notwendig war. "Das Romulanische Reich wird nicht an Macht verlieren, es wird an Macht gewinnen. Höre meine Worte, kleiner Bruder", murmelte er.

"Ich sagte, Dinge werden sich ändern, mehr nicht. Man gewinnt nichts dazu, ohne irgendetwas anderes dafür zu zahlen." Tiaren hielt Kains Blick stand.

Dieser nickte nach einem spannungsgeladenen Moment. "Soviel Weisheit, die du erlangt hast. Ich hätte damals darauf bestehen sollen, dich mitzunehmen. Nun, vielleicht war es gut so wie es geschehen ist. Du willst jetzt diesen Weg gehen? Ich werde weiterhin schauen, was du tust, so wie ich es immer getan habe." Kain erhob sich. "Eine gute Nacht, kleiner Bruder."

"Dir auch, großer Bruder. Gut zu wissen, dass man Familie hat." Tiaren meinte das ehrlich.

Kain sah ihn mit einem Blick an, der ihm ins Mark ging, dann ging sein Bruder, ohne zurückzublicken. Tiaren konnte sich noch gut daran erinnern, mit welcher Wut damals Kain gegangen war. Es war nicht so, dass laute Worte gefallen waren. Es war gerade unheimlich still gewesen. Toran hatte seinen Willen unumwunden kund getan. Er war das Familienoberhaupt und nach romulanischer Tradition würde kein Kind sich jemals gegen den Willen des Vaters stellen.

Kain war gegangen, um nie wieder zu kommen, und Tiaren war wütend auf ihn gewesen, weil er sich Toran widersetzt hatte, wenn er auch schließlich nachgegeben hatte.

Heute wusste er, dass Kain etwas erkannt hatte, was seinem Bruder, den er liebte, schadete. Toran war ein Gift. Er war ein Fanatiker. Und sein eigen Fleisch und Blut hatte ihm mit allem, was ihm zur Verfügung stand, zu dienen. Kain war für Toran eine Enttäuschung gewesen. Zu eigensinnig. Mit eigenen Gedanken. Eigenen Vorstellungen. Tiaren hatte damals triumphiert. Sein hochgelobter Bruder ging. Was er jedoch nicht sah, war, dass er nicht als Verlierer ging. Nach Kains Vorstellungen aber auch nicht als Gewinner. Toran hatte seinen Willen bekommen und er sollte ihn Jahre später an einem toten Schmuggler und dessen Gefährten zersplittern sehen.

Kain hingegen war für Toran eine Entäuschung gewesen und dennoch hatte er sich in einen guten Mann entwickelt, der seinem Volk dienen wollte, ohne dabei die eigenen Gedanken und Vorstellungen aufzugeben. Ein Romulaner, wie er sein sollte mit Eigenschaften, auf die das Imperium stolz sein konnte. Tiaren wusste, selbst wenn es anders gelaufen wäre, er hätte nie so sein können.

Unwillkürlich sah er T'Leras Gesicht in sich auftauchen. Rein und klar, so wie sie in dem kargen, aber ästhetisch wunderschönen Garten im Kloster gesessen hatte. Er musste herausfinden, wer er war. Jetzt. Nicht der Tiaren von früher. Das, was ihn ausgemacht hatte, war nicht nennenswert viel gewesen. Gehorsam bis zur Selbstverleugnung. Dieser Teil war noch in ihm, aber er hatte mit dem Zusammenbruch und der Verschmelzung etwas in ihm freigegeben, was auch Tiaren war. Tiaren der Romulaner, der auch in Kain war. Vielleicht nicht vollständig. Aber er war da. Zusammen mit einem Menschen, dessen Essenz ihn vervollständigte, war er jemand. Und es fühlte sich gut an. Das war es, was ihn verunsicherte. Er fühlte sich gut.

Selbst wenn er es nicht beim Namen nennen konnte. Doch wie sollte er es herausfinden? Wo anfangen?

Tiaren war sich so vieler Dinge nicht mehr sicher. Doch die Dinge, die noch sicher waren, bildeten zumindest einen Anfang, auch wenn er sie fast an einer Hand abzählen konnte: Frieden zwischen dem Imperium und der Föderation sehen. Lernen mit seinen Kräften umzugehen. Sich mit Cindy aussprechen. Bei A´kebur sein, wenn dieser zurück war. Und herausfinden, was er mit seinem Leben tun wollte, das noch komplett vor ihm lag. Eine Herausforderung, die er anzunehmen gedachte. Ein Satz stieg in ihm auf und er wusste, dass es eine terranische Spruchweisheit war und dass er sie nie zuvor gekannt hatte: Eine lange Reise beginnt mit einem ersten Schritt. Er fand das gut. Terraner waren ganz sicher ein Volk, dass er sich einmal näher ansehen sollte, sobald er hier mit seinen Fähigkeiten bestehen konnte. Vielleicht würde es ihm auch bei Cindy weiterhelfen. Er war schließlich nicht ihr Vater. Dafür fühlte er sich an sich zu jung. Aber andererseits wusste er, was es hieß, ihr Vater zu sein. Tiaren tippte gegen das Glas. "Eines nach dem anderen", beschloss er.

Und der erste Schritt lag direkt vor ihm: Die Akademie.

Er hatte zwar Fortschritte gemacht, aber noch war er weit davon entfernt, vollends Herr seiner Fähigkeiten zu sein. Es würde noch Zeit brauchen, doch die hatte er ja. Und zwischendurch würde er sich intensiv mit dem Thema Menschen befassen. Es wurde sowieso höchste Zeit, dass er mehr über die Kultur lernte, der Etienne entstammte. Und seine Bücher lesen war sicher auch keine schlechte Idee. Tiaren lächelte. Ja, kleine Schritte für lange Wege. Aber dafür mit Kraft und Ausdauer und Zähigkeit, wie sie nur einem Romulaner zu eigen waren.

Mit diesem Gedanken ging er in seine Zimmerflucht und legte sich endlich zur Ruhe. Eine Ruhe, die er innerlich zu lange hatte entbehren müssen. Bevor er einschlief, konzentrierte sich Tiaren auf sein Innerstes und berührte den leuchtenden Faden, der ihn und A´kebur verband. Es war nur eine Frage, ein Anklopfen. Er spürte die Anspannung, die daraufhin folgte und ein kurzes Zögern. Dann öffnete sich A´kebur.

Tiaren schickte ihm nur das wortlose Gefühl von Vermissen und das gedankliche Bild eines Kusses. Wirkliche Worte übermitteln konnte er noch nicht. Die Antwort war Verwirrung. Ablehnung konnte Tiaren nicht spüren, aber er wusste, dass, wenn A´kebur es gewollt hätte, das Band verstärken konnte. Aber er wurde sanft wieder ausgeschlossen, fast in seinen Körper zurückgedrängt, bis er merkte, dass dieser Ausflug ihm eine Menge Kraft gekostet hatte.

Doch fürs Erste sollte es genug sein. A´kebur würde ihn nicht ewig aussperren können. Er würde eben immer wieder anklopfen, bis man ihn doch einließ. Tiaren schief mit einem Lächeln auf den Lippen ein.

 

Cindy hatte das Bedürfnis, sich durch die Haare zu wuscheln. Aber das hätte ihre Frisur außer Form gebracht, auch wenn die Nanofäden alles wieder in Ordnung gebracht hätten. Nur, wenn sie diesem Drang nachgeben würde, wäre es wie das Eingeständnis von Versagen. Aber sie versagte nicht. Sie war die Tochter eines Piraten, Schmugglers und Wissenschaftlers und sie war die Tochter eines großen Kriegers und Captains, der in seinem Herzen und seinem Kopf die Koryphäe auf dem Gebiet der Antriebe und Raumfahrttechnik war.

Heute jedoch hatte sie das Gefühl, dass ihr all das nicht im Geringsten half. Sie hatte die Kanäle, die sie von Etienne geerbt und die auch A´kebur in letzter Zeit häufiger gepflegt hatte, wieder aktiviert.

Es passte ihr gar nicht, dass sie auf illegale Methoden zurückgreifen musste, doch der Datenhändler war das, was er war. Ein Händler und er war über alle Zweifel erhaben. Er gab weiter, was er erfuhr, sofern man seinen Preis zahlte.

Keiner wusste, wer er war, aber das spielte keine Rolle. Doch durch ihn erfuhr sie, was auch A´kebur wohl erfahren hatte und ihr durch die sprichwörtliche Blume übermittelt hatte. Das, was sie selbst schon ahnte: Die Admiralität, Starfleet, die Föderation … von diesen wurde ein Angriff geplant, der zum Ziel hatte, entweder die Verhandlungen zu den Romulanern oder zu den Bewahrern oder wahrscheinlich, wenn nicht sogar eher, zu allen beiden zu torpedieren. Sie hatte geglaubt, dass nach dem Desaster mit den Klingonen und Terra Prime diese Tendenzen ein für alle Mal aus der Welt geschafft waren. Zudem, die Romulaner hatten ihre eigenen "Rebellen" und Saboteure zurückgezogen und außer Gefecht gesetzt. Es sah alles gut aus, wenn man es von außen betrachtete.

Doch von innen sah es ganz anders aus. Cindy hatte schon die ganze Zeit ein ungutes Gefühl gehabt, als der Auftrag für die Enterprise relativ problemlos durchgesetzt wurde. Auch die Verhandlungen mit den Romulanern sahen so positiv aus, dass etwas einfach nicht stimmen konnte. Cindy war nicht pessimistisch veranlagt, aber völlig verblendet positiv denken lag ihr auch nicht. Also hatte sie auf Nummer sicher gehen wollen.

Der Informant, der seine Nachrichten nur mit einem stilisierten Planeten mit Ring unterschrieb, hatte keine Namen nennen können, die mit der Sache verstrickt waren, sondern nur Andeutungen in Communiqués und Gesprächen. Nichts Handfestes, nur ein Schatten. Aber er reichte Cindy aus, um vorsichtiger denn je zu machen.

Admiral Castellano zu verdächtigen, war einfach. Er hielt in ihren Gesprächen nicht wirklich hinter dem Berg, auch wenn er offene Anfeindungen unterließ, da ihm das selbst das Genick brechen würde. Ein Terra-Prime-Anhänger war das Letzte, was die Admiralität gebrauchen konnte. Sie wurden nicht einmal in Starfleet aufgenommen. Aktivitäten aller Art dieser bornierten Menschen waren überwacht worden, da sie gefährlich waren. Das Problem war, dass es offiziell niemanden mehr gab, der überwacht werden musste, weil es keine Menschen mehr gab, die so dachten. Alles war Geschichte und auch für sie war es Geschichte. Nichts, was mit ihr oder dieser Zeit zu tun hatte. Und doch war dieser Schatten erneut auf alles gefallen und vergiftete die Atmosphäre.

Cindy überlegte, dann wählte sie eine Nummer. Es wurde Zeit, dass sie Informationen aus ihrer Umgebung selbst besorgte. Sie hatte das Recht, den Geheimdienst einzuschalten. Sie stand diesem bis zu einem gewissen Punkt auch vor. Der Präsident stand dabei über allem. Aber was sie hier tat, galt als unfein. Doch sie sah im Moment keine Alternative und die Zeit war ein entscheidender Faktor.

Sie musste wissen, wer aus den eigenen Reihen gegen den Frieden war. Seinen Feind zu kennen war der erste Schritt zum Sieg, hatte A´kebur ihr immer eingeschärft. Und Etienne hatte erklärt, dass es wichtig sei, Augen am Hinterkopf zu haben, woraufhin A´kebur diese Redewendung kurios, aber zutreffend fand. Und genau darum würde sie sich jetzt kümmern. Auf dem Bildschirm erschien die Bestätigung einer gesicherten Leitung und dann das Gesicht eines Mannes. Er trug Schwarz und hatte eines dieser Gesichter, das man sofort wieder vergaß und niemals wiedererkannte. "Admiral, was kann ich für Sie tun?"

Cindy sah auf den Verschlüssler, dann widmete sie ihre ganze Aufmerksamkeit dem Mann, dessen Namen sie nie erfahren würde und auch nie erfahren wollte. Gut eine Viertelstunde führte sie aus, welche Dinge sie verfolgt haben wollte. Wen sie im Verdacht hatte und wann sie jeweils informierte werden wollte. Der Mann hörte nur unbewegt zu, dann sagte er, dass er verstanden hatte. Was er dachte, konnte Cindy nicht an seinem Gesicht ablesen, nicht einmal an einer unbewussten Bewegung. Als die Verbindung beendet war, nahm sie den Verschlüssler ab und steckte ihn in ihre Tasche. "Springer auf G5", murmelte sie. Die Frage, die sich für sie stellte, war, wer war die gegnerische Königin.

Und welchen König beschützte sie? Waren es Fanatiker, die Angst vor Völkervermischung hatten oder fürchteten sie um die Machtposition der Föderation? Auf jeden Fall war Angst im Spiel, große Angst. Und wer bedroht wurde, wehrte sich am Heftigsten. Cindy war sich sicher, dass es genug Romulaner gab, die den Frieden nicht wollten, weil sie um den Verlust ihrer Kultur fürchteten. Den Klingonen würde dieser Frieden auch nicht geheuer sein. Doch zu allererst musste sie wissen, wer in unmittelbarer Nähe gefährlich sein konnte. Darüber hinaus galt es die Vulkanier im Auge zu behalten. Begrüßten sie wirklich den neuen Austausch mit ihren verlorenen Cousins? Ganz sicher gab es auch dort Hardliner, denen diese Entwicklung nicht gefiel. Aber würden sie auch handgreiflich werden? Vulkanier konnten sich ihre Logik solange zurechtbiegen, bis sie auch Gewalt und Heimtücke gerechtfertigt hatten. Der Gedanke war wenig beruhigend.

Und zufälligerweise kannte Cindy einen von diesen erzkonservativen Vulkaniern. Ihre Urgroßmutter Amaris. Vielleicht war ein Gespräch angebracht.

So recht hatte sie zu Amaris nie einen Draht gefunden. Würde noch Lial leben, dann wäre es einfacher. Für einen Moment fragte sie sich, ob sie Onkel Lakon fragen sollte. Aber dann verneinte sie. Hier ging es nach vulkanischen Maßstäben gemessen um eine Art Familienangelegenheit. Die verqueren Maßstäbe vulkanischer Privatsphäre waren hoch und weit. Es gab das nach außen und es gab das, was sich nach innen wendete. Das Innere galt nur für einen selbst, aber es musste nicht mit der Fassade übereinstimmen. Wollte sie also etwas Inneres erfahren, musste sie mit einem politischen Oberhaupt sprechen. Cindy ließ sich die Uhrzeit anzeigen, die auf Vulkan gerade im Breitengrad herrschte, wo ihre Urgroßmutter lebte, dann erst kontaktierte sie sie. Amaris würde da sein und sie würde sie wohl wahrscheinlich auch nicht bei einer Meditation stören.

Wie gewünscht erschien Sekunden später Amaris’ würdevolle, unbewegte Miene auf dem Bildschirm. "Langes Leben und Wohlergehen, Cindy", begrüßte sie sie. "Meine Enkelin" hatte sie sie nie genannt, so wie T'Lera es tat. "Womit kann ich dir dienen?"

"Es geht um eine äußerst diffizile Angelegenheit und es berührt intensiv die Sphären Vulkans. Bitte entschuldige, dass ich vielleicht ein Gebiet berühre, das mich nichts angeht. Aber ich muss einige Dinge erfahren."

"Stelle deine Fragen. Ob ich sie beantworten kann, werde ich dann entscheiden", gab Amaris ungerührt zurück.

"Es geht um die Verhandlungen mit den Romulanern. Amaris, gibt es Bewegungen oder ähnliches auf Vulkan, die gegen diese Entwicklung arbeiten?"

Die alte Frau schwieg einen Moment. "Es gibt viele von uns, die den Entwicklungen skeptisch entgegen sehen. Aber ein Krieg ist unlogisch, und Vorurteile und feindliches Ansinnen sind Gefühle."

Cindy wusste, dass für Amaris die Gefühle eines Vulkaniers nicht existierten. Sie wusste aber auch, dass das eine Art Irrtum war. Leugnen wollte sie nicht sagen. "Wäre es möglich, dass es unlogisch Handelnde gibt?", fragte sie und wusste, dass das vielleicht eine Frage zuviel war.

"Unlogisch Handelnde gibt es immer. Auch wir sind nicht vollkommen", erwiderte ihre Urgroßmutter überraschenderweise. "Oft genug gibt es auch Vulkanier, die einem fehlgeleiteten Ideal folgen und nicht merken, wie fern sie inzwischen den Lehren Suraks sind. Doch diese sind meist noch sehr jung und werden rechtzeitig von den Älteren wieder auf den richtigen Weg geleitet."

"Also wäre nicht damit zu rechnen, dass es welche geben würde, die aktiv in das Geschehen eingreifen, um mit allen Mitteln zu verhindern, dass die Verhandlungen ein Erfolg werden ...", meinte Cindy und sah wachsam ihre Großmutter an. "Ich weiß, dass ich unlogisch bin, aber ich habe große Sorgen, dass ich etwas übersehe. Es gibt beunruhigende Hinweise. Aber keine Beweise. Ich weiß noch nicht, wie ich das werten soll, aber ich wollte es dir sagen als deine Enkelin."

"Ich weiß deine Wachsamkeit zu schätzen und es ist in diesen unsicheren Zeiten immer gut, wachsam zu sein", erklärte sie, "doch ich kann dir versichern, dass von keinem Vulkanier eine Gefahr für diesen Frieden ausgeht."

"Danke, Amaris", meinte Cindy. "Danke für das Gespräch."

Die alte Vulkanierin nickte. "Ich danke dir für die Warnung, Cindy. Sei versichert, dass auch wir die Augen offen halten werden."

Cindy zögerte, dann verneigte sie sich ein wenig und beendete die Verbindung. Amaris und eigentlich die ganze Familie Re gehörte zur obersten Schicht Vulkans. Das Äquivalent zu anderen Planeten war eine Art Adel und da wiederum der Kreis, aus deren Mitte ein neues Staatsoberhaupt erwählt wurde. Als sie einen gewissen Rang erreicht hatte, war ihr erst nach und nach aufgegangen, welcher exklusiven Familie sie durch die Adoption ihres Pflege- und Ziehvaters angehörte. Freilich, persönlich brachte ihr das nicht wirklich viel. Sie hatte zumindest diese Bande noch nie entsprechend nutzen müssen oder die Familie hatte sich genötigt gesehen, ihr zu helfen.

Jetzt jedoch, so ahnte sie, konnte das durchaus passieren. Was ihr Vater wohl darüber denken mochte? Sie wagte es nicht, daran weiter darüber zu grübeln. Die Sache war schon verzwickt genug.

Und sie wollte ihn im Augenblick auch nicht mit ihren Verdächtigungen beunruhigen, zudem sie ihn sowieso nicht erreichen würde. Erst, wenn sie handfeste Beweise hatte und es gelungen war, unauffällig eine Nachrichtenboje als Verstärkerstation durch den Nebel zu schicken, würde sie auch ihn warnen. Doch bis dahin gab es noch einiges zu tun, und der nächste auf ihrer Liste war Admiral Castellano.

 

Der Flug zur Station der Bewahrer verlief geradezu ereignislos, wenn man von den nun regelmäßigen Treffen der Generalin mit A´kebur, Spock und immer wieder sorgfältig ausgewählten Freiwilligen absah. Die Generalin schien sich auch eher zu langweilen und suchte die Abwechslung dadurch, indem sie von den niederen Fremden lernte. Dabei blieb es jedoch nicht aus, dass sie immer wieder fassungslos über die barbarischen Sitten und Gebräuche war. Eine Gleichstellung der Geschlechter war für sie schlicht absurd. Dafür bekam die wissenschaftliche Abteilung der Enterprise die Gelegenheit zu erfahren, dass es bei den Kao'ssianern drei Geschlechter gab, deren Verteilung Ähnlichkeiten mit denen ihres Sicherheitschefs aufwies, nur dass die Geschlechterrollen nicht ausgetauscht werden konnten. Es gab die Frauen und die Männer und die Bewahrer, die die Kinder austrugen und in den ersten Lebensjahren auch aufzogen. Bewahrer war dabei idiomisch tatsächlich identisch mit dem Bewahrerbegriff, der sich auf die bezog, die auch in der Föderation als Bewahrer bezeichnet wurden. Die Generalin amüsierte es sichtlich, dass sie auch noch als die Allerersten genannt wurden. Sie sagte jedoch nichts weiter dazu. Ob aus Unwissenheit oder weil sie andere Gründe hatte, war nicht in Erfahrung zu bringen, ohne sie zur Antwort zu zwingen. Angesichts des entspannten Verhältnisses bisher zog A´kebur es vor, geduldig zu sein und gab diese Parole auch an seine Wissenschaftsabteilung aus.

Denn nach und nach entspannte sich das Verhältnis wirklich. Die Generalin blieb zurückhaltend, und auch ihre Offizierinnen waren mit jedem Mal gesprächsbereiter und versorgten die Wissenschaftler immer mit faszinierenderen Berichten. Generalin Tir'Dran hingegen blieb ein harter Brocken, auch wenn sie sich immer öfter ein Lächeln verbeißen zu schien. Spocks geschickte Worte wiegten sie in Sicherheit, und A´keburs für sie an Unverschämtheit grenzendes Benehmen, reizte sie. Dabei wurde deutlich, dass sie, wie wohl in jeder matriarchalischen Kultur, fast gegen ihren Willen von einem derart dominanten Mann angezogen wurde. Natürlich dachte sie nicht im Traum daran, jemals Avancen in der Hinsicht zu machen, aber es mochte die Situation erleichtern. In der Hinsicht war A´kebur genau der Richtige gewesen, um ihn auf diese Mission zu schicken.

Nur an diesem nagte es, dass er gleichzeitig sehr starke Empfindungen gegenüber T'Mara entwickelte, die ihm unheimlich waren. Er hatte so ähnlich empfunden, als es um Etienne ging. Doch das hier war dennoch anders und damit um einiges verwirrender. A´kebur sehnte sich nach innerer Ruhe, doch auch Meditation half ihm nicht mehr wirklich und das Training auf dem Holodeck machte ihm seine Einsamkeit nur bewusster. All das hatte ihm seinen Schiffscounselor auf die Fersen geschickt. Bisher konnte er ihn noch abwimmeln.

Aber es war eine Frage der Zeit, bis William Thomas Troi II ihn mal alleine erwischte und darauf ansprach, und der heutige Abend schien genau der Zeitpunkt zu sein. A´kebur saß in Zehn Vorne und beobachtete die leuchtenden Nebel über einem Glas Ginger Ale, als sich Troi zu ihm setzte. "Captain, kann ich Sie für einen Moment stören?"

A´kebur trank von seinem Ale und setzte betont langsam das Glas ab. "Was kann ich für Sie tun, Thomas?", fragte er und nahm mit Absicht das Privileg an, welches ihm sein Counselor vor einiger Zeit gewährt hatte. Poker war die einzige Gelegenheit, bei der er andere außerhalb des Dienstes und dabei rein privat traf.

Der junge Mann lächelte. "Ich wollte eher fragen, ob ich etwas für Sie tun kann, Captain. Ich weiß, dass Sie wegen unserer Mission unter enormem Druck stehen, aber das ist nicht alles, oder? Etwas beschäftigt Sie doch."

"Die Mission beschäftigt mich. Sie brauchen sich um mich keine Gedanken machen. Wie geht es der Mannschaft?"

"Sie vertraut ihrem Captain und ist zuversichtlich. Sie brauchen sich keine Gedanken zu machen. Und ich weiß, dass Sie nicht gern um den heißen Brei herumreden, Sir, also wollte ich das auch nicht." Troi lehnte sich vor. "Ich brauche keine Gedanken zu lesen, um Bescheid zu wissen."

A´kebur hob erstaunt und interessiert zugleich eine Augenbraue. "Bitte?", fragte er. "Worauf wollen Sie hinaus?"

"Ich will auf einen gewissen vulkanischen Lieutenant hinaus, die in der Exoethnologie arbeitet", wurde Troi konkret.

A´kebur atmete tief durch. "Ich habe nicht vor, ihr zu nahe zu treten und sollte sie sich bedrängt fühlen, werde ich mich bei ihr entschuldigen. Mein Verhalten ist nicht akzeptabel", sagte er leise und sichtlich steif.

Troi zog die Augenbrauen hoch. "Sir, Sie haben doch überhaupt nichts getan, wenn ich das richtig sehe und genau da liegt das Problem. Sie bauen da enorme Mengen Frust und Anspannung auf, was auf keinen Fall gesund ist. Mein Rat wäre, dass Sie auf sie zugehen. Woher wollen Sie wissen, ob Sie nicht doch auf Sie eingehen würde?"

A´kebur zog gewittrig die Augenbrauen zusammen. "Sie ist Vulkanierin und sie ist gebunden!", knurrte er. "Ich darf nicht einmal an das denken, was Sie hier vorschlagen. Sie haben anscheinend nicht sehr viele Erfahrungen mit vulkanischen Traditionen."

"Oh doch, das habe ich, Sir. Erstens ist sie nicht gebunden; die Verlobung wurde vor fünf Jahren gelöst in beiderseitigem Einvernehmen. Und zweitens sind Sie selber zwar auf gewisse Art gebunden, aber das ist eine andere Sache. Sie sind hier, ihr Partner ist Lichtjahre weit weg und Sie beide haben sich keine Versprechen gegeben. Oder sehe ich das falsch?"

A´kebur sah Thomas verwirrt an. "In ihrer Akte stand nicht, dass ihre Verlobung gelöst sei", sagte er. Den Rest unterschlug er, weil es seiner Meinung nach niemanden etwas anging.

"Nein, ich weiß. Aber es ist so. Sie wissen ja, dass die Vulkanier sehr privat in diesen Angelegenheiten sind. Und eine gelöste Verlobung sieht nicht sonderlich logisch aus." Er schmunzelte.

"Und woher wissen Sie es?", fragte A´kebur. Er fand nichts an dieser Situation in irgendeiner Weise amüsant. "Ich rate Ihnen, sich aus den privaten Angelegenheiten der Mannschaft herauszuhalten."

Nun lachte Thomas wirklich. "Bei allem Respekt, Sir, die privaten Angelegenheiten der Mannschaft sind mein Job! Davon abgesehen hat Lieutenant T'Mara es mir von sich aus erzählt."

A´kebur schnaufte. "Das ist die einzig akzeptable Aussage, die Sie machen konnten. Auch wenn es Ihr Job ist, wie Sie sagen, privaten Dingen Raum zu geben, so muss es doch freiwillig sein. Ich weiß, dass Sie eine besondere Freude daran haben, mir auf die Sprünge zu helfen. Aber gehen Sie nicht zu weit."

"Nein, Sir, und ich wollte Ihnen auch nicht zu nahetreten", erklärte Thomas, "aber hier spricht rein professionelle Sorge. Diese Anspannung ist nicht gut für Sie und zudem ja vermutlich ganz unnötig. Gönnen Sie sich zumindest ein paar mehr Stunden auf dem Holodeck."

"Wie oft noch?", wollte A´kebur fragen, aber unterließ es. Natürlich hatten sich ihm Optionen eröffnet. T'Mara war frei. Nur, er war ein Mischling und sie eine reinrassige Vulkanierin. Selbst wenn sie eine logische Begründung für ihn fand, so waren ihre Eltern ganz sicher dagegen. Die Reinheit des Blutes war bei einigen Vulkaniern anhängig. Die Mischung verwischte auch die Fähigkeit, Gefühle bis zur Negation zu unterdrücken. "Danke für den Rat", sagte er leise. "Ich werde die Zahl der Holodeckstunden erhöhen. Sollte ich Anspannungen fühlen, die Einfluss auf meine Fähigkeiten haben, werde ich die Art des Programms ändern. Gibt es noch etwas?"

"Ansonsten wollte ich nur wissen, wann wir die nächste Pokerrunde haben. Ich hoffe doch, nächsten Freitag?"

"Haben Sie einen Grund, anzunehmen, dass die Runde ausfällt?", fragte A´kebur, während er mögliche Gründe selbst durchging, aber nichts fand. Die Wahrscheinlichkeit stand bei 97,4502 Prozent, dass sie pokern würden.

"Nein, ich wollte mich nur vergewissern. Schließlich muss ich noch meine Revanche von Commander Aera haben. Sie hat mich ja letztes Mal fürchterlich über den Tisch gezogen!" Thomas stand auf. "Aber, wenn Sie mich jetzt entschuldigen, ich habe noch ein paar Termine."

"Natürlich, Counselor!", murmelte A´kebur und entließ unendlich erleichtert diesen penetrant aufmerksamen Mann. Still seufzte er. Es war ein Problem, wenn Betazoiden und Halb- sowie Viertelbetazoiden Counselors wurden. Zudem, es gab hier wohl eine Vererbung, was auch auf eine vererbte Neugier schließen ließ. A´kebur hatte Deanna Troi nur einmal kurz kennen gelernt. Danach gesehen, aber nicht mehr sehr viele Berührungspunkte gehabt. Das alles war in der kurzen Zeit auf der alten Enterprise gewesen. Aber sie schien ihm eigentlich nie so aufdringlich zu sein, wie es ihr Enkel war. Er hatte mitunter die zusätzliche Eigenschaft eines Jägers. Das Problem war nur, dass er im Käfig der Vorschriften saß. Warum Thomas Troi ihn dennoch umzingelte, war ihm schleierhaft. Er wusste allein, dass er sich entspannen musste. Ratschläge jeglicher Art waren weniger hilfreich.

Aber das war leichter gesagt als getan, und wenn er nicht wirklich in Erwägung ziehen wollte, T'Mara Avancen zu machen, dann blieb nur das Holodeck als schaler Trost. A´kebur trank sein Glas leer und stand ebenfalls auf.

Es wurde Zeit, dass er sich abreagierte. Vor zwei Tagen hatte er unauffällig den Geruch von T'Mara analysiert. Es waren keine Pheromone, wie er vermutet hatte. Zumindest waren sie nicht stärker, als das bei Vulkaniern an sich der Fall war. Trotzdem hatte er herausgefunden, dass sie mit ihm auf seltsame Weise genetisch kompatibel war. Niemals hätte er gedacht, dass es für ihn einen genetisch akzeptablen Partner gab. Wenn das seine Großmutter erfuhr, würde sie glücklich sein. Nur ihn brachte es in Schwierigkeiten. T'Mara musste ihn ablehnen, wenn sie nicht selbst Ablehnung erfahren wollte. Und die Frage war auch, war sie für seine Familie akzeptabel. A´kebur räusperte sich kurz. Er ging gerade die Möglichkeiten durch, um doch eine Partnerschaft eingehen zu können. Aber es war schlicht absurd. Und trotzdem war da etwas in seinem Inneren, dass die junge Vulkanierin um jeden Preis haben wollte. War es nicht mit Etienne genauso gewesen? Und dieser war als Mensch, schlimmer noch als Mann und Pirat, erst recht unmöglich gewesen im Vergleich dazu. Dagegen war T'Mara die ideale Partie. Ob er das allerdings für sie war, war die nächste Frage. Und warum er sich neuerdings überhaupt so um die äußere Form und Etiquette kümmerte. Hatten Amaris’ Predigten doch gefruchtet?

Jetzt waren ihm scheinbar grundlos solche Dinge wichtig.

A´kebur merkte die Dringlichkeit. Er wollte T'Mara nicht eine Sekunde brüskieren, weil er sich nicht im Rahmen vulkanischer Konventionen verhielt. Es war ihm wichtig, was sie von ihm dachte. So wichtig, dass er sich nicht traute, sich ihr zu nähern. A´kebur begriff, dass er um sie werben wollte. Richtig. Keine Affäre.

Seine Gefühle kochten fast über, als er das dachte. War es Liebe? War es Begehren? War es der Druck, den Amaris aufgebaut hatte, als sie ihm seine Pflicht aufzeigte? Wenn es das letztere war, war es ihm unwichtig. Sie zählte in dieser Hinsicht nicht. Er würde nicht wie ein Zuchttier seinen Samen verbreiten. Niemals sollten aus ihm Kinder entstehen, die so zwischen den Kulturen gefangen waren, dass man mit dem Finger auf sie zeigte. Nicht anerkannt von der einen und nicht für vollwertig erkannt von der anderen Seite. Allein zwischen allen Völkern.

Er wusste selbst nur zu gut, wie das war und wollte es niemandem zumuten. Doch davon abgesehen ...

Akebur erwischte sich dabei, wie er sich ein Leben zu zweit vorstellte. Mit jemandem, der hier an Bord war, die gleichen Ideale, die gleiche Mission hatte. Jemand, der logisch und vernünftig war und trotzdem diesen wunderbar lebendigen Funken hatte. Jemand, der in jeder Hinsicht zu ihm passte.

A´kebur schüttelte es ab. Widerwillig zwar, aber es musste sein. Er durfte nicht schwach werden. Trotzdem führte ihn sein Weg nicht zum Holodeck.

Er ging in die Wissenschaftsabteilung und setzte sich an eine freie Station. Er schlug nicht wirklich etwas nach, schließlich konnte er alles überall auf dem Schiff nachschlagen, was er wollte. Er hatte die Berechtigung dazu. Aber hier konnte er unauffällig zu T'Mara sehen, die im letzten Drittel ihrer Schicht war. Sie glich gerade Zeichen aus dem Alphabet der Bewahrer ab und stellte ihnen Laute gegenüber. Es war eine diffizile Geduldsarbeit, die nur wenige aufbrachten. Aber sie war sicher schon seit Stunden ohne Unterbrechung über den Bildschirm gebeugt und zeigte nicht einmal Anzeichen von Anspannung. Nur stille Konzentration.

Es war einfach typisch vulkanisch. Unermüdlich ordnete sie Zeichen und Laute zu, ab und an ein winziges Stirnrunzeln auf ihrem Gesicht, wenn sie etwas länger brauchte. Schließlich schien sie festzustecken und fragte den Computer nach weiterem Vergleichsmaterial. Als auch das nichts brachte, stand sie auf und ging zu einer anderen Station hinüber. Erst jetzt schien sie A´kebur zu bemerken. "Captain", grüßte sie schlicht und wanderte dann mit einem Datenpad zurück zu ihrem Computer.

A´kebur nickte nur. Er hatte auch die neuesten Informationen über die Bewahrer auf den Bildschirm. Aber so recht konnte er sich nicht darauf konzentrieren. Weil es lächerlich war, erhob er sich wieder und ging. Es war entnervend, Gefühle zu haben, die ihm doch nur schadeten. Vielleicht hatte Amaris Recht und er musste sich bezähmen, auch wenn es ihm nicht behagte. Er war noch immer auch Klingone. Nur, was sollte er damit? Wäre er ein Krieger, wäre es egal, dass er Vulkanier war. Doch so war es nur ein hinderlicher Aspekt seines Lebens.

Und was sollte er jetzt machen? T'Mara ansprechen oder nicht? Und was sollte er überhaupt sagen? Er konnte sein nicht anknurren wie eine Klingonin. Er war nicht im Ponfarr, wo es keiner Worte bedurft hätte. Und er konnte auch nicht ganz nüchtern fragen, ob Lieutenant T'Mara eventuell eine Beziehung in Betracht ziehen könnte.

Und dann war da auch noch Tiaren, ganz hinten in seinen Gedanken.

A´kebur schob den Gedanken an dieses spezielle Problem ganz schnell wieder von sich. Tiaren versprach sich mehr. Das war offensichtlich, nur A´kebur war nicht bereit dafür. Er akzeptierte ihn als seinen Bindungspartner, aber nicht als seinen Geliebten und Gefährten in seinem Leben.

Seine innere Uhr sagte ihm, dass die Zeit der Teestunde, die er regelmäßig mit Botschafter Spock verbrachte, um bei dieser Gelegenheit weitere Strategien, aber auch Ideen und Eindrücke auszutauschen, heran war und er sich auf den Weg machen musste. Im Moment passte es ihm wenig, andererseits hatte er auch keine Ausrede, um absagen zu können.

Spock erwartete ihn bereits, als er sich an dessen Quartier anmeldete.

"Guten Tag, Captain", begrüßte dieser ihn und deutete wie immer auf das Sofa. "Ich habe heute eine neue Sorte Tee ausprobiert. Sie muss exakt 500 vulkanische Tage lagern, um ihren Geschmack zu entfalten." Er schenkte das dampfende Gebräu ein, als A´kebur sich gesetzt hatte und nahm dann ihm gegenüber Platz.

"Wie viel Tee haben Sie denn mitgenommen?"

"Ein Kilo von jeder meiner bevorzugten Sorten. Der Replikator ist nicht in der Lage, ihn angemessen zu reproduzieren", erwiderte Spock.

"Ja, ich weiß. Gagh kann bis heute nicht repliziert werden", meinte A´kebur nicht ohne Ernst. Er vermisste einige klingonische Speisen mitunter schmerzlich. Aber er hatte sich daran gewöhnt.

Er trank einen Schluck und genoss die Wirkung. Man konnte nicht von Drogen sprechen, aber Tees, auch vulkanische, hatten eine Wirkung. Diese hier war einfach angenehm. "Dieser Tee schmeckt gut. Er ist jeden Tag wert."

Spock nickte. "Er wird am Berg Teralva angebaut, nördlich der Roten Wüste. Jahrelang gab es keine gute Ernte und der Tee war sehr selten geworden. Ich habe ihn dann umso mehr schätzen gelernt." Sichtlich genussvoll trank Spock seinen Tee. A´kebur hatte aufgehört, den Botschafter mit vulkanischen Maßstäben zu sehen. Dieser Vulkanier scherrte sich nur noch zu einem gewissen Umfang um vulkanische Konventionen. "Was denken Sie von dieser Woche, Captain?"

"Ich denke, dass sie erfolgreich war. Angesichts der Ausgangslage hat sich unsere Situation sehr verbessert. Die Generalin gewöhnt sich an die Unterschiede und zuckt nicht gleich zusammen, wenn ein Mann Befehle erteilt, eine Frau sie ausführt und umgekehrt. Sie sieht auch über die Bekleidung hinweg. Inwieweit es möglich ist, auch auf andere in dieser Hinsicht einzuwirken, dass diese Dinge in den Hintergrund treten, wird noch zu beobachten sein."

Spock nickte. "Aber die Fürsprache der Generalin wird einiges wert sein. Letztendlich wird die Entscheidung bei der Kaiserin liegen, doch anhand unserer Informationen konnte ich mir ein ungefähres Bild von ihr machen. Sie ist eine der wenigen "Bewahrer" der Ka'ossianer. Lieutenant Commander Yamilu, Lieutenant T'Mara und ich sind zu dem Schluss gekommen, dass die Ka'ossianer ähnlich wie ein Bienenstaat organisiert sind. Eine Königin, die für den Nachwuchs sorgt, Kriegerinnen, Versorgerinnen, Erbauerinnen und Drohnen."

"Eine einzige Frau, die für den Nachwuchs sorgt? Sind die Bewahrer so langlebig? Ich habe nichts Entsprechendes den Berichten entnehmen können. Wenn sie kurzlebig sind, stehen sie kurz vor dem Aussterben."

"Nein, meine Analogie ist in der Hinsicht nicht zutreffend", korrigierte Spock sich, "es gibt sehr viel mehr Bewahrer, oder Bewahrerinnen, sollte man sagen, als nur die Kaiserin. Der Unterschied jedoch ist, dass die Kinder der Kaiserin ausschließlich Bewahrerinnen sind. Genaue Zeitangaben konnte ich nicht herausfinden, aber sie scheint außerdem extrem langlebig zu sein."

A´kebur nickte. "Die biologischen Unterschiede müssen wir noch herausfinden. Die Männer und Frauen der Kao'ssianer auf dem Schiff entsprechen einander. Sie könnten Kinder zeugen. Aber der Doktor sagte, dass sie sie nicht austragen können. Keiner von beiden. Dr. McCoy ist sich nicht sicher, ob das evolutionsbedingt ist oder es sich um eine Züchtung handelt. Das passt mit dem zusammen, dass es Bewahrer gibt. Dann die Bewahrerkaiserin, die selbst das ist, nun sagen wir, Hüterin. Wir sollten die Bewahrer, die Allerersten, weiterhin Bewahrer nenne, um nicht durcheinanderzukommen. Die Bewahrer, die die Nachkommenschaft austrägt, sollten Hüterinnen heißen."

"Ich bin mir nicht sicher, ob es sich nicht doch um ein und dieselbe Spezies handelt", erwiderte Spock nachdenklich, "alles, was wir vom Erscheinungsbild der Bewahrer haben, ist vage. Die Computerhologramme müssen keine genaue Wiedergabe ihres Aussehens sein, und wir haben keinerlei Knochenfunde oder DNA-Informationen."

"Ja, aber dennoch sollten wir die Begrifflichkeiten sortieren. Bewahrer, die den Nachwuchs austragen und Bewahrer, die die Allerersten sind. Ich habe gesehen, dass Lieutenant T'Mara einen entsprechenden Vorschlag eingebracht hat. Sie erstellt zudem ein Lexikon."

"Der Begriff der Bewahrer ist allerdings zu sehr etabliert, um ihn effektiv ändern zu können. Ich würde auch eher vorschlagen, für die Ka'ossianerinnen, die die Kinder austragen, den Begriff Hüterin zu verwenden. Faszinierend ist die etymologische Ähnlichkeit der Begriffe trotzdem, obwohl "Bewahrer" ein von uns geprägter Begriff ist für jene Rasse, die einst intelligentes Leben auf bewohnbaren Planeten aussäte."

A´kebur nahm einen weiteren Schluck von dem Tee. Er legte sich wie Balsam auf seine geschundenen Nerven und ließ seine Gedanken fliegen. A´kebur nahm sich vor, die Inhaltsstoffe dieses Tee später zu analysieren und deren Wirkung auf ihn. Im Moment jedoch war das zweitrangig. "Die wissenschaftliche Abteilung ist auch da am Forschen. Sie saugt alles auf, was sie durch die Treffen mit der Generalin erfahren können. Wir sind noch etwa vier Tage unterwegs. Ich habe den Eindruck, dass es für einen Austausch von Mannschaftsmitgliedern noch zu früh ist, andererseits könnte das unsere einzige Gelegenheit sein, außerhalb des Protokolls Erfahrungen auszutauschen. Nun, Ungeduld kann andererseits auch die Gefahr mit sich bringen, dass sie uns wieder in ein Wasserbecken werfen und abschrubben."

Amüsement schien in Spocks dunklen Augen zu funkeln. "Kein Gewinn ohne Risiko", meinte er, "aber ich glaub auch nicht, dass sobald ein Austausch dieser Art stattfinden wird. Tageweise vielleicht, aber nicht auf Dauer."

"Stundenweise und ich würde die Wissenschaftler der Enterprise in einen Rausch versetzen. Es reicht also vollkommen, wenn wir ein, zwei Leute auf die Endal bekommen."

"Ich werde das der Generalin vorschlagen, und auch sie soll zwei ihrer Crewmitglieder hierher schicken. Es mag bald der richtige Zeitpunkt dafür sein."

A´kebur drehte die Tasse in seinen Händen und lächelte. "Gut, dass Sie das positiv sehen."

"Ich ziehe nur logische Konsequenzen", gab Spock zurück und sah A´kebur fast abwartend an.

Dieser jedoch schüttelte nur den Kopf. "Ja, logische Konsequenz", sagte er aber und merkte erst zu spät, dass seine Körpersprache mit seinen Worten nicht korrespondierte. Er unterließ jedoch eine Korrektur.

Spock wartete einen Moment, dann meinte er: "Gibt es noch etwas, Captain, über das Sie sprechen möchten?"

"Nein, eigentlich nicht. Ich werde dann gehen. Danke für den Tee." A´kebur neigte leicht sein Haupt.

"Gute Nacht, Captain. Und wenn ich mir die Bemerkung erlaube, Sie sehen erschöpft aus. Sie sollten sich ein wenig erholen."

A´kebur blieb stehen und drehte sich wieder um. Er sah ihn ungläubig an. "Sie sind heute der zweite, der mir das sagt", meinte er. "Vielleicht sollte ich wirklich mehr schlafen. Meditation funktioniert im Moment gar nicht."

Spock hob eine Augenbraue. "Nicht jeder erschöpfte oder unruhige Zustand lässt sich mit Meditation beheben. Sie sollten auf andere Alternativen zurückgreifen, Sir."

"Es gibt keine akzeptablen Alternativen, Mr. Spock. Aber danke für Ihre Anteilnahme."

"Das hat nichts mit Anteilnahme zu tun, Captain. Es ist meine Pflicht, Sie daran zu erinnern, dass Sie eine Pflicht der Crew gegenüber haben. Wenn Sie erschöpft und unruhig sind, sind Sie kein akzeptables Vorbild und sind anfällig für Fehler. Ich schlage vor, Sie ändern etwas an Ihrem Zustand, oder ich muss zu dem schlimmsten aller Mittel greifen und Dr. McCoy benachrichtigen."

A´kebur schnaubte. "Ich weiß, was meine Pflicht ist, Mr. Spock. Drohen Sie mir nicht mit dem Arzt. Und ich werde keinen Fehler machen. Ich bin kein unerfahrenes Greenhorn. Mag sein, dass ich erst vor kurzem Captian geworden bin, aber ich bin nicht erst seit gestern Offizier."

"Ich rede auch nicht von bewussten Fehlern oder Fehlern aus Unerfahrenheit. Ich rede von Fehlern, die durch emotionale Unausgeglichenheit entstehen", erwiderte Spock ungerührt.

A´kebur bleckte warnend die Zähne. "Ich bin nicht emotional unausgeglichen. Mir geht es perfekt. Und selbst wenn nicht, dann geht es niemandem etwas an. Ich mache keine Fehler. Erst recht nicht aufgrund von Gefühlen."

"Sie sollten aber nicht warten, bis Sie es tun, Sir, dazu ist die Lage zu prekär. Allein Ihre Reaktion verrät Sie schon. Ich mache Ihnen keinen Vorwurf, Captain. Aber tun Sie etwas dagegen, oder ich muss doch mit Dr. McCoy reden." Spocks Blick war klar und überlegen.

Für einige Minuten herrschte angespanntes Schweigen. Weder A´kebur noch Spock rührte sich. Dann gestand A´kebur: "Ich kann nicht und ich werde damit zurecht kommen. Ich bin immer damit zurechtgekommen."

"Warum nicht, Captain? Was ist das Problem?", fragte Spock diesmal sanfter.

"Begehren, Liebe, Sehnsucht … Nicht mehr und nicht weniger. Entschuldigt, dass ich Euch damit belaste, T'Kehr[1]."

"Sie belasten sich offenbar nur selbst, A´kebur Lanar", wurde auch Spock ein wenig persönlicher, "und was hindert Sie, der entsprechenden Person einen Antrag zu machen?"

A´kebur leckte sich über die Lippen. "Sie ist perfekt", hauchte er.

"Wenn ich eines gelernt habe in meinen langen Jahren, dann, dass niemand perfekt ist. Und dass nicht genutzte Chancen die schlimmsten Fehler darstellen. Sprechen Sie mit ihr. Entweder Sie lehnt Sie ab und Sie können darüber hinwegkommen, oder Sie sagt zu und diese Mission ist gerettet." Spocks Augen funkelten in stillem Lächeln.

"Wegen einer Verliebtheit? Es kann nur Verliebtheit sein. Sie ist Vulkanierin und ich weiß eigentlich nichts über Vulkanerinnen. Außer meiner Mutter, meiner Großmutter und meiner Urgroßmutter und meinen Cousinen habe ich keine näher kennengelernt."

Spock machte eine Bewegung, dass A´kebur wieder hereinkommen sollte. "Dann werde ich Ihnen etwas zu dem Thema sagen, wenn Sie erlauben."

A´kebur zögerte kurz, dann folgte er Spock zurück in dessen Quartier. Denn, was hatte er schon dabei zu verlieren? Spock war niemand, der jemanden seine Unzulänglichkeiten spüren ließ. Nicht einmal, wenn er sie aussprach.

 

A´kebur ging die Berichte des Schiffs durch und zeichnete diese ab. Sie waren nun schon gut eine Woche in der Umlaufbahn des Hauptplaneten des Reiches der Ka'ossianer. Aber man empfing sie nicht. Botschafter Spock tat derweil so, als wäre es völlig normal, wenn man einen Gast warten ließ. Wahrscheinlich war es sogar so. Man wollte sie fühlen lassen, dass sie weit unter allem standen. Es gab nicht einmal einen Kontakt zum Raumstationsring um den Planeten. Bis auf die kurze Einweisung am Tage ihrer Ankunft. Seitdem verging die Mannschaft in eintöniger Routine, während sie gleichzeitig vor Anspannung platzte. A´kebur hatte den Counselor angewiesen, für ein ausgleichendes Freizeitprogramm zu sorgen.

Aber auf Dauer war das keine Lösung. Mit einem stummen Seufzer und ausdrucksloser Miene übergab er die Berichte dem Yeoman und sah zum Bildschirm, der einen phantastischen Blick auf Ka'oss Prime bot.

Der Planet lag in einem Sonnensystem, dessen Zentralstern bereits zum weißen Zwerg geworden war und laut Berechnungen nur noch einige Millionen Jahre glühen würde. Daher rührte auch die Adaption der Ka'ossianer an die Dunkelheit, denn Ka'oss Prime war der 135. Planet in diesem System und kreiste zusätzlich sehr weit außen. Auch die andere besiedelten Planeten waren den Gegebenheiten angepasst worden, sodass die Ka'ossianer überall in Dunkelheit leben konnten.

Inzwischen waren alle Daten über Ka'oss Prime gesammelt worden; die Scans durchdrangen nicht die zusätzlich errichtete, elektromagnetische Schutzhülle. Auch Generalin Tir'Dran hatte sich nicht mehr gemeldet, seit sie die Enterprise bis hierher eskortiert hatte. Ihr Schiff war beigedreht und hatte an einer der gewaltigen Stationen angedockt, die wie bizarre Kristallformationen im Orbit schwebten.

A´kebur unterdrückte ein allzu menschliches Gähnen. Wo war die eiserne Disziplin eines Vulkaniers, wenn man sie brauchte?

Der letzte Bericht war vom diplomatischen Korps gewesen. Kaval erwies sich dabei als ausgezeichneter Assistent des Botschafters und hielt sogar die ungeduldigen menschlichen Kollegen in Schach. Auch die anderen Rassen, aber bei weitem waren die Menschen am ungeduldigsten.

"Mr. Troi, ich habe Ihren Bericht gelesen", meinte er leise, "Wie es mir scheint, ist die Mannschaft guter Dinge in Anbetracht der Lage. Wie lange schätzen Sie, wird es zu ersten Ausfällen kommen und die ersten nennenswerten Fehlhandlungen um sich greifen."

"Schwer zu sagen, Captain." Thomas trat neben ihn, damit nicht die ganze Brücke die Unterhaltung mitbekam. "Noch haben alle genug zu tun mit Analysen und Forschungen, aber die Warterei zehrt an den Nerven. Botschafter Spock erwägt bereits zur Oberfläche mit einem Shuttle zu fliegen. Auch ohne Erlaubnis der Ka'ossianer. Möglicherweise erwarten sie sogar, dass wir handeln, dass wir sie herausfordern, um zu zeigen, dass wir ebenbürtige Gesprächspartner sind. Die Ka'ossianer sind widersprüchlich in ihrem Stolz."

"Botschafter Spock …" A´kebur dämpfte seine Überraschung. Er verschwieg seine Gedanken. Aber offenbar waren Vulkanier mit dem Alter alles andere als logisch, zurückhaltend und diplomatisch, wenn auch Spock alles andere als alt war – für einen Vulkanier bei dem man sich ab einem gewissen Alter würde Sorgen machen müssen. "Lieutenant Ch'Grawbil, sichern Sie bitte die Shuttledecks besonders", befahl er und ignorierte die vagen Zuckungen einiger Mundwinkel, die eindeutig Amüsement verrieten.

"Captain, er will natürlich die Sache mit Ihnen besprechen; er hat nicht vor, ohne Ihre Erlaubnis zu handeln", wandte der Counselor ein. "Er erwog es lediglich als Möglichkeit, falls sich innerhalb der nächsten zwei Wochen nichts tut."

A´kebur sah seinen Sicherheitschef an und dieser nickte. "Verstanden, Sir", murmelte dieser. "Botschafter Spock besitzt eine gewisse Berühmtheit für unkonventionelle Lösungen. Ich will sicher gehen, dass ich auch wirklich vorher Bescheid weiß."

"Dann gehen Sie zu ihm, Sir, und halten Sie Kriegsrat", schlug Troi vor. "Wir halten auf der Brücke schon die Stellung."

"Das diplomatische Korps wird mich informieren", sagte A´kebur bestimmt und fügte in Gedanken hinzu, dass er sonst Kaval zum Zweikampf herausfordern würde - einschließlich der übrigen Botschafter und Sekretäre und Assistenten.

"Natürlich, Sir. Aber Sie sind seit über zwölf Stunden auf der Brücke." Counselor Troi sah ihn an.

A´kebur musterte ihn intensiv.

"Meine Auflage für die Erholungsphasen der Mannschaft gibt auch für Sie. Wir werden Sie natürlich benachrichtigen, wenn sich etwas an der Lage ändert, Captain."

A´kebur fragte sich, wo Insubordination anfing und wo sie aufhörte. Dennoch befahl er: "Commander Aera, Sie haben das Kommando."

"Aye, Sir", erwiderte sie. Troi zog sich wohlweislich zurück, um dem Captain den Weg freizumachen, als der die Brücke verließ.

A´kebur war versucht, ihm telepathisch eine Verwarnung zuzustellen, er unterließ es jedoch, da es nicht dem Codex entsprach und alles andere als ehrenvoll war.

Wahrscheinlich würde er Troi darum ersuchen, von seinem Posten zurückzutreten. Sein Verhalten untergrub die Position des Captains und das war nichts, was A´kebur länger tolerieren würde. Was spielte es für eine Rolle, dass er zwölf Stunden auf der Brücke gewesen war? Ohne Leistungsverlust konnte er die dreifache Zeit auf der Brücke sein. Zudem hatte er sowieso nichts weiter zu tun, so lange die diplomatischen Kanäle schwiegen.

Dennoch war der Schiffscounselor genau wie der Bordarzt eine Autorität, die er nicht einfach umgehen konnte. Sie konnten ihn absetzen, wenn sie ihn für kommandounfähig erachteten. Das war der Grund, warum er ihnen sich jetzt unterwarf. Aber A´kebur spürte, dass seine Geduld sich bedenklich dem Ende neigte. Dr. McCoy war noch akzeptabel, wenn auch nicht willkommen. Aber Mr. Trois Art überschritt bei ihm regelmäßig Grenzen, deren Überschreitung er nur in Ausnahmefällen duldete oder weil es sich um einen Menschen handelte, der nur vorübergehend in seinem Leben eine Rolle spielte. A´kebur notierte sich, dass er Mr. Troi nach der Mission um sein Versetzungsschreiben bitten würde und die Bitte würde ein Befehl sein.

Dennoch konnte er nicht umhin sich einzugestehen, dass er ruhelos war und das nicht nur wegen des Wartens auf die Reaktion der Ka'ossianer. Zum einen hatte er sich immer noch nicht dazu durchgerungen, T'Mara zu mehr als einem unpersönlichen Gespräch über ihre Mission einzuladen. Und zum anderen war da hin und wieder Tiarens Geist in seinem Hinterkopf, der fragend anklopfte.

Er bot ihm jedoch nicht mehr als eine abweisende Mauer, was jedoch nicht viel wert war, da sie intim verbunden im Zweifel nichts voreinander verbergen konnten. Aber Tiaren besaß soviel Anstand, dass er sich nicht Zugang verschaffte. Eigentlich ein erstaunliches Verhalten für einen Romulaner.

A´kebur hatte nicht vor, mehr darüber nachzudenken, als unbedingt nötig. Sie waren aneinander gebunden, aber er empfand nichts für ihn, außer das Wissen und das Gefühl, dass er für ihn die Verantwortung trug.

A´kebur ging in sein Quartier und nahm sich die Pläne vor, die die passiv gescannten Anlagen des Planeten anzeigten. Sie gaben keine Auskunft über Gebäude, Flora und Fauna, nur über die Geographie des Planeten samt des Wetters, selbst wenn aufgrund des Feldes auch diese Daten unbefriedigend diffus blieben. Was sich dort unten verbarg, darüber konnte man nur spekulieren. Die entsprechenden Wissenschaftsstationen hatten bereits mehrere Theorien aufgestellt, und Lieutenant Commander Yamilu hatte diese für ihn zusammengefasst.

A´kebur erwartete mit dem distanzierten Interesse eines Beobachters, dass Mr. Troi ihn daran erinnerte, dass seine Ruheschicht begonnen hatte. Er hatte zwar alle Zugänge geschlossen, was die Abfrage über die Datenbanken anbelangte, sobald er seine Berechtigung eingab, aber telepathisch schien der Mann ihn auf irgendeine Weise zu überwachen. Im Grunde war es lächerlich, aber A´kebur war im Moment nicht willens, sich darüber zu ärgern. Er überlegte mehrere Strategien, die auch von seinen Offizieren durchgedacht worden waren und nach Wahrscheinlichkeiten gegliedert und Prioritäten geordnet.

Ein Angriff gegen die Obrigkeit der Ka'ossianer kam im Grunde nicht in Frage, außer sie erwarteten wirklich, dass sie sich als die Barbaren benahmen, die in ihnen gesehen wurde. A´kebur löste seine Haare und lehnte sich zurück.

Er war kein Diplomat, und Spock wusste im Augenblick auch keine rechte Lösung. A´kebur wünschte sich, mit Cindy sprechen zu können, aber die Subraumverbindung zur Föderation war vor mehreren Wochen durch die Störungen der kosmischen Nebel abgebrochen. Er war also auf sich gestellt und konnte sich nur mit seiner Besatzung beraten. Dabei führte der nächste Gedankengang wieder zu T'Mara, der Expertin für Bewahrerkultur.

A´kebur brauchte nicht zu prüfen, ob sie ansprechbar war. Sie hatte gerade Dienst. Er kontaktierte sie und fragte, ob sie Zeit hätte.

Die Antwort lautete natürlich ja, und einige Minuten später traf A´kebur sie auf ihrer Station an. Bei ihr war ein junger Vulkanier mit dem Abzeichen eines Lieutenants, der A´kebur bekannt war, den er jedoch nicht wirklich kannte. Lediglich seine Personalakte er gelesen und soweit sich A´kebur erinnerte, war er mit beim Empfangskommittee für die Ka'ossianer dabei gewesen.

"Sir", begrüßte dieser ihn mit typischer Steifheit, während T'Mara neben ihm weitaus entspannter wirkte, was an sich schon eine Annormalität darstellte.

A´kebur wusste, dass sie deswegen so etwas wie Scham empfand. Direkt ließ sie sich das nie anmerken, aber bestimmte Reaktionen hatten ihn bisher gewarnt, sie darauf anzusprechen. Vulkanier blieben Vulkanier, selbst wenn sie nicht wirklich in jeder Hinsicht welche waren. Er selbst wusste es nur zu gut. A´kebur suchte in seinen Erinnerungen schnell den Namen des anderen Vulkaniers. "Lieutnant T'Mara, Lieutenant Koljar", grüßte er, "stehen sie bequem." A´kebur verzichtete auf eine vulkanische Begrüßung. Sie waren auf einem Schiff, der Föderation und jeder Vulkanier, der Angehörige von Starfleet war, unterwarf sich den Regeln von Starfleet.

"Was können wir für Sie tun, Sir?", wollte T'Mara wissen. "Wir haben zu unserem vorläufigen Bericht noch nichts hinzuzufügen. Die Daten sind nicht ausreichend, um weitere plausible Theorien über die Beschaffenheit des Planeten aufzustellen."

A´kebur sah für einen Moment an den Lieutenants vorbei. "Das ist richtig. Sie sind jedoch Spezialisten für die Bewahrerkultur und Sie waren beide auf den Empfängen für die Generalin anwesend. Es geht um mögliche, spekulative Vorgehensmaßnahmen. Botschafter Spock spielt mit dem Gedanken, einfach unangemeldet zu erscheinen und ein Treffen zu erzwingen."

"Diese Taktik ist sehr risikobehaftet und in meinen Augen unlogisch", meinte Lieutenant Koljar, "aber Botschafter Spock folgt wohl einer etwas anderen Logik." Seine kühlen Worte verrieten, dass er von kreativer Interpretation nichts hielt.

T'Mara hingegen rief auf dem großen Computerbildschirm vor ihr das Bild einer Metalltafel auf, die mit winzigen Schriftzeichen bedeckt war; A´kebur konnte die Schrift der Bewahrer inzwischen lesen, aber es dauerte immer noch recht lange.

"Das ist ein Text aus dem Bewahrertempel auf Varaas 3", erklärte die Vulkanierin, "und das hier", sie rief ein zweites Bild auf, dass dem ersten von kleinen Unterschieden abgesehen glich, "ist eine komprimierte Darstellung der Oberfläche von der Endal. Die Ka'ossianer haben die Schrift der Bewahrer als Grundlage für optisches Design verwendet, aber nicht als Kommunikationsmittel. Sie mögen noch mehr übernommen und es zweckentfremdet haben. Vielleicht ist das ein Ansatzpunkt, wie wir ihnen begegnen sollten." Sie öffnete ein Seitenfach an der Wand und holte A´keburs Ring heraus. "Sie sehen Zephyrium als heiliges Metall an und seinen Träger als von den Göttern begünstigt."

"Ist dies eine gesicherte Information oder eine Vermutung?", fragte A´kebur ohne Ironie.

"Das ist Fakt. Beim Bankett sah eine der Offizierinnen den Ring bei Ihnen und Lieutenant Commander Yamilu fragte nach. Offenbar hat die Kaiserin eine Rüstung aus diesem Material und eine Krone; Zephyrium hat, wie wir in einer umfassenden Analyse feststellen konnten, direkten Einfluss auf biologische Organismen. Welchen Effekt er auf den Metabolismus der Ka'ossianer hat, ist nur zu vermuten, aber bei Menschen bewirkt er eine leichte Erhöhung des Adrenalinpegels im Blut. Vulkanier hingegen beeinflusst er nicht."

A´kebur sah sie interessiert an. "Und Klingonen?", fragte er.

"Wir konnten keinen praktischen Test durchführen, da sich kein Vollklingone an Bord befindet, aber durch die Blutzusammensetzung gehe ich davon aus, dass das Zephyrium ebenfalls das Adrenalin erhöht und aggressive Hormone freisetzt. Haben Sie beim Tragen eine Wirkung gespürt, Sir?", wollte T'Mara wissen, "Nach meinen Untersuchungen müsste es Sie jedoch nicht beeinflussen, da sie eine rein vulkanische Blutzusammensetzung haben, Sir."

A´kebur nahm den Ring und betrachtete ihn. Es war eine Art Ehering gewesen, so wie ihn die Menschen verwendeten. Etienne hatte ihm diesen gegeben lange nachdem sie schon miteinander verbunden gewesen waren. Vielleicht war das Geschenk nicht direkt als Eheringe gedacht gewesen. Aber später schon. A´kebur zog den Ring über seinen Finger und er saß perfekt. "Ich weiß es nicht", sagte er leise. "Ich kann nicht sagen, ob er überhaupt einen Einfluss auf mich hat. Aber mein Wesen ist nicht so ausgeglichen, dass es das Prädikat vulkanisch in irgendeiner Weise verdient."

"Nun, von biologischer Sicht aus ist ihr Blutbild vulkanisch, und das allein ist für das Metall von Bedeutung." T'Mara rief ein weiteres Bild auf; es war eine Zeichnung, die eine Figur mit vagen weiblichen Konturen in einer prächtigen Rüstung zeigte. "Dieses Bild wurde aus Fragmenten aus unterschiedlichen Bewahrertempeln zusammengesetzt; die Bewahrer haben nirgendwo figürliche Darstellungen gehabt, nur an einigen, verborgenen Stellen und immer nur unvollständig. Ich gehe mit Mr. Duvals These konform, dass das ihre Gottheit darstellt und gleichzeitig auch die Quelle ihrer größten Furcht. Die Bewahrer nutzten den Einfluss von Zephyrium ganz bewusst, aber waren sich der Gefahr bewusst, die gewissermaßen eine Überdosis mit sich trägt. Ich vermute, das Zephyrium verhalf den Bewahrern zu unglaublichen, geistigen Leistungen, verlängerte ihr Leben und gab ihnen Herrschaft über den Beginn des Lebens."

"Den Beginn des Lebens?" A´kebur konnte sich nicht an etwas erinnern, was mit der Geburt und den Bewahrern zu tun haben könnte. Er hatte wirklich alle Berichte gelesen, kannte die Schriften, die Bücher, die wissenschaftlichen Arbeiten und Veröffentlichungen. Er konnte passabel die Sprache. Aber das war ihm neu.

Lieutenant Koljar räusperte sich. "Lieutenant T'Mara und ich sind in der Hinsicht unterschiedlicher Meinung; Lieutenant Commander Yamilu hingegen hält alle Theorien noch für zu vage. Wir wissen mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass die Bewahrer die Evolution auf vielen Planeten beeinflusst haben, in dem sie die ersten lebenden Zellen dort aussetzten. Ob das Zephyrium dabei eine Rolle spielte, ist nicht klar, auch nicht, welche Wirkung es auf sie hatte. Ob und wie es auf die Ka'ossianer wirkt, können wir ebenfalls nicht sagen, doch da sie das Metall als heilig und kostbar betrachten und nur Ranghöchste es in größeren Mengen tragen dürfen, müssen wir davon ausgehen, dass die Wirkung bei ihnen spürbar ist."

"Wir stecken also in einer diplomatischen Falle. Angesichts dessen, da wir nur über geringe Mengen des Metalls verfügen, können sie nicht davon ausgehen, dass wir eine ähnlich hohe Position einnehmen." A´kebur zog die Augenbrauen zusammen. "Nein", sagte er bestimmt, "Wir können nicht nach ihren Regeln spielen. Uns fehlt zuviel. Wir müssen die Regeln bestimmen."

Beide Vulkanier hoben synchron die Augenbraue. "Und wie, Sir?"

A´kebur neigte bei dem Anblick kurz sein Haupt. Vulkanier waren faszinierend, wenn sie auf Unlogik, Gefühle und ausweglose Situationen trafen. "Wir fliegen ab!", sagte A´kebur. "Wir erforschen das Sonnensystem. Es wird ihnen nicht gefallen, ignoriert zu werden."

"Sir? Denken Sie nicht, dass das zu möglicher Aggression führen könnte?", wandte Lieutenant Koljar ein. "Die Ka'ossianer haben deutlich gemacht, dass sie uns nicht ohne Begleitung in ihrem Gebiet reisen lassen wollen."

"Richtig, aber sie denken auch, dass sie die Herren des Universums sind. Wir müssen sie in Zugzwang setzen und ihnen die Verantwortung geben, ohne den Einfluss zu haben. Wir bestimmen die Regeln, sonst warten wir hier, bis auf der Enterprise die dritte Generation erwachsen geworden ist."

"Ich halte es allerdings auch für sehr riskant, Sir. Was sagen Ihre Senioroffiziere dazu?", fragte T'Mara.

A´kebur hob eine Augenbraue. Die junge Vulkanierin sah zu Boden. "Verzeihung, Sir, ich wollte Sie nicht anzweifeln. Ich werde mich nun wieder den Analysen zuwenden."

"Ich hatte erst einmal vor, Ihre Meinung zu erfahren …" A´kebur warf noch einen Blick auf das Bild und wandte sich mit dem Gefühl von Enttäuschung innerlich ab. "Machen Sie weiter!", murmelte er.

"Aye, Sir", erwiderten die beiden Vulkanier und nahmen ihre Arbeit wieder auf. Als A´kebur die Station verließ, spürte er jedoch T'Maras Blick im Nacken.

Er wandte sich nicht um. Sie mochte Recht haben, aber sie hatten einen Vorwurf erhoben, der schwer wog. Es war, als würde er im nächsten Moment losziehen und einen Planeten zusammenschießen. Offenbar war sie genauso von Vorurteilen behaftet, wie die meisten Menschen.

Ein Klingone dachte nicht nach, sondern zog erst die Waffe und kämpfte, bevor er Alternativen abwog. Zu gern hätte er ihre Gedanken gehört, aber an seine Senioroffiziere verwiesen zu werden, ließ alles in ihm gefrieren. Er war nicht einmal wütend, eher enttäuscht. Er ließ jedoch eher T'Mara fallen. Sie war wie alle Vulkanerinnen. Es war nur ein Wunschtraum gewesen und seine Lenden hatten gesprochen, während seine Erfahrung für einen Moment geschwiegen hatte. Dafür jedoch widmete er sich der Idee, eine andere Art der Herausforderung auszusprechen.

Die Generalin hatte gut reagiert, als er sie herausgefordert hatte. Natürlich war das Mineral ein Problem, sollte es zu höherer Aggressivität führen. War dies jedoch mit Größenwahn verbunden, bestand durchaus die Möglichkeit, dass man ihr Tun einerseits nicht sehr ernst nehmen konnte und andererseits sehr ernst nehmen musste. Leider jedoch wussten sie über die Herrin dieser Welt nicht das Geringste. Eine Einschätzung war nahezu unmöglich. A´kebur gestand, dass er darüber erst einmal meditieren wollte. Vielleicht bot sich ihm ein Weg, auch dieses Puzzlestück zu finde, ohne dabei die Wissenschaftlerin für die Bewahrerkultur sprechen zu müssen.

Ohne Umschweife kehrte A´kebur in sein Quartier zurück, tauschte die Uniform gegen ein traditionelles vulkanisches Gewand und setzte sich im Halbdunkel mit gekreuzten Beinen auf ein Kissen. In letzter Zeit hatte er jegliche Meditation sträflich vernachlässigt, und er meinte fast, Lials mahnende Stimme zu hören, die ihn dazu aufforderte.

 

Troi hatte die Arme auf den Rücken gelegt und starrte mit unverwandtem Blick hinaus in die Dunkelheit des Alls. Sie hatten eine Rotation gemacht, so dass der Planet unter ihnen lag. Das sowieso schon spärliche Licht der gefilterten Frequenzen reichte nicht aus, um die Umgebung zu erleuchten und die anderen Sterne waren zu weit entfernt. Diese Welt war merkwürdig, kalt, fast abweisend.

Er nahm zwar etwas wahr, aber im Gegensatz zur Enterprise war es jedoch nur ein schwaches Flackern. Im Vergleich zu seinem Captain aber war selbst das Leben auf der Enterprise ein lauer Wind, während der Captain einem Vulkan glich, der ausgebrochen war.

Troi erkannte, dass er einen Fehler begangen hatte. Es wäre kein Fehler gewesen, wenn der Captain ein Mensch gewesen wäre. Ihm war in seinem ganzen Leben noch nie so eine komplexe Persönlichkeit begegnet, wie dieser Mann. Er besaß Leidenschaft, Kraft, Wut, Zorn und Liebe. Aber auch Verzweiflung, Trauer, Gerechtigkeitssinn und den Glauben, dass manche Dinge sich mitunter mit einem Fausthieb sehr viel einfacher lösen ließen, er aber zugunsten der komplizierten Lösungen sich in dieser Hinsicht zurücknahm. Er zeigte sogar ein faszinierendes diplomatisches Geschick, welches ihm wohl von der Admiralität nur von seiner Tochter zuerkannt worden war.

Seine Schritte wiesen unabhängig von dem Verlauf und dem Ergebnis, zugrundeliegende Analysen auf, die durchblicken ließen, dass er sich sehr wohl überlegte, was er tat.

Doch sein Captain war auch empfindlich wie ein zerbrochenes Gefäß aus feinstem Porzellan, das jemand wieder zusammengeklebt hatte.

Troi konnte nicht so tun, als hätte er die starke Welle der Abneigung nicht gespürt, die ihn auf der Brücke überrollt hatte. Captain A´kebur hasste es, wenn man an seiner Leistung zweifelte, weil er sich nicht an die Regeln der Ruhezeiten hielt. Er ignorierte seine eigenen Schmerzen und tat seine Pflicht ohne Rücksicht auf sein eigenes Innenleben. Er wollte nicht an seine Unzulänglichkeiten erinnert werden.

Troi musste zugeben, dass er das vergessen hatte.

Er atmete tief durch. Er konnte nur hoffen, dass der Fehler sich nicht auswirkte. Doch so wie die Gefühle aussahen, sah es nicht gut aus.

Andererseits konnte ein Captain von Starfleet nicht beleidigt sein, wenn seine Offiziere nur ihre Pflicht taten. Es war eine mehr als nur komplizierte Situation und im Augenblick ungünstiger als jemals zuvor.

Thomas Troi zog sein Uniformoberteil glatt und überlegte, was er machen sollte. So oder so mussten A´kebur und er die nächsten Jahre noch miteinander auskommen. Kurzerhand kontaktierte er den einzigen, den er in der Angelegenheit als bessere Autorität in Sachen zwiespältiger Persönlichkeit akzeptierte: Botschafter Spock.

"Mr. Troi, was kann ich für Sie tun?", fragte ihn dieser mit seiner typisch sonoren Stimme, die offenbar niemals so etwas wie Ungeduld zeigte oder das Gefühl vermittelte, dass man störte.

"Botschafter, ich wollte fragen, ob Sie einige Minuten für mich erübrigen könnten. Ich wäre dankbar, wenn ich etwas mit Ihnen besprechen könnte."

"Ich stehe Ihnen zur Verfügung, Mr. Troi. Ich erwarte Sie!" Thomas unterbrach die Verbindung und kam einige Minuten später bei Spocks Quartier an. "Danke, dass Sie sich Zeit nehmen, Sir. Ich müsste mit Ihnen über den Captain reden." Troi sah ein wenig zerknirscht und lächerlich jung aus für einen Moment. "Ich fürchte, er denkt, ich stehe nicht hinter ihm und zweifle ihn an, weil ich mich permanent besorgt um seinen Zustand zeige."

Botschafter Spock sah ihn einen Moment an, ohne erkennen zu geben, was er dachte. "Tun Sie das?", fragte er und deutete an, dass Mr. Troi sich auch setzen durfte.

Der Counselor nahm Platz. "Besorgt bin ich, aber ich zweifle ihn nicht an. Es beunruhigt mich nur, dass er in letzter Zeit noch verschlossener scheint als sonst, gepaart mit einer Unruhe, die in unserer momentanen Situation nicht sonderlich ratsam ist."

Spock ließ sich auf den anderen freien Sessel sinken. "Nein, Rastlosigkeit scheint in unserer Situation nicht ratsam", meinte er neutral. "Darf ich Sie etwas fragen, Mr. Troi?"

"Natürlich, Sir."

"Was erwarten Sie von Captain A´kebur? Sie, in Ihrer Position als Counselor!"

"Nun, das, was jeder hier auf dem Schiff erwartet: Dass er die richtigen Entscheidungen trifft. Natürlich weiß ich, dass er das nicht immer kann, weil niemand perfekt ist. Aber dafür hat er ja uns Senioroffiziere."

Spock lächelte minimal. "Sicher, dass das alles ist?", hakte er nach.

Troi zuckte leicht mit den Schultern. "Ich persönlich wünschte mir, er würde mehr auf sich achten. Ein Captain ist immer ein Beispiel für die ganze Crew, aber wenn er Doppelschichten schiebt, als wäre es nichts, denken hinterher alle, er erwarte von ihnen das Gleiche. "

Spock nickte. "Um Ihre Bedenken zu nehmen, ich denke, dass der Captain bei bester Gesundheit ist und sein Verstand ausgezeichnet arbeitet. Ich gestehe, dass ich niemanden kenne, der es schafft, seine Arbeit zu tun, und seine eigenen Gefühle dabei vollkommen außer Acht zu lassen. Nicht einmal Vulkanier sind dazu in der Lage. Was das andere angeht: Vulkanier neigen zu Übertreibungen, nach Ansicht der Menschen. So lange er nicht sagt, was er von seiner Crew erwartet, sollten Sie nicht davon ausgehen, dass er erwartet, dass alle diese Ausdauer haben. Vielleicht sollten Sie ihn bitten, das der Crew klar zu machen. Bei einer neuen Mannschaft mit einem neuen Captain müssen die Spielregeln immer erst gefunden werden. Es dauert seine Zeit, bis jeder weiß, wie der andere ist und was wirklich wichtig ist."

"Ja, natürlich. Aber ich kann mich nicht dafür entschuldigen, dass ich meine Arbeit mache. Es ist mein Job, ihn mit unbequemen Dingen zu nerven." Troi lachte leise und es klang nicht ehrlich, selbst in seinen Ohren nicht.

Spock überlegte. "Haben Sie ihn gelobt?", fragte er auf einmal und überraschte damit Troi.

"Gelobt? Ja, ich denke schon. Ich meine, ich habe ihm jetzt nicht den Kopf getätschelt und gut gemacht gesagt, aber …" Er stockte. "Denken Sie, es ist so einfach?"

"Mhm, mitunter ja. Stellen Sie sich vor, Sie übernehmen von einem Tag auf dem anderen das Kommando über die Enterprise, führen eine Crew, die Sie immer noch kennenlernen, in eine schwierige Mission, versuchen die vielfältigen Charaktereigenschaften Ihrer Senioroffiziere einzuschätzen, deren Stärke, Schwäche und Erfahrungen, müssen sich mit einigen ziemlich verwirrenden privaten Dingen herumschlagen und dabei noch einen Counselor zu ertragen, der jeden Schritt, den Sie tun, kommentiert, einen ins Bett schickt und außerdem ein Empath ist, wobei Sie der Meinung sind, dass Gefühle Ihre Privatangelegenheit sind. Sie sind in allem befähigt, aber die Grenzen müssen ausgelotet werden, das Chaos geordnet und die Welt gerettet und jemand sagt, beenden Sie Ihre Schicht und hören Sie auf zu denken, während Sie eher glauben, mitten in einem Balanceakt mit sehr teurem Porzellan vor eine Wand geschubst zu werden. Außer der Aussage, sich zurückziehen zu sollen, gab es keine Resonanz. Zwanzig Stunden unter der Beobachtung kritischer Menschen, die einem nicht unbedingt vertrauen. Einer Crew, die vielleicht einem halben Klingonen misstraut. Einem Counselor, der einen indirekt kritisiert."

Thomas konnte nicht umhin, ihm recht zu geben. "Ja, natürlich. Aber niemand hat gesagt, dass es einfach werden würde. Und dass er halber Klingone ist, interessiert auf diesem Schiff niemanden. Aber das Kommando der Enterprise ist ein Balanceakt unter den Augen aller. Man kann ihn nicht 24 Stunden am Tag bewältigen, ohne zu fallen. Ich denke aber manchmal, dass der Captain sich selbst am allermeisten etwas beweisen will."

Spock sah ihn ruhig an und nickte. "Ja, da haben Sie recht. Und zwar Ihnen, den Senioroffizieren, der Crew und der Admiralität, die nicht glaubt, dass er es schafft. Vor allen Dingen letztere glaubt das nicht. Vergessen Sie nicht, dass er nicht weiß, was die Crew denkt. Er ist kein Empath."

"Dafür bin ich ja da, und ich habe ihm auch gesagt, wie die Mannschaft denkt: Dass sie es spüren kann, wenn der Captain unsicher ist. Und in dieser prekären Lage brauchen sie erst recht jemanden, der Zuversicht zeigt. Die ganze Sache dreht sich damit ein wenig im Kreis, und ich sollte vermitteln können. Aber das erweist sich eben als schwierig."

"Nun, dann lass Sie mich noch etwas fragen: Was ist Zuversicht für einen Menschen, für einen Klingonen und für einen Vulkanier?"

Das war natürlich eine rhetorische Frage, aber Troi musste sich eingestehen, dass es für sie alle etwas andere darstellte: Für Klingonen war Zuversicht Unerschrockenheit im Kampf, sogar Leichtsinn, für Vulkanier das absolute Vertrauen in ihre Logik, für Menschen das Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten. Und um Letzteres ging es hier. A´kebur musste in allem Zuversicht zeigen, nicht nur in Sachen Mut und Logik.

Aber er war ein halber Vulkanier, ein halber Klingone in einer Mannschaft, die zu einem großen Teil mit menschlichen Kriterien gemessen werden konnte. Troi musste sich eingestehen, dass er nicht gesagt hatte, was für eine Zuversicht die Mannschaft brauchte. Dieser Mann war eindeutig komplizierter als gedacht.

