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01

A´kebur sah sich in seinem winzigen Quartier um, das er sich mit zwei anderen Fähnrichen von der Station Deep Space 13 teilte. Er verbrachte hier die letzten Minuten. Seine Sachen waren gepackt und befanden sich in einem kleinen Tornister. Er hatte nicht viel, was ihm gehörte. Ein paar zivile Sachen, Uniformen, Galauniform und sein Bat’leth, welches sorgfältig eingepackt neben der Tür stand. Andere, persönliche Sachen, wie Fotos, mit denen seine menschlichen Kollegen das Quartier ausstaffiert hatten, besaß er nicht.

Er hatte auch keine Familie, die auf diese Weise hätte verewigt werden müssen. A´kebur machte dies nichts aus. Er fühlte sich damit unabhängiger und freier - zumindest für diesen Moment.

Er nahm seinen Tornister und das Bat’leth und trat nach draußen. Die Sovk wartete auf ihn. Das war das Schiff, für das er sich beworben hatte.

Ein Jahr lang hatte er geschuftet und sich in allen Bereichen zurückgehalten. Er hatte sogar auf Widerworte verzichtet. Seine Personalakte wies einen erheblichen Entwicklungssprung auf. Captain Trevlet hatte ihn daher unterstützt, als er einen Antrag stellte, um auf ein Patrouillenschiff versetzt zu werden. Er verlor nur ungern ein Crewmitglied, das es mittels seiner Fähigkeiten mit jedem Chefingenieur aufnehmen konnte. Aber er wusste auch, dass es A´keburs Wunsch gewesen war und es Zeit wurde, dem Fähnrich Flügel zu geben, damit er weiter mit seinen Fähigkeiten wachsen konnte.

Die Sovk war ein relativ kleines Schiff und gehörte im weitesten Sinne der Defiant-Klasse an, ohne jedoch wirklich in das Schema der Standardklassen Starfleets zu gehören. Es stand unter vulkanischer Befehlsgewalt und war auch in einer vulkanischen Werft entworfen und gebaut worden. Darüber hinaus war die Standardbesatzung der Sovk fast doppelt so groß wie der eines klassischen Defiantschiffs. Der Captain des Schiffs hieß Lakon.

Insgesamt waren von den standardmäßig vierundsechzig Besatzungsmitgliedern aktuell fünfunddreißig vulkanischer Abstammung. Als A´kebur von der freien Stelle gehört hatte, hatte er einen Moment gezögert. Doch dann siegte der Wille, endlich auf einem richtigen Schiff zu dienen.

Nur wenige Menschen unterwarfen sich der scharfen Disziplin einer vorwiegend vulkanischen Besatzung unter einem vulkanischen Captain. Eine Zeit lang gab es sogar nur rein vulkanische Schiffe aus diesen Gründen.

Nur selten wagten sich Angehörigen anderer Völker dort hinein. Die Vulkanier störten sich daran wenig. Hatten sie dadurch doch weniger mit den Unzulänglichkeiten der anderen Spezies zu kämpfen.

Natürlich unterstellte ihnen niemand Rassismus.

Trotzdem waren die Vulkanier anspruchsvoll und sie liebten ihre Ruhe und ihre Logik und die daraus resultierende Effizienz, an die nun einmal die wenigsten herankamen. Gleichzeitig waren sie starke und zähe Wüstenbewohner. Diese Bündelung von Fähigkeiten und Talenten kombiniert mit Strebsamkeit und Ausdauer war selten und konnte bei so mancher Spezies Minderwertigkeitskomplexe hervorrufen.

A´kebur wagte es dennoch. Er wusste, dass er nicht damit rechnen brauchte, als Mischling missachtet zu werden. Aber mehr als eine Duldung war sicher nicht drin.

Er würde in den Augen eines reinrassigen Vulkaniers genauso unvollkommen bleiben wie in den Augen eines reinrassigen Klingonen.

Da A´kebur aber keine Freundschaften anstrebte, war ihm das gleich und eigentlich auch recht.

Er wechselte zwischen den Decks der Station und gelangte in den Maschinenraum.

Chefingenieur Peel jagte gerade ein paar neue, frisch von der Akademie gelieferte Kadetten durch die Jeffriesröhren und hatte sichtlichen Spaß daran. "Stellt euch vor", schrie er, "ihr müsst mit voller Montur bei 45 Grad Celsius und Sichtweite unter Null eure schwerfälligen Körper durch die Röhren ziehen und dann noch eine Leitung reparieren. Wie könnt ihr glauben, zu so etwas fähig zu sein, wenn ihr es nicht einmal jetzt schafft, eure Ärsche schneller zu bewegen. Wir haben Idealbedingungen. Also hurtig! Dreht euch! Ich will hier niemanden sehen, der sich ausruht."

A´kebur grinste freudlos. Er kannte das Prozedere.

Ein Teil der Kadetten, die sich für die technische Laufbahn entscheiden wollten, kamen während ihrer Ausbildung für ein paar Monate auf Schiffe und Stationen. Dort wurden sie geschliffen und von dem Glauben befreit, dass diese Abteilung ein ruhiges Leben bedeutete.

A´kebur hatte das nie angenommen. Aber auch er war erstaunt gewesen, was es bedeutete, unter solchen Bedingungen zu arbeiten. Irgendwann würden die Maschinenräume mit einem harmlosen Gas geflutet, das einer Art Nebel glich und in Nasen, Ohren, Mund und Augen brannte. Es wurde suggeriert, dass der Zugang zu den Atemgeräten versperrt war und der Reaktor kurz davorstand, in einer gepflegten Explosion, auf die eine Implosion folgen würde, in das All gepustet zu werden.

Eine andere Übung bestand darin, mit Schutzanzügen und Masken bei ähnlich guter Sicht in den Jeffriesröhren nach einem Fehler und einem Brandherd zu suchen.

Es gab viele, die nach diesen Erlebnissen abgesprungen waren. Ihn selbst hatte das nur angespornt, noch besser zu werden.

A´kebur lehnte sich an die Absperrung der Empore und sah zu.

Der Chefingenieur schien ihn erwartet zu haben. Er sah zu ihm hinauf und lächelte. "Komme gleich hoch", rief er und befahl dann den Kadetten, sich gefälligst nicht so lahm zu bewegen.

Mit kraftvollen Klimmzügen kletterte Chefingenieur Peel die Trittleiter hoch und stellte sich dann neben den Fähnrich.

"Schön, dass Sie noch mal vorbeigekommen sind. Wann fliegen Sie ab?", fragte er ihn.

"In zwanzig Minuten, Sir", antwortete A´kebur. "Ich wollte mich verabschieden."

Peel grinste ihn von der Seite aus an. "Auf zu neuen Welten. Aber ausgerechnet bei den Vulkaniern. Junge, das wird ein hartes Brot. Die haben die Stöcke schon zum Frühstück verschluckt."

A´kebur sagte dazu nichts. Er wusste es auch so.

Für einen emotionalen und aufbrausenden Klingonen war es wirklich der schwerste Weg, den er nur wählen konnte. Aber er war sich sicher, das schaffen zu können. "Ich wollte Ihnen auch noch einmal danken, dass Sie mich empfohlen haben!" Dieser Part fiel A´kebur nach wie vor schwer. Man bedankte sich nicht. Wenn man von jemandem Unterstützung erfuhr, dann war das ein Zeichen von Schwäche. Es war ein Zeichen von Schwäche von demjenigen, der einem half, und von einem selbst, weil man sie annahm. Ausnahme war lediglich, wenn es beiden nützte und Vorteile brachte, die sie allein nicht schaffen würden.

Aber bei den Menschen war das wieder etwas anderes. Gleichzeitig war diese Eigenschaft jedoch auch nicht bei allen von ihnen gleich verteilt. A´kebur hatte da keine Regel ableiten können. Aber als Schwäche sah es niemand an. Schlimmer war jedoch, dass man sich dafür erkenntlich zeigte, in dem man sich in der Regel dafür bedankte. Es war eine Art Verpflichtung, die einer Interpretation von Freundschaft gleichkam.

Menschen waren kompliziert, das war das einzige, was A´kebur dazu sagen konnte. So langsam jedoch bekam er die Regel soweit für sich mit, dass er nicht ständig dagegen verstieß.

Der Chefingenieur lächelte ihn nur an. Er wandte sich wieder zur Trittleiter. "Machen Sie daraus das Beste. Ich will, dass ich in ein paar Jahren etwas von einem legendären Chefingenieur mit dem Namen A´kebur erfahre. Dann will ich behaupten, dass ich ihn ausgebildet habe. Also halten Sie sich ran. Ich erwarte einiges von Ihnen."

A´kebur legte den Kopf schief. Sein Staunen war wie immer freimütig und offen. Peel lachte und ließ sich nach unten gleiten.

"Was habe ich gesagt?", schrie er die Kadetten zusammen. "Ihr sollt euch hier nicht ausruhen! Scheinbar sitzt ihr auf euren Ohren."

A´kebur erlaubte sich ein minimales Lächeln. Er hatte nicht vor, seinen Lehrer zu verärgern. Er selbst wollte seinen Namen in die Sterne schreiben. Eigentlich hatte er vor, das als Krieger zu tun, aber sicher konnte er dem Chefingenieur Peel auch in dieser Hinsicht einen Gefallen tun.

A´kebur nahm seine Sachen wieder auf und begab sich zum Hangar. Gestern hatte er sich schon vom Captain verabschiedet. Der hatte seine Tentakel verknotet und ein wenig unglücklich gewirkt, als seine grüne Farbe in Violett wechselte. Aber das war normal bei dieser Spezies.

Trotzdem bedauerte es Captain Trevlet ehrlich, dass gerade dieser Fähnrich gehen wollte. Er verstand jedoch dessen Gründe. A´kebur wurde im Hangar schon von einem Shuttle erwartet. "Wir haben Starterlaubnis, Fähnrich A´kebur, wenn Sie fertig sind", informierte ihn eine menschliche Pilotin. "Mein Name ist Marga Trevis. Für den kurzen Flug hoffe ich, dass wir auf Protokolle verzichten können. Wir haben den gleichen Rang."

A´kebur sah die Pilotin etwas missbilligend an, sagte aber dazu nichts. Sie bemerkte es dennoch. "Schon gut. Ich habe öfter schweigsame Passagiere. Es ist gut, dass Sie früher gekommen sind. Wir werden einen kleinen Sturm umfliegen müssen. Kein großes Abenteuer, es lässt uns im Zweifel jedoch später ankommen. Der Captain der Sovk, Captain Lakon, schätzt Pünktlichkeit."

"Dann sollten wir fliegen", bestätigte A´kebur ihr und setzte sich in den Sitz des Co-Piloten.

Trevis lächelte. "Ja, das sollten wir. Hier Pilotin Trevis, Shuttle Cassio 4-2361, Dock 4. Wir bitten um Starterlaubnis. Flug geht zur CVS Sovk. Neutrale Zone, Rendezvous-Koordinaten werden übermittelt."

"Hier Raumstation Deep Space 13, Sie haben Starterlaubnis. Guten Flug, Cassio."

"Den werden wir haben, Trevis Ende."

A´kebur hörte dem kurzen Dialog zu. Damit endete dieser Teil seines Lebens. Und ein neuer begann.

 

Ihr Flug dauerte dreißig Stunden, fünfundvierzig Minuten und dreiundzwanzig Sekunden. Sie hatten sich damit um zwei Minuten und fünf Sekunden verspätet, teilte ihnen der Kommunikationsoffizier der CVS Sovk damit auf die unnachahmliche vulkanische Art mit. Trevis verzog lediglich die Mundwinkel. Sich mit einem Vulkanier zu streiten, brachte wenig.

Sie bat gar nicht erst um Andockerlaubnis, sondern schickte A´kebur auf die Transporterplattform.

"Ich wünsche Ihnen Glück", verabschiedete sie ihn und gab Energie, ehe A´kebur sich gleichermaßen verabschieden konnte. Gleich darauf nahm er Haltung an.

"Fähnrich A´kebur, ich bitte um Erlaubnis, an Bord kommen zu dürfen", meldete er sich. Vor ihm stand ein vulkanischer Offizier mit den Abzeichen eines Commanders, den er nicht sofort durch sein Gesicht identifizieren konnte, aber durch die Abzeichen an seiner Uniform. Für A´kebur sahen irgendwie die meisten Vulkanier gleich aus und er wusste noch nicht, ob es sich lohnte, sie großartig zu unterscheiden. Hier auf dem Schiff konnte er der Frage nachgehen.

"Commander Sekan. Willkommen an Bord. Erlaubnis erteilt. Stehen Sie bequem! Ich bin der Erste Offizier der CVS Sovk." Er wies mit dem Kinn zur Seite, wo eine Vulkanierin stand. "Das ist die Chefingenieurin, Lieutenant T´Kash. Sie wird Sie in Ihre Arbeit einweisen und Ihnen Ihr Quartier zeigen", stellte er sie vor.

"Aye, Sir", erwiderte A´kebur automatisch und sah zu der Frau, die nun ab sofort seine direkte Vorgesetzte sein würde. Er hatte sich mit der Mannschaft des Schiffes mittels Holobilder und Biographien schon bekannt gemacht.

Er wusste durch seine Recherchen der Geschichte von Starfleet, dass es nur wenige Frauen gab, die Chefingenieure wurden. Es gab noch weniger vulkanische.

"Ma´am", grüßte er sie, auch wenn er sich nicht so sicher war, ob sie das auch wollte. Falsch war es nicht.

"Folgen Sie mir!", forderte T´Kash ihn auf. Sie sprach kein weiteres Wort mit ihm.

Die Sovk war kein sonderlich großes Schiff und so waren sie schnell am Ziel. Die Chefingenieurin blieb vor einem Schott stehen und öffnete es. "Das ist Ihr neues Quartier, Fähnrich. Sollten Sie Fragen haben, wenden Sie sich an den Bordcomputer. Ihre Schicht beginnt um 13 Uhr Bordzeit. Kommen Sie um 12 Uhr in den Maschinenraum, damit ich Sie einweisen kann."

A´kebur nahm Haltung an und salutierte. "Ja, Ma´am", antwortete er.

T´Kash nickte ihm zu und drehte sich dann auf dem Absatz um.

A´kebur hielt noch für einen Moment die Luft an. Er hatte schon damit gerechnet, dass das Klima an Bord dieses Schiffes anders war.

Es am eigenen Leibe zu erfahren, war etwas vollkommen anderes. Menschen waren geradezu disziplinlos, auch wenn diese das ganz sicher nicht so sahen. Aber jede Bewegung der Vulkanierin war Präzision.

Es gab keine Bewegung zuviel.

So etwas hatte A´kebur schon beim Ersten Offizier von Deep Space 13 gesehen. Doch neben dieser sozialen Komponente war eindeutig zu bemerken, dass nicht nur dieses Klima anders war. Die Umweltbedingungen auf dem Schiff waren offenkundig dem des Vulkan angenähert worden.

Sie stellten eine Mischung aus erdähnlich und vulkanähnlich dar. Es war drei Grad wärmer als Standard. Das lag daran, dass die unterste Toleranz einer der wärmeliebenden Spezies an Bord dieses Schiffes bei dieser Temperatur lag. Alle anderen richteten sich danach.