Dankbar nahm Troi auf, dass sie wohl wirklich noch versuchten, einander zu verstehen. Auch wenn sie jetzt schon gleich zu Anfang eine schwere Mission gehabt hatten, es hatte bisher keine Zeit gegeben, wo man sich aufeinander einspielen konnte. Botschafter Spock hatte recht: Sie standen allesamt noch am Anfang.

Und da A´kebur sicher nicht mehr auf ihn zugehen würde, musste Troi es tun. Auch er sollte dem Captain zeigen, dass er nicht nur die Schiffs-Klatschtante war, sondern um Vermittlung bemüht. Doch sie alle machten eben Fehler.

"Ich denke, ich verstehe langsam ein bisschen besser", meinte Thomas, "Ich danke Ihnen, Sir."

Spock nickte. "Ich danke Ihnen. Sie sind ein guter Counselor. Die Enterprise hat schon immer eine Crew angezogen, die etwas Besonderes war. Sie war zum Teil wie die anderer Starfleet-Schiffe. Großartige Offiziere und Wissenschaftler. Aber sie war auch immer ein Stück anders. Diese Enterprise steht in dieser Tradition und wird ihr gerecht. Aber eines kann ich Ihnen auch versichern: Captain A´kebur ist nicht Captain Picard. Vielleicht steht er mehr in den Fußstapfen von Captain Kirk, auch wenn dieser Vergleich eher hinkt, wie Menschen zu sagen pflegen. Ich denke, Sie verstehen, was ich meine."

"Ja, natürlich. Ich bin selbstverständlich mit Geschichten über die Enterprise unter Jean-Luc Picard aufgewachsen; bei meinen Großeltern ganz unvermeidlich." Troi schmunzelte. "Aber die haben sowohl Kirk als auch Picard gekannt. Es ist wohl etwas unfair gegen über Captain A´kebur, sich an solchen Helden messen zu müssen, ganz gleich, wie viel er schon geleistet hat. Er sieht sich wohl immer noch mehr als Ingenieur und nicht als Anführer."

Spocks Augen funkelten amüsiert. "Ja, ein wenig. Aber er ist sich schon bewusst, was er hier tut. Dessen können Sie versichert sein. Er wäre gern Ingenieur geblieben, aber er ist der Aufgabe gewachsen und er hat sie ganz angenommen."

Troi nickte und stand auf. "Dann werde ich versuchen, ihm das auch klar zu machen. Ich danke Ihnen, Sir. Wir können froh sein, Sie an Bord zu haben, und das nicht nur wegen der Ka'ossianer", erklärt er lächelnd.

"Ein Lehrer ist immer nur so gut wie die Schüler, die seine Lehre nachvollziehen können", meinte Spock. "Ich wünsche Ihnen eine angenehme Ruheschicht. Ich habe im Übrigen vor, morgen dem Captain einen Vorschlag bezüglich der Ka'ossianer zu machen. Ich benötige dabei vielleicht Ihre Fähigkeiten."

"Natürlich, Sir. Ich stehe Ihnen dann zur Verfügung. Ihnen auch eine gute Nacht, Botschafter", verabschiedete Troi sich.

 

Der Türsummer riss A´kebur aus seiner Meditation. Er hatte vergessen, ihn abzustellen, aber andererseits musste er als Captain jederzeit erreichbar sein. Und die Mannschaft würde ihn sicher nicht unnötig belagern, sah man einmal von Counselor Troi ab. Mit dem festen Entschluss, diesen durch die nächste Luftschleuse zu befördern, wenn er es wirklich war, stand A´kebur auf und öffnete.

Doch es war T'Mara. Als sie das Meditationsgewand sah, wich sie etwas zurück. "Entschuldigen Sie, Sir, ich wollte Sie auf keinen Fall stören. Ich komme später wieder."

A´kebur hielt sie mit einem Wink auf. "Treten Sie ein!", forderte er sie auf. "Ich bin für Belange des Schiffes und der Mannschaft immer zu erreichen." Er wich zurück, um zu zeigen, dass sie wirklich willkommen war.

"Danke, Captain." Die junge Vulkanierin trat ein und nahm Haltung an. "Sir, ich möchte mich in aller Form für mein Verhalten vorhin entschuldigen. Ich habe zu emotional reagiert und Ihre Autorität angezweifelt. Ich bitte hiermit um angemessene Strafarbeit."

A´kebur hatte gar keine Zeit, für einen Tee zu sorgen, denn das hatte er vorgehabt. Erstaunt sah er sie an. "Strafarbeit?", wiederholte er verständnislos.

"Oder ein Vermerk in meiner Akte. Es liegt in Ihrem Ermessen, Sir." T'Mara faltete die Hände hinter dem Rücken und sah A´kebur abwartend an.

A´kebur musterte sie einige Sekunden stumm. Er neigte leicht sein Haupt und lächelte dann minimal. "Es genügt, dass Sie wissen, dass Sie einen Fehler gemacht haben. Ich denke, dass eine Bestrafung, welcher Art auch immer nicht notwendig ist und zudem nicht angemessen. Sie können gehen, T'Mara."

"Danke, Sir." Doch sie zögerte. "Ich wollte Sie noch etwas fragen, Captain, da Sie einer größeren Belastung durch Gefühle ausgesetzt sind als andere Vulkanier. Würden Sie mir bei der Meditation helfen? Meine Techniken tragen in letzter Zeit nicht mehr dazu bei, meinen Geist ausreichend zu öffnen."

A´kebur glaubte sich verhört zu haben. Er war kein Lehrer in der Meditation und so war er versucht, sie zu einem geeigneteren und vor allen Dingen nicht so eingespannten Lehrer zu schicken. Aber im Moment traf auf niemanden diese Beschreibung zu. "Ich… äh", stotterte er, "bin kein Lehrer." Er räusperte sich. "Ich werde jedoch gern helfen, wenn ich es kann. Aber warum glauben Sie, dass ich durch meine Gefühle prädestiniert bin?"

"Nun, Sie wissen, wie schwer es ist, damit zu kämpfen. Meine vulkanischen Kollegen können es meist nicht wirklich nachvollziehen", erklärte T'Mara. "Daher wollte ich mich an Sie wenden. Ich weiß natürlich, dass Sie kaum Zeit erübrigen können."

A´kebur deutete zu den Bodenkissen und bot an, dass sie sich setzen konnte. "Ich kann Sie nur warnen. Meine Fähigkeiten sind begrenzt. Aber ich werde sehen, vielleicht kann ich wirklich da helfen, wo die Logik scheitert."

"Danke, Sir." Elegant nahm T'Mara Platz und A´kebur konnte nicht umhin, ihre katzenhaften Bewegungen zu bewundern, die für gewöhnlich Vulkaniern abging.

A´kebur erwischte sich beim Starren und tat daher in dem Moment das einzig vernünftige: Er zündete das Meditationslicht wieder an. "Ich habe keine andere Technik als andere Vulkanier. Ich fürchte, dass es zwar tausende von Arten gibt, aber für die meisten sind drei bis vier am effektivsten", meinte er.

"Nun, dann ist vielleicht Ihre Anwesenheit hilfreich." Das Kerzenlicht flackerte leicht und tauchte T'Maras Gesicht in einen goldenen Schein. Fast sah es so aus, als lächele sie, aber das war nur Schein, schließlich lächelten Vulkanier nur, wenn sie keine waren oder wenn sie Spock hießen. A´kebur schwor, dass er diesen Mann einmal hatte lächeln sehen. Nein, eigentlich mehrmals, aber dann immer auf eine Weise, die nicht auffiel. Aber auch das konnte ein Schein gewesen sein.

A´kebur rief sich zur Ordnung und schloss seine Augen. "Ich lasse mich meist von meinem Atem tragen", sagte er, "es ist die einfachste Technik, Gefühle zu beruhigen. Wenn sie zu stark sind, dann ist jede ausgefeilte Technik nur Ablenkung vom Wesentlichen."

T'Mara nickte und faltete die Hände, atmete tief durch. Ihre langen Wimpern beschatteten ihre Augen wie dunkle Flügel und A´kebur erwischte sich wieder dabei, wie er sie wieder anstarrte, weil er seine eigenen Augen wieder geöffnet hatte. So konnte Meditation auf keinen Fall funktionieren.

Zumindest nicht für ihn. Er atmete tief durch und hoffte, dass T'Mara Erfolg hatte, damit sie einfach wieder gehen konnte. Doch sie öffnete die Augen und schaute ihn an. A´kebur setzte sich unwillkürlich ein wenig gerader hin. "Ich fürchte, dass ich jetzt abgelenkt bin", gestand er.

"Störe ich Sie, Sir? Dann werde ich sofort wieder gehen." Die junge Frau machte Anstalten, sich zu erheben.

"Bleiben Sie bitte sitzen, T'Mara", hielt A´kebur sie auf. "Ich bitte um Entschuldigung. Die Frage, die ich mir stelle, berührt Ihre Privatsphäre und Sie können ablehnen, Sie zu beantworten. Ich würde gern wissen, was für Gefühle Ihrer Ruhe entgegenstehen."

T'Mara zögerte und nahm dann wieder Platz. "Nein, das ist eine berechtigte Frage, Sir. Mir fehlt es an logischen Informationen auf dieser Mission. Ich tendiere immer öfter dazu, intuitive Lösungsansätze zu wählen."

"Was Sie irritiert und verunsichert", fügte A´kebur mehr hinzu, als dass es sich um eine Frage für ihn handelte.

"Ja Sir. Es ist ein menschliches Verhalten. Ich habe immer sehr mit meinen Emotionen gekämpft und sehe, dass diese Reise meine Suche nach Logik und Disziplin nicht begünstigt."

A´keburs Augenbraue zuckte kurz. Er musste gestehen, ähnliches kannte er nur zu gut. "Ein Raumschiff ist der denkbar ungeeignetste Ort, um die Lehren Suraks zu vervollkommnen. Vulkan wäre die logische Wahl gewesen. Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht glauben."

T'Mara sah auf ihre gefalteten Hände. "Mein Wunsch war es immer, Starfleet beizutreten. Ich habe auf Vulkan meine innere Ruhe nicht gefunden, also hielt ich es für logisch, im Weg nach Außen den Weg nach Innen zu finden, wie T'Planahats Lehren es raten."

A´kebur gestand sich ein, dass er auf diesem Gebiet nicht sonderlich trittfest war. Daher nickte er nur leicht. "Nun", brummte er, "mitunter muss man auch Umwege gehen und an Erfahrungen wachsen", meinte er, ohne Recht zu wissen, was er eigentlich genau da sagte.

"Genau. Aber es ist mit so vielen störenden Einflüssen weitaus schwerer, als ich dachte. Dementsprechend bin ich mir meiner Logik nicht mehr sicher." T'Maras große dunkle Augen schienen noch mehr zu sagen, als sie laut aussprach.

"Und Ihrer Intuition vertrauen Sie nicht, weil Intuition nur nicht durchdachte Eindrücke sind, deren Analyse bisher nicht gelungen ist. T'Mara, ich kann Ihnen da kaum helfen. Entweder Sie vertrauen Ihrer Intuition oder Sie meditieren, bis Sie wissen, was Sie bewegt." A´kebur war fast verzweifelt, aber er bezähmte seine Verwirrung.

"Ja, Sir, ich werde es versuchen. Aber da ist noch etwas und ich glaube nicht, dass ich daran etwas ändern kann. Die logische Konsequenz wäre, damit abzuschließen, aber auch das kann ich nicht."

In A´kebur kribbelte es leicht, als würde eine Resonanz in ihm widerhallen. Er wartete, dass T'Mara mehr sagen würde. Den Grund.

"Sir, ich … es ist wohl wirklich besser, wenn ich jetzt gehe." Aber sie bewegte sich nicht.

A´kebur nahm den betörenden Duft war. Dann hatte er nur noch diesen Gedanken: Was gingen ihn vulkanische Normen an? Er hob seine Hand und näherte sich T'Maras Gesicht. Nur Sekunden wartete er, ob sie zurückzuckte, aber sie blieb und sah ihn nur an, dann berührte er ihre Wange.

Es war, als hätte er mitten in einen Laserstrahl gefasst, so heiß schien ihre Haut. A´keburs Fingerspitzen kribbelten und er fühlte, wie sein Atem schneller ging. Dann streckte T'Mara ihre Hand aus und legte sie spiegelgleich an A´keburs. In dessen Erinnerung tauchten vage Spocks Erläuterungen auf, was die Balz mit einer Vulkanierin betraf. Sie hatte ihn angenommen.

"Dagegen hilft keine Meditation", brummte A´kebur, der noch immer mit Überraschung und Erkenntnis kämpfte.

"Nein, Sir", gab T'Mara leise zurück. "Aber ich hätte nicht erwartet, dass Sie tatsächlich antworten würden."

"Ich wusste nicht, dass …" A´kebur hatte genug von Worten. Er verfluchte den Tisch in ihrer Mitte und schob ihn einfach zur Seite. "Ich will dich", flüsterte er.

T'Mara brauchte nicht zu antworten; das Glühen in ihren Augen sagte alles. Mit gänzlich unvulkanischer Hast beugte sie sich zu ihm, griff seine Hand und legte ihre Fingerspitzen auf seinen Handrücken.

Der nächste Augenblick zog sich in die Unendlichkeit. A´kebur spürte den Widerhall in T'Mara. Gefühle, die einander korrespondierten und die Begehren und einiges mehr bedeuteten. Dann endete Logik, Verstand und Zurückhaltung. A´kebur liebte T'Mara und sie liebte ihn.

 

Hunderte von Lichtjahren entfernt schreckte Tiaren aus dem Schlaf hoch. Das Band zwischen ihm und A´kebur, normalerweise nur eine stille Präsenz im Hinterkopf, war aufgeglüht und übertrug nun ungefiltert Eindrücke. Tiaran presste die Hände gegen die Schläfen, doch er konnte es nicht aussprechen. Wellen von Hitze, von Leidenschaft und Begehren überrollten ihn, und inmitten dieses Stroms an Gefühlen das Gesicht einer jungen Vulkanierin.

"Nein, verdammt", fluchte Tiaren leise, doch die Bilder hörten nicht auf. Er wollte das nicht sehen. Er wollte nicht mitbekommen, wie A´kebur sich mit dieser Frau vergnügte. Nein, wenn es nur das gewesen wäre. Die Gefühle, die er spürte, waren tiefergehend.

Dumpfer Zorn übermannte ihn, und langsam, quälend langsam wurden die Eindrücke blasser. Als Tiaren wieder einigermaßen klar sehen konnte, stand er auf und verließ sein Quartier, so schnell er konnte. Er rannte los, sobald er das Gebäude verlassen hatte. Vulkans mondlose Nacht war tiefschwarz und still und erst nach einer ganzen Weile hielt er inne und ließ sich einfach in den Sand fallen.

Es dauerte die restliche Nacht, bis ihm endlich alle romulanischen, klingonischen und irdischen Flüche ausgingen.

Als ihn seine Kraft und sein Wille verließen, sank er auf seine Fersen und sah zum Sonnenaufgang, der die Wüste von einem Moment zum anderen aufgleißen ließ, dass man glauben konnte, sich in einem Hochofen zu befinden, wusste Tiaren mit Gewissheit, dass A´kebur ihm nicht sicher gewesen war. Doch wie unsicher, dass hatte er nicht glauben wollen. In seinen Erinnerungen blitzte das Bild der Frau auf. Eine schöne Vulkanerin, die seine Gefühle erwiderte. Vorbehaltlos und das war viel wert bei einem Mann, der seit seiner Geburt aufgrund seiner Herkunft immer wieder auf Ablehnung gestoßen war.

Sie verkörperte im Prinzip alles, was A´kebur immer haben wollte: Die Anerkennung durch die Vulkanier, ein Partner, dem seien Familie vorbehaltlos zustimmen konnte, eine Frau, die ohne dunkle Vergangenheit und alten Gefühlsballast daherkam. Eine Mutter für seine Kinder. Bei dem Gedanken wurde es Tiaren schon wieder zuviel. Er hätte dieses Weib in Stücke reißen können, langsam und genüsslich! Was bildete sie sich ein, sich etwas zu nehmen, was Tiaren gehörte?

Das Band zwischen ihm und A´kebur blieb weiterhin! Was aber wollte dann dieser Idiot von einem Starfleet-Captain mit dieser blasierten, vulkanischen…

Tiaren atmete tief durch. Es ging darum, was A´kebur wollte. Und wie es aussah, hatte er sich entschieden. Aber es hing noch immer jemand am anderen Ende dieses verdammten Seelenbandes, und Tiaren würde A´kebur nicht einfach aufgeben. Niemals. Doch die Frage war, was er tun konnte. Im Augenblick war der Funkkontakt nicht möglich und ihm hinterher reisen war ebensowenig möglich.

Aber er hatte dieses Band! Tiaren fühlte, dass A´kebur schlief. Tiaren wollte ihn berühren. Verboten war es nicht, er hatte es in den letzten Wochen immer wieder berührt, um A´kebur zu spüren. Er war sein Seelenpartner. Doch jetzt hatte sich etwas geändert.

Nur, sollte er sich auch die Blöße und die Schande geben, seinen Seelenpartner so zu bedrängen? Ihm außerdem zu verstehen geben, dass er tief betroffen war? Fraglich, ob er so A´kebur überhaupt im Herzen erreichen konnte. Ein schlechtes Gewissen war kein Grund, um von dem Weg abzuweichen, der sich im Moment vor diesem auftat. Eine Partnerin. Eine Frau!

Tiaren konnte es immer noch nicht so recht fassen. Aber auch wenn er mit Gewalt nichts erreichen konnte in diesem Fall, noch immer eine relativ neue Erkenntnis für ihn, so würde er es nicht auf sich beruhen lassen. Er würde einen Weg finden, A´kebur zu beweisen, dass er an seine Seite gehörte und niemand sonst.

 

"Captain?"

A´kebur kämpfte sich aus dem Schlaf. Neben ihm spürte er T'Mara und ihr Anblick ernüchterte ihn sofort. Gleichzeitig spülten heiße Erinnerungen, Freude und ein klein wenig Erstaunen in ihm hoch. "Hier A´kebur", meldete er sich automatisch.

"Die Kaiserin wünscht den Kontakt mit dem Vertreter der Föderation. Botschafter Spock ist schon informiert und kommt zur Brücke."

"Verstanden, Commander, ich bin gleich da", erwiderte er und schlug die Decke beiseite. Offenbar bedurfte es keiner provokanten Aktionen mehr; die Ka'ossianer hatten den ersten Schritt getan. Es blieb aber keine Zeit, sich darüber zu wundern. Eilig griff A´kebur seine Uniform und zog sich an.

T'Mara war natürlich ebenfalls aufgewacht und setzte sich auf. "Ich gehe wieder zurück auf meine Station", erklärte sie.

A´kebur hatte sein Hemd gegriffen und sah sie an. "Was machen Vulkanier am Morgen?", fragte er die verblüffte T'Mara.

"Sich waschen, anziehen und frühstücken?", schlug sie vor. "Aber Commander Aera klang sehr dringend. Es bleibt wohl keine Zeit."

"Küssen?", fragte A´kebur.

T'Mara stand auf, die Decke um sich gezogen in einer nicht wirklich schamhaften, sondern eher reizvollen Geste, und kam zu A´kebur hinüber, um ihn sanft zu küssen. A´kebur fühlte dieses Kribbeln, dass er irgendwann ganz bewusst das erste Mal bei Etienne gespürt hatte. Er wusste, dass alles seine Richtigkeit hatte. "Ich brauche kein Frühstück", murmelte er und T'Mara funkelte ihn an. Doch gleich darauf zeigten beide nur noch ihr professionelles Äußeres. Sie die Expertin für Bewahrerkultur und er der Captain des Schiffs.

Wenige Minuten später verließen sie korrekt angezogen und gekämmt das Quartier, um auf ihre Posten zu gelangen. "Lagebericht", befahl A´kebur, als er die Brücke erreicht hatte. Seine Senioroffiziere waren bereits alle versammelt und auch Spock.

"Sir, es kam eine Nachricht vom der Planetenoberfläche. Fähnrich, spielen Sie sie erneut ab", befahl Commander Aera. Gleich darauf erschien auf dem großen Bildschirm das Gesicht einer Ka'ossianianerin. Sie trug nicht wie die Generalin nur eine, sondern zwei Federn aus Metall in ihren kunstvoll hochgesteckten Haaren. "Wir grüßen die Enterprise, das Schiff der Föderation, und ihren Captain. Die Ewige Kaiserin, Glanz der Sterne und Kind der Göttin hat in ihrer unendlichen Gnade verfügt, dass eine Delegation den heiligen Boden von Ka'oss betreten darf. Der Captain der Enterprise, der Botschafter, sowie zwei weitere Personen sind gestattet."

Damit endete die Nachricht. "Sie haben uns außerdem Koordinaten zum Beamen geschickt", erklärte Aera.

A´kebur wechselte einen Blick mit dem Botschafter, der nickte unmerklich. "Einschätzung?", fragte er seinen Ersten Offizier.

Aera blickte auf das eingefrorene Bild. "Ich rechne mit Aggressionen. Ich schätze, dass jedwedes provokative Verhalten gegenüber der Kaiserin zu einer ernsten Bedrohung der Enterprise führen kann. Der Counselor spürte verschiedene Gefühle, die jedoch von Hochmut bestimmt gewesen sind. Eine Bewaffnung könnte als Angriff unsererseits begriffen werden."

"Und ein Fehlen von Waffen als unsere Unterlegenheit", schloss A´kebur. "So oder so würde ich sagen, unsere Position ist denkbar schlecht. Botschafter Spock, sagen Sie, was Sie wünschen. Ich werde auch bewaffnete Offiziere mitnehmen."

"Das halte ich nicht für ratsam. Wenn ich einen Vorschlag machen darf, Captain: nehmen Sie Counselor Troi und Lieutenant T'Mara von der wissenschaftlichen Abteilung mit. Wir alle sollten Phaser tragen, aber nur Typ II", erklärte Spock. "Damit sind wir einerseits nicht übermäßig gefährlich und andererseits auch nicht zahnlos."

"Die Frage ist, ob diese Feinheiten bemerkt werden", meinte A´kebur und offenbarte ein Stück schwarzen Humors. "Counselor Troi", A´kebur kontaktierte die wissenschaftliche Abteilung, "Lieutantent T'Mara. In zwanzig Minuten im Transporteraum eins mit Typ II-Phasern."

"Sir, ich möchte noch einmal auf die vor einer Woche besprochenen Sondersicherheitsmaßnahmen hinweisen", ließ sich Lieutenant Ch'Grawbil grollend vernehmen. "Wir werden keine weiteren Leute auf den Planeten beamen oder irgendeinen Befehl über den Kommunikator akzeptieren, falls Sie die abgesprochenen Fragen nicht korrekt beantworten."

A´kebur nickte. "Zur Kenntnis genommen, Lieutenant Ch'Grawbil. Noch Einwände?"

"Ich wäre für Phaser Typ III und eine Eskorte von zwanzig Mann", knurrte der Rigelianer, "aber in diesem Fall ist Diplomatie angesagt. Ich bitte allerdings darum, das Schiff auf Alarmstufe Gelb zu setzen oder zumindest taktischen Alarm."

"Taktischer Alarm. Commander Aera, Sie haben das Kommando. Behalten Sie uns, so lange es geht, im Scanner. Handeln nach eigenem Ermessen, die Mannschaft und das Schiff haben Vorrang."

"Aye, Sir.Viel Erfolg." Die Erste Offizierin nahm Platz im Sessel des Captains, und A´kebur machte sich zusammen mit Counselor Troi auf den Weg. Diplomatisch bekleidet fanden sie sich kurze Zeit darauf im Transporterraum wieder, wo T'Mara und Spock bereits warteten, einer der Sicherheitsleute gab ihnen die Phaser.

A´kebur wechselte einen verstohlenen Blick mit T'Mara, aber sonst ließ er sich nichts anmerken. T'Mara und Troi flankierten den Botschafter, während er an seiner Seite stand. "Energie", befahl er und im nächsten Moment änderte sich alles. Sofort verhalfen ihnen die Kontaktlinsen zu einer klaren Sicht. Aber die Farben waren anders und man wusste, dass man eigentlich im Dunkeln stand. Sie waren umringt von Soldaten, die bis in die Zähne bewaffnet waren. A´kebur sah sich misstrauisch um, unterließ jedoch einen Griff zum Phaser. Provokation war wohl die Seele der Ka'ossianer.

Wortlos bedeuteten die Soldaten, dass A´kebur und seine Begleiter mitkommen sollten. Sie wurden einen langen Gang mit unglaublich hoher Decke hinuntergeführt, der in einem riesigen Saal endete, der eine Kathedrale in seiner Größe bei Weitem übertraf. Seltsame Kristallformationen wuchsen von der Decke und hätten sicher jegliches Licht hundertfach gebrochen, wenn es denn vorhanden gewesen wäre. Hunderte, vielleicht Tausende von Ka'ossianerinnen mit einschüchternder Bewaffnung bildete einen Ring um ein Podest, auf dem eine Art Pavillon aus filigranen Metallranken errichtet worden war. Dahin war schemenhaft eine Gestalt erkennbar.

Von der Seite trat eine Ka'ossianerin auf A´kebur zu; er erkannte sie als die Delegierte, die der Enterprise die Nachricht geschickt hatte.

"Abgesandte der Föderation, die Ewige Kaiserin ist bereit, euch anzuhören. Legt eure Waffen zu ihren Füßen und küsst den Boden."

A´kebur sah sie ruhig an, ohne sich zu rühren. Er warf sich niemandem zu Füßen, geschweige denn dass er Fußböden küsste.

Spock neigte sein Haupt und verbeugte sich. Dann sah er der Frau unverwandt in die Augen. "Hohe Herrin, ich bin der Vertreter der Föderation. Ich richte meine Grüße aus. Jedoch werde ich mich nicht zu Boden werfen und ihn küssen." Er sah zu A´kebur und erkannte, dass dieser kämpfen würde, ehe er sich zu Boden warf. "Genausowenig wird der Captain A´kebur sich niederwerfen."

"Unwürdige!", fauchte sie, "Ihr werdet …" Doch sie unterbrach sich, als ein heller Glockenton durch den Saal hallte. Die Wachen sahen eindeutig verwundert zu dem Pavillon, aus dem eine sehr junge Ka'ossianerin hervortrat, die kaum älter als ein Kind zu sein schien. Sie trug eine durchscheinende Glocke in der Hand. Mit heller, durchdringender Stimme erklärte sie: "Die Ewige Kaiserin, Licht der Sterne und Kind der Göttin wünscht, dass die Gesandten der Föderation nähertreten."

Spock sah das Kind fasziniert an. Die Entscheidung, sich nicht hinzuknien, war richtig gewesen. Zumindest vorerst. Sie traten näher und man ließ sie, wenn auch widerwillig weiter vor. Das Mädchen musterte sie aus kalten Augen. Abscheu stand darin, wenn man menschliche Maßstäbe anlegte. Doch das Mienenspiel der Ka'ossianerinnen war noch immer schlecht interpretierbar.

Unmittelbar vor den breiten Stufen, die hinauf zum Pavillon führten, hielten sie inne. Noch immer bewaffnet und in Starfleetuniform bildeten sie einen scharfen Kontrast zu den leichtbekleideten Ka'ossianerinnen mit ihren archaisch anmutenden Speeren. Das junge Mädchen beugte sich zur dünnen Trennwand des Pavillons, lauschte und wandte sich dann wieder zu A´kebur und Spock.

"Botschafter Spock vom Planeten Vulkan und Captain A´kebur zwischen den Welten, die Ewige Kaiserin heißt euch willkommen. Ihr zeigt große Vermessenheit, uns in dieser Weise gegenüber zu treten. Doch große Imperien werden von kühnen Taten gegründet und nicht von Unterwürfigkeit. Die Föderation scheint schwach im Vergleich zum Ewigen Reich von Ka'oss, doch sie ist es nicht. Wir erkennen das an."

Der Hof schien über diese Feststellung überrascht. Jedoch keiner der Vulkanier, aber auch nicht der Counselor ließen sich etwas anmerken. Spock verneigte sich erneut. "In der Vielfalt aller Völker kann der erste Eindruck genauso täuschen wie der Glaube, dass man alle Geheimnisse eines anderen Volkes kennt. Wir sind hier, um einander kennenzulernen und unseren gegenseitigen Respekt zu versichern und das tu ich hiermit. Ewige Kaiserin, ich richte Euch die Grüße der Föderation in all ihrer Vielfalt aus."

Die junge Ka'ossianerin, die als Sprecherin fungierte, beugte sich erneut vor und lauschte den Anweisungen ihrer Herrin, dann verkündete sie: "Wir nehmen diese Grüße an und trachten ebenfalls danach, mehr von den Geheimnissen des anderen zu erfahren. Uns kam zu Ohren, dass Captain A´kebur ein Stück heiliges Metall besitzt. Wir wollen den Grund dafür erfahren."

Bei diesen Worten ging leises Getuschel durch die Reihen der Anwesenden. A´kebur widerstrebte, darauf eine Antwort zu geben, aber er spürte, dass es ein großer Fehler sein könnte, wenn er jetzt log oder sich gar verweigerte. So gab er sich einen Ruck. "Es war ein Geschenk meines Gefährten. Ein Zeichen der Treue und der Verbindung unserer Leben", antwortete er ruhig.

Wieder bekam die Sprecherin Anweisungen.

"Weiß Captain A´kebur, woher sein Gefährte den Ring hatte? Das heilige Metall, aus dem er besteht, ist nicht für Unwürdige … für Nicht-Ka'ossianer bestimmt. Es wird von der Göttin gegeben und jeder Frevel damit wird auch von ihr bestraft."

"Mein Gefährte sagte es mir nicht. Aber es ist nicht gestohlen. Das Metall ist selten in der Föderation, aber es ist durchaus in Händen anderer."

Neuerliches Getuschel machte sich breit, doch dann läutete die Sprecherin erneut ihre Glocke und gebot so Ruhe. "Dann mag es rechtens sein, dass Captain A´kebur ein Stück des heiligen Metalls trägt. Der Segen der Göttin ruht auf ihm und wir zweifeln es nicht an", verkündete sie, doch dem Mädchen war anzusehen, dass ihr es nicht passte, diese Botschaft zu übermitteln. "Botschafter Spock ist eingeladen, mit über einen Pakt zu verhandeln, der von Nutzen für beide Reiche ist. Captain A´kebur mag diesem Rat beiwohnen."

Spock und A´kebur verneigten sich. "Es ist uns eine Ehre", erwiderte Spock salbungsvoll.

Die Ka'ossianerinnen machten den Weg frei und gut dreißig Ka'ossianerinnen traten vor. Sie alle trugen drei oder mehr Federn im Haar und waren damit offensichtlich die Ranghöchsten nach der Kaiserin. Eine von ihnen mit nicht weniger als fünf Federn in den fast bodenlangen Locken und nicht mehr als einigen Perlenschnüren als Kleidung nickte A´kebur und Spock zu. "Ich bin Prinzessin Dafarr, älteste Tochter und leite den Rat. Die Abgesandten mögen den Dienern folgen; Speisen, Bäder und Gastgewänder erwarten euch. Danach finden wir uns wieder hier ein."

A´kebur sah stoisch in die Runde, während sich Spock huldvoll für die Gastfreundschaft bedankte. Wieselflink eilten die Diener herbei, ausnahmslos männlich und mit devoter Haltung. Die Frauen gingen, ohne noch irgendjemand eines weiteren Blickes zu würdigen.

Die Abgesandten wurden in ein Bad gebracht, welches auserlesen und luxuriös wirkte. A´kebur seufzte. "Ich wusste, dass sie uns noch einmal im Wasser haben wollen. Wir müssen unangenehm riechen."

"Das scheint einfach eine kulturelle Sache zu sein", meinte der Counselor leise, "wichtiger ist, dass sie uns die Waffen nicht abnehmen wollten. Die Ritualhaftigkeit der Worte der Kaiserin sind außerdem vielversprechend. Sie haben eine Art Anerkennung erhalten, Captain."

A´kebur lächelte humorlos. "Ich glaube, sie haben einfach erst einmal aufgegeben. Nun denn, gehen wir baden."

Ein weiterer, langer Flur führte zu einem opulenten Badepavillion, dessen Becken komplett aus poliertem Kristall zu bestehen schienen. Die Diener standen dienstbeflissen bereit, den vier Föderationsangesandten ihre Sachen abzunehmen; für T'Mara wurde gleich ein separater Raum angeboten, doch sie lehnte ab. Die Gruppe zu trennen, war nach wie vor keine gute Idee. Sie stieg also geschützt von großen Handtüchern ins Nebenbecken.

A´kebur gönnte sich mit gespitzten Ohren einen Moment mit geschlossenen Augen. Er spürte die Anspannung von seinem Magen bis hoch in seinen Nacken. Mit einer Notiz an sich selbst gab er sich den Auftrag, seiner Crew Urlaub zu geben, sobald das gefahrlos möglich war. Mochte es sein, dass er mit dieser Spannung umgehen konnte. Seine gemischtrassige Mannschaft reagierte ganz sicher nicht so.

Eine Weile entspannten sie im heißen Wasser, ehe Thomas plötzlich aufsah. Er rückte ein wenig näher zu A´kebur und meinte leise: "Wir werden beobachtet. Und zwar von anderen als bis eben noch, Sir."

"Was glauben Sie, was das zu bedeuten hat?", fragte A´kebur ohne seine Augen zu öffnen.

"Interne Machtkämpfe, Sir. Nur weil die Kaiserin uns willkommen geheißen hat, heißt das nicht, dass das alle hier tun."

"So etwas Ähnliches habe ich schon vermutet. Es würde passen, dass man uns hat warten lassen. Die Sprecherin, die uns willkommen heißen musste, hat uns nicht gemocht und sie hat einmal sogar der Kaiserin widersprochen." A´kebur öffnete wieder seine Augen und streckte sich mit offensichtlichem Genuss. Aber es war auch Genuss, schließlich war das Wasser heiß genug. Keine Schalldusche konnte dieses Gefühl hervorrufen.

Ihm gegenüber saß Spock, der das Gespräch natürlich gehört hatte. Er zog jedoch nur andeutungsweise eine Augenbraue hoch. "Wir sollten unser Bad ein wenig verkürzen."

A´kebur schwamm zum Beckenrand und hievte sich nach draußen. Bestürzt liefen die Diener auf ihn zu und fragten ihn, ob etwas nicht in Ordnung sei. "Es ist alles in Ordnung. Das Wasser ist nur nicht mein Element", erwiderte er.

Sofort wurde er mit Handtüchern behängt und beinahe auch noch trockengerubbelt, wenn er nicht drauf bestanden hätte, das selbst zu machen. Seine Offiziere und der Botschafter taten es ihm nach und wurden genötigt, sich in ka'ossianische Gastgewänder zu kleiden. Sie waren nicht so freizügig wie die Üblichen, aber weitgehend ohne Oberteil, nur mit langen Umhängen, für die Männer und einem extrem knapp bemessenen Bustier für T'Mara. Hosen gab es keine, nur lange Beinkleider mit Stickereien, die mit jedem Schritt wallten.

A´kebur ließ sich jedoch nicht aufhalten, den Kommunikator wie auch seine Waffe an sich zu nehmen und bedeutete mit einem Blick, dass auch die übrigen Mitglieder die hektischen Bewegungen der Diener ignorieren sollten. Der Phaser fand jedoch nur noch Platz im Gürtel, der eher ästhetischen Zwecken dienen sollte. Ein Diener verbeugte sich vor ihm und murmelte, dass er die Haare des ehrenwerten Gastes in Ordnung bringen wollte.

"Ich kämme meine Haare selbst", knurrte A´kebur und nahm ihm den Kamm aus der Hand. Schließlich fasste er die oberen Strähnen mit seiner Spange wieder zusammen. Auch die anderen hatten sich hergerichtet und ließen sich schließlich von den Dienern hinausbegleiten.

A´kebur streifte T'Mara mit einem Blick und musste ein Seufzen unterdrücken. Er kannte diesen Körper noch nicht wirklich, er hätte ihn nur zu gern in Ruhe genauer studiert. Jetzt wurde ihm jedoch alles offenbart. Es war nicht mehr zu ändern.

Die Diener brachten sie zurück und wohlgefällige Blicke der Frauen lagen auf ihnen. Offenbar erfüllten sie die Neugier der Frauen und deren Verlangen. A´kebur fragte sich, wie weit eigentlich diplomatische Missionen gingen.

Im großen Saal warteten die Prinzessinnen; die meisten der Soldaten waren abgezogen und ein kristallener Tisch war aufgestellt worden. A´kebur konnte die Kontur der Kaiserin hinter den Stoffbahnen des Pavillons nicht erkennen, aber er war sich sicher, dass sie da war oder zumindest ihre Sprecherin.

Prinzessin Dafarr nahm den Platz am Ende des Tisches ein und winkte huldvoll, dass die Gäste sich ihr gegenübersetzen sollten.

Spock verneigte sich vor ihr und gemeinsam setzten sie sich. Das Zeremoniell sah wohl vor, dass sie allein zusammen mit der Sprecherin an dem Tisch saßen. Der Hof zog sich etwas zurück und bildete einen Kreis von Zeugen. Für einen Moment fragte sich A´kebur, ab welchem Zeitpunkt er in diese Schwierigkeiten geraten war, das sich kurz mit dem Titel "diplomatisches Parkett" bezeichnen ließ. Er erinnerte sich, dass seine Tochter dabei ein ganzes Stück Verantwortung daran trug.

"Die Kaiserin sieht es mit Wohlgefallen, dass ihre Gäste sich wohlfühlen", bemerkte die Prinzessin.

"Eure Gastfreundschaft ist sehr großzügig", erklärte Spock, "wir hoffen, Sie eines Tages auch bei uns in der Föderation begrüßen zu dürfen, Hoheit."

Sie nickte leicht. "Die Zeit wird es zeigen. Viele Dinge ändern sich und das Ewige Reich von Ka'oss ist ebenso in Bewegung. Alles ist möglich."

Das war eine sehr orakelhafte Antwort. Spock gab ein Nicken als Antwort. "Ich sehe viele Möglichkeiten, wie unsere Reiche miteinander leben und sich austauschen können. Es gibt großartige Errungenschaften, Kunst und Philosophien. Ich denke, dass unser Treffen ein Gewinn für alle ist."

"Da ist jedoch das Problem des Lichts", machte sich die Sprecherin bemerkbar. Ihre Augen, pupillenlos und hell, schienen aus purem Eis zu bestehen. "Wir würden uns im Licht verwundbar machen."

"So, wie wir Wege und Mittel finden, im Dunkeln zu sehen, wird es auch Wege und Mittel geben, die das Licht vielleicht nicht zum Freund machen, aber es als Feind in seine Schranken weisen", schlug Spock salbungsvoll vor.

"Wir haben uns über dich erkundigt, Spock von Vulkan", fuhr das Mädchen fort, "du bist bekannt für deine glatte Zunge und dein politisches Geschick, aber man schickte dich hierher zu uns, weil du andernorts versagtest."

"Niemand ist vollkommen", gab Spock ungerührt zurück, dann blickte er zur Prinzessin. "Ihre Taktik, Madam, ist mir übrigens gut bekannt. Sie lassen uns angreifen und beobachten derweil, wie wir reagieren. Ein früherer Captain der Enterprise und ich habe dies oft selbst angewandt."

Prinzessin Dafarr verzog kurz das Gesicht. "Wie es scheint, durchschauen wir jeweils die Taktik des anderen. Welchen Schluss ziehen Sie daraus, Botschafter?"

"Es spricht für Ihre Vorsicht, Hoheit. Und es ist nur verständlich, dass wir beide im Augenblick Vorsicht walten lassen. Doch wenn unsere beiden Welten sich tatsächlich annähern wollen, so wird es Vertrauen erfordern."

"Es ist die Frage, was das Reich von der Föderation hätte. Sie ist nicht würdig. Ein Vertrauen ist daher auch gar nicht notwendig. Die Kaiserin, ihr Licht leuchtet ewig, sagt, dass die Föderation nichts hat, was für uns von wert ist. Sich mit ihr darüber hinaus zu befassen, ist nur Zeitverschwendung", erklärte die Sprecherin.

Prinzessin Dafarr blickte sie an. "Wenn dem so wäre, hätte sie sie nicht willkommen geheißen. Niemand seit Jahrtausenden wurde hier auf diese Weise begrüßt. Gastfreundschaft ist heilig."

Die Sprecherin senkte kurz ihren Blick, aber sie verbarg ihren Hass nur schlecht. Prinzessin Dafarr nahm es nicht weiter zur Kenntnis, sondern wandte sich direkt Botschafter Spock zu. "Ich sehe durchaus Werte, die eine nähere Betrachtung verdienen. Die Details können andere als wir besprechen. Die Föderation wünscht eine Basis, auf der ein weiterer Austausch möglich ist. Dies wird von der Kaiserin befürwortet."

"Das ist in der Tat ein guter Anfang, Hoheit", stimmte Spock zu, "wie weit dieser Austausch gehen wird, ist noch zu sehen, doch ein Nichtangriffspakt wäre der erste Schritt. Und ein Vertrauenbeweis auf beiden Seiten."

"Das ist wirklich ein vernünftiger Anfang. Sehr logisch. Ich würde mich gern mit Ihnen darüber unterhalten. Sagen wir in einem kleineren Rahmen. Botschafter Spock …"

Spock sah kurz zum Captain, der nickte. Dann folgte der Botschafter der Prinzessin aus dem Saal. Counselor Troi war es diesmal, der die Augenbraue lupfte, und T'Mara wirkte so, als vermisse sie dringend ihren Tricorder, den sie nicht hatte mitnehmen können. Die Sprecherin musterte A´kebur kühl, dann erhob auch sie sich. "Ihr könnt euch frei im Palast bewegen, so hat es die Kaiserin angeordnet. Der Captain folgt mir."

A´kebur machte ein Zeichen, dass T'Mara und Troi ihm in angemessenen Abstand zu folgen. Respektvoll trat er zu der Sprecherin. "Madam", sagte er und hoffte, dass sie diese Anrede angemessen fand.

Er bekam einen eiskalten Blick als Antwort, als die Sprecherin die Stufen zum Pavillon hinaufstieg. "Nur der Captain", beharrte sie und schob die Vorhänge leicht beiseite. Ihr war anzusehen, wie zuwider ihr das alles war. A´kebur nickte Troi leicht zu. Er sollte sich umsehen, genauso wie T'Mara, und eigene Eindrücke sammeln. Aber sie sollten aufpassen. Dann ging er an der Sprecherin vorbei. Es war eine Art Salon, in den er gebeten worden war. Er war opulent, wie alles hier in diesem Reich und wie seine gesamte Kultur. A´kebur vermutete langsam, dass eine Kultur, die im Dunklen wuchs, weit mehr auf Äußerlichkeiten angewiesen war. Das geringe Licht benötigte starke Farben, ausdrucksstarke Formen. Ob dem so war, mussten Anthropologen feststellen. Möglich war das die Antwort auf die überbordende Dekorationssucht in der ka'ossianischen Kultur. A´kebur wandte sich nach einem kurzen Blick zur Sprecherin um, gespannt, was sie ganz speziell von ihm wollte.

Sie schloss den Vorhang hinter ihm und deutete auf die Mitte des Raumes. "Lege deine Waffen ab. Die Ewige Kaiserin wünscht dich persönlich zu sprechen."

A´kebur verbarg seine Überraschung. Er legte seinen Phaser ab und zeigte mit seinen Händen, dass er keine weiteren Waffen trug.

Die Sprecherin nickte. "Bleib einfach stehen", erklärte sie, "und der Fluch der verbotenen Götter möge dich treffen, wenn du die Ewige Kaiserin, unsere allerhöchste Herrin, auch nur falsch ansiehst!" Damit berührte sie einen der kleineren Kristalle auf einem Tisch. A´kebur spürte, wie er den Boden unter den Füßen verlor; eine Art Energiestrahl hatte ihn erfasst und ließ ihn langsam durch den Boden hindurch gleiten. Direkt unterhalb des Pavillons befand sich ein weiterer, großer Raum, dessen Wände komplett aus grob behauenem Kristall bestanden. Wassertropfen waren zu hören, die auf den Stein aufschlugen, und A´kebur konnte, als er langsam tiefer sank, einen See mit einer Insel darin erkennen. All dies war so urtümlich und seltsam natürlich, dass es kaum zu der ka'ossianischen Kunstfertigkeit passte.

Schließlich spürte er wieder festen Boden unter den Füßen, als er die Insel erreicht hatte. Merkwürdige Pilzen oder Blumen, vielleicht waren es auch ebenfalls Kristalle, wuchsen darauf und die Infrarotkontaktlinsen zeigten sie in schillernden Farben an; sie mussten unterschiedlich warm sein. Eine besonders große davon war wie ein Divan geformt, auf dem eine große, schlanke Gestalt saß. Ihr Körper war von einer filigranen, fast organisch wirkenden Metallrüstung umgeben und ihre Augen waren von einer Halbmaske mit einer Krone aus Metallfedern daran verschattet. Was an Haut zu sehen war, war nicht weiß wie bei den Ka'ossianerinnen, die A´kebur bisher gesehen hatte, sondern von einem tiefen Mitternachtston. Bodenlange Haare, deren Farbe sich ständig zu ändern schien wie die Kristalle, umrahmten die Gestalt.

A´kebur verneigte sich respektvoll vor ihr, auch wenn er wusste, dass er sich wohl eher zu Boden werfen sollte. "Ich grüße die Ewige Kaiserin." Er sah wieder auf und blickte die Frau unverwandt an. Selbst mit seiner Erfahrung sah die Kaiserin sehr exotisch aus. Nicht einmal die humanoide Form ihres Körpers konnte ihm darüber hinweghelfen. Für einen Moment erwog er sogar, dass sie ganz einer anderen Rasse angehörte. Möglich war es, aber ohne einen Tricorder würden er das nicht feststellen können.

Es war jedoch ein wenig unheimlich, wie still sie da saß und nicht einmal zu atmen schien. Schließlich drehte sie leicht den Kopf, und A´kebur war sich sicher, dass sie ihn ganz genau sehen konnte, auch wenn sich der Helm und Maske aus Zephyrium vor ihren Augen befand. Die vollen, sinnlichen Lippen, das einzig Sichtbare ihres Gesichts, verzogen sich zu einem kleinen Lächeln. "Du bist der einzige Fremdweltler, der diesen heiligen Ort jemals betrat und je betreten wird", sagte sie, und ihre dunkle Stimme hallte seltsam verzerrt von den Wänden. "Wir wussten schon lange, dass jemand kommen wird, der das heilige Metall trägt und der keine Angst hat. Nur deswegen bist du hier. Nur deswegen ließen wir dein Schiff hierher kommen."

A´kebur war verwirrt. "Darf ich näher treten?", fragte er leise.

"Komm nur." Die Kaiserin hob einladend ihre Hand; auch ihre Finger waren in Handschuhe aus Metall gehüllt. "Dort oben werden so viele Worte verschwendet und meine Töchter sind uneins. Sie denken, dass unsere Welten sich nicht näher kommen sollten oder das genau das geschehen muss. Sie haben Angst vor Veränderung. Und sie fürchten euch. Sie sind die Herrinnen des Universums und sie fürchten sich. Schwächlinge."

A´kebur verneigte sich erneut und trat näher. Er betrat jedoch nicht die Erhöhung. Dennoch, wenn die Kaiserin ihre Hand ausstreckte, so konnte sie ihn berühren, wenn sie es wollte. Genauso A´kebur sie.

Und ihre Hand blieb ausgestreckt, so wie ihr Lächeln blieb. Es hatte nun etwas Einladendes, Verführerisches. "Du bist endlich am Ziel angelangt", flüsterte sie.

A´kebur spürte, wie ihm Blut in die Lenden schoss und seine Ohren zum Glühen brachte. Sein Körper begriff schneller als sein Verstand, was hier vor sich ging. Nur, warum, dass konnte er nicht einmal vermuten. Ihm kam nur in den Sinn, dass es durchaus möglich war, dass hier in diesem Reich tatsächlich Verträge geschlossen wurden, nur ohne Papier und ohne Unterschriften darunter. A´kebur jedoch verspürte nicht den Wunsch, so auf dem diplomatischen Parkett Punkte zu machen.

"Hast du Angst? Das glaube ich nicht", flüsterte die Kaiserin dunkel. Ihre Stimme war samtig und voller Versprechungen, doch das merkwürdige Echo blieb. "Komm zu mir!"

A´keburs Kopf leerte sich. Da war ein Duft, der ihm vage bekannt vorkam. Langsam kam er näher und die Hand der Kaiserin berührte ihn auf intime, vertraute Weise. Samtig, weich und sehr viel kühler als seine Haut kam ihm ihre Berührung vor. "Was wollt …" A´kebur atmete tief durch und versuchte sich zu sammeln.

Kühle, von hauchfeinem Metall bedeckte Finger berührten sein Gesicht, strichen durch die Haare. "Die Frage ist, was du willst, Wanderer zwischen den Welten. Von Geburt an zerrissen, ohne festen Halt, und nun auch mit dem Herzen zerrissen. Verlust, Schmerz, ich spüre es alles. Überall Zwiespalt." Ihre Stimme war nur ein Hauch, schien direkt in seinen Gedanken nachzuklingen. "Gib uns deinen Kampf, deine Stärke, zwischen den Welten zu wandern. Wir trösten dich. Wir lassen dich vergessen. Wir erfüllen dir jeden Wunsch."

A´kebur wollte ihr glauben, aber es fühlte sich falsch an. Er begriff jedoch, wozu die Kaiserin fähig war. Sie schien empathisch veranlagt zu sein. Sie sah und fühlte weitaus mehr als wohl jeder ihres Hofstaates einschließlich ihrer Töchter. A´kebur fragte sich, welche ihrer Töchter wohl den Thron besteigen würde. "Ich weiß nicht, was ich will, außer einem zu Hause", murmelte er und das entsprach der Wahrheit. Doch das zu Hause, das er suchte, würde niemals in dieser Welt sein. Wanderer war wohl wirklich die beste Beschreibung seines Lebens.

"Das wissen wir. Doch, wer sein Zuhause nicht im Herzen trägt, wird es auch in den unendlichen Weiten des Alls nicht finden. Das können wir dir nicht geben. Wir können dir nur den Weg erleichtern." Die sanften, kühlen Hände wanderten über A´keburs Schultern und seine Brust, spielten mit den Schmuckstücken, die dort seine einzige Bekleidung bildeten. "Lass los. Lass einfach los und alles wird einfacher."

"Und, wer bin ich dann? Ein Blatt im Wind. Ich bin ein Niemand unter den Sternen. Doch ich werde nicht einmal das sein, wenn ich loslasse."

"Du wurdest geboren, um Uns zu treffen", wisperte die Kaiserin und beugte sich leicht vor; ihre Haare flossen über ihre Schulter und streiften ihn wie einen Schleier aus Seide. "Deine Reise kann ein Ende finden. Du kannst Frieden haben."

A´kebur schüttelte den Kopf. "Warum glauben Sie das? Ich bin nicht geboren worden, um hier zu sein. Es ist Zufall. Nur ein Zufall. Aber mein Frieden … man kann seinen Frieden nicht erkaufen. Ich bin, was ich bin."

Die Kaiserin lächelte. "Wir schenken dir den Frieden, wenn du es wünschst. Wir haben große Macht und es ist Uns möglich, die Dinge, die dein Herz und deine Gedanken verwirren, zu ändern. Es ist kein Zufall. Wir sahen dich schon kommen, lange bevor deine Urahnen geboren waren."

A´kebur verstand immer weniger. "Ihr könnt in die Zukunft sehen?", fragte er verblüfft. Das war nicht möglich. Die Zukunft stand nicht fest. Man konnte Wahrscheinlichkeiten berechnen, Möglichkeiten, aber nicht solche Dinge vorhersehen oder berechnen. Alles in ihm begehrte auf, während die Berührung ihn zu beruhigen trachteten.

Wieder ein leises Lachen, das ihm Schauer über den Rücken trieb. "Nicht die Zukunft. Aber ein Muster, einen roten Faden. Wir kannten weder deinen Namen noch dein Gesicht, noch wann du hierher kommen würdest. Und wir wussten, wer du bist. Wir haben nur auf dich gewartet." Die vollen Lippen waren seinen bis auf wenige Zentimeter näher gekommen und alles, was er nur noch wollte, war diese zu küssen. Die nur vermeintlich blinden Augen hinter der Maske wusste er dabei auf sich. Aber das hier war älter als alles, was ihn ausmachte. Archaisch und er gierte darauf, zu tun, was sie wollte. Sich dem zu widersetzen bedeutete nur Schmerzen, Unbehagen und noch mehr Verwirrung.

Die weichen, sanften Lippen verzogen sich erneut zu einem Lächeln und entblößten scharfe Zähne, die sich in seine Lippe gruben und die Leidenschaft noch mehr entfesselten. Der Duft, verlockend und vertraut, beinahe wie Etiennes, die dunkle, samtige Stimme, ein wenig wie T'Maras. Es war zuviel für ihn. Die Kaiserin zog ihn zu sich auf den Diwan, dessen Kristallstruktur seltsamerweise ganz weich und nachgiebig war.

Wie schwerer, betörender Wein spürte er fremdes Blut auf seiner Zunge und schluckte es. Die Kaiserin wollte ihn und er wollte sie. Nichts, was er mit T'Mara gemacht hatte, kam an das heran, was die Kaiserin ihm entlockte. Nicht einmal Etienne hatte das vermocht. Einem Fremden gleich sah er sich dabei zu, wie er sie fast schändete. Doch sie schien genau das zu wollen. Seine Wildheit, sein Feuer und seine Kraft. Immer und immer wieder forderte sie ihn heraus, lockte, provozierte ihn.

Stunden, oder Tage vergingen, er wusste es kaum. Doch es spielte keine Rolle. Sein Leben, sein ganzes Sein hatte sich darauf reduziert, diese Frau für sich einzunehmen, die bei allem nur weiterhin sanft, fast spöttisch lächelte und ihn gewähren ließ. Irgendwann brach er jedoch erschöpft über ihr zusammen. Kühle Finger spielten in seinem Haar. "Wir danken dir. Deine Stärke und Leidenschaft, aber auch dein klarer Verstand werden uns von großem Nutzen sein. Du hast das Beste deiner Welten mitgebracht, geliebter Wanderer. Wie können wir dich entlohnen?"

"Frieden für meine Tochter", murmelte A´kebur und schlief ein.

 

Mit schreckgeweiteten Augen starrte Tiaren ins Nichts, hörte nicht mehr die Frage seines Dozenten, ob es ihm gut ginge. Es war diesmal nur kurz gewesen, aber er hatte erneut gespürt, wie der Faden zwischen ihm und A´kebur aufgeleuchtet war. Doch diesmal war es anderes gewesen als bei dieser vulkanischen Schlampe. Die Frau - nein, die Wesenheit! - hatte nicht nur die Verbindung gespürt, sie hatte im Augenblick der größten Durchlässigkeit, als A´kebur die Ekstase überrollte hatte, das Band genutzt, um Tiaren direkt anzusprechen. Es war nur ein Gefühl, ein Gedanke gewesen, und er war mit voller Absicht zu ihm durchgedrungen. Und für einen Moment hatte er ihre Stimme gehört und begriffen, gefolgt von einem rasenden Schmerz.

"Tiaren, geht es Ihnen gut? Sie sollten besser zur Krankenstation gehen." Tiaren öffnete die Augen und stellte fest, dass seine Kommilitonen und sein Dozent sich über ihn gebeugt hatten. Er war offenbar einfach umgefallen. "Nein, alles in Ordnung", schaffte er zu antworten und stand auf. "Ich habe nur Kopfschmerzen." Hinter seinen Schläfen hämmerte es, und er wusste nicht, was ihn da eben überrollt hatte. Er hatte wohl zu wenig geschlafen in letzter Zeit und zu wenig meditiert. Das Telepathentraining war anstrengend. Er wehrte alles weitere Ansinnen ab, nicht doch noch zur Krankenstation geschickt zu werden und versuchte sich wieder auf den Unterricht zu konzentrieren. Doch er konnte es nicht recht. Da war das Gefühl eines sehr realen Traumes, den er im Augenblick des Erwachens vergessen hatte. Nur ein Wort war geblieben und Tiaren hatte nicht die geringste Ahnung, wieso es ihm nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte. Zuhause.

 

A´kebur schaute hinauf zu einer Decke aus Kristall. Sie leuchtete wunderschön. Von fern hörte er Stimmen, die über etwas sehr aufgeregt sprachen. Aber er wusste nicht was. Immer wieder schoben sich Gesichter über die Decke aus Kristall und es störte ihn. Immer wieder hörte er jemanden rufen. Wenn nicht alles wie in Watte gehüllt gewesen wäre, es hätte ihn noch mehr gestört. Empathische Finger berührten ihn und es störte ihn sehr. Aber er zog es vor, das zu ignorieren.

Ein tiefer Seufzer steckte in ihm und er gab dem einfach nach. Der Rest war eine Ruhe, die über allem lag. Am besten jedoch gefielen ihm immer noch die Kristalle. Sie schienen zu leuchten und A´kebur hatte den Eindruck, dass sie vielleicht so etwas wie Intelligenz besaßen. Ein seltsamer Eindruck, aber er hatte etwas Lustiges an sich. A´kebur lächelte und griff in die Luft, weil der Gedanke, die Kristalle zu berühren, übermächtig wurde.

Doch stattdessen griff eine sehr solide Hand zu und zog ihn in die Senkrechte. "Captain? Geht es Ihnen gut?" Die Stimme klang vertraut und nach einigen Momenten konnte A´kebur sie auch einordnen. Es war Spock. Aber warum war er hier? Was taten sie hier eigentlich?

"Botschafter, der Captain steht unter einem leichten Schock." Counselor Troi war es, die Nervensäge. "Allerdings kann ich die Ursache nicht feststellen. Sein mentales Muster ist vollkommen n Ordnung."

A´kebur sah ihn an und er fragte sich, warum er Troi nicht mochte. Dann fiel es ihm wieder ein: Der Counselor war chronisch neugierig. Das war ein Charakterzug, den er schlichtweg nicht mochte.

"Was ist passiert?", fragte er. Spock, Troi und T'Maras Blicke waren durchdringend.

"Wo sind wir?", fragte A´kebur und er wusste, dass er damit zugab, dass ihm sehr viele wichtige Dinge in seinen Erinnerungen fehlten.

"Wir sind in den Gästequartieren des Palastes", erklärte T'Mara, "Sie waren für 5,7 Stunden nicht auffindbar, Sir. Dann fanden wir sie hier bewusstlos."

"Wie fühlen Sie sich?", wollte Troi wissen, "Haben die Ka'ossianerinnen Sie angegriffen oder ähnliches? Uns hat man zuvorkommend behandelt."

A´kebur brauchte fast eine halbe Minute, bis er wieder wusste, wer oder was die Ka'ossianerinnen waren. Aber an einen Angriff konnte er sich nicht erinnern. Eine weitere halbe Minute benötigte er, um bis zu dem Punkt zu gelangen, an dem seine Erinnerungen letztlich endeten. Er berührte den Phaser an seinem Gürtel und sah dann zu Spock auf. "Die Kaiserin wollte mich sprechen. Die Sprecherin brachte mich in eine Art Pavillon oder Salon. Ich legte meine Waffe ab und dann weiß ich nicht mehr weiter."

"Nach allem, was wir über die Kaiserin und ihren gottähnlichen Status hier wissen, ist es wahrscheinlich, dass man Ihre Erinnerungen manipuliert hat", schlug Spock vor, "aber was immer sie mit Ihnen besprochen hat, muss einen positiven Ausgang gefunden haben. Die Prinzessinnen haben den Nichtangriffspakt unterzeichnet und die Sprecherin kam kurz vor Ende der Sitzung hinzu, um zu verkünden, dass die Kaiserin ebenfalls ein Bündnis wünsche."

A´kebur sah von einem zum anderen. "Ich fürchte, ich weiß nicht, welchen Anteil ich daran hatte. Oder ob ich überhaupt einen hatte. Sollte jedoch mein Gedächtnisverlust damit zusammenhängen, was wurde mit mir gemacht, dass das notwendig geworden ist? Ich fürchte, ich muss bis zur Klärung mein Kommando abgeben. Wenn die Ka'ossianerinnen so einen starken Einfluss haben, weiß ich nicht, ob sie mir nicht auch Befehle eingeben haben.“

"Wir werden das an Bord klären."

Troi stand auf und betätigte seinen Kommunikator, um den Befehl zum Beamen zu geben.

A´kebur erhob sich. Es war ihm unangenehm, dass er immer noch in den Gastgewändern steckte. Aber das war nun nicht mehr zu ändern. Ihm blieb noch, die Waffe an T'Mara zu übergeben, dann lösten sie sich im Transporternebel auf. Der Transporterchef wirkte etwas überrascht, als er das Außenteam auf seiner Plattform stehen hatte.

Aber Commander Aera bewegte nicht einen Muskel. "Willkommen an Bord", grüßte sie. A´kebur nickte ihr zu. "Danke, Commander. Sie haben weiterhin das Kommando. Das Außenteam geht erst einmal vollständig in die Krankenstation. Den Bericht erhalten Sie noch. Der Status des Schiffs bleibt unverändert."

Sie bestätigte und die vier Zurückgekehrten machten sich auf kürzestem Weg in die Krankenstation. Doktor McCoy steckte sie ohne langes Zögern in Quarantäne und begann dann mit der Untersuchung. Körperlich war keiner von ihnen beeinträchtigt, wenn er auch einen gewissen Grad an Erschöpfung bei A´kebur feststellte, der sich mit seinen Aktivitäten nicht erklären ließ. Auch eine Tomographie und ein Cortex-Scan ergaben keine neuen Erkenntnisse. Bis auf fast sechs Stunden Erinnerung fehlte A´kebur nichts und der Doktor konnte ihn unter der Auflage, sich auszuruhen, entlassen.

Aber er stand erst einmal unter Beobachtung. Eine Beeinflussung irgendeiner Art musste auf jeden Fall ausgeschlossen werden. Derweil hatte Commander Aera einen interessanten Ruf vom Planeten.

Die Sprecherin bedankte sich für die einfachen Verhandlungen und die Kaiserin richtete Grüße an Captain A´kebur Lanar Re aus. Die Verhandlungen wurden von ihr als beendet erklärt und die Enterprise mit dem Botschafter und dem Captain entlassen. Das Reich würde sich melden, um das Bündnis für die Zukunft zu erweitern.

Soweit Commander Aera wusste, war der volle Name des Kapitäns den Ka'ossianern nicht bekannt.

Sie teilte ihre Besorgnis in der Hinsicht dem Counselor mit, dessen Theorie von Erinnerungsmanipulation damit nur erhärtet wurde. T'Mara hatte zwischendurch auch die These geäußert, dass das Zephyrium den Ka'ossianern möglicherweise auch Psi-Kräfte verlieh. Angeboren waren ihnen solche Kräfte jedenfalls nicht.

 

Die Enterprise schwenkte aus dem Orbit um Ka'oss aus, um bis zum Rand des Nebels zu fliegen. Die Föderation musste so schnell wie möglich von den Ergebnissen der Verhandlungen erfahren.

Die Grüße und offizielle Geschenke der Kaiserin brachten sie außerdem auch noch mit. Außerdem gab es Vorschläge, jeweils dauernde Vertretungen in der Föderation und im Ka'ossianischen Reich zu installieren.

Knapp eine Woche, nachdem noch immer nicht erkennbar war, dass A´keburs Erinnerungsverlust andere Nebenwirkungen hatte und dass er auch nicht unter fremden Befehl stand, informierte ihn Dr. McCoy darüber, was er vermutete.

"Das ist nicht Ihr ernst, Doktor", knurrte A´kebur aufgebracht. "Warum sollten sie das tun?"

McCoy räusperte sich. "Nun, dass die Ka'ossianerinnen sexuell aggressiv sind, ist offensichtlich. Es mag Teil ihrer Art der Verhandlungen sein; Botschafter Spock kann ihnen sicher sagen, ob auch bei ihm, ähm, Annäherungsversuche gemacht wurden. Aber meine medizinischen Daten sind eindeutig. Wären der fünf Stunden, an die Sie sich nicht erinnern können, hatten Sie Sex bis zur Erschöpfung."

A´keburs Blick war wild. Wut stieg in ihm auf und immer wieder ballte er seine Hände zu Fäusten. Aber er hatte nicht vor, sich am Doktor zu vergreifen. Was wahr war, würde nicht weniger wahr, wenn er den Überbringer der Nachrichten bestrafte. "Danke, Doktor", wisperte er rau. "Sehen Sie außerdem noch etwas, was für die Enterprise relevant ist? Werden Sie das in Ihren Bericht schreiben?"

"Nein, Sir. Das wollte ich Ihnen nur persönlich sagen und dass Sie Ihren Dienst wieder ohne Einschränkungen antreten können." Damit ergriff McCoy wohlweislich die Flucht und ließ A´kebur in dessen Quartier allein. Er blieb kurz stehen, um zu lauschen. Aber es war nichts zu hören.

A´kebur ließ sich schwer in einen Sessel fallen. Seine Zähne knirschten sogar für ihn vernehmlich. Er verstand nicht, was das Ganze sollte. Aber es störte ihn am meisten, dass jemand an seinen Verstand und an seinen Erinnerungen herumgespielt hatte. Niemand hatte dazu das Recht.

A´kebur stemmte sich aus dem Sessel hoch und griff nach seinem Bat’leth. Er wollte töten. Schnell und mit aller Kraft.

Am besten, er tobte sich auf dem Holodeck aus, ehe die Einrichtung noch litt. Als er die Ebene mit den Holodecks erreichte, kam ihn Lieutenant Koljar in Freizeitkleidung entgegen, einen vulkanischen Dolch in der Hand. "Sir", grüßte er.

A´kebur nickte und wandte sich der Holodeckkontrolle zu. "Qo’noS A´kebur sieben Punkt drei aktivieren", forderte er den Computer auf.

"Sir, Sie haben Kampftraining im Sinn, nicht wahr?", fragte Koljar, "Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich mich Ihnen anschließe?"

Er zuckte nicht zusammen, als ihm ein Blick zuteil wurde, den Menschen damit beschrieben, dass er einen zu Pulver verbrannte. Der Captain war wütend und in sehr schlechter Stimmung. "Sie sollten Ihre Ruheschicht nutzen", riet ihm A´kebur mit deutlicher Warnung.

"Natürlich, Sir, Verzeihung." Damit überließ Koljar A´kebur das Holodeck, das ihm den Duellring auf Qo’noS präsentierte. Die Luft war trocken und staubig, und auf der anderen Seite des Ringes wartete bereits sein Gegner. Ein Klingone im vollen Ornat und allen Zeichen eines Kriegers.

A´kebur grüßte ihn auf die traditionelle Art und forderte ihn zum Kampf heraus. Dieses Programm war mit der niedrigsten Sicherheitseinstellung versehen. Jeder Schlag würde so wehtun, wie er es auch in Realität tun würde. Aber sterben würde er nicht. Doch selbst wenn, im Moment waren A´kebur solche Gedanken fern und unwichtig. In der nächsten Sekunde prallte funkensprühend Stahl auf Stahl.

Seine Welt reduzierte sich auf die Klinge und die Augen seines Gegenübers. Hier waren die Dinge klar und einfach, und er konnte reagieren, ausweichen und angreifen. Keine hinterhältigen Attacken, keine versteckten Giftdolche. Nur raue, gradlinige Aggression.

Die ersten Minuten waren fast wie ein Rausch, bis er einen Schlag einfing, der ihn nahe zur Ohnmacht brachte, aber nicht nahe genug, damit er nicht das Bat’leth sah, welches genau auf seinen Kopf zielte und ihn auch durchbohrt hätte, wenn es ihm nicht gelungen wäre, rechtzeitig auszuweichen.

A´kebur wusste, dass dieses Manöver vom Computer verhindert worden wäre. Selbst in seiner Sondereinstellung. Das Bat’leth seines virtuellen Gegners traf das seinige mit einer Wucht, dass er ungebremst gegen die Felsenwand in seinem Rücken flog. Sein technisches Verständnis teilte ihm mit, dass sein Gegner geschätzt fünfmal so stark war, wie er ihn programmiert hatte und damit für ihn nicht einmal in seinen Träumen besiegbar. Kein Klingone würde ihn besiegen und kein Vulkanier oder irgendein bekanntes Wesen mit einer Physiognomie, wie es diese und ähnliche Völker gebaut waren. A´kebur wich aus, rollte sich auf dem Boden und kam hinter dem Klingonen. Dieser drehte sich so schnell, dass er dessen Bewegung nur als Schlieren sah.

Zu schnell. Viel zu schnell!

Das Bat’leth schnitt ihn vom Bauch bis zum Kinn auf, aber nicht tief genug um ihn zu töten, weil er noch rechtzeitig zurückweichen konnte. "Computer, Programm stopp", brüllte er.

Doch nichts geschah.

Der Gegner kam weiter auf ihn zu und schwang das Bat’leth drohend und noch immer in rasender Geschwindigkeit. A´kebur wich erneut aus, konnte aber nicht verhindern, dass die Waffe seinen Arm streifte. Kochender Schmerz durchfuhr ihn, als die scharfe Klinge buchstäblich ein Stück vom Oberarm abtrennte. Fast hätte er seine Waffe losgelassen, doch dann wäre es aus für ihn gewesen. Die einzige Chance war noch, den Gegner zu töten oder rechtzeitig die Tür des Holodecks zu erreichen.

A´kebur sah, wie sein Gegner erneut nach ihm ausholte und wusste, dass er selbst zu langsam war, um noch zu parieren. Er konnte sich nur noch nach hinten fallen lassen. Doch mitten in der Bewegung hielt der virtuelle Klingone inne und kippte dann in Zeitlupe zur Seite. In seinem Hinterkopf steckte ein vulkanisches Messer.

"Captain?" Lieutenant Koljar stand in der Tür des Holodecks. Als er A´keburs blutigen Arm und die Bauchwunde sah, betätigte er sofort seinen Kommunikator. "Medizinisches Team zum Holodeck 4." Dann kam er auf A´kebur zu, um ihm aufzuhelfen.

Dieser lehnte jedoch die Berührung ab, sondern blickte nur misstrauisch auf die vulkanische Hand. Vulkanier berührten einander nicht, dachte er mit unbarmherziger Schärfe. "Ich bin in Ordnung", antwortete er. "Es ist nur eine Fleischwunde. Warum sind Sie hier, Mr. Koljar?"

"Ich war noch dabei, Holodeck 3 zu programmieren, als ich Ihren Befehl hörte. Zudem schienen die Kontrollleuchten an der Tür Fehlfunktionen zu haben."

"Ich verdanke Ihnen mein Leben. Danke für Ihre schnelle Reaktion." A´kebur riss den Ärmel ab. Die Wunde sah schlimm aus, aber sie hatte schon aufgehört zu bluten. Grünes Blut in solchen Mengen hatte er sein Lebtag noch nie gesehen. Dr. McCoy stürzte in diesem Moment auf ihn zu. A´kebur ließ ihn gewähren, auch wenn der Arzt laut fluchte und auf die Holodeck-Kontrollen schimpfte.

Selbstverständlich verbot er der Crew im Allgemeinen und A´kebur im Besonderen ab sofort die Benutzung der niedrigsten Sicherheitsstufe und beorderte sofort die Techniker her, um die Fehlfunktion zu beheben. Als das Programm beendet wurde, blieb nur Koljars Dolch übrig, der zu Boden fiel. Der junge Vulkanier nahm ihn wieder an sich.

A´kebur sah es. "Bitte melden Sie sich nachher bei mir im Quartier", sagte er und begleitete dann Dr. McCoy in die Krankenstation. Er beharrte darauf, selbst zu gehen und er redete sich ein, dass er keine Schmerzen hatte. Aber der Doktor gab keine Ruhe, ehe er A´kebur nicht auf einer Liege hatte und die Verletzung mit dem Geweberegenerator bearbeitete. "Da überstehen Sie diese ganze Mission heil und bringen sich dann fast auf dem Holodeck um", knurrte er, "verdammte neumodische Technik! Ich habe Holodecks nie getraut!"

"Doktor, übertreiben Sie nicht! Die Holodeck-Technik ist 80 Jahre alt und sie wird seit 70 Jahren erfolgreich eingesetzt. Ich kann Sie jetzt mit den genauen Zahlen langweilen, aber ich denke, dass damit deutlich wird, dass Hologramme keine neumodische Technik ist. Was ich sagen will, ist, das Programm ist geändert worden und die Änderung ist der Grund, warum mir jetzt ein Stück Muskel fehlt und ich einen Kratzer vom Bauchnabel bis zum Kinn habe."

"Und wer sollte es geändert haben und warum?" McCoy runzelte die Stirn. "Das erfordert meines Wissens höchste Sicherheitszugänge."

A´kebur presste kurz die Lippen aufeinander, als die letzten Fasern seines regenerierten Muskels zusammenwuchsen. Dr. McCoy griff nach dem Hautregenerator und stellte ihn auf A´keburs Werte ein. "Warum?", wiederholte er mit deutlicher Ungeduld.

"Um mich zu töten oder um mich herauszufordern. Suchen Sie sich etwas aus oder finden Sie einen anderen Grund", knurrte A´kebur. "Ich werde es Ihnen aber auch sagen, sobald ich es weiß."

"Das hieße, dass wir einen Attentäter an Bord haben. Ich werde gleich Lieutenant Ch'Grawbil benachrichtigen." McCoy sah finster aus. "Wir werden nicht die gleichen Fehler machen wie damals, Sir."

"Sagen Sie Mr. Ch'Grawbil Bescheid. Aber er braucht nicht nach dem Attentäter zu suchen. Lieutenant Ch'Grawbil soll sich nur bereithalten und dann entlassen Sie mich in mein Quartier, wenn Sie fertig sind."

"Aye, Sir." Zufrieden war der Doktor keineswegs, aber er verschloss nun auch noch die Haut. "Der Muskel ist noch nicht belastbar", warnte er, doch mehr als ein Nicken bekam er dafür nicht.

A´kebur erhob sich und betrachtete das Werk. "Gute Arbeit", lobte er und schwang sich von der Liege. Sein Weg führte ihn schnellstens ins Quartier. Mr. Koljar stand schon dort. Nichts verriet mehr etwas von den militärischen Bewegungen, die er auf dem Holodeck gezeigt hatte.

A´kebur öffnete die Tür seines Quartiers und deutete an, dass Koljar vorgehen konnte. "Ich wollte mich bei Ihnen bedanken. Kann ich Ihnen einen Tee anbieten?"

"Danke, Sir." Der junge Lieutenant trat ein und blieb dann mit auf dem Rücken verschränkten Armen stehen. "Dank ist jedoch nicht nötig. Ich habe nur meine Pflicht getan."

A´kebur bestellte beim Replikator einen Darjeeling und servierte diesen. "Sie können sich setzen, Mr. Koljar."

Der Vulkanier nahm Platz. "Gibt es sonst noch etwas zu besprechen, Sir?", wollte er wissen.

"Wie schwer die Ausbildung beim Tal'Shiar ist", fragte A´kebur, ohne ihn anzuschauen. "Und, wie lange es dauerte, bis Sie als Vulkanier akzeptabel waren und man in Ihnen nicht den Romulaner sah, als der Sie geboren worden sind."

"Sir?" Koljar sah ihn deutlich verwirrt an. "Ich kann ihnen nicht ganz folgen, Sir."

"Doch, das können Sie. Sie haben das Programm geändert. Doch ich verstehe nicht, warum Sie mir dann doch noch das Leben gerettet haben. Kein Vulkanier kämpft so wie Sie. Ihre Bewegungen. Ich kenne sie. Zweimal bin ich Romulanern begegnet, deren Bewegungen so waren. Bei einem weiß ich, dass er beim romulanischen Geheimdienst ausgebildet wurde, beim anderen ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch. Das sind zu viele Zufälle, um sie zu ignorieren. Sie sind ein Agent des romulanischen Geheimdienstes."

"Das sind schwere Anschuldigungen, Sir", gab Koljar steif zurück, "und ich streite sie entschieden ab."

"Natürlich, Mr. Koljar. Ich muss Sie bitten, Ihr Quartier bis auf weiteres nicht mehr zu verlassen. Der Vorfall wird untersucht werden und Sie dazu noch einmal befragt. Der Sicherheitschef wird Sie in Ihr Quartier geleiten."

"Aye, Sir." Koljar stand auf, und nichts an ihm verriet Besorgnis, Ungehaltenheit oder gar das Eingeständnis, ertappt worden zu sein.

"Warum?", fragte A´kebur ihn noch einmal. Er hatte ein merkwürdiges Déjà-vu. "Steckt Toran dahinter?"

"Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen, Sir."

"Wenn Sie mir noch etwas zu sagen haben, können Sie mich jederzeit kontaktieren." A´kebur berührte seinen Kommunikator. "Mr. Ch'Grawbil, bitte überführen Sie Mr. Koljar in sein Quartier. Er steht unter Arrest."

Der Sicherheitschef bestätigte. Koljar hingegen sagte nichts, sondern nahm es mit vulkanischer Gelassenheit. A´kebur wusste, dass Romulaner sich nicht fangen ließen; sie begingen vorher Selbstmord.

"Mr. Ch'Grawbil, bitte sorgen Sie außerdem dafür, dass er keinen Selbstmord begehen kann", befahl A´kebur noch. Er hatte nicht vor, diese Spur zu verlieren. Die Sicherheitsleute nahmen Koljar mit, nur Ch'Grawbil blieb kurz zurück. "Ich werde der Sache umgehend nachgehen, Sir", erklärte der Rigelianer, "aber Lieutenant Koljar hat eine einwandfreie Akte."

"Tiaren hatte ebenfalls eine einwandfreie Eintrittskarte. Es können auch Akten manipuliert sein. Mr. Ch'Grawbil, das Programm ist manipuliert worden und Mr. Koljar zeigte ein Kampfgeschick, dass keinerlei Verwandtschaft mit der Ausbildung aufweist, die gewöhnlich Vulkanier durchlaufen. Lassen Sie die Allelen von Mr. Koljar untersuchen. Vielleicht gibt es ein Indiz, ob er romulanischer Abstammung ist."

"Aye, Sir. Ich erstatte Ihnen umgehend Bericht, wenn ich mehr Informationen habe." Dem Rigelianer war anzusehen, dass er sich ärgerte. "Sir, ich bitte ausdrücklich um Verzeihung. Meine Sicherheitsvorkehrungen sind offenbar noch immer lückenhaft."

A´kebur lächelte schief. "Nein, ich denke nicht, dass sie das sind. Ich denke eher, dass es kaum ein System gibt, das nicht auf die eine oder andere Weise umgangen werden kann. Bitte passen Sie meine Zugangscodes an. Auch für den Holodeckzugang und prüfen Sie, wie das Programm geändert werden konnte. Gehen Sie davon aus, dass ich es nicht geändert habe. Sollte es sich erweisen, dass Mr. Koljar wirklich nur ungewöhnlich ist, aber nicht der Attentäter, dann haben wir ein sehr viel größeres Problem. Bis zur Grenze in die Föderation sind es mehr als vier Wochen, sofern nicht noch etwas dazwischen kommt."

"Aye, Sir. Ich kümmere mich sofort darum. Und ich postiere Wachen vor Ihrem Quartier. Sie sollten sich nicht mehr alleine durchs Schiff bewegen." Die tiefe Stimme des Rigelianers duldete wenig Widerspruch.

"Stellen Sie Wachen auf", gab A´kebur nach. Er setzte sich und berührte seinen Arm. Verletzt zu werden, war das eine. Jedoch war mitunter der dumpfe, anhaltende Schmerz nach der Behandlung durch den Regenerator weitaus unangenehmer. "Danke, Mr. Ch'Grawbil. Teilen Sie mir meine neuen Codes mit, sobald Sie alles umgestellt haben."

"Ja, Sir. Ich erstatte Ihnen sofort Bericht, wenn ich etwas Neues weiß." Damit verließ der Sicherheitschef das Quartier.

A´kebur zog sich die Akte des Wissenschaftsoffiziers. Er kannte sie schon. Aber jetzt schaute er sie sich unter dem Aspekt der neuesten Ereignisse an. Koljar war der Durchschnittsvulkanier in jeglicher Hinsicht. Er war gebunden und seine Frau arbeitete auf einer Sternstation im Vegassystem. Die Station vagabundierte, was ungewöhnlich war. A´kebur überlegte, was ihm beim Namen Teta III einfiel. Aber er konnte sich nicht an besondere Ereignisse erinnern, nur an technische Parameter. Die Informationen über seine Frau waren damit genauso durchschnittlich wie er, da über sie genauso viel oder so wenig bekannt war, wie über ihren Ehemann und die Station an sich nicht der Rede wert war. Koljars Frau war zivile Wissenschaftlerin und Vermittlerin, um die etwas streitbaren Völker in diesem Sektor zu beruhigen. Eine ehrenwerte Aufgabe, die sie erfolgreich bewerkstelligte. Sie war wie Koljar auf der vulkanischen Akademie gewesen, danach waren beide zu Starfleet gegangen. Er als Offizier, sie als Zivilistin. Was die Eltern betraf: Auch hier gab es keine Lücken, keine Vorkommnisse. Koljars Vater war Lehrer auf der Akademie, seine Mutter arbeitete in einer Wasseraufbereitungsanlage auf Vulkan als Technikerin. A´kebur sah die zwei nichtssagenden vulkanischen Gesichter an, die zu keiner Gefühlsregung fähig waren.

Und dann wurde ihm klar, was ihn störte: Die Tatsache, dass eben absolut nichts auffällig war.

Auch der logischste, langweiligste Vulkanier hatte hier und da Ungereimtheiten in seinem Leben oder besondere Vorkommnisse. Es war einfach normal; denn kein Leben verlief vollkommen glatt. Diese Akte hier musste gefälscht sein. Aber er konnte Koljars vermeintliche Eltern nicht einmal kontaktieren, solange sie noch nicht aus dem Nebel waren. Eine DNA-Analyse würde vemutlich auch nicht viel bringen, da vulkanische und romulanische Gene immer noch nahezu identisch waren. Und sollte auch nur ein Elternteil tatsächlich vulkanisch sein, dann würde er es so oder so nicht herausfinden, ob er nicht doch zum Teil Romulaner war.

A´kebur überflog noch einmal die Akte. So nichtssagend, dass es kaum noch einen Sinn machte, sie weiter durchzulesen. A´kebur hatte das Gefühl, dass ein Gespräch mit Koljar nichts bringen würde. Wichtig war nur, dass er vorerst in Gewahrsam blieb. Aber irgendetwas zu beweisen würde schwer bis unmöglich sein. Es war nur A´keburs Instinkt gewesen, diesen Mann zu verdächtigen, aber das reichte nicht.

Er starrte weiterhin auf den uninformativen Bildschirm, bis sein Kommunikator sich meldete. "Sir, Lieutenant T'Mara möchte Sie sehen", benachrichtigte ihn einer der Sicherheitsleute vor seiner Tür.

"Lassen Sie sie ein", gab A´kebur den Weg frei.

Das Schott öffnete sich, und die junge Vulkanierin trat ein. "Ist etwas vorgefallen, Sir?", erkundigte sie sich mit leicht zusammengezogenen Augenbrauen.

"T'Mara?", A´kebur erhob sich. Er mochte es nicht, wenn sie förmlich waren. Aber die Wachen vor der Tür schien sie noch im Dienst zu belassen. "Es hat einen Vorfall auf dem Holodeck gegeben. Die Sicherheitskontrollen sind manipuliert worden und ich hatte gedacht, dass die Gerüchteküche schon auf dem ganzen Schiff brodeln müsste."

"Nein, ich war nur wegen der Sicherheitsoffiziere verwundert." Sie setzte sich unaufgefordert. "Wenn ich störe, werde ich wieder gehen, A´kebur", wurde sie nun persönlicher, "aber ich muss mit dir über unseren nächsten logischen Schritt sprechen."

A´kebur reichte ihr seine Hand. "Ja, das sollten wir. Was sind deine Pläne? Ich werde mich deinem Willen beugen, auch um dich kämpfen, wenn ein Kampf dich an mich binden kann."

"Ein Kampf ist nicht nötig. Ich schlage eine formelle Verbindung vor, die jederzeit wieder gelöst werden kann. Kein Seelenband. Ich denke, unsere beiden Familien fänden dies sehr akzeptabel."

"Ich könnte meine Seele auch nicht mit dir binden. Die Verbindung zu Tiaren ist zu fest. Es tut mir leid." A´kebur wusste, dass er nicht vulkanisch reagierte, aber es kümmerte ihn nicht.

"Ich weiß, deswegen verlange ich auch nicht mehr. Und du und ich sollten die Möglichkeit haben, jederzeit gehen zu können." In T'Maras dunklen Augen lag ein Verständnis, das er bisher selten bei jemandem gesehen hatte. "Es ist unlogisch, Elemente dauerhaft binden zu wollen, die dafür nicht geschaffen sind."

A´kebur zog sie zu sich und umarmte sie. Sie nahm diese Berührungen an. Sie hatte ihm niemals Widerwillen gezeigt oder die typische Zurückhaltung, die ihrer Rasse zu eigen war, wenn es um Nähe ging. "Ich bin ein Wanderer. Ein Reisender. Ohne Zuhause. Wahrscheinlich hast du recht. Ich kann nicht gebunden werden."

"Deswegen biete ich dir eine vorübergehende Lösung an. Akzeptierst du?", fragte T'Mara leise und beinahe feierlich.

A´kebur nickte. "Ich akzeptiere. Du bist meine Partnerin. Meine Gefährtin."

"Und du der meine. Wünschst du ein gemeinsames Quartier? Und soll die Mannschaft davon wissen oder nicht?"

"Wenn du willst, kannst du hierher kommen. Mein Quartier ist groß genug für uns beide. Und, ich verschweige nichts. Man wird es akzeptieren."

Sie nickte. "Ich danke dir." Und dann drückte sie ihm unvermutet einen tiefen Kuss auf, der jegliches vulkanische Protokoll wieder vergessen ließ.

A´kebur lächelte und drückte sie an sich. "Meine heißblütige Vulkanierin", wisperte er zwischen zwei Küssen.

 

Es dauerte eine Weile, bis Kain sich wieder auf dem Campus der Akademie blicken ließ. Er war kreuz und quer auf Vulkan herumgereist, hatte unzählige Zeremonien erdulden müssen und wünschte sich, dass es endlich Winter wurde. Das Wetter war unerträglich heiß auf Vulkan geworden, und Kain fragte sich, warum er nicht auf der Stelle schmolz. Er fühlte sich jedenfalls, als wäre er kurz davor. Und die Vulkanier in ihren hochgeschlossenen, dunklen Roben zu betrachten, denen das nichts auszumachen schien, machte es noch schlimmer.

Kain dankte innig seinen Vorfahren, dass sie sich aufgemacht hatten, um diesen Backofen für immer zu verlassen. Er schaute zu den altehrwürdigen Mauern der Akademie hinauf. Sie waren wie alle Häuser in dieser Gegend aus dem Stein gehauen worden, der wohl vor Jahrmillionen aus dem Sand entstanden, wie er auf dem Grund ehemaliger Meere entstanden war. Wohin war das ganze Wasser nur verschwunden?

Vulkanier waren schrecklich. Humorlos. Und steif wie Puppen. Wahrscheinlich war alles Leben so wie das Wasser von Vulkan verschwunden.

Kain suchte den Campus ab. Irgendwo hier war sein Bruder. Tiaren tat ihm leid. Zumindest ein wenig. Das war eine Empfindung, die er sehr oft mit dieser speziellen Person verband.

Natürlich war es richtig gewesen, Torans Fuchtel zu entgehen, aber sich gleich zur Föderation, schlimmer noch, den Vulkaniern zu begeben, war aus seiner Sicht unnötig gewesen. Tiaren hätte einen aussichtsreichen Posten beim Tal'Shiar bekommen oder hätte weiter in der Flotte dienen können. Sich freiwillig diesen steifen Robenträgern und Schwächlingen der Föderation auszusetzen, konnte auf Dauer nicht gut ihn sein.

"Suchst du mich?", wurde er unvermittelt von hinten angesprochen.

Kain drehte sich auf dem Absatz herum und lächelte nonchalant. "Ich habe kaum mehr damit gerechnet, dich lebendig und bei bester Gesundheit zu sehen. Ich glaube, ich selbst bin schon gar und schmore gemütlich im eigenen Saft. Ja, ich habe dich gesucht."

Tiaren grinste. Er trug eine helle, dünne Robe und schwitzte gar nicht mal so sehr. Offenbar hatte er sich langsam an diesen Glutofen gewöhnt. "Du solltest etwas anderes anziehen", schlug er vor, "die Vulkanier haben spezielle Kleidung."

Kain wirkte mokiert. "Ich bin kein Vulkanier und ich werde mich deshalb auch nicht wie einer anziehen. Stell dir vor, ich zöge mich wie sie an. Jeder Mensch denkt sofort, er hätte einen Vulkanier vor sich. So jedoch sind Missverständnisse weitestgehend ausgeschlossen."

"Dich würde man nie für einen Vulkanier halten, keine Sorge. Deine Frisur und die Stirnknochen verraten dich sofort. Deine Ehre bliebe also intakt", spottete Tiaren, dann wurde er wieder ernst. "Wolltest du etwas Bestimmtes von mir?"

"Sehen, wie es dir geht und ob man dich gut behandelt. Du bist mein Bruder, auch wenn es für dich in der Vergangenheit wohl wenig Wert besaß. Ich pflege mich um meine Brüder zu kümmern." Kain sah sich um. Sie waren allein auf dem Campus. Es war eigentlich zu heiß, um außerhalb der Häuser zu sein. "Willst du dich hier mit mir unterhalten, bin ich es dir nicht wert, dass du mir nach vulkanischer Sitte Wasser anbietest?"

"Ich bin kein Vulkanier, aber du hast recht. Gehen wir hinein. Bei dem Wetter ist mir nicht einmal nach Ale." Sie traten durch das große Tor in den Aufenthaltsbereich für Gäste und außenweltliche Studenten. Hier war es merklich kühler. "Und hattest du bisher Erfolg?", wollte Tiaren wissen, nachdem sie sich gesetzt und sich mit zwei Glas Wasser versorgt hatten.

Kain trank mit Genuss. Er hatte das stark mineralhaltige Wasser schätzen gelernt. Es war nicht klar, aber es half einem, nicht den Verstand zu verlieren.

"Wenn du meinst, ob die Vulkanier mich am Leben ließen, ja. Aber hier hat sich seit Surak nichts geändert. Es sind immer noch Steinnacken an der Macht, die alle Gefühle in der Sonne dieses verdammten Planeten zum Verglühen bringen wollen. Oh, ich wurde gut behandelt. Man ist auch sehr nett. Aber als ein Kind, welches von einer angesehenen Familie stammte, die auf Surak einen Anschlag ausübte, bin ich weniger gern gesehen. Dass sie dich in Ruhe lassen, verstehe ich zwar nicht ganz. Aber vielleicht ist das ja logisch."

"Sie nehmen jeden hier auf, der bereit ist, sich zu benehmen." Tiaren zuckte leicht mit den Schultern. "Und ich hatte einige einflussreiche Bürgen. Das heißt aber nicht, dass man mich wirklich akzeptiert. Wir Romulaner haben nicht den besten Ruf in der Föderation, wie du dir denken kannst."

"Schämst du dich dessen? Schämst du dich, ein Romulaner zu sein? Wirst du jetzt ein Anhänger Suraks?"

"Bruder, ich glaube, die Sonne hat dir nicht gut getan. Ganz sicher werde ich das nicht. Ich bin hier, um zu lernen, aber nicht, um mir eine Philosophie aufdrängen zu lassen. Und ich werde mich niemals meiner Herkunft schämen." Tiaren zog seine Augenbrauen zusammen. "Ich schäme mich höchstens der Taten meines Vaters."

Kain lachte. "Vater!" Er seufzte. "Oh ja, Vater. Dieser Verräter ist nicht unser Vater. Er hat nichts mit uns zu tun, Tiaren. Niemals. Er ist ein Irrer. Wenn sie ihn zu fassen bekommen, wird er behandelt werden. Ich weiß nicht, ob sie die Krankheit nur vorschieben, wegen deines Captains, an den du ja jetzt gebunden bist. Aber ich weiß, dass er größenwahnsinnig ist. Er war es schon immer. Es ist nur schlimmer geworden. Doch ob krank oder nicht, es wäre besser ihn zu erschießen."

"Aber das wird keiner tun. Er hat noch immer mächtige Freunde. Jedoch, sollte er mir je begegnen, dann du kannst versichert sein, dass er nicht lebend davonkommt. Obwohl, du wirst lachen, aber auf eine bizarre Art bin ich ihm fast dankbar."

Kain sah ihn misstrauisch an. "Wegen deines Liebhabers? Oder Geliebten? Ich weiß ja nicht, wer hier was ist."

"Wir sind gar nichts, außer aneinander gebunden. Aber nein, das meine ich nicht." Tiaren lehnte sich zurück. "Ich hätte ohne seine verrückten Pläne vielleicht niemals die Chance gehabt zu erfahren, wie es außerhalb des Reiches zugeht. Ich hätte mein Leben damit verbracht, politische Gefangene zu foltern und Berichte an meine Vorgesetzten zu geben. Aber so habe ich ganz andere Möglichkeiten. Sicher, ich gehöre nicht mehr wirklich ins Imperium. Ich gehöre auch nicht zur Föderation. Aber dadurch ich bin frei."

Kain bezweifelte das. Aber er sah etwas in den Augen seines Bruders, was ihn das glauben ließ. Trotzdem blieben die Probleme bestehen. "Du liebst diesen Föderationscaptain wirklich. Ich hätte nie gedacht, dass mein Bruder auf Männer steht. Und noch weniger auf so eine exotische und völlig unmögliche Mischung. Hätte es kein Romulaner sein können, kleiner Bruder?"

Tiaren lachte. "Es wäre völlig egal gewesen. Und wenn er eine aldebaranische Maulschale gewesen wäre oder meinetwegen auch die Präsidentin der Föderation, es hätte keinen Unterschied gemacht. Aber stattdessen eine Mischung aus den beiden Völkern, mit denen wir am längsten verfeindet sind. Ich habe mich selbst lange genug darüber aufgeregt, glaub mir. Aber es ist nun einmal so."

"Nun, wenn es so ist. Ich werde ihn jedoch nicht als meinen Schwager sehen. Wage es nicht, ihn zu ehelichen. Ansonsten, wenn du deinen Spaß hast, ist es in Ordnung."

Jetzt zog Tiaren die Augenbrauen hoch. "Hatte ich nicht vor, davon abgesehen, dass es nicht möglich ist. Aber was interessiert dich eigentlich mein im Augenblick sowieso abwesendes Liebesleben?"

Kain spielte mit seinem Glas. "Die Situation zwischen der Föderation und dem romulanischen Reich ist schwierig. Merkwürdigerweise gefällt es mir, wenn wir eine gemeinsame Basis finden würden. Auch wenn ich bisher ganz anders gedacht habe. Ich habe hier in der Zeit mehr gesehen, als in meinem Leben zuvor. Wir könnten wirklich profitieren. Doch, was wird dann? Der ganze Krieg, die Auseinandersetzungen. Ich glaube, sie könnten einigen fehlen. Vielleicht auch mir. Dein Captain ist ein wunder Punkt in dieser Geschichte. Toran ist auf ihn fixiert."

"Ich weiß. Und er wird nicht ruhen, bis er seine Rache hatte. Doch es wird immer Auseinandersetzungen geben. Wenn wir nicht gegeneinander kämpfen, dann miteinander gegen einen Dritten. Wahren Frieden wird es nie geben, sei unbesorgt."

"Bis dahin sollten wir bald wieder einen Feind finden. Es wird noch eine ganze Zeit dauern, bis uns die Menschen an ihrer Technik teilhaben lassen. Sie vertrauen uns nicht. Aber wir werden nicht vergessen. Sie sind schnell und gründlich. Kurzlebige Völker neigen dazu."

"Und wir sind weniger gründlich? Das glaube ich kaum. Ich sehe die langwierigen Probleme aber weniger mit den Menschen als mit den Vulkaniern, um ehrlich zu sein. Wir erinnern sie an alles, was sie abschaffen wollten. Es ist eine beinahe religiöse Sache und es wird lang dauern, bis wir uns wirklich annähern werden. Einige Starrköpfe wird es auf beiden Seiten immer geben, wie es immer offene Geister geben wird." Tiaren trank sein Glas leer. "Das sehe ich hier täglich."

Kain nickte. "Dann lerne von ihnen, was wir vergessen haben vor langer Zeit. Wir werden irgendwann wieder Telepathen brauchen, die keine Vulkanier sind. Ich prophezeie dir das."

"Nun, bisher bin ich der einzige, aber es macht keinen Sinn, dass wir dieses Erbe in so kurzer Zeit verloren hätten. Auch unter Vulkaniern gibt es wenig Telepathen, doch ich bin mir sicher, dass es auch mehr von uns mit diesem Talent gibt. Vielleicht trauen sie sich bald heraus." Tiaren musterte Kain. "Übrigens, was meintest du vorhin, dass du auf all deine Brüder achten würdest? Hast du denn noch einen? Ich dachte, dein Vater, Mutters erster Ehemann, hätte nicht wieder geheiratet?"

Kain senkte den Blick und überlegte. "Toran hat mehr als nur zwei Söhne und er ist nicht mein leiblicher Bruder. Oh, und es sind immer Söhne bei Toran. Keine Töchter. Er hat noch einen Sohn mit einer Vulkanierin. Er wollte ein weiteres Talent in der Telepathie, nur dieser Sohn besitzt kein nennenswertes Talent. Noch weniger als du."

Das war neu für Tiaren. Nicht, dass sein Vater ihm je wirklich etwas mitgeteilt hätte, aber diese Tatsache war nun doch alles andere als unwichtig. "Weißt du, wo er ist?", fragte Tiaren, "Und dient er Toran?"

"Nein, und er dient Toran nicht, worüber ich ausgesprochen froh bin. Toran hat sich nicht für ihn interessiert, weil er schmächtig von Geburt an war und auch keine anderen Fähigkeiten besaß. Er hat sich nicht um ihn gekümmert. Ich schickte ihn deshalb, als er alt genug war, zum Geheimdienst. Sie haben ihn ausgebildet. Er ist hier, hier in der Föderation."

Tiaren war klar, was das bedeutete. Und auch, dass sein unbekannter Bruder alles andere als unfähig sein musste. Der Tal'Shiar war kein Kindergarten. "Ist das nicht langsam zu riskant, gerade während der Verhandlungen?"

"Wir können nicht alle Schläfer zurückziehen, die wir hier haben, Tiaren. Das würde auffallen. Sie werden bleiben, sich einfügen und wenn sie niemand ruft, werden sie für den Rest ihres Lebens an der Stelle bleiben, wo sie eingesetzt wurden. Du kennst die Bedingungen."

"Ja, sicher. Hatte er denn einen speziellen Auftrag?"

Kain schüttelte den Kopf. "Nicht das ich wüsste."

Das beruhigte Tiaren etwas. Er hoffte, dass sein Bruder seinen Platz fand, genau wie er selbst es irgendwie geschafft hatte. Zwischen den Welten zu leben war nicht einfach. "Vielleicht lerne ich ihn eines Tages kennen. Wie ist er so?"

Kain grinste. "Ein Vulkanier durch und durch. Spiel nie mit ihm Poker."

"So schlimm? Nun, wenn er sich für eine Lebensart entschieden hat, umso besser. Und du, wie lange bleibst du noch hier?"

"Zwei Tage noch, dann reise ich zurück zur Erde. Vulkan möchte im Übrigen noch keine Vertretung der Romulaner. Sie haben sich erst einmal dagegen entschieden und ihre Stimme wiegt schwer. Es werden interessante Zeiten."

"Auf der Erde wirst du es leichter haben. Das Wetter ist kühler und die Menschen umgänglicher", meinte Tiaren schmunzelnd, "ich werde in nächster Zeit auch wieder dorthin fliegen, wenn meine Studien es hier erlauben. Familienbesuche, wenn man es so will."

"Was auch immer du meinst", murmelte Kain, "ich bin auf jeden Fall dort. Auch wenn wir keine Botschaft errichten werden, so werde ich dennoch dort Büros beziehen. Du bist jederzeit willkommen." Er nickte leicht und lächelte.

"Danke, Kain. Besser spät als niemals." Es war klar, was Tiaren meinte. Die Situation war eine andere geworden, und auch sie waren anders. Anders geworden über die Zeit - vielleicht.

Kain lächelte, sein Blick war prüfend, aber er schien zufrieden. "Wenn du mich sprechen willst, ich bin noch bis zu meinem Abflug in der Akademie. Es kann ja sein, dass es dir ein Bedürfnis ist, nach all den Vulkaniern und anderen einen Romulaner zu sehen." Er erhob sich. "Danke für das Wasser."

"Ich komme vorbei", versprach Tiaren. Kain war das letzte Stück Familie, dass er noch im Reich hatte und das sich mit ihm abgeben würde, das wusste er. Und wenn sie auch in der Vergangenheit nicht gut miteinander ausgekommen waren, so gab es keinen Grund, das jetzt nicht zu ändern. Er hätte Kain diese Freundlichkeit auch kaum zugetraut, wenn er ehrlich war.

 

Koljar wurde am darauffolgenden Tag zur Vernehmung gebracht. Er sollte sagen, was er gesehen hatte und wie sich für ihn alles darstellte. Mittlerweile zweifelte A´kebur an seiner eigenen Wahrnehmung. Es gab keinen Vulkanier, der nicht vulkanischer hätte wirken können. Ein friedliebender, ruhiger, ausgeglichener und in jeglicher Hinsicht über alles erhabener Vulkanier.

A´keburs Nackenhaare sträubten sich. Er konnte nicht glauben und er durfte nicht glauben. Seine Erinnerungen waren richtig, so sehr sein jetziger Eindruck diese auch zu überlagern drohte.

Doch vom rationalen Standpunkt aus konnte er nichts Konkretes gegen Koljar vorbringen. Lieutenant Ch'Grawbil hatte die Holodeckkontrollen eingehend untersucht und in der Tat bestätigt, dass es eine Veränderung gegeben hatte. Aber wer es gewesen war, ließ sich nicht mehr feststellen. Auch A´keburs andere Offiziere waren skeptisch. Commander Aera tat offen kund, dass sie es für einen Zufall hielt und Counselor Troi erklärte, dass er keine Täuschung oder Lüge bei Koljar lesen konnte, obwohl er zugab, dass Vulkanier starke natürliche Barrieren hatten.

A´kebur hob mit Widerwillen den Arrest von Mr. Koljar auf und sprach ihn frei. Sein Verhalten und seine Person waren über jeden Zweifel erhaben. Das kam einer militärischen Entschuldigung gleich.

Persönlich jedoch blieb A´kebur wachsam. Nur, über seine Gedanken informierte er niemanden. Er wusste, dass sein Sicherheitschef mit dieser Entscheidung noch intensiver nach dem suchte, der die Kontrollen manipuliert hatte. Das Ergebnis war, dass bis auf das Programm des Captains keines verändert worden war. Das sprach dafür, dass es sich wirklich um einen Anschlag handelte. Doch dann fand er etwas noch Beunruhigenderes: Die Kontrollen waren mit dem Code des Captains geändert worden und dann war wieder mit diesem Code alles aus dem Protokoll gelöscht worden. Die Spuren waren jedoch rekonstruierbar.

Die Tatsache, dass jemand andere als er selbst Zugang zu diesen Codes gehabt hatte, war erschreckend. Auch wenn die Codes nun geändert waren und A´kebur seine persönlichen Zugangscodes, die nur er als Captain hatte, ebenfalls geändert hatte, blieb er dennoch beunruhigt. So etwas durfte einfach nicht passieren.

Was nicht ausgesprochen wurde, war, dass er auch selbst den Code geändert haben könnte. A´kebur gab keinen Anlass, diesen Gedanken weiter zu verfolgen, aber er wusste, dass dieser bei seinen Senioroffizieren oder zumindest bei seiner Ersten Offizierin bestand.

Ihrer Ansicht nach war es ihm zuzutrauen, die Sicherheitssperren des Holodecks aufzuheben, auch wenn er damit sein Leben riskierte.

Zum Glück war die Sache zum Rest der Crew nicht vollständig durchgedrungen; andernfalls wäre A´kebur wirklich gezwungen gewesen, selbst eine Aussage zu den Dingen machen zu müssen.

Lieutenant CH'Grawbil behielt derweil Koljar weiterhin für ihn im Auge, wusste jedoch nichts Auffälliges zu berichten. Auch T'Mara, die schließlich täglich mit dem jungen Vulkanier zusammenarbeitete, konnte A´kebur in der Hinsicht nicht weiterhelfen.

Ihr war nie etwas aufgefallen.

A´kebur fühlte paranoide Züge in sich erwachen. T'Mara war so anders als jede Vulkanierin, dass er eigentlich soviel Glück gar nicht haben könnte. Bei Koljar hatte er sofort das Bild aller Vulkanier vor sich, die Berührung weitestgehend mieden und wenn doch, sich innerlich wappneten. T'Mara zeigte dieses Verhalten nie und selbst ihre Herkunft von einem der wissenschaftlichen Camps konnte das nicht vollständig erklären. A´kebur jedoch verschob auch das, ehe ihm alle Zügel entglitten. Er wollte nur seine Mannschaft ohne weitere Vorkommnisse jenseits des Nebels bringen. Trotzdem bedeutete es, dass der Vorfall eine Untersuchung durch Starfleet nach sich zog. Bis zum Ende würde die Mannschaft nicht in den Urlaub gehen können.

 

Die nächsten drei Wochen verliefen ohne Zwischenfälle, auch wenn die ständige Wachsamkeit langsam an A´keburs Nerven nagte. Dankbarerweise kam nicht einmal der Counselor, um ihm zu raten, sich mehr zu entspannen. Troi wusste genau, dass das in dieser Situation unmöglich war. Er achtete allerdings weiter peinlich genau darauf, wie lange der Captain sich auf der Brücke aufhielt.

Das Ende des Nebels war bald erreicht, und die Stimmung an Bord hob sich zusehends. A´kebur saß oft mit Spock und den Wissenschaftsoffizieren zusammen, um ihre Berichte über die Ka'ossianer zu vervollständigen. Ihre Mission war in jeder Hinsicht erfolgreich gewesen, wäre da nicht diese Sicherheitslücke gewesen, und A´keburs merkwürdige Begegnung, an die er sich nicht erinnern konnte. Insbesondere das letzte Ereignis konnte er nicht beiseiteschieben, erfolgreiche Diplomatie hin oder her.

Kurz bevor sie endgültig den offenen Raum erreichten, in dem Subraumfunk endlich wieder möglich war, kam jedoch noch ein neuerlicher Schock für A´kebur hinzu. Er und T'Mara saßen nach Dienstende zusammen, als die junge Vulkanierin unvermittelt das angenehme Schweigen brach, welches sie gewöhnlich nach der Schicht vereinte.

"Ich war heute bei Doktor McCoy zur Routineuntersuchung."

A´kebur sah auf, dann lächelte er, als er etwas begriff, was sein Instinkt ihm schon vor einer ganzen Weile gesagt hatte. "Wärst du sehr erschrocken, wenn ich einen Kriegstanz aufführe?", fragte er mit wachsender Freude.

Sie hob eine Augenbraue. "Wenn du das für angemessen erachtest. Jedenfalls werden wir in genau 11,1 Standardmonaten Eltern. Ich hoffe, das ist in deinem Sinne."

"Ist es denn in deinem?", fragte A´kebur, der einen, wenn auch unwesentlichen Dämpfer seiner Freude verspürte, weil in ihm alle widerstreitenden Gedanken hochkamen, die er bisher zu diesem Thema hatte und es ihn gleichzeitig besorgte, ob T'Mara überhaupt mit einem Kind einverstanden war.

"Natürlich. Sonst hätte ich Gegenmaßnahmen ergriffen. Aber eine Verbindung wie die unsrige ist primär auf Nachkommenschaft hin ausgerichtet. Ich weiß, dass deine Familie in der Hinsicht Erwartungen an dich stellt" T'Maras trockene Wort wurden durch einen sanften Blick gemildert. "Außerdem war ich mir sicher, dass du gern ein Kind haben würdest."

A´kebur lehnte sich zurück und schaute sie nur an, dann nickte er. "Sehr logisch", murmelte er. "Sehr logisch. Ein Kind, weil eines gefordert ist. Hatte man an dich angetragen, mir dieses Kind zu gebären?"

"Nein." Sie sah etwas verwundert aus. "Es war meine Entscheidung aufgrund unserer eindeutig emotionalen Bindung. Es erschien mir nur logisch. Oder ist meine Logik in dem Fall fehlerhaft oder unklar?"

"Ist es dein Ziel gewesen, dass deine Logik klar war? Entschuldige, ich glaube, ich beginne an allem zu zweifeln. Wenn es logisch ist, ist es auch gut. Ich dachte nur, dass es mehr ist."

"Ich sagte doch, dass es mehr ist. Logisch ist es, dass man sich bindet, um Nachwuchs zu zeugen und aufzuziehen. Aber das war nie primär mein Anliegen, A´kebur. Du weißt, dass ich nicht lügen kann."

A´kebur glaubte ihr das. Aber er wusste auch, dass Vulkanier die Wahrheit sehr weit dehnen konnten. Er nickte dennoch. "Ja, ich weiß, deshalb nimm meine Entschuldigung an."

"Es gibt nichts zu entschuldigen", erwiderte T'Mara und lehnte sich an ihn. "Denkst du, wir werden in absehbarer Zeit wieder auf eine Mission geschickt? Ich würde unser Kind gern auf Vulkan bekommen."

"Ich kann nur darüber spekulieren", meinte A´kebur und legte seinen Arm um sie. T'Mara war wirklich anders als die Vulkanerinnen, denen er bisher begegnet war. Er war sich sicher, dass keine sich so an ihn gelehnt hätte. Unter keinen Umständen. Doch sie tat es, und sie sprach ihn auch nicht mit seinem vulkanischen Namen an. Selten hatte A´kebur dieses Maß Akzeptanz erlebt. Wenn er es recht bedachte, dann behandelte ihn nur seine Familie, und da vor allen Dingen Etiennes Familie, so selbstverständlich. Doch sie kannte ihn nicht anders. Fremde reagierten immer noch mit Befremden, wenn sie seiner das erste Mal ansichtig wurden.

A´kebur entspannte sich und gab endlich uneingeschränkt der Freude nach, die er empfand. Mochte es vulkanisch logisch sein, für ihn war es das schönste überhaupt. Er wollte im Moment nicht darüber nachdenken, dass dieses Kind vielleicht auch zwischen den Welten aufwuchs und dass er das bisher abgelehnt hatte. Er hatte seine eigene Ablehnung noch im Kopf und dies war nicht allzu lange her. Jetzt aber, wo er T'Mara in seinen Armen hielt, schien es unmöglich, dass jemand das Kind ablehnen würde. Er musste einfach damit rechnen, dass es angenommen wurde, denn jetzt gab es kein Zurück mehr. Zudem, auch wenn es medizinisch bestätigt war, so recht konnte er es außerdem nicht gänzlich fassen, und so blieb eine Spur Angst um das ungeborene Wesen.

 

In der Nacht durchflogen sie den Nebel und A´kebur war auf der Brücke, um den ersten Kontakt zu Starfleet herzustellen. Cindy war es, die ihn empfing. "Wir haben nicht mit euch gerechnet. Müssen wir uns Sorgen machen?", fragte sie gespannt.

A´kebur sah mit Stolz seine Tochter im vollen Lametta. "Nein, wir sind hier, um die Grüße der Kaiserin zu überbringen und die ersten Abkommen für einen gemeinsamen Austausch. Die Mission war ein voller Erfolg."

"Das, Captain A´kebur, sind großartige Nachrichten! Wir erwarten die Enterprise zum Empfang auf der Erde." Cindy lächelte strahlend und wirkte dabei schöner denn je; A´kebur hatte vor langer Zeit entschieden, dass keine Menschenfrau jemals auch nur annähernd so hübsch wie seine Tochter sein konnte. "Ich werde bis dahin Ihre Berichte lesen. Und bitte richten Sie auch meine Grüße an Botschafter Spock aus", erklärte sie formell. Auf der Brücke konnten sie sich natürlich nicht vertraulich sprechen.

"Das werde ich, Enterprise Ende." A´kebur ließ sich in den Sessel sinken und sah in die zufriedenen Gesichter der Crew. "Volle Energie", befahl er dann. "Kurs, Erde."

Der Para-Warpantrieb, wochenlange nicht genutzt, summte los, doch als nach einigen Momenten der Energieschub immer noch nicht eingesetzt hatte, meldete der Fähnrich an der Navigation: "Sir, der Antrieb reagiert nicht."

"Brücke an Maschinenraum; Commander Delacroix, was ist los?", fragte Commander Aera sofort nach.

"Tut mir leid, Sir, aber es scheint eine Fehlfunktion in der Phasenvarianz zu geben; es muss eine Nachwirkung des Nebels sein. Wir kümmern uns sofort darum", gab die Chefingenieurin zurück; sie klang ein wenig ärgerlich. A´kebur verbarg seine eigene Verärgerung und gab den Befehl, vorerst mit dem Impulsantrieb zu fliegen. Sie würden jedoch auf diese Weise sehr lange brauchen, sollte es ihnen nicht gelingen, den Para-Antrieb zu reparieren. Alternativ stand ihnen noch der normale Warpantrieb zur Verfügung, aber etwas riet ihm, erst das Problem des Para-Warps zu lösen. "Lieutenant senden Sie der Admiralität, dass es zu einer Verzögerung kommt. Der Zeitpunkt des Eintreffens wird noch genannt werden."

"Aye, Sir."

"Captain, ich gehe zum Maschinenraum und werde Commander Delacroix helfen", erklärte Lieutenant Commander Yamilu.

"Tun Sie das!" A´kebur. Als der Lieutenant die Brücke verlassen hatte, gab er einem Seufzer nach. "Ich würde behaupten, dass wir groß in großen Dingen sind. Aber irgendwie gibt es immer wieder winzige Steine im Getriebe."

"Die Fehlfunktion wird sicher bald behoben sein; im schlimmsten Fall müssen wir zuvor noch eine Station anlaufen", meinte Troi, doch er sah auch nicht sonderlich gelassen aus.

"Ich stimme zu", erklärte Aera, "sobald wir die Erde erreicht haben, sollte die Enterprise einem gründlichen Scan im Trockendock unterzogen werden."

"Sie haben aber Recht: Die Enterprise muss überholt werden. Die Auswirkungen auf den Para-Antrieb sind neu. Der Nebel hat möglicherweise einen besonderen Einfluss auf den Antrieb gehabt. Bitte übernehmen Sie das Kommando. Ich werde in den Maschinenraum gehen."

"Aye, Sir." Commander Aera übernahm das Kommando, und A´kebur verließ die Brücke. Der Para-Warpantrieb war immer noch sein Kind, und wenn etwas nicht stimmte, das die fähige Maschinencrew vor dem Start nicht gefunden hatte, dann wollte er sich selbst kümmern. Commander Delacroix empfing ihn auf der unteren Ebene. "Sir, wir haben die Leitungen gecheckt, die Materieumwandlungskammer und den Zustand der Kristalle, aber wir finden keinen Fehler. Der Navigationscomputer läuft ebenfalls einwandfrei und die Checks haben keine Rückstände des Nebels ergeben."

A´kebur blickte zum Antrieb hinauf. "Ich vermute, dass auch keine Interferenzen gefunden wurden. Gibt es minimale Abweichungen von der Norm des Antriebs? Etwas, was anders ist als sonst, aber sich noch innerhalb der Parameter befindet?"

"Nein, Sir. Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum der Antrieb nicht funktionieren sollte", erwiderte die Chefingenieurin. Ihr war anzusehen, wie sehr sie es ärgerte, keine Erklärung zu finden. "Sie wissen ja, dass ein Totalausfall nur durch ganz bestimmte Faktoren erfolgen kann. Nichts davon ist der Fall."

A´kebur trat zur Station und ließ alles durchlaufen. Dann zuckten beide Augenbrauen hoch. "Sabotage", sagte er nur.

"Sir?" Delacroix sah ehrlich empört aus. "Ich verbürge mich für meine Maschinencrew, Sir! Und niemand kommt hier ohne Autorisation an die Panels."

A´kebur sah auf und lächelte dünn. "Ich glaube Ihnen. Der Punkt ist, dass die Startcodes geändert worden sind. Ich habe keinen Zugriff. Ansonsten ist nichts am Antrieb selbst gemacht worden. Er funktioniert einwandfrei. Ich spüre auch nichts."

"Die Startcodes? Verzeihen Sie, Sir, aber das ist unmöglich. Das Panel dafür befindet sich im Reaktor selbst, falls wir eine manuelle Startsequenz einleiten müssten. Dort käme kein Saboteur heran. Und über die Konsolen hier gibt es keinen Zugriff."

"Ich weiß." A´kebur tippte an seinen Kommunikator. "Sicherheit, bitte in den Maschinenraum. Überprüfen Sie außerdem die Zugriffe auf die Startcodes."

Momente später waren die Sicherheitsleute da, angeführt von Lieutenant Ch'Grawbil. Commander Delacroix hatte derweil den Zugriff überprüft, aber es war, wie sie gesagt hatte: Von außen kam man nicht heran. Als sie jedoch mit ihren Sondergenehmigungen die Startsequenzen überprüfte, stellte sich heraus, dass das System tatsächlich auf manuelle Eingabe wartete. Das Schiff tat buchstäblich so, als wäre der Antrieb noch nie zuvor benutzt worden.

A´kebur starrte auf die Codes, die dafür verwendet worden waren und seine Lippen bildeten dabei nur noch einen schmalen Strich. Er wich vom Monitor zurück und sah seinen Sicherheitschef an. "Sie werden mich festnehmen müssen, Mr. Ch'Grawbil. Ich habe das Schiff sabotiert."

Der Rigelianer starrte ihn an. "Sir, das ist nicht Ihr Ernst! Warum sollten Sie so etwas tun?"

"Weil das der Computer sagt. Ich habe Zugriff um 0 Punkt 21 gehabt, mit Hilfe meiner Codes alle Sicherungen umgangen und dann den Antrieb auf Standby gesetzt. Sie werden dieses Terminal untersuchen, mein Quartier, meinen Bereitschaftsraum und alle Terminals, die ich in letzter Zeit genutzt habe. Ich gebe hiermit mein Kommando an den Ersten Offizier ab."

"Ich … aye Sir. Ich muss Sie um Ihren Kommunikator bitten. Commander Delacroix, benachrichtigen Sie Commander Aera, damit sie die Startsequenz eingibt. Captain, wenn Sie mir folgen." Dem Rigelianer war deutlich anzusehen, wie zuwider ihm die Sache war, doch es ging nicht anders.

A´kebur gab ihm seinen Kommunikator. Er würde einen anderen bekommen. Ch'Grawbil wählte wohlweislich einen Weg zu den Arrestzellen, auf denen ihnen möglichst wenige Crewmitglieder begegneten. Bevor nichts bewiesen war, sollten sie von der Sache besser nichts mitbekommen.

Als Commander Aera die Nachricht bekam, verzog sie keine Miene. "Counselor Troi, gehen Sie zum Captain in den Arrestbereich. Wir müssen feststellen, was genau sich abgespielt hat. Ziehen Sie auch den Doktor zu Rate. Computer, Eintrag ins Logbuch: zur sofortigen Wirkung übernehme ich das Kommando über die Enterprise. Alle Rechte und Genehmigungen werden durch die Senioroffiziere erteilt. Captain A´kebur ist bis auf Widerruf vom Dienst suspendiert. Seine Kommandocodes sind zu sperren. Ich gehe in den Maschinenraum."

Troi nickte und machte sich umgehend auf den Weg. Er konnte sich nicht vorstellen, dass der Captain etwas damit zu tun hatte. Jemand musste sich auf irgendeine Weise Zugriff verschafft haben. Im Arrestbereich traf er Lieutenant Ch'Grawbil an. "Lieutenant, checken Sie den persönlichen Computer des Captains. Ich bin mir sicher, es ist ein Sicherheitsleck. Captain A´kebur hat nichts damit zu tun."

"Sie sollten nicht mit dem Ergebnis anfangen", warnte A´kebur ihn. "Ihre Treue und Ihr Glaube an mich ehrt Sie, aber es ist nicht hilfreich. Gehen wir erst einmal davon aus, dass ich es bin, dann würde eine Untersuchung an den Stellen, von wo aus ich diesen Zugriff machen könnte, weitere Informationen geben. Dass zudem ein Zugriff normalerweise nur innerhalb des Antriebs möglich ist, spricht für einen enormen technischen Verstand, was auch noch gegen mich spricht. Also gehen Sie die Spuren ab, die ich hinterlassen habe."

"Sir, das ist lächerlich! Sie waren es nicht!", gab Troi entschieden zurück. "Also, bei allem Respekt, hören Sie auf, sich das selbst einzureden! Jemand hätte Sie sehen müssen. Nein, ich bin mir sicher, dass sich jemand Zugriff verschafft hat. Und Sie haben die neuen Codes doch von ihrem Privatterminal aus eingegeben. Also werden wir dort suchen."

"Ich bin mit dem Counselor einer Meinung", stimmte Ch'Grawbil zu. "Und wir haben Ihren Terminal nur einem Stufe-2-Scan unterzogen. Wenn jemand anderes als Sie sich wirklich Zutritt verschafft hat, ist es nur mit einem Stufe-5-Scan herauszufinden. Ich kümmere mich sofort darum."

"Warten Sie, Lieutenant!", hielt A´kebur ihn auf. "Es ist eine Vorgehensweise. Tun Sie, was ich sage. Nehmen Sie an, was Sie haben und bauen Sie darauf auf. Versuchen Sie nicht, auf mich Rücksicht zu nehmen. Der Saboteur muss festgesetzt werden und zwar um jeden Preis! Mr. Troi, Sie sollten sich umsehen, um herauszufinden, ob jemand ein paar Gefühle verliert."

"Das hatte ich vor, Sir", meinte Troi mit einem Lächeln. "Lieutenant, ich gebe Ihnen Bescheid, sobald ich etwas herausgefunden habe." Damit verließ er den Arrestblock. Ch'Grawbil sah seinen Captain an. "Was genau meinen Sie, Sir?"

"Es war kein Zufall, was auf dem Holodeck passiert ist. Doch jetzt geht es nicht nur gegen mich. Das gesamte Schiff soll still gelegt werden."

"Ich werde mit Commander Aera sprechen, aber bestimmte Scans können nur im Dock gemacht werden. Sobald der Warpantrieb wieder läuft, wird das eine Angelegenheit von wenigen Tagen sein. In der Zwischenzeit werden wir alles tun, was möglich ist. Entschuldigen Sie mich jetzt, Sir."

"Sie sind entschuldigt. Und, Mr. Ch'Grawbil, Sie können einen Scan durchführen, der ähnlich effizient ist. Sie werden dafür nur ein wenig die Stabilität des Computers gefährden müssen. Eine Sicherung sollte jedoch die Schäden in Grenzen halten. Eine Persönlichkeitsänderung des Schiffs dürfte die größten Effekte bringen."

"Ich versuche es, Sir. Ich melde mich, sobald ich neue Informationen hatte." Damit ließ der Sicherheitschef A´kebur hinter Kraftfeldern und zwei Männern zur Bewachung zurück.

Counselor Trois nächster Weg war zur Krankenstation gewesen. McCoy zog erst fragend eine Augenbraue hoch, dann verdüsterte sich seine Miene, als er von den Vorfällen hörte.

Sie beschlossen, alle Akten der Besatzungsmitglieder und deren Familien noch einmal durchzugehen, und zwar unter ganz bestimmten Aspekten; Troi konnte die Intentionen fast aller an Bord spüren, aber es gab Völker, bei denen das nicht funktionierte. Da er seiner Empathie vertraute, kamen nur die Crewmitglieder in Frage, die er nicht sehen konnte.

Ch'Grawbil derweil hatte sich die Erlaubnis zu einem speziellen Scan des Schiffes von Commander Aera geholt; er konnte jedoch erst durchgeführt werden, wenn die Energie des Warpantriebs zur Verfügung stand, da der Scan die Computerleistung sehr belasten würde. Die Startcodes waren zwar wieder eingegeben, aber es würde fast einen Tag dauern, ehe der Antrieb wieder ordnungsgemäß hochgefahren und allen Checks durchgeführt waren. Derweil musste der Sicherheitschef "per Hand" suchen. Er bat Lieutenant Commander Yamilu als Computerexpertin hinzu, und sie nahmen sich als erstes das Terminal des Captains in dessen Quartier vor.

Der erste Hinweis kam jedoch von Dr. McCoy und es war nur eine Winzigkeit. Sie hatten alle Daten durchsucht, die nach einer eigenen Abschätzung vielleicht interessant waren.

Mr. Koljar stand dabei an oberster Stelle und sie selbst. Wenn der Captain sich schon als Verdächtiger ansah, dann mussten sie auch sich selbst verdächtigen. Niemand stand außen vor und vielleicht war es ja wirklich einer von ihnen, nur, dass er sich gar nicht mehr daran erinnerte. Sie hatten eine Mission hinter sich, in der ihr Captain einen Erinnerungsverlust erlitten hatte.

Was wussten sie, was noch passiert war?

Dr. McCoy jedoch kam dadurch auch auf die Idee, die medizinischen Unterlagen durchzusehen. Angefangen vom Captain bis zur gesamten Seniorcrew sowie Mr. Koljar. Doch erst, als er die Akte schon wieder weglegen wollte, fiel es ihm auf: Es gab Differenzen. Winzige Differenzen, aber sie waren da. Wie der Captain schon auf winzige Änderungen bei dem Antrieb seines Schiffes reagierte, reagierte er auf diese Anomalien. Eigentlich war alles im akzeptablen Rahmen, aber für einen reinen Vulkanier waren die Werte eigentlich ungewöhnlich.

Er zeigte es Troi. "Sehen Sie mal. Das sind die Ergebnisse des letzten Routinechecks vor einem Monat und das hier die in der Starfleet-Akte verzeichneten Daten. Sie stimmen nicht ganz überein. Normalerweise hat das keine Bedeutung; Blutzucker oder Kreislauf oder sonst etwas können ja immer etwas schwanken. Aber für einen Vulkanier sind mir die Werte zu verschieden."

"Denken Sie, wir haben doch einen romulanischen Spion an Bord?"

"Möglich. Aber wir haben keine Vergleichsmöglichkeit. Romulanische und vulkanische Werte wurden nie in einem größeren Ausmaß verglichen, sodass wir die feinen Unterschiede einfach nicht feststellen können", brummte McCoy.

Der Counselor rieb sich die Stirn. "Hm …" Dann fiel ihm etwas ein. "Wir haben doch noch Mr. Tiarens Werte. An seiner DNA wurde zwar herumgepfuscht, aber ein allgemeiner Vergleich sollte doch noch möglich sein."

"Mr. Tiaren!" Dr. McCoys Gesicht erhellte sich. "Natürlich, der Verbrecher." Er suchte die Unterlagen heraus und legte sich als Vergleichswerte daneben. "Faszinierend würde ich sagen."

"Nun, inzwischen ist er auf Vulkan und trägt zur Völkerverständigung bei", meinte Troi schmunzelnd, dann wurde er wieder ernst. "Doktor, sehen Sie sich die Genfrequenz an: Für mich sieht sie gleich aus!"

McCoys Lippen wurden schmal, dann räusperte er sich lautstark und suchte nach den passenden Worten. "Mr. Troi", hob er an, "wissen Sie, was das bedeutet?"

"Dass Koljar Romulaner ist?"

"Quatsch. Oder ja, nein. Ach, Sie machen mich irre. Was ich sagen will, die zwei haben denselben Vater", knurrte McCoy, "Und das ist … Nun, wie soll ich es sagen? Das bedeutet, dass Mr. Toran zwei Söhne hat."

"Ist das Ihr Ernst? Dann ist es kein Zufall. Mr. Koljar ist tatsächlich an Bord, um dem Captain zu schaden. - Troi an Ch'Grawbil", kontaktierte der Counselor den Sicherheitschef, "nehmen Sie Mr. Koljar wieder in Gewahrsam. Ich denke, wir haben einen Beweis."

"Aye, Sir", ließ der Sicherheitschef sich vernehmen. "Sie können den Captain frei lassen. Er wird das hier interessant finden. Er soll zur Krankenstation kommen."

Nur wenige Minuten später kam A´kebur in die Krankenstation. Er sah die zwei Männer neugierig an. "Und, was haben Sie herausgefunden?", fragte er sogar ausgesprochen freundlich.

Mit zufriedener Miene drehte McCoy den Bildschirm, um dem Captain die Daten zu zeigen. "Sir, Lieutenant Koljar ist Mr. Torans Sohn. Wir haben die DNA mit der von Mr. Tiaren verglichen, und Unterschiede zwischen Vulkaniern und Romulanern herauszufiltern. Aber die Werte sind so ähnlich, wie sie nur bei unmittelbarer Blutsverwandtschaft vorkommen."

A´kebur wurde sichtlich blass. "Ist er unter Arrest gestellt?", fragte er rau.

"Ja, Sir, wir haben das sofort veranlasst. Sie hatten recht mit Ihrer Vermutung, Sir", meinte Troi.

"Das ist … Ich will mit Mr. Koljar reden!"

"Der Sicherheitschef hat ihn bereits in Gewahrsam genommen. In der Zwischenzeit wird der Computer weiter durchsucht, Sir. Vermutlich werden wir eine Verbindung finden."

A´kebur hörte nur mit halbem Ohr zu. Sein merkwürdiges Gefühl in Koljars Gegenwart war also berechtigt gewesen.

Nur, er verstand nicht, warum er noch am Leben war. Wenn Koljar von Toran unterrichtet worden war und darüber hinaus wie Tiaren vom Geheimdienst seine Ausbildung erhalten hatte, was die Bewegungsabläufe erklärte, dann war nicht erklärbar, warum er dafür sorgte, dass A´kebur doch nicht starb. Er hätte einfach zusehen können.

Stattdessen machte er das. Er forderte das Leben des Captains ein, und nahm es dann doch nicht an. Er manipulierte die Computer, aber er zerstörte die Enterprise nicht. Was sollte das? A´kebur stand wie angewurzelt auf der Krankenstation, während seine Gedanken sich überschlugen.

Er musste es in Erfahrung bringen und nur Mr. Koljar selbst wusste, was das alles sollte. Ohne ein weiteres Wort verließ er die Krankenstation, um sich zurück auf den Weg zur Arrestzelle zu machen.

"Sir, wenn Sie keine anderen Befehle haben, setze ich die Untersuchung Ihres und auch Mr. Koljars Computerterminal fort", begrüßte ihn Ch'Grawbil. Er wirkte noch unzufriedener als sonst. A´kebur hatte eine lebhafte Vorstellung davon, was seinem Sicherheitschef durch den Kopf ging.

"Tun Sie das. Aber erst bleiben Sie hier, Mr. Ch'Grawbil!", befahl er und sah Koljar unverwandt an, dessen ausdrucksloser Blick ihm sagte, dass er so einfach keine Antworten bekommen würde. Ch'Grawbil blieb hinter ihm stehen, als A´kebur auf den Vulkanier, nein, romulanischen Spion zutrat. Nach wie vor zeigte Koljars Gesicht keine Regung.

Ihn schien nichts zu berühren oder gar zu besorgen. "Mr. Koljar, ist das Ihr Name?", fragte A´kebur.

"Ja, Sir." Sie hätten genauso gut über das Wetter reden können, so unbeteiligt klang er, wobei er wohl darüber mehr Leidenschaft verloren hätte.

"Sie sind der Bruder von Tiaren?", fuhr A´kebur ungerührt fort.

"Sie haben meine Akte, Sir."

"Beantworten Sie meine Fragen, Mr. Koljar!", befahl A´kebur.

"Sir, ich behalte mir vor zu schweigen. Sie haben meine Akten, Sie haben meine Aussagen, und laut Gesetz steht mir bei einer formalen Befragung eine Verteidigung zu", gab Koljar zurück.

"Ich habe Sie nicht angeklagt. Aber ich werde Ihnen einen Anwalt zur Verfügung stellen. Nur eine Frage will ich doch noch beantwortet haben, Mr. Koljar: Warum haben Sie mein Leben gerettet, wenn Sie mich doch töten wollten?"

"Ich hatte nie die Absicht, Sie zu töten, Sir." Koljars dunkle Augen schienen für einen Moment zu blitzen, und auch wenn er sonst vollkommen wie der typische Vulkanier wirkte, so erkannte A´kebur in diesem Moment doch etwas von Toran in ihm. Obwohl so viele Jahre verstrichen waren, seit er seinen und Etiennes Erzfeind zuletzt gesehen hatte, war die Erinnerung an den Fanatismus in dessen Augen, der absolute Glaube daran, dass es richtig war, was er tat, nicht verblasst. Genau diese Überzeugung flammte nun auch in Koljars Augen auf. Und A´kebur war sich sicher, dass er tatsächlich die Wahrheit sagte. Ein Attentäter hätte sich anders verhalten.

"Und, was war dann Ihre Absicht?"

Koljar schwieg.

A´kebur nickte. "Ich verstehe", murmelte er. "Sie stehen damit unter Arrest, bis Sie der Sicherheit von Starfleet übergeben werden. Man wird Sie vor ein Kriegsgericht stellen. Sie sind vulkanischer Staatsbürger."

Auch dazu sagte Koljar nichts; er wusste es natürlich. Ch'Grawbil gab seinen Leuten ein Zeichen, Koljar in eine Arrestzelle zu bringen und vorher genau zu scannen. Unbewacht würde er keine Minute bleiben.

A´kebur jedoch befahl ihnen, als das Kraftfeld aktiviert war, den Arrestbereich zu verlassen und setzte sich davor. Koljar blieb davon wenig beeindruckt. Er setzte sich auf die Bank, schloss die Augen und begann zu meditieren.

A´kebur hatte eine Idee. Er ging zum Terminal, prüfte seine Zugänge und fand sie frei. Im nächsten Moment hatte er die Sicherheitssperren ausgeschaltet und Koljar verschwand im Transporternebel. Nur Bruchteile von Sekunden später fand dieser sich in einer Wüste wieder. Die Wüste von Vulkan. Doch das war unmöglich. "Computer, Programm beenden", befahl er. Außer einem Piepsen antwortete ihm jedoch nichts.

Koljar sah sich um, konnte aber keine besondere Landmarke erkennen, auch keine Stelle, an der das Programm unterbrochen war. "Computer, Ausgang", befahl er. Wieder geschah außer einem Piepston nichts. Koljar tat also das Nächstliegende und setzte sich. Er wusste genau, dass der Captain keine Autorisation hatte, ihn hier festzuhalten.

Dieser erschien in dem Moment, wo er seine Kleidung geordnet hatte. Captain A´kebur trug Wüstenkleidung und ansonsten nichts.

"Es gibt keine Sicherheitseinstellungen hier. Das ist Ihr Programm, Mr. Koljar, und Ihre Einstellungen", informierte er ihn.

Koljar sah auf. "Haben Sie die Absicht, mich anzugreifen, Captain? Sie wissen, wenn Sie das tun, droht Ihnen genauso das Kriegsgericht."

"Das ist mir egal!", meinte dieser und sah zum Horizont.

"Sir, das glaube ich Ihnen nicht. Sie werden nur von Ihren Emotionen geleitet und vergessen jegliche Ratio." Koljar stand auf.

"Das mag sein. Aber wie wenig Logik enthalten folgende Gedanken: Seit ich Toran begegnet bin, ist er darauf aus gewesen, meinem Gefährten, mir und dann unserer gemeinsamen Familie zu schaden. Das hier endet nicht. Diese Rache entbehrt jeglicher Logik und doch wäre es unlogisch, nichts dagegen zu tun. Ich werde das hier beenden und wenn es mich alles kostet, was ich bin und was mich ausmacht. Ich werde nicht zulassen, dass jemals wieder meine Familie oder jeder andere unter Toran leiden wird. Weder durch ihn selbst oder durch einen seiner Leute."

Koljar zog eine Augenbraue hoch. "Ich habe mit diesem Mr. Toran nichts zu schaffen. Rache ist unlogisch."

"Er ist Ihr Vater. Damit haben Sie sehr viel mit ihm zu schaffen."

"Sir, Ihre Behauptungen sind vollkommen haltlos. Ich verlange, in meine Zelle zurückgebracht zu werden." Koljar verschränkte die Arme. Eine unbewusste Schutzreaktion, die A´kebur nicht entging. Er lächelte. "Das hier ist genauso gut wie jede Zelle. Ein wenig der eigenen Medizin. Kommen Sie, ich kenne die Gegend", meinte er und lief einfach los.

Koljar rührte sich nicht. "Das ist eine Simulation; Sie laufen auf der Stelle, Sir."

Der Ruf ging ins Leere. Der Captain lief einfach weiter, als würde ihn die Logik dessen nichts angehen. Natürlich liefen sie auf der Stelle.

Aber das war trotzdem nicht von Belang. Irgendwann war A´kebur nur noch ein Punkt auf einem der Sandhügel und würde bald hinter der Kuppe verschwinden. Koljar setzte sich wieder. Er begann ernsthaft am Verstand des Captains zu zweifeln. Was auch immer man ihm aufgetragen hatte herauszufinden, eines wusste er inzwischen: Die Föderation war durch solche Leute verwundbar.

Der Himmel verfärbte sich, als die Nacht sich ankündigte. Wenn es wirklich keine Sicherheitsprotokolle gab, dann würde es sehr kalt werden. Es war gefährlich bei Nacht im Freien zu bleiben. Aber wenn dieses Programm nur die vulkanische Wüste enthielt, würde er auch nirgendwo Unterschlupf finden. Dass der Captain ihn ohne zu Zögern hier erfrieren lassen würde, war ihm zuzutrauen. Und wenn es sonst niemand merkte, war es um die Sicherheit bei Starfleet noch schlimmer bestellt, als er angenommen hatte.

Die Sicherheitsprotokolle waren geradezu lächerlich einfach zu umgehen gewesen. Koljar sah sich erneut um und versuchte die Tiefenwirkung des Horizontes einzuschätzen. Wenn er eine Wand des Holodecks erreichte, konnte er versuchen, auf den Computer zuzugreifen.

Natürlich brachte es nichts, loszurennen. Das Holodeck würde einen nur umso mehr auf der Stelle rennen lassen.

Koljar kam schließlich zu der Ansicht, dass schräg rechts von ihm eine Wand sein müsse, da der Horizont ein wenig verzerrt wirkte. Natürlich ließ sich das Programm nicht so einfach austricksen, aber Energie mit Laufen zu vergeuden, würde er nicht.

Er versuchte die Verzerrung zu erreichen, aber da war auf einmal nichts mehr. Die Nacht brach über ihn herein und Kälte ersetzte die Hitze. Bis auf die Sterne gab es kein Licht mehr.

Er war vor Jahren das letzte Mal in der Wüste von Vulkan gewesen. Aber man vergaß nicht, wie man hier lebte und überlebte. Trotzdem, es machte keinen Sinn, dass der Captain ihn hier aussetzte. Eine holographische Umgebung, die der gemeinsamen Heimat ihrer Vorfahren entsprang.

Koljar lauschte aufmerksam, während er weiterging. Der Himmel war sternenklar, aber da Vulkan keinen Mond besaß, gab es nur einen gewissen Grad an Licht. Irgendwo in der Ferne jedoch bewegte sich etwas. Koljar wusste, dass die Wüste Vulkans viele nächtliche Räuber beherbergte, denen es während des Tages zu heiß war, allen voran den Le-Matya, eine übergroße Säbelzahnkatze. Falls das Programm korrekt lief, würden die Tiere sich zeigen und ihn angreifen.

Er hörte das dunkle Brummen, welches sich erhob, wenn diese Katzen auf die Jagd gingen. Sie jagten gewöhnlich allein. Aber jede Nacht markierten sie durch diesen Laut ihr Revier. Ein Brummen war in seiner Nähe und es ging direkt in seine Magengrube. Wenn der Captain wirklich sein Programm mit seinen Manipulationen kombiniert hatte, dann würde er die Beute dieser Katze werden. Koljar schaute angestrengt, dann sah er auf einmal Licht.

Er konnte keine Einzelheiten erkennen, aber im Tageslicht hatte er dort noch eine Gebirkskette gesehen. Das musste der Captian sein, der ein Feuer entzündet hatte.

In der momentanen Situation war das der einzige Weg, den er gehen konnte, obwohl er sich fragte, woher der Captain das nötige Holz hatte. Es gab praktisch nichts in dieser Wüste, auch nichts, das sich als Waffe verwenden lassen könnte.

Das Brummen der Katze ließ ihn eiliger voranschreiten. Tatsächlich, so stellte er bald fest, hatte sich Captain A´kebur die Felsen erklommen und dann eine Höhle gefunden. Diese war hell erleuchtet von einem winzigen Feuer. Der Captain hatte sich für das Biwak gerüstet.

Nach kurzer Zeit hatte er ihn erreicht. "Sir, Sie sollten diesen Unsinn wirklich beenden."

"Ich wüsste nicht warum", meinte A´kebur. Er hatte sich lässig gegen eine Wand gelehnt und schien zu dösen. Er gab nicht einmal die Haltung auf, um Koljar entgegenzublicken.

"Und ich verstehe Ihr Ansinnen nicht. Was für einen Zweck soll es haben, uns hier in Gefahr zu bringen?" Koljar setzte sich A´kebur gegenüber.

"Ich bin bereit zu sterben. Sie? Sind Sie bereit dazu?"

"Sie, Sir, sind ernstlich mental gestört und sollten Ihr Kommando niederlegen, ehe noch jemand verletzt wird", gab Koljar zurück.

"Vielleicht. Wahrscheinlich sogar. Möchten Sie das Kommando?" A´kebur öffnete seine Augen und musterte ihn.

"Was ich möchte, ist irrelevant. Beenden Sie das hier, bevor wirklich etwas passiert." Das Brummen der Le-Matyas klang näher als zuvor.

"Sie wollen mich töten. Also ist es doch irrelevant. Wenn Sie schnell genug laufen und der Le-Matya mich für schmackhaft genug befindet, haben Sie Ruhe. Und keine Sorge, der Computer wird bezeugen, dass Sie es nicht gewesen sind", meinte A´kebur.

Kolajr beugte sich leicht vor. "Sir, was immer Sie denken, es entspricht nicht den Tatsachen. Ich bin ein Starfleetoffizier unter Ihrem Kommando und habe Ihnen zu keiner Zeit nach dem Leben getrachtet. Ich weiß nicht, wie Sie auf diese Vermutung gekommen sind, aber sie ist haltlos. Ich ersuche Sie ein letztes Mal, dieses unlogische Spiel aufzugeben und den Computerausgang aufzurufen."

A´kebur richtete sich auf. "Mr. Ch'Grawbil hat Ihre Zugänge kontrolliert. Die Spuren waren nahezu perfekt verborgen. Aber Sie fühlten sich sicher. Sehr sicher sogar. Sonst hätten Sie gar keine Spuren hinterlassen. Sie haben die Kontrollen manipuliert, aber Sie haben auch mein Leben gerettet. Sie haben den Antrieb außer Betrieb gesetzt, aber das Schiff funktioniert noch. Wenn Sie nicht für Toran arbeiten, was wollen Sie?"

Koljar sah ihn fest an. "Wie oft muss ich mich wiederholen, Sir? Ich werde Ihnen nicht antworten."

A´kebur lächelte versonnen. "Sie werden mir antworten. Aber nicht mit Worten. Sie antworten mir die ganze Zeit schon und es ist einfacher Ihnen zuzuhören, wenn das Feld nicht zwischen uns steht." Er blickte auf und funkelte Koljar herausfordernd an.

Dieser verriet mit keiner Gesichtsregung, was in ihm vorging, doch A´kebur wusste das Blitzen in den Augen eines Gegners zu erkennen, bevor er angriff. Im nächsten Moment hatte Koljar sich auf ihn gestürzt.

A´kebur hatte es mit einem gleichstarken Gegner zu tun, einem, der nicht wirklich aus dem Training war. Auch als Vulkanier hatte er trainiert. A´kebur gelang es dennoch, ihn mit einem Schwung von sich zu stoßen und sich aufzurichten. "Ich weiß, was Sie vorhaben", meinte er ruhig. "Ich kann es mir vorstellen. Trotzdem werden Sie hier bleiben. Wenn Sie ein ausgeglichener Vulkanier sind, der ein gewisses Heimatempfinden in sich trägt, dann wird Ihnen diese Umgebung gut tun. Genießen Sie es."

"Sir, Sie wissen nichts von Vulkaniern", gab Koljar zurück, "warum sollte ich diesen Unsinn genießen? Da Sie keine Vernunft sehen, bin ich gezwungen, Gewalt anzuwenden. Ich bedaure dies." A´kebur bekam einen linken Haken, der sich gewaschen hatte, dann wurde er in den Schwitzkasten genommen. Er fühlte, wie Koljar nach den Druckpunkten im Nacken tastete.

A´kebur umschloss das Handgelenk eisern und hielt damit das drohende Geschick auf Abstand. Er sah in die Augen von Koljar. "Wie schwer ist es, seine Gefühle zu dämpfen?", fragte er leise. "Die Menschen sagen, dass die Augen die Tore zur Seele sind. Verräterische Tore."

"Fragen Sie sich das selbst, Sir." Koljars Stimme klang leiser, fast drohend.

Unvermittelt hebelte er A´keburs Beine aus und warf ihn um.

Für einen Moment war nur Keuchen zu hören. Sie rangen erbittert miteinander, ohne dass einer von ihnen die Oberhand gewinnen konnte. A´kebur zollte dem Geschick Koljars innerlich Tribut. Für einen Vulkanier beherrschte dieser diese Form der Kampfkunst im höchsten Maße. Dafür jedoch verlor er immer mehr von seiner Mauer, die Koljar in seinem Inneren aufgebaut hatte, um seiner Rolle als gefühlsfreier Vulkanier zu entsprechen. Mehr und mehr brach der Romulaner hervor. Gefühle wechselten im schnellen Tempo und A´kebur sah jedes davon.

Zorn und Ärger kamen immer näher an die Oberfläche, zusammen mit einer grimmigen Entschlossenheit. Zudem wich die Präzision der Kampftechnik immer mehr einer improvisierenden Technik, die nichts mehr mit vulkanischem Kampfstil zu tun hatte, sondern viel mehr mit der eines ausgebildeten Attentäters. Koljar schien nicht mehr zuzuschlagen, um A´kebur außer Gefecht zu setzen, sondern um ihm ernsthaft zu schaden.

Wenn er die Kontrolle verlor, würde er sterben, das wusste A´kebur. Er gab es auf, weiterhin sich nur zu verteidigen. Er griff an. Mit einem schlichten Kinnhaken brachte er Koljar zum Taumeln, doch der junge Romulaner fing sich fast augenblicklich wieder, wirbelte herum und versetzte A´kebur mit voller Wucht einen Tritt in die Magengegend. Während A´kebur noch strauchelte, holte Koljar zu einem Handkantenschlag gegen den Hals aus.

Bevor er jedoch einen Treffer landen konnte, hielt er inne, Zentimeter von A´keburs Halsschlagader entfernt. Koljar atmete etwas schwerer, und in seinen Augen funkelte deutliche Wut. "Wenn ich dir etwas tue, dann hast du gewonnen, kll'inghann", knurrte er leise auf Romulanisch.

A´kebur hustete kurz und wich breit grinsend zurück. "Ja, nicht wahr?", fragte er provozierend. "Der kll'inghann, der verhasste kll'inghann, der gewinnen könnte. Aber Sie sind ja nur ein dreckiger, unfähiger, weicher Vulkanier, ohne Stolz und Ehre. Was kümmert Sie ein kll'inghann?"

Koljar atmete tief durch. "Sie sind der Captain dieses Schiffes, also kümmert es mich. Ich frage mich eher, warum Sie sich nicht wehren. Ich könnte Sie töten."

"Ja, das könnten Sie, und Sie haben es nie getan. Weil Sie unfähig sind, fürchte ich. Zuviel vulkanisches Blut." A´kebur wischte sich über den Mund und sah kurz auf die grünen Spuren. "Vulkanisches Blut ist nicht sonderlich überragend. Aber die Romulaner sind kaum besser. Ich bedauere es, dass mein Vater der Meinung war, dass er sein klingonisches Erbe ausgerechnet mit dem von Vulkaniern mischen musste. Denken Sie nicht auch?"

"Das sollten Sie auch. Und Sie leben nur deswegen noch, weil ich nicht Befehl habe, Sie zu töten", knurrte Koljar; A´keburs Worte schienen einen Nerv getroffen zu haben. "Obwohl man es verstehen würde. Es geht um die Familienehre!"

"Natürlich, es geht immer um die Familie. Eine Familie, die den Wert der Dienste nicht zu schätzen weiß", meinte A´kebur lapidar. "Dankbar soll man sein, dass man nicht wie ein räudiger Sehlat nach der Geburt erdrosselt wurde. Man soll seinen Wert beweisen. Und Sie … versagen!"

Nun huschte der Anflug eines gefährlichen Lächelns über Koljars Gesicht. "Das denken Sie, Sir. Aber Sie wissen gar nichts."

"Doch!" A´kebur richtete sich auf. "Ich denke, Sie wollen mich diskreditieren. Alle meine Codes sind von Ihnen verwendet worden. Sogar die, die von Mr. Ch'Grawbil eingerichtet worden sind und die ich nie erhielt. Da Sie mich nicht töteten, ging es wohl zumindest zum Teil um meine Person. Aber auch um die Enterprise und das Bündnis zwischen den Romulanern und der Föderation. Offen dagegen vorzugehen, ist nicht möglich, ohne das eigene Gesicht zu verlieren. Mr. Koljar, Sie können Anspruch auf die Behandlung als aufgedeckter Agent des romulanischen Geheimdienstes in Anspruch nehmen. Wenn nicht, werde ich Sie als Verräter dem Kriegsgericht überstellen."

"Es spielt keine Rolle mehr. Ich habe meine Aufgabe so oder so erfüllt."

"Nein!" A´kebur wich ein Stück zurück. "Computer, Aufzeichnung anhalten, Programm beenden. Mr. Koljar auf mein Kommando zurück in die Arrestzelle transportieren."

Die Wüstenumgebung verschwand und sie standen in einem weißen Gitter in einem schwarzen Raum ohne Fenster.

Koljars Miene verriet für einen Moment Verblüffung, dann lächelte er erneut. "Es ist zu spät."

"Vielleicht, vielleicht auch nicht. Aber Sie sind am Ende, Mr. Koljar, und wenn ich die romulanischen Gesetze kenne, dann weiß ich, dass Ihr Leben nichts mehr wert ist. Toran wird enttäuscht sein, so wie er wohl überhaupt enttäuscht ist über die Leistung seiner Söhne. Die Enterprise fliegt im Augenblick auf Höchstgeschwindigkeit und mit dem Parawarp-Antrieb. Mir genügt das."

Koljar verzog das Gesicht zu einer höhnischen Fratze. A´kebur musterte ihn. "Ach ja, bevor ich es vergesse, Mr. Ch'Grawbil hat den Virus im Lebenserhaltungssystem gefunden. Romulaner sind leider sehr durchschaubar. Der Geheimdienst sollte die Ausbildung seiner Agenten abändern. Für meinen Sicherheitschef sind sie offensichtlich keine Herausforderung mehr."

Koljar bedachte ihn mit einem Fluch, den der Universaltranslator sich weigerte zu übersetzen, aber A´kbur hatte ihn ein ums andere Mal bei Etienne gehört, wenn es wirklich verdammt schlimm stand. Dann ging plötzlich ein Zucken durch Koljars Körper.

"Oh nein, Mr. Koljar!", knurrte A´kebur und fing ihn auf. Automatisch suchte er die neuralen Punkte, um den schwindenden Geist des Agenten einzufangen.

Nur kurz verfluchte er den Umstand, dass er nie darüber nachgedacht hatte, zumindest eine rudimentäre Ausbildung aufzunehmen, wenn es um die geistigen Disziplinen ging, die medizinische Aspekte behandelten. Jetzt musste er sich auf seinen reinen Instinkt verlassen und darauf, dass ein Vulkanier immer ein Vulkanier blieb und nicht wirklich zum Selbstmord neigte.

Mit wenig Rücksicht fegte A´kebur die Konditionierung fort und versuchte Koljars Geist zu erreichen. Er suchte nach etwas, was diesen im Hier und Jetzt halten konnte und war fast überrascht, als er den Anblick des Berges Seleja fand. Vorsichtig hielt er es fest, verstärkte den Eindruck und die Empfindungen. Sein ehemaliger wissenschaftlicher Offizier hatte sich dort willkommen gefühlt und hatte diesem Gefühl auch den richtigen Namen gegeben, lange bevor die Romulaner ihn aufgestöbert hatten.

Und auch wenn Koljar nicht auf Vulkan aufgewachsen war, so hatten die Besuche dort einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Das plötzliche Wecken des Schläfers hatte nicht die Eindrücke und vulkanischen Lebensweisheiten auslöschen können. Darauf konnte A´kebur bauen.

Nur am Rande bekam er mit, wie sich die Türen des Holodecks öffneten und Commander Aera, Counselor Troi, Doktor McCoy, Lieutenant Ch'Grawbil sowie Sicherheitsleute und medizinisches Personal auf ihn zueilten.

Aber er kümmerte sich nicht um ihn. Er würde diesen Mann, der wie er selbst, zwischen zwei Welten aufwuchs, nicht an die eine Seite verlieren. Nicht so. Er sollte sich verantworten. Vor wem auch immer. Als er merkte, dass er sich ablenken ließ, konzentrierte er sich sofort wieder, spürte, wie sich der Herzschlag von Koljar erhöhte und fühlte, wie dessen Geist die vertrauten Gefühle wieder erkannte, sie erneut fühlte und sich fast darin verlor. A´kebur zerfetzte mit einem Gedanken noch eine Konditionierung und verschloss die übrigen hinter einem Bild, welches Koljar nicht als das erkennen würde. Es war nur ein Provisorium, auf Vulkan würde man vielleicht noch einmal handeln müssen.

Doch fürs Erste sollte es reichen. Er übergab Koljar an das medizinische Personal. Doktor McCoy bestand darauf, dass auch er selbst mit zur Krankenstation kam. "Sir, wir haben alles aufgezeichnet. Wir sollten, bevor wir die Erde erreichen, besser noch einen Bericht verfassen", meinte Commander Aera, "ansonsten könnte Mr. Koljars Verhalten doch noch Schaden für Ihre Integrität bewirken. Ihre Methode war doch etwas, fragwürdig, wenn sie auch erfolgreich war."

A´kebur hob eine Augenbraue. "Wirklich? Wenn Sie das nächste Mal eine bessere Idee haben, die einen Romulaner zu einer Aussage bewegen kann und ihn dabei noch am Leben zu erhalten, bin ich dafür offen. Dennoch, gute Arbeit, Commander. Und gute Arbeit, Mr. Ch'Grawbil!"

Die Offiziere nahmen das Lob an, wohlwissend, dass es der Captain gewesen war, der hier seinen Hals riskiert hatte, auch wenn das Holodeckprogramm nicht ohne Sicherheitsstufe gelaufen war. In der Hinsicht hatte A´kebur erfolgreich geblufft.

Auf der Krankenstation stellte der Doktor einige angebrochene Rippen fest, die aber schnell wieder verheilt sein würden. Koljar beließ er vorerst im bewusstlosen Zustand; "Damit er nicht wieder auf dumme Gedanken kommt", wie er sagte. A´kebur hingegen entließ Doktor McCoy nach einem halben Tag wieder mit einem festen Verband und der Auflage, sich ruhig zu verhalten.

A´kebur hielt sich nicht wirklich daran. Ihn ärgerte es bis aufs Blut, dass jemand sein Schiff sabotieren konnte und niemand es bemerkt hatte. Und es ärgerte ihn, dass es einmal mehr Toran gewesen war, der seine Finger dabei im Spiel gehabt hatte. Wie oft wollte dieser Verräter und Feigling ihn noch herausfordern? Er war eine widerliche Made und wenn A´kebur nicht einen Eid als Offizier von Starfleet geleistet hätte, er hätte diese Made zwischen seinen Fingern zerquetscht. So musste er sich an hinderliche Regeln halten, statt Toran zu jagen und fein säuberlich in Streifen zu schneiden. Seine Söhne besaßen sehr viel mehr Schneid, wenn sie auch nach A´keburs Meinung immer noch weniger Mut, Integrität und Ehre als ein Mensch besaßen.

Aber sie vorzuschicken und sich selbst nicht trauen, so wie Toran es tat, war in A´keburs Augen noch die schlimmste Feigheit. An ihn heranzukommen war jedoch nach wie vor kaum möglich.

A´kebur setzte eine kurze, verschlüsselte Nachricht zum Flottenkommando ab, in der er mitteilte, dass sie einen romulanischen Spion in Gewahrsam hätten. Alles Weitere war dann nicht mehr sein Aufgabenbereich. Es beschäftigte ihn dennoch weiterhin.

 

Cindy meldete sich nicht, als sie die Erde erreichten. Insgesamt schien eine unausgesprochene Funkstille zu herrschen. Erst, als sie im Trockendock im Orbit um die Erde einliefen, wurde die Brückencrew wieder daran erinnert, dass sie eigentlich von einer erfolgreichen Mission wiederkamen.

Es gab einen hochoffiziellen Empfang, bei denen die Admiräle von Starfleet und die Präsidentin der Föderation höchstpersönlich dem Captain und dem Botschafter gratulierten. Man gab ihnen zu verstehen, dass man ziemlich verwundert darüber war, dass sie einerseits so schnell gewesen waren, andererseits einen Erfolg vorwiesen, der wirklich Hochachtung einforderte. A´kebur ließ alles ruhig, fast stoisch, über sich ergehen. Endlich jedoch konnte er von dem Trubel Abstand nehmen und auch einen Admiral abwimmeln, der etwas von Auszeichnung faselte. Sein ganzes Streben war, endlich Cindy allein zu treffen. Sie umarmte ihn fest.

"Ich weiß, es klingt albern, aber ich bin unglaublich stolz auf dich, Daddy", erklärte sie strahlend, "ihr müsst die Ka'ossianer wirklich beeindruckt haben. Ich habe zwar den Bericht gelesen, aber das kann ja nicht alles gewesen sein."

"Willst du wirklich alles wissen? Ich fürchte, ich kann dir damit nicht dienen. Ich weiß nicht mehr viel. Meine Erinnerungen sind von der Kaiserin manipuliert worden."

Sie runzelte die Stirn. "Ist das wahr? Der Vertrag stand und sie hat gleich euer Vertrauen missbraucht?"

"Eher umgekehrt. Der Vertrag wurde danach geschlossen. Ich weiß nicht, was passiert ist, Cindy. Es tut mir leid. Ich weiß nicht, was der Grund gewesen ist. Ich will dich nur warnen."

"Und trotzdem hat Boschafter Spock unterzeichnet. Ich kann das nicht so ganz nachvollziehen, denn, wenn wir ihnen nicht vertrauen können, ist ein Pakt sinnlos." Sie seufzte. "Aber das müssen die Diplomaten unter sich ausmachen. Ich bin nur froh, dass du heil zurück bist. Die Sachen mit dem Romulaner ist allerdings fast noch besorgniserregender. Der Friedensvertrag soll in ein paar Wochen unterzeichnet werden."

A´kebur verschränkte seine Hände auf dem Rücken und nickte bedrückt. "Du weißt, dass die Romulaner nicht vorgehabt haben, wirklich einen Vertrag zu unterschreiben. Sie wollten einen Krieg vom Zaun brechen. Sie werden immer Partner sein, deren Wort nicht halb soviel wiegen wird, wie das eines Babys, welches noch nie ein Wort gesagt hat."

"Nein, ich bin da anderer Meinung. Ich habe in letzter Zeit ein waches Auge auf die Aktivitäten der Romulaner gehabt. Der Senat ist zwiegespalten. Und dass sie offen ihre Differenzen kundgeben und nicht nur hinterrücks planen, ist schon ein großer Fortschritt. Ich denke auch nicht, dass dieser Vertrag wirklich viel wert sein wird. Aber die Neutrale Zone soll Stück für Stück abgebaut werden und das ist ein Anfang. Zu dem Spion gab es keine direkte Stellungnahme, aber man schien etwas besorgt. Offenbar gibt es einen Konflikt innerhalb des Tal'Shiar."