Die wenigen Menschen hier hatten damit keine Probleme und gewöhnten sich schnell daran. A´kebur erinnerte sich, dass diese zum großen Teil sogar von wüstenähnlichen Planeten kamen und somit selbst es einige Grad wärmer mochte, als es in den gemäßigteren Klimazonen des Planeten Erde der Fall war. Die Schwerkraft war jedoch annähernd Standard, wenn er das richtig beurteilte. A´kebur wandte sich zur Tür seines Quartiers um. Das war jetzt also sein neues Zuhause.

Der Raum war nicht sonderlich groß und wies die typische Sterilität eines nicht benutzten Quartiers auf.

Aber es hatte den Vorteil, dass A´kebur sich seine Unterkunft mit niemandem mehr teilen musste. Die Sovk war zwar nicht groß, wies aber für ihre Besatzung mehr Platz auf als Deep Space 13. Das Schiff gehörte offiziell der Defiant-Klasse an, kam er auf den Gedanken zurück, als er sich über die Sovk informiert hatte.

Ihn hatte erstaunt, dass die Vulkanier ein reines, auf Schnelligkeit gebautes Schiff, welches hauptsächlich auf Kampfhandlungen ausgelegt war, in ein wissenschaftliches Schiff umgebaut hatten.

A´kebur musste jedoch zugeben, dass der Begriff Umbauen das Ergebnis nicht ganz traf. Die vulkanischen Ingenieure hatten die Klasse der Defiant zum Anlass genommen, ein wissenschaftliches Schiff zu bauen, das in etwa diese Klasse fiel. Daher verfügte das Schiff hier über den Luxus von Einzelkabinen und einem Erholungsbereich, der dem großer Schiffe entsprach, die sich lange auf Reisen befanden wie zum Beispiel die Enterprise.

Dabei hatten die Vulkanier sogar die Ansprüche anderer Rassen berücksichtigt. A´kebur vermutete jedoch, dass auch sie vom Komfort profitierten.

Er betrat den spärlich erleuchteten Raum und stellte seine Tasche auf dem Bett ab. Bis zu seinem Dienstantritt hatte er noch vier Stunden Zeit. Er verbrachte sie mit Meditation.

Seit seinem Zusammenbruch - genauer dem Zusammenbruch seiner telepatischen Schilde - meditierte er täglich. Es hatte ihn ruhiger gemacht und ihn für die Versetzung auf ein Schiff qualifiziert. Niemals wäre sein Gesuch angenommen worden, hätte sich das Bild in seiner Personalakte nicht wesentlich geändert. Dennoch wusste wohl niemand außer dem Ersten Offizier Norak, welche Kraft ihn diese Ruhe im Zweifel kostete. Selbst seine Flüche waren weniger geworden.

Allein der Chief hatte sie ab und an vermisst. Aber alles in allem hatte Peel die Veränderungen begrüßt, die bei A´kebur vorgegangen waren. Er hatte nie gefragt, was aus dem sonst so aufbrausenden Klingonen plötzliche eine im Vergleich weitaus friedvollere Person gemacht hatte. Nur Suahi, der El-Aurianer, hatte ab und an wissend gelächelt, wenn A´kebur einmal bei ihm zu einem Ale oder dreien aufgetaucht war.

Nicht, dass A´kebur dabei redseliger geworden wäre. Vielmehr war es die Zahl der Ale, die genaue Auskunft über das Seelenleben dieses speziellen Fähnrichs gaben. War es eines, dann war der Tag gut. Bei dreien schlecht und ganz schlecht, wenn dann die blauen Augen des Vulkanier-Klingonen tiefer wurden. Meist suchten sie dann auf dem Platz neben ihm nach jemanden, der nicht da war.

Suahi wusste, dass sich da zwei sehr unterschiedliche Wesen getroffen hatten, die sich geistig sehr ähnelten. Und er war sich sicher: Sie würden sich ganz bestimmt wiederfinden.

A´kebur erfuhr niemals etwas über die Gedanken des El-Aurianers. Sonderlich interessieren taten sie ihn auch nicht. Er wusste nur, dass er alles wegen Etienne auf sich nahm.

Es hatte eine Weile gedauert, bis ihm das bewusstgeworden war. Der ganze Kampf gegen sich selbst fand nur wegen dieses Menschen statt. Norak fand zudem bald heraus, dass sie beide noch sehr viel intimer miteinander verbunden waren, als es hätte der Fall sein dürfen. Aber auch der Vulkanier verlor kein weiteres Wort darüber, genau wie Suahi - als hätten die beiden sich heimlich abgesprochen, den Klingonen nicht darauf anzusprechen. Sie beide wussten, dass A´kebur seine Gefühle, wie immer sie aussahen, selbst sortieren musste.

 

Nach vier Stunden war A´kebur so ruhig wie ein Vulkanier und genauso gefühllos. Es war nicht selten die einzige Möglichkeit, sich in sich selbst zurückzuziehen. Und hier, inmitten kontrollierter, gefühlskalter Vulkanier, würde es umso wichtiger sein, dass er seine Emotionen beiseiteschob, damit sie ihn nicht ablenkten. A´kebur stand auf, fragte den Computer nach dem kürzesten Weg zum Maschinenraum und machte sich auf den Weg.

Es war ein anderes Gefühl, sich hier auf den sehr viel schmaleren Gängen zu bewegen, als auf denen der Station. Diese war zwar nicht groß, aber immer noch sehr viel größer als die Sovk. Er hatte nicht sehr viele Möglichkeiten, sich zu verlaufen, wenn er dazu eine Neigung gehabt und nicht vorab genau die Pläne des Schiffes studiert hätte.

"Ma´am", grüßte er, als er sich im Maschinenraum eingefunden hatte und dort Lieutenant T´Kash traf.

Diese nickte ihm zu. "Fähnrich A´kebur. Insgesamt arbeiten noch sieben Crew-Mitglieder ständig in meiner Station", begann sie ihn sofort mit seinen neuen Aufgaben vertraut zu machen. "Es gibt drei Schichten mit vier Besatzungsmitgliedern. Vier weitere Mitglieder der übrigen Crew übernehmen in Rotation eine Schicht im Maschinenraum. Es ist Routine auf diesem Schiff, auch andere Stationen bedienen zu können, um die Funktionen des Schiffes aufrecht zu erhalten. Ich erwarte reibungslose Kooperation. Auch Sie werden auf anderen Stationen eingesetzt werden. Laut Ihrer Akte haben Sie bisher hauptsächlich auf Raumstationen gedient. Ich hoffe, Sie wissen noch, wie ein Warpantrieb funktioniert."

Wenn A´kebur es nicht besser gewusst hätte, dann hätte er behauptet, sie wollte ihn beleidigen. Er schluckte eine scharfe Erwiderung hinunter und nickte. "Ja, Ma´am. Ich bin dafür qualifiziert."

"Gut. Haben Sie sich mit den Spezifikationen der Sovk bereits vertraut gemacht?", fragte die Chefingenieurin weiter.

"Ja, Ma´am. Die Sovk hat eine Höchstgeschwindigkeit von Warp 6,2 und ist damit das schnellste Schiff seiner Klasse. Es ist ein wissenschaftliches Schiff mit voller Standard-Bewaffnung. Besatzungsstärke: vierundsechzig Crew-Mitglieder von fünf Rassen. Vor zwei Jahren wurde die Sovk in Dienst genommen. Letzte Vollinspektion vor fünf Monaten. Keine Beanstandung."

T´Kash nickte zufrieden. "Die Besonderheiten des Antriebs und insbesondere der Schilde entnehmen Sie bitte dem Computer; ich erwarte, dass Sie bis morgen darüber Bescheid wissen. Folgen Sie mir zum Materie-Wandler." Sie drehte sich um und durchquerte den Maschinenraum bis zu der pulsierenden Lichtsäule des Warp-Antriebs in der Mitte.

Ein paar der dort Arbeitenden sahen neugierig auf, aber die Vulkanier unter ihnen würdigten A´kebur keines Blickes, was aber eher an ihrer Art denn an ihm lag. A´kebur versuchte es ihnen gleich zu tun.

Er betrachtete die Anzeigen des Wandlers. Nach seinem Wissen waren alle Werte normal. Sie entsprachen exakt den Einstellungen des Handbuches.

"Ich möchte, dass Sie einen Wartungstest Stufe 3 an den Plasmareaktoren des Antriebes vornehmen", erklärte die Chefingenieurin, und obwohl ihr Ton völlig neutral war, kam A´kebur nicht umhin zu vermuten, dass etwas Amüsement mitschwang. "Bringen Sie mir die Ergebnisse in 1,2 Stunden."

A´kebur erklärte, dass er verstanden hatte. Daraufhin ließ ihn T´Kash allein. Er ging streng nach Handbuch vor. Das hier war eindeutig mehr als nur ein Test. Vielleicht glaubte die Chefingenieurin nicht, dass die Beurteilungen richtig waren. A´kebur untersuchte jeden Parameter, nahm die Konsole auseinander. Er brauchte exakt 1,2 Stunden, dann hatte er den Wartungstest Stufe 3 beendet.

"Sind Sie fertig, Fähnrich?" T´Kash erschien unvermittelt neben A´kebur und blickte ihn an.

"Ja, Ma´am, alles funktioniert innerhalb normaler Parameter. Hier sind meine Ergebnisse", übergab dieser ihr seinen Tricorder.

Es war eine mühsame und langwierige Arbeit gewesen, aber er hatte winzige Schwankungen in den Reaktoren feststellen können. Sie waren zu unbedeutend, um die Leistung zu beeinträchtigen, aber sie waren vorhanden. Außerdem hätte man diese Abweichungen leicht übersehen können, wenn man auch nur einen Hauch weniger sorgfältig gewesen wäre.

Sie sah sich die Daten an, hob eine Augenbraue, sagte aber nichts dazu. Dann gab sie ihm das Gerät zurück. "Gehen Sie bis auf weiteres Lieutenant Parr und Fähnrich Donovan bei den EPS-Leitern zur Hand." Sie deutete auf einen jungen Vulkanier und eine menschliche Frau ein Stockwerk höher. "Gute Arbeit, Fähnrich", setzte sie unvermittelt hinzu.

A´kebur blieb stehen und blickte sie verwirrt an. Dann ermahnte er sich und sah sich nach den genannten Crew-Mitgliedern um. Sie wirkten abwartend und eindeutig neugierig. A´kebur trat näher. "Hallo", grüßte er kurz angebunden. Er konnte sich nicht dazu durchringen, den Vulkanier, der genauso groß war wie er und ihm damit auf gleicher Höhe in die Augen schaute, diesen mit dem traditionellen vulkanischen Gruß zu begrüßen. Diese Schwelle war noch immer zu hoch, als dass er sie überwinden konnte.

"Willkommen, Fähnrich", grüßte Lieutenant Parr auf vulkanisch steife Art zurück, schien aber nicht unfreundlich. Fähnrich Donovan strahlte A´kebur mit großen grünen Augen an. "Auch von mir herzlich willkommen. Ich hoffe, es wird Ihnen auf dem Schiff gefallen", begrüßte sie ihn mit einer sehr jung klingenden Stimme. "Wir können hier Hilfe gut gebrauchen."

"Das Schiff ist doch bis auf diese Stelle voll besetzt", meinte A´kebur. "Es besteht auch keine Gefahr und nach den Berichten ist auch nichts Nennenswertes passiert in den letzten zwei Monaten. Warum ist meine Hilfe denn so dringend?" Er wirkte etwas ratlos. Seiner Meinung nach, war es auch möglich, ohne diese Stelle einige Zeit den normalen Betrieb aufrecht zu erhalten. Natürlich war es nicht empfehlenswert, die Besatzung auf einer niedrigen Anzahl zu halten. Es kam auf Missionen immer wieder auch zu Todesfällen. Die Arbeit musste zudem gut verteilt bleiben, um die Moral der Besatzung nicht allzu sehr zu belasten. Doch zwei Monate dürften nicht das Problem sein. Dennoch wirkte Fähnrich Donovan wirklich erleichtert.

"Nun...", die junge Frau warf einen nervösen Blick hinunter zu ihrer Vorgesetzten T´Kash, die sich gerade wieder anderen Arbeiten widmete, "es ist einiges liegengeblieben, und unsere Chefingenieurin erwartet, dass alles 110 Prozent tipptopp läuft."

"Alles andere wäre auch inakzeptabel und überdies unlogisch", erklärte Lieutenant Parr und warf seiner Kollegin einen Blick zu, den A´kebur normalerweise als entweder genervt oder nachsichtig eingestuft hätte.

Für sich nahm er nicht unbedingt an, dass wirklich etwas liegen geblieben war. Aber für einen Vulkanier schon. Menschen waren da doch anders. Er sah von Parr zu Donovan. "Ich werde sehen, wo ich helfen kann. Wobei kann ich ihnen jetzt zur Hand gehen?"

Fähnrich Donovan lächelte ihn wieder an. "Also, wenn Sie sich mal die Leitungen hier in Sektion C Alpha ansehen könnten ..."

 

Den Rest seiner Schicht verbrachte A´kebur damit, in diversen Jeffries-Röhren herumzukriechen und nach defekten Lichtleitern zu suchen, etwas, das er die Hälfte seiner Zeit auf Deeps Space 13 getan hatte. Aber dafür kannte er sich damit auch aus wie kaum ein anderer.

Am Ende der Schicht waren sie zu dritt endlich fertig mit der Sektion. Donovan schwor, dass sie noch einen weiteren Tag ohne ihn gebraucht hätte.

"12 Stunden und 43 Minuten", präzisierte Lieutenant Parr.

A´kebur fragte sich, wie er das berechnen konnte. Aber auf etwa 13 Stunden war er auch gekommen. Jedenfalls war Chefingenieurin T´Kash sichtlich zufrieden. "Ich habe Ihren zukünftigen Dienstplan aufgestellt", teilte sie A´kebur am Ende der Schicht mit. "Prägen Sie ihn sich ein. Sie werden in Zukunft weiter mit Parr und Donovan zusammenarbeiten." Ohne weitere Worte verschwand sie wieder.

Fähnrich Donovan grinste. "So ist sie eben", meinte sie leise, als die Vulkanierin außer Hörweite war. "Bis morgen!", verabschiedete die junge Frau sich. Parr nickte A´kebur nur zu.

Damit war er wieder allein. Er wusste, dass es hier keine Bar gab. Damit hatte er auch keine Ahnung, wie er den Abend verbringen sollte. Denn heute war ihm danach, ein gutes Ale zu trinken. Das Problem war jedoch, dass es so etwas hier nicht gab.

A´kebur ballte seine Hände zu Fäuste. Er musste etwas tun.

Aber soweit er wusste, gab es nicht viele Optionen. Die Sovk hatte nur ein ziemlich kleines Holodeck, dessen Benutzung vermutlich streng eingeteilt war, ein paar Entspannungsräume und ein Trainingszentrum. Beides klang nicht sonderlich verlockend im Moment.

A´kebur verließ den Maschinenraum, auch wenn er nicht wusste, wohin er eigentlich gehen wollte. Erst, als etwas mit einem "Uff"-Geräusch gegen ihn prallte, achtete er wieder auf das, was sich vor ihm tat. Eine zierliche Andorianerin stand vor ihm, die Arme vollbeladen mit einem Container der medizinischen Station, weswegen sie auch nicht hatte sehen können, mit wem sie zusammengestoßen war.