A´kebur wanderte zur Fensterfront und starrte nach draußen. "Ich glaube auch nicht, dass es der Geheimdienst war, der ihn beauftragt hat, Cindy. Du hast den Bericht. Er ist der Sohn Torans. Es kann sein, dass er es glaubt, dass ihn der Tal'Shiar beauftragt hat, aber ich glaube das nicht. Toran ist ein rachsüchtiger Mann."

"Toran, ich fasse es nicht, dass er immer noch hinter dir her ist", murmelte Cindy, "aber wie kann dieser Koljar nicht gewusst haben, in wessen Auftrag er handelt?"

"Du weißt, wer Toran ist", erwiderte A´kebur ungeduldig.

"Natürlich weiß ich das! Aber er hat im Reich keine Macht mehr; offiziell ist er sogar verbannt! Jeder andere hätte sich über diese Schmach längst das Leben genommen."

A´kebur lachte hart. "Natürlich, aber sein Leben hat wohl erst seinen Sinn verloren, wenn er endlich am Ziel seiner Rache ist. Und ich denke nicht, dass er vollständig seine Macht verloren hat. Sicher gibt es den einen oder anderen, der ihm noch einen Gefallen schuldet und eine Nachricht getarnt an seinen Sohn schickt, nachdem er erfahren hat, wo ich bin. Koljar kam erst bei dieser Mission an Bord. Es war jedoch bekannt, dass noch bestimmte Mannschaftsplätze unbesetzt geblieben waren aufgrund der Eile."

"Damit ist er nur eine weitere Schachfigur Torans und muss für dessen Wahnsinn bezahlen. Er tut mir fast leid."

Cindy wurde ein Blick zuteil, der sie zusammenzucken ließ. Das letzte Mal sah dieses Blitzen, als ihr Vater Etienne noch gelebt hatte.

"Ich will ihn. Ich will, dass er weiterhin auf der Enterprise dient. Er ist einer der Wissenschaftsoffiziere, die sich in der Bewahrerkultur auskennen, außerdem offenkundig mit der romulanischen und noch einigen anderen!"

"Das wird kaum möglich sein, Daddy. Es sei denn, er beantragt politisches Asyl, wie Tiaren es getan hat. Ob das Flottenkommando dann jedoch erlaubt, dass er auf deinem Schiff dient, ist dann immer noch fraglich nach den Attentaten."

"Er hat niemanden getötet und er wollte niemanden töten", beharrte A´kebur. "Mit ihm bekomme ich Toran."

"Und wie?" Cindy sah skeptisch aus.

"Er hat einen zweiten Sohn an mich verloren. Was denkst du?"

"Du weißt nicht, wie viele er noch hat. Und warum sollte Koljar eher wissen, wo Toran ist? Wenn ich die Akte richtig gelesen habe, dann ist er ein Schläfer und seit über dreißig Jahren vollkommen in seiner vulkanischen Identität integriert; seine Mutter ist offenbar auch Vulkaniern von einer Kolonie. Er hat seit Jahrzehnten keinen Fuß mehr auf romulanischen Boden gesetzt. Zumindest nicht offiziell."

"Und doch hatte er einen Auftrag erhalten, nachdem das Romulanische Reich einen Vertrag mit der Föderation schließen will." A´kebur trat wieder zu seiner Tochter und sah sie intensiv an. "Bitte, gib ihn mir. Ich will Toran zur Weißglut treiben. Und was Koljar anbelangt: Wenn er nicht mitarbeitet, wir haben einen gut eingerichteten Arrestbereich."

"Das liegt nicht in meiner Zuständigkeit! Ich kann den Antrag nur meinen Kollegen vortragen und der Jurisdiktion der Föderation. So oder so wird es Ärger geben. Ich glaube nicht, dass sie einwilligen werden." Sie zögerte. "Es sei denn, du nimmst jemanden mit, der sich mit Romulanern genug auskennt und tatsächlich auf unserer Seite steht. Dann vielleicht."

"Und, an wen denkst du?"

Sie zögerte. "Tiaren. Und es wäre noch ein Grund für Toran mehr, herauszukommen."

"Tiaren?", wiederholte A´kebur. "Seit wann denkst du an ihn? Er hat dir nicht gepasst."

Cindy verschränkte die Arme. "Erst einmal denke ich an realistische Chancen. Und einige von uns müssen auch mit persönlichen Antipathien zurechtkommen und können nicht gleich zuschlagen. Davon abgesehen, ich habe mit ihm geredet. Erst über den Kommunikator, dann persönlich. Er ist im Augenblick hier auf der Erde."

A´keburs Gesicht verfinsterte sich. "Nun, wenn du meinst, dass ich dann die Zusage bekomme, dann soll er mit auf die Enterprise. Wenn dann noch Toran kommt, haben wir ein nettes kleines Familientreffen arrangiert."

"Wie gesagt, ich kann nichts versprechen, es ist nur ein Vorschlag. Die Enterprise wird sowieso erst gründlich überholt werden müssen, und bis dahin kann sich noch einiges tun. Erst einmal kommst du heute Abend zum Essen nach Hause." Cindy lächelte.

A´kebur nickte leicht. "Ich muss dir was sagen", murmelte er dann. "Ich habe mich neu gebunden."

Seine Tochter sah ihn vollkommen überrascht an. "Wann denn? Und wer? Warum hast du mir nichts erzählt?"

"Bisher haben wir uns wohl über alles unterhalten. Und dann muss ich dir noch etwas sagen: Du wirst ein Geschwisterchen bekommen."

Wäre Cindy Duval nicht eine gestandene Frau von mehr als 70 Jahren gewesen, hätte sie sich glatt vor Überraschung hingesetzt. Dann aber begriff sie, was diese Aussage beinhaltete: A´kebur war mit einer Frau zusammen. Und sie war garantiert kein Mischling irgendeiner Art; sie wusste genau, dass A´kebur immer gezögert hatte, seine seltsame Genkombination weiterzugeben. "Ich … das war jetzt wirklich unerwartet", murmelte sie, "nun, dann wirst du sie heute Abend mitbringen. Ich möchte sie natürlich kennenlernen." Sie sah A´kebur an. "Wie ist überhaupt ihr Name? Und wann ist es soweit? Geschwisterchen, wie sich das anhört, nun, es wird jünger als mein erstes Urenkelchen sein."

A´kebur grinste breit und wirkte offen stolz wie sonst selten. "Ja, du musst mir nicht sagen, dass ich mir Zeit gelassen habe. Ich wollte eigentlich meine Gene säubern lassen. Doch T'Mara schien anderer Meinung zu sein. Sie ist anders."

"Eine Vulkanierin also? Das hätte ich am wenigsten erwartet, aber ich schätze, sie ist dann nicht so eine … nicht so wie deine Großmutter, oder?"

"Nein, eher wie Lial. Wenn sie vielleicht nicht auf Vulkan aufgewachsen wäre. T'Mara ist unter Außenweltlern aufgewachsen. Ihre Logik ist nicht so rein, wie gewünscht, und ihre Gefühle nicht einmal annähernd kontrolliert. Für Menschen perfekt, für einen Vulkanier wenig akzeptabel."

"Dann klingt sie doch gleich sympathisch." Cindy lächelte, wenn auch etwas schief. "Entschuldige, du hast mich wirklich erschreckt. Aber wenn du glücklich bist, dann ist alles gut. Ich werde nur die Familie vorwarnen müssen."

A´kebur umarmte sie. "Ich habe dich erschreckt? Du warst es, der mir sagte, ich soll wieder leben, Kleines."

"Ja, natürlich, aber das hier kam nun doch etwas unerwartet. Eine Frau, eine Vulkanierin, und dann ist auch gleich noch Nachwuchs unterwegs. Das ist doch so einiges. Zumal du, nun ja, doch eigentlich noch gebunden bist, oder?"

"Ich bin an Tiaren mit meiner Seele gebunden, um meine Zeit mit ihm zu verbringen", erwiderte A´kebur steif. "Er ist nicht von mir wirklich gewählt. Er ist nicht Etienne. Nur sein Erbe."

"Wenn ich mich recht erinnere, hast du dir meinen Daddy auch nicht ausgesucht, sondern er dich. Ich will dir aber bestimmt nicht vorschreiben, was du fühlen sollst. Meinen Hausvorrat an Ale stocke ich trotzdem besser noch auf", meinte Cindy trocken.

"Wie fürsorglich. Und, er mag um mich geworben haben, aber gewählt habe ich, Cindy. Der Rest, mein Kind, ist meine Angelegenheit. Ich mische mich auch nicht in dein Liebesleben."

"Meines war ja auch nur halb so spannend", seufzte sie übertrieben und drückte ihren Vater noch einmal fest. "Bring deine Partnerin heute Abend mit, ja? Den Rest werden wir sehen."

"Natürlich, Cindy-cha. Ich werde mich noch von der Admiralität verabschieden und mich dann zur Farm beamen lassen."

Sie ließ ihn los. "Und ich gehe mich vorher noch einmal mit Admiral Castello anlegen, bevor ich Wochenende mache. Bis später, Daddy."

A´kebur sah ihr nach, dann war er wieder in die offizielle Rolle des Captains geschlüpft. Trotzdem suchte er T'Mara wegen der ganz privaten Einladung seiner Tochter auf. TMara war auf ihre Art erfreut und geehrt. "Ja, deine Familie kennenzulernen, ist akzeptabel", sagte sie auf sehr vulkanische Art. A´kebur unterdrückte seinen Wunsch, sie zu küssen. Sie schien es zu bemerken, denn sie hielt sich nicht zurück, da sie sowieso alleine waren. "Wäre es angebrachter, etwas Vulkanisches anzuziehen oder etwas weniger Förmliches?", wollte sie wissen.

"Ich glaube, dass es letztlich egal ist", meinte A´kebur mit einem Schmunzeln. "Entweder werden sie alle sehr zurückhaltend sein, weil sie wissen, dass alle anderen Menschen mit spitzen Ohren so merkwürdig sind, merkwürdiger als ihr Großvater. Oder sie werden keine Grenzen erkennen und dich einfach belagern. Menschen sind in dieser Hinsicht nicht immer berechenbar."

"Nun, dann werde ich mich entsprechen vorbereiten. Ist es denn für deine Tochter überhaupt akzeptabel, dass ich mitkomme?", wollte T'Mara wissen. "Ich möchte nicht aus reiner Höflichkeit eingeladen werden. Menschen sind in der Hinsicht kompliziert."

"Sie hat die Einladung nicht aus reiner Höflichkeit ausgesprochen. Sie ist auch neugierig und sie möchte wissen … Der Tod ihres Vaters war auch sehr schwer für sie. Sie hatte Angst, dass sie mich ebenfalls verliert. Ich glaube, sie ist froh darüber, dass ich wieder jemanden an meiner Seite habe."

"Dann ist es für mich umso akzeptabler, dich zu begleiten und sie kennenzulernen. Admiral Duval ist eine bemerkenswerte Frau und es ist für mich eine Ehre." A´kebur bekam noch einen schnellen Kuss, dann entschwand sie schnell, um sich fertig zu machen. A´kebur war froh, dass er sich im Griff hatte und auf seine Ohren achtete sowieso kein Mensch.

 

Pünktlich um halb acht Standardzeit trafen A´kebur und T'Mara auf dem Duvalschen Anwesen ein. Wie immer fiel fast augenblicklich die halbe Familie ihrem Lieblingsklingonen um den Hals. Während die Kinder, was alles unter 60 Jahren in diesem Haushalt hieß, A´kebur mit Beschlag nahmen und alle Details zu seiner Reise zu den Ka'ossianern auf der Stelle hören wollten, lotste Cindy T'Mara aus der Gefahrenzone.

"Herzlich willkommen", begrüßte sie die Vulkanierin. "Sie müssen entschuldigen, aber einen emotionaleren Haufen als die Duvals werden Sie nirgendwo finden." Cindy musste zugeben, dass ihr Vater Geschmack bewiesen hatte; T'Mara war bildschön, ohne dabei wie eine Skulptur aus Eis wie die meisten Vulkanier zu wirken.

Ihre Augen funkelten sogar, was auf Amüsement schließen ließ. Damit bewies sie weitaus mehr Anteilnahme als jeder Vulkanier, den Cindy je hatte kennen lernen dürfen. Abgesehen von ihrem Großonkel Lakon vielleicht.

"Es ist ein angenehmer Anblick, die Freude aller zu sehen. Es ist ungewöhnlich für mich, aber es ist mir eine Ehre, daran teilhaben zu dürfen", meinte T'Mara. "Es ist mir auch eine Ehre, Sie persönlich treffen zu dürfen. Sie sind eine Legende."

Cindy schmunzelte. "Ich bin noch nicht alt genug für eine Legende, aber danke. Und ich hörte, Sie sind Spezialistin für die Bewahrerkultur? Dann bleibt zumindest das in der Familie", scherzte sie, auch wenn sie noch immer ein wenig Vorbehalte hatte. Zumindest war diese Frau etwas ganz anderes als Etienne. Ein neuer Anfang. Und doch konnte sie nicht anders, als Tiarens Reaktion zu verstehen, als sie ihm die Sache einige Stunden zuvor erzählt hatte.

Zumindest brauchten sie jetzt kein weiteres Kaminholz mehr, und Danielle jr. hatte geschafft, ihn im Garten zum Holz hacken zu überreden, ehe die Einrichtung litt.

In dieser Hinsicht hatten sie allesamt ausreichend Erfahrung. Die Männer in ihrer Familie neigten zu sehr starkem Temperament. Ausnahmslos und es gab keinen, der sie darin dämpfen wollte.

Denn dafür waren sie umso stärker, ehrenhafter und mit einem starken Gerechtigkeitssinn ausgestattet. Die Frauen waren es auch, aber bei denen war das Bedürfnis nach Zerstörung ab einem gewissen Alter etwas weniger stark ausgeprägt.

Daher war das Holzhacken im Wesentlichen den Männern vorbehalten, wenn sie vor Wut kochten. Sollte jedoch je eine Frau der Familie dasselbe Bedürfnis verspüren, würde sie ebenfalls in den Genuss dieser Therapie kommen. Im Moment war es ein Romulaner, der in diese Tätigkeit eingewiesen wurde und damit gehörte er wohl im weiteren Sinne auch zur Familie.

Nur lange, so wusste Cindy, würde sie die Konfrontation nicht verhindern können. Bis dahin mussten sie die Kinder im Bett haben und damit außer Reichweite.

Nachdem sich die erste Aufregung gelegt hatte, schaffte Cindy es, die ganze Familie an den Esstisch zu bekommen. Sie hatte eigentlich erwartet, dass Tiaren nicht kommen würde, doch Danielle zog ihn buchstäblich ins Esszimmer. Ohne A´kebur anzusehen, setzte der sich.

A´kebur blieb jedoch überrascht stehen und starrte ihn an, dann sah er zu Cindy. Sie zuckte mit der Schulter und deutete stumm an, dass er sich auch setzen sollte. Die Familie spürte, dass sich die Stimmung geändert hatte. Auch die Kinder schwiegen und sahen verstohlen von einem Ende des Tisches zum anderen.

Es war kein Problem, sie nach dem Essen ins Bett zu schicken, so dass die Erwachsenen die Probleme allein lösen konnten. Wenn sich die Wolken verzogen hatten, würden sie es alle leichter haben, so dachten die Kinder. Auch diejenigen, die eigentlich schon längst als Erwachsene galten, zogen es vor, das Schussfeld zu räumen, bis nur noch Cindy, A´kebur, T'Mara und Tiaren am Tisch saßen. Cindy hoffte nur, dass sie die Männer schnell genug vor die Tür bekam, ehe ihre teure Einrichtung litt.

A´kebur ergriff unter dem Tisch T'Maras Hand und drückte sie kurz. "Wir werden dann auch zu Bett gehen", sagte er ruhig.

"Nicht so schnell." Tiaren sah ihn das erste Mal an diesem Abend an. "Ich würde gerne noch mit dir sprechen, wenn das nicht zuviel verlangt ist."

A´kebur wechselte mit T'Mara einen Blick und bedeutete ihr, dass sie schon vorgehen sollte. T'Mara nickte leicht. "Ich wünsche eine ruhige Nacht", verabschiedete sie sich auch von Cindy.

Diese stand ebenfalls auf. "Warten Sie, T'Mara, ich zeige Ihnen das Zimmer." Dann sah sie wieder die beiden Männer an. "Tut mir bitte einen Gefallen und redet draußen auf der Veranda", erklärte sie, "Gute Nacht."

Damit waren A´kebur und Tiaren allein. Letzterer erhob sich ebenfalls und ging Richtung Veranda. A´kebur folgte eher widerwillig. Er hatte keine Lust, sich mit Tiaren auseiandersetzen zu müssen. Am Rande war ihm durchaus bewusst gewesen, dass dieser wohl unfreiwillig Zeuge von einigen Dingen geworden war. Aber er würde deshalb nicht aufhören, zu leben, wenn sich ihm das Leben bot.

"Du möchtest mit mir reden?", fragte er rein rhetorisch, um das Zeichen dafür zu geben, dass er zuhörte. Tiaren lehnte sich an einen der Verandapfeiler und verschränkte die Arme. Es sah so aus, als müsse er sich davon abhalten, handgreiflich zu werden. "Allerdings. Aber ich muss ja keine großen Worte verlieren; du weißt, worum es geht. Mir ist vollkommen egal, ob du es mit Männern, Frauen oder Sehlats treibst, aber habe in Zukunft die Güte, mich das nicht alles ungefiltert mitbekommen zu lassen. Und was diese Frau betrifft: Du hättest dir besser eine andere Mutter für dein Kind gesucht."

"Bitte? Seit wann muss ich dich darüber fragen. Das ist nicht deine Angelegenheit. Und du weißt, dass ich keinen Einfluss habe, was du mitbekommst." A´kebur sah ihn verärgert an. "Ich bin mir ziemlich sicher, dass du nichts mitbekommen hast, was du nicht solltest. Die Ausbilder auf Vulkan sind gut."

Tiaren trat einen Schritt auf A´kebur zu. "Es ist sehr wohl meine Angelegenheit. Wie gesagt, mir ist egal, was du machst. Aber du solltest auch anderen nichts versprechen, was du nicht halten kannst."

"Ich verstehe nicht", A´kebur machte kein Hehl aus seiner Verwirrung. "Worauf willst du hinaus?"

"Amüsier dich, soviel du willst. Zeuge Nachwuchs, wenn dir das wichtig ist. Aber denk nicht, dass du dich an jemand anderen binden könntest." Tiaren sah ihn eindringlich an. "Denk nicht, dass ich still zusehe, wie du mich beiseiteschiebst."

A´kebur hob eine Augenbraue. Sein Gesicht zeigte die in ihm aufsteigende Abscheu ohne Filter. "Ich habe T'Mara keine Bindung versprochen, weil ich keine eingehen kann. Aber ich weiß auch nicht, dass wir über unsere Seelenbindung und Akzeptanz füreinander hinaus eine andere Beziehung hatten. Du weißt, dass ich dich nicht liebe. Ich habe dich akzeptiert und ich respektiere dich. Aber mehr kann und werde ich dir nicht geben. Wenn du mehr verlangst, dann haben wohl die Disziplinen auf Vulkan nicht mehr die Wirkung, die sie sonst eigentlich haben sollten."

"Egal, was ich dort lerne, ein Vulkanier werde ich deswegen nicht", gab Tiaren in einem eisigen Ton zurück, "und du hattest die Chance, das Band zu lösen, hast sie aber nicht ergriffen, sondern es stattdessen gefestigt. Warum? Schuldgefühle? Eine Verpflichtung Etienne gegenüber? Denn ich sehe nicht, wo du mich akzeptierst."

A´keburs Blick verfinsterte sich. "Oh, ich konnte das Band nicht lösen, egal wie verunreinigt es war. Leidest du an Amnesie? Ja, ich hätte es lösen konnen, wenn ich ein Leben als Krüppel gewollt hätte. Aber ich habe außer diesem Gedanken auch den Willen gehabt, zu akzeptieren, was das Schicksal mir gegeben hat. Ich habe dich zu meiner Familie geführte und sie akzeptiert dich. Hast du tatsächlich erwartet, dass du den Platz von Etienne einnehmen wirst in alle dem, was zwischen meinem Gefährten und mir gewesen ist? Nein, du bist der Erbe meines Gefährten. Aber du bist es nicht selbst. Egal, ob du ein Seelenfragment von ihm in dir trägst oder nicht. Du bist nicht Etienne und du wirst es niemals sein. Die Dinge sind jetzt so wie sie sind und ich habe nicht vor, es zu bereuen, Tiaren."

"Und deswegen schnappst du dir die nächstbeste Vulkanierin, um dir und ihr vorzugaukeln, ihr könntet zusammen glücklich werden, eine Familie aufziehen und die Großeltern stolz machen? Und was tust du, wenn du ins Ponfarr kommst? Schleichst du dich dann zu mir und machst das Licht aus, um mich auch ja nicht sehen zu müssen?"

"Ich werde mich nicht verstecken", knurrte A´kebur dunkel. "Weder mit dir noch mit ihr."

"Nein, sie präsentierst du wie eine gewonnene Trophäe und mich hattest du nicht vor, die nächsten Jahre zu besuchen, ich weiß. Ich kenne dich, A´kebur. Und du machst es schon wie wir: Die Dinge zurechtdrehen, bis sie passen. Ich gratuliere." Er wandte sich ab.

A´kebur neigte sein Haupt und betrachtete ihn. "Du verdrehst die Dinge", sagte er, "und ich bedauere, dass du es so siehst. Meines Wissens hattest du eine Verabredung auf Vulkan, um deine Fähigkeiten zu trainieren, ich hatte eine Mission. Nenne mir den Zeitpunkt, wo ich dich versteckt hätte. Du willst, dass ich dich herumzeige? Gern, sehr gern … Wie hättest du es denn gern?"

"Ich sagte nicht, dass du mich versteckst, aber dass dir die Erinnerung daran, dass es mich gibt, unbequem ist! Ich kann dich nicht zwingen, mich zu mögen. Aber entweder du akzeptierst mich oder nicht. Wann hattest du vorgehabt, dich zu melden? Wann hättest du mir von T'Mara erzählt?" Tiaren blickte in den nächtlichen Garten. "Und dir passt es auch nicht, mich auf eine Mission mitzunehmen. Cindy hat da etwas angedeutet."

A´kebur lachte ungläubig und schüttelte den Kopf. "Mir reicht ein romulanischer Agent an Bord meines Schiffes. Er wird genug Ärger mit sich bringen, als dass ich noch einen zweiten dazu hätte, der dazu noch sein Bruder ist und ein weiterer Sohn Torans. Nein, Tiaren, um dich geht es nur rudimentär. Du bist im Moment eher unwichtig, außer dass ich dich nicht in meinem Rücken wissen will. Wenn das hier vorbei ist und das Flottenkommando noch einmal eine Erlaubnis ausspricht, gern. Komm an Bord der Enterprise. Und jetzt entschuldige mich bitte, meine Gefährtin wartet."

Doch ehe A´kebur die Tür zum Haus erreicht hatte, wurde er festgehalten. "Wir sind noch nicht fertig! Wenn du Toran finden willst, brauchst du mich. Und denkst du, ich überlasse ihn dir alleine? Außerdem will ich mit meinem Bruder sprechen. Und merk dir eines: Ich bin kein verdammter Agent! Ich stehe auf deiner Seite, nicht auf Torans!"

A´kebur wehrte sich nicht gegen den Zugriff. Er spannte lediglich seine Muskeln an und blickte über seine Schulter. Er betrachtete Tiaren. Nein, so sehr er sich auch selbst glauben machen wollte, dass es ihm nichts ausmachte: Tiaren war nicht Etienne und konnte ihn nicht in der Form an seiner Seite sehen, wie es bei Etienne der Fall gewesen ist.

Dabei spielte es auch keine Rolle, dass er die gemeinsame Zeit mit ihm genossen hatte. Es war ein Akt der Versöhnung und Heilung, dessen sie beide bedurft hatten. Doch das war vorbei.

"Du kannst mit deinem Bruder sprechen. Aber ich fürchte, ob es mein Wunsch ist oder nicht, dass du an Bord kommst: Admiral Duval wird die Entscheidung treffen. Ich bin nur ihr Befehlsempfänger. Man wird mich anhören. Bau auf sie und sprich mit ihr."

"Das habe ich und es ist auch nicht ihre Entscheidung." Tiaren lockerte seinen Griff, hielt A´kebur jedoch weiterhin fest. "Ich weiß, wie stolz du auf Cindy bist und das zu Recht. Etienne glaubte manchmal, dass sie das einzig Richtige und Gute war, was er je zustande gebracht hatte. Dabei war ist sie ganz sicher nicht das einzige. Aber das Beste. Sie war es, die mich kontaktiert hat und mich bat, herzukommen."

A´kebur machte sich von einer Sekunde mit Gewalt frei, so dass Tiaren fast zurückgestoßen wurde. "Sie hat dich angerufen?", fragte er aufgebracht. Doch so schnell, wie seine Gefühle in Aufruhr kamen, so schnell beruhigte er sich. "Nun, sie wird ihre Gründe dafür haben. Und ich weiß zu gut, was Etienne über unsere Tochter dachte. Du musst mir das nicht ins Gedächtnis rufen."

"Nein, du erinnerst dich ja auch so an alles, ich weiß. Geh zu deinem vulkanischen Herzchen, Captain. Aber denke nicht, dass du mich los wirst."

"Du bist eifersüchtig. Du bist unlogisch." A´kebur trat zu ihm. Dann packte er Tiaren im Nacken und küsste ihn hart und unnachgiebig. Dieser war nur für einen Moment überrascht, dann erwiderte er den Kuss mit gleicher besitzergreifender Intensität. "Wenn du Logik willst, bist du bei mir falsch", wisperte er, als sie endlich Luft hole mussten. "Aber alles andere bekommst du."

A´kebur schnaubte kurz und ließ ihn wieder los. "Gute Nacht, Tiaren", meinte er nur und wandte sich ab, um wieder ins Haus zu gehen.

"Gute Nacht, Captain. Wir werden noch genug Zeit zum Reden haben."

A´kebur blieb einen Moment stehen, nickte nur und war dann im Haus. Tiaren blieb mit einem Gefühl der Unzufriedenheit zurück. Er blieb die Nacht auf und so war er der erste, der am frühen Morgen A´kebur in den Garten gehen sah.

A´kebur begann einfach mit dem Schattenboxen, ohne sich scheinbar zu vergewissern, ob noch jemand anwesend war.

Tiaren sah ihm eine Weile zu. Er war nicht sonderlich müde; sein Training auf Romulus und auch Vulkan hatten ihn an wenig bis keinen Schlaf gewöhnt und er hatte nicht riskieren wollen, wieder unbewusst etwas mitzubekommen, wenn er schon unter einem Dach wie A´kebur und T'Mara war. Auch wenn A´kebur es als Eifersucht abtat, da war etwas an T'Mara, das Tiaren ganz und gar nicht passte. Sie war zu hübsch, zu intelligent, zu vulkanisch und doch zu unvulkanisch, kurzum perfekt für A´kebur. Doch wenn etwas zu gut war, um echt zu sein, dann war es auch nicht echt.

Sein Herz machte einen harten Sprung, als A´keburs Bewegungen immer schneller wurden. Wie hatte er diesen Anblick vermisst. Tiaren setzte sich an den Rand einer Bank und schaute ganz offen zu. A´keburs Bewegungen wurden nicht einmal langsamer, aber Tiaren konnte sehen, dass er ihn bemerkt hatte. Fast zwei Stunden trainierte A´kebur, ehe er zur Abschlussfigur kam und diese dann beendete. "Du hast nicht geschlafen", stellte er nahezu emotionslos fest. "Ich habe Rücksicht auf dich genommen und meine Barrieren aufrechterhalten."

"Du kannst es also", stellte Tiaren nicht sonderlich verwundert fest. "Es macht aber keinen Unterschied, ob ich im Nebenzimmer bin oder Lichtjahre entfernt. Ich werde auf der Akademie anfragen, ob ich mich nicht auch noch besser abschotten kann." Der Gedanke daran, dass die nächtlichen Aktivitäten der Abschottung bedurft hatten, war wieder weniger erfreulich. Diese Vulkanierin nahm seinen Platz ein. Nicht den in A´keburs Bett, sondern in seinem Herzen. In seinen Gedanken.

"Ich kann nicht wie ein terranischer Mönch leben", murrte A´kebur. "Ich werde mich jedoch zurückhalten. Nur auf Sex werde ich nicht verzichten."

Tiaren zog eine Augenbraue hoch. "Denkst du, das würde ich verlangen? Aber ich sage es noch einmal: Sie ist keine gute Wahl. Sie hat Hintergedanken."

A´kebur sah ihn verwundert an. "Ich hätte nicht gedacht, dass du dich auf so ein Niveau herablässt. Ich bin ihr näher als du ihr, aber du sagst, dass sie falsch wäre. Das ist deiner nicht würdig, Tiaren."

Dieser schmunzelte. "Und du springst sofort in die Verteidigung. Zeig mir eine Frau ohne Hintergedanken. Also reg dich nicht auf. Sie geht mich ja nichts an." Tiaren stand auf. "Deine Bewegungen im vierten Durchlauf waren etwas zu langsam. Es entsteht eine Lücke in der Verteidigung."

A´keburs Gesicht brachte Tiaren in Versuchung, ihn zu küssen, ihn zu umarmen und mit ihm hemmungslosen Sex zu haben. Aber das wäre jetzt der falsche Augenblick gewesen. A´kebur war irritiert, denn er dankte ihm ernsthaft für den Hinweis.

"Soll ich dir zeigen, was ich meine?", bot Tiaren, "Falls du noch Atem hast …"

A´kebur trat zurück. "Gern, zeig es mir. Nur, warum machst du das?"

"Warum mache ich was?", stellte sich Tiaren dumm und schlüpfte aus seiner Jacke.

"Erst verleumdest du T'Mara und jetzt willst du mir zeigen, wo meine Übung nicht perfekt war. Das meine ich."

"Ich könnte dir helfen wollen", schlug Tiaren vor. "Und ich könnte dich provozieren wollen. Such es dir aus!"

A´kebur brummte unbestimmt. "Zeig, was du meinst!" Er wich ein Stück zurück, damit Tiaren Platz hatte und verschränkte die Arme. Tiaren wiederholte die Sequenz und zeigte dann in langsamerem Tempo, wo der Gegner zuschlagen musste, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen.

"Wiederhole es an der Stelle schneller", forderte er A´kebur auf, "und ich versuche, einen Treffer zu landen."

A´kebur nahm seine Position ein, begann die Sequenz und das eindeutig schneller. Er konnte keinen Fehler feststellen. Tiaren sah ruhig zu und holte dann unvermittelt aus. A´kebur blockte die Faust mühelos, doch im nächsten Moment wurden ihm die Beine weggezogen. Er landete hart auf dem Rücken. "Das meinte ich. Immer das erwarten, was am wenigsten wahrscheinlich ist", dozierte Tiaren seelenruhig.

A´kebur sah ihn finster an. Das hatte er eindeutig nicht gesehen, genauer, zu spät. Er sprang federnd auf und wich halb zurück, um sich erneut zu positionieren. Er wiederholte die Sequenz. Er würde nicht angreifen, da diese Übungsformen mehr zur Verteidigung taugten.

Er erwartete, dass Tiaren es an der gleichen Stelle noch einmal probierte, doch dem war nicht so. Kurz bevor A´kebur die Übung beendete, kam der Angriff und zwar genau zwischen zwei Bewegungen. Diesmal blieb A´kebur zwar stehen, musste aber feststellen, dass Tiaren ihn erfolgreich festhielt.

Er hatte ihm mit einer Drehung die Arme auf den Rücken gedreht und ihn mit einem weiteren Griff auf einem Reflexpunkt die meiste Kraft genommen. A´kebur musste zugeben, dass er wohl ernsthaft aus der Übung war. Einen Gegner dieser Art würde er in seinem jetzigen Zustand nur schwer besiegen.

Mit Kraft trat er Tiaren auf den Fuß, wirbelte er herum und versetzte ihm einen Kinnhaken. Die Wucht des Schlages warf Tiaren um, doch augenblicklich zog er A´kebur erneut die Beine weg und hielt ihn am Boden fest. "Das war nicht schlecht", lobte er, "aber das lernt man bestimmt nicht bei Starfleet oder bei den Vulkaniern."

"Ich habe noch Menschen und Klingonen als Ausbilder gehabt", brummte A´kebur, der das Gefühl hatte, dass Tiaren von ihm eigentlich was ganz anderes wollte. Innerlich spürte er jedoch bei sich Widerstand. Er wollte nicht mehr und so lange seine Zeit nicht war, sah er auch keinen Grund, die Nähe von Tiaren zu suchen.

Ganz sicher hatte der Romulaner Recht: An seiner Seite wollte er ihn nicht. Der Rest mochte sich entwickeln. Aber einige Dinge waren dafür noch recht frisch. Erst einmal wollte A´kebur seine Gefährtin bei sich haben und ihre Beziehung auch auf Vulkan offiziell machen. Er hatte sich darüber informiert, dass das durchaus ein übliches Vorgehen war, wenn der gebundene Partner ein anderer war als der, mit dem man eine Familie gründen wollte. Es war selten, in der kriegerischen Vergangenheit Vulkans aber eine Tradition gewesen, um Verbindungen zu mehreren Familien zu knüpfen.

Tiaren ließ ihn jedoch auch gleich wieder los. "Klingonen und Menschen scheinen sich besser darin auszukennen, wie man unfair kämpft", meinte er, "aber wir Romulaner können das wohl am besten. Dafür habe ich wenig Geduld mit vulkanischen Übungen."

A´kebur rappelte sich wieder auf. "Sie sind auf Ausdauer und Zähigkeit ausgelegt. Angesichts des Planeten, auf dem sie leben, ist es die logischste aller Fähigkeiten, die man entwickeln sollte. Daher erfordert alles, was sie tun, Geduld." Er klopfte sich den Staub aus den Kleidern. "Danke für das Training."

"Jederzeit wieder." Tiaren griff nach seiner Jacke und wischte sich die Haare aus dem Gesicht; sie waren inzwischen aus jeglicher Form herausgewachsen und streiften seinen Kragen. Er sah damit ebenso unvulkanisch wie unromulanisch aus, das wusste er.

A´kebur schien es jedoch nicht bemerken zu wollen oder er bemerkte es wirklich nicht. "In einer halben Stunde ist Frühstück", informierte er Tiaren und ging zurück ins Haus, um dort zu duschen. "Du solltest deinen Aufenthalt auf der Erde nutzen", riet er noch, dann schloss er leise die Tür hinter sich, um die, die noch schliefen, nicht zu wecken. Aber das war jedoch eher unnütz, denn bald darauf holten im Haupthaus und in den anderen Häusern die Eltern und Großeltern den Nachwuchs aus dem Bett.

Kurze Zeit später war das Frühstück aufgebaut. Tiaren hatte sich derweil auch umgezogen, den Luxus einer Wasserdusche genossen und überlegte, was es auf der Erde Interessantes zu sehen gäbe, dass er nicht verpassen dürfe. Die Menschen hatten eine kulturelle Vielfalt, die nur wenigen anderen Völkern gegeben war, und Tiaren gab zu, dass es ihn interessierte. Vollständig frei bewegen durfte er sich jedoch nicht; Cindy bürgte im Augenblick persönlich für ihn.

Er war selbst noch immer etwas verwundert über ihren Sinneswandel, aber es freute ihn. Sie hatte ihm und auch sich selbst die Chance gegen, einander kennenzulernen.

Es tat ihm weh, als er sie so durch die Küche laufen sah. Sie ermahnte Danielle und ihre Tochter, die beide daraufhin ähnlich entrüstet aussahen. Es war immer so gewesen und er erinnerte sich immer an das Gefühl von zu Hause sein. Wie A´kebur sagte: Er war der Erbe von Etienne. Aber Tiaren fühlte weitaus mehr.

A´kebur betrat mit nasser Mähne die Küche, gab Cindy einen ungenierten Kuss und nahm Danielle zu sich auf den Schoß, um ihr die Haare zu machen. Sie protestierte und meinte, dass sie alt genug sei. A´kebur ignorierte sie und entließ sie erst wieder, als er fertig war. T'Mara, die Zeugin war, sagte nichts. Aber sie erstaunte die sehr private Seite ihres Gefährten und dessen Sinn für die Ästhetik weiblichen Kopfschmucks. Dass er sehr effektiv in dieser Aufgabe war, war unbesteitbar. Cindy sah dem Ganzen lächelnd zu. "T'Mara, ich hoffe für Sie, dass es ein Mädchen wird. A´kebur hat keine Ahnung, was er mit einem Jungen machen sollte", scherzte sie.

"Das ist eine Lüge", meinte A´kebur ohne aufzusehen. "Nur, es ist nicht üblich, dass Jungen auf der Erde lange Haare tragen. Ansonsten machen sie dasselbe wie die Mädchen. Kampftraining, Schule und ihre Eltern ehren."

Cindy lachte. "Du verwechselst da was. Kinder auf der Erde absolvieren meist kein Kampftraining und haben nicht das Geringste für ihre Eltern übrig, besonders, wenn sie älter werden. All das hast du hier eingeführt."

"Genau das meine ich", meinte A´kebur und wirkte unschuldig wie frisch gefallener Schnee. "Wenn ich der Großvater bin, dann bin ich auch dafür verantwortlich. Und du kannst nicht behaupten, dass dir Gagh und Kampftraining geschadet hätten."

"Nein, sicher nicht. Aber Gagh ist und bleibt Geschmackssache." Danielle jedenfalls schüttelte sich bei dem Gedanken an das noch lebendige Essen und trollte sich dann mit Frühstückstellern in Richtung Esszimmer, nicht ohne Tiaren, der in der Tür stand, noch einen hoffnungsvollen Blick zuzuwerfen. Als das junge Mädchen die Küche verlassen hatte, zog Cindy die Augebrauen hoch. "Oha, mir scheint, du hast da eine Verehrerin, Tiaren."

Dieser zuckte mit den Schultern. "Ich habe sie sicher nicht dazu aufgefordert."

"Lass die Finger von meiner Großnichte", brummte A´kebur und erntete dafür von der versammelten Weiblichkeit lautes Gejohle. A´kebur nahm den großen Brotkorb und ignorierte das mit Würde.

Tiaren sah ihm nur mit hochgezogener Augenbraue nach und bekam von Cindy die Teekanne in die Hand gedrückt. Offenkundig ging sie davon aus, dass er den Tisch mitdeckte. Auf männliche Bekundungen, dass man nichts mit der Hausarbeit zu schaffen hatte, und man ein großer Krieger war, gab hier wohl niemand etwas.

T'Mara schien das auch auf Vulkanier zu münzen, sie nahm sich eines Tabletts mit Tassen an. Schließlich nahmen alle am Tisch Platz, einschließlich der Bewohner der anderen Häuser, wobei die kleine Danielle auf dem Platz neben Tiaren bestand. Er überlegte immer noch, was er gemacht hatte, um derartig bei ihr beliebt zu sein. Er hütete sich jedoch, sie danach zu fragen. Cindy schmierte sich ein Brötchen und sah zu ihrem Vater hinüber. In ihr schienen einige Fragen zu brennen, sie sagte jedoch nichts, da die Gespräche im Moment die Ferienpläne der Kinder betrafen und man sich nach Emilie erkundigte, die noch keinen Urlaub von der Akademie bekam. Man vermisste sie und selbst die Anrufe konnten dabei nicht helfen.

T'Mara hörte bei allem still zu und schien damit zufrieden. Hin und wieder sah Tiaren zu ihr hinüber und fragte sich, ob er mit seiner zugegebenen auch eifersüchtigen Bemerkung, sie habe Hintergedanken, wirklich recht hatte. Jedenfalls war da etwas, worauf er nicht den Finger legen konnte, dass ihn an ihr etwas störte. Es würde sicher nicht schaden, einmal mit ihr allein zu sprechen.

Nach dem Essen schaffte Tiaren es, Danielle fürs Erste loszuwerden, da sie von Cindy an ihre ausstehenden Hausaufgaben erinnert wurde. A´kebur wurde von seiner Tochter mit Beschlag belegt, und Tiaren sah sich T'Mara gegenüber. "Ich gehe recht in der Annahme, dass meine Anwesenheit für Sie nicht akzeptabel ist?", fragte er.

T'Mara hob eine Augenbraue. "Ich sehe keinen Grund, dass Sie davon ausgehen. Ich bin darüber informiert, dass Sie der Seelenpartner meines Gefährten sind. Das ist akzeptabel und ich bin geehrt, Sie kennenzulernen, auch wenn ich zugeben muss, dass diese Situation nicht den üblichen Geflogenheiten entspricht."

"Nein, das tut sie wohl nicht. Aber keinem Vulkanier war es je eine Ehre, einen Romulaner kennenzulernen, Ma'am. Sie können ruhig ehrlich sein."

T'Maras Gesicht blieb ausdruckslos. "Ich muss leider zugeben, dass ich nicht in jeglicher Hinsicht wie eine Vulkanierin bin, die ich zu sein habe. Zumindest Ihrer Meinung nach. Ich habe kein Urteil über das romulanische Volk. Meine Erfahrungen sind gering. Hinzu kommt, dass man nicht in Starfleet dienen kann, wenn man nicht tolerant ist. Ich bin gern Offizierin und es ist mir eine Ehre, der Föderation zu dienen."

"Oh, es gibt auch intolerante Leute bei Starfleet, glauben Sie mir", gab Tiaren zurück, "und ab und an ist A´kebur einer davon. Es gibt so einiges, was Sie nicht über ihn wissen und er kennt Sie vermutlich auch noch viel zu wenig."

T'Mara nickte. "Ja, wir lernen uns kennen. Ich weiß nicht, wie das auf Romulus ist, aber es ist nicht ungewöhnlich. Wir sind kompatibel und wir ziehen einander an. Man lernt einen anderen erst im Laufe vieler Jahre wirklich kennen. Bis jetzt kann ich nicht sagen, dass etwas gegen eine sehr lange und sehr ergiebige Beziehung spricht."

"Nun, das wird sich wohl zeigen. Sind Sie übrigens anderweitig gebunden oder versprochen? Ihr Name deutet dies an."

T'Maras Gesicht verriet widerstreitende Gefühle. Nur für einen Moment, dann hatte sie sich wieder im Griff. "Ich war verlobt, aber ich habe die Verlobung wieder gelöst. Ich weiß nicht, was Sie über die Traditionen Vulkans wissen. Doch es ist üblich, früh in der Kindheit eine Bindung herzustellen. Den Mann, mit dem man mich in der letzten Stufe binden wollte, habe ich abgelehnt."

"Emotionale Gründe, nehme ich an?"

T'Mara zögerte. "Wenn ich eine normale Vulkanierin mit einer normalen Erziehung wäre, würde ich diese Frage nicht beantworten. Aber wenn ich es wäre, würden Sie diese Frage nicht stellen. Ja, emotionale Gründe. Ich war nicht perfekt für ihn. Er lehnte mich ab, aber ich kam ihm zuvor. Eine kleinliche Emotion. Ich bin nicht stolz darauf."

Tiaren musste seine Meinung über T'Mara ein wenig revidieren, auch wenn der unerklärliche Vorbehalt blieb. "Sie sollten aber stolz darauf sein. Jemanden wegen seiner Erziehung, seiner Herkunft oder seiner Gefühle zu verurteilen, ist kleinlich und auch nicht logisch. Sie haben vollkommen vernünftig gehandelt und dabei Ihre Ehre bewahrt."

T'Mara senkte ihren Blick. Ihr war es unangenehm. "Meine Eltern verurteilten mich nicht, da sie selbst niemals über die perfekte Logik verfügten. Sie waren anders und ich wuchs so auf. Auf Vulkan wurde ich deshalb abgelehnt. Dennoch, ich kann niemanden verurteilen, weil ich es nicht schaffe, an meinen Kontrollen zu arbeiten. A´kebur erkennt mich an, ohne Fragen zu stellen. Er meinte, meine Wahl wäre logisch. Es ist eine paradoxe Feststellung, aber sie hat eine Anziehungskraft." Sie sah wieder auf und ein winziges Lächeln erhellte ihre harten Züge.

Tiaren gab das Lächeln zurück. "Natürlich hat es das. Wir alle wollen akzeptiert werden auf die eine oder andere Art. Ich möchte Ihnen nur raten, auf A´kebur zu achten. Er ist fest davon überzeugt, dass Sie die Richtige für ihn sind." Tiarens Lächeln wurde kalt. "Sollte ich je erfahren, dass ihn jemand hintergeht, der ihm nahe steht, könnte ich unangenehm werden."

T'Mara wich zurück. "Sie müssen mir nicht drohen, Mr. Tiaren!", erwiderte sie ebenso kalt.

Sie bereute es, dass sie so offen gesprochen hatte. Mit abweisender Miene erhob sie sich.

"Ich würde Ihnen nie drohen, Ma'am, das habe ich nicht nötig. Gehen Sie das schöne Wetter genießen." Damit erhob sich auch Tiaren. Was er hatte sagen wollen, war angekommen und was er hatte wissen wollen, hatte er erfahren.

T'Mara sah ihm erschüttert nach. Aber dann sagte sie sich, dass wohl ein ehemaliger Agent des romulanischen Geheimdienstes immer ein Agent bleiben würde. Sie überlegte, dann zog sie es vor, über die Angelegenheit zu meditieren.

Cindy und A´kebur waren derweil durch den Garten gewandert. "Ich bin froh, dass ihr euch noch nicht die Köpfe eingeschlagen habt", meinte sie unvermittelt.

"Die Erziehung der Duvals", meinte A´kebur trocken.

"Nun, es hätte schlimmer sein können. Bist du böse, dass ich ihn eingeladen habe?"

"Nicht böse. Ausgesprochen sauer. Aber er hat ein Recht, hier zu sein. Ich wollte jedoch dich und meine Familie allein haben. Außerdem hast du ihm das Versprechen gegeben, dass er mit auf die Mission kann."

Cindy blieb stehen. "Zum letzten Mal, ich habe nichts versprochen! Ich bin in erster Linie Admiral bei Starfleet und könnte so etwas überhaupt nicht alleine entscheiden, selbst wenn ich wollte. Ich habe meinen Kollegen lediglich diesen Vorschlag gemacht, als es um die Diskussion wegen des Agenten ging. Denkst du wirklich, ich ließe mich in der Angelegenheit derartig von meinen Gefühlen hinreißen?"

"Ich weiß nicht, es geht um deine Väter, Cindy." A´kebur war stehen geblieben. "Du bist der Admiral. Aber du bist auch meine Tochter. Ich habe deshalb alles für dich gemacht, um dich nicht in einen größeren Konflikt zu stürzen. Aber auf Dauer wird es für dich schwerer werden. Du solltest es vielleicht anderen überlassen, über mich zu entscheiden."

"Das habe ich längst getan, Daddy. Wie gesagt, ich habe erst meinen Vorschlag und danach meinen Antrag auf Ruhestand eingereicht. Man wird mich erst in ein paar Monaten gehen lassen, aber ich werde bis dahin meine Arbeitszeiten verkürzen. Für die Belange der Enterprise ist jetzt Admiral Dimitrii Sevarin zuständig. Du hast ihn sicher schon kennengelernt. Er wurde erst vor einem Jahr befördert und weiß ganz genau, wie es draußen zugeht."

A´kebur seufzte stumm. "Das habe ich nicht gewollt", murmelte er.

Cindy sah ihn nun verärgert an. "Wieso denkst du, es habe etwas mit dir zu tun? Mein Ruhestand war schon lange geplant, aber jetzt ergab sich die beste Gelegenheit. Ich werde nicht jünger, Daddy, und für die Angelegenheit müssen auch frischere Köpfe her. Ich habe mein ganzes Leben lang versucht, der Föderation und ihren Zielen zu dienen. Ich denke, es reicht langsam."

"Aber nicht aus diesem Grund. Du hast es gesagt", beharrte A´kebur. "Doch, da du verärgert bist, würde ich sagen, bin ich wirklich nicht der Grund. Und du bist nicht alt!"

Cindy verschränkte die Arme. "Verdreh nicht meine Worte, Daddy. Natürlich bin ich nicht alt. Aber die nächsten vierzig Jahre würde ich gerne mit jemand anderem verbringen als mit meinem speziellen Freund Admiral Castellano. Es ist ja nicht so, dass ich mich in die Ecke setze und nur noch Socken für meine Enkel stricke. Aber die Arbeit bei Starfleet hat mich viel gekostet, das weißt du. Ich möchte mehr Zeit für mich haben und für die Familie."

A´kebur lachte leise. "Ich fürchte, dein spezieller Freund wird sehr erfreut darüber sein, seine Intrigen ohne deine Störungen durchführen zu können. Ihm ist nicht zu trauen. Nun, aber ich wäre der letzte, der dir sagt, was du zu tun hast. Die Admiralität wird mir schon sagen, was ich zu tun und zu lassen habe."

"Oh, das wird sie immer. Und ich hoffe ja, dass Castellano einen Herzanfall bekommt vor freudigem Schreck, dass ich gehe", erwiderte sie mit einem frechen Grinsen, das sie wie ein junges Mädchen aussehen ließ. "Und du wirst schon zurechtkommen, ganz sicher. Aber du musst damit rechnen, dass der Fall Toran als persönliche Angelegenheit gewertet wird. Beweise für seine Einmischung gibt es nicht. Ich vermute eher, dass die Enterprise nach Romulus geschickt wird, um die laufenden Verhandlungen zu unterstützen."

"Ich hoffe nicht und ich bete zu allen Göttern des Universums."

"Du kannst dich ja weigern, aber das wird nicht viel helfen." Cindy musterte ihn. "Was wäre so schlimm daran?"

A´kebur hielt ihr seine Hand hin. "Ich habe das Gefühl, dass noch nicht alles beendet ist, während ich auf unbekanntem Land wandle."

"Das ist eben so, wenn man bei Starfleet ist. Immer mit dem Unerwarteten rechnen." Sie nahm seine Hand. "Und lass dir nie anmerken, dass du vielleicht Angst hast, Daddy."

"Du weißt, dass ich Angst habe, aber nicht die Art von Angst, die mich zurückweichen lässt. Ich glaube, dass ich verletzt bin. Aber ich kann die Wunde nicht berühren."

"Oh, Daddy …" Cindy umarmte ihn fest, stellte sich auf die Zehenspitzen und strich ihm übers Haar, als wäre er ihr Kind und nicht umgekehrt. Doch je weiter die Zeit voranschritt, desto mehr spürte sie, dass A´kebur nicht nur körperlich, sondern auch geistig weitaus langsamer alterte. In dieser Hinsicht hätte sie inzwischen im Vergleich wirklich mehr Lebenserfahrung. "Sag mir, wie ich dir helfen kann, ich tue es."

A´kebur verzog kurz die Mundwinkel. "Entschuldige, dass ich das gesagt habe. Mir geht es gut. Ich werde Vater und vergrößere selbst die Familie und die Ehre unserer Familie. Etienne wäre auch stolz, glaube ich."

"Ja, ganz sicher. Aber wenn dich etwas bekümmert, dann ist das ernst zunehmen", mahnte Cindy, "friss nicht alles in dich hinein, lass es raus."

"Ich denke, dass alles in Ordnung ist", beschwichtigte ihr Vater sie. "Ich fresse nicht alles in mich hinein, wie du sagst." Er lächelte zuversichtlich und küsste Cindy dann auf die Stirn. "Ich glaube, manchmal bist du weiser, als ich es jemals sein könnte."

"Tja, ich bin ja auch eine Duval und meine Väter haben mich zum Nachdenken erzogen, weil sie es selber nicht konnten", gab Cindy schmunzelnd zurück. "Versprich mir, dass du um Hilfe bittest, wenn es allein nicht geht, ja?"

"Was meinst du, wir könnten nicht nachdenken?", fragte A´kebur und ignorierte dabei mit voller Absicht die Aufforderung, sich an Dritte zu wenden, denen was auch immer nichts anging.

"Och, immer mit dem Kopf durch die Wand und erst schießen, dann Fragen stellen. Gib es zu! Aber du bist mit den Jahren auch ruhiger geworden, Daddy."

"Also alt!" A´kebur sah sie amüsiert an.

"Du, alt? Willst du bloß Komplimente haben? Du schaust noch genauso aus wie zu der Zeit, als ich dich das erste Mal sah. Einige Linien um den Mund mehr", sie strich sanft darüber, "aber sonst der Gleiche."

A´keburs Ausdruck wurde melancholisch und Cindy sah etwas in den Augen, was sie innerlich um ihren Vater fürchten ließ. "Du bist immer noch so schön und der Sonnenschein meines Lebens, Cindy-cha", murmelte er. "Um Etienne zu zitieren: Du bist das Beste, was mir in meinem Leben passiert ist."

"Oh, Daddy!" Sie umarmte ihn erneut und hielt ihn fest. "Versprich mir, dass du auf dich aufpasst. Du bist doch auch das Beste im meinem Leben. Ich habe nur noch dich, seit Daddy …" Sie brach ab. "Wir Menschen leben so kurz, im Vergleich zu dir. Ich will, dass du auch noch für die nächsten Generationen an Duvals da bist."

A´kebur umarmte sie fest. "Das werde ich ganz bestimmt", versprach er. "Und ich fürchte den Tag, wo ich von dir Abschied nehmen muss. Aber ich freue mich, wenn ich dich dann wiedersehen werde."

"Du verlierst mich nie, Daddy, wenn du nur an mich denkst. Und ich habe noch einige Jahre vor mir, keine Sorge." Einige stille Tränen wurden von A´keburs Jacke aufgesogen. Cindy ließ ihn wieder los und wischte sich schnell über die Augen. "Ich mache mir nur Sorgen um dich, das ist alles."

"Tut mir leid, dass ich dir Sorgen bereite. Aber manche Dinge müssen erledigt werden. Doch mach dir darüber keine Gedanken. Ich habe eine gute Crew."

"Ich weiß. Ich bitte dich nur darum, auf sie zu hören und nachzudenken, ehe du etwas tust. Das ist alles. Und wenn du denkst, dass du weißt, was dich bekümmert, dann sprich mit mir. Ich möchte nicht noch einen Vater mit einem verzweifelten Blick zum Horizont in den Augen verlieren."

A´kebur bekam einen Druck in der Kehle. "Er hat nicht mehr verzweifelt geschaut", flüsterte er rau.

"Nein, die letzten Tage nicht mehr, weil er wusste, dass es zuende ging. Aber denkst du, ich hätte nicht bemerkt, wie oft Daddy an irgendeiner Küste stand und in den Horizont blickte? Ich habe mich nie getraut, ihn darauf anzusprechen, weil ich genau wusste, er würde es als unwichtig abtun, um mich nicht zu bekümmern. Aber ich habe mir dennoch meinen Teil gedacht. In den letzten zehn Jahren, als er wusste, dass er nicht mehr lange zu leben hatte, wurde es noch häufiger. Ich war mir fast sicher, er würde eines Tages ohne ein Wort verschwinden, um die letzte Zeit, die ihm noch blieb, in Freiheit zu verbringen, allein. Und auch, um uns weiteren Kummer zu ersparen." Cindy schluckte. Sie hatte nie mit A´kebur darüber gesprochen, aber nun musste sie es. Der stumme Schmerz in seinem Blick war ihr nur zu vertraut gewesen. "Aber er ist nicht gegangen, sondern blieb bei uns und manchmal denke ich, es wäre wirklich besser gewesen, wenn er doch gegangen wäre. Bis zum Schluss blieb sein Blick auf dem Horizont, den er im Leben nie mehr erreichen konnte." Sie brach ab.

A´kebur packte sie bei ihrer Hand und drückte sie fest. "Nein!", sagte er entschieden. "Nein, er war in Freiheit. Ich weiß es, weil seine Seele bei mir war. Immer. Ich wusste es, als er nicht in Freiheit war. Ganz bestimmt, glaube mir das."

"Seine Seele vielleicht, aber ein Teil von ihm war es nie. Und ich will nicht, dass es dir genauso geht. Dass du dich ein Leben lang still quälst, weil etwas an dir nagt und du denkst, daran nichts ändern zu können." Cindy sah ihn bittend an.

Sie sah jedoch, dass er nicht wirklich verstand, wahrscheinlich auch nicht verstehen wollte und konnte. "Ich quäle mich nicht, ganz bestimmt nicht. Und ich werde dir sagen, wenn mir was auf der Seele liegt, dass es sie verdüstert. Aber bitte, sage nicht, dass er nicht frei war. Ich will ihn nicht an mich gebunden haben, um ihn für immer gefangen zu halten. Seine Träume waren noch Jahre nach seinem Tod bei mir. Ich war sein Seelenträger, auch wenn ich es nicht wusste."

"Bitte, Daddy, das meinte ich nicht. Aber, Menschenseelen sind flüchtiger als vulkanische, sie lassen sich nicht einfach so weitertragen. Ich bin mir sicher, ein Teil von ihm blieb bei dir, damit du nicht allein bist. Aber, vielleicht blieb er auch, weil er unerledigte Dinge zurückließ. Ich weiß es nicht und ich will auch gar nicht weiter darüber nachdenken. Mein Daddy lebt in meiner Erinnerung und nirgends sonst." Cindy zögerte. "Und was Tiaren betrifft, so habe ich akzeptiert, was er ist. Alles Gute in Daddy lebt in ihm weiter."

A´kebur hörte ihr stumm zu, weil er keine eigenen Worte mehr fand. Sanft zog er sie zu sich und umarmte sie. Innerlich betete er darum, dass sie nicht traurig war. Dass er sie nicht mehr zum Weinen brachte. Aber er wusste, dass es wohl nicht das letzte Mal war. Er hoffte, dass er das Kind, welches T'Mara in sich trug, nicht zum Weinen bringen würde.

 

Tiaren wollte sich einige Tage später wieder auf den Weg machen. Solange die Entscheidung, ob und mit wem an Bord die Enterprise nach Romulus flog, noch nicht getroffen war, wollte er die Zeit nutzen und sich weiter seinen Studien auf Vulkan widmen. Zuvor bat er Cindy jedoch noch um den Gefallen, mit dem romulanischen Spion sprechen zu dürfen. Sein Gespräch mit Kain kam ihm in den Sinn, dass Tiaren seinen anderen Bruder gern kennenlernen würde; nun, jetzt hatte er früher als gedacht die Gelegenheit. Ob sich Kain geirrt hatte und Koljar trotz allem für Toran gearbeitet hatte?

Er wollte es herausfinden.

Seinem Ansinnen wurde mit Misstrauen begegnet, aber es war Cindy, seine Tochter im Geiste, die für ihn sprach und dafür war er unendlich dankbar. Seine Aufregung, seinen unbekannten Bruder zu treffen, stieg mit jeder Minute, bis es Zeit wurde.

Cindy hatte veranlasst, dass er von Bord gebeamt wurde. Sein Bruder Koljar befand sich im Hauptquartier der Sternenflotte. Tiaren dachte einen Moment daran, was das romulanische Imperium vor ein paar Jahren bereit gewesen wäre zu geben, um hier ein- und ausgehen zu können. Jetzt tat er genau das und niemand dachte daran, ihn aufzuhalten.

Koljar war in einer Hochsicherheitszelle untergebracht; ein Monitor daneben kontrollierte ständig seine Lebensfunktionen. "Ich habe eine Besprechung", erklärte Cindy, "kontaktiere mich, wenn du hier fertig bist!"

Tiaren nickte. Die Wachposten an der Zelle sahen ihn misstrauisch an, aber da Admiral Duval ihre Erlaubnis erteilt hatte, traten sie etwas zur Seite. Tiaren ging bis direkt vor das glühende Kraftfeld und musterte seinen fremden Bruder. Er wirkte anders. Aber vertraute Züge unterstrichen die Gemeinsamkeit. Er konnte wenig von seinem Vater in ihm erkennen. Die Augen und die Nase und doch war dieser Mann nicht Toran. Er wirkte zierlicher, ohne Leidenschaft, aber mit einem messerscharfen Verstand ausgestattet. Vielleicht sogar weit über dem ihres Vaters.

"Yolantru, Koljar", grüßte Tiaren ihn auf traditionelle Art.

Koljar sah nicht auf. Tiaren ließ sich davon aber nicht beeindrucken. "Der doppelköpfige Raubvogel sieht alles", erklärte er leise auf Romulanisch, "auch wenn die Sonne verdunkelt ist." Dies war der Leitspruch des Tal'Shiar, aber den Zusatz erfuhr man nur, wenn man die Ausbildung dort genossen hatte.

Koljar sah auf, musterte ihn kühl. "Doch die Sonne ist nicht dunkel, aber so oder so, ich sehe einen Verräter. Dein Name ist mir bekannt, Tiaren."

"Ich vermute, das halbe Imperium weiß über mich Bescheid, einschließlich Toran. Bist du deswegen aktiviert worden?"

Koljar erhob sich und sah mit einer gewissen Faszination Tiaren an, der ganz genau wusste, dass nicht der Agent ihn betrachtete, sondern sein Bruder. Sie mochten vielleicht auf Bilder gesehen haben, aber nie in Natura.

"Natürlich, das halbe Imperium, einschließlich der Föderation. Es ist kein Geheimnis. Aber ich weiß nicht, was Sie mit aktivieren meinen."

"Du warst doch ein Schläfer. Es muss einen Grund gegeben haben, dir jetzt Befehle zu senden. Du solltest Captain A´kebur und die Enterprise in Misskredit bringen. Angesichts der Friedenverhandlungen riecht das sehr nach persönlicher Rache, Koljar", gab Tiaren zurück.

Sein Bruder wich wieder zurück und setzte sich. "Ich bin wissenschaftlicher Offizier auf der Enterprise", wiederholte er ruhig und völlig emotionslos.

"Ich weiß. Aber Vulkanier lügen nicht und dass ein Romulaner versucht, einen anderen zu belügen, ist sinnlos. Kam der Auftrag vom Tal'Shiar? Und wenn ja, von wem?"

"Warum sollte ich einem Verräter des Tal'Shiar Rede und Antwort stehen, Tiaren? Ich schulde dir keinen Gehorsam und keine Loyalität. Auch nicht aus unseren gemeinsamen Genen heraus."

Tiaren trat noch ein weniger näher, sodass das Kraftfeld ihn fast berührte. "Du bist entweder ein Offizier der Sternenflotte und dieser Gehorsam schuldig oder du hast dem Reich Rede und Antwort zu stehen. Ich bin Centurio des Imperiums und zweiter Initiierter des Tal'Shiar. Niemand hat mich offiziell entlassen, ich bleibe dein Vorgesetzter. Aber ich will mit dir als Bruder reden. Toran hat uns nur benutzen wollen und er wird es auch weiterhin versuchen, wenn er nicht bekommen hat, was er will. Kain sagte, du habest dich von Toran abgewendet. Weshalb tust du dann jetzt, was er will?"

Koljar überlegte. Er überlegte so lange, dass Tiaren glaubte, dass er keine Antwort bekommen würde. Aber dann ging ein Ruck durch Koljar. "Ich habe keinen Befehl von Toran bekommen. Sein Handeln war geprägt von Kurzsichtigkeit und persönlichen Belangen. Das ist eines Romulaners nicht würdig. Der Befehl kam von Ihnen."

"Wie bitte?" Tiaren glaubte sich verhört zu haben.

"Du warst es, der den Befehl gab, die Enterprise zu sabotieren und den Captain in Verruf zu bringen." Ein feines Lächeln lag auf den sonst ausdruckslosen Gesichtszügen und zeigten endlich, dass dieser Mann vor ihm voller Emotionen war. "Du hast Recht, Tiaren, ein Vulkanier lügt nicht. Aber was ist die Wahrheit? Ich fürchte, dass ich das nicht sagen kann. Meine Logik endet hier."

"Koljar, wenn du schon nach Ausreden suchst, dann nimm bitte glaubwürdigere. Wie soll ich dir den Befehl erteilt haben? Ich war die ganze Zeit auf Vulkan und jeglicher Funkverkehr wäre überwacht worden. Bis vor zwei Wochen wusste ich noch nicht einmal von deiner Existenz!"

"Ein Romulaner kann jedoch lügen", meinte Koljar, ohne wirklich auf Tiarens Worte einzugehen. "Der Befehl kam vorher. Schaden für das Symbol der Föderation. Dem Symbol für die Demütigung des Imperiums." Er atmete durch und trat wieder näher. "Tiaren, ich weiß, dass du es nicht warst. Aber letztlich spielt es keine Rolle, was ich sage. Du könntest es gewesen sein. Aber ich empfange keine Befehle von Toran. Ich weiß nicht, was ich berechtigt bin zu sagen, Centurio. Ich bin wissenschaftlicher Offizier seit über dreißig Jahren und ich habe auf fünf Schiffen gedient." Aber er war auch Schläfer, doch das sagte er nicht laut.

"Das Problem ist, dass gut ein Drittel der Tal'Shiar-Offizieren Toran einen Gefallen schulden, ein zweites Drittel bei ihm Schulden haben und der Rest so tut, als gäbe es ihn nicht mehr. Ich bin mir sicher, dass es sein Befehl war; niemand sonst hätte einen Nutzen davon. Und wenn der Senat der Föderation schaden wollte, würde er es großangelegter tun, nicht einen Schläfer beauftragen, der sonst vielleicht niemals zum Zuge gekommen wäre", gab Tiaren zurück. "Was ich wissen will, wann hast du das letzte Mal mit Toran gesprochen?"

Koljar setzte sich, den Rücken durchgestreckt. "Ich möchte nicht vor Zeugen reden", sagte er dann.

"Denkst du wirklich, man lässt uns beide außer Hörweite?" Er sah zur Zimmerecke, hinter der eine Kamera und Sensoren verborgen waren, dann zog er einen Kommunikator aus der Tasche, den Cindy ihm gegeben hatte. Es war ein simples Modell, nicht mehr als ein privates Kommunikationsgerät. Mit Hochtechnologie traute man ihm noch nicht. "Admiral, hier Tiaren. Ich bitte um die Erlaubnis, ohne Aufzeichnungen mit dem Agenten Koljar sprechen zu dürfen."

Er konnte sich vorstellen, wie Cindy besorgt ihre Stirn in Falten legte. "Mr. Tiaren", er konnte den Alarm in ihrer Stimme hören, "Bekomme ich Ihr Wort, …"

"Sie haben mein Wort, dass Sie alles für Starfleet Relevante, was er sagt, von mir hören werden", versprach Tiaren, "Sie können mir vertrauen, Cindy."

Wieder zögerte seine Tochter im Geiste mit einer Antwort, dann spürte er eher die Zustimmung, als sie sie aussprach: "Sie dürfen. Die Überwachung ist ausgeschaltet. In einer Viertelstunde schaltet sie sich automatisch wieder an. Mr. Tiaren, Sie schulden mir etwas."

"Ich weiß. Danke. Tiaren Ende." Er steckte den Kommunikator wieder ein und sah zur Zimmerdecke. Das leise Sirren dort hatte aufgehört. Er trat wieder näher an das Kraftfeld. "Koljar, wir haben eine Viertelstunde. Ich brauche jede Einzelheit."

"Ich habe von dir gehört, aber nicht von Vater, sondern von Kain. Er spürte mich auf und sagte mir, wer ich bin. Toran hatte sich nie als mein Vater vorgestellt. Er brachte nur mich und Mutter ins romulanische Reich. Da war ich fünf Jahre alt. Als ich zehn war, zogen wir zurück in die Föderation auf eine vulkanische Kolonie. Toran habe ich seit dem nie wieder gesehen. Der letzte Blick auf ihn, bekam ich, als man uns auswies. Er wandte sich ab. Kain erzählte mir nie, warum. Aber er sorgte dafür, dass ich eine Ausbildung erhielt. Beantwortet das deine Frage, wann ich ihn das letzte Mal sah? Ich schätze, du hast ihn öfter gesehen. Du warst seine Hoffnung. Telepath. Centurio. Fest im Sattel des Geheimdienstes."

Tiaren lachte leise. "Kleiner Bruder, du hast ihn einmal häufiger getroffen als ich. Ich kann mich nicht erinnern, meinem Vater jemals begegnet zu sein. Alle Anweisungen kamen per Videolink; nur so weiß ich überhaupt, wie er aussieht. Auch bei mir war Kain derjenige, der mir von dir erzählte. Ich schätze, dass Toran sich erhofft hatte, mit einer Vulkanierin, die Telepathie im Blut hat, erneut ein telepathisches Kind zu bekommen. Aber als ich das Reich verriet, was ich im Übrigen nicht getan habe, musste er auf Plan B zurückgreifen und dich aktivieren. So sieht meine Theorie aus."

Koljar faltete seine Hände und nickte bedächtig. "Das entspräche seiner Logik. Ich weiß nicht viel über ihn, aber wenn es sein Ziel ist, dann wäre es logisch. Nur, er hätte sichere und loyalere Leute aktivieren können. Der Befehl war nicht verifiziert worden, daher habe ich die Enterprise nicht zerstört und ihren Captain nicht getötet. Aber der Befehl lautete genau diese Dinge zu tun."

Tiaren zog die Augenbrauen hoch. "Ich hätte angenommen, es wäre nur darum gegangen, die Enterprise und ihren Captain in Misskredit zubringen. Aber wenn Toran A´kebur wirklich tot sehen wollte, dann heißt das, das die Zeit für subtile Pläne vorbei ist. Vermutlich war mein Verrat der letzte, entscheidende Punkt. Und wenn er erfährt, dass du seinen Befehl nicht ausgeführt hast, wird er vermutlich alle Vorsicht über Bord werfen. Das müssen wir nutzen." Tiaren musterte seinen Bruder. "Koljar, ich bitte dich darum, dich Starfleet gegenüber als absolut kooperativ zu verhalten. Wir beide dienen noch immer dem Imperium, und wenn der Senat Frieden mit der Föderation will, so unterstützen wir das, indem wir helfen, Toran unschädlich zu machen."

Koljar lächelte und der Ausdruck war irritierend für Tiaren. "Du glaubst wirklich, dass irgendeiner von denen uns traut? Nein, ich war überzeugend, genauso wie du es warst. Wir sind draußen. Wenn ich meinen Auftrag erfüllen sollte, dann musste ich überzeugend sein. Da ich jedoch unfähig war, bin ich weder für den einen noch den anderen tragbar. Gleichzeitig hätte ich vielleicht es dennoch geschafft, dass zu erreichen, was hinter dem Auftrag lag. Aber wie auch immer: Du träumst, Tiaren. Wir sind nicht mehr im Spiel."

"Lass dir eines sagen, wir sind erst aus dem Spiel, wenn der eine oder andere König gefallen ist. Und wenn ein Bauer es in die hinterste gegnerische Reihe schafft, wird er zur Dame. Ich weiß, dass unser Kodex es vorschreibt, sich eher zu töten als gefangen nehmen zu lassen. Doch dann ist das Spiel wirklich zu ende. Solange wir leben, haben wir die Chance, das zu tun, was wir wirklich wollen. Wäre das kein Anreiz?"

Koljar erlaubte sich einen Seufzer. "Es war ein Reflex. Ich hatte ihn nicht unter Kontrolle", sagte er. "Das ist eine bedauerliche Einrichtung. Sehr ineffizient, wenn man die Leute erst teuer ausbildet und sie dann umbringt mit eben dieser Ausbildung."

"Ich weiß. Aber man kann dagegen kämpfen. Und ich denke, du hast es auch, sonst hätte man dich nicht rechtzeitig retten können." Tiaren sah zur Kamera. Noch hatten sie Zeit. "Wenn du die Wahl hättest, würdest du deinen Dienst bei Starfleet wieder aufnehmen wollen? Oder würdest du nach Vulkan gehen wollen? Oder ins Reich zurück?"

Koljar sah zu ihm auf mit Augen, die seinen seltsam ähnlich waren. "Die schönste Zeit in meinem Leben habe ich auf den Schiffen von Starfleet verbracht. Die größte Ehre war die Berufung auf die Enterprise. Es ist mir noch immer eine Ehre, dass man mich ausgewählt hat. Und es war mir eine Ehre, unter Captain A´kebur gedient zu haben. Aber ich werde nirgendwohin zurückkehren können. Das zu glauben, wäre eine Illusion. Selbstbetrug."

"Sei dir da nicht so sicher. Ich dachte auch, ich könne nirgendwo hin. Aber es gibt für jeden von uns einen Platz, Koljar." Er sah erneut zur Kamera, die nun wieder leise zu surren anfing. "Yolantru, Koljar. Wir sehen uns wieder."

"Langes Leben und Wohlergehen, Tiaren von Romulus", verabschiedete sich Koljar vulkanisch und er meinte jedes Wort so wie er es sagte.

Tiaren lächelte ihn aufmunternd an, dann verließ er den Sicherheitstrakt. Draußen wartete Cindy auf ihn, und sie sah alles andere als begeistert aus. "Ich hoffe wirklich, das war es wert", murrte sie.

Tiaren nickte. "Das war es."

"Wenn das alles war, könnte ich mir überlegen, die Folter wieder zu etablieren. Ich ziehe es aber vor, ausführlich Bericht zu bekommen, Mr. Tiaren!", sagte sie warnend.

"Die Föderation hat Folter gutgeheißen? Ich bin entsetzt", gab dieser unbeeindruckt zurück. "Folgendes: Koljar stand nicht in direktem Kontakt zu Toran. Sein Befehl lautete, A´kebur zu töten und die Enterprise zu vernichten, aber ohne Bestätigung hat er dies nicht getan. Ich denke, er war Torans Plan B, nachdem ich versagt habe. Er kann ihn ebenso wenig leiden wie ich, wie es aussieht."

"Er? Koljar seinen Vater? Was hat dieser Mann nur, dass er von allen Leuten, die ich kenne, so gehasst wird?", fragte Cindy rein rhetorisch. "Und weiter?"

"Seine Position bei Starfleet war keine Tarnung für ihn, sondern eine Lebensaufgabe. Er denkt, jetzt sei alles vorbei." Tiaren blickte zurück zum Gebäude. "Ich kann ihn verstehen. Und nein, ich denke, dass er die Wahrheit sagt. Meine Telepathie ist dafür inzwischen gut genug und er hat ein ehrlicheres Gesicht, als ich es je haben werde."

Cindy blieb stehen und musterte ihn. "Ja, ich verstehe, was Sie meinen. Ich traue Ihnen nicht sonderlich. Aber ich kann auch in Mr. Koljar nicht lesen. Und jetzt bitte jedes Detail. Lassen Sie sich nicht alles aus der Nase ziehen. Keine Auslassung! Bitte, Mr. Tiaren!", sagte sie mit Nachdruck.

Der tat ihr den Gefallen und wiederholte das Gespräch, wenn er auch die persönlicheren Worte wegließ und nur das für die Föderation Relevante, wie er versprochen hatte, wiedergab. "Was wird jetzt mit ihm werden?"

"Man wird ihn kielholen. Da hat er schon recht. Man wird ihn vors Kriegsgericht stellen, sollte er sich nicht darauf berufen, dass er als Agent gehandelt hat. Wenn er das tut, wird man ihn auf Verlangen ausliefern. Tut mir leid!"

"Wenn er das Format hat, was ich denke, so will er lieber vor das Kriegsgericht treten. Das Imperium wird ihn sowieso nicht wollen."

Cindy schnaufte kurz. "Ich habe das Gefühl, dass ich von Piraten und Verrätern umgeben bin, seit ich laufen kann. Woran das wohl nur liegt!" Sie schüttelte den Kopf und ging langsam weiter.

Tiaren lachte. "Lieber Piraten und Verräter mit einem ehrlichen Herzen als Gesetzestreue und Pflichterfüller ohne Skrupel, oder?"

"Ist das eine Fangfrage? Ich ziehe es vor, nicht zu antworten. Aber mit Verlaub gesprochen: Ich fürchte, Sie sind viel zu begeistert von Ihrem Bruder, als dass ich Ihnen Neutralität oder gar Sachlichkeit zutraue. Hoffen Sie nicht für ihn." Cindy sah ihn ernst an. "Es könnte sein, dass Ihre Hoffnung Sie betrügen wird."

"Sie sind auch nicht wirklich sachlich, wenn es um Ihre Familie geht. Und ich weiß, dass es schlecht aussieht. Es sah auch für mich nicht gut aus. Und trotzdem stehe ich jetzt hier."

Cindy sah ihn schief an. "Also bitte, Sie haben bisher nicht gefragt, ob Sie bei Starfleet dienen dürfen. Glauben Sie mir, dass würde interessante Reaktionen hervorrufen." Sie verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf.

"Wer weiß, vielleicht frage ich ja eines Tages wirklich!"

Cindy bekam auf diese Hypothese hin einen Hustenanfall. "Das ist nicht in Ordnung", beschwerte sie sich. "Ein Glück, dass ich aufhöre. Stellen Sie den Antrag bei Admiral Castellano. Er wird sich freuen."

"Sie hoffen sicher, dass er einen Infarkt bekommt, wenn er das Gesuch liest. Nun, Sie haben ja auch etwas gut bei mir." Tiaren grinste.

Cindy schwieg dazu. Ganz sicher würde sie sich darüber nicht gegenüber einem ehemaligen Agenten auslassen. "Nun, ich werde erst einmal sehen, was die Admiralität entscheidet, um den Vorwürfen gerecht zu werden. Sollte Toran wirklich dahinter stecken und die Romulaner nicht ihr Gesicht verlieren wollen, dann werden sie uns helfen, ihn zu fangen. Dabei wird sich vielleicht auch die Gelegenheit ergeben, einen adäquaten Spruch für oder gegen Ihren Bruder zu sprechen. Vielleicht, vielleicht aber auch nicht."

Tiaren nickte. "Mehr verlange ich auch gar nicht. Und ich bin Ihnen wirklich dankbar, dass ich mit Koljar reden konnte."

"Dafür werde ich gegrillt werden. Oh, ich hoffe, dass Sie mir zu Füßen liegen", brummte sie, "Alles andere ist zu wenig."

"Das tue ich bereits." Tiaren war wieder ernst geworden. "Sie sollten das wissen. Ich würde niemals etwas tun, dass Ihnen schadet."

Cindy sah zu ihm auf. "Ja, ich weiß. Sie wissen, dass nur ich das weiß. Nur meine Familie und vielleicht noch mein Vater. Aber das zählt nicht. Ich lasse Sie zurückbeamen."

"Deshalb will ich ja auch eine Chance, mich zu beweisen. Ich werde warten. Morgen geht mein Schiff nach Vulkan zurück."

Cindy sagte nichts, sie nickte nur. Mit leichter Geste berührte sie ihren Kommunikator und gab den Befehl zum Beamen. Entschieden war nichts, aber Tiaren hatte das Gefühl, dass er sie ein Stückchen zu seinen Gunsten beeinflusst hatte. Aber schaden wollte er ihr nicht und das würde er auch nicht tun.

Wieder im Duval-Anwesen angekommen, machte er sich daran, seine Sachen zu packen. Er war eigentlich sowieso schon viel zu lange hier, und wenn er A´kebur noch länger mit T'Mara herumparadieren sah, war seine Geduld bald wirklich am Ende - und die kleine Danielle, so hatte er den dumpfen Verdacht, würde noch eines nachts zu ihm ins Zimmer kommen, wenn er sich nicht bald verabschiedete. Dann jedenfalls würde A´kebur wirklich einen Grund haben, ihn zu töten.

Dieser befand sich gerade allein in der Küche und stierte auf ein leeres Glas. Die Kinder waren weg, irgendwo in Ferienlagern, in der Sommerschule oder bei Freunden. Die Erwachsenen waren arbeiten, so dass die Farm fast leer war. Als Tiaren die Küche betrat, konnte er jedoch keinen Alkohol riechen. Es war Wasser, was A´kebur getrunken hatte. Aber dennoch wirkte er, als hätte er den dritten Krug Ale geleert.

Tiaren angelte sich ebenfalls ein Glas aus dem Schrank. "Wo ist T'Mara?", fragte er fast automatisch; so sehr war er daran gewöhnt, dass sie an A´kebur klebte.

"Im Garten", brummte sein Seelengefährte gewohnt einsilbig.

"Und was tust du dann hier drinnen? Das Wetter ist angenehm." Tiaren lehnte sich gegen den Gefrierschrank und musterte A´kebur.

Dieser blickte auf. "Ich denke nach. Solltest du nach einem Ergebnis fragen, ich habe keines."