Ihre Fühler zitterten und ihre weißen Haare waren durcheinander. A´kebur griff reflexartig zu, damit der Container nicht doch einen Kontakt mit dem Boden aufnahm. "Haben Sie den Container wieder?", fragte A´kebur etwas aufgebracht. Warum war ihm sie so heftig in die Seite gefahren? Auf der Station hätte man ausweichen können. Hier aber war das nicht so gut möglich.

Die junge Frau gab etwas von sich, das A´kebur überrascht als einen der übleren andorianischen Flüche erkannte. "Ja, geht schon, danke", erklärte sie und stellte die sperrige Kiste kurzerhand ab, um sich über die Stirn zu wischen. Erst dann sah sie überhaupt, mit wem sie zusammengestoßen war. "Oh, Sie sind der Neue, oder? Ich habe Ihre medizinische Akte für Doktor Alario durchgesehen. Willkommen an Bord."

"Meine medizinische Akte?", echote A´kebur.

"Sicher. Bei einem Transfer wird sie automatisch weitergereicht, um über chronische Krankheiten, Allergien und so weiter gleich Bescheid zu wissen." Die Fühler der Andorianerin stellten sich neugierig auf. "Das ist Standardprozedur."

"Sie sind die Ärztin. Entschuldigen Sie, dass ich Sie nicht erkannt habe." A´kebur wusste plötzlich nicht, wer sie war. Er fühlte sich etwas merkwürdig. Unsicher schüttelte er den Kopf. "Ich werde mein Quartier aufsuchen", erklärte er.

"Sicher doch. Und nein, ich bin nicht DIE Ärztin, nur die Assistentin, Lieutenant Shana." Die Andorianerin zuckte wieder mit den Fühlern und runzelte dann die Stirn. "Geht es ihnen gut?"

"Mir geht es gut!" A´kebur lächelte etwas verzerrt. Menschen ließen sich davon abschrecken. Klingonen wirkten auch ohne scharfe Zähne abschreckend. Außerdem fragte dann niemand mehr nach. "Ich habe jetzt meine Erholungsschicht."

Doch Lieutenant Shana wirkte nicht im Geringsten eingeschüchtert. Andorianer waren zwar klein und zierlich im Vergleich zu Klingonen, aber das Leben auf einem Planeten des ewigen Eises und ein jahrhundertelanger Kampf gegen andere Rassen vor Eintritt in die Föderation hatte aus ihrer Rasse ein Volk gemacht, mit dem im Ernstfall nicht zu scherzen war.

"Falls Sie möchten, ich glaube, das Holodeck ist gerade frei", meinte sie. "Sicher war der erste Tag hier recht anstrengend."

"Mir geht es gut, Ma´am. Ich bin vollkommen gesund. Danke für den Hinweis."

Shana legte zweifelnd den Kopf schief, sodass ihre weißen Haare über die Schulter fielen und hob den Container mit einem kleinen Ächzen wieder auf. "Nennen Sie mich Shana. Wir sind beide nicht im Dienst", schnaufte sie. "Viel Spaß auf dem Holodeck!"

A´kebur sah ihr erstaunt nach. Mit einem inneren Seufzer wandte er sich in die Richtung, wo er die Holosuite wusste. Vielleicht war das doch keine schlechte Idee. Er fragte sich, während er den Weg suchte, warum seine Wand wieder Risse bekommen hatte. Bisher hatte er es immer geschafft, mit der Meditation jeden Nichttelepathen auf Abstand zu halten. Vielleicht war es ja die Anspannung der letzten Tage gewesen. Nach seinem Plan musste er sich sowieso noch auf der Krankenstation melden.

Das Holodeck war schnell erreicht, und wie die Andorianerin gesagt hatte, benutzte es im Augenblick niemand. A´kebur trat ein, überlegte einen Augenblick und programmierte dann die gewünschte Umgebung.

Er nahm eine Kampfsimulation. So konnte er am besten den Druck loswerden. Sich ganz in einem Kampf zu verlieren, war perfekt. Er wählte einen klingonischen Krieger und einen Kampf mit einem Bat’leth. Die nächste Stunde kämpfte er, als ginge es um sein Leben. Er fühlte sich großartig und der Schweiß ließ ihn wie frisch gebadet wirken.

Die Simulation war darauf eingestellt, ein Unentschieden herbeizuführen, und so war der Kampf erst beendet, als A´kebur es dem Computer befahl. Er hatte das Gefühl, solch einen erfrischenden Kampf schon lange nicht mehr gemacht zu haben. Auf Deep Space 13 hatte er die Holodecks immer seltener aufgesucht.

Der Grund lag durchaus in den eher negativen Erinnerungen. Dabei war es unlogisch. A´kebur lächelte freudlos. Jetzt dachte er schon wie ein Vulkanier. Besser er beendete den heutigen Tag und ging zu Bett.

02

 

Am nächsten Tag suchte A´kebur die Krankenstation auf. Lieutenant Shana schien ihn schon erwartet zu haben. A´kebur hatte ihren Namen in der Datenbank gefunden. Er war eigentlich davon ausgegangen, dass alle Rassen auf diesem Schiff von warmen Planeten kamen. Die einzige Ausnahme kannte er bis gestern nicht. Aber dennoch waren es, wie er am gestrigen Tag schon gesagt hatte, fünf Rassen an Bord des Schiffes. Und eine war eine Andorianerin - die einzige ihrer Art an Bord.

Wie er das hatte übersehen können, wusste er nicht, bis ihm eingefallen war, dass die Daten etwa ein Dreivierteljahr alt waren, die sich in der Datenbank der Station befunden hatten. Ein Datenabgleich hatte es erst nach den Tagen gegeben, wo er alles nachgelesen hatte.

Aber er war wegen seiner Arbeit nicht mehr dazu gekommen, alle Informationen nachzulesen, die neu waren. Er hatte sich mehr auf die technischen Spezifikationen konzentriert. Was ihn aber nach dieser Erkenntnis mehr beschäftigte, war, dass Andorianer, die ja von einem Eisplaneten kamen, sich für ein vulkanisch geführtes Schiff interessierten, von dem bekannt war, dass es dort wesentlich wärmer zuging. Sie musste sich sehr stark angepasst haben. Dafür konnte man sie bewundern.

"Ich melde mich zur Untersuchung", erklärte A´kebur, als er die Krankenstation betrat. Außer ihm war nur Shana, die Arztassistentin, anwesend.

Die Andorianerin lächelte prompt, als sie seiner ansichtig wurde. "Das ging aber schnell. Sie wirkten eher wie jemand, der die Krankenstation tunlichst meidet. Wenn Sie sich hinlegen würden? Die Untersuchung ist bloß Routine, da wir ja Ihre Akte haben."

A´kebur legte sich auf die Diagnoseliege. "Es ist eben Routine", erklärte er. "Worin liegt der Sinn, es hinauszuschieben?"

Shana zuckte nur mit den Fühlern, was wohl bei ihr das Äquivalent eines Schulterzuckens war, griff nach dem medizinischen Scanner und hielt ihn über A´keburs Kopf. Für Momente war nur das leise Piepen des Gerätes zu hören, dann meinte die Andorianerin unvermittelt: "Maggie Donovan und ich haben uns gefragt, ob Sie vielleicht Lust hätten, unsere Pokerrunde zu ergänzen. Wir spielen heute Abend wieder."

"Poker?"

"Sie wissen schon, das Kartenspiel. Außer Maggie und mir sind noch Michaels von der Wissenschaft und Nagano von der Sicherheit dabei. Keiner von ihnen beißt." Shanas Fühler zuckten, als sie schmunzelte. "Wir treffen uns um 20 Uhr im Erholungsraum 3."

"Sie wollen mit mir Karten spielen?" A´kebur konnte nicht verhindern, dass sein Staunen ihm anzusehen war. "Ich kann keine Karten spielen. Vielleicht sollten Sie jemanden anderes fragen."

"Poker ist einfach zu lernen. Außerdem soll es Spaß machen, es geht weniger ums Gewinnen. Auch wenn Nagano das gerne anders sieht." Shana grinste wieder. "Die Vulkanier hier an Bord halten das Spiel entweder für unlogisch oder betrachten es als Zeitverschwendung, aber es ist eigentlich sehr gut, um etwas über andere herauszufinden."

"Und was wollen Sie über mich herausfinden?"

"Alles, was Sie mir nicht erzählen", gab Shana schlicht und gerade heraus zurück. "Sie scheinen sehr interessant zu sein. Die Vulkanier sind hier ziemlich verschlossen, und die rosahäutigen Menschen meist viel zu leicht zu durchschauen."

A´kebur riss die Augen auf. Noch niemand hatte in seiner Gegenwart Menschen als rosahäutig genannt. "Ich bin nicht interessant", wehrte er noch rechtzeitig genug ab, um nicht eine zu große Pause entstehen zu lassen. "Ich weiß nicht, was Sie von mir wissen wollen. Aber warum fragen Sie nicht einfach?"

Shanas Fühler zuckten wieder. "Vermutlich würden Sie mir nicht antworten oder ärgerlich werden. Ich habe ja gesehen, wie Sie reagiert haben, als ich sagte, ich habe Ihre medizinische Akte. Und zwar inklusive Commander Noraks Bericht."

A´kebur schnellte von der Liege hoch. Deutlich war ein grüner Schimmer auf seinen Wangen zu sehen. "Das hätte er nicht tun dürfen", knurrte er.

"Es war seine Pflicht", gab Shana seelenruhig zurück und drückte mit ihren kleinen Händen gegen A´keburs Brust, um ihn wieder zum Hinlegen zu bewegen. "Außerdem werden medizinische Berichte absolut vertraulich behandelt, keine Sorge."

"Ich bin in Ordnung. Was hat er geschrieben?"

Shana drehte sich zum Computerterminal um, tippte etwas ein und reichte A´kebur dann ein Datenpad. "Hier. Es schadet ja nichts, wenn Sie es selber sehen."

Während sie weiter die Untersuchung durchführte, las A´kebur den Bericht durch. Es stand darin, dass er Telepath war und sich noch in der Ausbildung befand. "Warum hat man mich dennoch genommen?", fragte er.

Shana sah ihn an. "Ich denke, weil Ihre Referenzen ausgezeichnet sind. Ich habe nicht viel mit der technischen Abteilung zu tun, aber Commander T´Kash nimmt nur die Besten. Außerdem ist Telepathie doch keine Krankheit."

"Nein, aber ich kann es noch nicht kontrollieren. Und hier sind alles perfekte Vulkanier." A´kebur setzte sich auf und reichte Shana das Pad. "Warum sollten sie einen unvollkommenen Mischling an Bord holen, der nicht einmal die Grundzüge dessen beherrscht, was ein Schüler auf Vulkan kann?"

"Vulkanier und perfekt?" Die Andorianerin gab ein knurrendes Geräusch von sich, was man ihrer Gestalt nach weniger vermutet hätte, und legte die Fühler an. "Na, das wüsste ich aber. Sie tun gerne so überlegen und kühl, aber manchmal wissen sie einfach nicht, worauf es ankommt. Ich wollte um keinen Preis einer von ihnen sein. Außerdem sollten Sie wissen, dass nur eine Minderheit von Vulkaniern überhaupt Telepathen sind. Und jahrelang hat man in ihrer Gesellschaft Gedankenverschmelzung als etwas Schmutziges betrachtet, wussten Sie das? Das ist kaum 200 Jahre her."

A´kebur legte den Kopf schief und wirkte kaum noch klingonisch. Aber dafür überaus neugierig.

"Warum wurde es als etwas Schmutziges angesehen? Und nein, ich wusste nicht, dass es nur eine Minderheit ist, die Telepathen sind. Ich dachte immer, es sind alle bis auf ein paar Ausnahmen."

Shana lächelte wieder. "Dann schlage ich vor, Sie lesen ein bisschen in den Datenbanken nach. Die hiesige Datenbank ist ziemlich vollständig, was Vulkanier und ihre Kultur angeht. Es gibt da kaum etwas, worauf die Vulkanier stolz sind, deswegen würden sie es nie freiwillig erzählen - außer sie können es einem Computer anvertrauen, der nicht mit denen der Föderation verbunden ist. Vermutlich dachten sie wohl, ein so enger geistiger Kontakt mit einem anderen Lebewesen käme, ich weiß nicht, einem Sexualakt gleich. Und das ist nun etwas, womit die Vulkanier noch weniger klarkommen. Ein bisschen Geheimniskrämerei ist da wohl ziemlich verständlich."

Shana sah etwas erstaunt nach oben, da A´keburs Puls nach oben schnellte, als sie die Sichtweise der Vulkanier über Gedankenverschmelzung erklärt hatte. Seine Lippen bewegten sich, als wollte er etwas sagen. Tat es dann jedoch nicht. "Danke, Ma´am", murmelte A´kebur etwas steif. "Sie haben mir geholfen."

Shana zuckte mit den Fühlern. "Na ja, wenn Sie meinen. Und bitte nennen Sie mich nicht Ma´am, da komme ich mir vor, als wäre ich hundert Jahre alt." Der medizinische Scanner piepte noch einmal, und Shana schaltete ihn aus. "So, fertig. Alles in bester Ordnung mit Ihnen, aber das wussten wir ja schon vorher. Und, kommen Sie heute Abend zum Pokern?"

"Ich komme zum Pokern", entschied A´kebur kurzentschlossen. Vielleicht erfuhr er ja auch umgekehrt einige Sachen, die nicht in den Datenbanken standen. Er hatte wirklich viel recherchiert seit Etiennes Verschwinden. Trotzdem hatte er sich nicht getraut, genauer wegen seiner vulkanischen Familie nachzuforschen.

Er hatte auch einige Zeit mit dem Gedanken gespielt, seine Familie auf Vulkan ausfindig zu machen. Es war einfach mittels dem Namen seiner Mutter und seinen Genen. Aber trotzdem hatte er eher Angst davor. Vielleicht brauchte er noch mehr Zeit. Akzeptanz gehörte nicht zu seinen Wesenszügen. Shana wusste davon wenig, auch wenn sie sensibel genug war, bestimmte Dinge zu bemerken, ohne sie jedoch anzusprechen.

"Sie kommen? Klasse. Es wird Ihnen bestimmt Spaß machen. 20 Uhr, nicht vergessen. So, Sie sind entlassen." Shana trat zur Seite, damit A´kebur aufstehen konnte.

"Ich werde die Regeln für Poker nachlesen", bekannte dieser. "Dann halte ich das Spiel nicht auf." Er blieb unschlüssig stehen und sah zu, wie Shana den Tricorder wieder verstaute. Er gab sich einen mentalen Schups. "Ma´am, ähm, Lieutenant Shana, ich habe noch ein kleines Problem."

"Oh!" Sie schien sofort zu verstehen. "Nun, ich habe leider wenig Erfahrung mit solchen Dingen, aber vielleicht sollten Sie einen der Vulkanier hier an Bord um Unterstützung bitten. Wie ich schon sagte, sind nicht alle Telepathen, aber zum Beispiel Captain Lakon. Wenn ich mich recht erinnere, hat Commander Norak bei ihm für Sie gesprochen." Shana lächelte verschmitzt.