"Man muss ja nicht immer ein Ergebnis haben. Aber verrätst du mir, worüber du grübelst?"

A´kebur lehnte sich zurück und schob sein Glas vor. "Weiß ich nicht. Es sind zu viele Themen."

Tiaren schmunzelte. "Nun lass dir nicht jeden Gaghwurm einzeln entlocken. Fang irgendwo an."

"Warum sollte ich ausgerechnet dir alles erzählen?", fragte A´kebur. "Du denkst, dass ich dir gehöre. Ich sehe das anders. Deshalb werde ich dir keinen Grund geben, dich zu bestätigen."

"Was ich denke, ist im Augenblick nicht so wichtig. und du scheinst ja sonst mit niemandem reden zu können. Ich höre zu."

A´keburs Blick auf ihn war beunruhigend. Aber Tiaren hielt ihm stand. Er musste, sonst verlor er jedes Vertrauen, das er je gehabt hatte. "Du weißt, dass er Cindy damals entführt hat? Etienne war außer sich. Du sagst, dass du deinen Vater hasst. Du willst ihn mit mir stellen. Ich dachte, ich nehme Koljar als Unterpfand. Aber vielleicht sollte ich wirklich beide Söhne nehmen."

"Ich habe vorhin mit Koljar gesprochen. Ich denke, er wird dir helfen. Er ist ziemlich stur und ehrenhaft. Ein Vulkanier und Starfleetoffizier bis zum Schluss. Aber wenn du uns beide unter Torans Nase hältst, wird er sicher herauskommen", meinte Tiaren.

"Die Frage ist, warum sollte er das tun?"

"Weil er eingebildet und wahnsinnig ist. Der Gedanke, dass seine beiden Söhne ein Fehlschlag sind, mehr noch, mit seinem Feind zusammenarbeiten, er wird das nicht auf sich sitzen lassen wollen."

"Das denke ich auch. Doch ich bin noch nicht vollständig überzeugt, ob es ihn aus seinem Versteck lockt. Bisher hatte er immer seine Lakaien geschickt. Ich kann nur vermuten, dass er mittlerweile allein dasteht. "

"Was wir in letzter Zeit getan haben, entsprach Toran auch nicht, im Gegenteil. Wir sind selbstständig denkende Wesen, Captain, nicht Torans Marionetten. Nicht mehr."

A´kebur lachte kurz. "Das "Nicht mehr" ist die richtige Einschränkung. Toran schien es auf Puppen abgesehen zu haben. Kleine Kinder, die er formen konnte, wie er wollte. Ein armseliger Schwächling und ein Irrer."

"Deswegen wird es Zeit, dass seinem Treiben ein Ende gesetzt wird. Denn er wird nicht aufhören zu versuchen, dich zu töten. Und er wird dort sicher nicht Halt machen. Cindy, ihre Kinder, die ganze Duval-Familie." Tiaren schüttelte leicht den Kopf. "Ich werde dabei sicher nicht zusehen. Es ist meine Verantwortung."

A´kebur erhob sich. "Und meine. Das hier ist meine Familie. Und der Zweig der Familie, der sich am wenigsten selbst schützen kann. Ich werde sie bis aufs Blut beschützen."

"Eben. Und ich auch. Davon abgesehen wirst du mich brauchen. Mich und Koljar. Und mich würde es nicht sehr wundern, wenn dir das Imperium am Ende noch dafür dankbar ist", gab Tiaren zurück.

A´kebur kam ein absurder Gedanke. "Dann fehlt nur noch, dass sie mich auszeichnen. Das wäre wirklich die Krönung."

"Wie gesagt, Toran ist schon lange ein Problem bei uns, aber niemand greift ihn direkt an. Sein Ruf umgibt ihn wie ein Energieschild. Aber er ist auch nur ein Mann." Tiaren trank sein Glas leer und erhob sich ebenfalls. "Ich werde morgen nach Vulkan zurückfliegen und warte da auf Nachricht. Ich weiß, es ist weder deine noch Cindys endgültige Entscheidung, aber euer Wort ist nicht unerheblich", fügte er hinzu.

"Ich denke darüber nach", versprach A´kebur ihm. "Danke für die offenen Worte. Ich werde noch mit deinem Bruder sprechen. Ich will ihn ohne diesen irren Blick, der mir tausend Tode verspricht, sehen. Ich denke, dass ist legitim."

"Du wirst den Blick nicht mehr sehen, glaube mir. Er ist wieder Vulkanier", meinte Tiaren schmunzelnd. "Und wie sagen die Menschen? Ich warte auf deinen Anruf!"

A´kebur ließ die Schultern sinken. "Verschwinde!", knurrte er irgendwo zwischen Belustigung und Verärgerung.

Tiaren lachte. "Schon weg, Captain." Mit einem geradezu unverschämten Grinsen verließ er die Küche.

 

Cindy ordnete ihre Uniform und sah zu ihrem Vater, der vor ihrem Schreibtisch stand. Er war genauso in seiner Paradeuniform und mehrere Abzeichen ruhten auf seiner Brust. Ihr Vater hatte Haltung angenommen und das hatte seinen Grund. Sie waren in diesem Moment nicht Vater und Tochter.

Im nächsten Augenblick ging die Tür auf und Admiral Dimitrii Sevarin trat ein. Er hatte ein breites Lächeln auf den Lippen. "Admiral Duval, Captian A´kebur!", grüßte er aufgeräumt.

"Dimitrii, da sind Sie ja!" Cindy erwiderte das Lächeln. "Captain A´kebur, Sie kennen den Admiral?" Admiral Sevarin reichte A´kebur die Hand; er war ein umgänglicher, ja charmanter Mann, dessen lockere Art über seine stahlharten Nerven und seinen kühlen Kopf hinwegtäuschten. Fast zehn Jahre lang hatte er sich geweigert, zum Admiral befördert zu werden, um weiterhin seinen Dienst auf einem eigenen Schiff tun zu können, und erst jüngst die Beförderung angenommen. Cindy wusste zwar, dass sie zu alt für solche Gedanken war, aber jemanden wie ihn hätte sie vor dreißig Jahren treffen müssen.

Vielleicht wäre es auf Dauer nicht gut gegangen, aber die Jahre, und Jahre wären es sicher geworden, wären unaussprechlich gut gewesen. Dessen war sie sich sicher.

"Admiral Sevarin", grüßte A´kebur, ohne seine Haltung aufzugeben. Er hatte nicht vor, sich eine Blöße zu geben. Außerdem wusste er bis heute nicht, ob er Captain Sevarin und jetzt Admiral Severin wirklich mochte. Aber er fand ihn ehrenhaft, während ihn der Spanier eher an einen dieser kleinen Hunde erinnerte, die er bei manchen Menschen auf dem Arm sah und die viele und laute Laute von sich gaben.

Aber Sevarin ließ sich nicht durch die Zurückhaltung stören und so bekam A´kebur einen Klopfer auf die Schulter, was weitaus würdeloser war, als ihm die Hand zu geben. "Captain, es ist mir eine Ehre. Darf ich Ihnen zum Erfolg bei den Ka'ossianern gratulieren? Nein, sicher haben Sie davon schon genug gehört. Wir sind auch heute wegen etwas anderem hier." Er reichte Cindy ein Datenpad. "Diese Befehle kamen heute herein, unterzeichnet von der Präsidentin persönlich und in Abstimmung mit Starfleet Command. Castellano hat herrlich geflucht."

Cindy las und hob eine Augenbraue. "Das verstehe ich", sagte sie und ein süffisantes Lächeln lag auf ihren Lippen. "Rühren, Captain A´kebur", gab sie einen Befehl und reichte an A´kebur das Datenpad weiter. Dieser unterdrückte einen knappen Fluch. Das war eindeutig ein verrücktes Kommando. Wenn Starfleet Freude daran hatte, jedesmal Crew und Schiff zu verarzten, würde er sehen, was er tun konnte.

"Zeitpunkt?", fragte er ohne erkennbare Emotionen.

"Sobald die Enterprise überholt und die Crew wieder einsatzfähig ist", erklärte Sevarin, "zudem werden Sie neue Wissenschaftler an Bord nehmen, die mit romulanischer Kultur vertraut sind. Dies ist primär eine Friedensmission. Was die beiden Romulaner betrifft, die wir im Augenblick, nun, beherbergen, liegt es im Ermessen des Captains, ob er das Risiko für vertretbar hält. Sie übernehmen natürlich die volle Verantwortung, Captain A´kebur."

"Selbstverständlich, Sir!", brummte A´kebur mit soviel Zurückhaltung, wie er aufbringen konnte. "Ich werde alles veranlassen."

"Sehr gut! Ich bin sicher, Sie werden das Beste daraus machen, Captain. Und versuchen Sie, mich nicht allzu sehr zu verfluchen; ich bin hier nur der Überbringer." Dimitrii Sevarin zwinkerte Cindy kurz zu. "Haben Sie noch Fragen, Captain A´kebur?"

"Sir? Ich wüsste nicht. Wenn alles gesagt ist, gratuliere ich Ihnen noch zu Ihrer Beförderung", verteilte A´kebur kurz einen Seitenhieb. "Ich werde mich dann zur Enterprise beamen lassen."

"Viel Glück!" Dimitrii schnappte sich A´keburs Hand dieses Mal und drückte sie. "Cindy, ich sehe Sie später bei der Besprechung."

Mit einem letzten Lächeln verließ er das Büro.

Cindy verkniff sich ihr Grinsen nur mühsam. "Tut mir leid, A´kebur, er ist ziemlich … unik. Hast Du wirklich keine Fragen mehr?"

"Was bekomme ich zum Geburtstag?", fragte ihr Vater sie nur kläglich.

"Alles, was du willst, wenn du das hier nur nicht versaust, Daddy", Cindys Grinsen wurde schiefer, "denn dann werden Dmitrii und ich zum Frühstück gefressen. Schlimmer noch, hinausgeworfen."

"Und, ich dachte, du würdest in Pension gehen." A´kebur gab ihr einen ganz und gar unmilitärischen Kuss auf die Stirn. "Ich bin auf der Enterprise, wenn du mich suchst. Wir werden in 1 Punkt 3 Tagen startbereit sein. Wir fliegen zum Vulkan und dann ins romulanische Reich."

"Ich wünsche dir auch viel Glück, A´kebur. Du hast bisher alles geschafft, dies wirst du auch hinbekommen. Immerhin hast du die Enterprise." Cindy lächelte ihn an, dann stand sie auf und umarmte ihn. "Pass auf dich auf. Und auch auf Tiaren."

"Dann besuch du bitte T'Mara!", bat A´kebur im Gegenzug. "Sie wird auf Vulkan bleiben. Es ist sicherer."

"Werde ich. Bleibt sie bei deiner Familie dort oder bei ihrer eigenen?"

"Nein, sie geht zu ihrer. Wir sind nicht richtig gebunden. Es ist eine Art Ehe auf Zeit. Ein wenig anders schon. Aber sie ist eher damit in ihrer Familie eingebunden als in meiner. Da ich den höheren gesellschaftlichen Stand habe, wäre sie sonst in mein Haus gezogen. Möglicherweise auch anders. Irgendwie habe ich diesen Teil der vulkanischen Tradition noch nicht ganz verstanden. Aber aufgrund der Art der Verbindung zwischen uns beiden, bleibt sie bei ihrer Familie, da ich keinen weiteren Anspruch auf sie erheben kann. Doch sie entscheidet selbst, so hoffe ich, unabhängig von Tradition."

"Gut. Ich werde mich kümmern, versprochen. So wie es aussieht, habe ich ja jetzt etwas mehr Zeit und kann die Arbeit guten Gewissens an Admiral Sevarin weitergeben. Komm du vor allem in einem Stück zurück."

A´kebur verneigte sich spielerisch. "Das werde ich. Das wird ein Spaziergang, nicht wahr, Cindy-cha?" Er umarmte sie kurz und fest und trat einen Schritt zurück. "Auf Wiedersehen!", verabschiedete er sich.

"Möge Ehre und Mut deine Begleiter sein", erklärte sie auf Klingonisch. "Toran soll sich warm anziehen."

A´kebur sah sie verwundert an. "Meinst du, dass er warme Kleidung braucht?", fragte er. Seine Tochter lachte. "Das ist eine Redensart! Hat Daddy die nie benutzt? Ich meine, dass er sich in Acht nehmen soll."

"Ein sehr schlechter Segenswunsch. Schließlich will ich ihn fangen. Ist es nicht dein Wunsch?", fragte A´kebur verärgert.

Cindy seufzte. "Kehr nicht im falschen Moment den Vulkanier heraus! Ich will damit sagen, dass er keine Chance hat! Und jetzt an die Arbeit, Captain."

A´kebur senkte den Kopf. "Entschuldige, ich dachte, dass ist deine Art zu sagen, dass es dir leid tut, mich zu schicken. Ich werde wiederkommen." Er berührte seinen Kommunikator und sah wieder auf.

"Es tut mir nicht leid, A´kebur Lanar Re. Du bist der Beste für diese Aufgabe und du bist der Captain der Enterprise. Natürlich mache ich mir Sorgen um dich, aber das hat damit nichts zu tun", erwiderte Cindy fest.

A´kebur nickte. "Ich verstehe", murmelte er, "Behalte mich in Gedanken. Verabschieden werde ich mich nicht. Energie."

Cindy sah, wie sich ihr Vater im Energiestrahl auflöste. Sie vertraute ihm, dass er die Mission auch dieses Mal mit Bravour über die Bühne bringen würde. Frieden für das Imperium und die Föderation und das endgültige Ende für Toran.

"Willkommen an Bord, Captain", wurde A´kebur vom Transporteroffizier begrüßt.

"Danke, weitermachen", befahl er und nahm sofort den Weg zur Brücke. Das Schiff war in einem hervorragenden Zustand und A´kebur hatte nicht das geringste Verständnis dafür, es schon wieder kaputt machen zu lassen, wenn es nur um die Romulaner ging. Bei Toran war das etwas anderes. Diesen würde er auf der letzten Sardinenbüchse im Universum jagen, wenn es sein musste.

Auf der Brücke wurde er schon erwartet und begrüßt.

Commander Aera, gelassen wie immer, stand stramm, und Counselor Troi lächelte ihm zu. "Willkommen zurück, Sir. Die Crew ist froh, einen neuen Auftrag zu haben, auch wenn er vielleicht noch kritischer ist als der letzte.

A´kebur konnte eines ganz bestimmt sagen: Sein Counselor war wie immer vorlaut, zu detailreich, verlor zu viele und überflüssige Worte, deren Aussprache der Sache abträglich waren. Und eines schaffte er damit immer wieder: A´kebur presste die Zähne aufeinander und verbat es sich, ihn zurechtzuweisen. "Haben Sie ein Problem damit?", fragte er ihn, ohne ihn anzublicken. Ein Bericht band nur scheinbar seine Aufmerksamkeit.

"Nein, Sir." Troi war schon still; der Captain hatte keine gute Laune, soviel war klar. "Captain, alle Stationen melden volle Einsatzbereitschaft. Möchten Sie den Befehl zum Auslaufen geben?", kam seine Erste Offizierin wie immer zum Punkt.

A´kebur sah vom Bericht auf. "Mir wurde gesagt, dass das Schiff erst in einem Tag bereit ist. Was ist passiert, dass sich dieser Zeitrahmen geändert hat und warum weiß ich das nicht?"

"Die Maschinencrew hat das Probleme der Rückstände des Nebels schneller behoben als vermutet", erklärte Aera, "Admiral Sevarin sprach die dringende Empfehlung aus, so schnell wie möglich loszufliegen, da wir den Umweg über Vulkan machen."

"Danke, eine Verbindung zum Flottenkommando öffnen", bat A´kebur. Keine Sekunde später war Admiral Sevarin auf dem Bildschirm "Hier Enterprise: Wir sind fertig zum Auslaufen. Die letzten Crewmitglieder werden zurückgerufen. In einer Stunde fliegen wir nach Vulkan."

"Ausgezeichnet, Captain. Der Zeitplan wird so vorverlegt, aber das kann allen Beteiligten nur recht sein. Ich schicke Ihnen außerdem Lieutenant Koljar hoch; wir haben ihn mit einem Sender versehen, sodass Sie seine Aktivitäten überwachen können. Ich denke jedoch, dass er kooperativ sein wird. Viel Glück Ihnen und Ihrer Crew. Sie werden in Sektor Beta 54 Punkt 2, am Rand der Neutralen Zone, auf die U.S.S. Titan treffen; sie ist bisher das einzige Schiff gewesen, das romulanischen Luftraum passieren durfte, um Botschafter Chioma nach Romulus zu bringen. Sie fliegen zusammen weiter bis dorthin."

"Verstanden, Sir." A´kebur bekam ein Zeichen seinem Commander, dass Mr. Koljar an Bord war. "Wir haben Lieutenant Koljar übernommen", bestätigte er gegenüber dem Admiral, "Enterprise, Ende!"

Er sah sich auf der Brücke um und blickte in erwartungsvolle Gesichter. "Wie Mr. Troi schon sagte, diese Mission entbehrt nicht einer gewissen Erschwernis, aber wir befinden uns in der Tradition der Enterprise. Wir entdecken unbekanntes Land und knüpfen Beziehungen zu fremden Völkern. Mitunter ist der Nachbar dabei fremder als jedes unbekannte Volk, welches wir auf unseren Reisen kennenlernen. Ich erwarte, dass die Crew sich angemessen benimmt. Mr. Koljar steht unter Arrest. Mr. Tiaren hat beschränkten Zugang im Schiff. Wir müssen erhöhte Aufmerksamkeit walten lassen. Einen Alarm werde ich jedoch nicht ausgeben lassen."

"Aye Sir", kam von allen Seiten die Bestätigung. A´kebur gab eine Stunde später den Befehl zum Auslaufen und die Enterprise glitt aus dem Dock. Bis Vulkan waren es nur wenige Stunden Flug, die für weitere Checks und Tests verwendet wurden. Das Schiff funktionierte jedoch einwandtfrei.

Tiaren wurde direkt aus seinem winzigen Appartement der Schule gebeamt. Er unterdrückte ein triumphierendes Lächeln, als ihn A´kebur sogar persönlich im Transporterraum empfing. Doch das Lächeln ließ sich leicht unterdrücken, als der Captain die Bedingungen mit stoischer Miene diktierte. "Sie sind Gast auf der Enterprise und haben nur zu den offiziellen Bereichen Zugang. Bitte stehen Sie der Crew nicht im Wege und halten Sie sich auch sonst zurück", sagte er und war damit eindeutig unhöflich. Aber A´kebur sah keinen Grund, sich in irgendeinerweise zurückzuhalten.

"Zu Befehl, Captain. Ist mein Quartier im Arrestbereich oder gab es noch eine freie Besenkammer?", gab er mit ironisch hochgezogenen Augenbraue zurück.

A´kebur sah ihn nur kurz an, dann wandte er sich direkt an den Yeoman, der ihn begleitet hatte. "Bitte zeigen Sie Mr. Tiaren sein Quartier und erzählen Sie ihm, dass er mit dem Kommunikator automatisch zu all den Bereichen Zugang erhält, die seiner Sicherheitsstufe entsprechen." Er sah wieder Tiaren an. "Willkommen an Bord, ich wünsche einen angenehmen Aufenthalt."

Falls sich der Transporterchief und der Yeoman darüber wunderten, so ließen sie es sich nicht anmerken. Tiaren gab A´kebur ein fast spöttisches Lächeln, dann folgte er brav dem Unteroffizier.

Diesem schien es unangenehm, aber er zeigte weitestgehend keine Regungen. Er führte Tiaren in den Bereich, der für hohe Gäste reserviert war. Tiaren wunderte sich nicht wirklich. Es war ein schönes Quartier und wohl für Botschafter oder hohe Diplomaten gedacht. Die Besenkammer war es ganz nicht. "Wenn Sie Fragen haben, können Sie sich an mich wenden. Ich heiße McDonald. Der Captain hat mich für Sie bestellt."

"Danke, Mr. McDonald. Der Captain sprach von einem Kommunikator, aber ich habe nur ein Modell für private Zwecke. Oder reicht es, wenn ich den Computer nach Zugang frage?"

McDonald wirkte einen Moment betreten, dann schob er sich halb an Tiaren vorbei und ging zu dessen Schreibtisch. Auf diesem lag der Kommunikator, den er Tiaren reichte. "Das ist er. Sie haben Zugang zur Bibliothek der Enterprise. Der Zugang ist freigeschaltet. Sie können hier in Ihrem Quartier speisen oder im Freizeitbereich. Sie wissen sicher, dass es auch eine Bar hier gibt und der Barkeeper macht ausgezeichnete Getränke."

"Ja, ich weiß. Ich war schon an Bord. Ich werde zurechtkommen." Tiaren steckte sich den Kommunikator an. "Ich nehme an, dass der Sender hier drin permanent eingeschaltet ist, damit die Sicherheit mich auf dem Bildschirm hat? Nein, Sie brauchen nicht zu antworten, es wird schon so sein."

"Sir, jeder ist davon erfasst", versicherte McDonald.

"Ich weiß. Und es ist vernünftig so. Danke für Ihre Mühe, Mr. McDonald. Muss ich sonst noch etwas wissen?"

Der Yeoman schüttelte leicht den Kopf. "Nein, Sir. Sie waren ja schon einmal auf dem Schiff. Benötigen Sie noch bei etwas Hilfe?"

"Ich denke nicht; ansonsten werde ich fragen." Tiaren lächelte. "Sie können beruhigt zu Ihren Pflichten zurückkehren."

Der junge Mann nickte knapp und seine schmalen Lippen verrieten ein wenig Nervosität. "Sir!", verabschiedete er sich jedoch und ließ Tiaren allein.

Dieser erkundete sein neues Quartier in Ruhe und packte dann sein weniges Gepäck aus. Er hatte wirklich damit gerechnet, in irgendeiner Ecke untergebracht worden zu sein; Koljar war schließlich auch unter schärferer Aufsicht. Es schien nicht ganz einleuchtend, aber Tiaren beklagte sich sicher nicht. Auch die Idee mit dem Aufenthaltsraum sagte ihm zu. Er wollte gern ein wenig die Crew beobachten.

Als er zur Tür ging, rechnete er damit, dass Wachen davor stehen würden. Aber das war nicht der Fall. Ohne Behinderung oder merkwürdige Blicke konnte er in den sogenannten Freizeitbereich. Die Bar, Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens auf dem Schiff, war jedoch um diese Zeit nur wenig bevölkert. Wie er erfuhr, war gerade die Hauptschicht. Das hieß, die meisten schliefen oder hatten gerade Dienst.

Es war aber für den ersten Eindruck nicht schlecht. Mitten in Trubel geraten und sich anstarren lassen wollte er nicht; auf so einem Schiff sprach sich meist sofort herum, wer alles neu an Bord gekommen war.

Der riesige Panoramablick in die Sterne war dafür atemberaubend und ließ einen fast vergessen, dass man von vielen Schichten Metall und Energiefeldern umgegeben war und nicht einfach frei durch dem Raum flog.

Tiaren setzte sich an die Bar. "Ist es gegen die Vorschriften, wenn ich nach romulanischem Ale frage?", sprach er den Barkeeper an, einen großen, dunkelhäutigen Mann in bunten Gewändern.

"Es ist nicht verboten, danach zu fragen. Es ist nur verboten, es auszuschenken. Aber ich schätze, ein Romulaner braucht ein romulanisches Ale. Und ein geschätzter Freund braucht ganz sicher ein Ale", meinte dieser. Ehe Tiaren fragen konnte, wie der das alles gemeint hatte, zauberte der Mann ein Glas mit Ale hervor, welches das angenehmste Aroma verströmte, was Tiaren je gerochen hatte. Es war eindeutig ein klein wenig zu lange her, dass er frisches Ale bester Ware verkostet hatte.

Er nahm einen Schluck und schloss genießend die Augen. Das war in der Tat bestes Bräu frisch vom Imperium, kein Replikatorsaft. "Danke. Und offenbar haben sich die Neuigkeiten schnell herumgesprochen." Tiaren musterte den Barkeeper genauer. Er kam ihm bekannt vor, auch wenn er ihn nicht recht zuordnen konnte. Dabei hatte Tiaren ein extrem gutes Personengedächtnis.

"Nein, nicht wirklich. Aber ich erkenne einen Vulkanier, wenn ich ihn sehe. Und Sie sind keiner. Außerdem kennen wir uns, mein Freund. Genieß dein Ale, bevor unser gemeinsamer Freund spitz kriegt, dass ich Ale geladen habe."

Tiaren nahm noch einen Schluck. "Woher kennen wir uns?", wollte er wissen, dann fiel ihm die einzige Möglichkeit ein. "Etienne?"

"Etienne", bestätigte Suahi und lächelte strahlend. "Ich erkenne immer einen Freund, auch wenn er in einem Körper steckte, der auf einmal spitze Ohren aufweist."

Tiaren lachte leise. "Seien Sie nicht vorschnell. Ich habe ein Stück von Etiennes in mir, das ist richtig, aber ich bin nicht er. Trotzdem oder gerade deswegen will mir der Captain kaum in die Augen sehen."

Suahi schien mit der Schulter zu zucken, aber das konnte auch täuschen. "Ich sagte nicht, dass Sie es sind. Ich sagte, dass Sie ein Freund sind und wenn Sie ein wenig von Etienne kennen, wissen Sie, dass dieser nicht das trug, was die Menschen eine weiße Weste nennen. Aber er hatte das Herz auf dem rechten Fleck."

"Ja, ich weiß. Ich habe auch nur Gutes von ihm gehört, aber nicht zuviel, als dass einem schlecht werden könnte vor lauter Heiligenverehrung." Tiarens Lächeln wurde schiefer. "Sie waren also ein guter Freund von ihm?"

"Wir trafen uns immer wieder einmal. In meiner Bar auf einer Sternenstation irgendwo am Rande des Nirgendwo trafen Etienne und A´kebur damals aufeinander. Und ich meine das so, wie ich es sage. Jetzt ist er als Captain sehr viel ruhiger. Von daher, ich wundere mich nicht, dass Sie hier sind und er auf der Brücke. Und bevor Sie sich wiederholen: Ja, Sie sind nicht Etienne."

"Nein, dann säße ich jetzt nicht hier, während der Captain auf der Brücke ist." Tiaren trank sein Glas leer und schob es Suahi hin. "Aber ich wäre dankbar für jeden Rat."

Suahi goss ihm nach und überlegte. "Ich würde Ihnen vieles raten. Aber letztlich wird es sehr ungemütlich auf dem Schiff werden, wenn bestimmte Dinge nicht geklärt werden. Sie waren im Innersten von allem, was Sie sich wünschen. Aber Sie haben nichts verstanden. Und Sie haben sich nicht entschuldigt. Nicht wirklich", meinte er rätselhaft.

Doch Tiaren hatte eine vage Ahnung davon, was er meinen könnte. "Denken Sie wirklich, das würde helfen? Ich weiß nicht recht. Ich glaube kaum, dass er zuhören würde."

Suahi lachte. "Als ob das je eine der größten Talente meiner Freunde gewesen wäre", meinte er. Er mixte etwas und schob es Tiaren zu. "Die Dinge sind komplizert, aber lösbar."

"So?" Tiaren nahm den Drink und roch daran; es war ein bittersüßes Aroma, nicht unangenehm. "Nun, vielleicht sollte ich es wirklich versuchen. Wenn ein hinterhältiger Angriff nicht hilft, hilft manchmal ein frontaler."

"Nun, ich habe mir sagen lassen, dass das hier das stabilste und stärkste Schiff der Föderation ist, das je gebaut wurde", meinte Suahi lapidar.

"Alles hat seine schwache Stelle, oder nicht?"

"Na, ich hoffe es doch nicht. Sonst brauchen wir ganz schnell ein Abdichtmittel, nicht wahr?"

Tiaren schmunzelte. "Dann muss man eben eingeladen werden, oder? Auch wenn das noch schwerer ist."

Suahis Lächeln war fein und kaum wahrnehmbar. Aber es brauchte auch nicht mehr und es brauchte auch keine weiteren Worte mehr. Das Gebräu schmeckte Tiaren ausgezeichnet und danach fühlte er sich wieder zu frischen Taten aufgelegt. Er bedankte sich bei Suahi mit dem Versprechen, wiederzukommen. Wenigstens einer auf diesem Schiff, der ihm zuhörte.

Der Computer gab Tiaren auch bereitwillig Auskunft, wann der Captain Dienstschluss hatte. Eine halbe Stunde danach stand er vor dessen Quartier und bat um Einlass.

Wenn A´kebur erstaunt war, so zeigte er das nicht. Er trat ein Stück zurück, damit er eintreten konnte. "Du hast nicht lange gebraucht", meinte er. Ohne ihn anzublicken, ging er zum Replikator und bestellte sich heißen Tee. Ein wenig angewidert blickte er ihn an, trank ihn dann jedoch mit Todesverachtung.

"Vielleicht solltest du lieber bei Suahi ordern", schlug Tiaren vor, ich habe vorhin seien Bekanntschaft gemacht. Er schenkt gutes Ale aus." Unaufgefordert setzt er sich. "Da sind ein paar Dinge, die mir nicht ganz klar sind, Captain."

"Ale?" A´kebur sah interessiert aus. "Ich hatte es ihm verboten. Wenn die Sicherheit das herausfindet, dann gibt es Ärger."

Tiaren lehnte sich zurück. "Dann sag es lieber nicht weiter. Aber verrate mir doch, warum ich wie ein Botschafter logieren darf, während es Koljar in die Besenkammer verschlagen hat?"

A´kebur verzog das Gesicht. "Wir haben keine Besenkammer auf dem Schiff. Zumindest nicht ein vergleichbares Äquivalent. Lieutenant Koljar befindet sich unter Arrest in seinem Quartier. Wenn ich eine Besenkammer finde, kann ich ihn ja hineinstecken."

"Du traust ihm also weniger als mir, ja?", bohrte Tiaren weiter.

A´kebur lachte. "Nein, aber du hast einen anderen Status. Nimm dich nicht so wichtig."

"Ich weiß ja nicht einmal, in welcher Funktion ich eigentlich an Bord bin, Captain. Aber jemand hält mich wohl für wichtig."

Mit eindeutiger Wut im Bauch feuerte A´kebur seine Tasse in die Ecke und funkelte Tiaren an. "Ach wirklich? Ich hätte das jetzt nicht gedacht. Den einen muss ich mit allen Ehren auf mein Schiff lassen, der es auch schon einmal sabotiert hat. Der andere beruft sich darauf, dass er es zwar sabotiert hat, aber er sagt nicht, dass er ein Agent war. Den muss ich nach den Gesetzen einsperren. Macht das Sinn? Nein, es macht keinen Sinn. Es macht auch keinen Sinn, dass ich meine Sicherheitsleute auf beide aufteilen muss. Aber, warum nicht? Bei 3.000 Grewmitgliedern und deren Familie sollten welche da sein, die das machen können, oder?"

Tiaren sah ihn nur ruhig an. "Dabei hast du von keinem von uns etwas zu befürchten. Warum auch, uns würde es nichts bringen, gegen dich zu arbeiten. Und du solltest inzwischen wissen, wo ich stehe. Deine Leute müssen also nicht die ganze Zeit bei uns Händchen halten, und aus dem Fenster springen werden wir auch nicht."

"Ja, ich weiß es. Ich weiß es wirklich. Ich habe den Geist deines Bruders berührt. Ein Geist voller Erhabenheit und Logik, der dazu fähig ist, völlig unlogisch zu handeln, um der Logik zu genügen. Aber es spielt keine Rolle. Die Enterprise zieht in den Krieg gegen euren Vater mitten ins Romulanischen Reich. Wie viele Söhne hat dieser Mann noch, der meine Familie und mich bedroht?" A´kebur knurrte dunkel, dann lief er einfach auf und ab, um seine Gefühle nicht weiter zum Ausbruch kommen zu lassen.

"Es spielt keine Rolle, denn wir werden ihn erwischen. Und es ist auch egal, ob wir seine Söhne sind oder nicht. Die paar genetischen Stränge sind nicht sonderlich wichtig. Koljar ist durch und durch Vulkanier, und ich … was auch immer Toran mit mir gemacht hat, es hat nicht viel von seinem Erbe zurückgelassen. Er bedroht auch meine Familie, A´kebur, vergiss das nicht."

A´kebur blieb stehen und musterte ihn. "Trotzdem kann ich Lieutenant Koljar nicht herumlaufen lassen. Es widerspricht schon den Vorschriften, dass er nicht in der Zelle sitzt. Betrachte es als mein Entgegenkommen. Dein Status ist offizieller Beobachter, wenn ich den Admiral richtig verstanden habe. Irgendetwas zwischen Botschafter und Tourist."

Tiaren musste lachen. "Ich fühle mich richtiggehend geschmeichelt. Ich hoffe, ich kann dir auf dieser Mission von Nutzen sein und nicht nur dabei, Toran einzukassieren. Ob mein Volk mit mir reden wird, weiß ich nicht, aber ich werde es versuchen. Botschafterin Sokala, meine Mutter, hat sich vielleicht inzwischen abgekühlt."

Das Schnauben A´keburs sagte Tiaren, dass dieser genauso wenig daran glaubte. Er hielt nur wohlweißlich den Mund. "Nun denn, wir werden sehen müssen. Ich hoffe, du fühlst dich sonst hier wohl. Heimlichkeiten sind nicht notwendig. Und ich schätze keine Manipulationen an der Enterprise."

"Hatte ich auch nicht vor. Aber ich wollte dich fragen, ob ich dich zu einer Runde Schach bewegen kann", gab Tiaren zurück. Er beobachtete A´kebur genau. Dieser mied es, zu zeigen, was er fühlte, aber er nickte. "Ja, lass uns Schach spielen." Es klang einsam und das war er auch. Die kurze Zeit, wo er mit T'Mara zusammengelebt hatte, hatte ihn daran erinnert, dass er sehr gern mit jemanden zusammenlebte, den er liebte. Es spielte dabei keine Rolle, dass sich diese Liebe anders anfühlte, als die, die er bei Etienne empfand. Er liebte und er liebte T'Mara aufrichtig. Die Mission zwang sie beide dazu, an ihre Sicherheit zu denken und trennte sie dadurch voneinander. So sehr diese Trennung auch logisch war, so sehr hatte er diesen Gedanken verdrängt. Doch das war nicht alles. T'Mara hatte etwas für ihn getan, dessen Wert er mit jedem Moment klarer erkannte, wo er wusste, dass sie das Schiff verlassen würde.

Tiaren sah die Einsamkeit mit einer Mischung aus Ironie und ein wenig Mitleid.

Tiaren rückte sich bequemer auf dem Sofa zurecht und schob das Schachspiel das auf dem Tisch stand, vor sich. "Du fängst an." A´kebur nahm die weißen Figuren und setzte forsch den Springer, um Tiaren sofort anzugreifen.

Dieser ging in die Verteidigung und wartete ab. "Haben dich die Ka'ossianer auch so nervös gemacht wie die Romulaner jetzt?"

A´kebur blinzelte und sah auf. "Was meinst du damit?", fragte er.

"Du wirkst angespannt. Oder ist das nur wegen der Rihannsu hier an Bord und nicht denen draußen?", fragte Tiaren.

"Du hast beunruhigende Eigenschaften, die ich nur von meinem Counselor kenne. Ich überlege übrigens, ob ich ihn auf dem nächsten Planeten absetze, damit er dort die Bevölkerung therapiert."

"So schlimm? Du solltest dich freuen, einen Counselor zu haben, der dich so gut kennt. Diese Position ist eine der Errungenschaften von Starfleet, die ich bewundere. Bei uns macht so etwas keinen Sinn. Wenn jemand die Absichten des anderen vollkommen durchschaut, wird es gefährlich." Unvermittelt ging Tiaren auf dem Schachfeld in Angriffsposition.

A´kebur konterte mit seinem Turm und blickte auf. "Ja, aber er soll sich nicht mit mir verbinden. Er soll nur meine Sphären berühren."

"Und davor hast du Angst?" Tiaren sah ihn an.

"Bitte, hör auf damit!", knurrte A´kebur ihn an. "Du weißt, dass ein Telepath es nicht ertragen kann, wenn ein anderer ihn berührt. Und wir leben nicht in einer Gesellschaft, wo jeder die Gedanken des anderen respektiert. Ich kann jeden ausschließen. Aber einen Empathen zu ertragen, der einen mit Gesten, Worten und Gefühlen belästigt, ist zuviel. Also hör auf, mir zu unterstellen, ich hätte Angst. Du mischst dich in Dinge ein, die dich nichts angehen. Am besten, du gehst jetzt! Wenn ich einen Psychiater brauche, dann gehe ich zu meinem Counselor und nicht zu dir!"

"Nein, das würdest du auch nicht. Und es ist normal, einander mit Gefühlen und Worten zu belästigen, zumindest unter Menschen. Vulkanische Distanz gib es hier nicht. Wenn du damit nicht klarkommst, bist du hier falsch. Einen Kommandooffizier kann man nicht immer mit Samthandschuhen anfassen. Mich kannst du aus deinem Quartier werfen, aber deine Crew nicht von diesem Schiff." Tiaren stand auf. "Aber ich glaube fast, du weißt gar nicht, was du willst, außer vielleicht ein paar Kinnhaken zum Klardenken."

A´kebur lehnte sich zurück. "Du hast nicht die geringste Ahnung und ich habe nicht vor, es dir zu erklären. Aber ich habe kein Interesse daran, ständig diese Blicke zu bekommen, ob ich verletzt bin oder ob es mir gut geht. Ich führe mein Kommando. Sollte ich dafür nicht geeignet sein, dann soll mich die Admiralität entlassen." Langsam erhob er sich. Für einen Moment senkte er seine Schilde. Tiaren wurde von etwas überflutet, was rot wie menschliches Blut war und so heiß, dass es ihn verbrannte und er nur noch keuchen konnte. "Ich will nicht berührt werden", flüsterte A´kebur, "Und frage am besten nie wieder oder sage mir, wie überlegen und frei du dich fühlst. Schließlich warst du auch ein guter Schüler!"

Tiaren atmete tief durch. Dieser kochende Schmerz, der sich still in A´kebur hineinfraß, glühte wie ein erhitzter Draht in seinem Gehirn. Es schien nicht einen einzigen Grund dafür zu geben, sondern ein Wirrwarr an Dingen, die ungelöst, unverarbeitet und schmerzhaft tief saßen wie Eiter. "Es tut mir leid", wisperte er. "Aber du kannst nicht deinen Schmerz und dein Selbstmitleid vor dir hertragen wie ein Schild und dich dann aufregen, wenn man darauf reagiert. So funktioniert es nicht."

"Wenn ich wieder meditieren kann, wird es vorbei sein." A´kebur ging unruhig zum Replikator, blieb jedoch unschlüssig stehen, bestellte sich dann aber dennoch einen Tee. Wieder schüttete er ihn heiß in sich, ohne die Hitze überhaupt zu spüren.

"Denkst du wirklich, die Dinge lösen sich einfach so? Ich schlage vor, du siehst einmal in den Spiegel und dir selbst in die Augen, Captain." Tiaren trat einen Schritt auf ihn zu, blieb jedoch auf Abstand - vorerst.

"Und, was soll ich da sehen? Dich vielleicht?"

"Dich selber. Aber das traust du dich im Augenblick nicht, oder?"

A´kebur stellte mit einem Ruck die Tasse ab und ging ins Bad. Dort stellte er sich vor den Spiegel und sah sich an. Was er sah, wusste er nicht genau. Aber der Mann war ihm fremd.

Tiaren folgte ihm und lehnte sich gegen die Tür. Wartete. "Was siehst du?"

"Den Captain der Enterprise", antwortete A´kebur und sah ihn an.

"So? Was noch?" Tiaren nickte Richtung Spiegel, aber A´kebur weigerte sich. "Niemanden", sagte er schlicht. "Und mehr muss da auch nicht sein."

"Kein Klingone, kein Vulkanier, kein Familienvater, kein Geliebter, kein Freund? Captain der Enterprise zu sein ist beinahe ein Abstraktum. Jeder von ihnen musste überlebensgroß sein, perfekt, ohne Fehler. Wie denkst du, sieht so jemand aus? Wie die Captains vor dir? Archer, Pike, Kirk, Spock, Garret, Harriman, Picard?" Tiaren musterte ihn ruhig, sah, wie er sich abstützte. "Ich- ich bin nur der Captain", antwortete er, "Ich werde für Cindy kämpfen. Und dann mein Kommando niederlegen."

"Niemand kann nur der Captain sein, A´kebur." Tiarens Stimme war leise, fast sanft, aber eindringlich. "Der Captain ist alles, und wenn er kein Beispiel gibt, wer dann? Deine Crew, vorwiegend Menschen, helfen einander, wenn sie etwas nicht alleine schaffen. Niemand muss eine Insel sein. Und der Captain der Enterprise darf keine sein. Er muss vertrauen können, sonst kann man ihm nicht vertrauen. Es kann keine halben Sachen geben."

"Ich weiß, und deshalb ist das hier meine letzte Mission", flüsterte A´kebur rau.

Tiaren trat direkt an ihn heran, ohne ihn jedoch zu berühren. "Und so leicht willst du aufgeben? Dich verkriechen wie ein verwundetes Tier, das auf den Tod wartet? Den Rest deiner Tage damit verbringen, über verpasste Chancen nachzudenken? Wo ist dein Kampfgeist, Klingone? Wo ist da die Logik, Vulkanier? Wo ist dein verdammter Mut, Captain der Enterprise?"

A´kebur gab darauf keine Antwort, die aus Worten bestand. Er schwieg und senkte den Kopf. Eine schlimmere Geste hätte er nicht wählen können und Tiaren wusste, wäre er noch ein Agent gewesen, dies wäre seine Chance gewesen. Aber jetzt schmeckte er eine Niederlage.

Dabei machte es Tiaren sicher keinen Spaß, was er hier sah, ganz im Gegenteil. Es schmerzte ihn zutiefst. Aber wenn diese Wunden endlich heilen sollten, dann mussten sie aufgeschnitten und ausgeblutet werden. Es ging nicht anders.

Langsam streckte Tiaren seine Hand aus und berührte A´kebur an der Schulter. "Nichts davon ist wirklich verloren gegangen. Du musst all das nur wiederfinden, Captain." Seine sonst halb spöttische, halb liebevolle Verwendung dieses Titels trug nun ihren vollen Ernst und ihre Würde. A´kebur richtete sich auf, ließ aber die Berührung zu.

"Ich habe nichts verloren", widersprach A´kebur leise. Es war keine direkte Lüge, eher so, dass er Moment Teile seiner selbst ausklammerte, weil er sonst das Gefühl hatte, wahnsinnig zu werden.

"Nenn es wie du willst. Aber lass mich dir helfen", bat Tiaren leise. "Ich weiß, ich bin mit schuld daran." Er zögerte, dann schickt er eine behutsame Frage entlang des im Augenblick schlafenden Fadens zwischen ihnen.

A´kebur zuckte kurz zusammen. "Ich, nein, jetzt nicht", murmelte er.

"Wann dann? Wir haben viel zu wenig Zeit."

"Warum? Ich dachte, es ging mir besser. Aber jetzt geht es mir immer schlechter", gestand A´kebur.

"Was hast du erwartet? Nicht alle Dinge verschwinden, wenn man sie ignoriert. Die meisten werden schlimmer." Tiaren ließ ihn los. "Und wir sind auf einer Mission."

"Nein, nein, nach der Bindungszeremonie auf Vulkan ist es immer besser geworden. Ich dachte, es geht alles wieder in Ordnung." A´kebur wich ein Stück zurück und ging dann an Tiaren vorbei. Er war wieder ruhiger geworden, aber er wusste, dass das nicht lange hielt. Er konnte nicht meditieren und in seinem Inneren tobte noch immer der Sturm.

Tiaren folgte ihm und meinte: "Ich habe inzwischen einiges darüber gelernt. Solche nachträglichen Zeremonien sind selten genug, aber sie reichen meist nicht. Sieh dir deine Mutter an. Über Jahrzehnte unter den Klingonen, und ein ganzes Leben in Meditation wird nicht reichen, es vollkommen zu verwinden. Aber du bist nicht nur Vulkanier, und es gelten für jeden andere Regeln."

A´keburs Muskeln verkrampften sich. "Meine Mutter ist nicht vergewaltigt worden", erwiderte er mühsam und er wusste, dass er log. Aber er wollte nicht hören, dass sein Vater sich an seiner Mutter vergangen hatte. Und er wollte nicht ihre Geschichte auf in seinem Leben wiederfinden und umgekehrt.

Aber auch Tiaren wusste um die Wahrheit und schob den Einwand beiseite. "Es geht darum, dass Wunden zurückbleiben, die sich nicht so einfach heilen lassen. Ich weiß noch genau, was meine Ausbilder sagten: Tötest du deinen Feind, dann ist es eine endgültig, gnädige Sache. Verletzt du ihn jedoch, dann wird er weiterleben und leiden. Ich hatte die Lektion zu gut gelernt."

A´kebur hörte ihn mit Widerwillen an und er begriff etwas Grundsätzliches: Er konnte so kämpfen, dass er alles um sich herum zerstörte. Er konnte töten. Er konnte auch strategisch vorgehen. Aber es widerte ihn an, einen Gegner auf der Ebene zu zerstören, auf der er gerade bekämpft wurde. Jeder seiner Feinde würde wissen, warum sie starben, verloren oder verletzt waren. Sie würden es am Leib sein, und dadurch auch am Geist. Aber die Seele … Darauf lief es hinaus. Es ging um die Seele. "Ich kann noch meine Ehre retten, in dem ich den klingonischen Ritus durchführe. Ich habe nicht daran gedacht, weil ich vulkanisch dachte."

A´kebur sagte zwar nicht, welchen Ritus er meinte, aber Tiaren war es auch so klar. "Tote Männer haben keine Ehre", knurrte er, "nur wer lebt, kann etwas bewirken. Warum muss ausgerechnet ich dir das sagen?" Er griff nach A´keburs Schultern und zog ihn zu sich herum. "Hier geht es auch um Verantwortung. Gib dir und auch mir die Chance, es wiedergutzumachen."

"Selbstmord ist unlogisch", brummte A´kebur. "Ich bin ein Vulkanier mit klingonischen Gefühlen. Was jedoch meinst du mit Chance? Du willst mein Gefährte werden?" Er schüttelte den Kopf. "Du bist mein Bindungspartner."

"Ich will zuerst einmal etwas ganz anderes werden, nämlich jemand, dem du vertrauen kannst", gab Tiaren zurück und sah ihn eindringlich an. "Ich will dir helfen. Auf vulkanischem Weg, soweit ich es kann."

A´kebur verstand sehr gut. Er musterte Tiaren. "Ich vertraue dir mehr, als ich dir vertraute, als du hierherkamst. Aber das liegt auch daran, dass ich gesehen habe, wer du bist. Du hast dich außerdem geändert. Aber trotzdem wird immer etwas zwischen uns bleiben und da kann auch Etienne nicht helfen. Außerdem erklärt das alles nicht, warum ich mich wieder fühle, als hätte man mich ausgeweidet."

Tiaren war es nicht recht, dass wieder Etienne ins Spiel kam. A´kebur würde ihn immer vergleichen, egal was er auch sagte; dabei war es sinnlos. "Dann ist etwas vorgefallen, das es wieder hervorgeholt hat", schlug Tiaren vor.

"Es ist nur eines vorgefallen: Ich habe keine Erinnerungen an die Zeit mit der Kaiserin bei den Kao'issianern. Ereignisse anderer Art sind danach nicht vorgekommen, in denen mein Geist manipuliert worden wäre. Ich denke es zumindest", meinte A´kebur.

"Wer weiß, was sie mit dir gemacht hat, woran du dich nicht mehr erinnerst? Und Manipulationen an der Erinnerung sind immer problematisch. Entweder sind die Dinge doch nicht vollständig gelöscht oder anderes, was man vergessen hat, kommt wieder." Tiaren zögerte. "Welche Sternzeit genau?"

Als A´kebur ihm darüber Auskunft gab, wurde Tiaren nachdenklich. Auch ihm schien es, als habe er etwas vergessen, was sehr wichtig war. "Ich stand zwischendurch mit dir in Kontakt und ich denke, irgendetwas hab auch ich mitbekommen."

A´kebur hob stumm eine Augenbraue.

Tiaren versuchte das wenige, was er glaubte zu wissen, zu erzählen. Aber es blieb vage und wie ein Traum, für den er seine Erinnerung bisher auch gehalten hatte. "Was vermutest du?", fragte A´kebur ihn.

"Ich weiß nicht genau, was es war, aber es schien etwas Wichtiges zu sein", murmelte Tiaren. "Und da der Kontakt immer nur aufflammte, wenn du gerade …" Er musste nicht weiterreden. Aber andererseits hatte ihn das nicht so sehr aufgeregt wie bei T'Mara. Oder er konnte sich schlicht auch nicht erinnern. Es entglitt ihm jedes Mal, wenn er danach greifen wollte.

"Dr. McCoy sagte, dass ich langen, erschöpfenden Sex hatte, während der Zeit, bei der ich bei der Kaiserin war. Das war sein Zitat und seine Diagnose für meinen Zustand", erklärte A´kebur ruhig. "Und ich wusste nicht, dass es für dich so durchdringend war. Ganz kann ich es nicht verhindern."

Tiaren nickte. "Offenbar hast du mehr Eindruck hinterlassen als geplant. Aber es war anders, als wenn ich etwas bei T'Mara und dir mitbekommen habe. Ich glaube fast, dass sie das Band erkannte und mich gleich mit beeinflusst hat."

"Die Kaiserin? Ich hatte gehofft, dass sie das nicht getan hat. Die Frage ist, warum hätte ich es tun sollen?" A´kebur schloss für einen Moment die Augen.

Tiaren brauchte einen Moment, bis er begriff, was er selbst gesagt hatte. "Das Nächstliegende ist: Sie wollte nicht, dass du dich erinnerst. Das heißt, es war wichtig. Wichtiger als ein Abenteuer mit einem Außenweltler. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Vielleicht ist es auch besser, nicht weiter zu graben. Tatsache ist, dass sie dich benutzt hat, ganz gleich, ob du zugestimmt hast oder nicht."

A´kebur nickte halbherzig. "Ich will es nicht wissen", murmelte er. "Das bringt nichts."

"Aber es hat gereicht, auch wenn du dich nicht erinnerst." Tiaren strich über A´keburs Arme bis hoch zu seinem Hals, verharrte aber dort. "Es tut mir leid." Die Entschuldigung schien alles zu umfassen, was geschehen war, aber Tiaren meinte vor allem das, was er A´kebur angetan hatte, als er nur eine willenlose Waffe Torans gewesen war. Und selbst das war eine Ausrede. Er hatte es genossen, den Feind zu demütigen. Der Gedanke schmeckte bitter.

Er fühlte, wie sich unter seinen Fingerkuppen A´keburs Muskeln verhärteten. "Ich denke, dass mit der Bindung alles in Ordnung ist", wehrte er ab. "Ich habe dich schließlich auch nicht gut behandelt", erinnerte er. "Ich bin ein Mann und ein Krieger."

Tiaren lächelte. "Und ich bin Soldat und Agent. Aber es geht nicht darum, dass du dich möglicherweise gerächt hast, was du nicht getan hast. Es geht darum, ob du mir irgendwann verzeihen kannst und wir es beide hinter uns lassen können."

A´kebur senkte den Kopf und wandte sich ab. "Darum geht es nicht. Ich habe dich gewählt und ich habe die Verbindung bestätigt. Ich kann dich nicht von mir weisen. Niemals."

"Du kannst. Ich sagte es dir schon einmal: Du musst mich nicht mögen. Du kannst mich hassen, soviel du willst. Vielleicht wäre es auch ganz gut, wenn du mir noch ein paar reinhaust. Tu all das, aber ignoriere mich nicht. Ignoriere mich und auch deinen Schmerz nicht. Wir sind beide ein Teil von dir. Du", und nun zuckten Tiarens Mundwinkel, "musst nur klarmachen, wer hier was kontrolliert."

"Im Moment …"A´kebur sprach nicht zu ende. "Ich werde darüber nachdenken", sagte er.

"Nicht zu lange. Wenn wir ankommen, musst du deinen Kopf beisammen haben." Tiaren wandte sich zum Gehen.

"Und was schlägst du vor?", fragte A´kebur und hielt ihn damit auf.

Tiaren sah ihn an. "Es wird Zeit brauchen; Zeit, die du nicht hast im Augenblick, Captain. Alles, was ich dir im Moment anbieten kann, ist eine Verschmelzung, um deine Barrieren zu stabilisieren und dich wieder ein wenig ins Gleichgewicht zu bringen. Und wahlweise jemand zum Zuhören oder Draufschlagen, wenn es denn hilft." Er lächelte etwas schief.

Tiaren sah, dass A´kebur sein Angebot erwog. Warum konnte er in der Miene des Captains nur so gut lesen? Und wieso hatte dieser sich damit einen Ruf erworben, der ihn als erfolgreichen Unterhändler auswies?

Aber vielleicht lag dessen Offenheit darin begründet, dass er in ihm lesen konnte und die restliche Welt ihn schlicht unterschätzte. "Eine Verschmelzung ohne einen Heiler. Es ist dennoch besser, als das Problem überhaupt nicht anzugehen."

Tiaren nickte. "Nicht alles lässt sich so einfach heilen, aber es ist ein Anfang. Eine Stütze für dich."

"Und du würdest das tun", stellte A´kebur fest. "Ich nehme deine Hilfe an!", fügte er hinzu. "Jetzt!"

Ohne weitere Bemerkungen ging Tiaren in den Wohnraum zurück, setzte sich, die Beine wie zur Meditation gekreuzt und wartete, dass A´kebur ihm folgte. Er hatte diese Prozedur noch nie in der Praxis vorgenommen, aber er wusste, mit einem bereits existierenden Band war es recht einfach. Er würde A´keburs zerfledderte geistige Struktur nicht nur zu kitten versuchen, sondern ihm auch einen Teil der im Augenblick so dringend erforderlichen Kraft da lassen.

Er sah zu ihm auf, als dieser sich vor ihn stellte. Langsam ließ sich A´kebur sinken. "Meine Kenntnisse bei einer Mentalverschmelzung stammen von meinen Lehrern. Seitdem hatte ich nur wenig Gelegenheiten. Aber ein Lieutenant sprach einmal, dass man nichts verlernen kann, weil es wie Fahrradfahren sei. Ich habe Fahrradfahren gesehen. Eine merkwürdige Art der Fortbewegung, aber sehr effizient."

Tiaren zog nur eine Augenbraue hoch; A´kebur klang fast nervös. "Atme einfach ruhig weiter", erklärte er und streckte die Hand aus, um A´keburs Schläfe zu berühren. Seine Finger fanden die Kontaktpunkte und er schloss die Augen.

En unglaublicher Wust an Gefühlen und Gedanken schlug Tiaren entgegen, überzogen von einem blutroten Schleier. Das Chaos in A´keburs Innerem war wirklich nicht mehr zu unterdrücken gewesen. Vorsichtig versuchte Tiaren sich hindurchzufinden, bis er die Ebene des bewussten Kontaktes gefunden hatte. Hier war es etwas ruhiger.

Aber das lag daran, dass A´kebur hier ganz bewusst einen Bereich erschaffen hatte. Wirklich Ruhe war auch hier auf Dauer nicht. A´kebur brauchte Hilfe. Tiaren nahm etwas wahr, was Schmerzen waren. Aber sein Bindungspartner schien sie gar nicht als so etwas zu spüren. Er wusste nur, dass nichts stimmte, ohne die Quelle zu sehen oder gar benennen zu können.

Eine unglaubliche Blindheit lag über der eigenen Wahrnehmung, dass Tiaren Mühe hatte, die Quelle tatsächlich ausfindig zu machen.

Zuerst war es nur der Gesamteindruck gewesen, doch dann fand er die Wunden. Die eine hatte er selbst gerissen und sie war nur oberflächlich verheilt. Die andere war kaum auszumachen, aber eiterte vor sich hin. Und dann war da eine weniger fassbare Pein, die so sehr mit A´keburs Geist verbunden war, dass sie sich kaum trennen ließ. Wenig Liebe zu sich selbst, Verlust, Einsamkeit, Sehnsucht. Tiaren wusste, das war nicht, was er würde ändern können. Damit musste A´kebur allein fertigwerden und dadurch stärker werden. "Ich brauche meinen Schmerz, um zu wissen, wer ich bin", hallte ein Gedankenfetzen wider, eine Erinnerung an Etiennes Worte, vor Ewigkeiten gesprochen und doch auch nur ein Zitat. Etwas, dass A´kebur wohl nie recht begriffen hatte.

Doch Tiaren schob all das beiseite und begann, sich um die greifbareren Dinge zu kümmern. Die blankliegenden, verletzten Gefühle, der in den Staub getretene Stolz, die Hilflosigkeit, das Gefühl, benutzt und dann weggeworfen worden zu sein, all das hämmerte auf Tiaren ein, doch er bohrte tief und ließ seine Kraft in A´kebur überfließen.

Dann fühlte er, wie ihn dieser aufhielt. "Nicht so", hörte er ihn sagen. "Es ist nicht richtig so." A´kebur berührte etwas in Tiaren und dieser erkannte, dass er mit ihm auch einen Blick auf sich selbst sah. Was auch immer er dachte, er hielt diese Gedanken zurück. Mit Hilfe von Tiaren berührte er die Wunden. "Das warst du und das war die Kaiserin. Ich bin mir sicher."

"Ich weiß. Also ist es nur fair." Mit mentalen Fingern strich Tiaren über die Verletzungen und riss die dünne Tünche von ihnen, um sie von innen heraus zu heilen. Der Schmerz war für beide für Momente fast unerträglich, dann ließ er wieder etwas nach.

A´kebur seufzte. "Du solltest bei McCoy anfangen", flüsterte er. "Der romulanische Geheimdienst bildet wohl auch die Starfleetärzte aus." Die Emotionen, die mit den Worten mitschwangen, waren amüsiert und nicht wirklich vorwurfsvoll. "Lass mich jetzt allein, ich möchte versuchen, zu meditieren. Vielleicht funktioniert es ja wieder."

Tiaren ließ ihn langsam los und zog sich zurück. "Sei froh über so viel Effizienz auf deinem Schiff", gab er trocken zurück. In seinem Inneren glühte der fremde und doch vertraute Schmerz A´keburs nach, aber damit konnte er leben. Er war dafür ausgebildet worden, seelische und körperliche Folter auszuhalten. "Unsere Verbindung ist für eine Weile noch recht stark", erinnerte er, "aber das sollte dich nicht stören." Im Gegenteil, setzt er stumm hinzu.

"Danke!", erwiderte A´kebur. "Die Last werde ich wieder allein tragen, sobald ich das andere endlich sortiert habe. Wenn die Verletzung heilt, dann sollte aber auch keine weitere Behandlung notwendig sein."

"Nein. Aber es ist nicht wie eine körperliche Verletzung, die nur Zeit und die richtige Behandlung braucht und die man danach vergisst", erinnerte Tiaren ihn. Er widerstand dem Drang sich über die Augen zu reiben; er fühlte sich erschöpft.

"Bleib hier!", sagte A´kebur plötzlich. "Du kannst im Schlafzimmer schlafen."

Es war klar, dass A´kebur es gemerkt hatte. "Danke", erwiderte Tiaren. Er konnte sich nicht erinnern, je so müde gewesen zu sein. Es kostete ihn sogar Mühe aufzustehen und er merkte, dass seine sonst so flüssigen Beweungen fast träge waren. Dankbar fiel er in A´keburs Bett und schloss die Augen. Alles andere konnte warten.

Der Schlaf währte nur kurz. Er wusste, dass es nur fünf Stunden gewesen waren. Im Quartier des Captains war es still. Mit steifen Gliedern erhob er sich und fand A´kebur in Meditation vor. Er spürte jedoch Tiaren und öffnete die Augen. "Ich habe dich zu sehr belastet", sagte er und erhob sich. "Deine Werte waren nicht gut, aber noch nicht bedenklich. Wie fühlst du dich?"

"Romulaner halten mehr aus als das", beruhigte Tiaren ihn. Noch immer fühlte er den Schmerz hinter seinen Schläfen pochen, aber er schob ihn beiseite, so gut er konnte. "Die Frage ist eher, wie es dir geht, Captain."

"Es ist ein Anfang. Ich konnte Meditieren und meine Barrieren wieder stärken. Es wird dauern, aber nicht lange. Und du brauchst diesen Teil nicht mehr tragen."

"Ich trage ihn solange wie nötig. Du hast einen Auftrag, Captain." Tiaren wischte sich ein paar Haare aus der Stirn. "Ich könnte jetzt ein Ale vertragen."

A´kebur hob eine Augenbraue. Er räusperte sich und deutete zum Schlafzimmer. "In der hintersten Ecke des Schrankes. Ein kleiner Vorrat."

Tiaren machte sich auf die Suche und wurde tatsächlich fündig; der "kleine" Vorrat bestand jedoch aus mehreren Kisten mit Ale-Flaschen. Er wandte sich zu A´kebur um und zog eine Augenbraue hoch. "Mir scheint, es hat seine Privilegien, der Captain zu sein."

"Man wird das Quartier des Captains nicht durchsuchen. Aber es kann sinnvoll sein, ein Geschenk zu haben oder ein angemessenes Getränk. Ich habe Suahi eine Stelle gezeigt, wo man nicht scannen kann, was dort geladen steht. Das Ale hält sich gut und wenn wir romulanische Diplomaten oder andere Gäste an Bord haben, wird es das vielleicht die eine oder andere Tür öffnen. Aber man muss sich natürlich nicht mit den Föderationsgesetzen überwerfen und es offen an der Bar ausschenken. Der Sicherheitschef kennt selbstverständlich die Stelle und die Größe des Vorrats."

A´kebur sah ihn ernsthaft an, aber seine Augen funkelten amüsiert.

"Du scheinst ja an alles gedacht zu haben." Tiaren nahm eine Flasche, öffnete sie und probierte. Es war das gleiche gute Gebräu, das er schon bei Suahi hatte genießen dürfen. Es half nicht viel gegen das Hämmern im Kopf, aber immerhin.

Er hielt A´kebur ebenfalls eine Flasche hin, die dieser ansah, als wollte er es sich überlegen. Dann griff er jedoch auch zu, um sich einen tiefen Schluck zu genehmigen. "Ich ziehe es auf diplomatischen Parkett vor, an alles zu denken. Es ist ein Schachspiel mit falschen Figuren auf einem manipulierten Brett."

"Sicher. Und nur deswegen macht es überhaupt Spaß." Tiaren prostete A´kebur auf Klingonisch zu; die Vulkanier hatten dafür kein Wort und es klang Romulanischen nicht ganz so schön. A´kebur lächelte freudlos. "Diplomatie ist etwas für Falschspieler. Ich denke, in dieser Arena werde ich nie zu Hause sein."

"Man kann sich die Arena nicht immer aussuchen. Aber ich denke, du hast ein paar sehr gute Diplomaten an deiner Seite", gab Tiaren zu bedenken. Er nahm noch einen Schluck und fühlte sich immer besser.

"Ich werde mich entsprechend zurückhalten. Aber diese Mission hat einen doppelten Boden", erinnerte A´kebur nicht nur sich selbst an den Grund ihres Hierseins. "Wie ist es, deinem Bruder gegenüber zu stehen?", fragte er unvermittelt.

"Koljar? Zuerst ein wenig wie in den Spiegel schauen. Ich dachte auch erst, er wäre nichts als Torans Marionette. Aber er hat ein Leben und eine Karriere hier. Er weiß, wo er hingehört." Tiaren setzte sich und drehte die Ale-Flasche in der Hand, als beinhalte sie alle Antworten. "Ich habe übrigens noch einen älteren Bruder aus der ersten Ehe meiner Mutter. Er ist Abgesandter einer romulanischen Kolonie und hat mich zwischendurch auf Vulkan besucht. Er hat mir überhaupt erst erzählt, dass es da noch jemanden gibt."

A´kebur starrte ihn an. "Weiß das jemand?", fragte er.

Tiaren zuckte mit den Schultern. "Es ist kein Geheimnis. Aber Kain hatte noch nie etwas für Toran übrig und im Allgemeinen sowieso andere Sorgen."

"Er ist ein Diplomat. Was soll er schon für Sorgen haben?", meinte A´kebur provozierend. "Wo ist er?"

"Er blieb ein paar Tage auf Vulkan und wollte dann nach via Romulus zu seinem Planeten zurückkehren. Es kann sein, dass wir ihn treffen."

A´kebur verriet nicht, was er darüber dachte. Dann sagte er: "Entschuldige, wenn ich deinen Brüdern nicht so traue. Bisher hat jeder von ihnen versucht, meiner Familie oder mir auf die eine oder andere Weise zu schaden."

Tiaren zog die Augenbrauen hoch, als er antwortete: "Erstens sind wir alle Romulaner und deswegen per se nicht vertrauenswürdig in deinen Augen, egal was ich sage, zweitens ist Kain nicht mit Toran verwandt und drittens hat er keinen Grund dazu."

"Und das soll ich glauben! Nun, ich würde mich nicht wundern, wenn ich drei Brüder, alle Romulaner, auf der Enterprise haben werde und es sehr viel Ärger geben wird. Mit etwas Glück ist auch Toran da."

"Mit etwas Pech ist er hier und du bist nicht vorbereitet. Deswegen wollen wir dir doch helfen", gab Tiaren zurück. "Für Kain und Koljar ist Toran eine unliebsame Sache, aber ich persönlich habe eine Rechnung offen. Keiner der beiden hat mehr Grund als ich, ihn tot sehen zu wollen." Sein Gesicht verfinsterte sich bei diesen Worten.

In A´kebur entstand das Bild von Toran, wie er tot mit erstauntem Blick zu seinem Sohn hinaufstarrte, der ihn getötet hatte. A´kebur sah seine Chance und er gedachte, diese auch zu ergreifen. "Nun, du bist zwar kein Mitglied meiner Crew, ich erwarte dennoch, dass du meine Befehle befolgst", sagte er.

"Ah ja? Ich habe nichts zu melden, aber muss parieren. Nun, was war auch anderes zu erwarten. Aber glaube nicht, dass ich stillhalte im entscheidenden Moment!" Tiarens goldene Augen funkelten. A´kebur gab keine Antwort. Er trank nur einen Schluck Ale.

Schweigen breitete sich im Raum aus. Tiaren trank seine Flasche leer und stand dann auf. "Wenn ich mich recht erinnere, beginnt dein Dienst bald. Melde dich, wenn du mich wieder brauchst."

A´kebur hielt ihn abrupt fest. Ohne ihn wieder loszulassen, stellte er sein Ale zur Seite und zwang dann Tiaren, sich wieder hinzusetzen. "Ich möchte, dass du mir etwas versprichst", sagte er eindringlich.

"Und was?" Tiaren unterdrückte den jahrelang antrainierten Reflex, sich loszureißen.

"Gib mir wieder, was mir gehört!"

Tiaren musterte ihn. "Ich habe dir das nicht permanent genommen, sondern ich teile schlicht deine Last. Und das ist meine Sache. Also konzentrier du dich lieber auf deine Aufgabe."

A´kebur schloss kurz seine Augen. "Ich weiß deine Hilfe sehr zu schätzen. Deine Nähe und deine Fähigkeiten sind wertvoll. Aber ich glaube, dass du mir diese Last für immer abnehmen willst. Doch das ist keine Lösung."

"Nein, das werde ich nicht. Du musst damit zurechtkommen und das kann dir niemand abnehmen. Aber jetzt ist der falsche Zeitpunkt, um sich darum zu kümmern", gab Tiaren zurück.

A´kebur ließ ihn wieder los. "Ja, vielleicht. Es ist bequemer. Für den Moment ist es einfacher und es hält mir den Rücken frei. Doch, es fühlt sich nicht richtig an, sollte dieser Zustand für immer sein."

Tiaren schüttelte den Kopf. "Spitze Ohren und der Klingone hört immer noch schlecht. Du bekommst alles wieder; ich habe nicht vor, dir deine Probleme für immer abzunehmen. Zufrieden?"

"Ja, jetzt!" A´kebur lächelte minimal.

"Gut. Lässt du mich dann los oder war sonst noch etwas?" Tiaren erwiderte das Lächeln, doch es war bei ihm mehr ein Schmunzeln.

"Ich denke nicht!", meinte A´kebur und ließ ihn los. "Danke für deine Hilfe."

"Ich glaube, die Menschen sagen: Es war mir ein Vergnügen. Aber das kann ich nicht behaupten. Ich freu mich nur, dass ich helfen konnte." Tiaren stand auf und nutzte spontan den geringen Abstand zwischen sich und A´kebur, um diesen einen Kuss auf den Mundwinkel zu drücken. Dann ging er zur Tür.

Er fühlte die Resonanz und die Erinnerung in A´kebur. Er hatte die Nähe von Tiaren genossen, aber gleichzeitig fühlte er eine Schuld, die eigentlich einem Wesen wie A´kebur fremd war. "Eine ruhige Nacht wünsche ich", verabschiedete er ihn.

"Und dir angenehmen Dienst, Captain. Ich komme nachher vorbei und dann beenden wir die Partie." Das Schachspiel stand noch immer auf dem Tisch. A´kebur versprach die Beendigung des Spiels.

Als Tiaren gegangen war, erhob er sich. Geschlafen hatte er die ganze Nacht nicht, aber er fühlte sich endlich erholt und nicht annähernd so unter Druck wie zuvor. Was ihm nicht passte, war der Umstand, dass sich Tiaren so zwischen ihn und T'Mara drängte. Die Eifersucht war ihm nicht entgangen, schließlich war er nicht blind. Aber er war auf Tiaren angewiesen. Offenbar brauchte er in seinem Leben immer wieder das ausgleichende Element eines Bindungspartners und dazu war T'Mara einfach nicht in der Lage.

Es war ein Kreislauf ohne Ende und im Ergebnis letztlich vorhersagbar. A´kebur seufzte. Er hatte noch ein wenig Zeit, bis seine Schicht begann und nutzte sie, um sich umzuziehen und etwas zu essen. Ale auf leeren Magen war nicht ganz so gut, wenn man auf der Brücke von neugierigen Offizieren umgeben war.

Der Computer sagte ihm, dass sie sich unweit er Neutrale Zone befanden und bald auf die U.S.S. Titan treffen würden.

A´kebur betrat pünktlich zu Dienstbeginn die Brücke. Er grüßte und wurde darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie in zwei Minuten die Titan kontaktieren würden. Hinter A´keburs Rücken wechselte die Tagmannschaft mit der Nachtmannschaft, die jetzt in ihre wohlverdiente Ruhe treten durften. "Bereiten Sie die Rendezvouskoordinaten vor, Lieutenant Pawn", gab A´kebur den Befehl.

"Aye, Sir", bestätigte die junge Frau an der Operatorkonsole. Auf dem Bildschirm konnte man bereits die Titan sehen. Sie war fast so groß wie die Enterprise und lag wie ein lauerndes Tier in der Leere des Raumes.

"Captain, Nachricht von der Titan", meldete LieutenantCh'Grawbil.

"Auf den Bildschirm!"

Auf dem Bildschirm erschien das Gesicht einer Frau; sie hatte schmale, ebenmäßige Züge, blasse Haut und Haare in mindestens vier verschiedenen Blautönen. Ihre Ohren sahen etwas flossenartig aus.

"Captain A´kebur, hier ist Captain Ilei von der Titan. Wir sind froh, Sie als Verstärkung hier zu sehen." Die Stimme war so tief, dass A´kebur in Erwägung zog, seine Einschätzung über das Geschlecht wieder zu korrigieren. Andererseits hatte er möglicherweise weder Mann noch Frau vor sich. Er kannte sich mit dieser Spezies nicht aus und entsprechende Informationen über den Captian der Titan lagen ihm auch nicht vor.

"Captain Ilei, ich bin erfreut Sie zu sehen. Unser Flug war bisher ohne Vorkommnisse. Wie steht es bei Ihnen?"

"Wir bekommen regelmäßig Berichte von Botschafter Chioma; er ist zuversichtlich wegen des Senates. Uns hat man hier draußen weitgehend in Ruhe gelassen, aber Ihre Ankunft wird für ein wenig Wirbel sorgen. Sie haben schließlich das Flaggschiff von Starfleet unter ihrem Sattel, Captain." Captain Ileis Stimme klang leicht belustigt und rann wie ein Schauer warmen Wassers über A´keburs Rücken. Auch die anderen Brückenoffiziere schienen ziemlich abgelenkt.

"Wir wurden erwartet", murmelte A´kebur etwas verwirrt. Er rieb sich kurz den Nacken und hatte das Gefühl, dass er einmal tief durchatmen sollte. "Ich würde sagen, wenn es Ihnen nichts ausmacht, lade ich Sie zum Essen auf die Enterprise ein und Sie können mir die letzten Vorkommnisse berichten, damit wir im Bild sind."

"Gerne doch, Captain. Darf ich meine Senioroffiziere mitbringen? Sie alle könnten etwas Ablenkung vertragen." Captain Ilei lächelte. "Wir sollten derweil schon Kurs auf Romulus nehmen."

"Damit bin ich einverstanden. Meine Senioroffiziere und ich freuen uns, Sie und Ihre Offiziere begrüßen zu dürfen. Ich schlage das Essen in zwölf Stunden vor." A´kebur seufzte stumm. Er wusste, nicht, was mit ihm geschah, aber es hatte eindeutig etwas mit dem Captain zu tun und er hoffte, dass dieses Gespräch bald endete, bevor er nicht wusste, was er noch so von sich gab.

"Danke, Captain. Bis später. Titan Ende."

Damit war das Gespräch dankbarerweise beendet. Selbst Counselor Troi wirkte leicht benommen, und Lieutenant Commander Yamilu bot an: "Soll ich mit Doktor McCoy vorsorglich ein Tetraglobin-Stimulanz verteilen lassen?"

Auf A´keburs verwirrten Blick hin erklärte sie: "Die Stimme der Melusianer, zu denen Captain Ilei gehört, hat auf viele Humanoide eine beinahe hypnotische Wirkung, wie Sie sicher bemerkt haben. Das Tatraglobin hemmt diese Wirkung etwas."

A´kebur ließ sich in seinen Sessel zurücksinken und blickte den Lieutenant Commander verblüfft an. "Ich gestehe, dass mir diese Rasse nicht bekannt ist, ein Versäumnis. Doch ich werde ganz bestimmt nicht vergessen, wie sie wirkt. Lassen Sie wirklich an jeden, der es wünscht, Tatraglobin ausgeben. Ich wünsche es für mich selbst auch."

"Aye Sir." Sie verließ die Brücke. Selbst Commander Aera wirkte noch ein bisschen verblüfft. "Ich habe schon des Öfteren Melusianer getroffen, aber die Wirkung ist jedes Mal unvorhergesehen. Vermutlich dulden die Romulaner die Titan auch nur wegen Captain Ilei. Ein guter Schachzug von Starfleet Command", meinte sie. "Sie benutzen die Titan deswegen gern als Feuerwehr."

"Ich fühle mich ausreichend gelöscht", brummte A´kebur.

Die gesamte Brückencrew verkniff sich nur mühsam das Lachen. Ihnen allen war es so ergangen.

"Captain, die Titan hat neuen Kurs auf Romulus mit Impulskraft gesetzt. Sollen wir längsseits gehen und Geschwindigkeit anpassen?", fragte der Fähnlich am Conn.

"Tun Sie das, Fähnrich. Commander Aera, lassen Sie den Abgleich der Datenbanken starten und dann sollte wohl ein kleines informelles Diner für uns vorbereitet werden."

Sie bestätigte, und Counselor Troi erbot sich, mit Suahi zusammen den Empfang vorzubereiten. Für A´kebur gab es bis zum Essen also nichts mehr zu tun außer den üblichen Routineaufgaben, die seine Schicht auch dann gehabt hätten, wenn es kein halboffizielles Abendbrot gegeben hätte. Er ließ sich jedoch auch den Status seines Sondergefangenen und seines Sondergastes geben, so dass er auch darüber die offiziellen Berichte im Kopf hatte, sollte das Gespräch mit dem Captain der Titan darauf kommen.

Nach seinem Schichtende ging er zurück in sein Quartier, um sich angemessen zu kleiden. Nicht zu offiziell, aber eine frische Uniform war Pflicht. Dann ging er zum Transporterraum, um Captain Ilei und die Senioroffiziere zu begrüßen. Zwischendurch war er mittels seines Computers zu der Erkenntnis gelangt, dass Ilei keines Geschlechts angehörte und es damit schwer war, die angemessene Anreden finden zu können, wenn man nicht Captain sagen wollte, und dass die Medizin von Dr. McCoy unter Umständen seltsame Nebenwirkungen auf ihn hatten. Aber es war ertragbar. Hauptsache, er konnte sich im Gespräch vernünftig konzentrieren.

Commander Aera und Counselor Troi erwarteten ihn bereits im Transporterraum; auch sie hatten sich vom Doktor das Hypospray mit Tetraglobin eben lassen. A´kebur musste aber feststellen, dass es auch nur in Maßen half, als Ilei mit den Offizieren der Titan hinüberbeamte. Der melusianische Captain war fast einen Kopf größer als A´kebur, schlank mit fast schlangenhafter Grazie und Schwimmhäuten zwischen den Fingern. Mit seiner dunklen, vibrierenden Stimme stellte er seine Offiziere vor, größtenteils Menschen, die offenbar an die hypnotische Wirkung ihres Vorgesetzten bereits gewöhnt waren, da sich keine besondere Reaktion feststellen ließen, soweit A´kebur es beurteilen konnte. Er ließ sich die Offiziere vorstellen und übte sich desgleichen in Höflichkeit, indem er selbiges mit seinen Offizieren machte. "In Zehn Vorne wurde ein kleines Abendbrot vorbereiten lassen. Der Barkeeper freut sich sicherlich, Ihnen allen Ihr Lieblingsgetränk zu machen."

"Das berühmte Zehn Vorne der Enterprise hätten wir uns auch nicht entgehen lassen", erwiderte Ilei, "gehen Sie voran, Captain. Und erzählen Sie mir, wieso Sie eigentlich genau jetzt hierher gekommen. Ich gestehe, Admiral Sevarin war sehr vage in seinen Ausführungen."

A´kebur verschränkte seine Hände hinter seinem Rücken und nickte. "Es hat einen Akt der Sabotage auf der Enterprise gegeben. Der Saboteur ist ein romulanischer Schläfer gewesen, Mitglied meiner Crew und ein hervorragender Wissenschaftler. Es besteht die Gefahr, dass die Gespräche ins Stocken geraten und das muss unter allen Umständen verhindert werden", erklärte A´kebur glatt.

"Natürlich. Dann hieß es aber noch, sie hätten zwei Romulaner an Bord. Geschenke für guten Willen?", frage Ilei und folgte A´kebur mit den Offizieren aus dem Transporterraum.

"Der eine Romulaner ist eigentlich Vulkanier und besagter Saboteur, der andere ist dessen Bruder", erklärte A´kebur. Er stoppte und ließ Captain Ilei den Vortritt, damit dieser einen ersten Eindruck von Zehn Vorne bekommen konnte. Innerlich musste er zugeben, dass er dem Medikament dankbar war, auch wenn die Wirkung wirklich stärker hätte sein können. Er hoffte, dass er ähnlich gelassen werden würde wie dessen Offiziere, die ganz offensichtlich nicht die geringsten Probleme hatten, während hingegen seine Offiziere erste Anzeichen zeigten, sich Captain Ilei voller Verzückung vor die Füße zu werfen.

Suahi jedenfalls schien das alles nicht zu beeindrucken; er stand breit lächelnd hinter seinem Tresen. Die Offiziere der Titan sahen sich um und nahmen dann schließlich neben denen der Enterprise Platz. Obwohl A´kebur an einem Ende des Tisches saß und Ilei am anderen, war er vor dessen Einfluss nicht wirklich sicher. Der Captain der Titan war jedenfalls neugierig und A´kebur bemerkte, wie er sehr freimütig antwortete, selbst wenn man bedachte, dass sie beide Captains waren und auf dem gleichen Wissensstand sein mussten.

A´kebur löste die Tafel alsbald zugunsten einer ungezwungeneren Atmosphäre auf. Er hatte nicht vor, für den restlichen Abend laute Gespräche führen zu müssen. Zudem, er wollte wissen, inwieweit der Captain den Fortschritt der diplomatischen Gespräche einschätzte. Nicht die offizielle Version, sondern die, die dieser privat hütete.