"Ich soll den Captain fragen? Ich denke, er hat genug zu tun. Wäre nicht ein anderer Vulkanier dazu in der Lage?", fragte A´kebur. Er konnte nicht glauben, dass der Captain eines Schiffes sich eines kleinen Fähnrichs annahm, um ihn die Grundlektionen der Telepathie zu lehren. Das anzunehmen, war unsinnig.

"Nun, der Captain hat sich bisher immer die Zeit genommen, wenn ein Besatzungsmitglied mit ihm sprechen wollte. Und da wir so etwas wie einen Schiffscounselor nicht haben, zu dem ich Sie sonst geschickt hätte, sehe ich nicht viele Alternativen. Außerdem ist Captain Lakon weitaus umgänglicher als manch anderes Spitzohr hier an Bord." Shanas Fühler zuckten belustigt.

A´kebur hatte das Gefühl, dass, wenn spitze Ohren bei Klingonen normal gewesen wäre, Shana filetiert worden wäre für diese Worte. Er nickte jedoch nur. Er selbst hatte spitze Ohren, trotzdem fühlte er sich nicht als Vulkanier und damit auch nicht angesprochen. Er war einfach kein Spitzohr. "Ich werde ihn fragen", erklärte er seine Bereitschaft, es zumindest zu versuchen. Er schätzte jedoch nicht, dass Captain Lakon sich wirklich mit ihm abgeben würde.

"Tun Sie das. Bis heute Abend also!"

"Bist heute Abend." A´kebur hatte noch Freischicht. Ein Blick in den Computer zeigte ihm, dass der Captain auch frei hatte. Es war also klug, ihn jetzt aufzusuchen. Besser war es wohl, wenn er sich schon jetzt eine Absage holte.

Aber vielleicht konnte ihm der Captain sagen, wer ihm helfen würde. Es war A´kebur unangenehm, überhaupt fragen zu müssen. Kein Klingone musste sich so demütigen. A´kebur presste die Zähne aufeinander. Ehe ihn weitere Zweifel überkamen, tippte er gegen seinen Kommunikator. "Captain Lakon, Fähnrich A´kebur. Darf ich Sie stören?"

Einen kurzen Moment herrschte Schweigen, und A´kebur glaubte schon fast, der Captain ignorierte ihn, oder schlimmer noch, fühlte sich gestört. Doch dann erklang die typisch kühle, neutrale Stimme eines Vulkaniers. "Natürlich. Worum geht es?"

"Es ist ... es ist etwas Persönliches. Es eilt nicht. Wenn ich störe, dann geht es auch später, Captain."

"Sie stören mich nicht. Aber vielleicht sollten wir das persönlich besprechen. Bitte kommen Sie doch in meinen Bereitschaftsraum, ich werde in fünf Minuten dort sein." Damit war die Com-Verbindung auch schon unterbrochen.

A´kebur machte sich auf den Weg in den Bereitschaftsraum. Mittlerweile hatte er jetzt alle Bereiche des Schiffes im Kopf, selbst die im Zweifel weniger mit seiner Arbeit zu tunhatten. Wie ein Hologramm konnte er im Geiste jeden Ort erreichen. Er nahm den Aufzug und wechselte die Ebene. Dann nahm er den Gang gerade aus und gelangte dort zur Brücke, wo er den Bereitschaftsraum erreichte. Niemand beachtete ihn sonderlich.

Der Captain war schon da und saß hinter seinem Schreibtisch über ein Datenpad gebeugt, als A´kebur nach einem kurzen Piepen an der Tür und der darauffolgenden Bestätigung eintrat. A´kebur war nicht wenig überrascht, als Captain Lakon aufsah: Obwohl dieser zweifelsfrei ein Vulkanier war, hatte er blaue Augen. Genau wie A´kebur selbst. A´kebur hatte sich selbstverständlich auch die Bilder der Seniorcrew einschließlich des Captains angesehen, aber die Augenfarbe war ihm dabei nicht aufgefallen. Jetzt jedoch verblüffte ihn dieser Anblick umso mehr.

"Treten Sie ein, Fähnrich", brach der Captain den Bann. "Setzen Sie sich. Ich bin gleich für Sie da." A´kebur setzte sich und wartete, bis Captain Lakon einen Bericht abzeichnete, den er gelesen hatte. Er geduldete sich.

Derweil konnte er aber nicht umhin, den Captain der Sovk zu mustern. Wie fast alle anderen Vulkanier auch hatte er kurzes schwarzes Haar, olivfarbene Haut und asketisch wirkende Gesichtszüge, die weder jung noch alt schienen. Allerdings war er sicher schon um die neunzig.

Schließlich legte Lakon das Datenpad weg, und sah A´kebur direkt an. "Nun, zuerst einmal willkommen an Bord, Fähnrich. Ich hoffe, Sie werden die Arbeitsbedingungen hier akzeptabel finden, um eine möglichst effiziente Leistung zu erbringen. Wo nun liegt genau das Problem und warum kommen Sie damit zu mir?"

"Lieutenant Shana sagte, dass Sie mir bei einem Problem helfen könnten." A´kebur prüfte seine Barriere. Sie stand und es stand nicht zu befürchten, dass er sie im Moment nicht kontrollieren könnte. "Ich bin Telepath. Ich habe keine Ausbildung und lerne noch, damit umzugehen."

Captain Lakon legte seine Fingerspitzen aufeinander. "Lieutenant Shanas Hinweis entbehrt nicht einer gewissen Logik. Ich habe Ihre Akte von Commander Norak bekommen und bin daher bereits informiert. Es ist sehr wichtig, dass Sie die vollständige Kontrolle über Ihre Kräfte lernen. Ich bin bereit, Ihnen zu helfen, Fähnrich."

Darauf wusste A´kebur nichts zu erwidern. Einen Vulkanier zu fragen, ob er es auch ernst meinte, verbot sich von selbst. Schließlich war er ein Vulkanier und nicht irgendein Mensch, der auch schon einmal Dinge sagte, die er sich nicht überlegt hatte. "Sie wollen mich selbst ausbilden?", fragte er dennoch nach. Denn Hilfe musste nicht gleich Ausbildung heißen.

"Nun, angesichts der Tatsache, dass nur einen weiteren Telepathen an Bord dieses Schiffes gibt, scheint es eine logische Wahl zu sein. Doch selbst, wenn es mehr wären, ich will keinem von ihnen zusätzliche Arbeit aufbürden", gab der Captain ungerührt zurück.

"Natürlich", erwiderte A´kebur. "Wann wollen Sie mit der Ausbildung beginnen?"

"Ich schlage morgen vor, zu Beginn Ihrer und meiner dienstfreien Zeit." Offensichtlich hatte Lakon alle Dienstpläne auswendig im Kopf.

"Aye, Sir. Ich werde morgen da sein." A´kebur erhob sich. "Captain!" Er nahm Haltung an. Lakon nickte und wandte sich wieder seinen Daten zu; damit schien das Gespräch beendet.

A´kebur konnte nicht sagen, dass er jemals mit den Menschen warm geworden war. Er verstand sie nicht und hielt sie für schwach. Aber mit Vulkaniern konnte er gar nichts anfangen. Sie wirkten so nahbar wie eine Steinmauer. Abweisender konnte wohl keine Spezies sein, ohne dabei wirklich Abwehr- oder Kampfgesten zu benutzen.

Er wandte sich ab und ging. Seine Schicht würde er erst in drei Stunden antreten. Bis dahin konnte er sich noch weiterbilden. Sicher würde ihn T´Kash wieder testen wollen.

Und er irrte sich nicht.

 

Die Chefingenieurin hatte noch weitere Aufgaben für ihn, die ihr Aufschluss über A´keburs Konzentration, Geduld und Fingerspitzengefühl gaben. Danach arbeitete A´kebur wieder mit Lieutenant Parr und Fähnrich Donovan zusammen; letztere schien sich besonders darüber zu freuen, dass er zugesagt hatte, zum Pokerabend zu kommen.

Die Zeit verging wie im Flug, und schon fand sich der Klingone am Ende seiner Dienstschicht. Es war weitaus anstrengender gewesen, als er gedacht hatte, aber da T´Kash zufrieden mit ihm gewesen war, hatte sich die Mühe gelohnt.

Shana, Maggie Donovan, Dave Michaels und Takehito Nagano warteten schon auf ihn, als er das Holodeck betrat. Michaels und Donovan lächelten ihn an. Wenn die Menschen wussten, dass auch das eine Geste der Aggression sein konnte, hätten sie es wahrscheinlich gelassen. Der Mensch mit dem seltsamen Gesicht, Nagano, war Japaner. Er lächelte nicht. Er neigte knapp sein Haupt. Offenbar hatte er sich die Angewohnheiten von den Vulkaniern abgeschaut und bevorzugte eine formalere Begrüßung ohne Zähnefletschen. A´kebur blieb abwartend stehen.

Er wusste nichts von Poker - außer dem, was er in der Datenbank gefunden hat. Ob es davor, währenddessen oder danach Rituale gab, hatte er nicht herausfinden können. Shana winkte ihn herein und wies auf den letzten freien Stuhl an dem runden Tisch, an dem die vier saßen. Ein Ritual schien es dabei nicht zu geben.

"Schön, dass Sie kommen. Dave, Takehito, das ist Fähnrich A´kebur", stellte sie ihn vor. A´kebur nickte knapp und nahm Platz. Maggie Donovan nahm das zum Anlass, die Karten für die erste Runde auszuteilen. "Ich hörte, Sie haben noch nie Poker gespielt?", fragte Dave Michaels. Er war das, was A´kebur als typischen Menschen bezeichnet hätte: Gutgelaunt, freundlich und geradezu erschreckend unauffällig aussehend.

"Aber wehe, Ihr nehmt das zum Anlass, ihn über den Tisch zu ziehen!", warf Maggie ein.

A´kebur sah auf die flinken Finger und dann, wie die Karten aufgeteilt worden. "Wie wollen sie mich über den Tisch ziehen?", fragte er ernsthaft. Er kannte diese Floskel und wusste, dass sie nicht wörtlich gemeint war - bis auf das erste Mal, wo er sie gehört hatte.

Shana kicherte. "Och, da gibt es viele Möglichkeiten. Dave und Takehito hier haben nämlich die schlimmsten Pokerfaces, die ich je gesehen habe, abgesehen von Vulkaniern. Da kommt man nie drauf, ob sie wirklich ein gutes Blatt haben oder nur bluffen."

"Pokerface", buchstabierte A´kebur.

Dave grinste. "Genau! Beim Pokern kommt es nämlich nicht darauf an, wirklich die besten Karten in der Hand zu haben, sondern erfolgreich vor den anderen zu verbergen, wenn man schlechte Karten hat. Das ist das ganze Geheimnis."

"Wie Ferengi?"

Erst blickten alle etwas verdutzt, dann lachte der ganze Tisch schallend los.

"So ... in etwa", keuchte Shana und wischte sich die Lachtränen weg. "Also, fangen wir an?"

A´kebur sah misstrauisch von einem zum anderen. Er verstand nicht, warum keine Vulkanier teilnahmen. Sie hatten garantiert ein perfektes Pokerface.

A´kebur fürchtete Schlimmes für diese Nacht. Aber er war kein Feigling. Also nahm er die Karten auf und versuchte sie anhand der Regeln zu lesen. Er ahnte, nachdem er zu einer Art vorläufiges Ergebnis gekommen war, dass sein Blatt nur zum Verlieren geeignet war.

Nagano und Michaels verzogen keine Miene und erhöhten den Einsatz; beide hatten nicht einmal eine Karte ausgetauscht. Maggie Donovan seufzte und legte ihre Karten weg. "Ich passe." Shana tauschte zwei Karten aus und ging mit. Erwartungsvoll schauten sie dann zusammen A´kebur an. Dieser blickte von einem zum anderen. Dann erhöhte er auch seinen Einsatz und tauschte eine Karte. Sehr viel besser sah sein Blatt jetzt auch nicht aus. Aber das, was er getan hatte, entsprach den Regeln des Spiels. Und er war sich absolut sicher, dass er keinen Muskel bewegt hatte.

Wieder erhöhte Nagano den Einsatz, diesmal um das Doppelte dessen, was er zuerst geboten hatte. Michaels zog eine Augenbraue hoch, erklärte: "Ich passe." und legte seine Karten ebenfalls weg. Shana nahm den Einsatz an, grinste völlig unerwartet und erhöhte den Einsatz noch einmal.

A´kebur sah auf seinen Stapel an Chips und schob ihn in die Mitte. "Ich gehe mit", erklärte er. Shana blickte auf den inzwischen beachtlichen Stapel an Chips und bestimmte dann: "Ich will sehen." Damit legte sie ihre Karten offen. Sie hatte ein Full House, drei Buben und zwei Achten. Nagano zeigte ebenfalls seine Karten, und es stellte sich heraus, dass er nur drei Könige hatte.

A´kebur legte seine vier Achten hin und verzog immer noch keine Miene.

Michaels pfiff durch die Zähne, und Maggie warf A´kebur einen Blick zu, den man nur als bewundernd bezeichnen konnte. "Reines Anfängerglück", meinte Shana gelassen und schob A´kebur den Stapel Chips zu. "Außerdem war das erst zum Aufwärmen."

A´kebur sah auf die Chips. Er hatte tatsächlich gewonnen. Es war gut gewesen, den König wegzulegen und noch einmal zu ziehen. Aber er wusste nicht, dass er so gut gelegen hatte. Vielleicht sollte er noch einmal die Regeln lesen und sie im neuen Licht betrachten. "Wie geht es jetzt weiter?", fragte er.

"Sie müssen nun mischen, austeilen und den ersten Einsatz machen", erklärte Maggie, noch immer lächelnd. "Und dann beginnt die nächste Runde."

"Und wie lange werden Runden gespielt?"

Dave grinste. "So lange, bis einer von uns alle Chips eingesackt hat oder wir keine Lust mehr haben. Und beides kann eine Weile dauern. Machen Sie weiter mit?"

"Gern!" A´kebur zeigte kurz seine Zähne, dann mischte er. Es ging ihm noch ungewohnt von der Hand. Aber schon nach der vierten Runde waren seine Bewegungen sehr viel routinierter. Er gewann von den vier Runden zwei und sein Stapel war sehr viel größer geworden.

Dann allerdings ging es abwärts. Michaels und Nagano hatten wohl beschlossen, keine Rücksicht mehr zu nehmen, denn A´keburs Glückssträhne wurde langsam dünner. Allerdings war Maggie die erste, die keine Chips mehr hatte und sich zum Zusehen zurücklehnte. Ohne Beschäftigung wurde ihr jedoch langweilig und so warf sie hin und wieder einen Blick zu A´kebur, als wollte sie ihm sagen, dass die beiden Männer nur wieder blufften.

Als A´kebur verstand, gewann er wieder. Doch nur so lange, wie die zwei merkten, dass der Fähnrich Hilfe bekam. A´kebur hatte erst überlegt, ob er diesen Vorteil nutzen sollte - wie ein Ferengi. Aber es war ein Menschenspiel. Da war offenbar einiges möglich.

"Maggie, ich glaube nicht, dass A´kebur wirklich deine Hilfe braucht", meinte Nagano. "Bisher schlägt er sich doch auch so ganz gut." Maggie verzog gespielt beleidigt den Mund. "Wir wollen doch, dass er wiederkommt, oder? Also vergrault ihn nicht."

Shana kicherte bloß.

"Ist das üblich mit der Hilfe?", fragte A´kebur zur Sicherheit nach.

"Nein, nicht wirklich. Aber Maggie ..." Shana wurde von einem finsteren Blick ihrer Freundin unterbrochen, die jetzt definitiv rot um die Nasenspitze war.

"Ist es erlaubt, diese Hinweise zu nutzen?" A´kebur entgingen die nonverbalen Zurechtweisungen nicht. Aber er wollte das Spiel mit allen Einzelheiten verstehen; auch die, die nirgendwo niedergeschrieben worden waren.

"Nein, eigentlich nicht. Aber wie heißt es so schön? Im Spiel und in der Liebe ist alles erlaubt! Deswegen erlauben wir es heute mal. Viel nützen wird es Ihnen nicht", meinte Nagano ungerührt und teilte die nächste Runde aus.

"Warum nicht?" A´kebur nahm die Karten aus. Er hatte einen Flush und das schon jetzt, bevor er überhaupt eine Karte nehmen musste. Das hatte er noch nicht gehabt.

"Hören Sie nicht drauf, A´kebur, die beiden wollen Sie bloß verunsichern", erklärte Maggie, verschränkte die Arme und blickte neugierig über A´keburs Schulter.

Irritiert sah er sie an. "Würden Sie bitte nicht schauen?", bat er.

Die junge Frau wurde wieder rot und zog den Kopf ein. "Entschuldigung", wisperte sie. Die anderen taten so, als hätten sie nichts mitbekommen und spielten weiter.

A´kebur sagte, dass er nicht tauschen wollte, er erhöhte und dann legte er auf.

Diesmal ließ sogar der kühle Nagano eine Gefühlsregung zeigen. "Vielleicht doch kein Anfängerglück. Aber das sieht man erst nach ein paar weiteren Abenden und ohne Maggies Hilfe."

Langsam neigten sich auch die Chips von Shana und Dave dem Ende zu. Zudem war es schon spät geworden. Sie verabschiedeten sich und vereinbarten eine neue Pokerrunde.

A´kebur hatte es die ganze Zeit über auf der Station Deep Space 13 nicht geschafft, zu so einer Gruppe dazuzugehören. Er hatte aber auch nie daran gedacht. Und jetzt war er offenbar schon innerhalb so kurzer Zeit ein festes Mitglied einer Pokerrunde. Flüsternd wünschte Maggie ihm eine gute Nacht und huschte davon. Shana und er hatten ihre Quartiere auf demselben Deck und daher denselben Weg.

"Und, hat es Ihnen gefallen?", fragte die Andorianerin ihn, während sie in diese Richtung schlenderten.

"Es war interessant. Spielen sie wirklich so oft? Es ist interessant, aber auf Dauer könnte es seine Spannung verlieren."

"Oh, glauben Sie mir, es ist niemals langweilig. Jeder Abend verläuft anders und ich habe viel dazugelernt. Nicht nur über das Spiel, auch über meine Mitspieler." Sie lächelte. "Was halten Sie von Maggie?", fragte sie unvermutet.

"Sie ist eine Menschenfrau!", meinte A´kebur und wirkte dabei so, als wäre das Wort schon eine allumfassende Beschreibung.

"Das heißt, Sie werden nicht in Erwägung ziehen, sie näher kennen zu lernen? Sie würde es nämlich gerne. Und ich würde Menschen den Vulkaniern immer noch vorziehen", meinte Shana.

A´kebur blieb stehen, so dass Shana gezwungen war, auch stehen zu bleiben. "Was haben Sie vor? Haben Sie eine Ahnung von Klingonen? Ich brauche kein Menschenweibchen. Menschen sind zerbrechlich. Sie sollte dableiben, wo sie ist und sie sollten sich nicht einmischen!"

Die Andorianerin blieb ungerührt. "Maggie ist meine Freundin, also geht es mich sehr wohl etwas an. Ich will nur nicht, dass sie sich falsche Hoffnungen macht. Aber diese rosahäutigen Wesen sind gar nicht so zerbrechlich, wie man denken könnte."

"Wenn sie Ihre Freundin ist, dann hören Sie auf, mich mit ihr zu verkuppeln." A´kebur drängte sich an Shana vorbei und ging zu seinem Quartier. "Sagen Sie meine Verabredung für das Pokern ab. Ich verzichte!"

"Jetzt seien Sie doch nicht gleich eingeschnappt! Das klingt ja fast so, als hätten Sie Angst!"

Der Fähnrich blieb bei ihren Worten stehen und drehte sich um. Er sah sie merkwürdig an. "Ich habe keine Angst", buchstabierte er. "Aber ich brauche keine weitere Beziehung. Also hören Sie auf."

"Das heißt, Sie sind in einer Beziehung? Das erklärt einiges." Shanas Stimme klang nun fast sanft.

"Was erklärt es? Machen Sie das oft? Sich in das Leben anderer einmischen?"

"Nein, nur bei Leuten, die es nötig haben." Das typische, koboldhafte Grinsen huschte über ihr Gesicht. "Und es erklärt, warum sie ein wenig abwesend wirken. Und warum selbst so eine hübsche, intelligente und keineswegs schwache Frau wie Maggie Sie kalt lässt. Sie vermissen eine bestimmte Person, nicht wahr?"

"Kümmern Sie sich um Ihren Kram!", knurrte A´kebur und drehte sich um. Jetzt floh er wirklich. Aber diese Frau ließ ihm keine andere Wahl. Die andere wäre gewesen, sie zu verprügeln - und das war kein erlaubtes Verhalten.

Er hörte Shana lachen. "Sieh an, ich habe Recht. Aber falls Sie es noch nicht gemerkt haben, ich wollte Ihnen helfen! Von alleine gehen solche Dinge nämlich nicht weg!", rief sie ihm nach.

A´kebur war versucht zu fragen, was für Dinge sie meinte. Aber dann wehrte er ab. Er stürmte regelrecht sein Quartier. Er wollte allein sein. Jetzt wusste er genau, warum er bisher solche Gruppe gemieden hatte. Menschen waren schlimm. Andorianer offenbar noch schlimmer. Menschen wussten wenigstens manchmal, wo ihre Grenzen waren.

Für einen Moment blitzte das Bild von Etienne vor seinen Augen auf. Schnell schob er es wieder zur Seite.

Er spürte ihn in jeder Sekunde, wenn er es gewollt hätte, aber manchmal fiel es ihm schwerer, manchmal sehr leicht. Er konnte die Gedanken des Menschen berühren. Aber er wollte es nicht. Er wollte die Verbindung wieder lösen. Es war unbeabsichtigt geschehen. Und jetzt kam diese Shana und erinnerte ihn stärker daran, als er durfte.

Plötzlich verspürte er den Wunsch zu brüllen, bis das Schiff von einer Wand zur nächsten widerhallte. Er wollte Etienne verfluchen. Und obwohl er genau wusste, dass sich dadurch nichts ändern würde, gab er diesem Impuls nach. Ein ohrenbetäubendes Gebrüll hallte im Zimmer wieder, wütender und gefährlicher als das eines kampfbereiten Löwen. Seltsamerweise half es ein wenig. Aber genug war es noch lange nicht.

Mit ganzer Kraft schlug er gegen die Wände seiner Kabine. Sie war zu klein und bot mehr Widerstand, als es bei einer großen der Fall gewesen wäre. Als nichts mehr dastand, wo es hingehörte und seine Wut verebbte, sank er mit einem Ächzen zu Boden. Er konnte Etienne spüren. So nahe, als würde er seinen Geist mit seinen Händen berühren können. "Etienne", flüsterte er.

Aber es war niemand da, der ihn hören konnte. Und Etienne, so nahe er ihm auch schien, war als Mensch einfach nicht in der Lage, diese Verbindung zu bemerken. Sicher verschwendete er keinen Gedanken mehr an A´kebur.

Hilflos krallte der seine Hände in den Belag seiner Kabine. Mit einem Sprung war er auf den Beinen und wütete wieder gegen die Wände. Er brüllte, tobte wie schon lange nicht mehr. Er vergaß, dass dieser Ort nicht die dämpfende Wirkung eines Holodecks hatte. Jeder konnte ihn hören. Und bestimmt würde gleich die Sicherheit vorbeikommen, um nachzuschauen, welches Untier hier gerade wütete. Es war ihm egal. Wenn er es nicht tat, würde er mit Sicherheit explodieren müssen.

Shana wartete mit erhobenen Händen vor der Tür des Fähnrichs. Sie hatte nicht damit gerechnet, so eine Reaktion hervorzurufen. Als die Sicherheit sie fragte, winkte sie ab, dass sie warten sollten. Dann wurde es ruhig. Kein Laut war mehr zu hören.

Mit ihrem Sicherheitscode öffnete sie die Tür. Es war nicht viel in der Einzelkabine. Aber das, was sich in ihr befand, war zum großen Teil in einem eher desolaten Zustand. A´kebur hockte mit geschlossenen Augen mitten im Chaos. Sie hatte nicht den Eindruck, als würde er im Hier und Jetzt weilen.

Langsam und vorsichtig trat sie näher, bereit, jederzeit zur Seite zu springen. "A´kebur?", sprach sie ihn leise an. Die Augen, die sich öffneten, leuchteten umwerfend blau. Kein Wunder, dass Maggie auf ihn flog und sie mehr als nur Interesse hatte. Langsam klarte der Blick des Fähnrichs auf. "Was wollen Sie hier?", fragte A´kebur sie mit rauer Stimme. "Sie haben schon genug angerichtet. Verlassen Sie mein Quartier."

Shana ignorierte den Vorwurf und den Rausschmiss. Sie kam noch ein Stück näher. "Ich bin hier, um es wieder gut zu machen. Ich wollte Sie nicht verärgern, es tut mir wirklich leid."

A´kebur sah sich um. "Sieht das so aus, als ob Sie mich verärgert hätten? Gehen Sie einfach!" Er erhob sich. Es war offensichtlich, dass seine Barriere wieder löchrig war. Das passierte am schnellsten, wenn er an Etienne dachte. Mit konzentriertem Gesicht versuchte er den Schaden gering zu halten.

"Nicht, bevor ich nicht sicher bin, dass es Ihnen gut geht. Das ist meine Pflicht als Ärztin", beharrte die Andorianerin.

A´kebur ballte die Hände. Er hatte den unbändigen Wunsch, dieser arroganten Ärztin zu zeigen, wie er ihr helfen konnte. Shana war das nicht entgangen. "Los, schlagen Sie mich!", forderte sie ihn auf. "Vielleicht hilft es ja wirklich, wenn das Zimmer schon nicht gereicht hat."

Die Sicherheitsoffiziere waren am Eingang stehen geblieben und hatten zugehört. Der Ältere von beiden machte sich bemerkbar. "Ma´am, dafür können Sie auch eine Computersimulation verwenden. Der Platz ist dann größer", wies er sie auf den Vorteil eines Ortswechsels hin.

Shana grinste. "Gut, kommen Sie mit." An der Tür entließ sie die Sicherheitsleute, die gewartet haben, die dem Befehl jedoch nur widerwillig nachkamen. Offenbar trauten sie einem wütenden Klingonen nicht über den Weg.

Shana ging vor. A´kebur folgte. Sie wählte für sie beide auf dem Holodeck einen schlichten Trainingsraum. "Bitte eingetreten!"

A´kebur knurrte statt einer Antwort. Er würdigte der Hologramm-Umgebung keinen Blick. "Ich soll Sie also verprügeln. Glauben Sie, dass ich mich davon beeindrucken lasse?"

"Ich sagte nur, es hilft vielleicht. Und ob Sie es wirklich schaffen, ist die andere Frage." Shana krempelte ihre Ärmel hoch und steckte ein paar Haarsträhnen hinter die Ohren. Den Schwinger, der auf sie zukam, sah sie dabei fast zu spät.

"Keine Ahnung, aber ich kann es ja ausprobieren, Ma´am."

Shana sprang zur Seite, so dass der Schlag sie nur knapp streifte. Trotzdem hatte er genug Wucht, sie ins Taumeln zu bringen. "

"Dann bitte!" Sie fing sich wieder und ging in Abwehrhaltung, darauf bedacht, sich nicht noch einmal eine Unaufmerksamkeit zu leisten.

In der nächsten Sekunde entspann sich ein Kampf. A´kebur musste zugeben, dass er die kleine Frau unterschätzt hatte. Aber das war sogar besser. So musste er sich nicht vorwerfen lassen, einen Vorteil gehabt zu haben, wenn er ihr immer wieder den einen oder anderen Treffer verpasste und sie vielleicht sogar stärker verletzte.

Ihre Schläge waren für ihn spürbar, aber Schmerz gehörte zum Kampf. Es war herrlich, sich ihm hinzugeben und den Feind mit der ganzen Wut in den Boden zu stampfen. Zu seinem Glück war der "Feind" absolut nicht willens, das über sich ergehen zu lassen. Zerzaust, mit aufgeplatzter Lippe und voller, nun ja, grüner Flecken, hielt sich Shana weiterhin auf den Beinen und dachte nicht daran, aufzugeben. Was ihr an Kraft fehlte, glich sie durch Schnelligkeit wieder aus. Als sie das zufriedene Grinsen sah, dass sich unmerklich auf A´keburs Lippen gestohlen hatte, musste auch sie lächeln. "Es scheint Ihnen besser zu gehen."

"Und Ihnen geht es jetzt schlechter!" A´kebur brüllte kurz auf und schlug wieder nach ihr. "Sie haben nicht Ihren Mund halten können. Warum tun Sie das? Halt! Sagen Sie es mir nicht. Damit fing alles an. Sie reden zu viel, Ma´am!"

"Manchmal ist reden die bessere Lösung", gab Shana ungerührt zurück und wich aus. "Ehe man alles in sich hineinfrisst und dann explodiert."

"Ach, und warum sorgen Sie dafür, dass meine Barrieren brechen?", schrie A´kebur sie an.

"Tue ich nicht! Es sind Ihre eigenen Gedanken und die damit verbundene ... Erregung, die das verursachen." Shanas Fühler zitterten, und sie wirkte, als wäre ihr das selbst eben erst klargeworden.

A´kebur hielt inne. "Aber Sie sind es, die jedes Mal die Gedanken verursachen. Warum müssen Sie sich in fremder Leute Angelegenheiten einmischen?" Er wich zurück. Die Auseinandersetzung schien damit beendet.

"Ich sagte es doch, ich will Ihnen helfen. Es nützt doch nichts, Dinge zu verdrängen. Sie werden immer wieder kommen und es wird nicht besser werden. Auch die Vulkanier könnten Ihnen da nicht helfen, glauben Sie mir." Shana strich sich die verstrubbelten Haare glatt.

"Sie sind aufdringlich!" A´kebur wankte zurück. "Ich will nicht mehr mit Ihnen reden. Gute Nacht."

Shana musste wieder lachen. "Ich dachte, das hätten wir hinter uns. Weglaufen gilt nicht. Kommen Sie, ich verarzte sie und dann genehmigen wir uns einen Schluck romulanisches Ale. Ich habe ein paar Fläschchen heimlich im Medizinschrank verstaut." Sie zwinkerte.