Dementsprechend teilten sie sich in kleiner Gruppen und A´kebur nahm mit Ilei an einem der Tischchen Platz. Der Melusianer schien die unausgesprochenen Fragen bereits verstanden zu haben, denn er griff nach seinem Drink, der ein wenig nach Fisch roch, und erklärte: "Botschafter Chioma ist ein Optimist, wie Sie sicher wissen. Er denkt, er hat die Romulaner durchschaut, aber so einfach ist das nicht. Sie denken in erster Linie an ihren eigenen Vorteil und wenn das Frieden mit der Föderation heißt, dann gehen sie darauf ein."

"Also im Grunde alles beim Alten. Den Romulanern ist nicht zu trauen. Daran wird sich wohl nie etwas ändern. Es wird jedoch wirklich Probleme geben, wenn das mit dem Schläfer bekannt wird. Die Frage ist, wie sie reagieren werden. Zudem, es wird noch weitaus mehr Schläfer geben auf beiden Seiten", meinte A´kebur nachdenklich.

"Captain, denken Sie nicht, dass der Romulanische Geheimdienst nicht bereits wüsste, dass sie ihn haben. Die Föderation hat nie Schläfer eingesetzt, sondern auf andere Informationslecks vertraut wie bestechliche Romulaner, Händler, die im Imperium reisen dürfen und ähnliches. Dass die Romulaner jedoch noch einige bei uns haben, ist anzunehmen. Besser ist es jedoch, wenn man diese dort belässt, wo sie sind."

"Das ist Ihre Meinung?" A´kebur widerstrebte das ganz offensichtlich und er machte daraus keinen Hehl. "Das würde bedeuten, dass sich einer meiner wissenschaftlichen Offiziere vor einem Kriegsgericht wiederfinden wird, um sich dort zu verantworten."

"Natürlich. Ihn als Spion zu betrachten macht es nicht besser. Er hat Starfleet- Eide geschworen, egal, was vorher war. Romulaner nehmen keine Gefangenen zurück, das hätte ich Ihnen gleich sagen können. Wer enttarnt wird, hat versagt. Was wünschen Sie Ihrem Offizier eher?", gab Ilei zu bedenken. "Dreißig, vierzig Jahre in einer Strafkolonie sind nichts für jemanden mit dieser Lebensspanne."

A´kebur unterdrückte die verbale Erwiderung, dass er sich mit Piraten auskannte. Auch welche, die Raumschiffe und Sternenstationen außer Gefecht setzten. "Es liegt nicht in meiner Entscheidung. Mr. Koljar hat sich entschieden, als Offizier von Starfleet betrachtet zu werden. Ich will helfen, die Befehlskette zu klären, da nicht bekannt ist, wer ihm den Befehl gab. Er hätte wahrscheinlich unerkannt für den Rest seines Lebens Schläfer sein können."

"Und deswegen denke ich auch, dass man sie nicht wecken sollte. Es würde nur zu weiterem Misstrauen führen. Der Tal'Shiar soll der Föderation die Namen der Schläfer mitteilen und es dann auf sich beruhen lassen." Ilei nahm noch einen Schluck von seinem Fischsaft. "Wir müssen vorsichtig mit dem Geheimdienst sein. Sie sind völlig skrupellos und fanatisch, teilweise richtiggehend blutrünstig."

A´keburs Augenbraue zuckte fast amüsiert nach oben. "Entsetzt?", fragte er. "Vielfalt in Unendlichkeit!", bekannte er freimütig und erinnerte damit an eine Philosophie der Vulkanier, die mit anderen Worten ausgedrückt auch eine der Hauptbeweggründe der Föderation war in all ihren Ausprägungen.

"Captain, ich habe schon so einiges gesehen. Ich meinte nur, dass wir jedes Blinzeln und jeden zuckenden Mundwinkel zur Kenntnis nehmen müssen. Die Senatoren sind eine Sache, aber ohne den Geheimdienst geschieht dort nichts von Wichtigkeit."

A´kebur nickte. Das war nichts Neues, nur, dass Captain Ilei noch einmal darauf hinwies, bedeutete, dass der Botschafter bisher mit den falschen Leuten gesprochen hatte. "Wie können wir sie zu unseren Gunsten einnehmen?", fragte er ihn.

Ilei zuckte leicht mit den Flossenohren. "Ich weiß es nicht, aber ich bin auch kein Experte für Romulaner. Ich vermute, man muss sie einschüchtern, aber das ist nicht wirklich mein Fachgebiet." Das darauffolgende Lachen perlte seidig und ließ A´kebur erneut frösteln.

"Bitte entschuldigen Sie mich für einen Moment", flüsterte dieser rau. "Kann ich Ihnen etwas von der Bar mitbringen?"

"Wenn Ihr Suahi noch ein paar dieser köstlichen Sushi hat, gerne", bekam A´kebur einen Auftrag und verzog sich zur Bar. Suahi putzte Gläser und schob dem Captain wortlos ein Ginger Ale hin.

"Einen Doppelten", bestellte A´kebur erneut und stürzte sein Glas sofort hinunter. Er lächelte verhalten. "Ich fürchte, dass ich in den wenigen Wochen auf der Enterprise weit mehr Spezies kennengelernt habe als in den letzten zehn Jahren und allesamt setzen etwas daran, einem die Sinne zu verwirren. Woran das wohl liegen mag?" Er nahm das große Ginger Ale, trank davon einen weiteren Schluck, und die Sushi, die ihm Suahi reichte.

Der El Aurianer schmunzelte geheimnisvoll. "Nun, sie wissen vielleicht ihre Opfer gut auszusuchen. Diejenigen, die betört werden wollen."

A´kebur musterte ihn finster. "Ich glaube nicht, dass ich verführt werden möchte. Ich will nur Informationen und Captain Ilei scheint ein guter Beobachter zu sein. Danke für das hier! Er mag deine Sushis."

"Ich rede ja nicht unbedingt von Captain Ilei." Suahi schenkte A´kebur noch das Ginger Ale nach und widmete sich dann wieder seinen Gläsern. Es schien eine Art meditative Tätigkeit zu sein, denn die Replikatoren lieferten alle Gläser blitzblank. A´kebur verstand nicht, aber er hatte auch nicht vor, weiter in das Thema zu dringen.

Mit den Erfrischungen ging er zurück. Captain Ilei war begeistert von den Spezialitäten und langte fast hungrig zu, so dass sich A´kebur fragte, ob sie das Richtige zum Abendbrot gereicht hatten. Er würde sich näher informieren, schließlich war es seine Pflicht dafür zu sorgen.

"Was sieht der Zeitplan vor?", fragte er und führte wieder zurück zum Thema. Soweit er wusste, waren die nächsten Treffen der Botschafter in fünf Tagen anberaumt.

"Wir fliegen im Schneckentempo nach Romulus, docken an einer Station dort an. Einen Orbit hält man für zu riskant. Und treffen wir uns mit Botschafter Chioma, dem Senat und vermutlich Vertretern des Tal'Shiar", zählte Ilei auf und schob sich das letzte Sushi in den Mund, "inwieweit wir Romulus sehen dürfen, weiß ich nicht. Chioma jedenfalls hat ein großes Gebäude für eine Föderationsbotschaft bekommen. Sein Stab ist aber noch relativ klein."

"Die Crew der Enterprise soll seinen Stab ergänzen. Aber weitere Botschafter sollen noch nicht geschickt werden. Botschafter Chioma kann über die Enterprise verfügen. Ich denke, dass wird seinem Ansehen weiterhelfen gegenüber bestimmten Personen."

"Das denke ich auch. Auf Dauer wird er natürlich mehr Leute benötigen, aber fürs Erste werden Sie mit Ihrem Schiff die Romulaner ein wenig beeindrucken, Captain. Die Enterprise ist wirklich ein Traum. Ich habe damals nur die Konstruktion mitverfolgt und auch einen Antrag gestellt, ihr Captain zu werden", verriet der Melusianer. "Aber die Titan ist in vieler Hinsicht doch besser für mich."

A´kebur neigte interessiert sein Haupt. "Inwiefern?", fragte er.

Captain Ilei stützte sein Kinn auf die Hände. "Eine kleinere Crew, fürs Erste; ich habe ein schlechtes Gesichtergedächtnis. Mein Volk identifiziert sich vor allem über die Stimme. Und zweitens die Verantwortung. Vielleicht bewerbe ich mich in, ein zweihundert Jahren auf die Enterprise K oder J."

A´kebur überschlug seine Lebenserwartung und kam überein, dass er dann schon ein sehr, sehr, sehr alter Mann sein würde. "Nun, die Zeit relativiert solche Wünsche natürlich. Sie werden sicher ein guter Captain sein."

"Danke. Aber im Augenblick sind Sie die beste Wahl, Captain." Für einen Moment klang die Anrede in A´keburs Ohren seltsam. Ilei redete ihn so schon den ganzen Abend an, aber eben schien sich der Hauch eines Akzentes eingeschlichen zu haben oder eine besondere Betonung, er wusste es nicht. Vermutlich hatte er es sich eingebildet; diese Stimme konnte ihm alles möglich vorgaukeln.

In A´keburs Magen bildete sich ein Knoten. Er brauchte dringend Abstand, bevor er Dinge tat und sagte, die sich seiner Kontrolle entzogen und von denen er nicht einmal jetzt sagen konnte, wie diese aussahen. Er bat den Captain erneut um Entschuldigung, die dieser ein wenig verwundert gewährte. Fast verstohlen suchte A´kebur Dr. McCoy. Er brauchte eine weitere Dosis der Medizin.

McCoy, der sich mit Schiffsärztin der Titan und den beiden Counselors zusammen saß, gab ihm das Hypospray in den Oberarm. "Mehr ist nicht gut für Ihr Nervensystem. Ansonsten bitten Sie Captain Ilei um Nachsicht; er versteht es sicher."

A´kebur widerstand der Versuchung, sich abzustützen und damit seine Schwäche offenkundig zu machen. "Nun, ich denke, dass wird er. Nur, ich verstehe es nicht", murmelte er leise, so dass nur der Doktor ihn hören konnte.

"Captain?", fragte dieser leise und besorgt.

"Behalten Sie mich im Auge und bitten Sie auch den Counselor darum. Sollte ich die Kontrolle verlieren, dann erfinden Sie irgendetwas, um mich wegzuholen", bat er.

"Commander Aera ist auch noch da und kann für Sie übernehmen, Sir", gab McCoy zu bedenken. "Wenn Sie sich nicht gut fühlen, dann sollten Sie vielleicht besser den Abend beenden."

"Wenn die Theorie stimmt, dass man sich daran gewöhnen kann, sollte ich es auf einen Versuch ankommen lassen, nicht wahr? Nur, ich hatte nicht vor, die Contenance vor Captain Ilei bei diesem Versuch zu verlieren", erwiderte A´kebur irgendwo zwischen Ernst und einem Anflug schwarzen Humors.

Dr Doktor runzelte die Stirn. "Sir, eine Gewöhnung stellt sich nach frühestens vier Wochen täglichen Kontaktes ein und Captain Ilei ist seit über vier Stunden hier. Sie können sich gar nicht so schnell gewöhnen an die anziehende Wirkung der Melusianer."

"Bei einem Menschen. Normalerweise sollte ich kaum etwas spüren. Aber die Effekte auf Klingonen sind mir nicht bekannt oder mir ist da ein Detail entgangen ", erwiderte A´kebur. "Vulkanier sind jedenfalls davon nicht beeindruckt, auch nicht nach Rückfragen, um ihre Widerstandskraft genauer einschätzen zu können."

"Nach allem, was ich über Klingonen weiß, könnten sie besonders heftig auf die Melusianer reagieren", gab McCoy zu bedenken. "Überlegen Sie es sich noch einmal, Sir."

A´kebur nickte ein wenig überrascht. Offenbar hatte es doch schon Kontakte zwischen Klingonen und Melusianern gegeben. "Ich werde mich vom Captain verabschieden. Und Sie sollten prüfen, ob Sie für mich nicht ein anderes Medikament finden, schließlich werden der Captain und ich uns noch öfter austauschen müssen. Danke, Dr. McCoy."

"Ich werde sehen, was ich machen kann, Sir", versprach der Schiffsarzt.

A´kebur nickte hoffnungsvoll und ging dann zurück. "Captain Ilei!", murmelte er, "Ich fürchte, dass meine Konzentration erheblich nachgelassen hat. Es liegt an mir und der Interaktion mit Ihrer Fähigkeit. Ich hoffe, ich beleidige Sie damit nicht."

Doch der Melusianer lächelte nur fast entschuldigend und stand auf. "Ich habe fast vergessen, dass Sie und Ihre Offiziere an mich noch nicht gewöhnt sind. Entschuldigen Sie, wenn ich Sie nervös mache. Ich denke, ich sollte auch auf die Titan zurück."

"Diese Entscheidung liegt bei Ihnen, doch ich muss mich jetzt zurückziehen. Ich fühle mich nicht sehr wohl."

"Dann gute Nacht, Captain. Unsere Schiffe bleiben in Verbindung." Ungerührt nahm Captain Ilei A´kebur die zweite Portion Sushi ab.

A´kebur wich halb zurück. "Gute Nacht, Captain Ilei", verabschiedete er sich und verließ dann Zehn Vorne, nicht eher er jedoch seine Erste Offizierin instruiert hatte. Er brauchte jetzt dringend einen Raum, der sich nicht drehte. A´kebur nahm den nächsten Turbolift und ließ sich in der Nähe seines Quartiers absetzen. Zum Glück war der Gang leer, so dass er sich kurz anlehnen konnte, um zu verschnaufen. Er hatte gut trainiert und er war im Training. Aber das hier überstieg seine Kräfte und er fragte sich, was Klingonen taten, wenn sie dieser Spezies begegneten. Er wusste es nicht, aber es ließ ihn zittern.

"Du siehst aus, als hättest du gekämpft und der andere hätte gewonnen, Captain", hörte er urplötzlich eine bekannte Stimme. "Ich konnte es durchs halbe Schiff spüren." Tiaren stand vor ihm; der Romulaner bewegte sich verdammt leise. Aber trotz des Spottes in der Stimme sah er besorgt aus.

A´kebur stieß sich von der Wand ab. "Nichts weiter. Nur physische Manipulation der Sinneswahrnehmung ohne Alkohol. Ich hatte die Begegnung einer Rasse, die ich bisher noch nicht kannte. Aber, wieso hast du das gespürt? Meine Barrieren haben gehalten!"

"Im Augenblick bekomme ich einiges mehr mit und deine Barrieren sind angegriffen", erwiderte Tiaren, "gehen wir besser in dein Quartier, Captain."

A´kebur widerstrebte es, aber es gab keinen vernünftigen Grund, sich dagegen zu wehren. Also öffnete er sein Quartier und ging gleich zum Replikator. Er bestellte einen Liter Wasser und stürzte es wie ein Verdurstender hinunter. "Ich bitte um Entschuldigung", meinte er. "Es ist keine gute Idee, dass du mir so nahe bist. Es ist besser, ich nehme alles wieder zurück."

Tiaren lehnte mit verschränkten Armen an der Tür. "Wenn ich den Dämpfer wegnehme, bist du nicht mehr kommandofähig, Captain. Ich weiß nicht genau, was dir so zugesetzt hat, aber es hat genau dahin geschlagen, wo es sowieso wund ist."

A´kebur stöhnte leise. "Es ist Captain Ilei, ein Melusianer. Ich vertrage offenkundig deren Stimme nicht."

"Ich habe von ihnen gehört. Es gibt einige Legende von der Erde über sie." Tiaren zog eine Augenbraue hoch und shcmunzelte. "War die Stimme so sexy?"

A´kebur rieb die Stelle zwischen den Augenbrauen und warf Tiaren einen wütenden Blick zu. "Nicht sexy. Es ging tiefer und ich weiß nicht, was die Frage soll."

"Oh, nichts. Weil du fast verlegen wirkst. Ich wollte dich nicht ärgern", erwiderte Tiaren, doch seine Augen funkelten spielerisch.

A´kebur brummte jedoch nur unbestimmt. "Danke für dein Mitgefühl", murmelte er und ging steifbeinig ins Schlafzimmer. "Du brauchst nicht auf mich aufzupassen. Ich falle nicht um", schmiss er Tiaren eindeutig raus.

"Ich tue es trotzdem, Captain. Ich habe es versprochen." Tiaren klang wieder ernst. "Melde dich, wenn du mich brauchst."

A´kebur wandte sich um. "Ich werde dich nicht noch mehr belasten, Tiaren. Ich stehe schon mehr als genug in deiner Schuld."

"Ich trage hier nur meine eigene Schuld ab, Captain, vergiss das nicht. Wir sind erst quitt, wenn es dir wieder gut geht." Tiaren lächelte. "Und wer sagt, dass ich nicht belästigt werden will?"

"Genau das ist es, was ich befürchte, Tiaren. Das genau ist es!"

"Wo ist dann dein Problem, Captain?"

"Ich denke, dass du T'Mara als deine Konkurrentin siehst und du glaubst, dass ihr der Platz zusteht. Das ist mein Problem." A´kebur zog sich seine Unformjacke aus und stellte fest, dass er völlig durchgeschwitzt war.

"Du kannst T'Mara nichts geben, was dir nicht mehr gehört", gab Tiaren gelassen zurück. "Und sie ist nicht hier."

"Du willst nicht verstehen. Du solltest aber respektieren, dass sie meine Gefährtin ist", warnte A´kebur ihn.

"Ich sage nur, dass sie nicht hier ist. Das ist alles. Ich empfehle dir eine kalte Dusche, Captain." Tiaren wandte sich zur Tür.

A´kebur fragte sich, ob Cindy verstanden hätte, dass es auch seine Befürchtung eines Eifersuchtsdramas der Grund gewesen war, der ihn davon abgehalten hatte, mit Tiaren auf eine Mission zu nehmen. Dieser würde nicht in den nächsten Jahren akzeptieren, dass er nicht der vollwertige Nachfolger Etiennes war. Vielleicht würde er es auch überhaupt nie akzeptieren. "Gute Nacht, Tiaren", verabschiedete er ihn deutlich.

"Gute Nacht, Captain, und schöne Träume", kam der spöttische Abschied, dann war A´kebur endlich allein. Müde sank er auf sein Bett. Er konnte das nicht brauchen. Nicht jetzt, nicht hier und überhaupt.

Aber darüber konnte er nicht nachdenken. Er war zu müde. Mit trägen Bewegungen entledigte er sich der restlichen Sachen und ging dann unter die Dusche, um dann nackt wie er war, unter die Decke zu schlüpfen und Schlaf zu suchen.

Fast eine Stunde wälzte er sich trotzdem herum. Er konnte die sich kreisenden Gedanken und aufgewühlten Gefühle nicht unter Kontrolle bringen, so dass er sich irgendwann auf die Bank vors Fenster setzte, um einfach zu den Sternen zu starren in der Hoffnung, dass er doch noch einschlafen würde.

Irgendwann döste er dann auch in der unbequemen Haltung ein. Im Traum verfolgten ihn merkwürdige Wasserwesen, die ihn lockend riefen und ihm falsche Versprechungen machten, abgelöst, von einer Person mit spitzen Ohren und einem Lächeln. Wer es war, konnte er nicht erkennen und er wollte es auch nicht. Er wollte nur fort. Wie von Dämonen gejagt, versuchte er alle dem zu entkommen, ohne Erfolg zu haben. Die Träume wechselten in wilder Reihenfolge und mit schreiendbunten Bildern. Beklemmung machte sich in A´kebur breit und er schrie.

Sein eigener Schrei weckte ihn auf und A´kebur setzte sich schweratmend auf der Bank auf. Nur allmählich drang das Piepen des Computers zu ihm durch; offenbar war es die Tür.

Schließlich öffnete sie sich aber ohne seine Erlaubnis.

"Du hättest nicht so laut rufen müssen, Captain, ich habe dich schon verstanden."

A´kebur merkte nur, dass jemand eindrang. Er suchte im Halbdunkel nach einer Waffe, fand jedoch keine, so dass er sich nur zur Abwehr bereit machte. "Raus aus meinem Quartier!", knurrte er drohend.

"Computer, Licht! Denkst du, ich kann schlafen, wenn du so laut bist?" Tiaren stand in er Tür und sah aus, wie A´kebur sich fühlte: Zerzaust und müde.

"Ich habe nicht geschrieen", erwiderte dieser. "Was suchst du hier? Und wie bist du in mein Quartier gekommen?"

"Es war offen; das habe ich erst nach dem dritten Klingeln gemerkt. Und ja, du hast geschrieen und es klang ziemlich besorgniserregend. Ich sagte doch, ich komme her, wenn du mich brauchst." Tiaren strich sich die Haare aus dem Gesicht und musterte A´kebur, der noch immer nackt auf der Bank vor dem Fenster hockte und ihn mit wilden Augen anstarrte. Er war noch nicht wirklich im Hier und Jetzt, begriff Tiaren. Er trat ein, damit sich endlich die Tür schloss. Glücklichweise hatte niemand etwas bemerkt, denn der Schrei war rein mental gewesen und Tiaren hoffte, dass er der einzige war, der ihn hatte auffangen können.

A´kebur schnaufte und wandte sich ab. "Wahrscheinlich nur ein Traum, ich werde meditieren."

Tiaren sparte sich den Kommentar dazu; er wusste inzwischen nur allzu gut, dass man zur Meditation ein gewisses Maß an innerer Ruhe bereits mitbringen musste. Er lehnte sich wie am Abend zuvor an die Wand.

"Warum ignorierst du immer, was ich sage?", fragte ihn A´kebur und erhob sich unwirsch, um sich etwas zum Anziehen zu suchen.

"Weil was du sagst, nicht immer Sinn macht und du nicht mein Captain bist, Captain", war die Antwort. "Geh ins Bett."

"Hör auf, mir Befehle zu erteilen!" A´kebur warf sich eine Tunika über und gürtete sie.

"Halte mich davon ab. Du weißt, dass ich recht habe. Verschwinde unter die Bettdecke und ich bleibe hier, bis du eingeschlafen bist."

A´kebur stellte sich vor ihn hin und verschränkte die Arme. "Kann es sein, dass du vergisst, wen du vor dir hast? Geh selbst schlafen. Ich brauche deine Anweisungen nicht."

Tiaren stieß sich von der Wand ab, so dass sie fast Nase an Nase standen. "Denkst du, ich kann schlafen, wenn du so aufgewühlt bist? Ich bin hier aus purem Eigennutz, weil ich selber müde bin."

"Und du glaubst, dass du schlafen kannst, indem du mir es befiehlst? Der Wahnsinn kann auch Methode haben."

"So, ich kann dir neuerdings befehlen? Interessant. Wenn es nicht gerade um eine Verbesserung der Kampftechnik geht, hörst du doch auch nicht auf mich. Meditieren hat im Augenblick keinen Sinn, glaub es mir."

A´kebur stöhnte. "Ja, ich weiß, aber ich wäre dich losgeworden", rief er. "Hör auf, meine Worte auf die Goldwaage zu legen. Wenn du nicht gehst, lasse ich dich in dein Quartier führen."

"Lieutenant C'Grawbil wird sicher interessant finden, was ich nächtens in der Kabine des spärlich bekleideten Captains treibe." Tiaren zog spöttisch eine Augenbraue hoch. "Und seit wann brauchst du Hilfe, um jemanden rauszuwerfen?"

A´kebur stieß einen klingonischen Fluch aus und wünschte Tiaren die Pest an den Hals. Doch die Sicherheit kontaktierte er nicht. Tiaren hörte sich die Tirade an, wandte sich zur Tür und verließ mit einem letzten Grinsen das Quartier.

Tiaren hörte nichts mehr von A´kebur, aber er spürte, dass dieser nicht schlief, sondern wohl Gräben in seinem Quartier lief. Als er den Computer kontaktierte, um den Aufenthaltsort des Captains zu erfahren, sah er verwundert, dass dieser gerade in der Krankenstation war.

A´kebur ließ sich von Dr. McCoy ein Schlafmittel geben, der eine Doppelschicht übernommen hatte, um sich an ein alternatives Mittel zu Tetraglobin zu setzen, und schob seine Unruhe auf den Captain der Titan und das Mittel gegen dessen Wirkung. Dr. McCoy hob zwar misstrauisch eine Augenbraue, verabreichte aber das Sedativ. "Wenn Sie länger nicht schlafen können, dann melden Sie sich bitte!", meinte er. A´kebur versprach es und ging sehr viel müder zurück.

Diesmal schaffte er es, ohne verwirrende Träume zu schlafen, tief und fest dank des Medikamentes.

Auch Tiaren hörte jetzt wirklich nichts mehr. Es beruhigte ihn aber nicht sonderlicher. Sicher, er benahm sich nicht gerade der Etikette entsprechend, aber allein das sollte A´kebur nicht so aufregen. Zumal er Tiaren nicht mit Gewalt aus dem Zimmer geworfen hatte. A´kebur mochte die Tatsache nicht, aber er brauchte ihn, das war Tiaren klar. Es war natürlich unfair, ihn deswegen zu ärgern. Aber Tiaren war kein Vulkanier und auch kein "Ja, Sir"-Sager, aus denen das Schiff sonst bestand.

 

Die nächsten Tage hatte er keine große Gelegenheit, sich aus direkter Nähe von A´keburs Zustand ein Bild zu machen. Aber er spürte auch nichts. Irgendwie hatte der Captain jedoch den Doktor davon überzeugen können, dass er zumindest ein zweites Mal ein Schlafmittel brauchte. Ein drittes Mal fragte A´kebur jedoch nicht nach. Er versuchte es mit anhaltendem Training, damit die Träume dort blieben, wo sie niemanden störten. Einschließlich seiner selbst. Trotzdem verlor er das Schiff und die Mission nicht aus den Augen. Nur seinen Counselor versuchte er diskret auszuweichen, bevor dieser wieder Lunte roch.

Dankbarerweise war der jedoch auch ausreichend durch Captain Ilei und die bevorstehende Mission abgelenkt.

Schließlich erreichten sie Romulus nach Zeitplan. Die Enterprise und die Titan dockten an einer riesigen Station an, die in ihrer fremden Bauweise klar machte, dass sie sich ganz sicher nicht im Föderationsgebiet befanden. A´kebur ließ einen Kanal zur Station offen, damit diese sie jederzeit kontaktieren konnte. Aber er wollte erst einmal abwarten, ob sich der Botschafter meldete. Diesem hatte er eine Nachricht zukommen lassen, auf die er noch nicht reagiert hatte, weil er sich in einem weiteren der unzähligen Treffen befand. A´kebur und jeder mit ihm übte sich erst einmal in Geduld.

Schließlich meldete Ch'Grawbil jedoch eine hereinkommende Nachricht und legte sie auf den Hauptschirm. Botschafter Chiomas zerfurchtes, breit lächelndes Gesicht erschien. "Captain, Willkommen auf Romulus. Ich hoffe, Sie haben mir Personal mitgebracht, es gibt soviel zu tun. Senatorin und Botschafterin Sokala wird ein Empfangskomitee schicken und Ihnen einen Verbindungsmann zur Verfügung stellen."

"Danke, Botschafter. So wie es scheint, haben Sie großen Erfolg zu verbuchen. Ich gratuliere Ihnen. Können Sie mir sagen, wen Botschafterin Sokala senden wird?", fragte A´kebur.

"Nein, das weiß ich nicht, aber vermutlich einen Attache des Senats mit tadellosen Manieren, der all Ihre Fragen beantworten soll und doch nicht Konkretes sagen wird", meinte der Botschafter, "machen Sie sich nichts draus."

"Nein, ich bin nur hier, um Ihnen den Rücken frei zu halten. Halten Sie mich auf den Laufenden, dann können wir das effizient erledigen. Benötigen Sie unsere Hilfe im Augenblick? Ich würde Ihnen gern zwei Offiziere zur Seite stellen, die Sie auch über die letzten Entwicklungen informieren können."

"Benachrichtigen Sie die Sekundus-Station, sie werden sie herbeamen. Ich hatte das lange genug angekündigt. Romulaner können fürchterliche Bürokraten sein, wenn sie wollen", meinte Chioma gutgelaunt. "Sobald Ihr Verbindungsoffizier da ist, werden Sie auch hinunterbeamen können. Ob Sie den entzückenden Captain Ilei mitbringen dürfen, weiß ich allerdings nicht. Ich fürchte, man ist hier hinter seinen Charme gekommen."

"Wie konnte das nur passieren?", fragte A´kebur rein rhetorisch. "Ich denke jedoch, dass man von ihm nicht lassen wird. Wissen Sie, warum er einen Effekt auf sie hat, während die Vulkanier davon unbeeindruckt sind?"

"Ich bin da kein Experte, aber ich schätze, es hat etwas mit der Kontrolle über Gefühle zu tun. Je emotionaler die Person, desto leichter zu beeindrucken. Bei mir war es jedenfalls sehr einfach." Chioma grinste etwas verlegen.

"Damit sind Sie nicht allein, Botschafter. Der Charme des Captains ist uns mittlerweile selbst hinlänglich bekannt. Ich erwarte nun jetzt den Verbindungsmann und hoffe, dass unsere Anwesenheit Ihnen hilft."

"Ich denke doch, Captain. Ich erwarte Sie später hier. Chioma Ende." Kaum hatte Ch'Grawbil die Verbindung unterbrochen, meldete er eine Nachricht von der Station. "Der Verbindungsoffizier ist da, Sir. Soll ich ihn hochbeamen lassen?"

"Ich hatte nicht vor, ihn dort zu belassen, wo er ist, Mr. Ch'Grawbil. Commander Aera, Sie haben das Kommando, ich werde unseren Gast empfangen. Transporterraum 1, Mr. Ch'Grawbil, in 1,7 Minuten."

Damit machte sich A´kebur auf zum Transporterraum. Wenn er sich nicht wirklich schlimm verzählt hatte, waren damit drei Romulaner auf seinem Schiff, davon einer, der ein Mischling war, zwei, die Toran zum Vater hatten und wohl drei, die vom Geheimdienst kamen. Diplomatische Mathematik!

Im Transporterraum angekommen, gab er dem dortigen Chief ein Zeichen, und Sekunden später materialisierte sich der Verbindungsoffizier. Es war eine Frau und die typischen scharfen Züge der Romulaner machten es schwer, ihr Alter zu schätzen. Die Schulterpolster ihrer Uniform konnten nicht darüber hinweg täuschen, dass sie sehr zierlich war und ein gutes Stück kleiner als A´kebur. Ihre Augen waren dunkel und scharf.

"Sonderbeauftragte des Senates, Centurionin N'alae el Jaihen ", erklärte sie.

"Willkommen auf der Enterprise, Centurionin N’alae el Jaihen. Ich bin Captain A´kebur", empfing A´kebur sie.

Sie nickte knapp. "Ich werde Sie während Ihres Aufenthaltes hier begleiten, Captain, außer in die neu eingerichtete Botschaft der Föderation."

"Ich verstehe, Centurionin N’alae el Jaihen. Darf ich Ihnen die Enterprise zeigen?", spielte A´kebur den Fremdenführer, ohne vorzuhaben, mehr als das Zehn Vorne zu zeigen. Er musste auf der Hut sein und sich überlegen, wie er die Romulaner auseinanderhielt. Die Frau konnte eine angesetzte Killerin sein, die die Verräter ausschalten sollte. Möglich war viel und er glaubte nicht an den irdischen Weihnachtsmann noch an das aldebaranische Irks.

"Es wäre mir eine Ehre", gab N’alae el Jaihen ungerührt zurück, und das Blitzen ihrer Augen verriet, dass sie wusste, was er dachte. "Der Senat des Romulanischen Reiches sendet außerdem seine Grüße, Captain." Es klang wie eine Warnung.

"Auch mir ist es eine Ehre und erlauben Sie mir, den Gruß zu erwidern." A´kebur machte eine einladende Geste und ignorierte den anerkennenden Blick des Transporteroffiziers auf den Hintern der Frau. Er nahm sich aber vor, dass interkulturelle Training für diesen Offizier wiederholen zu lassen, wobei die Betonung auf der sexuellen Interaktion lag und wie man es vermied, ein Messer am Hals zu haben, weil man sich in fremde Sphären bewegte.

In Zehn Vorne war nicht viel los. Er hatte einen entsprechenden Befehl gegeben, so dass er freie Bahn hatte.

Suahi kam zu ihrem Tisch, lächelte verbindlich und brachte Drinks; N’alae el Jaihen hob eine anerkennende Augenbraue angesichts des Originalromulanischen Selvra-Cocktails. A´kebur fand ihn zu bitter, aber der Alkoholanteil schlug sogar noch das Ale.

"Ein beeindruckendes Schiff, Captain", erklärte die Centurionin, "Ich bin sicher, dass einige Senatsmitgleider eine ausgiebigere Tour durchaus begrüßen würden; natürlich nur, wenn Sie gestatten."

"Ich bezweifle, dass die Mitglieder des Senats durch die Jeffriesröhren klettern wollen. Sie sind jedoch selbstverständlich als Gäste auf der Enterprise willkommen", meinte A´kebur. "Ich weiß nicht, was Ihre Pläne sind. Sie können jedoch auf der Enterprise Quartier nehmen. Ich kann Ihnen eines bereitstellen. Ihnen stehen natürlich in dem Fall alle Versorgungseinrichtungen zur Verfügung."

"Ich danke für das Angebot, aber der Weg zurück nach Romulus ist ja nicht so weit", gab sie leicht belustig zurück. "Ich möchte nur wissen, wann Sie hinunter zu beamen gedenken."

"Dann, wenn wir willkommen sind und die Verhandlungen nicht stören. Meine Offiziere sind Wissenschaftler. Sie sind daher ausgesprochen neugierig."

"Sie sind selbstverständlich eingeladen, unser Volk und unsere Kultur zu studieren. Zu Mr. Chioma in die Botschaft dürfen Sie jederzeit beamen, für alle anderen Bereiche muss ich zugegen sein. Der Senat tritt außerdem morgen Abend zu einer Sondersitzung zusammen, um weitere Details der Verhandlungen zu erörtern. Sie und Botschafter Chioma sind ebenfalls dazugebeten. Falls Captian Ilei von der Titan es wünscht, er ebenfalls."

A´kebur unterdrückte den Reflex sein Amüsement in seinem Gesicht Ausdruck zu geben. Die Romulaner waren süchtig nach diesem Wesen, unabhängig welchen Geschlechts, und bettelten geradezu von ihm umwickelt zu werden. "Wir werden da sein. Danke für die Instruktionen."

N’alae el Jaihen nickte. "Wenn Sie noch Fragen haben, Captain, stehe ich Ihnen jederzeit zur Verfügung. Aber ich muss noch auf ein sehr wichtiges Thema zu sprechen kommen, um jegliche Zweifel dahingehend zu beseitigen. Wir wissen, dass Sie zwei Romulaner hier an Bord haben, beides ehemalige Tal'Shiar-Agenten. Der Geheimdienst hat über den Senat die Herausgabe der beiden gefordert, um sie für ihre Pflichtversäumnisse zu bestrafen. Dass sie noch leben, kann nicht geduldet werden."

A´kebur lehnte sich zurück und lächelte minimal. "Ich habe keine ehemaligen Agenten des Tal'Shiar an Bord", sagte er leise und mit drohendem Unterton. "Ich habe jedoch einen Agenten des Tal'Shiar hier. Er befindet sich noch in der Ausbildung zum Telepathen und ist meines Wissens beurlaubt. Haben Sie weitere Fragen?"

N’alae el Jaihens Augen verengten sich. "Agent Koljar genießt als Halbvulkanier und offizielles Mitglied von Starfleet vielleicht Immunität, aber Centurio Tiaren Nevius nicht. Romulaner werden nicht beurlaubt, Sir. Sie tun ihren Dienst oder sie sterben. Und wenn Sie ihn weiterhin schützen, kann das zu sehr unangenehmen Spannungen für die weiteren Verhandlungen führen."

A´kebur lächelte. "Sie wollen also sagen, dass ein Agent auf Fortbildung sterben muss. Nun, ich fürchte, dass es einige Dinge gibt, die sich ändern werden. Außerdem sollten Sie nie wieder meinem Gefährten drohen."

N’alae el Jaihen zog die Augenbrauen hoch. "Ich wurde über diese, sagen wir, ungewöhnliche Geschichte informiert. Captain, bei allem Respekt: Sie haben kein Anrecht auf ihn. Er war zwar im Auftrag einer Person unterwegs, die keinerlei Autorität mehr dazu besitzt, aber das ändert nichts. Der Tal'Shiar will ihn zurück, ganz gleich, was der Senat vorher an Zugeständnissen gemacht hat."

A´kebur beugte sich vor und sah ihr fest in die Augen. "Was würden Sie wetten, wie zivilisiert ein Captain der Föderation ist, wenn Sie sich an dessen Familie vergreifen, und dieser Captain vulkanische und klingonische Gene in sich vereint? Sollten Sie auf meine Zurückhaltung hoffen, muss ich Ihnen sagen, dass Sie sich irren. Mir ist egal, welche Ansprüche der romulanische Geheimdienst gegenüber meiner Familie erhebt. Er hat sie zurückzustellen und verstauben zu lassen."

"Wenn das Ihre Antwort ist, Sir, werde ich Sie überbringen. Aber man wird sie nicht akzeptieren", erwiderte N’alae el Jaihen kühl und stand auf. "Ich rate Ihnen dringend, im Interesse der Verhandlungen Ihre persönlichen Vorlieben beiseite zu lassen."

A´kebur erhob sich ebenfalls und nickte. "Sie haben nicht die geringste Ahnung von meinen Vorlieben, Centurio, sonst hätten Sie diese Botschaft niemals überbracht. Sollten Sie zudem glauben, dass ich eine Wahl habe, so irren Sie sich einmal mehr. Es gibt viel zu verhandeln, doch nicht auf diesem Gebiet. Wagen Sie nicht, es zu betreten. Niemals! Es war mir eine Freude, Sie an Bord begrüßen zu dürfen. Auf gute Zusammenarbeit."

A´kebur sprach ohne Spott, aber mit unerbittlchen Blick. Er würde nicht zurückweichen in dieser Hinsicht.

Die junge Romulanerin zögerte für einen Moment, dann deutete sie eine Verbeugung an. "Ich überbringe nur die Botschaften. Falls Sie oder Ihre Offiziere nicht schon vorher Romulus besuchen wollen und Sie keine weiteren Fragen haben, dann erwarte ich Sie morgen Abend zur Senatssitzung."

"Meine Offiziere und ich werden da sein."

A´kebur brachte die Offizierin selbst zurück zum Transporterraum und überwachte, dass sie wieder zurückgebeamt wurde. Er hatte Recht gehabt: Sie war nur die Botschafterin. Nichtsdestotrotz hatte sie mehr überbracht als nur die reine Forderung. Man schien ihn zu unterschätzen und als einen Hund an der Leine zu betrachten. Es gab jedoch eindeutig Grenzen, deren Überschreitung er nicht dulden würde. Sie sollten es nicht einmal versuchen. Seine Karriere, auch seine Freiheit, waren ihm einerlei. Denn, sollten sie ihr Ziel erreichen, war er sowieso ein toter Mann.

A´kebur ging zurück zur Brücke und setzte seine Senioroffiziere über die Zusammenarbeit mit den Romulanern in Kenntnis. Die persönlichen Belange ließ er jedoch außen vor.

Lieutenant Commander Yamilu, Doktor McCoy und Counselor Troi äußerten den Wunsch, Romulus besuchen zu dürfen, um sich die Kultur näher anzusehen, würden aber in einer größeren Gruppe gehen und nicht alleine herumlaufen; die Gefahr, als Geiseln genommen zu werden, um die Herausgabe von Tiaren und Koljar zu erpressen, war einfach zu groß. A´kebur kontaktierte auch noch einmal Botschafter Chioma, um ihn von den neuesten Entwicklungen in Kenntnis zu setzen. Dieser sah sehr besorgt aus.

"Captain, das ist eine schwierige Angelegenheit. Wenn der Senat das Gehirn des Imperiums ist, so ist der Tal'Shiar wie ein Gehirntumor, der darauf drückt; will man ihn herausbohren, zerstört man alles. Sie hätten die Romulaner besser im Föderationsgebiet lassen sollen, aber dazu ist es nun wohl zu spät. Ich kann Ihnen nur raten, sich sehr gute Argumente einfallen zu lassen."

"Nun, es ist zu spät, sie zurückzubringen. Wir müssen mit den Konsequenzen leben. Ich hoffe jedoch, dass Sie ab sofort nicht ohne Absicherung auf dem Planeten bleiben. Es kann sein, dass Sie einen schnellen Rückzug einplanen müssen."

"Keine Sorge, Captain. Ich habe eine ständige Verbindung zur Titan und zudem Wachpersonal. Außerdem habe ich im Senat guten Rückhalt; im Zweifelsfall wende ich mich an Botschafterin Sokala. Sie steht zwar auch nicht über den Befehlshabern des Tal'Shiar, wer auch immer die sein mögen, aber sie will diesen Frieden, das weiß ich", erwiderte Chioma.

A´kebur nickte. "Dann kann ich uns nur Glück wünschen. Es kann sein, dass die Enterprise aufgrund dieser Ereignisse zeitweise Ihnen nicht mehr zur Verfügung stehen wird oder ihr Captain. Aber ich würde Ihnen gern eine Eskorte zur Seite stellen, doch ich weiß, dass Sie das ablehnen würden."

Der Botschafter lachte. „Wir kennen uns schon sehr gut, Captain und Sie haben recht. Ich werde zurechtkommen. Machen Sie sich keine Sorgen. Bis dann, Captain, und hoffen wir das Beste. Chioma Ende." Der Bildschirm wurde dunkel und zeigte wieder die wenig spannende Sicht des Raumdocks.

"Sir, ich lasse ständig Sicherheitsprotokolle laufen", erklärte Lieutenant Ch'Grawbil, "und meine Männer werden durchs Schiff patrouillieren. Außerdem empfehle ich, eingeschränkten Gelben Alarm aufrechtzuerhalten und unsere beiden romulanischen Gäste gesondert zu bewachen." Ihm war anzusehen, dass er es nicht schätzte, wegen zwei Verrätern sein Schiff so in Gefahr zu sehen.

"Tun Sie das!", gab ihm A´kebur die Erlaubnis. "Commander, es kann sein, dass ich zum Verräter werde. Sie werden in dem Fall umgehend das Kommando übernehmen und Crew sowie Schiff in Sicherheit bringen. Versuchen Sie auch das Diplomatenteam und den Botschafter mitzunehmen, sollte der Schutz der Titan nicht ausreichen." Er sah sie ernst an. "Ich habe keine Wahl, sollte der Geheimdienst Mr. Tiaren in die Finger bekommen."

Commander Aera nickte ernst. "Sir, soweit wird es nicht kommen. Wir werden unsere beiden Gäste an Bord nicht aus den Augen lassen; die Romulaner werden es nicht wagen, uns offen anzugreifen. Es sind leere Drohungen."

A´kebur lächelte. "Commander, wir werden sehen. Es mag sein, dass die Romulaner Frieden wollen, aber sie sind leider auch schizophren."

"Ich fürchte, wir müssen hier vor allem unterscheiden zwischen dem Senat und den Tal'Shiar. Oder besser, dem Senat und dem Senat, der dem Tal'Shiar befiehlt. Von irgendwoher müssen diese ja ihre Anweisungen entgegennehmen, und die ganze Tradition der Romulaner ist streng hierarchisch", mischte sich nun der Counselor ein, "sie schätzen Stärke und beugen sich der Übermacht; nicht demjenigen, der am festesten zuschlägt, sondern dem, der am Ende trotz des Schlages noch steht, weil er ihm ausweichen konnte. Sie haben eine Herausforderung erhalten, Captain, und die ganze Föderation wird danach beurteilt werden, wie Sie handeln, fürchte ich."

"Das sehe ich auch so, Captain", meinte Lieutenant Commander Yamilu, "die Geschichte der Romulaner zeigt es immer wieder. Sie lieben Spiel mit der Macht, aber weitaus subtiler als beispielsweise die Klingonen, wenn Sie den Vergleich verzeihen."

"Nein, ist schon in Ordnung", winkte A´kebur ab. "Sie denken also, dass das hier der andere, inoffizielle Teil der Verhandlungen ist, der für den Frieden zwischen Romulus und der Föderation entscheidend ist. Wir spielen das Spiel auf mehr als einer Ebene. Wie im Schach. Wenn es uns gelingt, die Dame und den König zu schützen und sie in den Schachmatt zwingen, wird ein Vertrag unterzeichnet."

"So in etwa. Natürlich spielen wir hier ein Spiel mit, dessen Regeln wir nicht immer durchschauen können. Aber vielleicht ergibt sich auch noch die Möglichkeit, den Spieß umzudrehen", überlegte Aera, "das ist etwas, das wir nicht vergessen sollten, Sir."

A´kebur ließ sich in seinen Sessel gleiten. "Wir können nur gewinnen, wenn wir die Regeln bestimmen, Commander", gab er zu bedenken. "Ich habe damit schon angefangen und die Herausforderung angenommen. Die Botschaft wird gerade überbracht."

"Dann heißt es abwarten, was sie tun werden", schloss Troi. "Wen gedenken Sie zur Senatssitzung mitzunehmen, Sir?"

"Ich werde nicht abwarten. Wir werden jetzt hinunter beamen. Der Verbindungsoffizier dürfte sich freuen. Sie werden mitkommen, Mr. Troi, Dr. McCoy, Lieutenant Commander Yamilu und Lieutenant Commander Delacroix. Außerdem Lieutenant Pawitschek und Lieutenant Caroll."

"Sir, ich sollte besser auch mitkommen", wandte Ch'Grawbil ein, "und Sie sollten mindestens zwei weitere Sicherheitsleute mitnehmen."

"Sie haben Recht, Mr. Ch'Grawbil, aber ich würde weniger um meine Sicherheit mir Sorgen machen, wenn ich die beiden Brüder unter Ihrer Bewachung weiß. Geben Sie mir Ihre besten Offiziere und bleiben Sie hier."

Der Rigelianer war nicht begeistert, erwiderte aber steif: "Aye. Ich ordere sie in den Transporterraum. Seien Sie vorsichtig, Sir."

"Das werden wir sein. In einer halben Stunde mit Galauniform im Gepäck sowie Stufe 1 Bewaffnung im Transporterraum 1." A´kebur erhob sich. "Packen Sie auch Zahnbürsten ein. Wir werden ein paar Tage auf Romulus bleiben."

"Sir, Sie sollten besser abends wieder hochbeamen, das ist sicherer", gab Ch'Grabil zu bedenken.

A´kebur bedachte ihn mit einer hochgehobenen Augenbraue. "Das wäre logisch, Mr. Ch'Grawbil."

Das faltige Gesicht des Rigelianers schien noch mehr zu verknautschen. "Sir", brummte er. Aber auch seine anderen Offiziere schienen diesem Befehl nicht so ganz folgen zu können.

A´kebur brummte unbestimmt und seufzte stumm. "Ich gehe davon aus, dass unter Umständen der Weg zurück versperrt ist, meine Damen und Herren. Sie sollten darauf vorbereitet sein", erklärte er sich.

Das leuchtete ein, auch wenn diese Eventualität unwahrscheinlich schien, hatten sie doch Kommunikatoren und bestand doch McCoy darauf, ihnen allen einen winzigen Sender unter die Haut zu spritzen, mit dem man sie im Notfall orten konnte. Die Vorbereitungen dauerten nicht lange, und schließlich fanden die neun Starfleetoffiziere in der hellen Empfangshalle der Föderationsbotschaft wieder. Botschafter Chioma kam auf sie zu und schüttelte A´kebur die Hand. "Es tut gut, Sie in Persona hier zu sehen, Captain. Willkommen auf Romulus."

"Danke, Botschafter. Ich bin froh, Sie bei guter Gesundheit zu sehen. Wie es scheint, haben Sie sich schon erfolgreich häuslich einrichten können." A´kebur sah sich kurz um. Es gab noch Provisorien, aber im Prinzip war die Botschaft vollständig, autark und einsatzfähig. "Die Romulaner scheinen uns wirklich willkommen heißen zu wollen."

"Ja, das tun sie. Aber es reicht, wenn einige wenige mit Macht querschießen." Der alte Mann seufzte. "Aber kommen Sie, ich zeige Ihnen die Anlage."

A´kebur gab seinen Leuten die Erlaubnis, sich selbst ein wenig umzuschauen. Jeder würde ihm dann ein anderes Detail berichten, so dass ein vollständiges Bild der Lage entstehen würde. Er selbst unterhielt sich mit dem Botschafter und sammelte selbst Informationen. Er glaubte nicht, dass Chioma auch nur ahnte, wie gefährlich seine Situation in den letzten Stunden geworden war. Er wusste, dass seine Arbeit gefährlich war, aber im Moment befanden sie sich allesamt auf der Speerspitze von Fanatikern.

Und ihre wirklichen Gegner kannten sie nicht einmal und würden sie auch wohl nie zu Gesicht bekommen. Was Toran betraf, so schien der im Augenblick als Nebensache. Wichtig war nur, die Verhandlungen zu retten. A´kebur saß bereits eine Weile mit dem Botschafter in dessen Büro, als dieser die Nachricht erhielt, sein Besuch sei da.

"Kommen Sie, Captain. Vielleicht haben wir hier jemanden, der uns weiterhelfen kann", meinte der alte Mann und stand auf, um das Büro zu verlassen. In der Eingangshalle stand eine Frau in einem langen Umhang. Als sie die Kapuze zurückschlug, erkannte A´kebur sie: Es war Botschafterin Sokala, Tiarens Mutter. Ihr Gesicht, eine Maske kühler Arroganz, wirkte auf merkwürdige Weise gealtert. Auf eine unbestimmte Art besorgte das A´kebur, aber er ließ sich nichts davon anmerken. Vor dieser Frau sollte man besser immer auf der Hut sein. "Botschafterin", grüßte A´kebur sie jedoch höflich.

Sokala neigte leicht den Kopf. "Captain A´kebur. Botschafter, wenn Sie erlauben, würde ich gerne mit dem Captain alleine sprechen."

Chioma nickte verwirrt. "Natürlich. Kommen Sie doch bitte mit."

A´kebur gab seinen Leuten unauffällig ein Zeichen und ging dann mit. Der Botschafter brachte sie in sein eigenes Büro und verließ sie dann. "Botschafterin Sokala, was möchten Sie mit mir besprechen?"

Die Romulanerin setzte sich. "Centurionin N’alae el Jaihen hat Ihnen sicher schon die Angelegenheit unterbreitet, dass der Tal'Shiar Tiaren haben will. Der Senat, nun, genauer gesagt, ich bin nicht unbedingt mehr der Meinung, dass eine Exekution nötig ist."

A´kebur war versucht nachzuhaken, aber er legte nur seine Hände auf den Rücken und betrachtete sie.

"Sie denken sicher, dass meine Absicht, den Frieden zu unterstützen, nur weitere Pläne verdeckt, die ich nicht offenbare. Aber ich hatte Zeit, nachzudenken und es ist wohl das Beste, wenn ich ihnen mehr erzähle. Zum einen betrifft es den Tal'Shiar und zum anderen Toran. Es ist … " Ein leises Klirren ertönte vom Fenster her, und Sokala verstummte abrupt. Wie in Zeitlupe sank sie vom Stuhl.

"Captain, ist Ihnen etwas passiert?" Die Tür ging auf und die zwei Sicherheitsleute platzten herein. "Das Sicherheitsperimeter sind durchbrochen worden, aber die Sensoren zeigten es zu spät an!"

A´kebur kniete sich wortlos neben Sokala. "Botschafterin", flüsterte er und berührte ihre Schläfen. Er fühlte, wie das Leben aus ihr wich. Es war, als wollte er Wasser mit offener Hand schöpfen. "Sokala", rief er, "Ihr Sohn …

"Tiaren", wisperte sie, "verzeih mir, Tiaren … er ist … Toran ist …" Dann schlossen sich ihre Augen langsam, und ein dünner Faden Blut rann aus ihrem Mundwinkel. Sokala war tot und A´kebur prallte wie von einer Wand gestoßen zurück. Keuchend setzte er sich auf den Boden und schloss die Augen. "Hat jemand den Mörder?", fragte er leise. "Hat ihn jemand gesehen?"

"Nein, Sir. Es muss ein Scharfschütze von einem der weiter entfernten Gebäude im Nordwesten gewesen sein. Botschafter Chioma verständigt soeben den romulanischen Sicherheitsdienst."

Augenblicke später kam auch Doktor McCoy herein und untersuchte die Tote, wobei er genaue Aufzeichnungen mit dem Tricorder machte. "Ein gezielter Schuss ins Herz mit einem Mikroprojektil, das offenbar mit einem starken Nervengift getränkt war", erklärte er. "Hat sie noch etwas gesagt, was uns weiterhelfen könnte, Sir?"

"Nein, Doktor, bitte lassen Sie mich mit ihr allein. Ich muss jemanden kontaktieren. Finden Sie den Mörder. Der nächste Schachzug liegt bei uns, und Dr. McCoy, werfen Sie mir keine vulkanische Gleichgültigkeit vor."

McCoy ließ zischend die Luft aus seinen Lungen entweichen und ging mit den anderen Offizieren hinaus. A´kebur stellte sich direkt ans Fenster und sah hinaus. Es war ein geringes Risiko, dass man ihn erschoss. Er wandte sich ab und hockte sich wieder neben Sokala. "Tiaren", flüsterte er und öffnete seinen Geist.

Nach einigen Augenblicken spürte er die Antwort in seinem Kopf; beinahe zögerlich, als glaubte Tiaren nicht, dass A´kebur ihn tatsächlich auf diese Weise kontaktierte. Was ist los, A'kebur?, fragte er, während er über die Verbindung den Aufruhr spürte.

A´kebur öffnete wieder seine Augen und sah auf Sokala. Deine Mutter ist ermordet worden, erklärte er, sie hat dich um Verzeihung gebeten.

Für einen Moment spürte er bei Tiaren einen scharfen, schmerzhaften Stich, dann schob der junge Romulaner diese Gefühle in die hinterste Ecke seines Herzens.

Das hätte ich nicht erwartet. Aber sieh zu, dass du da rauskommst. Man wird es dir garantiert in die Schuhe schieben wollen!, warnte er A´kebur.

Es ist eine romulanische Waffe. Keine der Föderation. Ich bin mit einem Phaser bewaffnet. Aber danke für die Warnung, bitte sei selbst vorsichtig. Dein Kopf ist hier sehr beliebt. Sokala hat mich wahrscheinlich warnen wollen. Ihre Seele ist gegangen, ich kann sie nicht mehr spüren. A´kebur erhob sich und verließ das Büro. Seine Offiziere nahmen ihn in Empfang, ohne ihn auf seinen abwesenden Blick anzusprechen. A´kebur wollte Tiaren die Entscheidung überlassen zu gehen. Doch dieser unterbrach de Verbindung noch nicht: Wenn das eine Falle war, dann wird man es zurecht drehen, dass du schuld bist. Ich kenne die Methoden des Tal'Shiar! Sie machen das, um die Verhandlungen zu stören und um mich zu bekommen! Also beam gefälligst zurück!

"Captain, der Romulanische Sicherheitsdienst ist da." Botschafter Chioma sah entsetzt aus. "Sie verlangen, dass Sie herauskommen, andernfalls verlöre die Botschaft ihren Status als Boden der Föderation!"

Ehe A´kebur antwortete, standen hinter ihm die Sicherheitsleute. "Wir kommen heraus. Die Botschaft muss auf jeden Fall neutral bleiben. Außerdem sollten Sie, Botschafter, den Herren klar machen, dass der Status einer Botschaft nach dem Vertrag keine beliebige Angelegenheit ist."

"Ich kümmere mich darum, Captain. Das hier werde ich nicht einfach hinnehmen. Passen Sie auf sich auf!"

Als A´kbur mit seinen Offizieren und den Sicherheitsleuten vor die Botschaft trat, erwarteten ihn ein Dutzend schwer bewaffneter Romulaner und Centurionin N’alae el Jaihen. Ihr Gesicht verriet nichts.

"Captain A´kebur, wir müssen Sie bitten, mit uns zu kommen und Ihre Leute ebenfalls. Außerdem haben wir einen Durchsuchungsbefehl der Botschaft, um die Tatstelle zu sichern."

"Von was reden Sie, Centurionin N’alae el Jaihen?", fragte Captain A´kebur sie erstaunt spielend. Er wandte sich an seine Offiziere. "Was haben Sie gemeldet?", fragte er.

"Wir haben einen Zwischenfall gemeldet, Sir, weiter nichts", erwiderte der Lieutenant verwirrt, "der Botschafter hielt uns davon ab, Einzelheiten zu nennen."

N’alae el Jaihen verengte die Augen. "Leugnen nützt nichts, Captain. Wir erhielten die Meldung, dass ein Attentat auf Botschafterin Sokala verübt wurde."

"Die Frage ist, von wem Sie diese Information erhielten, Centurionin N’alae el Jaihen. Sie erhielten sie nicht aus der Botschaft, was bedeutet, dass entweder Sie oder der, der Sie darüber informiert sehr genau wusste, was vorgefallen ist. Tatsächlich ist es so, dass ein feiger Attentäter die Botschafterin ermordet hat. Ein Schuss ins Herz mit einer Projektilwaffe. Der Botschafter wird Ihnen die Möglichkeit geben, den Tatort zu untersuchen. Ich warne Sie jedoch, den Status der Botschaft zu missachten und noch einmal zu drohen, dass Sie das tun werden. Ich erwarte Sie nach der Untersuchung auf der Enterprise. Sie werden mir Bericht erstatten." A´kebur berührte seinen Kommunikator.

Ein Dutzend Waffen wurden entsichert. "Tut mir leid, Captain, aber bis auf Weiteres kann ich ihnen nicht gestatten, den Planeten zu verlassen. Bitte geben Sie mir Ihre Waffen und Kommunikatoren", forderte N’alae el Jaihen ihn auf.

A´kebur lächelte. "Erschießen Sie mich!", forderte er sie auf, "Enterprise, Bodenkommando hochbeamen."

"Captain, seien Sie vernünftig! Wenn …" Den Rest von N’alae el Jaihens Protest hörte A´kebur nicht mehr, als er sich in Transporterenergie auflöste. Dann tauchte die Enterprise um ihn herum auf. In den Korridoren dröhnte bereits der Rote Alarm, und Commander Aera kontaktierte ihn. "Captain, der Botschafter informierte uns gerade. Ich habe noch eine Nachricht ans Flottenkommando abgesetzen können, bevor man den Subraumfunk störte", berichtete sie.

"Behalten Sie den Alarm bei, die Waffen in passiver Bereitschaft, der Antrieb auf Null. Ich komme auf die Brücke und ich möchte einen Kanal zum Senat. Lassen Sie unsere Verbindungsoffizierin mithören. Auch den Botschafter", befahl er.

Überall ertönte eine "Aye, aye, Sir!"

A´kebur war zufrieden, auch wenn er innerlich kochte, weil man vor seinen Augen jemand getötet hatte, ohne dass er hatte eingreifen können. Mit ausgreifenden Schritten eilte er zur Brücke. Dort angekommen, war bereits eine Konferenzschaltung erstellt: Botschafter Chioma, Centurionin N’alae el Jaihen, die nun sichtlich ärgerlich aussah, und einen mittelalten Romulaner mit kühlem Gesicht in langer Robe. "Captain A´kebur, ich bin Senator Velkos, Stellvertretender Vorsitzender des Romulanischen Senates. Ihnen ist hoffentlich klar, dass Ihre Flucht einen Eklat darstellt?"

"Captain A´kebur hatte mit dem Attentat nichts zu tun!", erklärte Chioma sofort, "Der Schuss kam aus weiter Entfernung von einem anderen Gebäude."

"Das wird noch zu klären sein", fuhr Velkos fort, "Tatsache ist jedoch, dass Captain A´kebur mit der Botschafterin alleine war. Der Senat wusste zudem nichts von Ihrem Besuch in der Botschaft. Was wollte sie dort?"

A´kebur ließ sich in den Sessel sinken und betrachtete die so unterschiedlichen Charaktere. Er räusperte sich. "Soweit mir die Verbindungsoffizierin mitteilte, bräuchte ich keine Erlaubnis, um mich in der Botschaft aufzuhalten. Außerdem ist das Gelände vorläufiges Föderationsgebiet, bis der Status entgültig festgeschrieben steht. Ich war allein mit der Botschafterin. Der Schuss kam vom gegenüberliegenden Gebäude. Die Botschafterin sank so zu Boden, wie sie dort lag. Ich bin nicht geflohen, ich lasse mich jedoch auch nicht wie ein Verbrecher behandeln. Die Centurionin kam, weil sie die Information erhielt, dass ich die Botschafterin getötet hätte. Diese Information konnte sie nicht aus der Botschaft erhalten haben, was darauf schließen lässt, dass sie diese von jemandem erhielt, der über das Attentat Bescheid wusste. Der Auftraggeber vielleicht?"

N’alae el Jaihen sah verwirrt aus. "Ich stelle die Befehle meiner Vorgesetzten normalerweise nicht in Frage", erklärte sie steif.

Velkos sah nachdenklich aus. "Nun, in dem Fall kann es nur der Geheimdienst gewesen sein, der das Attentat beobachtete und meldete. Sie denken doch nicht im ernst, dass die Botschaft nicht von außen überwacht würde."

Der Einwand gefiel nun Chioma gar nicht. "Habe ich auch noch Wanzen in den Wänden, Senator?", fauchte er.

Der Romulaner war nach Meinung von A´kebur zusammengezuckt. Ein Mensch konnte diese Geste jedoch kaum bemerkt haben. "Finden Sie heraus, wer den Auftrag vergab, und wer der gedungene Mörder ist. Botschafterin Sokala war die Mutter von Tiaren und ich werde ihm jetzt die Nachricht überbringen, dass sie heimtückisch und feige ermordet worden ist."

"Wir werden uns natürlich um die Aufklärung der Tat bemühen, Captain", versprach Velkas, "aber das ändert nichts an der Tatsache, dass die Umstände sehr verdächtig sind. Die geplante Sitzung wird morgen stattfinden, und zur Beisetzung der Botschafterin gewähren wir ihrem Sohn freies Geleit. Mehr Zugeständnisse kann ich nicht verantworten."

"Es tut mir leid, aber ich werde Mr. Tiaren nicht zur Beerdigung auf den Planeten lassen. Ich vermute, der Mord war nur Mittel zum Zweck." A´kebur atmete flach, weil ihm kalt wurde.

Velkos nickte. "Ihre Entscheidung. Ich halte auch nichts davon, die Dinge zu überstürzen, aber der Senat ist, sagen wir, in einigen Dingen geteilter Meinung. Es widerspricht unserer Überzeugung, Tiaren lebendig zu sehen, aber ich bin, wie Botschafterin Sokala, geneigt, seine Existenz zu übersehen, sofern er keine Staatgeheimnisse ausplaudert. Der Geheimdienst sieht das anders."

"Danke für Ihre Offenheit, Senator. Aus diesen Gründen werde ich bei meiner Entscheidung bleiben. Ich erwarte die Ergebnisse der Untersuchung, Enterprise Ende." A´kebur ließ die Verbindung kappen und sah dann zu N’alae el Jaihen. "Sie sind mein Verbindungsoffizier. Es lag an Ihnen, mich davor zu warnen. Aber Sie scheinen es zu bevorzugen, falsch zu spielen. Ich werde um einen anderen Offizier bitten."

"Sir, ich versichere Ihnen, dass ich nur im Auftrag des Senates handele und mir nichts daran liegt, Sie in dieser Angelegenheit zu belügen", erklärte die junge Frau. "Wenn Sie tatsächlich nichts mit Sokalas Tod zu tun haben, bitte ich um Verzeihung."

"Klären Sie die Hintergründe, dann sind wir quitt, Enterprise Ende." Als ihr Gesicht verschwand, sah er den Botschafter an. "Es tut mir leid, dass Sie diese Umstände haben. Aber ich denke, es ist von großem Vorteil, über die Verseuchung Ihrer Büros zu wissen. Vorerst werde ich erst einmal nicht auf den Planeten beamen. Jedoch werde ich morgen vor den Senat treten. Die Föderation darf nicht feige wirken. Ich werde auch der Botschafterin meine Referenz erweisen."

"Natürlich, Captain. Und mir war schon klar, dass wir überwacht werden, jedoch nicht in solchem Ausmaß. Damit macht sich das Imperium verwundbar und sie werden hier nichts Nützliches erfahren haben." Der kleine alte Mann sah entschlossen aus. "Ich trauere sehr um Botschafterin Sokala. Sie war eine mutige Frau, die auch Fehler einsehen konnte, ein Charakterzug, der den meisten Romulanern fehlt. Doch ihr Tod war sicher nicht umsonst. Senator Velkos hat vorher nie so klar Stellung bezogen."

"Der Preis dafür ist hoch. Danke Botschafter, ich werde Sie auf dem Laufenden halten. Enterprise Ende." A´kebur lehnte sich zurück und sah bekümmert ins Leere. Er hatte Sokala wirklich nicht gemocht. Aber er war nie auf die Idee gekommen, sie zu töten. Sie war eben eine Diplomatin gewesen. Commander Aera riss ihn aus seinen Gedanken. "Weitere Befehle, Sir, oder sollen wir erst einmal abwarten?"

A´kebur sah zu ihr auf. "Den Alarm zurückstellen auf Gelb. Die Posten sind zu verdoppeln. Ich will innerhalb von Minuten außerhalb der Reichweite dieses Planeten sein, wenn es sein muss. Lassen Sie zudem den Botschafter und seine Leute nicht aus den Augen. Ich will sie jederzeit an Bord beamen können. Die Waffen müssen innerhalb von Sekunden einsatzbereit sein. Darüber hinaus werde ich jetzt, Mr. Tiaren mein Beileid aussprechen. Übernehmen Sie bitte das Kommando."

"Aye, aye Sir", erwiderte Commander Aera.

Sie winkte Lieutenant Ch'Grawbil, um ein derartiges Manöver zu planen. Immerhin waren sie an die Station angedockt, wie auch die Titan, sodass auch Captain Ilei eine verschlüsselte Nachricht zu erhalten hatte. Sie würden nur gemeinsam eine Chance haben, im Notfall die Station zu zerstören und die Flucht zu ergreifen. Aera hoffte jedoch inständig, dass das nicht nötig sein würde.

A´kebur brauchte nicht einmal den Summer an Tiarens Tür betätigen, als dieser ihm schon öffnete. Beinahe grob wurde er ins das Quartier gezogen und Tiaren umarmte ihn fest und wortlos. A´kebur wusste nicht, ob er gehalten wurde oder ob Tiaren sich an ihm festhielt.

Minuten bewegten sie sich nicht, bis Tiaren sich wieder gefangen hatte. "Sie hat dir verziehen. Sie muss dir schon vor langer Zeit verziehen haben. Aber sie konnte dich nicht zurückholen", erzählte A´kebur ihm leise.

Nur zögernd ließ Tiaren ihn los und nickte. "Ich … hatte schon mit ihr abgeschlossen, genau, wie ich mit Toran abgeschlossen hatte. Aber es ist gut zu wissen. Ich hatte vor allem Angst um dich, Captain. Wenn sie dich festgenommen hätten, wäre ich auf der Stelle heruntergebeamt."

"Und dann? Unsinn. Kurzsichtige Handlungen stehen einen Agenten nicht an. Ich bin mit einem kompletten Landeteam unten gewesen und wusste, was auf mich zukam. Bis auf die Tatsache, dass es mittels eines Mordes geschehen sollte. Nein, mir war bewusst, dass ich unsere Feinde herauslocken würde. Und sie mussten innerhalb der eigenen Reihen Gesicht zeigen."

"Ich glaube nicht, dass sie sich wirklich haben blicken lassen", erwiderte Tiaren, "und wenn du wirklich den Tal'Shiar gegen dich hast, sollten wir verdammt gute Pläne haben."

"Wir? Ich!", stellte A´kebur rigoros fest. Er wich zurück und verschränkte die Arme.

"Und wie sehen die aus?"

"Dich raushalten und damit Toran hervorlocken. Wenn ich mir mit dir schon den Geheimdienst auf das Schiff hole, will ich auch Erfolg."

Tiaren zog eine Augenbraue hoch. "Entschuldige vielmals, dass ich mein offizielles Rücktrittsgesuch nicht einreichen konnte. Und ich fürchte, ich kann dir auch nicht viel sagen, was dir weiterhelfen könnte. Für die Interna des Tal'Shiar war ich nicht weit genug in ihren Rängen, und selbst wenn, würde ich mich nicht weiter ins Schussfeld rücken, in dem ich das Imperium verrate. Nur soviel: Es geht denen ums Prinzip."

"Und mir auch, Tiaren. Mir auch. Ich werde weder die Föderation noch die Enterprise oder gar mich an der Nase herumführen lassen. Der Tal'Shiar soll sich heraushalten. Er kann nur sein Gesicht verlieren."

"Ich fürchte, du weißt nicht, mit wem du dich da anlegst, Captain. Sie sind zu allem fähig, auch einen Krieg vom Zaun zu brechen, nur um zu zeigen, dass sie es können. Und ohne dabei in Erscheinung zu treten."

A´kebur hob eine Augenbraue. "Ich bin kein Grünschnabel", sagte er nur. "Ich wollte dir aber noch sagen, dass ich dich leider nicht zur Beerdigung deiner Mutter gehen lassen kann. Wenn das hier vorbei ist, könnte es vielleicht sein, dass selbst der Tal'Shiar dich für die Zeit am Grab deiner Mutter vergisst. Es tut mir leid."

"Das macht nichts. Es ist nur ein Ritual; die Seele meiner Mutter ist bei ihren Ahnen im Vorta'Vor. Sie würde es verstehen." Tiaren zögerte. "Hast du noch etwas Zeit?"

A´kebur zuckte unbestimmt mit der Schulter. "Ich glaube nicht, dass meine Offiziere mich vermissen. Sie werden versuchen meine Befehle mit Sinn zu füllen und ein Manöver zu planen, um hier fortzukommen. Ich hätte eine Möglichkeit, aber das werde ich nur sagen, wenn wir keine Zeit mehr haben."

"Zuschlagen und Weglaufen ist ein Manöver, dass wir Romulaner erfunden haben; indem Spiel schlägst du uns nicht", warnte Tiaren nur halb im Scherz, dann wurde er wieder ernst. "Bleib einfach etwas hier, ja?"

A´kebur blinzelte. Er hatte nicht erwartet, dass es nur um seine Anwesenheit ging. Er blieb jedoch und setzte sich in einen Sessel, um Tiaren Gesellschaft zu leisten.

Dieser musterte ihn. "Warum ist das so überraschend, dass ich einfach die Zeit mit dir verbringen will, die uns noch bleibt?"

"Ich habe nicht vor zu sterben", meinte A´kebur. "Ich habe aber auch nichts dagegen. Ich muss nur zugeben, dass ich nicht genau weiß …"

"Du weißt was nicht?"

"Bitte entschuldige meine Unzulänglichkeiten. Dein Anspruch auf mich- Ich will ein neues Leben beginnen und vergessen, was war. Verzeihen, dass mit dem Tod von Etienne auch etwas von mir mit ihm ging."

"Ich mache dir keinen Vorwurf. Aber erinnerst du dich, was war, als wir gemeinsam auf Vulkan waren? Als wir erfuhren, dass unsere Verbindung nicht einmal mehr gereinigt werden musste, weil wir das ganz allein geschafft hatten? Du hast mir damals etwas versprochen. Und ich weiß inzwischen, dass du es nicht halten kannst." Tiaren beugte sich zu ihm. "Es soll mir recht sein. Aber wenn wir schon gemeinsam in dieser misslichen Lage sind, können wir ja wenigstens so tun, als wären wir zwei zivilisierte Personen, die sich nett unterhalten."

A´kebur senkte den Kopf. "Klingonen entschuldigen sich nicht und Vulkanier vermeiden Situationen, in denen Entschuldigungen notwendig sind", sagte er, "manchmal träume ich und ich weiß nicht mehr, was ich geträumt habe. Deine Nähe gibt mir nicht den Ausgleich, dass ich entweder weiß, was ich träume oder dass ich die Träume einfach vergessen kann. Du hast Recht, wenn du sagst, dass du nicht Etienne bist. Manchmal wünschte ich mir, dass du es bist, manchmal erfüllt mich Angst, dass du es sein könntest."

"Ist das wirklich so wichtig für dich? Überlege dir einmal, warum du Etienne geliebt hast. Was war dir an ihm wichtig? Ich muss zugeben, es gibt Momente, und sie werden immer häufiger, da kann ich von ihm nicht in der dritten Person sprechen. Da sind Erinnerungen, klar und scharf, in meinem Kopf, von denen ich genau weiß, dass sie nicht meine eigenen sind. Und doch sind sie meine. Es lässt sich nicht mehr trennen." Tiaren zögerte, dann fuhr er fort: "Ich weiß, dass du nie mit ihm abschließen konntest, weil immer ein Teil von ihm in dir weiterlebte. Aber diesen Teil habe ich jetzt. Du kannst es beenden."

"Und, was ist mit dir, Tiaren?", fragte A´kebur und sah auf. "Was ist mit Tiaren? Dem Agenten des Tal'Shair, dem Racheengel seines Vaters. Was ist mit ihm?"

"Ich weiß es nicht. Diese Person war nie vollständig, wenn ich jetzt zurückblicke. Nie mit eigenem Willen und eigenen Wünschen, nur geimpft mit Hass und Grausamkeit, genetisch verändert als Spielfigur geheimer Pläne. Ich glaube nicht, dass du dir vorstellen kannst, was ich getan habe, und du willst es auch nicht. Alles diente nur dem Imperium und Toran, ohne zu begreifen, dass das nicht das Gleiche ist. Etiennes Seele hat ihn überhaupt erst zum Leben erweckt." Tiarens Augen schimmerten wie geschmolzenes Gold, als er A´keburs Blick erwiderte. "Und mit diesem Leben war untrennbar das Verlangen nach dir verbunden. Der Wunsch, dich glücklich zu sehen."

A´keburs Lippen bewegten sich stumm, bis ihm die Worte über die Lippen gelangten: "Ich hasse dich", wisperte er, "Die Vorstellung, dass du-" A´kebur erhob sich abrupt. "Ich werde nichts mehr sagen. Es ist zuviel gesagt!", stieß er hervor.

"Du hast gefragt", gab Tiaren leise zurück. "Und ich habe gesagt, es tut mir leid und ich will versuchen, es wieder gut zu machen. Geh zurück auf die Brücke, Captain, und sieh zu, dass du deine Föderation rettest. Wir klären das, wenn der Zauber hier vorbei ist. Ich bleibe brav hier und halte die Barriere aufrecht."

A´kebur schoss Blut in die Ohren, ob aus Scham oder aus Wut konnte er nicht einmal sagen. Mit abgehakten Bewegungen jedoch riss er sich aus seiner Erstarrung und floh dann fast. Er wollte nicht darüber nachdenken und er wollte nicht darüber reden. Er wollte gar nichts. Vergessen! Eine Alternative gab es nicht. Statt zur Brücke ging er jedoch in sein Quartier. Er vergewisserte sich, dass der Status unverändert war und bestand darauf, dass er in einer halben Stunde einen Bericht bekam. Die Zeit wollte er zur Meditation nutzen, bevor in ihm etwas zusammenbrach, was er mühsam aufrechterhalten hatte.

Tiaren hingegen blieb noch eine Weile bewegungslos sitzen, dann fasste er einen Entschluss. So wie es aussah, hatte er nur noch eine Möglichkeit. Er hätte lieber darauf verzichtet, aber wie die Dinge standen, gab es keine Alternative. Er stand auf und ging zum Computerzugang. Mit flinken Fingern gab er eine Reihe von Codes ein und stellte eine sichere Verbindung zur romulanischen Raumstation her, die er unter einer Flut von anderen Daten versteckte. Entlang dieser Verbindung schickte er zwei Dinge: Das eine war ein Befehl mit Zeitverzögerung, innerhalb der nächsten Stunden einen ganz bestimmten Code an die Enterprise und die Titan zu schicken. Das andere war eine verschlüsselte Nachricht an den Tal'Shiar. Sie enthielt nur vier Worte. "An Toran: Auftrag ausgeführt."

 

Tiaren erwartete den nächsten Tag und sah es mit seiner antrainierten distanzierten Professionalität, wie der Captain der Enterprise das Schiff mitsamt seinen Offizieren verließ, wobei er seine Erste Offzierin, Sicherheit und Maschinenmannschaft an Bord ließ. Nicht einmal Dr. McCoy kam mit. Die Enterprise war abflugbereit.

Oder wäre es gewesen, wenn die Sicherheitssysteme der Station nicht auf sie und die Titan gerichtet gewesen wären. Nach wie vor war eine Flucht mit Gewalt sehr riskant, und der Gelbe Alarm war weiterhin aktiv. Das erschwerte die Sache, aber Tiaren hatte seine Ausbildung nicht umsonst genossen. Weder die bei den Romulanern noch die bei den Vulkaniern. Nach wie vor durfte er sich im Schiff frei bewegen, wenn ihn auch Sicherheitsleute begleiten sollten. Doch diese hatten nicht mit einem vulkanischen Nervengriff gerechnet. Tiaren sah sich im augenblicklich leeren Flur um und zog sich dann in einem Zug in eine Jeffriesröhren. Von da aus kletterte er drei Ebenen nach unten zu den wenig gesicherten Frachträumen. Die Transporter dort würden es auch tun.

Tiaren lenkte Ch'Grawbils hervorragende Sicherheitsprogramme auf einige Unregelmäßigkeiten im Maschinenraum und programmierte dann den Transporter so, dass dieser das eingegebene Ziel nach Ausführung löschte, sobald er auf dem Planeten war. Noch einmal sah Tiaren zur Tür, doch niemand hatte bisher etwas gemerkt. Und sein schlimmster Feind in dieser Sache würde auch gleich ausgeschaltet sein. Der junge Romulaner gab den Befehl zum Beamen ein und stellte sich dann auf die Plattform. Die Enterprise um ihn herum verschwand und wich kargen, dunklen Wänden und Containern. Das Hauptquartier der Tal'Shiar war kein Zielort, zu dem man sich direkt beamen konnte, aber das war ihm nur recht. Von dieser Lagerhalle aus war es nicht weit und im Augenblick war es besser, wenn ihn niemand sah und hörte.

Tiaren atmete tief durch und ballte die Fäuste. Dann löste er die Barriere, die er die ganze Zeit für A´kebur aufrechterhalten hatte, mit einem Schlag und ertränkte diesen in den eigenen Gefühlen. Erleichterung und gleichzeitiger Schmerz durchströmte Tiaren. "Es tut mir leid", wisperte er in die Dunkelheit, griff nach dem geistigen Band, das er rotglühend in seinem Hinterkopf spürte und durchtrennte es mit einem einzigen, sauberen Hieb. Die Dozenten an der vulkanischen Akademie hatten in der Theorie davon gesprochen, wie im Notfall ein Band durchtrennt werden konnte, um den Partner nicht mit in den Tod zu reißen. Doch kein nüchterner Vortrag hätte je den Schmerz beschreiben können, der durch Tiaren fuhr. Es war, als hätte er sich mit stumpfer Klinge den eigenen Arm abgehackt.

Nein, schlimmer.

Viel schlimmer.

Nur Tiarens jahrelanges, rigoroses Training, Schmerzen zu ertragen zu können, hielten ihn davon, sich die Seele aus dem Leib zu schreien. Mit einem Keuchen sank er in die Knie und umklammerte seine Schläfen.

 

Zur gleichen Zeit war aus A´keburs Gesicht alles Blut gewichen. Kein Laut kam über seine Lippen. Lautlos sank er in sich zusammen, als der Senator ein Stück lauter sprach, um nun zum Höhepunkt seiner Rede zu kommen. Bevor er sein letztes Wort verklang, war A´kebur schon ohne Bewusstsein und der Counselor tastete telepathisch panisch nach A´kebur, der nicht reagierte und wie tot zu ihren Füßen lag.

 

Tiaren wimmerte und unterdrückte dann jeden weiteren Laut. Er musste sich zusammenreißen und durfte sich nicht in den Schmerz verlieren. Mit all seiner Kraft stellte er sich auf seine Beine und versuchte alle Gefühle, alle Erinnerungen und den Schmerz weit von sich zu schieben. Wenn es ihm nicht gelang, war alles umsonst gewesen. Waidwund, aber beseelt von dem Gedanken, dass er Erfolg haben musste, ging er zum Hauptquartier.