"Und was trinken Sie?" A´kebur wischte sich seine Haare aus dem Gesicht. Er hatte noch hinzusetzen wollen, dass er nicht davonlief, sondern dafür sorgte, dass eine Assistenzärztin der Föderation weitestgehend ohne größere Schäden bei Gesundheit blieb. Er verzichtete auf diesen Einwand. Bei dieser Frau war es nur zu offensichtlich vergebliche Liebesmüh.

"Wenn es nur ein paar Fläschchen sind, wird es wohl nicht reichen", meinte er stattdessen. Ein Schluck Ale war jetzt genau das Richtige.

"Man muss nehmen, was man kriegen kann", gab Shana zurück. "Aber da unser nächstes Ziel ein Planet im Grenzgebiet ist, werde ich da meine Vorräte wieder aufstocken. Wir müssen also nicht sparen. Kommen Sie mit?"

A´kebur nickte und folgte. Hinter ihnen brach das Bild des Hologramms zusammen. Niemand erwartete sie, als sie in den Gang traten. Das Schiff befand sich in künstlicher Nacht. Die meisten Crew-Mitglieder schliefen und das Licht war gedämpft. Auch in der Krankenstation war es leer bis auf einen dösenden Fähnrich, der ein paar Reagenzgläser bewachte. Shana führte A´kebur ins hintere Behandlungszimmer, kramte ein Hypospray und einen Haut-Regenerator aus einer Schublade und verarztete damit ihre schlimmsten Blessuren. "Das Ale ist in dem hinteren Fach als Desinfektionsmittel verpackt."

"Und niemand hat bisher damit zu putzen versucht?" A´kebur holte die besagten Flaschen heraus. Er öffnete sie und roch daran. Es war eindeutig Ale. Er reichte Shana eine Flasche und nahm sich einen ersten Schluck aus einer weiteren Flasche. Für einen Moment hielt er inne, als sich wieder Etiennes Gesicht und sein Geist in sein Bewusstsein schob.

"Nein, außer Dr. Alario und mir geht hier niemand rein. Und der gute Doktor würde die Flaschen nie benutzen. Er traut altmodischer Medizin nicht." Shana kicherte und nahm einen kräftigen Schluck Ale. Kurz vergewisserte sie sich, dass sie keine Spuren des Kampfes mehr im Gesicht hatte. Sie wollte sich nach der positiven Inspektion über die Schrammen in A´keburs Gesicht hermachen, als sie seinen Gesichtsausdruck bemerkte. "Wieder die Barrieren?", fragte sie, als sie seinen abwesenden Blick interpretierte.

"Mhm?" Er sah sie fragend an.

"Alles in Ordnung? Sie wirkten abwesend." Vorsichtig tupfte Shana etwas Regenerationssalbe auf eine aufgeplatzte Stelle oberhalb der Augenbraue und ließ den Regenerator darüber streichen. "Woran mussten Sie eben denken?"

A´kebur überlegte kurz. Dann antwortete er: "An meinen Bindungspartner."

Die Andorianerin zuckte neugierig mit den Fühlern. "Und wo ist er im Augenblick?"

"Sie sind das neugierigste Lebewesen, das ich jemals kennengelernt habe. Sie geben wirklich nicht auf, oder?" A´kebur nahm ihr die Salbe ab und rieb sich selbst weiter ein. "Ich weiß nicht, wo er ist. Ich suche ihn."

"Was genau ist denn passiert? Vielleicht kann ich Ihnen ja wirklich helfen, ihn zu finden", meinte Shana und setzte sich A´kebur gegenüber, nicht ohne ihm vorher noch eine neue Flasche romulanisches Ale hinzustellen.

"Wie kommen Sie auf die Idee, dass Sie das könnten?" A´kebur nahm sich die Flasche und trank. Da es wirklich nicht viel Ale war, trank er langsamer als normalerweise. Er fühlte sich ein wenig müde. Der Kampf war entspannend gewesen.

Shana zuckte mit den Schultern. "Ich weiß nicht. Aber zwei Köpfe sind schlauer als einer, sagte meine Großmutter immer. Und ich bin schon auf einigen Planeten herumgekommen, vielleicht fällt mir etwas dazu ein."

"Er ist Schmuggler und auf der Flucht. Was fällt Ihnen dazu ein?"

"Auf der Flucht vor der Föderation? Nun, dann wird er sich außerhalb ihrer Reichweite aufhalten. Aber als Mensch ist das natürlich nicht einfach, sich bei den Klingonen oder gar den Romulanern durchzuschlagen. Er ist doch ein Mensch, nicht wahr?" Shana wirkte nicht so, als hätte sie das einfach nur geraten.

A´kebur legte den Kopf schief. "Warum sagen Sie nicht einfach alles, was Sie über mich wissen? Warum kommen Sie nicht auf den Punkt?" Er stand auf und holte die letzte Flasche Ale. Er reichte sie ihr. "Hören Sie auf, so zu tun, als würden Sie nicht mehr über mich erfahren haben, als das, was in der medizinischen Akte steht."

Shana nahm ein paar Schlucke aus der Flasche und grinste. "Ich habe zu Anfang auch nicht mehr gewusst, wirklich. Aber alles, was Sie sagen und tun, habe ich irgendwie ausgelegt. Dafür muss man noch nicht einmal Gedankenlesen können."

"Und was denken Sie darüber? Wenn Sie schon so bohren, werden Sie das nicht nur aus reiner Neugier machen, oder?"

Wieder lächelte Shana und tat ein bisschen ertappt. "Wie ich schon zu Anfang sagte, ich finde Sie sehr interessant. Und jetzt, wo ich Sie besser kenne, möchte ich Ihnen wirklich helfen. Es tut niemandem gut, von der Person, die er liebt, getrennt zu sein. Und das weiß ich nicht nur aus medizinischer Sicht."

A´kebur lehnte sich nur zurück. Viel lieber hätte er sich ausgiebig gestreckt, bis seine Muskeln so gedehnt waren, dass seine Gelenke knackten. Stattdessen bewegte er sich nur so viel, wie es die Etikette erlaubte. Mehr war in Anbetracht ihres Themas weniger geeignet. "Sie werden sich die Finger schmutzig machen, wenn Sie helfen. Etienne wird gesucht und er wird wohl ins Gefängnis kommen, wenn er erwischt wird."

"Dann darf er sich eben nicht erwischen lassen", gab Shana ungerührt zurück. "Und wir auch nicht. Aber zuerst sollten wir ihn finden. Haben Sie wirklich keine Ahnung, wo er sein könnte? Ich meine, wenn Sie irgendwie gedanklichen Kontakt zu ihm haben ..."

"... dann müsste ich meine Fähigkeit kontrollieren können. Und das ist leider nicht der Fall. Ich habe es innerhalb eines Jahres nicht geschafft, auch nur die Grundtechniken zu beherrschen. Sie haben selbst gesagt, dass meine Erinnerungen die Barriere zum Brechen bringt", antwortete er ihr eindeutig aufgebracht.

"Ja, natürlich. Weil Sie sich entweder zu deutlich erinnern oder es zu verdrängen versuchen. Beides funktioniert nicht. Sie sollten es einfach einmal zulassen und sich öffnen. Ich bin mir sicher, Sie werden dann auch erfahren, wo Ihr Partner ist", gab Shana ungerührt zurück und nahm noch einen Schluck Ale.

"Das letzte Mal war ich nicht mehr ansprechbar gewesen, als ich das getan hab", gab A´kebur widerstrebend zu bedenken.

"Aber ich bin mir sicher, Sie haben inzwischen mehr dazugelernt. Und sonst fragen Sie jemanden, damit er kontrolliert, ob Sie es nicht übertreiben. Ansonsten - haben Sie mehr Vertrauen in sich."

"Unter den Augen eines gefühlskalten Vulkaniers? Ich kann mir Besseres vorstellen!"

"Dann versuchen Sie es allein oder, wenn ich dabei bin. Ich bin Ärztin, schon vergessen? Aber einen Versuch ist es sicher wert", gab Shana zurück und leerte ihre Flasche Ale. Bedauernd blickte sie darauf. A´kebur ging es genauso. Das war eindeutig zu wenig Ale. Sie mussten den Vorrat dringend aufstocken und am besten über das Limit einer Kostprobe hinaus. A´kebur sah Shana für einen Moment nachdenklich an. Dann stieß er die Barriere um und versuchte seinen Geist zu zähmen. Vielleicht halfen ja die Unterrichtsstunden.

A´kebur schloss die Augen und versuchte Etienne zu erreichen. Ein paar quälend lange Augenblicke geschah nichts, doch dann spürte A´kebur, wie er einen fremden Geist berührte. Nein, nicht fremd, Etiennes Gedanken. Doch sie waren formlos und seltsam unaufdringlich, viel weniger intensiv als beim letzten Mal. Woher er das wusste, war A´kebur nicht klar, aber er begriff, dass Etienne offensichtlich schlief und träumte. Ein Bild jedoch durchzuckte seinen Geist immer wieder: eine violette Sonne und drei Monde.

A´kebur fragte sich, warum das so wichtig war. Als Koordinatoren kam dieses Bild nicht in Frage. Aber es fühlte sich gut an, Etienne zu spüren. Getrennt und doch vereint, wisperte er automatisch. Wo bist du?, fragte er seinen träumenden Partner. Was er nicht bemerkte, war, dass er ein wenig die Kontrolle über seinen Körper verloren hatte. Doch er hielt sich aufrecht, als er von fern Shanas Stimme hörte.

Zuerst bekam er keine Antwort, aber dann hörte er sehr leise Etiennes Stimme in seinem Kopf. "A´kebur? Da sollte man meinen, ich wäre aus dem Alter heraus, in dem man von jemand anderem träumt ... aber egal." Ein Gefühl durchflutete A´kebur, als würde sein Geist fest umarmt.

"Ah", gab der von sich. Damit hatte A´kebur weniger gerechnet. Die Gefühle, die auf ihn einstürmten, waren einfach zu viel. "Etienne", rief er.

Für einen kurzen Augenblick spürte er ihn noch, dann schien ein Ruck durch ihre beiden Geister zu gehen. A´kebur fand sich unvermittelt in seinen Körper zurückgeworfen; Etienne war offensichtlich aufgewacht und hatte dadurch die Verbindung getrennt.

"A´kebur? Geht es Ihnen gut?", hörte er Shanas besorgte Stimme.

A´kebur blinzelte sie an. "Alles in Ordnung", murmelte er. "Ich glaube, er ist aufgewacht."

"Was? Haben Sie ihn erreicht? Was ist passiert?" Shana saß neben ihm und sah ihn mit aufgeregt zitternden Fühlern an.

"Nichts, er ist aufgewacht. Er hat von einem Planetensystem geträumt und dann ist er aufgewacht und hat ... Schwer zu sagen, was er hat. Auf jeden Fall bin ich wieder hier - glaube ich."

Shana lächelte erleichtert. "Ein Planetensystem? Das ist doch ein Anhaltspunkt. Können Sie sich erinnern, wie es genau aussah?"

"Ja, aber es wird Tage dauern, damit die Datenbank zu einem Ergebnis zu bringen." A´kebur erhob sich ächzend. Er fand es erstaunlich, dass es ihm noch ganz gut ging. Eigentlich hatte er mit mehr Nebenwirkungen gerechnet. Vielleicht brachte die Ausbildung ja doch etwas.

"Kommt ganz drauf an, wer den Zugang zu den Datenbanken hat. Sagen Sie mir, was Sie gesehen haben, und ich finde es bis morgen heraus, versprochen."

Für dieses Versprechen bekam sie eine hochgezogene Augenbraue. Dieser Klingone hatte mehr Eigenschaften eines Vulkaniers, als er selbst dachte. Wahrscheinlich war es diese Mischung aus Leidenschaft und Ernst, die Shana neugierig gemacht hatten. Die Personalakte A´keburs gab da einige sehr interessante Episoden wieder.

"Es war eine violette Sonne und drei Monde. Eigentlich ungewöhnlich. Sonnen haben keine Monde. Aber für Planeten sind sie zu klein. Mehr habe ich nicht gesehen."

"Eine violette Sonne und drei Monde?" Shana sprang abrupt auf und lief ins Nebenzimmer zum Computerterminal. Darauf folgte ein Wortschwall auf Andorianisch, der jedoch keinesfalls nach Flüchen klang. "A´kebur, Sie werden es nicht glauben!", rief sie ihm zu.

"Werde ich nicht?"

"Sie wissen doch, wo die Sovk hinfliegt? Unser Auftrag ist es, neuentdeckte archäologische Stätten auf dem Minenplaneten Charon 7 zu untersuchen. Und genau dieser Planet wird von drei Monden umkreist und von einer violetten Sonne beschienen!" Shanas Stimme klang triumphierend. "Wäre ich abergläubisch wie meine Vorfahren, würde ich jetzt sagen, dass es Schicksal ist!"

A´kebur sah ungläubig auf das Holobild. Fassungslos berührte er die Sonne. Es war exakt das Bild, was er gesehen hatte. "Er ist da. Er will nicht dort hin. Er ist schon da." Shana rief noch ein paar Informationen auf. "Das Charon-System liegt an der Grenze des Föderationsgebietes. Der siebte Planet ist der einzige, der für Humanoide geeignet ist; dort gibt es große Duranium-Vorkommen. Da er aber fast außerhalb des Einzugsbereiches der Föderation liegt und nur selten Schiffe außer den Minentransportern dorthin kommen, ist er so etwas wie eine Zufluchtsstätte für all diejenigen geworden, die in irgendeiner Weise mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind", fasste sie zusammen. "Allerdings ist es nie gelungen, die einzige große Ansiedlung auf Charon 7 wirklich sicher für alle anständigen Besucher zu machen. Es bleibt ein gefährliches Pflaster." Shana sah besorgt auf. "Denken Sie, Ihr Freund, wird dort klarkommen?"

A´kebur hörte sie nicht. In seinen Augen brannte ein Feuer, das bisher nur Etienne jemals zu Gesicht bekommen hatte. Als Shana sich räusperte, erinnerte er sich, dass sie ihm etwas gesagt hatte. "Ich, ich habe nicht zugehört", gestand er.

"Ich sagte, dass Charon 7 gefährlich ist für einen einzelnen Menschen", wiederholte sie und speicherte die Daten ab, um sie zu A´keburs Quartier zu senden.

"Er legt sich mit Romulanern und Ferengi an und geht mit mir eine Verbindung in mehrfacher Hinsicht ein. Ich würde nicht behaupten, dass er vorsichtig ist. Aber er kann mit schwierigen Situationen umgehen. Ich weiß nicht, wie er sich dort schlägt. Aber er wird es schon schaffen." Schließlich hätte er sich wohl nie mit einem Menschen eingelassen, der ein Feigling war.

"Gut, dann bin ich beruhigt. Wir werden in drei Tagen dort sein, und bis dahin haben wir hoffentlich einen Plan, wie wir es anstellen, ihn ausfindig zu machen." Shana erhob sich und gähnte. "Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich jetzt schlafen gehen. Lesen Sie sich besser alle Informationen über Charon 7 gut durch, damit Sie wissen, was auf Sie zukommt. Ich werde auf jeden Fall um Landurlaub ersuchen, und wie ich meinen Vorgesetzten kenne, ist er froh mich für einen Tag los zu sein." Sie lachte wieder.

A´kebur konnte den Vorgesetzten verstehen. Er schüttelte den Kopf. Eine seltsamere Verbündete hätte er niemals finden können. "Gute Nacht", wünschte er und ging, als sie ihn nur anlächelte. Verwirrt schüttelte er den Kopf. Für heute schien er ihre Neugierde gestillt zu haben. Er seufzte. Besser war, er ging jetzt auch zu Bett. Die Daten konnte er sich morgen noch anschauen - am besten nach der Stunde mit dem Captain.

03

 

A´kebur stand der Schweiß auf der Stirn. Seine Konzentration hatte stark gelitten. Aber der Captain war gnadenlos und forderte immer noch geistige Höchstleistungen von ihm. A´kebur hatte nur geahnt, dass so etwas auch körperlich weh tun konnte. Jetzt wusste er, dass das mit der Intensität von Elektrostöcken mithalten konnte.

Dieser Art von Schmerz war ihm nicht fremd, aber auf diese Weise eher unheimlich. Und wieder erinnerte ihn eine unnachgiebige Stimme: "Konzentrieren Sie sich!"

A´kebur hatte keine Ahnung, wie er sich noch mehr konzentrieren sollte, als er es ohnehin schon tat. Aber Captain Lakon merkte sofort, sobald auch nur der winzigste Gedanke von der Aufgabe abwich. A´kebur schlug sich die Fingernägel in das Fleisch seiner Handflächen. Er biss die Zähne aufeinander, bis seine Kiefer krachte. "Sir", rief er, als seine Kraft nachließ und er dem Druck nicht mehr standhalten konnte.

Captain Lakon zog sich zurück. Sofort wich die Belagerung von A´keburs Geist und dessen Barrieren, die kurz vor dem Einsturz gestanden hatten.

"Etwas belastet Sie", erklärte der Captain kurzerhand. "Ihre Konzentration könnte höher sein, aber sie wird durch ein Gefühl beeinflusst."

"Ich bin auch kein Vulkanier", wies sein Schüler ihn prompt auf das Offensichtliche hin.

"Dennoch müssen Sie Ihren Geist freimachen, wenn Ihre Barrieren undurchdringlich bleiben sollen", erinnerte Lakon. "Ein emotional aufgewühlter Verstand ist am ehesten empfänglich für störende Einflüsse."

"Vulkanier werden fast ohne Gefühle geboren. Was haben Sie denn für eine Ahnung, was ein emotional aufgewühlter Verstand ist?", erwiderte A´kebur aufgebracht. "Es muss einen anderen Weg geben. Ich kann nicht herumlaufen wie ein Vulkanier."

"Das verlangt auch niemand. Aber jedes intelligente Lebewesen ist in der Lage, die Herrschaft über seine Gefühle zu erlangen. Wäre das nicht möglich, befänden wir uns alle noch immer in einem Zeitalter der Barbarei - obwohl das bei einigen Völkern wohl noch zutrifft."

Täuschte A´kebur sich, oder zuckte bei diesen Worten Lakons Mundwinkel? Er wäre jede Wette eingegangen, dass Lakon die Klingonen meinte. "Ich kann Ihnen nur begrenzt etwas beibringen: Den Hauptteil müssen Sie selbst beitragen."

A´kebur verzog den Mund. Für einen winzigen Moment waren seine Zähne zu sehen. Es war wohl die zivilisierteste Form Lakon zu sagen, dass er sich nicht zu weit hinauswagen sollte, ohne dass es einen offenen Akt der Insubordination darstellte, was A´kebur ihm als Reaktion präsentieren würde. "Ich trage meinen Teil dazu bei. Aber offenbar genügt schon eine winzige Emotion. Also kann es nicht diese Technik sein. Es gibt auch Völker mit telepathischen Fähigkeiten, die Emotionen haben."

"Natürlich. Aber auch sie haben große Schwierigkeiten, Ihre Barrieren bei starken Gefühlen aufrecht zu erhalten. Außerdem wird meist den Betreffenden schon in jungen Jahren beigebracht, sich abzuschirmen. Je älter man ist, umso schwieriger ist es zu erlernen", erklärte Lakon und musterte A´kebur mit seinen ungewöhnlichen blauen Augen. "Sie haben es somit weitaus schwerer, das räume ich ein. Trotzdem ist es möglich."

A´kebur hatte kein Interesse daran, zu berichten, dass es eine Zeit gegeben hat, wo er problemlos und rein instinktiv die Barriere halten konnte. Er konnte sogar vergessen, dass er Telepath war. Selbst auf der Akademie war er nicht als Telepath eingestuft gewesen. Jetzt stand es aber in seiner Personalakte. Er schloss seine Augen. Kampftraining war bei weitem nicht so anstrengend wie das hier. Er fühlte sich müde und ausgelaugt. Aber er war zu stolz, um aufzugeben. Entschlossen sah er wieder auf. Er würde keine Schwäche zeigen. Nicht vor einem Vulkanier. "Machen Sie weiter!", befahl er trotzig.

Lakon zog eine Augenbraue hoch. "Gut. Wir machen noch einen Versuch, danach ruhen Sie sich aus." Er schloss kurz die Augen und sah A´kebur dann wieder an. Sein Blick schien geradewegs in dessen Kopf zu dringen.

Und A´kebur versuchte zu halten. Er machte den Schmerz in seinem Körper und seinem Kopf zu seinem Freund, so wie er es als Kind gelernt hatte. Für einen Moment musste er seinen Mund öffnen. Doch die Qual blieb in ihm und sein Mund stumm. Er würde nicht aufgeben. Niemals! Immer wieder hämmerte dieser Gedanken in ihm. Plötzlich hatte er das Gefühl, Etienne zu spüren. Wie ein Lichtstrahl gingen dessen Gefühle durch ihn hindurch. Die Barriere brach unvermutet.

"Wir beenden es heute", erklärte Lakon ruhig, aber A´kebur hatte den sicheren Eindruck, dass auch ihn dieser plötzliche Kontakt etwas durcheinandergebracht hatte. "Davon abgesehen ist es kaum möglich, einen Bindungspartner vollkommen auszuschließen. An diesen Kontakt müssen Sie sich gewöhnen."

"Ich sollte mir ein Schild umhängen", murmelte A´kebur.

Wieder zog der Captain eine Augenbraue hoch. "Die Berührung war eindeutig. Aber darüber sprechen wir später. Kommen Sie wieder zur selben Zeit." Lakon erhob sich mit einer fließenden Bewegung und löschte das Meditationslicht. "Sie sollten sich nun ausruhen", riet er A´kebur.

Er sah, wie sich dieser ebenfalls von der Meditationsmatte erhob und ein wenig steifbeinig wirkte. "Ich schätze, Sie wollen mich nicht wie Shana löchern. Bis morgen", knurrte A´kebur ihn an. So übellaunig wie er war, wartete er nicht auf eine Erlaubnis, gehen zu dürfen, sondern tat es einfach.

 

Sein Neffe ... Lakon hob eine Augenbraue, als er den Hauch einer Emotion beim Klang dieses Wortes feststellte.

Als Captain Lakon die Akten zugeschickt bekommen hatte, hatte er es zunächst nicht glauben wollen. Aber inzwischen bestand für ihn kein logisch begründbarer Zweifel mehr: A´kebur war das Kind seiner älteren Schwester T'Lera, die vor gut vierzig Jahren von abtrünnigen Klingonen entführt und auf einer der klingonischen Welten als Sklavin verkauft worden war. Was danach aus ihr geworden war, hatte die Familie trotz aller Bemühungen kaum herausfinden können - bis sie schließlich die Nachricht von ihrem Tod erhielten. Sie gehörte mit zu den letzten Bürgern Vulkans, die in einem diplomatischen Kraftakt ausfindig gemacht und offiziell befreit werden konnten. Zusammen mit einer Gruppe von weiteren Vulkaniern war sie dann aber auf dem Weg nach Hause verunglückt.

Er rief das Bild seiner Schwester auf den Bildschirm auf. Es war Zufall gewesen, dass er auf A´kebur gestoßen war. Seine Bewerbung auf die Stelle eines Ingenieurs hatte ihre Wege miteinander gekreuzt. Lakon hatte dessen Bild gesehen und geglaubt, in das Gesicht seiner Schwester zu blicken. Für einen Moment lang war er sogar sicher gewesen.

Doch das war ein Trugschluss.

Das Bild des Mannes war das eines Mischlings mit klingonischem und vulkanischem Blut in sich. Trotzdem hatte Lakon Anlass zu glauben, dass A´kebur dennoch sein Neffe war. Die blauen Augen waren es und das Aussehen. Er ging dem nach und bekam auch eine Probe der Gene dieses Mannes. Diese verglich er mit den genetischen Daten seiner Schwester. Danach war jegliches Leugnen unlogisch gewesen.

Lange hatte er überlegt, ob er ihn zu sich an Bord holen sollte. Doch dann sah er, dass es A´kebur schwer hatte.

Bei einem fremden Vulkanier befand er sich zwar in guten Händen, wenn es um die Ausbildung seiner telepathischen Fähigkeiten ging. Dennoch war es eine Angelegenheit der Familie und seine Pflicht, seinem Neffen zur Seite zu stehen, und ihm die Ausbildung angedeihen zu lassen, wäre er im Hause seiner Familie geboren worden.

Aber es war unlogisch, über Vergangenes zu lamentieren.

Lakon war entschlossen, A´kebur zuerst weiter zu unterrichten und zu festigen, ehe er ihm etwas von dieser Verwandtschaft mitteilte - sofern das je der Fall sein würde, so wie sich das im Augenblick viertjüngste Kind seiner Familie benahm. Im Augenblick war die Arbeit mit seinem Neffen dringender, nicht die Aufklärung über dessen Abstammung.

Lakon betrachtete nachdenklich das Bild seiner Schwester. Sie hatte nicht die blauen Augen. Aber sie hatte sie weitergegeben. Auf Vulkan gab es einige mit dieser Augenfarbe, aber immer noch vergleichsweise wenige. Ähnlich sah es im Klingonischen Reich aus.

Über A´keburs Kindheit hatte Lakon nichts in Erfahrung bringen können und er bedauerte das, verlor er doch damit viel Zeit, um das Verhalten seines Neffen richtig zu deuten. Der damalige Kadett selbst hatte darüber nie berichtet und es gab keine anderen Aufzeichnungen.

Lakon konnte sich jedoch vorstellen, dass es nicht einfach war, als Mischling auf Qo’noS aufzuwachsen und zu leben. So wie sich A´kebur jedoch benahm - grundmisstrauisch und mehr als nur normal aggressiv, wie es Klingonen gewöhnlich waren - konnte er noch mehr annehmen. Auf Vulkan wäre es auch nicht einfach geworden. Aber er wäre bei seiner Familie gewesen.

Lakon bezweifelte jedoch, dass der Junge auch da willkommen gewesen wäre. Klingonen waren zu emotional für manches vulkanische Gemüt. Lakons Mundwinkel bewegte sich ein wenig. Er konnte jedoch grundsätzlich nicht behaupten, dass ihm dieser Umstand wirklich Kopfzerbrechen bereitete.

Offensichtlich konnte sein Neffe eigene Wege gehen und mit ein wenig Hilfe war er sich auch seiner Fähigkeiten sicherer. Es fehlte lediglich ein Stück Disziplin, die sich jedoch erlernen ließ.

Lediglich der Bindungspartner war eindeutig eine Überraschung gewesen. Lakon hatte damit nicht gerechnet. Auch der knappe Bericht des Ersten Offiziers der Station hatte darüber keinen Hinweis geliefert. Das war jedoch nicht ungewöhnlich, handelte es sich ja um eine vulkanische Angelegenheit und weniger um eine von Starfleet. Lakon fühlte dem kurzen Kontakt nach, der einen menschlichen, aber festen Geist offenbart hatte. Jedoch war es offensichtlich, dass beide darunter litten, voneinander getrennt zu sein. Sie hatten beide nicht gelernt, eine beständige, sichere Verbindung zu halten. In der Regel stabilisierten sich miteinander Verbundene, anstatt sich noch weiter ins Ungleichgewicht zu bringen.

Erschwerend kam hier jedoch hinzu, dass A´keburs Bindungspartner überhaupt kein Telepath war. Lakon überlegte kurz, ob er seinen Neffen das nächste Mal danach fragen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Es war besser, A´kebur erst ein wenig ruhiger und sicherer zu machen, bevor er solche Dinge ansprach, damit sich mögliche Wutausbrüche in Grenzen hielten. Aber eine lebenslange Konditionierung war schwer zu überwinden. Es würde einfach noch mehr Zeit brauchen.

Lakon stand auf und ging zu seinem Computerterminal. Da die Sovk bald ihr Ziel erreicht hatte, musste er noch die Listen für die Untersuchungsteams und mögliche Anträge auf Landurlaub bewilligen.

Der seines Neffen war auch dabei. Lakon genehmigte ihn. Ein Teil der Mannschaft konnte erst in der zweiten Schicht Landurlaub nehmen. Aber das war nicht der Hauptteil ihres Fluges zu diesem Planeten. Sie mussten etwas herausfinden, wobei nicht sicher war, um was es eigentlich ging. Es gab nur seltsame Signale, die von einer Sonde aufgefangen worden war. Der Funkkontakt zum Planeten war schwierig. So war Nachfragen erst kurz vor ihrer Ankunft möglich.

Bis vor kurzem war Charon 7 nie ein sonderlich interessanter Planet gewesen, abgesehen von seinen Minen. Aber bei der Sprengung in einem neuen Bereich hatte man sehr seltsame Strukturen freigelegt, die offenbar von einer früheren Kultur stammten. Die Sonde hatte gezeigt, dass sich diese Bereiche noch meilenweit erstreckten - eine wahre Goldgrube für jeden Archäologen. Aber die Bedingungen zur Untersuchung waren nicht die besten. Es würde also eine Weile dauern, bis die Wissenschaftler der Sovk wirklich wissen würden, woran sie waren.

 

Exakt nach drei Tagen, vier Stunden und siebzehn Minuten bekamen sie Kontakt zum Planeten und zur Kolonie der Archäologen. Sie teilten mit, dass alles normal sei. Höchstens die Grabräuber machten ihnen zu schaffen und baten um entsprechende Unterstützung, da sie im Moment an einem heiklen Punkt der Ausgrabungen angekommen waren. Der Leiter der Archäologen war ein Mensch mittleren Alters. Er hieß Leonard Koster.

Um alles Weitere zu besprechen, wurde er an Bord der Sovk gebeamt und brachte die Pläne der bisherigen Arbeiten mit. Er wirkte auf Captain Lakon sehr gestresst und abgehetzt, aber gleichzeitig von dem Fieber beseelt, dass alle Wissenschaftler packte, wenn sie vor einer großen Entdeckung standen. Bis auf vulkanische Wissenschaftler natürlich.

"Sehen Sie, für diesen Bereich bräuchten wir noch mindestens zehn weitere Archäologen", erklärte Koster. "Und trotzdem können wir noch jahrelang weiterforschen. Die größte Arbeit liegt noch vor uns. Allerdings ist es nicht ganz leicht, weil die eigentlichen Abbauarbeiten in den Minen uns behindern - und wir sie. Und das Schlimmste ist dieser Abschaum aus Hades City - der einzigen großen Ansiedlung auf dem Planeten, direkt bei den Minen. Man sollte die ganze Stadt abriegeln und eine Strafkolonie daraus machen!"