Immer wieder musste er sich an einer Wand abstützen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Es war, als sei ihm ein Sinn abhanden gekommen oder wirklich ein Körperteil, und die offene Wunde in seinem Kopf brannte. Aber dafür hatte er jetzt keine Zeit. Er konnte nur hoffen, dass A´kebur es irgendwie heil überstanden hatte. Der war ihn nun wirklich los, ganz wie gewünscht, und konnte vielleicht auch endlich mit allem abschließen. Wie sagten die Menschen? Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende?

Tiaren hätte fast gelacht. Ja, da war etwas dran. Und diesem Schrecken hier würde er nun auch endlich ein Ende setzen.

Er erreichte ein unscheinbares Schaltpanel an einem Eingang in einer Seitenstraße und gab mit zitternden Fingern einen Code ein. Ein Retinascan und Fingerabdruck wurde ebenfalls verlangt, dann konnte er eintreten. Am Ende eines langen, kargen Flures war ein weiteres, diesmal verstecktes Panel, das eine verborgene Tür in der Wand öffnete. Dahinter erwarteten ihn vier schwerbewaffnete, schwarzgekleidete Romulaner, die Disruptoren auf ihn gerichtet. Tiaren trat langsam ein und folgte den Männern durch weitere Flure bis zu einer Schaltzentrale.

"Centurio Tiaren, Sie trauen sich hierher? Und Sie sagen, dass Sie Ihren Auftrag erfüllt haben?" Es war nur eine Stimme, unsichtbar für Tiaren, der sich aufrichtete und fein lächelte. "Das habe ich."

"Sie sind dennoch ein Verräter. Wer sagt, dass Sie nicht geplaudert haben? Vielleicht haben Sie gehofft, dass Sie in dem Frieden zwischen der Föderation und dem Reich einen guten Posten sichern können, wenn Sie sich zahm geben. Tiaren, Sie sind ein Verräter und man wird Sie dafür bestrafen."

"Ich bin mir dessen bewusst, Sir", erwiderte Tiaren, "aber ich handelte in Torans Auftrag. In diesen Augenblicken müssten Sie die Nachricht aus dem Senat erhalten, dass Captain A´kebur Lanar Re zusammengebrochen ist. Sein Geist ist gebrochen, irreparabel geschädigt und er weiß, dass er verraten wurde. Er wird damit nicht lange leben können."

Die Stimme schwieg, dann antwortete sie: "Centurio Tiaren, kommen Sie in den Bereitschaftsraum."

Die bewaffneten Agenten schoben Tiaren nicht gerade sanft durch die nächste Tür, die sich gleich hinter ihm schloss. Es war vollkommen dunkel, nur das Wappen des Reiches, der doppelköpfige Adler, leuchtete in Grün und Blau an der rückseitigen Wand. Die Silhouette eines Mannes zeichnete sich davor ab.

"Vater, ich habe deine Rache vollendet!", rief Tiaren mit fester Stimme. Toran trat zu ihm. "Ja, das hast du. Er ist vollkommen paralysiert. Jetzt fehlt nur noch ein Detail, um alle Erinnerung zu löschen. Alles auszumerzen, was an diesen Wurm erinnert." Toran lächelte. "Zeigt ihm, wie sehr ein Vater seinen Sohn lieben kann", flüsterte er.

Aus den Schatten traten zwei weitere Romulaner mit schwarzen Gesichtsmasken. Attentäter, Assassinen des Tal'Shiar. Sie hielten ein unscheinbares Gerät in den Händen, doch Tiaren wusste zu gut, was es war. Er selbst hatte in seiner Ausbildung gute Bekanntschaft damit gemacht, sowohl am richtigen wie auch am falschen Ende.

"Warum hasst du Mutter ermorden lassen?", fragte Tiaren, um Zeit zu gewinnen.

"Sie hatte ihre Aufgabe erfüllt und sie diente mir mit ihrem Tod. Mir und dem Reich. Die Friedensgespräche", Toran spuckte das Wort regelrecht aus, "wurden am richtigen Ort zur richtigen Zeit aufgemischt. Ich werde sehen, was du mit dem Schoßhündchen dieses dreckigen Menschen gemacht hast. Vielleicht werde ich dir dann meine Gnade zeigen, die du nicht verdient hast. Geht sanft mit ihm um, ich werde ihn noch brauchen."

Die Assassinen berührten Tiaren, ehe dieser sich auf Toran stürzen konnte und zogen ihn dann widerstandslos mit sich.

Tiaren wusste, dass es keinen Sinn machte, sich zu wehren. Diese Männer waren Kampfmaschinen, weitaus tödlicher als er selber. Er musste warten. Warten, bis Toran erneut zu ihm kam, diesmal alleine, um sich an seinem Sieg zu weiden. Und das würde sein Untergang sein. Bis dahin würde Tiaren das bisschen Schmerz schon aushalten. Im Vergleich zu der Trennung zu A´kebur war es nichts.

Zehn Minuten später war er anderer Meinung.

 

A´kebur trieb irgendwo zwischen Bewusstsein, Tod und Schlaf. Er wusste nicht, wer er war und wo er sich befand. Er fühlte nur, dass jemand ihn in seinem Innersten erreichen wollte, ohne ihn wirklich dabei berühren zu können. Er fühlte keinen Schmerz, denn alles war reinster Schmerz, so dass es keinen Unterschied gab, der ihm hätte sagen können, wie es war, keine Schmerzen zu haben.

Seine Augen wurden von fürsorglicher Hand geschlossen und jemand legte ihm eine lindernde, nasse Kompresse auf. Aber das war unbedeutend. Auch die Worte, die um ihn herum in lauter Abfolge gesprochen wurden, waren bedeutungslos.

Wieder versuchte ihn jemand im Innersten zu berühren. Aber es war, als würde die fremde Präsenz durch ihn hindurchgleiten. Er war wie das Wasser und die Luft, zwei Vorstellungen, die er nicht besaß, die er aber verkörperte.

Irgendwann war Stille um ihn. Nur das kleine, gleichmäßige Geräusch, welches mit dem Gefäß in seiner Mitte korrespondierte, erklang immer wieder. Der Schmerz war noch immer ohne Unterschied, aber dennoch hatte sich etwas verändert. A´kebur bekam die Vorstellung von seiner Umgebung. Vage vertraut, aber ohne Anhaltspunkte. Doch genug, um seine Instinkte und antrainierten Reflexe aktivieren zu können. A´kebur richtete sich auf und blickte in die Krankenstation, ohne sie als solche zu erkennen. Dr. McCoy kam auf ihn zu und fragte ihn. A´kebur verstand ihn nicht. Ehe der Mann ihm jedoch zu nahe kommen konnte, berührte er ihn am Hals und wie von einem sanften Wind getragen, sank der Arzt besinnungslos zu Boden.

A´kebur wusste nicht, was ihn trieb, aber er folgte dem Impuls. Wie von selbst fand er den Zugang zum Computer, veränderte Routinen und verließ dann in einem Energienebel das Schiff, dessen Bedeutung er nicht kannte.

Er wusste auch nicht, woher er all die Handgriffe konnte. Wichtig war nur, dass er hier wegkam. Die Umgebung, in der er materialisierte, kannte er nicht, aber das machte nichts. Es war Nacht, und fremde Sterne leuchteten am Himmel.

Er durfte nicht auffallen. Das Warum schien unwichtig. Er konnte sich sowieso nicht erinnern.

 

Auf der Enterprise blieb die Flucht des Captains nicht unbemerkt. Der Pfleger fand Dr. McCoy noch immer ohnmächtig auf dem Boden liegend vor und alarmierte den Sicherheitsdienst. Augenblicklich war die Hälfte des Schiffs in Kenntnis darüber, dass der Captian schwer verletzt zurück auf Romulus gebeamt war und dabei sogar alle Sicherheitsprotokolle außer Kraft gesetzt hatte. Die Romulaner selbst schienen nichts davon bemerkt zu haben. Sie schwiegen und kontaktierten auch nicht triumphierend die Enterprise, um ihre Beute zu demonstrieren.

Commander Aera hatte zudem auch nicht vor, die Ereignisse gleich weiterzugeben. Sie setzt nur eine Nachricht für Botschafter Chioma ab, der unauffällig seine Leute verteilen sollte, um sich umzuhören. Chefingenieurin Delacroix und Ch'Grawbil arbeiteten derweil verbissen an der Wiederherstellung der Transporterdaten, um Aufschluss über den letzten Zielort zu erhalten. Der Sicherheitschef war zudem besonders verärgert, weil ihm Tiaren entkommen war. Auch der hatte seine Spuren viel zu gut verwischt.

Commander Aera ging unruhig auf der Brücke hin und her und sah immer wieder zu Counselor Troi, der angestrengt versuchte, den Captain auf mentalem Wege zu finden. "Commander, wir erhalten einen Code von der Raumstation", meldete sich plötzlich der diensthabende Fähnrich. "Es scheint eine Startfreigabe zu sein. Und die Titan meldet sich gerade. Soll ich auf den Bildschirm schalten?"

Aera nickte, und Captain Ileis Gesicht erschien. "Commander, wie ist drüben bei Ihnen die Lage?", wollte er wissen. "Und wieso erhalten wir Startcodes?"

"Wir sehen auch gerade, dass die Station eine Freigabe geschickt hat. Wir haben keine angefordert." Aera sah hinüber zur Wissenschaft. Der Offizier runzelte gerade die Stirn und blickte auf. "Sie stammen von Mr. Tiaren. Es gibt eine unscheinbare Signatur, die wie die von der Station aussieht. Aber sie hat einen Zusatz."

Commander Aera blickte zu Captain Ilei. "Sie haben es gehört. Offenbar hat unser Freund dafür gesorgt. Warum, weiß ich jedoch nicht. Vielleicht sollen wir verschwinden. Doch wir können nicht."

"Nein. Wegrennen lässt uns wie Kriminelle aussehen. Wie sieht es mit Ihrem Captain aus?", wollte Ilei wissen, "Kann ich Ihnen auf irgendeine Weise Unterstützung anbieten?"

"Er hat sich auf den Planeten gebeamt. Wir wissen nicht, wo er ist", informierte Aera ihn.

"Auf dem Planeten? Dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Romulaner ihn finden, und unsere Tiefenscans werden sofort entdeckt und man wird misstrauisch. Vielleicht sollten wir doch den Senat informieren", sagte er, weil er richtig davon ausging, dass der Commander das nicht getan hatte.

"Ich kann das nicht empfehlen. Der Captain ist zusammengebrochen und wir wissen nicht, was mit ihm passiert ist. Ich vermute jedoch aufgrund der Aussage des Counselors, dass es etwas mit Mr. Tiaren zu tun hat. Das bedeutet, dass die Romulaner sehr erpicht darauf aus sein werden, sie beide über den Haufen zu schießen und es als Unfall zu deklarieren. Der Captain ist nicht bei Verstand."

"Und wie sollen wir ihn dann finden, Commander?", fragte Ilei und zuckte leicht mit den gefächerten Ohren.

"Ich weiß es nicht. Es ist, als würde sich eine Katze selbst jagen. Wir wissen jedoch zu wenig, um den Captain dieser Gefahr auszusetzen. Der Counselor sagte, dass er nicht mehr da sei."

"Einfach abwarten ist aber auch keine Lösung, Commander. Nun, es ist Ihr Captain. Ich gebe Ihnen eine Frist von zwölf Stunden. Wenn er bis dahin nicht von selbst aufgetaucht ist und die Romulaner ihn nicht gefunden haben, müssen wir den Senat informieren."

Commander Aera atmete tief durch. "Sir", hielt sie ihn auf, die Verbindung zu unterbrechen. "Vielleicht können wir unauffälliger suchen. Direkt auf dem Planeten. Sie haben doch sicher inoffizielle Kontakte zu jemandem…"

"Ich?" Die Ohren des Melusianers zuckten. "Wie kommen Sie darauf, Commander?"

"Ich habe es gehofft, Sir. Wenn wir die offiziellen Kanäle still halten könnten, wäre das besser für die Verhandlung. Ein als Verräter titulierter Romulaner und ein Captain der Föderation unter Mordverdacht möchte ich nicht an die große Glocke hängen, vor allen Dingen dann nicht, wenn wir nicht wissen, wo sie sind."

Ilei überlegte. "Ich kann da etwas versuchen, aber die Romulaner sind schwer einzuschätzen. Es kann sein, dass der Senat und besonders der Geheimdienst doch davon erfahren. Aber ich werde zusehen, dass sich vielleicht etwas machen lässt. Als ich Botschafter Chioma hier ablieferte, hatte ich ebenfalls einen zugeteilten Attache des Senats."

"Ist er auch so dienstbeflissen wie der des Captains? Bitte entschuldigen Sie die Frage. Sie werden besser wissen, ob er vertrauenswürdig ist. Ich danke Ihnen. Wir versuchen selbst den Captain zu finden, bevor bekannt wird, was mit ihm ist."

"Romulaner sind nie vertrauenswürdig, aber ich mache das auch nicht zum ersten Mal." Ileis Stimme senkte sich und ließ selbst über die Lautsprecher eine wohlige Gänsehaut über die Rücken der Brückenmitglieder kriechen. "Ich melde mich, falls ich etwas erfahre. Titan Ende."

Commander Aera keuchte und lief rot an. "Sch…" Sie verschluckte den Rest. "Finden Sie den Captain", befahl sie, um von sich abzulenken.

Ob Ileis Methoden wirklich die besten in dieser Angelegenheit waren, wusste sie nicht, aber im Augenblick brauchten sie alle Hilfe, die sie bekommen konnten. Commander Aera starrte wieder auf den Hauptbildschirm und hoffte, dass ihrem Captain nichts zustieß.

 

A´kebur war verwirrt, ohne den Zustand als Verwirrung benennen zu können. Die Leute um ihn sahen ihn seltsam an. Er wusste, dass er nicht zu ihnen passte, aber was sie unterschied von ihm, konnte er nicht sagen. Er stolperte mehr, als er einen Weg fand. "Klingone", zischte jemand abfällig, "Mischling!"

A´kebur verstand davon nicht viel. Aber die Feindseligkeit war für ihn spürbar. Immer mehr Augen spürte er auf sich, Augen, die ihn verfolgten. Er musste hier weg, es wurde gefährlich. A´kebur verschwand in einer Seitengasse und fand seinen Weg durch weniger beleuchtete Wege. Sein Ziel wurde langsam klarer, auch wenn die Umgebung nach wie vor fremder und feinseliger denn je war.

A´kebur erinnerte sich an Kampf und an Widerstand, und er wusste, wie er sich seiner Haut erwehren konnte. Gleichzeitig schien etwas in ihm zu wissen, wann ein Kampf warten musste. Hier jedoch schwankte jede Entscheidung mit einem weiteren Schritt. A´kebur drückte seinen Kopf, um alles einmal zum Stillstand zu zwingen, während noch immer das Feuer in ihm loderte, als wäre er eine Fackel

Und wieder waren da die Augen, die ihn verfolgten, diesmal versteckter. A´kebur ging weiter, doch die nächste Biegung brachte ihn in eine Sackgasse. Als er sich umwandte, standen dort vier Männer in schwarzen Uniformen. Sie hatten Waffen gezückt.

A´kebur erkannte sie als Gefahr, auch wenn er sich nicht mehr erinnerte, was für Gefahr sie brachten. Er blieb stehen und sah sie unverwandt an. Die Sprache, die die anderen um ihn herumgesprochen hatte, war ihm bekannt gewesen. Aber er hatte sie nicht zu sprechen vermocht. Worte waren wie flüchtiger Nebel, den er nicht mit Substanz zu füllen vermochte.

"Kommen Sie mit uns!", wurde er angewiesen. "Wenn Sie sich wehren, werden wir schießen."

A´kebur schluckte trocken. Langsam trat er näher.

"Folgen Sie uns, und langsam." Einer der Romulaner winkte mit der Waffe in Richtung der nächsten Seitengasse. A´kebur blieb stehen und sah ihn schief an.

"Los, weiter! Nicht einschlafen!", wurde er barsch angewiesen. "Wir können Sie auch betäuben und tragen im Notfall. Vorwärts!"

A´kebur kniff die Augen zusammen und wich zurück. Er nahm automatisch Abwehrhaltung ein, um einem Angriff begegnen zu können. Doch gegen einen Disruptorstrahl konnte er nichts ausrichten. Die Agenten des Tal'Shiar machten ihre Drohung wahr und schossen, wenn auch nur auf Stufe 1. Bewusstlos sank A´kebur zusammen und wurde wie ein Sack Getreide von den Männern ins Hauptquartier des Geheimdienstes abtransportiert.

Noch bevor sie es erreichten, war A´kebur wieder wach. Doch um sich zu orientieren, brauchte er noch eine weitere Minute, die er zügig davongetragen wurde, bis die Türen ihn von der Welt draußen wegschlossen. Im nächsten Moment wurde er wieder auf seine Füße gestellt. "Wer?", fragte er auf klingonisch.

"Willkommen, Captain A´kebur", ertönte eine Stimme aus der Dunkelheit. "Wir hätten nicht gedacht, dass Sie uns noch beehren würden. Sie sind zäher, als wir dachten. Erstaunlich."

A´kebur folgte der Stimme, um zu sehen, wer das war. Doch der Raum blieb in Dunkelheit gehüllt, und kräftige Hände hielten ihn schließlich an Ort und Stelle. "Bringt ihn in den Nebenraum", wurden die Agenten angewiesen. "Und gebt ihm ein Stimulanz. Er soll alles mitbekommen."

A´kebur wehrte sich, aber im nächsten Moment erstarrte er. Das Mittel war kühl und vermittelte eine tröstliche Wirkung. A´kebur schnaufte. Es war so anders als das Feuer, so bemerkte er nicht einmal, wie er fortgezogen wurde und man ihn auf einen Stuhl setzte, weil seine Beine ihn nicht trugen. "Wer?", wiederholte er leise auf klingonisch, in der Hoffnung, dass er verstand, was man ihm sagte. Bisher war alles nur ein riesiges Durcheinander.

Die Männer, die ihn hergeführt hatten, legten etwas Kühles um seine Handgelenke hinter der Rückenlehne des Stuhls. Handfesseln. Dann verschwanden die Männer.

A´kebur sah auf das Symbol des zweiköpfigen Adlers, das bedrohlich vor ihm an der Wand leuchtete wie ein Gespenst.

"Hören Sie mich, Captain A´kebur Lanar Re?", meldete sich eine neue Stimme aus der Dunkelheit. Sie war A´kebur vertraut. Er versuchte sich zu erinnern und erinnerte sich plötzlich daran, dass Erinnerungen wichtig waren, dass sie ihm fehlten. Er versuchte nach der Stimme zu greifen, aber seine Hände blieben hartnäckig dort, wo man sie angebunden hatte. Verwirrt gab er einen Laut von sich, da er dafür kein Wort hatte.

"Oh, Sie sind übel mitgenommen, was? Kein Wunder. Ein geistiges Band durchtrennt, vom Gefährten verraten. Eigentlich müsste ich jetzt sagen, wie bedauernswert Sie sind. Aber Mitleid bekommen Sie hier nicht. Ganz im Gegenteil." Aus der Dunkelheit tauchte ein großgewachsener Romulaner mit harten Gesichtszügen auf. Seine Augen waren abgrundtiefe Seen aus kaltem Hass. "Du glaubst nicht, wie lange ich darauf gewartet habe, Klingonenabschaum. Dich wehrlos in meinen Händen. Das Warten hat sich gelohnt, oh ja."

Toran schäumte über vor Glück und Wut. Doch abrupt blieb er stehen, als er diesen verständnislosen Blick auf sich spürte.

Dieser Mann erkannte ihn nicht, verstand ihn wohl nicht einmal, wenn er das einzige klingonische Wort richtig einordnete, das A´kebur gesprochen hatte. Der Captain der Enterprise wehrte sich halbherzig gegen die Fesseln. Er wollte aufstehen und verstand nicht, warum es nicht ging, warum man ihn fesselte. "Wer?", wiederholte er.

Der Romulaner beugte sich näher zu ihm. "Oh nein, es hat keinen Sinn, wenn du nicht bei klarem Verstand bist, wenn du nicht begreifst, was hier geschieht. Aber ich weiß, dass du dich erinnerst, Klingone. Ich bin Toran."

"Toran", wiederholte A´kebur. Die Fesseln klirrten. "Toran", murmelte er immer wieder. Ein Wort, es war einfach. "Wer?", fragte er erneut.

Toran zückte ein Hypospray und injizierte es in A´keburs Hals. "Du wirst dich erinnern", versprach er, "vorher lasse ich dich nicht sterben, du verdammter Bastard."

A´kebur riss die Augen auf. Sein Herz überschlug sich und in seinem Herz explodierte das Licht erneut. Dieses Mal wehrte er sich nicht nur gegen die Fesseln, er bäumte sich auf, drehte sich und stürzte dann zu Boden, weil der Spielraum weitere Bewegungen nicht zuließ. Er schrie auf, vor Wut, vor Unverständnis und Angst.

Tran lächelte nur kalt und sah auf ihn hinunter. "Es reicht mir, wenn du begreifst, was hier passiert. Der Rest, nun, ich habe, was ich wollte. Der große Starfleet-Captain und Held der Föderation ist zerbrochen."

A´kebur starrte ihn an. Ein Teil der Worte machten keinen Sinn. Aber er wusste jetzt, dass dieser Mann ihm weh tun würde und er ihn aufhalten musste. Allein schaffte er es jedoch nicht einmal, aufzustehen. "Toran", sagte er, "Toran, Sohn Hund", fügte er hinzu und hatte ein Bild vor Augen, auf das die Beschreibung passte. Das Gefühl stimmte zumindest und A´kebur vertraute darauf, auch wenn er die Schmerzen fühlte, die wohl die ganze Zeit schon dagewesen waren, aber erst jetzt in sein Bewusstsein gelangten.

"Ah, du erinnerst dich." Der Romulaner lachte leise und zufrieden. "Wie es aussieht, hat mein Sohn doch nicht ganze Arbeit geleistet. Aber ich denke, er wurde schon angemessen dafür bestraft. Nicht wahr, Tiaren? Komm her und sieh dir an, wen wir zu Besuch haben." Toran wandte sich um, als aus den Schatten hinter dem Adler-Emblem langsam sein Sohn auftauchte. Wie A´kebur trug er Handfesseln und seine Schritte waren unsicher. Direkt an den Schläfen waren tiefe Einstichspuren von den Foltergeräten; und die Augen waren geschlossen und blutverkrustet.

"Ich fürchte, du hast deinen Untergebenen dafür falsche Anweisungen gegeben", erklärte er. "Aber ich glaube es dir auch so, Vater." Seine Stimme klang fest.

"Mhm, unwichtig. Taste doch nach den Gedanken dieses Bastards. Dann wirst du seine Verwesung sehen und riechen", knurrte Toran. "Willst du ihn berühren? Ihn betasten? Du hast ihn doch geliebt? Hat er gegurrt wie eine willige Hure? Und dir, hat es dir gefallen? Dann sei dankbar!"

"Oh, das bin ich auch. Aber verzeih, wenn ich von seinen Gedanken fernbleibe." Tiaren kam langsam näher. Es war eine Lüge; natürlich konnte er A´kebur spüren, und da ihn seine Sehkraft im Stich ließ, waren alle anderen Sinne auf das höchste geschärft. Und das wichtigste: Sie waren allein mit Toran. Dies war die letzte Chance oder sie kamen hier nie wieder lebend heraus.

Er spürte mehr, als dass er es hörte, wie die Fesseln von A´kebur nachgaben. Offenbar hatte man die mit Adrenalin gepuschte Kraft des Captains unterschätzt. Toran reagierte zu spät, denn im nächsten Moment hatte sich A´kebur auf ihn gestürzt und rang ihn mit reiner Kraft nieder.

Der Romulaner versuchte nach seiner Waffe zu greifen, doch er erreichte nur, dass sie aus dem Holster fiel und über den Boden schlitterte. Tiaren folgte dem Geräusch und bückte sich, um die Waffe aufzuheben; zum Glück waren seine Hände vor seinem Körper gefesselt, sodass er sie mit nur wenig Schaden an der anderen Hand durchschießen konnte.

A´kebur derweil schlug Toran an die Schläfen, dann knackte es auf einmal leise. A´kebur schnaufte, flüsterte leise sinnlose Worte, die ihm einfach über die Lippen flossen. Verwirrt befreite er sich von der Last Torans und schob ihn mit den Füßen von sich.

"A´kebur?", fragte Tiaren leise. Wenn sie hier herauswollten, dann brauchte er dessen Hilfe. "Hast du deinen Kommunikator noch? Oder irgendetwas, das uns weiterhelfen könnte?" Er lauschte in die Stille des Raumes, doch dies war ein schalldichtes Verhörzimmer. Wenn man draußen etwas mitbekommen hätte, wären die Agenten bereits hier.

Er hörte, wie A´kebur sich erhob. "Blind", sagte er auf klingonisch. Die ganze Zeit hatte A´kebur keine andere Sprache gesprochen und mehr als grobe Wörter waren es auch nicht. Wie viel war verletzt worden, als er die Verbindung durchschlagen hatte? Tiaren hoffte, es war nicht irreparabel. "Toran", sagte A´kebur und schob ihn einfach in Richtung seines Vaters.

"Kommunikator?", versuchte es Tiaren ebenfalls auf Klingonisch. Und er glaubte nicht, dass Toran bereits so einfach tot war. Dieser Mann hatte mehr Leben als eine terranische Katze.

Tiaren tastete nach der reglosen Gestalt, um festzustellen, ob sein Vater noch atmete, doch just in diesem Augenblick schnellte Torans Arm hoch und griff nach Tiarens Hals, um diesem die Luft abzudrücken.

"So nicht!", fauchte Toran, "Ihr sterbt hier! Alle beide! Und Etiennes Erinnerung auch! Ihr verschwindet im Nichts! Ich werde meine Rache haben!"

Tiaren hob den Disruptor mit zitternder Hand und richtete ihn auf seinen Vater und Erzfeind. "Falsch, Toran", wisperte er, "das ist meine Rache! Du hast selbst dafür gesorgt, dass ich zurückkomme!" Er drückte ab.

Das hässliche Geräusch verbrennenden Fleisches durchschnitt die Luft. Leblos sank Toran zurück, das Gesicht Etienne Duvals im Spiegel seiner zerbrochenen Augen.

Tiaren richtete sich keuchend auf. Er tastete nach A´kebur, der reglos neben ihm stand und auf Toran starrte. "Kommunikator", versuchte er sich an dem schweren Wort, ohne jedoch zu verstehen, was das mit diesem Mann auf sich hatte. Dann hockte er sich jedoch abrupt hin, als etwas in ihm aufblitzte. Eine Erinnerung. Er riss ihm die Erkennungskarte aus der Tasche und steckte sie ein, ebenso die Waffe, den Injektor und ein kleines Gerät, welches wie ein Kommunikator wirkte. "Feind, Toran", murmelte er. Er drückte das Gerät Tiaren in die Hand. "Feind! Feind! Feind!", wiederholte er immer wieder.

Dieser nahm den Kommunikator an sich und drückte A´keburs Hand. "Ich weiß", erklärte er langsam auf Klingonisch, "wir müssen hier weg, verstehst du? Mit Torans Karte kommen wir hier heraus, und wenn wir das Gebäude verlassen haben, können wir Hilfe holen." Er war sich absolut nicht sicher, dass A´kebur auch nur die Hälfte von dem verstand, was er sagte, aber sie hatten nur eine Chance, wenn sie zusammenarbeiteten. "Feinde hinter der Tür", erklärte er A´kebur, "leise ausschalten, hörst du?"

Tiaren hörte nichts. Er fühlte auch nicht, dass sich A´kebur bewegte. Dann jedoch berührte ihn dieser. Wie viel wusste der Captain der Enterprise noch davon, was er ihm angetan hatte? Wie viel war Instinkt, dass er wusste, dass sie nur zusammen hier eine Chance hatten und es daher keine Rolle spielte? A´kebur legte nämlich seine Hand auf die eigene Schulter und führte ihn zur Tür. Das war weit mehr, als nur reiner Instinkt. Viel mehr! Tiaren wusste nicht, ob es ihn freuen oder ihn besorgen sollte. Einen Preis würde er so oder so zahlen. Da war das, was ihm sein Vater angetan hatte, eine winzige Unannehmlichkeit.

Als sie an der Tür waren, legte er Tiarens Hände an das Gerät neben der Tür und wartete. Der junge Romulaner tastete über das Feld und gab den Öffnungscode ein, wobei er im Stillen dafür dankte, dass die Standardcodes nicht geändert worden waren, seit er weg war. "Vorsicht", flüsterte er A´kebur zu, bevor er die Tür öffnete.

Dieser wog verunsichert die Waffe, dann jedoch hockte er sich hin und hatte damit richtig reagiert. Die Agenten waren losgestürmt und konnten ihn so schnell nicht sehen, als er auf sie schoss. A´kebur schnaufte leise und rieb sich die Schläfen und die Stirn, hinter denen es zu hämmern begonnen hatte.

Tiaren, der hinter der Tür in Deckung geblieben hatte, konnte sich nur auf seine Ohren verlassen, dass kein Alarm gegeben wurde. Er streckte die Hand nach A´kebur aus. "Komm! Der Ausgang ist zwei Korridore weiter."

A´kebur erhob sich, blieb aber stehen, als der Alarm losging. "Feind", hörte Tiaren ihn leise sagen.

"Lauf weiter, verdammt! Wir müssen hier raus!", knurrte Tiaren und tastete sich an der Wand entlang. A´kebur musste um jeden Preis in Sicherheit gebracht werden oder alles war umsonst gewesen. Und sie konnten die Enterprise oder irgendjemanden innerhalb des Gebäudes nicht kontaktieren, weil alles abgesichert war.

Tiaren wurde jedoch herumgewirbelt und dann schnell in eine andere Richtung gezogen. Gleich darauf zischten Disruptorstrahlen knapp an ihnen vorbei. A´kebur schoss zurück, musste jedoch auf Tiaren achten, dass dieser aus der Reichweite blieb. Für Momente hatte Tiaren die Orientierung verloren, aber es hing von seiner Erinnerung ab, dass sie den richtigen Weg fanden. Er versuchte sich zu entsinnen, wo der Fluchtweg für Notfälle war, wenn sie, wie es schien, jetzt vom Weg zum Hauptausgang abgeschnitten waren. In der Kommandozentrale, ganz sicher. "Zurück in den großen Raum!", zischte er A´kebur zu.

"Feind", knurrte A´kebur zurück und schoss. Das hieß wohl, dass sie nicht vorwärts konnten. "Mehr Feind", fügte er dann zu ihrem Unglück noch hinzu. "Weg, weg, weg … Raum anders."

Tiaren wusste nicht wirklich, was A´kebur meinte. "Das ist der einzige Ausgang; wir müssen in den Kontrollraum! Verdammt, ich brauche eine Waffe." Er tastete nach den bereits gefallenen Wachen, um an einen Disruptor zu kommen. Natürlich konnte er in seinem Zustand nicht zielen, aber sein Training hatte auch darin bestanden, in völliger Dunkelheit kämpfen zu lernen.

A´kebur zog ihn jedoch ohne Rücksicht weiter und wie Tiaren schon vermutete, war er einmal mehr aus dem Schussfeld gebracht worden. A´kebur schoss jedoch auch zurück und schien dabei mehr als einmal Erfolg zu haben. Die Agenten waren nervös und riefen sich Anweisungen zu, als ihre lautlose Taktik nicht aufging.

"Wo sind wir verdammt?", wollte Tiaren wissen. Der jähe Richtungswechsel hatte ihn erneut aus dem Konzept gebracht. Er spürte nur, dass sich von der anderen Seite her erneut Agenten näherten, und diesmal schoss er, ohne lange nachzudenken. Ein Schrei verriet ihm, dass er dennoch getroffen hatte.

"Feind", brummte A´kebur verärgert, als ob es ihm genug war, jedes Mal das eine Wort sagen zu müssen und als ob es sich nicht von selbst erklärte, dass sie ein riesiges Problem hatten. Doch er hielt sich nicht damit lange auf, er zog Tiaren weiter, dann hörte der es Zischen und auf einmal war Stille. "Falle, Fallgrube, Netz, Flucht, Feind", fügte A´kebur aneinander und öffnete das Terminal einer Kontrolleinheit. Er hatte Zuflucht in einem Technikraum suchen müssen, da dieser sich noch hatte mit Torans Karte hatte öffnen lassen. Jetzt verrammelte er ihn mittels eines Passworts. A´kebur gab einen frustrierten Laut von sich, als er sich an weiteres Wissen erinnern wollte und es ihm nicht zur Verfügung stand.

Tiaren tastete die Wände entlang und versuchte herauszufinden, was ihnen weiterhelfen konnte. Die Tür würden ihre Feinde bald aufgeschweißt haben. Dann trat er mit dem Fuß gegen etwa Schweres und untersuchte es näher. Eine Kiste, geöffnet, mit in Schaumstoff verpackten Zylindern. "A´kebur, komm mal her", bat Tiaren und hoffte, dass der Captain den Inhalt erkennen konnte. Die Zylinder fühlten sich kalt an, es konnte also ein flüssiges Gas sein.

A´kebur hockte sich neben ihn und berührte seine Hand, sagte aber nichts.

Tiaren hielt im einen der Zylinder hin. "Kennst du das?", fragte er, "Oder kannst du mir irgendwie sagen, wie die Zeichen darauf aussehen?"

Für einen Moment war ratloses Schweigen, so dass Tiaren schon fürchtete, dass er nie eine Antwort erhalten würde. Dann jedoch nahm A´kebur seine Hand, machte sie auf und zeichnete Striche auf seine Handfläche. Tiaren brauchte einige Momente, doch dann hatte er die romulanischen Buchstaben erkannt, und ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. "Nyzerol-23", wisperte er, "wenn wir hier nicht herauskommen, dann sprengen wir uns eben frei. Ein Disruptorschuss und sie explodieren."

Er spürte die Besorgnis von A´kebur eher, als dass dieser etwas gesagt hatte. Tiaren begriff, dass A´kebur keine Barrieren hatte und damit wohl alles aufgefangen hatte, was die Leute um ihn herum dachten. Er hörte ihn aufstehen und auf den Terminal herumtippen. Er hörte auch nicht damit auf, als es an der Tür Funken sprühten.

Natürlich konnte Tiaren nicht sehen, dass die Agenten nicht etwa ein Loch in die Tür zu brennen versuchten, sondern sie im Gegenteil zuschweißten, aber er ging zu A´kebur. Diesen nach den Feinheiten zu fragen, war unmöglich. Wahrscheinlich würde sein ehemaliger Gefährte ewig nach einem passenden Wort suchen. "Tod", sagte dieser gerade jetzt. "Sterben. Falle."

"Nein, verdammt. Wir kommen hier heraus, irgendwie", widersprach Tiaren. "Wir müssen die Wand aufsprengen."

"Falle", beharrte A´kebur auf seiner Feststellung. "Feuer, Luft."

"Ich weiß!" Natürlich war auch dem jungen Romulaner nicht entgangen, dass die Luft dünner werden würde, jetzt, wo sie eingesperrt waren. Und es war ein Leichtes, hier Gas einzuleiten. "Was machst du da überhaupt? Wir müssen hier raus!"

"Ex… Exp…" A´kebur tränten die Augen vor Schmerzen, aber er programmierte tapfer weiter.

Noch immer wusste Tiaren nicht wirklich, was A´kebur meinte, arbeitete sein eigenes Gehirn auch nicht vollständig auf Hochtouren und er selbst wurde nur von purem Adrenalin am Laufen gehalten. "Du willst den Computer überlasten?", riet er schließlich ins Blaue hinein.

"Ja, Exp…" A´kebur atmete tief durch und hörte auf. "Tod", flüsterte er.

"Wir müssen trotzdem vorher aus diesem Raum!", erinnerte Tiaren ihn, "Wenn uns das Nyzerol unkontrolliert um die Ohren fliegt, sind wir Brei!"

"Flucht unm… Keine Flucht", antwortete A´kebur, zog ihn zur Tür und hob dessen Hand zum noch heißen Blatt. "Falle. Tod. Falle."

"Nein, hast du es denn noch nicht begriffen? Du musst hier lebend raus oder alles, was ich getan habe, war umsonst!" Tiaren griff nach A´keburs Uniformhemd und schüttelte ihn grob. "Ich lasse nicht zu, dass du dich hier umbringst, hörst du mich? DU MUSST HIER LEBEND RAUS!"

Tiaren sah A´keburs Gesicht nicht, aber er konnte sich den Blick sehr gut vorstellen, den dieser ihm zugewandt hatte. "Umsonst", sagte A´kebur ihm und ging wieder zum Terminal. Von einem Augenblick zum anderen wurde es heiß, so dass Tiaren der Schweiß aus den Poren brach. A´kebur trat zu ihm, aber er berührte ihn nicht. Er stellte zwei Dosen mit dem Explosionsstoff an die Tür, dann räumte er den Raum um. Tiaren blieb fassungslos stehen. Doch im nächsten Moment wurde er mitgerissen und in etwas hineingestopft, ohne dass auf seine Befindlichkeiten oder gar Widerstand groß Rücksicht genommen wurde. Sogar seine Waffe wurde fortgeschmissen und landete an der Tür. A´kebur warf auch seine eigene Waffe fort. Dann drängte er sich an Tiaren und hielt ihn fest. "Leben, Tod, schwierig."

Im nächsten Moment brach die Hölle los. Mit einem ohrenbetäubenden Donnern explodierten die Gaszylinder, und die Druckwelle schleuderte sie gegen die Wand. Tiaren, zwischen A`kebur und der Wand eingeklemmt, spürte, wie harte Gegenstände, gegen den Klingonen flogen und Rippen brachen. Er selbst konnte kaum mehr einen Atemzug tun; die ganze Luft schien zu brennen. Er keuchte und versuchte A´kebur zur Seite zu schieben, damit der nicht noch mehr abbekam.

Aber dieser klammerte sich fest und verkeilte sich regelrecht. Dann war nur noch Stille. Die Luft war dick und nicht atembar. Doch Tiaren lauschte A´keburs Atemzügen, die bedenklich kurz waren und von langen Pausen unterbrochen wurden.

Mit aller Kraft schob er den nicht gerade leichten Klingonen von sich und richtete sich auf. Da sie beide auf dem Boden lagen, musste die Rückwand durchbrochen worden sein. Außer dem Zischen und Knistern von Feuer war nichts zu hören, aber einer gewissen Dumpfheit nach, die auf allen Geräuschen lag, zu urteilen, hatte die Explosion das Trommelfell beschädigt. Tiaren rieb sich über die Stirn, hustete und kam zu dem Schluss, dass es darauf nun auch nicht ankam. Sie mussten jetzt hier weg. Er griff nach A´kebur und schaffte es nach einigen Anläufen, ihn hochzuheben.

Doch dessen Glieder waren wie die einer Puppe. Er musste bewusstlos sein und gerade jetzt war Tiaren auf jemanden angewiesen, der sehen konnte. Schon vorher hatte er die Orientierung verloren. Jetzt jedoch war nichts mehr dort, wo es sich einmal befunden hatte. Auch nicht ihre Verfolger. Es war bis auf das Knistern von Feuer um sie herum verdächtig still.

 

Auf der Enterprise beugte sich der Wissenschaftsoffizier noch einmal über die Anzeigen. "Commander, ich denke, ich habe ein Signal. Es ist schwach und etwa einen Kilometer von der ermittelten Stelle weg, zu der sich Captain A´kebur gebeamt hat", informierte er Commander Aera.

"Können Sie das spezifizieren, Lieutenant?", fragte die erste Offizierin. "Wir können uns keinen Irrtum erlauben."

"Es ist der Transponder, den Dr. McCoy injiziert hat und mit der Signatur des Captains. Das Signal ist schwach, aber es ist das Signal. Kein Zweifel."

"Transporterraum 1, erfassen Sie das Signal. Doktor McCoy, Lieutenant Ch'Grawbil, sofort in den Transporterraum", orderte Aera und stand auf. "Lieutenant, signalisieren Sie außerdem der Titan, dass wir unseren Captain wiederhaben."

"Aye, aye, Ma´am", ertönte es von allen Seiten. Doch der Commander war schon zum Lift, um keine Zeit zu verlieren. Es war schnell gegangen, aber vielleicht hatten sie doch zu viel Zeit gebraucht. "Commander?", kontaktierte der Wissenschaftsoffizier sie, "Im Gebiet hatte es eine Explosion gegeben. Die Sicherheit der Romulaner ist dorthin unterwegs."

"Das werden wir wohl später zu erklären haben", erwiderte sie und steig aus dem Lift. Mit ausgreifenden Schritten war sie in den Transporterraum gestürmt. "Energie", befahl sie. Ch'Grawbil und McCoy waren bereits zur Stelle.

Doch er blieb nicht lange neben dem Commander stehen, als er sah, wer oder genauer was da auf der Transporterplattform materialisierte. "Medizinischer Notfall", rief er zur Krankenstation durch. "Zwei Teams für Brandwunden in den Transporterraum."

Er untersuchte schnell Tiaren, dann wandte er sich A´kebur zu, der nicht nur optisch offensichtlich am lebensbedrohlichsten verletzt war. "Legen Sie ihn hin, Mr. Tiaren", befahl er.

"Die Enterprise?", fragte Tiaren und spürte grenzenlose Erleichterung. Ohne Widerrede folgte er der Anweisung des Arztes und spürte, wie der Schmerz der Folter und der Trennung, den er die ganze Zeit erfolgreich verdrängt hatte, zurückkam. Er hätte keine Sekunde länger mehr auf den Beinen bleiben können. "Helfen Sie dem Captain", wisperte er.

"Da bin ich gerade dabei. Sie bleiben jedoch auch an Ort und Stelle. Sie sind ja wohl wahnsinnig." Dr. McCoys Hände prüften vorsichtig den Stoff auf der verbrannten Haut von A´kebur und bekam dabei die wortlose Hilfe vom Ersten Offizier, der seine Erschütterung gut unter Kontrolle hatte. Endlich jedoch kamen auch die Teams. "Brandwunden dritten Grads bei 30 Prozent der Hautoberfläche", informierte Dr. McCoy. "Herzschlag stabil und gleichmäßig, Ohnmacht, keine Heiltrance, Rippenbrüche und innere Verletzungen. Mr. Tiaren, Verbrennungen dritten Grads bei 15 Prozent der Hautoberfläche, Verletzungen der Augen und des Augennervs, Quetschungen und Hämatome am ganzen Körper, Verstauchungen mehrere Rippen, Stauchung der Wirbelsäule. Ich will den Captain in einer halben Stunde im Rekonvaleszenzbad und schafft mir einen vulkanischen Heiler her, der ihn in eine Heiltrance begleiten kann."

McCoys Assistenten nickten und legten die Verletzten vorsichtig auf die Tragen, um sie schnellstmöglich in die Krankenstation zu schaffen.

"Commander, eine Nachricht vom Senat", meldete sich die Brücke, "Senator Velkos und Senatsvorsitzender Tevlak möchten Sie sofort sprechen."

"Ich bin unterwegs", bestätigte der Commander. "Doktor, bitte tun Sie ihr Möglichstes."

"Bin dabei. Wunder erledige ich sofort!", erklärte der Arzt. Er behielt beide Patienten im Auge, bis sie in der Krankenstation waren, dann gab er Anweisungen für Tiaren und kümmerte sich persönlich um den Captain, der noch immer nicht erwacht war.

Commander Aera war derweil zur Brücke zurückgekehrt. Auf dem Bildschirm erschien das schon bekonnte Gesicht von Senator Velkos, sowie das eine grauhaarigen Romulaners mit auffallend hellgrauen Augen.

"Commander Aera, ich hoffe, Sie haben eine gute Erklärung", begann Velkos, "wir haben drei Transportsignale aufgezeichnet, zwei hinunter auf die Oberfläche und eines zurück. Zudem hat sich eine größere Explosion in einem Hauptgebäude des Geheimdienstes ereignet. Die Signale gingen außerdem dorthin. Ich schlage vor, Sie überlegen Ihre Worte gut, wenn das kein Kriegsgrund sein soll."

"Ich kann Ihnen keine Antwort geben, Senator. Es hat einen medizinischen Notfall gegeben. Ich gebe Ihnen aber mein Wort, dass es kein Angriff unsererseits gewesen ist. Ich verspreche Ihnen, dass ich der Sache nachgehe und Ihnen Bericht erstatte, sobald ich weiß, was passiert ist. Die Enterprise bleibt selbstverständlich an der Station. Ich werde weitere Transporte vom und zum Schiff unterbinden, bis die Sache geklärt ist."

"Halten Sie uns für dumm Commander? Erst diese Show im Senat, als Ihr Captain zusammenbrach, und dann haben Bürger berichtet, wie sie einen Klingonen beobachteten, der durch die Straßen irrte. Ihr Captain hat diesen Anschlag verübt!", fuhr Velkos sie an, "Wenn wir nicht …"

Senator Tevlak wandte sich plötzlich ab, als ein Bote ihm etwas zuflüsterte. Erst runzelte er die Stirn, dann zeichnete sich Befriedigung ab. Doch Sekunden später hatte er seine Mimik wieder im Griff.

"Warten Sie, Velkos", unterbrach er den anderen Romulaner, "ich habe soeben Neuigkeiten gehört. Commander, bis Ihr Captain wieder auf den Beinen ist, lassen wir diese Sache auf sich beruhen. Ich würde jedoch gern wissen, ob sich Centurio Tiaren Nevius wieder bei Ihnen befindet? Wir wissen, dass er hinunterbeamte."

Commander Aera überlegte, ob sie lügen sollte. Doch ihr Instinkt riet ihr, es nicht zu tun. "Er ist wieder an Bord. Soweit ich es bisher sagen kann, war der Captain auf der Suche nach ihm. Leider jedoch kann ich mehr im Moment wirklich nicht sagen." Und selbst da war noch viel Spekulation, fügte sie in Gedanken hinzu.

Velkos sah misstrauisch aus, aber Telvak nickte. "Kontaktieren Sie uns bitte, sobald wir mit ihm und dem Captain reden können. Alles Weitere wird sich dann klären. Romulus Ende." Der Bildschirm wurde dunkel. Mit fragender Miene wandte sich Aera an Troi.

"Ich kann nur vermuten, dass sie etwas gehört haben, dass ihre Meinung ändert", erwiderte dieser, "Romulaner sind schlecht zu lesen, aber Tevlak schien erleichtert über etwas zu sein. Wir müssen wohl auf weitere Erklärungen warten. Commander, ich bitte um die Erlaubnis, Doktor McCoy zu unterstützen."

"Tun Sie das, halten Sie mich aber halbstündlich auf dem Laufenden. Ich brauche Informationen. Und ich will wissen, ob der Captain überlebt."

"Natürlich, Sir."

Thomas machte sich umgehend auf den Weg. In der Krankenstation erwartete ihn geschäftiges Treiben. Die Assistenten liefen hin und her und folgten McCoys barschen Anweisungen.

In der Luft lag der Geruch von verbrannten Fleisch und Haaren. Süßlich und ekelerregend würzig. Aber schlimmer war der Anblick, der Thomas zutiefst erschütterte. Nichts hatte ihn darauf vorbereiten können, das zu sehen, was er jetzt sah. Das halbe Gesicht, ein Ohr und fast die gesamten Haare des Captains waren verbrannt. Nach den Resten seiner Kleidung zu urteilen, waren aber auch noch sein Rücken und seine Beine von den Verbrennungen betroffen. Die Ärzte und Assistenten hoben den Captain an, den sie nun endlich vollständig von seiner Kleidung hatten befreien können, und versorgten ihn mit einer Ausstattung zum Atmen für Opfer von Explosionen. Dann kam er in einen Tank mit Flüssigkeit, von der Thomas wusste, dass sie die Brandwunden zum Heilen bringen würden. Besser als jede künstliche Haut und in den meisten Fällen ohne schmerzhafte Narben, sofern alles sehr schnell ging und die Wunden weitestgehend gereinigt werden konnten. Dann wurde der Tank geschlossen und nur noch der Monitor gab Auskunft darüber, wer in ihm lag und wie dessen Zustand war.

Dr. McCoy sah ihn mit eingefallen Zügen an. "Mr. Tiaren ist schon versorgt. Ich weiß nicht, ob ich sein Augenlicht retten kann. Er wird gleich operiert. Wenn du ihn noch was fragen willst, solltest du das jetzt tun."

Der Counselor nickte. Auf einer Liege fand er Tiaren, der einen kaum weniger schreckliche Anblick bot als A´kebur, wenn auch Verbrennungen sein geringeres Problem waren. "Mr. Tiaren?", fragte Troi leise.

"Counselor Troi, nicht wahr?" Tiaren wollte den Kopf drehen, aber er stand unter starken Schmerz- und Beruhigungsmitteln, die ihn daran hinderten.

Thomas setzte sich zu ihm. "Ja, werden Sie mir sagen, was passiert ist?", fragte er.

"Der Senat hat sich sicher schon gemeldet, oder? Vermutlich wird sich niemand mehr freuen als Sie zu hören, dass Toran tot ist. Der Tal'Shiar steht wieder unter dem Kommando des Senats." In knappen Worten berichtete Tiaren von den Ereignissen im Hauptquartier des Geheimdienstes und seiner langgehegten Vermutung, dass Toran als inoffizielles Oberhaupt dieses Organs auch den Senat in der Hand gehabt hatte. Er hatte einfach zuviel über zu wichtige Personen gewusst, um ihn von seinem Thron zu stürzen.

Der Counselor nickte und unterbrach ihn nicht. Als Tiaren zittrig aufatmete, berührte er dessen Hand. "Sie sind ein großes Risiko eingegangen. Ich verstehe nicht, warum Sie nicht den Captain informiert haben. Vielleicht wäre es weniger, nun, weniger zerstörerisch gewesen. Ich muss Sie jedoch noch etwas anderes fragen: Was ist mit dem Captain geschehen? Ich glaube, Sie haben weitaus mehr gemacht, und ich glaube nicht, dass ich mich irre."

"Ich habe unsere Verbindung durchtrennt, Counselor. Ich weiß, dass es ein großes Risiko war; ich hätte ihn damit umbringen können. Aber nur so konnte ich sichergehen, dass er erstens nicht weiß, was ich vorhabe, zweitens meine Rückkehr zu meinem Auftraggeber überzeugend ist und drittens er nicht stirbt, falls man mich tötet, und davon bin ich ausgegangen. Wie er mich trotzdem fand und warum er mir überhaupt folgte, verstehe ich selber nicht." Tiaren zögerte. "Ich hoffe nur, der Preis war nicht doch zu hoch."

Thomas senkte den Blick, weil er Tiaren nicht mehr ansehen konnte. Er sagte nicht, dass er den Captain nicht mehr erreichen konnte und dass er das Gefühl hatte, dass es diesen nicht mehr gab. Er konnte es nicht. "Wir werden sehen müssen", wich er aus. "Ich weiß nur, dass es kaum eine gute Ausrede dafür gibt auf Vulkan, für das, was Sie getan haben. Aber ich weiß, dass es nicht seine erste Trennung gewesen ist. Er hätte wirklich sterben können."

Tiarens Hand zitterte. "Ich weiß. Aber über kurz oder lang hätte mich der Geheimdienst doch in die Hände bekommen, und dann wäre es zu spät gewesen. Toran hätte niemals Ruhe gegeben, und wenn er einen Krieg zwischen Romulus und der Föderation hätte anzetteln müssen. Ich musste es endlich beenden. Für die Föderation und für das Imperium."

Thomas drückte seine Hand. "Wir sprechen später darüber. Jetzt sollten Sie erst einmal gesund werden. Und, wenn Sie das sind, wird man Ihnen sehr viele Fragen stellen. Also, ruhen Sie sich aus."

Tiaren lachte leise und freudlos. "Ich bin hier unwichtig. Sehen Sie und Ihre Leute zu, dass Sie den Captain retten, sonst war sowieso alles vergebens."

"Er ist schon versorgt. Sie haben ihn in den Tank getan. Er sollte also keine Schmerzen mehr haben. Jetzt sind Sie dran. Der Doktor wetzt schon die Messer. Ihr Augenlicht, Sir. Sie sind gefoltert worden und auch darüber wird man Sie befragen."

"Was erwarten Sie? Der Tal'Shiar ist für seine Foltermethoden berühmt. Und ich kann gerne Details geben. Praktische Erfahrungen ergeben gleich neue Einblicke." Tiarens täuschte mit diesen spöttischen Worten nicht wirklich über die Angst hinweg, dass der Schaden an seinen Augen irreparabel war. Sicher, Gewebe konnte man regenerieren, aber der Schock im Nervensystem war meist zu groß.

"Nun, wenn Sie Folter so mögen, werden Sie es hassen, wenn ich Ihnen jetzt die Betäubung gebe", brummte McCoy. "Ich werde jetzt Ihre Augen wieder in Ordnung bringen. Denke ich. Und Sie, Thomas, verschwinden Sie, ich brauche freie Bahn. Sie können ja mal beim Captain vorbeischauen. Ich habe immer noch keinen vulkanischen Heiler, obwohl ich ihn nach der letzten Mission angefordert habe. Aber derzeit scheinen Sie Mangelware zu sein. Der Captain muss in die Heiltrance, aber er wird nicht wach."

"Ich habe mich in letzter Zeit viel mit dieser Materie beschäftig, Doktor", erklärte der Counselor, "vielleicht kann ich es versuchen. Falschmachen kann ich kaum etwas."

Der Doktor sah ihn zweifelnd an und nahm ihn dann ein Stück zur Seite. "Thomas, ich hatte Ihre Werte auf dem Schirm, als Sie versuchten, den Captain zu erreichen. Sie hatten soviel Adrenalin im Blut, dass es keinen Unterschied machte, ob nun der Captain auf dem Boden lag oder Sie. Vergessen Sie Ihre Gesundheit nicht. Es ist gibt einen Grund, warum die verdammten Spitzohren neben allen möglichen Ausbildungen auch noch diesen Beruf ausbilden."

"Aber Sie sagten selber, dass Sie niemanden dafür haben, der es übernehmen kann. Soll der Captain deswegen möglicherweise sterben? Mein Metabolismus ist da leichter zu stabilisieren als seiner im Augenblick. Ich muss Commander Aera schnell einen Bericht geben, und dann geben Sie mir ein ausgleichendes Mittel, Doktor und ich versuche es." Thomas’ sonst so sanfte Augen blickten McCoy entschlossen an.

Dieser schien ihm rigoros eine Absage erteilen zu wollen, dann jedoch gab er nach. "Berichten Sie, ich werde das Mittel vorbereiten. Pfleger, bereiten Sie Mr. Tiaren vor, damit wir gleich anfangen. Und, Sie, Thomas, beeilen Sie sich."

Dieser nickte. Am Computerterminal benachrichtigte er Commander Aera und gab weiter, was Tiaren ihm erzählt hatte. Die Erste Offizierin sah so aus, als würde nun einiges für sie Sinn ergeben und dankte dem Counselor. Seinen Versuch, dem Captain zu helfen, billigte sie ebenfalls.

Als Thomas zurück ins Behandlungszimmer kam, wartete McCoy schon mit dem Hypospray auf ihn. A´kebur lag im Heiltank, dessen Deckel geöffnet war. Seine Atmung wurde durch Schläuche gewährleistet, und seine Lebenszeichen piepten schwach, aber regelmäßig auf der Anzeige.

Die Haut sah nach Thomas Meinung besser aus, aber um die Heilung zu stabilisieren, war ein längerer Aufenthalt unumgänglich. Schlimmer waren die inneren Verletzungen und die Verletzungen der Seele sowie des Geistes. Der Kampf an so vielen Fronten konnte dazu führen, dass der Captain nicht die Kraft besaß und ihnen unter den Händen wegstarb.

Thomas setzte sich zu ihm, während der Doktor wieder ging. Er überließ ihn der Aufsicht seiner Assistenzärzte, damit diese zur Not eingriffen. Thomas konzentrierte sich auf sein eigenes Selbst und berührte dann den Captain, der ihn immer wieder abgelehnt hatte und doch nun so dringend Hilfe brauchte, dass auf persönliche Vorbehalte keine Rücksicht mehr genommen werden konnten.

Zuerst war da nur schlafendes Bewusstsein, grenzenlose Erschöpfung, doch in der nächsten Ebene tobte soviel Schmerz, dass Thomas nach Luft schnappte, als habe er sich verbrannt. Rot, ja blutig wie der Stumpf eines abgetrennten Gliedmaßes spürte er den Rest des Seelenbandes oder zumindest, was davon im Bewusstsein verankert war. Thomas wollte nicht wissen, wie es im Unterbewusstsein aussah, aber genau dort musste er hin.

Er wollte nicht noch mehr verletzen, daher mühte er sich redlich, die verletzten Bande nicht zu berühren. Er wusste nicht, wie viel Zeit verging, doch dann spürte er, dass er im Unterbewusstsein war. Hier herrschte eine erschöpfte Ruhe. Nur hie und da tauchten Bilder auf, die entweder den Schmerz oder die Einsamkeit oder beides zum Thema hatten. Das Unterbewusstsein ähnelte so eher einem trägen dahintreibenden Fluss ohne Anfang oder Ende mit langsam aufsteigendem Treibgut, welches irgendwann dann wieder zum Grund hinabsank.

Troi musste hier jedoch einen Ansatzpunkt finden, einen Anker, von dem aus er den Impuls für die Trance geben konnte. Also schickte er einen fragenden Gedanken aus in der Hoffnung der Captain würde ihm in irgendeiner Weise antworten können.

Natürlich wusste Troi, dass alles der Captain war. Und es gab noch tiefere Ebenen, die er jedoch noch weniger erreichen konnte, wie das Bewusstsein. So hoffte er in dieser eher zweifelhaften Ruhe auf eine Antwort. Innerlich musste er sich zusammenreißen und seine berufliche Verantwortung hinten anstecken, als er das immer wiederkehrende Thema in den Bildern erblickte. Einsamkeit und Ablehnung. Die Hoffnung auf Gemeinsamkeiten. Die Hoffnung auf eine Familie, die sich zum Teil erfüllt hatte und vielleicht auch einmal richtig erfüllen würde. Das Gefühl von Heimat.

Der Captain war tatsächlich nicht heimisch auf der Enterprise, auch wenn er sich wohl fühlte und angenommen. Es bestätigte den Eindruck des Counselors. Aber er sah auch, dass der Keim schon lange gelegt war und austrieb. Es bedurfte keines Ansporns von seiner Seite aus, damit dieser Mann auf dem Schiff Erfüllung fand.

Troi lauschte in die stille Dämmerung und fragte erneut an mit dem Gefühl von Dringlichkeit. Mehr fühlte er, als dass er hörte, wie sich ein Teil von A´kebur ihm sich zuwandte. Als dieser erkannte, wer bei ihm war, machte er sich sogar die Mühe, um ein Abbild von sich zu generieren. Interessanterweise war es eine Mischung aus vulkanischer und klingonischer Kriegerkleidung, dass dieses Bild trug. "Thomas", sagte A´kebur wenig förmlich und geradezu vertraut.

Der Counselor bemerkte, dass auch ein Abbild von ihm hier in dieser grauen Welt stand. "Captain, ich bin hier, um Ihnen zu helfen."

A´kebur neigte interessiert sein Haupt. "Inwiefern Hilfe?", fragte er.

"Sie müssen sich in Heiltrance versetzen. Sie sind sehr schwer verletzt und die Medizin kann nicht alles bewirken", erklärte Troi, "wir sind alle sehr besorgt um Sie."

A´kebur schloss die Augen und schien etwas zu erlauschen. Als er sie öffnete, sah er nachdenklich aus. "Ich habe keine Kontrolle", sagte er. "Es scheint vieles abgeschnitten zu sein und neue Verbindungen stehen noch nicht. Ich brauche Zugang zum Bewusstsein."

"Ich helfe Ihnen." Troi streckte seine imaginären Hände aus. "Wir können einen neuen Zugang schaffen."

"Sie sind kein Heiler und können bei dem Versuch schwer verletzt werden. Sie sollten auch nicht davon ausgehen, dass ich hier bin, Thomas."

"Es ist sonst niemand Kompetentes zur Stelle und ich weiß, was ich tue, Captain. Bitte vertrauen Sie mir wenigstens dieses eine Mal."

A´kebur lächelte. "Ich vertraue Ihnen. Ich vertraue Ihnen wirklich. Aber ich bin nicht hier. Sie können mich nirgendwohin ziehen."

"Womit ich gerade rede, ist der Teil Ihres Verstandes, der noch zu Entscheidungen fähig ist. Und der muss ins Bewusstsein, um die Heiltrance zu aktivieren. Das hier ist immer noch mein Fachgebiet, Captain", ließ sich Thomas nicht beirren.

A´kebur reichte ihm die Hand. "Wir müssen woanders hin. Als das Partnerband zerrissen worden ist, sind Teile des Bewusstseins, des Wissens und der Person A´keburs zersplittert worden. Auch das Gehirn ist in Mitleidenschaft gezogen worden. Wenn Sie hier sind, dann werden Sie auch die Aufgaben eines Heilers übernehmen müssen. Bauen Sie Brücken, um die Teile soweit wieder miteinander zu verbinden, dass A´kebur den Rest übernehmen kann."

"Ich werde es versuchen." Der Counselor konnte nicht behaupten, so etwas schon einmal versucht zu haben, erst recht nicht bei weitgehend vulkanischen Gedankenstrukturen, aber er war im Augenblick der Einzige, der etwas tun konnte. Er spürte, wie sich ein Teil von A´keburs Bewusstsein mit dem seinen verband und sich auf ihn stützte. Die verstreuten Teile wieder zusammenzufügen, war keine leichte Aufgabe, aber nun wusste Thomas zumindest, wonach er zu suchen hatte.

Tatsächlich glich es dem Bau von Brücken. Nicht alles würde er zusammenbauen können, aber auch nicht müssen. Vielmehr ging es darum, A´keburs Bewusstsein wieder soweit zu stabilisieren, dass dieser selbst in eine Heiltrance gleiten konnte, weil er wusste, dass es so etwas gab, weil er den Willen für die Trance entwickeln konnte und weil er das Wissen darüber anzuwenden vermochte. "Danke, Thomas", hörte er die Stimme A´keburs und ein kleiner Schups ließ ihn an den noch schmerzhaften Gebieten A´keburs Geist vorbeigleiten, ohne dass er diese berührte. Er spürte noch, bevor er wieder zu sich selbst zurückkehrte, wie A´kebur die Heiltrance einleitete und viel tiefer einschlief, als das normalerweise der Fall war.

"Thomas? Sind Sie wieder da?" Nur vage hörte der Counselor die besorgte Stimme McCoys. Man musste ihn zurückgerufen haben, mutmaßte Thomas. "Kommen Sie, Junge, wir schaffen Sie in ein bequemeres Bett." Damit wurde er hochgezogen und gleich darauf auf eine weiche Unterlage gebettet. McCoy stand über ihm und schüttelte den Kopf. "Wären Sie nicht zu alt dazu, ich würde Sie übers Knie legen, mein Freund. Sie haben zwischendurch aufgehört zu atmen!"

Thomas räusperte sich. "Wirklich?", fragte er mit dünner Stimme.

"Ja! Und jetzt ruhen Sie sich aus! Noch mehr Kommandooffiziere außer Gefecht kann ich nicht brauchen!", knurrte der Arzt und klopfte Troi kurz auf die Schulter. "Aber ich denke, Sie haben den Captain gerettet."

"Er ist in der Trance, ich habs gesehen", meinte Thomas nicht ohne Stolz. "Ich glaube, ich habe einen Wald gestemmt."

"Betazoiden, Vulkanier, Klingonen, Romulaner - allesamt irre." McCoy gab ihm noch einen leichten, beinahe väterlichen Klaps. "Und Sie schlafen jetzt. Zurück in den Dienst erst, wenn ich es sage."

"Aye, aye, Sir. Halten Sie nur den Captain fest, ich muss einen Termin mit ihm ausmachen." Thomas schlief mit einem tiefen Seufzer ein.

McCoy blickte ihn noch einen Moment an. "Ich bin hier im Tollhaus", murrte er, auch wenn er mehr als nur froh war, dass der junge Betazoide es geschafft hatte. Nun war es wieder an der Zeit, nach dem dritten Patienten zu sehen, der zweifellos bald aufwachen und dann wieder Schwierigkeiten machen würde.

McCoy überlegte, ob er diesem aus Rache den weißen Stock vorenthalten würde, den er besorgt hatte. Einen Visor oder Implantate waren nur für hoffnungslose Fälle. Ein Stock und später Sensorkleidung half jedoch. Nur, jetzt erst einmal musste Tiaren liegen, damit sich die Heilung stabilisierte und das betraf nicht allein seine Augen.

 

Die Operation war recht gut verlaufen, und der Regenerator knüpfte bereits das Gewebe wieder zusammen. Selbst rein äußerlich würde nichts zurückbleiben. Ob die Nerven jedoch den Schock verkraftet hatten, war eine andere Sache und würde sich wohl erst mit der Zeit zeigen.

Außerdem gefielen McCoys die Enzephalogramme des Gehirns überhaupt nicht. Nicht nur, dass das Schmerzzentrum durch Stimulanz von außen ziemlich angegriffen war, zeigten Bereiche ungewöhnliche Aktivitäten, die sonst eher ruhig waren. McCoy schrieb das der getrennten Verbindung zu, aber auf Dauer konnte das nicht gesund sein.

Auch hatten die Tiefenscans, die McCoy zuvor nicht hatte machen können, da die bisherigen Aufenthalte Tiarens eher einen anderen Zweck gehabt hatten, ein paar Gensequenzen zutage gefördert, die schlichtweg haarsträubend waren. Offenbar war vielmehr menschliche DNA eingeflochten worden, als äußerlich zu sehen war, besonders in den Hormonfunktionen. Andernorts schienen schlichtweg ein paar Strings zu fehlen. Was das alles bezweckt hatte, konnte der Doktor nicht wirklich nachvollziehen, aber ihm waren zwei Dinge klar: Es war erstens nicht rückgängig zu machen und zweitens mit jeder normalen Gensequenz inkompatibel für eine Fortpflanzung.

McCoy hatte eigentlich soviel gar nicht herausfinden wollen und nicht die Konsequenzen. Er hatte sich zwar so seine Gedanken gemacht, was mit Tiaren alles angestellt worden war, schließlich sah er nicht wie ein Romulaner aus. Aber die meisten weniger sichtbaren Änderungen waren nur möglich gewesen, als Tiaren nur eine einzige Zelle gewesen war. Tiaren war erschaffen worden.

McCoy überlegte, ob der Romulaner es wusste. Ein Romulaner, der menschliche Gene in sich trug. Eine Chimäre aus dem Reagenzglas. Er schnaufte kurz und seufzte dann.

Warum konnte das Leben nicht einfacher sein, fragte er sich. Er blickte zu Tiaren, der langsam eine Hand bewegte, weil sie wohl kribbelte. "Sie werden gleich richtig wach", informierte McCoy ihn. "Seien Sie vorsichtig. Ihre Augen sind wieder in Ordnung und auch Ihre Sehnerven. Wir haben auch die anderen Verletzungen geheilt. Aber es ist alles noch sehr empfindlich."

"Vermutlich sage ich das zum ersten Mal, aber: Danke, Doktor.", wisperte Tiaren und öffnete vorsichtig die Augen. Alles war so schwarz wie zuvor und für einen Moment erfasste ihn Panik. Dann zwang er sich, tief durchzuatmen und still liegen zubleiben. Was hatte er erwartet? Romulaner waren gründlich.

"Sie werden Ihre Nerven nicht sofort benutzen können. Nach einiger Zeit werden wir ihnen Sensorkleidung anpassen. Dann können Sie Ihre Sehnerven trainieren und sich trotzdem derweil gut orientieren. Nicht perfekt, aber immerhin."

Tiaren gefiel der Gedanke nicht sonderlich, auf ein technisches Hilfsmittel angewiesen zu sein, aber es war vorerst die beste Lösung. "Wie geht es dem Captain?", fragte er, um sich abzulenken.

"Er befindet sich endlich in der Heiltrance. Er hat gute Chance, dass er keine dauerhaften Schäden davon trägt. In zwei bis sechs Tagen werden wir ihn aus dem Tank holen, je nachdem, wie gut die Heilung verläuft, und dann müssen wir ihn wecken."

Die Aussage beruhigte Tiaren immens. Er lehnte sich zurück und schloss wieder die Augen. Wenn A´kebur aus all diesem nur heil heraus kam, dann war es das wert gewesen.

"Wollen Sie schweigen? Dann lasse ich Sie ausruhen. Aber Sie sollten ganz dringend reden", riet ihm Doktor McCoy.

"Worüber?"

"Über sich selbst, über den Captain. Das, was Sie da unten gemacht haben. Was Sie denken. Niemand wird Sie später darüber befragen. Man wird Sie nur fragen, ob Sie ein Verräter sind."

"Ich bin kein Verräter. Ich habe niemals Geheimnisse der Romulaner an die Föderation ausgeplaudert und auch nicht umgekehrt. Aber ich sagte schon Ihrem Counselor, es gab keinen anderen Weg. Ohne Toran steht das Imperium besser da und kann frei über einen Frieden entscheiden."

Es raschelte und dann setzte sich McCoy an Tiarens Bett. "Nur so? Warum nicht einfach die Verbindung abschirmen? Wissen Sie, dass der Captain kurz vor einem Herzinfarkt stand? Ich bin froh, dass er als Klingone doch ein paar andere Eigenschaften aufweist als ein reiner Vulkanier."

"Doktor, ich bin recht gut darin, Risiken einzuschätzen, aber ich bin davon ausgegangen, dass ich die Attacke auf Toran nicht überlebe. A´kebur wäre mit mir gestorben ohne eine Chance, sich zu lösen. Es war ein großes Risiko, aber eines, das ich eingehen musste. Und jetzt … nun, er ist frei." Tiaren hatte noch nicht näher darüber nachgedacht, was das eigentlich hieß.

Aber das lose Ende ihrer Verbindung pochte heftig in seinem Schädel und zerrte an seinem Herzen. Und doch war es richtig gewesen, nicht nur, um A´kebur das Leben zu retten. Der Captain hatte klargestellt, dass er diese Verbindung nicht wollte, und Tiaren musste sich eingestehen, dass sein Instinkt zu überleben und sein Verlangen, A´kebur für sich zu haben, nicht so stark waren wie der Wunsch, diesen am Leben und glücklich zu sehen.

"Nun, dass er frei ist, bezweifle ich. Ich kenne den Captain seit einer ganzen Weile. Ich habe ihn noch nie frei gesehen. Nicht, bevor Sie ihn gefangen nahmen und auch nicht danach. Er ist ein starker Mann, aber er hat gesehen mit seiner Biographie kein Glück mit seinen Beziehungen. Zumindest nicht auf Dauer. Und ganz ehrlich, Mr. Romulaner, wenn ich mir auch nur annähernd vorstellen kann, was Sie getan haben, würde ich Sie über den Haufen schießen."

"Bitte sehr, Doktor, aber warum dann erst die Mühe, mich zusammenzuflicken? Sie hätten mich eigentlich auf Romulus lassen müssen", gab Tiaren zurück.

"Ich bin Arzt und ich bin nicht mit Ihnen verheiratet." McCoy schnaufte hörbar. "Ein Glück!"

Tiaren schmunzelte. "Ihren Job möchte ich nicht haben. Aber wie es aussieht, ist niemand mehr mit mir verheiratet. Was wollen Sie also?"

"Mr. Tiaren, ich weiß nicht viel über diesen vulkanischen Hokuspokus, ich weiß nur, dass Sie eine Verantwortung tragen. Sie haben den Captain jetzt zweimal auf das Schlimmste verletzt. Sie werden das wieder in Ordnung bringen."

"Und Ihnen ist nicht vielleicht der Gedanke gekommen, dass er das nicht will? Dass er froh sein könnte, mich los zu sein?"

"Auf diese Weise? Ich wage es zu bezweifeln. Wie denken Sie darüber für sich?"

Tiaren hätte dem Doktor gerne einen genervten Blick geschenkt. "Ich weiß zwar nicht, was Sie das eigentlich alles angeht, aber der Captain hat mehrmals deutlich gemacht, dass er mich los sein will."

"Mich geht alles an, was den Captain angeht, junger Mann. Und Sie haben es mit einem einzigen Gedanken geschafft, ihn in die Knie zu zwingen. Das will was heißen. So schnell gibt er nämlich nicht auf."

"Doktor, ich verstehe Ihre Besorgnis. Aber was ich getan habe, lässt sich nicht rückgängig machen. Das Sinnvollste, was ich tun kann ist, ihm nicht mehr unter die Augen zu kommen."

Doktor McCoy brummte: "Einfach die Augen zulassen."

"Sie haben romulanischen Humor, Doktor, wirklich." Tiaren lehnte sich zurück.

"Denken Sie darüber nach", riet ihm McCoy ohne darauf einzugehen. "Es kann sein, dass wir wegen Ihnen unseren Captain verlieren."

Tiaren antwortete nicht. Seine schlimmste Sorge war, dass er A´kebur wirklich irreparabel verletzt hatte. Aber es war der einzige Weg gewesen und Tiaren bereute es nicht. Nur die Methode war zugegeben grausam gewesen, aber ihn selbst schmerzte es ja auch. Er war wieder allein, und ein Teil von ihm schrie verzweifelt nach seinem Gegenstück. Aber es war nicht mehr zu ändern.

 

 

Drei Tage später

 

"Kümmern Sie sich weiter um ihn, Doktor. Ich werde niemanden abschreiben, ehe es nicht wirklich soweit ist. Aber es wird Sie vielleicht interessieren zu hören, dass die Romulaner die Verhandlungen wieder aufnehmen wollen. Botschafter Chioma kann sein Glück noch kaum fassen. Offenbar hat das Ableben Torans einige Wege freigeräumt. Sie können das Mr. Tiaren ausrichten, wenn Sie wollen. Aber er soll solche Dinge in Zukunft besser Diplomaten überlassen", erklärte Commander Aera mit grimmiger Befriedigung.

"Ich werde es ihm ausrichten. Ich denke aber auch, dass das nicht die Handschrift eines Diplomaten ist. Ich werde Sie auf dem Laufenden halten."

Commander Aera sank im Sessel zurück und atmete tief durch. Aber nur für einen Moment. "Ma´am, ein Schiff kontaktiert uns. Es ist ein privates Schiff. Die T'Pash von Vulkan. Es geht um Captain A´kebur. Man möchte über seinen Gesundheitszustand informiert werden." Der Kommunikationsoffizier schaute auf. "Die T'Pash ist auf die Familie Re zugelassen. Es ist seine Mutter."

"Auf den Schirm, Lieutenant. Und senden Sie eine Anfrage nach Romulus betreffs eines medizinischen Notfalls. Wir brauchen die Vulkanier hier."

Auf dem Schirm erschien das Gesicht einer unbekannten Vulkanierin. Aber ihr wurden die Daten am unteren Rand übermittelt, dass es sich um T'Lera, der Mutter von A´kebur handelte. "Ma´am, ich bin Commander Aera, Erster Offizier der Enterprise."

T'Lera nickte leicht. "Ich grüße Sie, Commander. Ich brach so schnell wie möglich von Vulkan auf. Wie geht es A´kebur?"

"Es ist uns gelungen, ihn in die Heiltrance zu versetzen. Darf ich fragen, woher Sie wissen, dass es ihm nicht gut geht?"

"Ich bin seine Mutter. Vulkanische Geister sind sehr verbunden in diesen Dingen. Es beruhigt mich zu hören, dass er stabil ist." Commander Aera meinte, in dem Gesicht der Vulkanierin trotz allem tiefe Besorgnis zu sehen.

Commander Aera drang jedoch nicht weiter in die vulkanische Frau. "Dr. McCoy wird sich freuen, dass ein vulkanischer Heiler hierher unterwegs ist. Wir erwarten Sie. Ich erhalte gerade die Freigabe für Ihren Weiterflug. Sie dürfen die romulanische Grenze überfliegen."

"Gut, Commander. Wir fliegen mit maximaler Geschwindigkeit. T'Lera Ende."

Aera lehnte sich wieder in den Kommandosessel. Es beruhigte sie sehr zu erfahren, dass jemand, der wirklich etwas davon verstand, dem Captain zu Hilfe kam. Und dass die Romulaner ein vulkanisches Schiff in ihren Raum ließen, war in dem Fall noch erfreulicher. Offenbar gedachten sie, einiges wieder gutzumachen.

Oder, sie glaubten einfach nicht, dass ein privates, unbewaffnetes, vulkanisches Schiff eine Bedrohung darstellte. Wahrscheinlich waren es aber beide Gründe, die den Ausschlag gaben. "Gedanken?", fragte Commander Aera. Sie wandte sich um und sah ihre Crew an, die derzeit für eine unbestimmte Zeit tatsächlich ihre Crew war.

"Wir sollten weiterhin wachsam sein", erklärte Ch'Grawbil. "Den Romulanern ist so schnell nicht zu trauen. Und ich bitte darum, die Transporter so umstellen zu dürfen, dass sie ohne Retinascan der autorisierten Crew nicht mehr benutzbar sind." Er war es endgültig leid, dass seine Sicherheitsmaßnahmen, so gut sie auch waren, umgangen wurden.

"Gehen Sie es an. Sie haben Recht, ich frage mich auch, warum alle von der Enterprise fliehen", flachste sie nicht wirklich im Scherz. "Weitere Gedanken?"

"Ich denke, die Romulaner haben dieses Mal wenig Hintergedanken", meinte Yamilu, "wenn Toran tatsächlich diesen weitreichenden Einfluss innerhalb der politischen Schichten hatte, wird sich nun einiges geändert haben. So seltsam es in Bezug auf Romulaner klingen mag, aber auch sie begreifen die Logik eines Friedensvertrages. Ob die Anwesenheit von weiteren Vulkaniern sich positiv auswirkt, werden wir sehen. Ich denke aber doch."

"Wir können also Mr. Tiaren einen Orden verleihen, dass er seinen Vater getötet hat. Zweifelsfrei sind die Romulaner nun offener, aber wir sollten dennoch wachsam sein. Wenn Toran eine Macht war, dann hinterlässt er jetzt ein Machtvakuum", fügte Commander Aera hinzu. "Weitere Gedanken?" Sie sah die Offiziere von der Waffenphalanx und der Navigation an. "Mich interessiert jedes Detail und wenn es um den Nachtisch im Zehn Vorne geht."

Commander Delacroix meldete sich zu Wort; sie hielt sich sonst eher in diesen Dingen zurück, wenn es nicht um die Technik des Schiffes ging. "Um einen Vergleich aus der Technik zu gebrauchen: Es gibt immer ein Sekundärsystem, das einspringt, wenn die Primärfunktion ausfällt. Ich denke, wir sollten den Romulanern Zeit geben, sich neu zu sortieren und die Politik dem Botschafter überlassen. Die andere Frage, die sich mir stelle, ist: Wie lange sollen wir noch hier bleiben? Bis es dem Captain wieder soweit gut geht, dass er die Verhandlungen aufnehmen kann?"

Commander Aera presste die Lippen zusammen und senkte dann kurz den Kopf. Als sie wieder aufblickte, hatte sie sich wieder gefasst. "Ich habe mit Mr. Troi gesprochen, nachdem der Captain das Schiff verlassen hat. Er ist kein Heiler, aber sein Eindruck vom Captain war besorgniserregend. Ich weiß nicht, ob der Captain im Laufe der Verhandlungen wieder gesund wird. Meine Zweifel sind vielleicht kontraproduktiv, doch zu ignorieren, was passiert ist, bringt uns nicht weiter. Wir sollten erst einmal alles tun, damit der Captian nicht vermisst wird. Ich habe mit Captain Ilei gesprochen, er wird uns unterstützen und uns den Rücken frei halten, sollte jemand darauf bestehen, mit Captain A´kebur zu sprechen, bevor dieser selbst dazu in der Lage ist. Der Rest, ich hoffe, dass er sich fügen wird und wenn seine Mutter und der Heiler hier sind, dann sollte einiges wieder vorhersagbarer verlaufen."

Kollektives Nicken war die Antwort. "Commander, ich helfe Lieutenant Ch'Grawbil bei den technischen Optimierungen der Transporter", erklärte Delacroix, und auch Yamilu mit ihrem Wissen über romulanische Technik erklärte sich dazu bereit. Zumindest das Schiff hatte in Topzustand zu bleiben, während sie warteten.

 

Tage später befand sich das vulkanische Schiff nicht nur auf den Sensoren, sondern flog angesichts der vor Kurzem gezeigten Eile geradezu gemächlich an die Seite der Enterprise. Die Romulaner nahmen stoisch das Andockprozedere durch, als ob es nicht geradezu ein historisches Ereignise war, das ein vulkanisches Schiff bei ihnen andockte und noch nicht in seine Einzelteile zerschossen worden war. T'Lera verlor keine Zeit und beamte mit einem Heiler auf die Enterprise, wo sie umgehend von Commander Aera und Dr. McCoy empfangen und in den letzten Stand aller Kenntnisse versetzt wurde.

Während sie zur Krankenstation gingen, erklärten die Starfleetoffiziere der Vulkanierin, was sich in den letzten Stunden getan hatte, was überraschend wenig war. Counselor Troi war wieder auf den Beinen, wenn auch mit Kopfschmerzen, war aber auf der Krankenstation geblieben, um A´keburs Zustand zu überwachen. Auf seinem Gesicht zeichnete sich die meiste Erleichterung ab, als er der Vulkanierin ansichtig wurde.

Sie neigte ehrerbietig das Haupt. "Wir danken für die Hilfe, die Sie meinem Sohn haben eingedeihen lassen", sagte sie. Sie blickte zum Tank, ohne dass sich etwas in ihrem Gesicht bewegte.

"Er ist mein Captain, Madam. Ich hoffe, es hat bisher ausgereicht", erklärte Troi. "Werden Sie ihm helfen können?" Er meinte nicht die physischen Verletzungen; vor allen Dingen in den letzten Stunden waren die Brandwunden weitgehend verheilt und auch alle anderen Lebensfunktionen hatten sich endlich wieder stabilisiert.

T'Lera winkte dem Heiler, der ruhig gewartet hatte. Dieser ging zum Captain und öffnete den Tank. "Ich weiß es nicht. Ein Schmerz, der so stark ist, dass er in der Familie Resonanz findet …" Sie unterbrach sich und trat näher. Was sie bei dem Anblick ihres Sohnes dachte, war nicht zu erkennen. Sie sagte aber kein Wort mehr.

Commander Aera nickte nur dem Doktor noch einmal zu und verließ die Krankenstation. Es gab andere, die beim Captain Händchen halten konnten, sie hatte sich um das Schiff zu kümmern.

McCoy trat jedoch selbst zurück und winkte auch Thomas, sich herauszuhalten. Der fremde Heiler konzentrierte sich eine ganze Weile auf A´kebur und verzog dabei immer wieder das Gesicht. "Große Verletzungen, T'Lera", erklärte er schließlich, "auf mehreren Ebenen. Ich habe die die losen Enden des Bandes weitgehend abgeschirmt und zum Abheilen veranlasst. Es wird jedoch sehr lange brauchen. Ansonsten ist bereits gute Arbeit geleistet worden", er nickte dem Counselor anerkennend zu, "aber Lanar wird eine längere Zeit der Meditation und der Ruhe bedürfen. Seine Seele ist sehr zerbrechlich."

"Das Seelenband ist gerissen?", fragte T'Lera zögernd. "Ist Tiaren tot?" Sie blickt den Schiffsarzt an, der Mühe hatte, nicht zusammenzuzucken.

"Nein, Madam. Er hat es absichtlich getrennt, da er den Captain nicht mit in den Tod reißen wollte, wie er sagte. Aber er lebt ebenfalls noch und ist nebenan, wenn Sie mit ihm sprechen möchten."

T'Lera hob eine Augenbraue. Dann blickte sie zum Heiler. "Tun Sie, was Sie können", sagte sie leise. Zu Dr. McCoy gewandt, erklärte sie, dass sie nicht mit dem Romulaner Tiaren zu sprechen wünsche. Doch er solle auf jeden Fall vom Captain fern gehalten werden.

Der Doktor war etwas überrascht. "Ich vertraue Ihrem Urteil, Ma'am. Tiaren hatte auch keinesfalls die Absicht, den Captain wieder zu belasten."

"Darauf kann ich mich nicht verlassen, Dr. McCoy. Eine Bindung zu zerschlagen, so etwas sollte nur im gegenseitigen Einverständnis erfolgen. Ich bezweifle, dass das Einverständnis von meinem Sohn vorlag. Tiaren war nicht der erwählte Partner, er war der akzeptierte."

"Ich verspreche Ihnen, die beiden voneinander fernzuhalten, Madam. Jetzt ist die Hauptsache, dass der Captain wieder gesund wird; ich denke, da sind wir uns einig. Ich hatte nur eher gedacht, dass Mr. Tiaren derjenige ist, der am ehesten, nun ja, dazu beitragen kann. Aber ich bin nur ein Landarzt und verstehe nichts von vulkanischer Psyche. Es ist nur das, was wir Menschen raten würden."

T'Lera sah wieder zurück zum Heiler. "Die vulkanische Seele eines Mannes gebunden an seinen Gefährten ist verwundbar. Die Verletzungen einer Trennung bedürfen Jahrzehnte der Heilung. Die Wahrscheinlichkeit eines dauerhaften Schadens für Captain A´kebur liegt bei 78,4 Prozent unter Berücksichtigung der vorherigen Schäden."

"Dann ist es unsere Aufgabe, uns um die restlichen 21,6 Prozent zu bemühen", erklärte McCoy, "gibt es irgendetwas, was ich tun kann?"

"Sie haben ausgezeichnete Arbeit geleistet, Dr. McCoy", meinte der Heiler. "Den Rest kann ich übernehmen."

"Rufen Sie mich einfach, wenn etwas sein sollte." Damit räumte McCoy das Feld. Obwohl er natürlich froh war, dass die Vulkanier hier waren, so war er sich nicht sicher, ob dies wirklich der richtige Weg war. Aber sie würden es erst einmal auf Vulkanierart versuchen.

Als er außer Reichweite war, berichtete der Heiler T'Lera, was er vorgefunden hatte. "Eine Heilung ist möglich, aber durch die lange Zeit sind viele Bereiche unwiederbringlich zerstört. Ein Teil der Erinnerungen sind davon betroffen sowie seine Wahrnehmung. Ehrenwerte T'Lera, er wird als Krüppel erwachen."

"Was schlägst du vor zu tun, um ihm zu helfen?", fragte sie, "und ich will nicht hören, was logisch wäre. Er ist mein Sohn."

"Weil er dein Sohn ist, ehrenwerte T'Lera, müsste ich etwas vorschlagen, was logisch ist. Du weißt, was in ihm ist, denn du hast es gesehen. Aber ich werde der unlogischen Bitte nachkommen. Ich werde eine Gedankenverschmelzung mit ihm eingehen und heilen, was ich zu heilen vermag. Er muss aus dem Tank raus. Sein Quartier sollte geeignet sein für das Ritual."

"Ich werde das veranlassen, wenn der Doktor der Ansicht ist, sein Körper sei wieder ausreichend hergestellt. Und dieser Verräter muss die Enterprise verlassen. Ich kann ihn nicht länger in der Nähe A´keburs dulden. Ich glaubte wirklich, dass diese Verbindung sich auf Dauer zum Guten entwickeln könnte." Ihre blauen Augen bekamen einen kalten Glanz. "Es ist unverzeihlich."

"Es ist unlogisch Geschehenes zu bedauern", meinte der Heiler. "Der Körper A´keburs ist soweit geheilt. Er wird bald aus der Heiltrance erwachen. Ich sollte vorher beginnen. Sein Instinkt wird sich gegen eine Mentalverschmelzung zur Wehr setzen. Seine Logik wird nicht ausreichen, um sich ausreichend zu kontrollieren."

"Ich weiß, dass es nicht logisch ist. Aber auch du wirst noch lernen, dass man sich mancher Logik nicht immer sicher sein kann." Sie blickte auf A´kebur hinunter. "Ich gebe dem Doktor Bescheid, damit du beginnen kannst."

Sie wartete nicht auf die Zustimmung. Sonar war seit Jahren der persönliche Heiler ihrer Familie, aber er verstand nicht viel von der Familie selbst. Doch darüber sah sie hinweg, da seine Fähigkeiten über jeden Zweifel erhaben waren. Sie informierte daher Dr. McCoy über die weitere Planung. Der Mensch zeigte sich nicht glücklich, leitete jedoch alles in die Wege. Vorsichtig wurde der Captain aus dem Tank gehoben und in Tücher gehüllt, um seine empfindliche Haut zu schützen. Dann brachte sie ihn in sein Quartier, nicht ohne noch zwei Hyposprays und einen Kommunikator zurückzulassen und die eindringliche Bitte, bei Problemen die medizinische Abteilung zu kontaktieren.

T'Lera zeigte, als er gegangen war, eine Geste der Unruhe. "Fang an", befahl sie leise.

Der Heiler setzte sich neben A´kebur und legte seine Fingerspitzen an die Druckpunkte. T'Lera glaubte nicht, ihren Sohn je so verletzlich, so zerbrechlich gesehen zu haben. Nicht einmal nach Etiennes Tod und sicher nicht nach der neuen, unfreiwilligen Bindung. Diesmal hätte sie ihn fast verloren, das wusste sie.

Dass er noch da war, verdankte sie seinem Willen zu leben. Der Wut, der Angst und der Kraft, alles zu überwinden, was sich ihm in den Weg stellte. Sie spürte alles das jetzt auch, wo sie ihre Barriere senkte, um einen Anker für den Heiler zu setzen. Sie konnte aber jetzt auch nicht mehr ignorieren, was der Heiler ihr nahe gelegt hatte.

Für einen Vulkanier war der vollständige Verlust aller Kontrollen und der Verletzung seiner Seele ein Grund, den Tod zu suchen. Sie hoffte, dass A´kebur dies nicht tun würde. Sie berührte die noch freien neuralen Punkte und sandte einen Gedanken der Zuversicht. A´kebur reagierte sogar in der Heiltrance, dann berührte ihn der Heiler. In der typischen Art der vulkanischen Medizin machte er sich an die Arbeit. Die Reaktion kam nicht sofort, aber dann umso heftiger.

A´kebur trieb der Oberfläche seines Bewusstseins zu, um den Eindringling wahrnehmen zu können.

Offenbar suchte er instinktiv nach etwas Vertrautem, etwas, das nicht mehr da war. Und auch T'Lera wusste, dass sie diese Lücke nicht füllen konnte. Sie konnte nur ein wenig Trost spenden, ihm wortlos versichern, dass alles gut werden würde.

Der Aufstieg ihres Sohnes verzögerte sich. Vorsicht strahlte er jetzt aus und Misstrauen. Als der Heiler jedoch etwas berührte, was nahe der durchtrennten Verbindung lag, wuchs diesem auf einmal Abwehr entgegen, während gleichzeitig die Heiltrance mit einem Schlag endete. Stöhnend und blind wehrte sich A´kebur gegen die Berührung seines Geistes, die in beängstigender Weise durch ihn hindurchging, als wäre er nichts. Erst als er die vertraute Präsenz seiner Mutter wahrnahm, verharrte er im schmerzhaften Niemandsland zwischen endgültigen Erwachen und dem Gefühl zu sterben.

T'Lera schmerzte es selbst zu tief, ihren Sohn so zu sehen und hoffte, dass ihr und Sonars Können ausreichten, ihm zu helfen. Ihr Geist umarmte seinen, flüsterte wortlose Wärme jenseits aller Logik. Sie wollte ihren Sohn nicht verlieren, nicht so. Und sie wusste, dass man vieles überleben konnte, auch wenn es zu schrecklich war, um noch daran zu glauben.

A´kebur klammerte sich an sie, und versuchte das zu ignorieren, was mit ihm geschah. Mit jeder neuen Verknüpfung erfuhr er mehr und der Schmerz wurde überwältigend. "Genug", rief er im Geist. "Genug!"

Aber sie konnten jetzt nicht einfach aufhören. Stumm bat T'Lera den Heiler, vorsichtiger vorzugehen, langsamer. Den Schmerz jedoch konnten sie ihm nicht nehmen, sondern ihn nur weitgehend abschirmen.

Für A´kebur wurde die Mentalverschmelzung zur Hölle, die eine Ewigkeit dauerte. Als es endlich zu ende war, war er Schweiß gebadet. Keine Ohrfeige war notwendig, da der Schmerz ihn schon lange zuvor aus der Heiltrance geweckt hatte.

Sonar wich zurück. Sein Gesicht wirkte eingefallen, aber in den dunklen Augen war so etwas wie Zufriedenheit zu lesen. "Du solltest schlafen", riet er A´kebur, "Bitte entschuldige, aber ich werde mich zurückziehen. Ich werde nicht weit gehen."

T'Lera nickte ihm dankbar zu. "Ich bleibe bei ihm."

Sie strich A´kebur sanft über die Stirn und blieb neben ihm sitzen. "Schlaf", wisperte sie.

"Mutter …" A´kebur bewegte sich unruhig und versuchte eine Hand aus dem Tuch zu befreien. "…u hier …"

T'Lera ergriff seine Hand und drückte sie. "Ja, ich bin hier, mein Sohn. Ich bin hergekommen, so schnell ich konnte."

"…ut mir leid …", flüsterte er, " … keine Angst …" A´kebur seufzte und versuchte sich gegen die Erschöpfung zu stemmen, doch dann driftete er fort begleitet von Alpträumen und das Gesicht eines Mannes, der ihn verraten hatte. T'Lera blieb, wo sie war, und hielt seine Hand. Wer wusste, welche Alpträume ihn begleiten würden? Sie würde weiterhin über ihn wachen. Doch A´kebur hatte ihr klar und geistesgegenwärtig geantwortet, und das war unendlich viel wert.

Zwei Stunden nach der Mentalverschmelzung begehrte Dr. McCoy Einlass und ließ sich davon auch nicht abhalten, dass er unerwünscht schien. Er warf dabei einen misstrauischen Blick zu dem Heiler, der sich in eine Meditation versenkt hatte.

Das einzige, was McCoy erleichterte, war, dass es A´kebur besser ging. Die Werte sowohl der Hirnaktivitäten als auch insgesamt waren eindeutig besser. Der Captain schlief, aber so wie es McCoy einschätzte, würde er gleich erwachen. Unendlich erleichtert sah er in die blauen Augen, die ihn klar anblickten und eindeutig Erkennen zeigten. Kein irrlichternder Blick, keine Fragen.

Die Schmerzkurve riet eigentlich zum Einsatz von Medikamenten, aber sicher würde der Heiler etwas dagegen haben, also musste sich McCoy auf einen kleinen Trick verlassen. "Entschuldigen Sie, Captain", murmelte er. Er setzte einen kleinen Sensor ans Ohrläppchen, der die Schmerzrezeptoren etwas dämpften. Perfekt war es nicht, aber besser als gar nichts. "Status!", flüsterte A´kebur und ignorierte die äußeren Umstände.

McCoy lupfte eine Augenbraue. Oh ja, da war der alte Captain wieder. "Commander Aera hat alles im Griff, Sir. Die Friedensverhandlungen wurden wieder aufgenommen."

A´kebur schluckte trocken und leckte sich über die Lippen. "Tiaren?", fragte er heiser.

McCoys Blick glitt kurz zu T'Lera, die ihn fast warnend ansah. "Er lebt", erwiderte er also nur knapp, "ruhen Sie sich weiter aus, Captain. Aber Sie kommen wieder ganz in Ordnung."

"Frieden Vorrang", wisperte A´kebur und schloss kurz die Augen. "Danke."

"Dafür sind wir Ihre Crew, Sir." Väterlich zupfte McCoy die Decke über A´keburs Beinen zurecht und sah dann wieder zu der Vulkanierin. "Madam, wenn Sie etwas brauchen, melden Sie sich bitte. Wir könnten Sie im Quartier neben dem Captain unterbringen, wenn Sie möchten."

"Ich bleibe hier. Vielen Dank für das Angebot, Doktor. Ich danke Ihnen auch für Ihre Loyalität. Sie haben weit mehr getan, als Ihrem Captain zu helfen."

"So sind wir von Starfleet." Er lächelte. "Ich sehe später noch einmal nach ihm." Damit verließ er das Quartier, um Commander Aera Bericht zu erstatten. Selbst über den Kommunikator hörte er den kollektiven erleichterten Seufzer der Brückencrew.

Aber da war immer noch das Problem mit Tiaren. Die Romulaner hatten zu dem Thema noch nichts gesagt, aber T'Lera hatte sich deutlich ausgesprochen. Vermutlich würden sie ihn auf die Titan überführen müssen, sofern Aera nicht explizit gegen die Vulkanierin angehen wollte.

Der Captain der Titan zeigte sich aber auch in erster Linie erleichtert. "Vielleicht mache ich einen Krankenbesuch, wenn der Zustand des Captains es zulässt", meinte er freundlich.

Commander Aera war froh, als er die Leitung schloss und sie ihren Puls beruhigen konnte.

 

A´kebur bekam nichts davon mit.

Er versuchte sich aufzusetzen, um wieder Kontrolle über sein Leben zu bekommen. In seinem Inneren verzehrte ihn ein Feuer, das ihm Schmerzen bereitete. Nur zu gern wollte er sich zusammenrollen und einfach seinen Tränen und Schreien freien Lauf lassen. Aber das verbot sich. Unsicher wie ein Neugeborenes war er nicht einmal in der Lage, wirklich koordiniert seine Gliedmaße zu bewegen.

"Langsam", drang die Stimme seiner Mutter zu ihm durch, "bleib besser noch liegen. Fühlst du dich etwas besser?"

"Die Schmerzen sind akzeptabel", antwortete A´kebur mit rauer Stimme. "Deine Hilfe, deine Anwesenheit … " Er brach ab und schloss die Augen, als eine Welle von Schmerz und Verzweiflung ihn überrollte. Es war wie nach Etiennes Tod. Er kämpfte um Verstand und seine Gefühle. Er kämpfte darum, dass er nicht in den körperlichen Schmerzen, die nicht nachließen und ihn für Jahre peinigen würden, unterging und einfach aufgab.

A´kebur wusste nicht, ob er es noch einmal schaffen würde. Aber er wollte nicht aufgeben, bevor ihn nicht wirklich alle Kraft verließ. Er spürte die spannende Haut, wo sie sich regeneriert hatte, aber er hatte es nicht gewagt, sie zu berühren oder gar seinen fast nackten Schädel zu betasten. Es war keine Berechnung gewesen, dass er überlebt hatte. Nur Glück und wohl die schnelle Reaktion seiner Mannschaft.

"Ich bleibe, solange es nötig ist", erklärte T'Lera und hielt seine Hand fest als stumme Geste des Beistandes. "Kann ich etwas für dich tun?"

"Bleib bei mir. Ist Tiaren tot?"

"Nein, er lebt. Soweit ich den Doktor richtig verstand, ist sein Zustand ebenfalls akzeptabel. Ich will veranlassen, dass er das Schiff so schnell wie möglich verlässt und du ihn nicht mehr sehen musst."

"Ich will ihn sehen!" A´kebur blickte ihr in die Augen. "Ich muss ihn sehen."

"A´kebur, das wäre nicht klug. Dein Zustand ist gerade wieder stabil", mahnte T'Lera.

A´kebur wollte Widerstand aufbauen, merkte jedoch, wie sein Körper ihn verriet. Er war noch immer totmüde. Also schwieg er. Dennoch blieb in ihm das Gefühl, dass er Tiaren sehen musste. Wie viel davon dem zerrissenen Band geschuldet war, wusste er nicht. Aber für Logik war er nicht empfänglich.

"Ruh dich aus, bitte. Wenn du später unbedingt darauf bestehst, vielleicht. Aber zuerst muss es dir besser gehen. Dieses Schiff braucht auch seinen Captain, obwohl deine Offiziere hervorragende Leute sind. Zuviel steht immer noch auf dem Spiel."

"Du bist ein großes Risiko eingegangen, ins romulanische Gebiet einzudringen, Mutter. Ein sehr großes Risiko."

"Ich hatte die Erlaubnis. Außerdem wird es Zeit, dass unsere Völker sich begegnen. Nicht nur unter sterilen Umständen wie bei einem kontrollierten Austausch einzelner oder bei Verhandlungen. Es war der nächste logische Schritt, abgesehen vom bestehenden Notfall", erklärte T'Lera.

"Eine Gelegenheit, die es beim Schopfe zu greifen galt", murmelte A´kebur mit geschlossenen Augen. "Es wird Einfluss haben. Einen entscheidenden, dessen bin ich mir sicher."

"Wir werden sehen. Ich vermute, deine Offiziere werden später nach dir sehen wollen. Soll ich es erlauben? Ihre gefühlvollen Reaktionen könnten anstrengend sein."

"… keine Barrieren", wisperte A´kebur mit träger Zunge. Ohne etwas dagegen tun zu können, dämmerte er immer weiter weg. Seine Schwäche widerstrebte ihm, aber er musste ihr nachgeben, wollte er schnell wieder auf die Beine kommen.

Doch seine Mutter schirmte ihn ab und strich ihm weiterhin beruhigend über die Stirn, als wäre er wieder ein ganz kleines Kind. Doch genauso empfand sie. Und sie würde ihn weiterhin beschützen.

 

Commander Aera sprach mit Tiaren. Sie legte ihm nahe, erst einmal Abstand zu halten. Sie gab aber auch zu, dass hier niemand wusste, ob und wie weit ein medizinischer Grund gegeben war. Außerdem setzte sie ihn in den letzten Stand der Dinge und wie die Romulaner reagiert hatten.

"Ich halte es auch für das Beste, wenn mehr Abstand zwischen mir und dem Captain ist. Aber ich glaube nicht, dass das Imperium die Sache einfach so auf sich beruhen lässt. Es kann gut sein, dass sie mich immer noch haben wollen." Tiaren sah in die Richtung, in der Aera neben ihm stand. Noch gab es kein Sensornetz für ihn, aber die Ärzte und Techniker auf der Titan würden es ebenso problemlos erstellen können.

"Wir werden sehen. Auf jeden Fall werde ich Sie genauso wenig ausliefern, wie es der Captain getan hat. Dessen können Sie gewiss sein."

"Ich denke nicht, dass es darum noch geht. Sie können mich nicht mehr umbringen; immerhin habe ich ihnen Toran vom Hals geschafft." Tiaren lächelte leicht. "Aber die Sache muss geklärt werden."

Commander Aera stimmte dem zu. "Doch das wird erst einmal warten, bis Sie wieder in Ordnung sind oder zumindest der Kampf gerechter ist."

"Dr. McCoy hat vor, mich heute noch zu entlassen, wenn ich ihn recht verstanden habe. Er ist mich bereits leid, und mir fehlt auch physisch nichts mehr, abgesehen von der Kleinigkeit mit meinen Augen. Aber das ist kein Grund."

"Nun, mir hat er etwas anderes erzählt. Aber ich weiß, dass Schiffsärzte sich regelmäßig darüber beschweren, dass ihre Patienten die Krankenstation verlassen, sobald sie auch nur glauben, wieder laufen zu können. Sie benötigen aber auf jeden Fall weitere Behandlung. Darum werden Sie auch auf der Titan nicht herumkommen. Wir von der Föderation sind da anders und ziemlich penetrant. Ich habe Ihre Sachen packen lassen, so dass Sie das nicht erst machen müssen. Sie werden auf der Titan ein eigenes Quartier haben."

"Danke, Commander. Aber der Schiffsarzt dort kann kaum schlimmer sein. Ich wäre nur dankbar, bald zu erfahren, was mit mir wird, das verstehen Sie sicher", erwiderte er.

"Das werden wir herausfinden, Mr. Tiaren."

Dr. McCoy trat näher. "Nun, Sie wollen uns also verlassen, Mr. Tiaren. Ich habe hier etwas für Sie." Er hielt etwas in der Hand, was wie eine Weste wirkte. "Ziehen Sie das über, dann sollte es möglich sein, dass Sie nicht gegen jede Wand laufen. Mit etwas Übung erraten Sie sogar, wer vor Ihnen steht, bevor der den Mund aufmacht."

Tiaren streifte das leichte Gewebe über, das sich wie ein Netz mit winzigen Kristallen anfühlte. Die Verschlüsse am Hals hatten winzige Kontakte, die McCoy gegen seinen Nacken drückte und die sich von da aus mit seinem Nervensystem verbanden. Sofort bekam Tiaren eine Flut von neuen Eindrücken, die er zunächst nicht einordnen konnte, doch dann bildete sch eine Art Bild vor seinem Inneren Auge: Die rötlichen Umrisse von zwei Personen, die Wände des Raumes und die Gegenstände in kühleren Blautönen.

Tiaren streckte die Hand aus und griff zielsicher den dort stehenden Becher. "Danke, Doktor. Ich denke, damit werde ich gut zurechtkommen."

"Ich habe es auf Ihre Hirnfunktionen eingestellt. Sie dürften damit zurechtkommen. Und nun, hiermit entlasse ich Sie ganz offiziell. Sollten Sie mit Ihrem neuen Hausarzt nicht einverstanden sein, dann müssen Sie zur Nachuntersuchung zu mir. Ich schätze, dass Sie in zwei bis vier Wochen die ersten Eindrücke haben dürften, die die Bezeichnung Sehen verdienen. Ich bin da ganz Optimist. Ihre Werte sind ausgezeichnet."

"Ich glaub nicht, dass ich mich hier so schnell wieder blicken lasse, Doktor, nichts für ungut." Tiaren stand auf und ging langsam zur Wand; die Entfernung ließ sich erstaunlich gut schätzen.

Er spürte, dass ihn der Arzt bei diesem Versuch nicht aus den Augen ließ. Er wandte sich um und lächelte die rote Gestalt an, von der er wusste, dass sie der Arzt war. "Ich sehe es gern, wenn ein Patient zufrieden ist", meinte dieser. "Commander, Mr. Tiaren. Ich werde mich dann mal um meine anderen Patienten kümmern, die nach erfolgreicher Behandlung die Flucht antreten wollen."

Tiaren wandte sich zu Aera. "Zähle ich jetzt immer noch als hilflos? Ich denke, ich kann auf die Titan wechseln, dann haben Sie hier ein Problem weniger."

"Das bezweifle ich. Aber ein guter Versuch." Sie sah dem Arzt nach, dann trat sie vor Tiaren. "Ich gebe zu, dass ich nicht viel von den Dingen verstehe, die Sie und der Captain miteinander teilen. Ich habe versucht, mich in das Thema einzulesen. Aber die Vulkanier schreiben nicht sehr viel dazu. Ich habe den Captain nie gefragt, was es bedeutet. Ich denke, er hätte mir auch nie viel gesagt und Dr. McCoy wird nur soviel sagen, wie es der Captain gestattet. Aber für das Kommando, welches ich jetzt innehabe, werde ich mehr brauchen als nur Vermutungen. Was bedeutet es, was Sie mit dem Captain gemacht haben?"

Tiaren zögerte einen Augenblick, doch Aera hatte wohl ein recht darauf. Immerhin oblag das Kommando ihr, solange A´kebur außer Gefecht war. "Es ist mit Worten sehr schwer zu erklären. Stellen Sie sich vor, jemand, dem sie vertrauen, mit dem Sie eng verbunden sind, hackt Ihnen den Arm mit einem stumpfen Gegenstand ab und lässt Sie dann hilflos liegen. Und dann vervielfachen Sie den Schmerz von Trennung, Verlust und Enttäuschung um ein Tausendfaches. So wird sich der Captain in etwa fühlen." Und ich mich auch, setzte er stumm hinzu, aber das ging niemanden etwas an. Er hatte gewusst, was er tat. Er musste damit leben. Und die Gewissheit, dass A´kebur lebte, war ein großer Trost.

"Gehe ich richtig in der Annahme, dass es ihn hätte töten können?", fragte Aera erbarmungslos weiter.

"Ja, das hätte es. Aber die Alternative war nicht tragbar", erwiderte Tiaren leise.

"Was … was wäre die Alternative gewesen, Mr. Tiaren?"

"Dass wir beide sterben und zwar auf unschöne Weise. Das Band hätte den Captain immer erpressbar gemacht. Geschieht mir etwas, hat es auch Folgen für ihn und umgekehrt. Selbst wenn wir den Kampf dennoch überlebt hätten, wäre er nie sicher gewesen. Männer wie Toran wird es immer geben, und der Captain der Enterprise muss Handlungsfreiheit haben." Die weit persönlicheren Gründe gingen Commander Aera jetzt nichts an, also nannte er nur die Fakten.

"Ich verstehe. Dann bin ich Ihnen und der Captain wohl zu Dank verpflichtet. Seine Mutter sieht es anders. Ich vermute, es sind kulturelle Gründe."

"Nein, sie hat schon recht. Ich habe ihm etwas Schlimmeres angetan als den Tod, das weiß ich. Aber das Leben des Captains war mir wichtiger. Solange man lebt, hat man die Chance das Beste daraus zu machen. Wer tot ist, hat nur noch die Wahl, zu vermodern." Tiaren fixierte die rötlich schimmernde, zierliche Gestalt der ersten Offizierin. "Das ist nichts, was die Romulaner oder auch die Vulkanier predigen. Aber in diesem Fall haben die Menschen recht, denke ich."

Commander Aera schwieg, dann nickte sie knapp. "Dann weiß ich jetzt, was los ist. Vielen Dank für Ihre Offenheit. Ich werde Sie zum Transporterraum begleiten." Sie zeigte zur Tür und Tiaren wusste endlich genau, wo in der Wand die Öffnung war. Anhand der Hitzequelle hatte er schon geahnt, dass dort eine sein musste.

Aber nicht auf welcher Seite.

Es würde wohl noch etwas brauchen, sich vollkommen mühelos mit dem Sensornetz zu bewegen, und was den Kampf betraf, musste er sich vermutlich noch mehr auf seine Instinkte verlassen, weil der Impuls vom Netz zum Gehirn länger brauchte als vom Auge aus. Aber er war kein hilfloser Invalide, der ohne fremde Hilfe nicht auskam, das war das Wichtigste.

Er verabschiedete sich von Aera im Transporterraum. Auch, wenn er praktisch nur nach nebenan beamte, so war er sich sicher, die Enterprise nie wieder zu betreten. Nicht, so lang A´kebur hier war.

 

Dieser erwachte zur Nachtschicht aus seinem tiefen Schlaf und fand sich allein in seinem Quartier vor. T'Lera hatte sich in das Quartier nebenan begeben, um ihn nicht zu stören, während sie mit dem Captain ihres Schiffs sprach. A´kebur prüfte seine Fähigkeiten und seinen Zustand. Insgesamt war es nichts, was ihn zufrieden stellte. Die Schmerzen waren unerträglich, aber er zog es vor, sie zu ignorieren. Er wusste, dass es Phasen geben würde, wo er nicht in der Lage war, auch nur einen Finger zu bewegen, weil ihm schlicht die Kraft und der Wille fehlten. Jetzt jedoch war er noch nicht in dieser Phase und er hatte nicht vor, sie zu erwarten.

Vorsichtig und mit den Bewegungen, die eines uralten Mannes würdig waren, wickelte er sich aus den Tüchern, erhob sich und humpelte ins Bad. Innerlich wappnete er sich, in den Spiegel zu blicken und einen fremden Mann zu sehen. Es war tatsächlich ein Fremder, den er erblickte. Verhärmt mit eingefallenen Zügen, tiefliegenden Augen, haarlosem Schädel und einer scheckigen Haut, die verriet, dass ein großer Teil sich vor kurzem erst regeneriert hatte.

A´kebur strich über die Bartstoppeln und die wenigen Haare, die ihm verblieben waren. Kurz entschlossen rasierte er sich und entfernte auch die letzten Kopfhaare. Als nächstes duschte er, um sich wieder einigermaßen lebendig zu fühlen. Erst dann stand für ihn die Wahl von Kleidung an. Für einen Moment war er versucht, vulkanische Kleidung mit einer Kapuze anzuziehen. Aber was sollte er verbergen? Er war so, wie er war.

Den Schrecken für seine Mannschaft würde er kaum in Grenzen halten, nur, weil er verbarg, was ihn so aussehen ließ, dass nicht einmal er selbst sich erkannte. Er wählte daher die Uniform und richtete sich betont auf. Bevor seine Mutter kam, wollte er einen Abstecher auf die Brücke wagen. Dann jedoch zügig, bevor der Doktor ihn dabei erwischte. A´kebur erlaubte sich ein Lächeln und verließ dann eilig sein Quartier. Der Weg zur Brücke war von Blicken gepflastert, die ihm entsetzt verfolgten.

Auch als er die Brücke betrat, begrüßten ihn Ausrufe der Überraschung. Doch es waren freudige, keine des Schreckens.

"Captain!" Aera sprang auf und eilte in ungewohnter Hast auf ihn zu. Die junge Frau mit der sonst fast vulkanischen Gelassenheit strahlte ihn erfreut an, dann wurde ihr Gesicht wieder ernst. "Sir, Sie sollten noch nicht hier sein. Doktor McCoy hat Ihnen strenge Ruhe verordnet."

A´kebur schenkte ihr ein verschwörerisches Lächeln. "Er wäre enttäuscht, würde ich mich daran halte, oder Commander?"

"Trotzdem, Sir. Wir alle sind sehr froh und dankbar, Sie wieder auf den Beinen zu sehen, aber bei allem Respekt: wir kommen im Augenblick auch ohne Sie aus, Sir. Die Romulaner sind friedlich, und Botschafter Chioma und Captain Ilei machen gute Fortschritte."

"Das freut mich zu hören." A´kebur strich in Gedanken über die kribbelnde Stelle an seiner Hand, wo neue Haut sich mit der alten, unversehrten verband. "Ich vermute, die Romulaner wollen irgendwann wissen, ob es ein Theaterstück war, was wir ihnen vorspielten, um sie gesonnen zu stimmen. Wie viel Zeit hat uns der Senat für eine Erklärung gegeben?"

"Unbegrenzt. Velkos und Telvak von Romuanischen Senat haben ihre Genesungswünsche übermittelt. Sie sollen zu den Verhandlungen stoßen, wenn Sie wieder wohlauf sind. Torans Tod hat einige Dinge ins Rollen gebracht, und die Senatoren haben mehr Handlungsfreiraum. Es ist unglaublich, wie viel Angst dieser Mann in seinen eigenen Reihen verbreitet hat."

A´kebur lupfte eine Augenbraue. "Mr. Toran ist ein Arschloch gewesen", sagte er trocken. "Und ich werde mir jetzt einen Drink gönnen und auf seinen Tripp in die Hölle anstoßen. Für einen Piraten, der diesen Triumph nicht hatte erleben können. Commander …"

"Sir, ich nehme, an das soll nicht ins Logbuch." Aera musste sich ein Grinsen verkneifen. "Ich werde Sie auf dem Laufenden halten."

"Nein, nicht ins Logbuch. Aber in Ihre geistigen Notizen darf es. Vielleicht finde ich noch heraus, was exakt passiert ist. Aber er ist tot." Er sah sich zufrieden auf der Brücke um. "Weitermachen!", befahl er und ging langsam zurück zum Aufzug.

Als Ziel wählte er Zehn Vorne. Um diese Zeit war es meist recht leer, und er verspürte den dringenden Wunsch nach einem von Suahis Giften. Als er dort eintraf, war tatsächlich nicht viel los und die Beleuchtung war gedämpft. Suahi polierte, wie immer scheinbar unbeeindruckt vom Universum, seine Gläser und schenkte dem Captain ein breites, strahlendes Lächeln. "Willkommen zurück, Captain", begrüßte er ihn.

"Du hast mich erkannt? Merkwürdig, ich mich nicht." A´kebur verzog das Gesicht, als er sich auf einen der Barhocker setzte. "Mindestens 200 Jahre älter und ausgebrannt."

"Ich sehe noch immer meinen Captain A´kebur, den ich vor vielen, vielen Jahren in einer Starbase am Ende der Galaxis als kleinen Fähnrich kennenlernte. Gut, der neue Haarschnitt ist gewöhnungsbedürftig, aber sonst?" Suahi stellte das Glas ab und begann, etwas zu mixen.

"Haarschnitt …" A´kebur schob das Glas exakt vor sich. "Ich bin es nicht gewohnt, sie so kurz zu tragen. Es zieht." Er schaute sich um, aber sie waren allein. "Suahi, hast du etwas, was das tötet? Bitte erzähl mir nicht, dass man Schmerzen nicht mit Alkohol töten kann. Ich möchte für einige Zeit nichts fühlen. McCoy wird mir Bettruhe empfehlen, meine Mutter Meditation und der Counselor ein Therapiegespräch. Aber nichts davon würde helfen."

"Wo Ärzte, Psychiater und Familie versagen, ist der Barkeeper zuständig." Suahi nickte weise. "Ich habe da etwas für Sie, Captain. Aber es wird nicht ewig vorhalten. Genießen Sie es deshalb und sammeln Sie Kraft." Er rührte noch ein wenig im Glas herum, dann schob er es zu A´kebur. Die Flüssigkeit war tiefschwarz, undurchsichtig und roch leicht salzig.

A´kebur sah ihn fragend an. "Auf einmal oder in Schlucken?", fragte er nach der Dosierung.

"Wie Sie wollen. Es schmeckt allerdings nicht sehr gut. Der Oblivion-Wein muss bitter wie Tränen schmecken, um zu wirken. Und, legen Sie sich danach besser wieder hin, Sir", riet Suahi.

A´kebur sah ihm in die Augen, er nickte knapp. Mit einem Zug stürzte er das Gesöff hinunter und widerstand der Versuchung, das Gesicht zu verziehen. Es schmeckte wirklich ausgesprochen bitter und zog sich durch seinen ganzen Körper. Dann jedoch war es, als würde in ihm jemand die Lichter ausschalten. Eine Leichtigkeit erfasste ihn. Fast war es ihm, als würde er schweben. Sein Körper entspannte sich und die Schmerzen waren wie weggeblasen. "Danke, Suahi", wisperte er.

Der El Aurianer lächelte wieder und A´kebur musste plötzlich an die Grinsekatze aus diesem merkwürdigen terranischen Märchen denken.

Er glitt von seinem Barhocker und schwebte praktisch in Richtung Tür. Der Weg bis zu seinem Quartier schien ein einziger Schritt zu sein, und auch die verwunderten Blicke der wenigen Crewmitglieder, die ihm begegneten, bemerkte er nicht. Mit dem Gefühl, in einen Berg Watte zu fallen, sank er auf sein Bett. Erst glaubte er, eingeschlafen zu sein, doch dann spürte er, wie ihm eine Hand über die Haut strich.

"A´kebur." Eine warme leicht akzentuierte Stimme und ein vertrauter Duft umgaben ihn.

A´kebur blinzelte und sah Etienne, der sich lächelnd über ihn beugte. "Du warst lange weg", murmelte er mit schwerer Zunge. "Ich habe dich vermisst."

"Aber jetzt bin ich ja hier." Ein sanfter Kuss landete auf A´keburs Mundwinkel. "Ich lasse dich nicht mehr allein."

"Warum kann ich mich nicht bewegen? Egal, komm näher!"

Mit einem leisen Lachen kletterte Etienne ganz auf ihn und lehnte sich gegen A´keburs Brust. "Nah genug?"

A´kebur zog ihn näher und küsste ihn. "Es war so leer, als du nicht da warst. Es ist kein Leben. Geh nicht wieder weg!", bat er.

"Tue ich nicht. Es sei denn, du lässt mich los." Etiennes Finger strichen über seine nackte Brust, zogen kleine Kreise.

A´kebur erinnerte sich nicht, was mit seinen Sachen geschehen war, aber das spielte keine Rolle. Auch nicht, dass jede seiner Bewegungen wie unter Wasser war. Nur die Küsse zählte, die Berührungen und dass dies alles von Etienne kam und er ihn ebenso berühren und küssen durfte. "Du bist mein", flüsterte er. "Für immer."

"Das bin ich", war die kaum hörbare Antwort, "nur dein für immer." Die sanften Berührungen wurden ein wenig fordernder, wenngleich sie zärtlich blieben. Wärme schien von Etienne auszugehen, die A´kebur einhüllte, schützte.

Er saugte es in sich auf und wollte alles wieder zurückgeben. Unzufrieden murrte er, weil es etwas gab, was ihn zu fesseln schien. Dennoch schnappte er nach Etienne, um ihn besinnungslos zu küssen, ihn zu streicheln und ihn zu reizen. "Habe ich was getrunken?", fragte er. "Es fühlt sich seltsam an."

"Macht das einen Unterschied? Genieß einfach." Mit einem letzten, verheißungsvollen Lächeln küsste sich Etienne A´keburs Brust und Bauch hinab.

A´kebur lachte leise. "Oh, ich genieße dich mit allem, was ich bin." Er hielt Etienne fest, so gut es möglich war. "Was immer im Ale war, es ist gemein, dass du es ausnutzt."

"Besser ich als jemand anderes, oder? Und du schmeckst auch nach Ale gut."

A´kebur grinste. "Du hast es mir ins Ale getan. Nun, was ist so wichtig, dass ich mich nicht bewegen darf? Du hättest mich auch bitten können."

"Ich will, dass du einfach genießt und nichts tust. Entspann dich, A´kebur. Du bist bei mir sicher", versprach Etienne. Er küsste A´kebur erneut und rieb sich aufreizend langsam an ihm und zwinkerte ihm zu, als dieser zischend die Luft zwischen die Zähne sog.

"Ich liebe dich", flüsterte A´kebur, "aber quäle mich nicht", bat er.

Das tat Etienne auch nicht. Die sanften Liebkosungen wurden leidenschaftlicher, und dann versank A´kebur in dem Gefühl, seinem Geliebten vollkommen ausgeliefert zu sein. Etienne nahm ihn, liebte ihn, füllte ihn vollkommen aus, und irgendwann schloss A´kebur einfach die Augen und genoss nur noch.

Es war so wie schon lange nicht mehr, wie aus einer anderen Zeit …

 

A´kebur seufzte und öffnete die Augen. Es war warm. Das Quartier war auf vulkanischer Temperatur und vulkanischer Schwerkraft. Seine Muskeln waren warm und er fühlte sich ausgeschlafen und erholt. A´kebur blinzelte im Halbdunkel, um seinen Blick zu klären. Der Traum. Er konnte sich nicht mehr erinnern, was er geträumt hatte. Aber es war ein Gefühl von Befriedigung und Zufriedenheit, wie er es schon seit langer Zeit nicht mehr empfunden hatte. Gleichzeitig war da ein tiefer Frieden und Versöhnung. A´kebur fühlte, dass er nicht allein war, aber er wollte noch nicht zeigen, dass er wach war, auch wenn es eher eine formelle Stille war, die er damit aufrecht erhielt.

Eine kleine Ewigkeit blieb er so liegen, atmete tief und ruhig und genoss es einfach nur. Dann schließlich öffnete er langsam die Augen und blickte seine Mutter an. In ihren hellen Augen leuchtete ein Lächeln, auch wenn sie den Mund nicht verzog.

"Wartest du schon lange auf mich?", fragte er.

"Ich warte solange wie nötig. Du bist erholter, und das ist gut", erwiderte T'Lera ruhig.

"Mir geht es auch besser. Es ist, als hätte sich etwas geschlossen, auch wenn es unmöglich scheint. Danke, dass du gekommen bist, auch wenn ich dir gesagt hätte, dass du nicht hättest kommen sollen. Die Gefahr ist groß, der Frieden ist nicht stabil. Du hast gewusst, was passiert ist."

"Es gibt Risiken, die man eingehen muss. Du brauchtest einen Heiler, das hatte Priorität. Es gibt Dinge, die wichtiger sind als Vorsicht, das solltest du inzwischen wissen, mein Sohn."

"Es ist unlogisch", erwiderte er und wusste, dass er sie damit ein wenig aufzog. Es tat jedoch gut, wieder zu sprechen, sich zu erinnern, auch wenn es Schmerzen bedeutete. Irgendwoher hatte er die Kraft verliehen bekommen, weiterzuleben, weiterzukämpfen. "Du wirst mich mitnehmen", stellte er leise fest. "Wenn das hier vorbei ist, werde ich mein Kommando niederlegen."

"Du fliegst mit der Enterprise zurück", stellte sie klar, "wenn deine Aufgabe hier beendet ist. Die T'Pash wird in Kürze wieder aufbrechen."

A´kebur nickte leicht. "Ja, aber ich werde das Kommando nicht aufrechterhalten können. Die Zeit ist zu kurz. Ich werde dafür sorgen, dass dieser Vertrag zustande kommt. Der Rest wird in den Händen derer liegen, die nach uns allen kommen. Und vielleicht schließt ja Vulkan auch mit Romulus einen Frieden. Dein Eintreffen hier ist auf jeden Fall historisch zu nennen."

"Von daher hatte es mehr als nur einen Zweck." T'Lera stand auf. "Was du tust, wenn deine Aufgabe hier beendet ist, ist deine Entscheidung. Aber die romulanischen Senatoren wollen dich noch einmal sehen. Vertritt die Föderation und besonders Vulkan würdig, auch wenn es schwerfällt."

"Ich werde sie vertreten und es wird mir nicht schwer fallen", widersprach A´kebur. Er setzte sich auf und prüfte seine Konstitution. Er fühlte sich auch körperlich wieder besser; die Steifheit war aus seinen Gelenken gewichen und die neue Haut spannte nicht mehr.

"Dann werde ich dich nun verlassen, mein Sohn. Ich wünsche dir viel Erfolg und erwarte dich auf Vulkan. Vielleicht wäre es gut, wenn du einige Zeit im Kloster verbringst, um dich wieder zu sammeln."

A´kebur erhob sich. Tatsächlich war er bei Verstand, schrie nicht und versuchte sich selbst zu töten. Eigentlich fast beunruhigend, wenn er daran dachte, wie es nach Etiennes Tod gewesen war. Die Schmerzen waren dieselben, aber es war auch wiederum nicht dasselbe. Schmerzen konnte er außerdem ignorieren. "Ich werde kommen, Mutter."

T'Lera griff noch einmal nach seiner Hand und berührte dann seine Schläfe. "Langes Leben und Wohlergehen, mein Sohn. Ich bin froh, dass du hier bist." Das umfasste alles: dass er noch lebte, dass er noch leben WOLLTE, dass er nicht wahnsinnig geworden war.

A´kebur wurde es eng im Hals und ihm fehlte es an Worten. Was auch immer das Leben für ihn bereitgehalten hatte, seine Mutter war immer in der einen oder anderen Weise für ihn da gewesen. Auch dann, als sie ging, damit er ein Klingone werden konnte, um selbst zu erkennen, dass seine vulkanische Seite zu stark war, als dass er sie hätte ignorieren können. A´kebur widerstand der Versuchung, sie in seine Arme zu schließen, weil er nicht wusste, ob er sie würde loslassen können. So senkte er den Blick und hieß die geistige als auch körperliche Berührung willkommen, die weitaus mehr war, als die vulkanische Tradition vorsah.

"Langes Leben und Wohlergehen, Mutter", flüsterte er.

T'Lera sah ihn noch einmal an und verließ dann ohne ein weiteres Wort das Quartier. Vulkanier waren nicht für Sentimentalitäten zu haben, jedenfalls nicht beim Abschied. A´kebur strich seine Uniform glatt und wollte aus Gewohnheit über die Haare bürsten, die nun jetzt nicht mehr da waren. Nicht nur innerlich hatten sich die Dinge geändert.

Aber das entließ ihn dennoch nicht, darauf zu achten, wie er aussah. Nachlässigkeit war inakzeptabel. Er hatte zudem in seinen Sachen geschlafen und er hatte weitaus mehr gemacht. A´kebur wusste, dass er geträumt hatte. Aber er brauchte nicht zu wissen, was genau, um nicht zu wissen, was das Ergebnis war. Er ging daher duschen und nahm sich eine frische Uniform. Mochte es sein, dass er noch nicht im Dienst war, er würde jetzt zum Doktor gehen, um sich seine Genesung bestätigen zu lassen. Kurz berührte er seine Schläfen. Er war amputiert worden und er verstand es nicht. Ein Gespräch mit Tiaren nach dem Arzt war daher unerlässlich.

McCoy begrüßte ihn strahlend in der Krankenstation. "Sie sehen viel besser aus, Captain. Es geht eben nichts über die Heilkraft einer Mutter", erklärte er. Nach einem gründlichen Scan erklärte er A´kebur für eingeschränkt diensttauglich, was viele Pausen und möglichst wenig Aufregung hieß.

Wahrscheinlich hatte der Arzt auch keine Lust gehabt, einen Patienten bei sich zu haben, der renitent wurde, weil er sich nicht ausgelastet fühlte. A´kebur hätte es ihm jedoch nicht vorgeworfen. Er sah nicht bestens aus und seine Werte waren in einigen Bereichen nicht optimal. Aber er war stabil.

Als erstes suchte er jedoch Zehn Vorne auf. Suahi lächelte ihm entgegen. A´kebur erinnerte sich, dass er einen Teil seines Wohlergehens hier zu suchen hatte. "Danke, mein Freund", sagte er und ignorierte die Blicke der Mannschaft, die sich ganz offenkundig an seinen Anblick gewöhnen musste.

"Gerne, Captain. Aber ich denke, Sie kommen in Zukunft auch so zurecht", erwiderte der El Aurianer ein wenig kryptisch. "Kann ich Ihnen ein Ginger Ale servieren?"

"Gern. Und ich bin nicht hier und um Drogen zu bitten. Aber ich weiß, dass ich hier einen Freund finde, wenn ich einen suche, und einen Freund, wenn ich ihn nicht suche, er aber dennoch da ist."

Suahi lächelte noch breiter und schob ihm ein Glas hin, bevor er einladend auf einen der Barhocker deutete. "Der Freund hört zu."

A´kebur setzte sich gern und trank mit einem Zug das Glas leer. Er hatte Durst und ihm wurde es erst jetzt bewusst. Suahi schenkte ihm wortlos nach. "Danke. Ich weiß jedoch nicht, was ich sagen soll. Ich gestehe, dass mir die Worte fehlen. Tiaren hat das Band durchtrennt und es war, als würde er sterben und ich mit ihm und doch war es schlimmer, denn er war am Leben und ich auch und ich konnte fühlen, was er fühlte und er fühlte, was ich fühlte. Aber das ist unmöglich. Ich weiß nicht, was ich tun soll."

"Was möchten Sie denn tun?", fragte Suahi.

"Ich weiß es nicht. Es ist, als würde ich vor einer weißen Wand stehen und hinter mir ist auch eine und an meinen Seiten. Aber, ich kann weitergehen. Sie halten mich nicht. Nur, ich sehe nicht, wohin ich gehe und ob es überhaupt ein Weg ist."

"Wenn Wände einen umgeben, versucht man es nach oben. Und wenn kein Weg da ist, schafft man einen neuen. Mutig vorwärts stürmen, das Motto dieses Schiffes, nicht wahr?"

A´kebur lächelte. "Ich bin ehemaliger Chefingenieur. Ich werde dieses Schiff vor keine Wand fahren lassen. Aber ich kann mich dazu überreden, auf die Wand zu schießen."

"Dann versuchen Sie das." Suahi schob ihm noch etwas Knabberzeug hin. "Nehmen Sie heute den Dienst wieder auf?"

"Eingeschränkt. Dr. McCoy will mich im Auge behalten, aber mir auch das Gefühl geben, dass ich die Kontrolle hätte. Ein kluger Mann."

"Ihre Mannschaft will nur das Beste für Sie", gab der Barkeeper zu bedenken, "ich sehe es hier täglich, wie man umeinander besorgt ist. Es gibt nichts besseres, Captain."

A´kebur sah über seine Schulter und begegnete einem Dutzend Blicke, die wie ertappte sich sofort abwandten. A´kebur lächelte. "Eine gute Mannschaft und Sie gehören dazu", meinte er.

"Aber Sie verlassen uns." Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.

A´kebur senkte den Blick und nickte. "Ja, ich brauche etwas Zeit und ich weiß nicht, wie viel Zeit es sein wird."

Suahi nickte. "Dann lassen Sie sich diese Zeit. Das Universum wartet solange."

A´kebur blickte ein wenig überrascht auf. "Es ist merkwürdig, ich glaube, dass es wirklich so ist. Das Universum wartet. Ich hoffe nur, dass ich meine Mannschaft nicht enttäusche. Es fühlt sich wie Verrat an."

"Nein. Sie werden es verstehen. Auch das macht eine gute Mannschaft aus." Zum dritten Mal schenkte Suahi ihm nach. "Wo wollen Sie denn hin, Captain?"

"Ich weiß es nicht. Meine Mutter schlug vor, dass ich ein Kloster auf Vulkan aufsuche, um dort Heilung zu finden. Ich werde wohl ihrem Vorschlag erst einmal folgen. Sie hat recht gute Erfahrungen darin, zu wissen, was ich brauche, wenn ich es nicht weiß."

"Dann hören Sie auf sie. Ansonsten, wenn Sie einen Rat wollen: Folgen Sie immer Ihrem Herzen. Ohne die Verantwortung für ein Raumschiff ganz besonders."

A´kebur drehte sein Glas. Er nickte. "Danke", murmelte er. "Ich verstehe. Aber erst einmal werde ich Torans Pläne durchkreuzen und das romulanische Reich in einen Friedensvertrag binden, den er von ganzem Herzen abgelehnt hatte. Es ist auch für Tiaren. Ich denke, er wird es schätzen."

"Das wird er. Und er wollte vor allem, dass Sie weitermachen. Nicht jeder bekommt nicht nur eine zweite, sondern auch eine dritte Chance, Sir. Nutzen Sie sie."

Damit wandte der El Aurianer sich wieder dem Gläserpolieren zu, da er nun alles gesagt hatte, was wichtig erschien. Den Rest musste der Captain selber herausfinden. Aber so wie dieser zu ihm schaute, hatte er das wohl auch. A´keubr lächelte und wandte sich dann seiner Mannschaft um. Ein Fähnrich kam etwas schüchtern auf ihn zu. "Wir sind froh, dass es Ihnen wieder gut geht, Captain", stammelte er.

"Ich bin auch froh, Mr. Connoroy. Ich bin darüber auch froh."

Auf dem Weg zur Brücke machten einige Crewmitglieder ähnliche Komplimente. Es war, wie Suahi sagte: Seine Crew war nicht nur fachlich einwandfrei, sondern auch auf persönlicher Ebene warm und mitfühlend. A´kebur war nicht alleine, es gab so viele, die sich um ihn sorgten. Seine vulkanische Familie, seine menschliche und seine Crew. Auch wenn sie vielleicht nicht vollkommen verstehen konnten, was in ihm vorging, sie fühlten mit.

Er war erst kurze Zeit ihr Captain, wie sie auch erst kurze Zeit seine Mannschaft waren. Aber sie hatten sich einander angenähert und nun, wo er wusste, dass er gehen musste, waren sie auf dem besten Weg, erfolgreich in die Fußstapfen der Schiffe mit dem Namen Enterprise zu treten, die es vor ihnen gegeben hatte. A´kebur hatte das Gefühl, dass er bedauern müsste, dass er jetzt ging. Aber eigentlich war er nur stolz.

Es wäre jedoch auch unverantwortlich, wollte er ignorieren, was in ihm pochte. Im falschen Augenblick wäre er verletzbarer als jedes Kind. Es war nicht damit getan, dass er eine Spritze bekam, dass Dr. McCoy ein Bein schiente oder ihn ermahnte, mehr zu schlafen, zu meditieren oder mit Mr. Troi zu sprechen. Während er jede Station abging auf dem Schiff und allein dadurch eine ganze Menge Zuversicht bei der Mannschaft verbreitete, lauschte er den vielfältigen Schwingungen. Seine Barrieren waren nicht perfekt und irgendwann würde es Kopfschmerzen geben. Aber er hielt die Balance aufrecht, und so ausgerichtet kam er auch auf der Brücke an. Etwas verwundert nahm er zur Kenntnis, dass sein Erster Offizier noch immer da war. Er brauchte nicht in den Schichtplan zu schauen, um zu wissen, dass das mindestens die zweite Schicht war, die sie ununterbrochen auf sich genommen hatte. Wahrscheinlich waren es bis auf kurze Unterbrechungen sogar mehr Schichten. A´kebur sagte jedoch erst einmal nichts, sondern grüßte jeden.

Commander Aera stand sofort auf. Trotz ihrer wie immer formidablen Haltung sah sie müde aus. "Captain."

"Commander, ich muss Sie leider tadeln", sagte er leise, während ein Lächeln seine Lippen umspielte.

"Sir?" Seine erste Offizierin sah ihn etwas verwirrt an.

"Sie haben ausgezeichnete Arbeit geleistet, aber Sie haben leider sich selbst vollkommen vergessen. Wenn Sie eines Tages Captain sein sollten, dann lassen Sie das nicht den Schiffsarzt sehen. Sie werden keine Erklärung abgeben können, die er akzeptiert."

Aera versteifte sich. "Entschuldigen Sie, Sir, aber ich sah es als meine Pflicht an, für Sie die Stellung zu halten. Wenn Sie aber wieder diensttauglich sind, lasse ich mich gern ablösen."

A´kebur lächelte nun offen. "Ich fürchte, eine volle Diensttauglichkeit kann ich nicht vorweisen. Sie haben erfolgreich die Stellung gehalten. Ausgezeichnete Arbeit. Aber jetzt sollten Sie Ihr Quartier aufsuchen und eine Ruheschicht in Anspruch nehmen. Wenn nicht, nun, dann kann nicht einmal Ihr Captain Sie vor dem Willen und Zorn von Dr. McCoy retten."

Diesmal musste auch sie lächeln. "Das will ich nicht riskieren, Captain." Sie ging an ihm vorbei zum Turbolift und unterdrückte dabei mit Mühe ein Gähnen. Auch die restliche Brückencrew sah erleichtert aus; sie hatten Aera offenbar die letzten Stunden ohne Erfolg zu bewegen versucht, endlich Pause zu machen. A´kebur sah seiner Ersten Offizierin nach und wartete, bis sie im Turboaufzug war und die Türen sich geschlossen hatte. "Meine Damen, meine Herren, Sie haben alle sehr gute Arbeit geleistet. Wir befinden uns immer noch im Friedensprozess, die Enterprise ist in einem ausgezeichneten Zustand und die Moral der Mannschaft ist einwandfrei. Ich werde Sie zu einer Belobigung vorschlagen."

Das erntete stolze Gesichter. Auch Lieutenant Ch'Grawbil, der inzwischen wieder Dienst auf der Brücke tat, nach dem der das Transportersystem modifiziert hatte, meinte: "Danke, Sir. Aber wir haben nur unsere Pflicht getan. In Ihrer Abwesenheit konnten wir ja keinen Krieg riskieren."

A´kebur wiegte den Kopf. "Im Zweifel müssen Sie alle das tun, was die Vernunft gebietet und der Föderation dient. Ich weiß, dass ich mich darauf verlassen kann, dass Sie abwägen werden." Er ging zum Kommandosessel und ließ sich hineinsinken. Der Gang durchs Schiff hatte ihn etwas ermüdet, aber er hatte nicht vor, den eben genannten Krieg vom Zaun zu brechen. "Sie haben alle weit mehr gemacht als Ihre Pflicht. Die Modifikation des Transportersystem entbehrt jedoch nicht einer gewissen Verzweiflung." Er sah über seine Schulter den Sicherheitsoffizier an. "Ich werde das nächste Mal daran denken, mich vorher abzumelden."

"Es ging nicht um Sie, Sir, sondern um den Romulaner. Wenn ich mich recht erinnere, war das das zweite Mal", brummte Ch'Gawbil. "Es ging um die Ehre."

"Das ist natürlich ein sehr guter Grund. Haben Sie Informationen darüber, was auf dem Planeten passiert ist? Ich habe noch nicht mit Mr. Tiaren gesprochen und in den Berichten konnte ich auch nichts nachlesen."

"Auf Weisung Commander Aeras wurde er auf die Titan überstellt", erklärte Troi, "ich habe einen vollständigen Bericht von ihm erhalten, Sir. Möchten Sie ihn jetzt lesen?"

A´kebur schüttelte den Kopf. "Geben Sie mir einen mündlichen Bericht und eine Einschätzung."

Kurz und sachlich gab Thomas wieder, was er von Tiaren erfahren hatte. "Ich glaube ihm, Sir", erklärte er schließlich, "seine Methode mag nicht die beste gewesen sein, aber seine Gründe verstehe ich."

A´kebur nickte, aber er sagte erst einmal kein Wort. Nach einer Weile lehnte er sich halb vor und sah zum Bildschirm, der nur den Planeten zeigte. Es war ein Bild, das von der Station übermittelt wurde. Er spürte den Schmerz, der aus der gekappten Verbindung resultierte, immer noch und er würde sie auf Jahre hinaus spüren. Mr. Troi hatte von seiner Warte aus recht, aber persönlich sah A´kebur es ein wenig anders. Doch für alles weitere spielte es tatsächlich keine Rolle.

"Gut", sagte er, "Dann werde ich dem Senat mitteilen, dass ich den weiteren Verhandlungen beiwohne und ich daher den Verbindungsoffizier benötige."

Ch'Grawbil kam dem Befehl nach und stellte die Verbindung her; nach einem kurzen Moment erschien Centurionin N’alae el Jaihen auf dem Bildschirm. "Captain A´kebur, ich freue mich, Sie wohlauf zu sehen. Was kann ich für Sie tun?"

"Wie ich hörte, sind die Gespräche gut gediehen", meinte A´kebur, "Ich verstehe aber auch, dass noch Fragen offen stehen und ich für meine Seite wäre gern bereit, diese zu beantworten."

Sie nickte. "Gern, Captain. Der Senat trifft in zwei Stunden zusammen. Wir würden Sie gern auf Romulus begrüßen."

"Ich werde da sein. Enterprise Ende."

A´kebur lehnte sich wieder zurück. "Mr. Troi, ich werde Sie und Dr. McCoy mitnehmen."

"Aye Sir. Wir sollten nur darauf achten, dass die Sitzung nicht zu lange dauert."

"Ich weiß Ihre Sorge zu schätzen, Mr. Troi, aber ich glaube nicht, dass wir uns ein Zeichen von Schwäche erlauben können. Die Romulaner sind kein Volk, das so etwas verzeiht."

"Natürlich, Sir. Aber mit Verlaub, die Romulaner haben sich auch sehr schwach gezeigt. Wir sind über den Punkt hinaus, uns gegenseitig beeindrucken zu müssen."

A´kebur neigte sein Haupt. "Ist das Ihr Eindruck, den Sie im Moment von den Romulanern haben?"

Troi überlegte einen Augenblick, eher er antwortete. "Sie wollen nach wie vor den Vertrag, und ich denke, diejenigen, die hinter ihm stehen, sind mehr geworden. Ich denke sogar, dass ein Hauptquartier des Geheimdienstes von Ihnen gesprengt wurde, hat Ihnen Sympathien eingebracht. Wir haben quasi einen verfluchten Tempel dem Erdboden gleich gemacht, und damit gehen Erleichterung wie Angst einher. Sie müssen jetzt vor allem Sicherheit vermitteln."

"Und das bedeutet, dass ich um keine Pausen bitten werde", schloss A´kebur.

"Dann müssen Sie zuerst noch den Doktor beruhigen", gab Thomas zu bedenken.

"Deshalb wird er mitkommen und Sie uns begleiten." A´kebur grinste schief. "Wir können uns kein Scheitern leisten, also wird er zu seiner eigenen Beruhigung mich unter Beobachtung haben und Sie können auf den Doktor aufpassen."

Thomas lachte. "Aye, Sir."

Ch'Grawbil meldete sich wieder. "Sir, eine Nachricht von der Titan; Captain Ilei würde gern mit Ihnen sprechen, wenn möglich privat."

A´kebur überlegte kurz, dann nickte er. "Ich werde ihn in meinem Bereitschaftsraum sprechen. Leiten Sie bitte um."

Ch'Grawil bestätigte, und A´kebur ging hinüber in den angrenzenden Bereitschaftsraum. Auf dem kleinen Bildschirm erschien Ileis Gesicht, als er sich setzte.

"Captain, gut, Sie wieder wohlauf zu sehen! Ich wollte zum einen wissen, ob Sie mich heute im Senat dabei haben wollen oder ob der Botschafter reicht."

"Es wäre mir eine Ehre, wenn Sie dabei wären. Ich habe aber den Eindruck, dass Sie ein anderes Thema haben, oder irre ich mich?"

Ilei lachte. "Nicht direkt, Captain. Ich dachte nur, es könnte die Situation etwas entschärfen. Ansonsten wollte ich mit Ihnen über meinen neuesten Gast reden. Ihre Mutter hat mir nahegelegt, Sie damit nicht zu behelligen, aber ich halte es eher mit Ihrem Doktor und denke, dass es nichts hilft, Mr. Tiaren aus Ihrem Blickfeld zu schaffen. Er ist deswegen ja nicht weg, oder?"

"Ich stimme Ihnen zu. Aber die Angelegenheit ist wohl doch ein wenig komplizierter. Mr. Tiaren hat sich dafür entschieden, die Bindung zu trennen, weil sie offenbar für ihn eine Belastung darstellt, die er nicht mehr verantworten will. Er hat entschieden, dass ich ohne ihn besser dran bin. Meine Mutter mag bestimmte Motive verfolgt haben. Ich gehe damit nicht konform. Das Ergebnis bleibt dennoch gleich. Mr. Tiaren ist frei, ich werde noch dafür sorgen, dass ihn auch seine Vergangenheit nicht mehr behelligt. Sollte er wünschen zurückzukommen, ist er jedoch willkommen, auf die Enterprise zu kommen."

Ileis geheimnisvolle Augen musterten A´kebur kritisch. "Dafür, dass er Ihr Sel'Ar'Amvri ist, verstehen Sie ihn wirklich wenig. Er hat mir klar gemacht, dass er nicht zur Enterprise zurückzugehen gedenkt, und ich respektiere das. Ich habe den Senat bereits in seiner Angelegenheit gesprochen, und sie haben ihn für offiziell verbannt erklärt. Er darf romulanisches Territorium nie wieder betreten und genießt keinerlei Bürgerrecht mehr."

"Die Entscheidung ist inakzeptabel. Er soll nicht wieder nach Romulus zurück, wenn er nicht will, aber er sollte weiterhin Bürger sein. Er hat sie gerettet. Und was meinen …" A´kebur versuchte das Wort zu artikulieren, aber es kam ihm nicht über die Zunge, "Nun, meinen Gefährten anbelangt: Er zog es vor, wie ein Agent zu handeln. Ich kenne ihn nicht und habe ihn nie kennengelernt. Wie sollte ich ihn da je verstehen?"

"Zuerst einmal können wir bezüglich der Entscheidung der Romulaner nichts machen. Sie wollen nichts mehr von Torans Nachkommen übriglassen, und Tiaren ist die letzte unangenehme Erinnerung daran. Ihr Lieutenant Koljar wird überhaupt nicht erst als Romulaner anerkannt und bleibt in der Jurisdikation der Föderation. Senatorin Sokala hingegen hat das Begräbnis einer Heldin bekommen." Ilei machte eine kurze Pause. "Und ich möchte ihn nur soviel zu Ihrer "zweiten Hälfte der Seele" sagen, wie man das Wort aus meiner Sprache vielleicht übersetzen kann: Auch wenn er der Verstand es nicht begreift, die Seelen kennen sich. Er mag hundert logische, rationale Gründe genannt haben, aber es ging ihm nur darum, dass Sie überleben, Captain. Dass Sie frei sind, um zu tun, was Sie möchten. Ich persönlich kann mir nichts Größeres vorstellen."

A´kebur nickte. "Ich auch nicht. Aber er fällte diese Entscheidung allein. Ich akzeptiere." Etwas anderes war auch ihm nicht zugestanden worden, resümierte er bitter. "Setzen Sie Mr. Tiaren dort ab, wo er hinzugehen wünscht. Ich denke, die Föderation wird ihn aufnehmen. Schließlich ist seiner Hilfe viel zu verdanken."

"Das werde ich natürlich tun, Captain. Ansonsten sehe ich Sie gleich unten auf dem Planeten. Titan Ende."

"Enterprise Ende", murmelte A´kebur. Er lehnte sich zurück und schloss die Augen, um ein inneres Zittern unter Kontrolle zu bringen. Er betastete erneut ungläubig die Verwundung. Langsam wurde ihm bewusst, dass er in absehbarer Zeit sterben würde, egal was Tiaren gewollt hatte. Einen neuen Partner oder eine Partnerin konnte er nicht annehmen. Schon der Gedanke daran ließ in ihm etwas aufbegehren, dass er nicht kontrollieren konnte.

Wahrscheinlich würde er sich nicht einmal T'Mara öffnen können. Er würde es versuchen. Aber auch ohne medizinischen Tricorder wusste er, in welchem Zustand sich sein Körper befand: Absolute Alarmbereitschaft. A´kebur versenkte sich kurz in Meditation und suchte danach, ein Stück Ruhe in sich zu bekommen. Dann ging er zurück auf die Brücke.

"Captain Ilei wird uns begleiten", informierte er seine Brückencrew.

Keiner fragte, um was es sonst gegangen war, aber zumindest Thomas konnte es sich denken. Das angespannte Gesicht des Captains sagte ihm mehr als tausend Worte. Und es beruhigte ihn überhaupt nicht, im Gegenteil. Das Schlimmste jedoch war die Tatsache, dass Thomas in diesem Fall nichts tun konnte. Der Captain wollte keine Hilfe, das hatte er klargemacht.

Und doch brauchte er sie, auch das war klar. Thomas machte sich große Sorgen, und ein Teil von ihm hoffte, dass der Captains das Kommando nach dieser Mission niederlegen würde. Dieser Mann hatte im Augenblick Sorgen genug für die ganze Galaxis.

Thomas korrigierte sich, stockte aber von einem Augenblick zum anderen. Das war nichts, was von ihm gekommen war. Er hatte nicht einmal daran gedacht, dass der Captain gehen würde oder gar sollte, weil es vielleicht angebracht war. Diese Empfindung des Abschieds kam vom Captain selbst und er hatte es nicht bemerkt.

Er starrte auf den Rücken des Captains, der seine Uniform zurechtrückte.

 

Der Captain blickte Troi und Dr. McCoy an, die seine Begleitung waren und wie er in Paradeuniform steckten. "Wir sind soweit", sagte er und stieg die Stufen hinauf in der Gewissheit, dass seine Leute ihm folgten.

Doktor McCoy sah nahe zu grimmig aus; Thomas brauchte keine Empathie, um zu wissen, dass er den Captain liebsten ins Quartier gesperrt hätte. Doch diese Mission musste zum Abschluss gebracht werden.

A`kebur gab den Befehl, und der Chief aktivierte den Transporter. Im nächsten Moment fanden die drei sich in der Vorhalle des Senatsgebäudes wieder. Centurionin N’alae el Jaihen, Botschafter Chioma sowie Spock und dessen Attacheé und Captain Ilei nebst zwei Offizieren erwarteten sie schon.

Die Centurionin begrüßte sie höflich und bat sie, ihr zu folgen.

A´kebur überkam ein ungutes Gefühl. Als er das letzte Mal im Senatssaal gestanden hatte, war er kaum über zwei Sätze hinausgekommen, ehe er zusammengebrochen war. Er brauchte wahrlich keine Erinnerung daran, aber nun kam es umso deutlicher zurück.

Äußerlich ließ er sich den Aufruhr nicht anmerken. Aber innerlich brauchte er für seinen Geschmack zuviel Zeit, um überhaupt wieder zuhören zu können.

In salbungsvollen Worten fasste der Botschafter alles zusammen, berief sich auf die Senatorin Sokala und schlug vor, ihren Namen in die Annalen zu schreiben, was allgemeines Nicken hervorrief.

Dann richtete er das Wort an A´kebur. Man wollte seine Geschichte hören und seinen "Segen" erfahren. Botschafter Chioma hatte ihn schon darüber informiert, dass man dem Senat am besten nicht alles offiziell zu wissen gab, da dies unter Umständen zu unerwünschten Ergebnissen führen konnte. Auch wenn die meisten froh waren, dass der Geheimdienst ihnen nicht mehr auf die Pelle rückte, so war es doch eine Schmähung und Demütigung, dass die Befreiung von einem Auswärtigen, gar einem Klingonen geschah, von dem Verräter einmal abgesehen, der inoffiziell nicht mehr als ein solcher geführt wurde. A´kebur fasste sich daher kurz und bat den "kleinen Zwischenfall" zu entschuldigen.

Der Name Toran fiel nirgendwo, und einige Formulierungen hielten sich vage, aber der Vorsitzende und sein Stellvertreter ließen sich dazu herab, A´kebur offiziell zu würdigen als Verfechter des Friedens. Botschafter Chioma strahlte, als wäre Weihnachten, und auch die Romulaner wirkten trotz ihrer vornehmen Zurückhaltung zufrieden; sie hatten bei der Sache nur gewonnen, auch wenn der Weg dahin nicht der Günstigste gewesen war.

Sie hatten auf jeden Fall das Gesicht gewahrt und A´kebur kam nicht als Zerstörer ihres Geheimdienstes in Betracht. Der Vorfall wurde schlicht ignoriert. Ein Unfall.

Eine unangenehme, aber für den Friedensprozess unwichtige Sache. Dann wurde es jedoch wieder geschäftlich und Details besprochen. A´kebur verglich das mit seinem letzten Wissensstand. Sehr viel weiter schienen die Damen und Herren seiner bescheidenen Meinung nach nicht gekommen zu sein, als aber Captain Ilei seine Stimme erhob, veränderte sich schlagartig die Stimmung. Von einer Manipulation wollte A´kebur nicht wirklich reden, eher machte der Captain der Titan den Romulaner einen einfacheren Weg schmackhaft und sie waren nur zu gern bereit, seinen Worten zu lauschen.

Auf jeden Fall beschleunigte es die Sache, da einige im Augenblick unwichtigere Details später noch ausgearbeitet werden sollten. Der vorläufige offizielle Friedensvertrag wurde schließlich herbeigebracht, den alle Anwesenden unterschrieben. Es würde später noch eine Zeremonie geben, bei der die Senatsmitglieder die Präsidentin der Föderation auf der Erde aufsuchen würden, damit auch sie unterschrieb. Doch das war eine Formsache und eher eine symbolische Geste. Der Frieden war hiermit geschlossen.

Senator Velkos rief nach Ale und keinen Augenblick später wurde von allen Seiten her aufgetafelt. A´kebur sah sich das Treiben ruhig an. Er war sich absolut sicher, dass er mit Captain Ilei der stummen Besorgnis einer schnellen mit Pausen unterbrochenen Verhandlung mehr als nur Rechnung getragen hatte. So schnell hatte selbst er mit keiner entsprechenden Wirkung gerechnet. Auch jetzt noch hingen die Romulaner dem Captain an den Lippen und tranken jedes seiner Worte. Sollte die Föderation jemals mit den Melusianern im Streit liegen, hatte sie ein sehr großes Problem, konstatierte er trocken.

Es war daher gut, dass sie seit fast hundert Jahren eines der wertvollsten Mitgliedsvölker waren. A´kebur griff sich auch ein Glas Ale, hatte aber nicht vor, dem Gebräu allzu sehr zuzusprechen. Er vertrug zwar einiges, aber seinem Kopf war es sicher nicht zuträglich, und wenn er abschalten wollte, waren Suahis Säfte weitaus ratsamer.

Dieser schätzte den Zustand seiner Gäste weitaus besser ein, als dass bei ihren aktuellen Gastgebern der Fall war. A´kebur gab sich schweigsam und seine Gesten waren weitaus reduzierter. Nahezu vulkanisch führte er sich und irgendwie schien jeder zu akzeptieren, dass er nicht reden wollte. So kam es, dass er höflich hier und da etwas erwiderte, Fragen beantwortete, ansonsten jedoch in Ruhe gelassen wurde. Er aß nur weniger und trank fast gar nichts.

Zum Glück dauerte die kleine Feier nicht allzu lang, da Ilei sich schließlich erbarmte und mit Samtstimme erklärte, dass der Captain der Enterprise auf seinem Schiff benötigt würde. Dies wurde ohne Wenn und Aber akzeptiert und A´kebur konnte den Befehl zum Hochbeamen geben. Den Doktor und Troi jedoch wies er an, die guten Beziehungen hier weiter zu pflegen. Auf die Weise war er ein paar Stunden von ihren Ratschlägen verschont.

 

Eine Woche später, nach den hohen Feierlichkeiten, die vom Senat ausgerufen worden waren, machten sich die Titan und die Enterprise auf den Weg zurück. Im Gepäck der Vertrag.

Der Friedensvertrag war historisch vergleichbar mit dem zwischen der Föderation und dem klingonischen Reich und so gedachte man auch im Rat der "Nationen" diesem Ereignis mit langen Reden, als sie wieder auf der Erde angekommen waren. A´kebur war froh, dass er nicht gezwungen wurde, an diesen teilzunehmen. Ein Attest seines Arztes verschaffte ihm die entsprechende Suspenz.

Er nutzte die Zeit, um sich innerlich zu verabschieden. Es war schwerer, als er gedacht hatte. Sehr viel schwerer. Die meisten Crew-Mitglieder waren auf einem kurzen Landurlaub. Es war eine Auszeichnung. Seine Senioroffiziere hatte A´kebur schon über seine Pläne informiert. In einer offiziellen Ansprache würde er auch noch die übrige Mannschaft informieren und sie dann ihrem neuen Captain anvertrauen. Er hatte Commander Aera vorgeschlagen, aber er wusste nicht, ob man seinem Vorschlag folgen würde. Die Entscheidung der Admiralität stand noch aus.

Das ungewöhnlich leere Schiff empfand er jedoch als sehr angenehm. Er musste nicht so sehr auf seine Barrieren achten, und das Gefühl, dass das Schiff ihm ein wenig ganz allein gehörte, war stärker. Sie hatten kaum richtige Freunde werden können, die Enterprise F und er; es war eher eine flüchtige Affäre gewesen. Doch A´kebur verspürte kein Bedauern. Die Tradition wurde fortgeführt, auch ohne ihn, ohne die Mannschaft, ohne das Schiff. Eine Enterprise und ihren Captain würde es immer geben. Vielleicht jahrelang einmal nicht, wie sich seit der Enterprise E gezeigt hatte, aber auch das spielte keine Rolle.

Immer wenn sie gebraucht würde, kam sie wieder. Ein Versprechen für eine Zukunft, für die es sich zu kämpfen lohnte. A´kebur wusste seine Tasche gepackt und ein Schiff im Orbit der Erde, welches ihn nach Vulkan bringen würde. Das hier war sein ganz persönlicher, innerer Abschied. Der Abschied von seiner Mannschaft, seinem Schiff und seiner Aufgabe als Captain. Er empfand Dankbarkeit für die Gelegenheit und dachte an Cindy. Sie hatte ihn gesehen, aber er hatte ihr zu verstehen gegeben, dass er im Augenblick nicht mit ihr reden konnte. Nicht als Tochter, als Admiral a.D. würde er es ihr jedoch nicht verweigern. Sie hatte es akzeptiert. Entsetzt, aber ohne Vorwurf.

A´kebur ging nach Zehn Vorne. Es war leer und er war ganz allein. Der Anblick der Erde gehörte nur ihm und so blieb er, bis ihn die letzten Pflichten einholten.

 

 

ENDE

 

 

[1] vulkanisch: Lehrer

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 01.07.2018

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Autoren: She Seya & Neko (aka Nekomiffy bei Fanfiktion) (Dis)Claimer: Das Universum von Star Trek gehört seinem Erschaffer Gene Roddenberry und dem, der die Lizenzen verkauft. Im Moment ist das Paramount Pictures. Bis auf die bekannten Figuren der Enterprise sind jedoch alle andere Charaktere frei von den Autoren erfunden. Fanfiktion mit diesen Figuren sind erlaubt, eine kommerzielle Verwendung verbietet sich aber aus mehreren Gründen. Bitte bei Leihen jeglicher Art die Autorinnen fragen (weil wir nämlich neugierig sind) - Mails werden aktualisiert, sollten sie sich ändern. Bei dem Urheber und den Rechtsinhaber von Star Trek bitten wir um Entschuldigung, dass wir nicht gefragt haben und wir lediglich versprechen können, dass wir das hier nicht als unsere eigene Sache ausgeben. Es ging einfach nicht anders, denn mit Star Trek fing im Grunde alles an... Kommentar: Borderlands ist eine Hommage an das komplexeste Universum, welches je erschaffen worden ist. Die Besonderheit damals wie heut

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