Lakon ersparte sich einen Kommentar. Sie waren nicht mehr im Föderationsgebiet. Dieser Raum war frei. Nicht einmal neutral. Die Klingonen hatten einmal nach Forschungen des Geheimdienstes überlegt, dieses Gebiet des Alls für sich zu beanspruchen. Aber es war schwer, hier Fuß zu fassen. Dieser Teil des Raumes war mit zersplitterten Planeten, Planetoiden und unberechenbaren Sonnensystemen gespickt.

Hier stand eindeutig ein Schild des Universums: Achtung, in diesem Teil der Galaxie Baustelle! Es war schlicht eub gefährliches und nur sehr schwer haltbares Areal. Daher hatte sich einiges an Gesindel eingefunden, weil die Strafverfolgung unmöglich war. Lakon nickte aber knapp, dass er zugehört hatte.

"Wir sind beauftragt", erklärte er, "Sie für drei Monat zu unterstützen. Bitte übermitteln Sie uns Ihre Daten, damit wir bald mit der Arbeit beginnen können."

"Das sind alle Informationen." Der Archäologe reichte dem Captain ein Datenpad. "Ich hoffe, Sie warnen Ihre Leute, falls sie die Stadt besuchen wollen. Niemand sollte sich dort unbewaffnet aufhalten. Ich freue mich auf gute Zusammenarbeit."

Lakon hatte sich schon so etwas gedacht. Aber vor allen Dingen die menschlichen Mitglieder seiner Crew würden sich kaum aufhalten lassen. Daher war es besser, wenn er sie mit Verhaltensmaßregeln runterschickte. "Ich werde es beachten. Danke für Ihre Warnung."

Koster nickte und verabschiedete sich mit den Worten, dass noch eine Menge Arbeit auf ihn wartete. Die ersten Wissenschaftler konnten in zwei Stunden herunterbeamen. Lakon nahm dies zur Kenntnis und gab die Daten in den Computer ein. Dann kontaktierte er die archäologische Abteilung, dass sie sich zum Aufbruch bereitmachen sollten. Die ersten Landurlauber durften erst bei Tagesanbruch auf den Planeten.

Er überlegte kurz, ob er A´kebur zusammen mit Shana runterschickte. Die medizinische Assistentin und er verstanden sich recht gut. Lakon hatte erfahren, dass die beiden sich regelmäßig rauften und dann ihre Blessuren in der Krankenstation behandelten. Er fand diese Art von Stressabbau gut. Die Wildheit seines Neffen wie auch die der medizinischen Assistentin war jedoch bemerkenswert. Nach seinen Maßstäben hatte A´kebur das Zeug zu einem klingonischen Krieger. Er war nur in einigen Punkten anders als andere.

Wie weit die Toleranz der Klingonen ging, wusste er nicht. Er vermutete jedoch, dass deren Geduld gering war. Lakon wusste außerdem, dass A´kebur noch den Status eines Kindes hatte - etwas, was ihm Kopfzerbrechen bereitete. Aber auch das war ein Thema, welches er jetzt noch nicht mit A´kebur besprechen konnte.

Schließlich legte Lakon die Freizeit für Shana und A´kebur zusammen. In Hades City würde es kaum Klingonen geben, und die Andorianerin war Unterstützung genug.

Er hatte schon oft selbst genug gegen sie gekämpft. Sie war zäh und erstaunlich gewandt. Sie zu unterschätzen, konnte einem einiges kosten. Lakon machte die Urlaubsplanung fertig und gab die Auflage mit, dass sie sich nur zu zweit und zu dritt auf dem Planeten bewegen durften. Die Kommunikatoren waren auf Empfang zu stellen. Ein Notsignal sorgte für sofortigen Transport zurück aufs Schiff.

 

Diese Nachricht erhielten A´kebur und Shana wenige Minuten später. Letztere ahnte, dass der Captain ihnen beiden nicht nur zufällig zusammen Landurlaub gewährt hatte, sagte aber nichts. Mit kleinen Phasern bewaffnet machten sie sich auf den Weg zum Transporterraum. "Werden wir auf gut Glück suchen müssen oder haben Sie noch einmal Kontakt zu ihrem Partner gehabt?", wollte Shana wissen.

"Ja, während der Stunde mit dem Captain vor drei Tagen", antwortete A´kebur gewohnt knapp - und damit verharmlosend. Shana fragte sich einmal mehr, wie man solch schwerwiegende Nachricht so leicht dahinsagen konnte. Sie sah ihn mit großen Augen an. A´kebur hob stumm eine Augenbraue.

"Und weiter?", hakte sie nach, mit einem deutlichen Unterton in der Stimme, der besagte: Lassen Sie sich doch nicht alles aus der Nase ziehen!

"Captain Lakon hat danach die Stunde beendet und gemeint, ich sollte mich ausruhen."

"Recht hatte er! Aber ich will wissen, ob Sie noch mehr herausgefunden haben. Hades City ist riesig, da wird es schwer, einen einzelnen Menschen zu finden, der dazu vermutlich nicht einmal gefunden werden will", gab Shana zu bedenken.

"Ich habe seitdem nichts mehr gespürt, zumindest nicht so, dass ich ihn erreicht hätte, und der Captain hat mich auch nicht darauf angesprochen. Er hatte mir nur gesagt, dass man sich nie vollständig vor einem Bindungspartner verschließen kann", erklärte A´kebur. "Ich schätze, Vulkanier reden über solche Sachen nicht."

Die Andorianerin grinste. "Das stimmt. Nun, dann vertrauen wir darauf, dass dieses Band uns zu Ihrem Freund führen wird. Ich muss sagen, ich bin schon gespannt auf ihn."

A´kebur positionierte sich auf der Transporterplattform. "Warum? Wollen Sie ihn?"

Shana kicherte. "Ich werde ihn Ihnen bestimmt nicht streitig machen, das wäre ungesund. Aber neugierig bin ich trotzdem. Jemanden wie Sie fällt schließlich nicht gerade in die bevorzugte Kategorie, wenn es bei Menschen darum geht, sich einen Partner zu suchen ..."

"Ach!" In der nächsten Sekunde befanden sie sich auf dem Planeten. "Tu ich das nicht? Er fällt auch nicht in meine Kategorie. Es war, wie man bei den Menschen so schön sagt, ein One-Night-Stand. Ich hatte keine Ahnung, dass das dabei passiert."

"Nun, so was kann eben passieren." Shana sah sich um. Die beiden standen in der Nähe des Raumhafens ein paar hundert Meter von den ersten Gebäuden der Stadt entfernt. Obwohl es gerade Tag auf dem Planeten war, verbreitete die violette Sonne nur sehr diffuses Licht. Die Gebäude wirkten schäbig, aber auch mit irdischem Licht wäre dieser Eindruck nicht besser geworden. Im Ganzen schien die Gegend heruntergekommen und alles andere als vertrauenserweckend. "Gehen wir!"

"Klasse Planet", murmelte A´kebur.

Missbilligend ob der Umgebung legte Shana die Fühler an, während sie die ersten Straßen erreichten. Vertreter aller Rassen, die man bereits kannte und darüber hinaus auch ein paar, von denen man noch nie etwas gehört hatte, tummelten sich hier. Aber jeder schien dem anderen auszuweichen oder etwas zu verbergen.

"Wir sollten dorthin, wo es Ale gibt", schlug A´kebur vor. "Er trinkt es. Ich schmecke es manchmal. Aber ich denke, dass es das wohl hier überall gibt."

"Aber es ist besser als nichts", gab Shana zurück und steuerte zielsicher auf die nächste Kneipe zu. Es gab mehrere an dieser Straße, aber alle wirkten wenig einladend. Sie fielen auf, als sie eintraten. Ihre Uniformen provozierten misstrauische Blicke. "Zwei Ale", bestellte A´kebur ohne Umschweife an der Theke und tat dabei so, als wäre alles völlig normal und friedlich. Als ihn jedoch jemand anknurrte, knurrte er dunkel zurück. Das wirkte.

Die Kundschaft in der Kneipe mochte zwar ein raubeiniger Haufen sein, aber einen Klingonen in Starfleet-Uniform anzugreifen und das am helllichten Tag, überlegten sie sich dann doch zweimal. Der Wirt, ein dicker Ferengi mit einer deutlichen Bissspur im linken Ohr, grinste Shana zahnlückig an, als er das Bestellte servierte. Die Andorianerin zog wieder die Fühler ein. "Siehst du ihn hier irgendwo?", fragte sie A´kebur leise.

Dieser schaute sich um. Er sah niemanden, der auch nur annähernd Ähnlichkeit mit Etienne hatte. Er spürte ihn auch nicht, obwohl sie sich nahe sein mussten. Plötzlich befiel A´kebur die Befürchtung, dass Etienne weitergereist sein konnte. Möglich war es. Schließlich war das Bild, was er gesehen hatte, über drei Tage alt.

"Ihr beiden Hübschen seht so aus, als wolltet ihr hier was Bestimmtes", ließ sich plötzlich eine heisere Stimme neben Shana vernehmen. Eine Gestalt unter einer Kapuze war dort wie aus dem Nichts dort aufgetaucht. "Starfleet-Offiziere kommen nie hierher."

"Was könnt Ihr bieten?", fragte A´kebur.

"Sagen Sie mir, was Sie suchen, und ich sagen Ihnen, wie viel meine Antwort kostet", kam es unter der Kapuze hervor. A´kebur meinte, ein blasses Gesicht mit spitzer Nase darunter blitzen zu sehen, konnte sich bei dem schmuddeligen Licht aber auch getäuscht haben.

A´kebur hob eine Augenbraue. "Wie können wir Sie erreichen, falls wir später Ihre Hilfe benötigen?" Er hatte die Arme verschränkt und machte deutlich, dass er nicht verhandelte.

"Ich bin die nächsten Stunden hier", gab der geheimnisvolle Mann zurück. "Mein Angebot bleibt bestehen."

Shana drängte sich vor. "Danke", meinte sie. A´kebur gab ihr ihr Glas und nahm einen Schluck aus dem anderen. "Es könnte schwer sein, ihn zu finden. Irgendwie habe ich nicht das Gefühl, dass das einfach wird. Am besten wir gehen einfach weiter. Vielleicht spüre ich ihn ja."

"Gut." Shana bezahlte ihre Drinks, und nachdem sie ausgetrunken hatten, machten sie sich wieder auf den Weg. Doch auch der Besuch in den nächsten Bars ergab nichts Neues. Etienne war nirgendwo zu sehen und direkt nach ihm zu fragen, schien beiden unklug.

Zumal nicht sicher war, dass dieser seinen eigenen Namen bekannt gegeben hatte. A´kebur vermutete, dass Etienne sich auch noch vor den Ferengi verstecken musste. Vor einem Jahr war einer auf ihn sauer gewesen.

Sie wechselte weiter, bis sie endlich alle Kneipen hatten.

In A´kebur machte sich Enttäuschung breit.

"So kommen wir nicht weiter", erklärte Shana und wackelte verärgert mit den Fühlern. "Wir müssen einfach nach ihm fragen oder den seltsamen Typen, der uns Informationen verkaufen wollte. So jedenfalls hat das keinen Zweck."

"Nur, dann müssen wir ihm auch Informationen geben und das könnte für Etienne gefährlich werden", wandte A´kebur ein.

"Aber was bleibt uns übrig? Wir haben nur noch zwei Stunden, dann müssen wir aufs Schiff zurück."

A´kebur rieb sich die Nasenwurzel. Er bekam Kopfschmerzen. "Wir bleiben eine ganze Weile hier. Vielleicht finden wir ihn später."

"Ehrlich gesagt habe ich aber keine wirkliche Lust, diese ganze scheußliche Stadt Meter für Meter zu Fuß zu durchsuchen", brummte Shana. "Wir brauchen einfach eine bessere Methode!"

"Wir könnten einen Bio-Scann machen. Nur, es wird wohl einige Menschen hier geben", schlug A´kebur vor.

Shana murmelte etwas auf Andorianisch, dann seufzte sie. "Ich weiß nicht, ob das etwas bringt. Wollen Sie jeden einzelnen Menschen hier in dieser Stadt aufsuchen, um zu sehen, ob es Ihr Etienne ist?"

A´kebur hatte keine andere Lösung. Vielleicht sollten sie wirklich fragen. Dass Problem war jedoch, dass Etienne sicher nicht seinen richtigen Namen benutzt hatte. A´kebur erinnerte sich, dass er eine Art Spitzname hatte. Er konnte sich denken, dass Etienne diesen benutzen würde. Oder einen, der ähnlich klang. Benutzte er wegen der Sache mit dem Ferengi einen ganz anderen, dann saßen sie wirklich fest und A´kebur konnte jeden Ort zu Fuß ablaufen, bis er ein Indiz oder Etienne am besten selbst fand.

Dann fiel ihm jedoch noch etwas ein. "Wir können noch etwas anderes machen", meinte er laut an Shana gerichtet. "Ich habe damals sein Schiff repariert. Es ist ein zusammengeschustertes Stück Altmetall. Spezifische Werte innerhalb von Toleranzen, aber niemals wirklich Föderationsstandard. Ich könnte das Schiff versuchen zu orten. Ansonsten können wir dieses Subjekt immer noch befragen. Einen Captain Valor sollte es hier nicht so oft geben."

Shanas Gesicht hellte sich auf. "Die Idee ist gut! Alle Schiffe im Orbit sind ordnungsgemäß registriert, dort wird seines nicht dabei sein, aber wir können hier im Raumhafen sehen, was gelandet ist. Dafür sollte noch Zeit sein."

"Er dürfte in dieser Richtung liegen!" A´kebur deutete südlich der Stadt. "Aber zu Fuß ist das ein ganzes Stück."

"Wir sind soviel gelaufen, da macht das jetzt auch nichts mehr", entschied Shana und ging zielstrebig los. "Je eher wir ihn finden, umso besser, oder?"

A´kebur hob nur die Schultern. Es waren ihre Füße, nicht seine. Ihm ging es gut. Dass sie jedoch so darauf bestand, war irgendwie amüsant.

Es dauerte wirklich noch mal fast eine halbe Stunde, bis sie wieder in dem Bereich angekommen waren, in dem sie sich hatten herunterbeamen lassen. Der Raumhafen lag daneben; riesige Hangars beherbergten Schiffe aus allen Teilen der Galaxis. "Wir sollten bei der Landeaufsicht fragen, ohne Genehmigung dürfen wir nicht da rein."

"Ich glaube, die haben ihr Büro da drüben." Ehe A´kebur jedoch mit Shana losgehen konnte, um nachzuschauen, wurden sie auch schon aufgehalten. "Kann ich Ihnen helfen?"

Ein stämmiger Mann mit dem unverkennbar grünen Hautschimmer, der mindestens einen Orioner unter den Vorfahren verriet, hatte sich vor ihnen aufgebaut und sah abfällig auf ihre Starfleet-Uniformen. "Wir möchten zur Landeaufsicht", erklärte Shana und legte die Fühler an.

"Soso", der Mann grinste, "dann seid ihr bei mir schon richtig. Also?"

"Wir suchen ein Schiff. Es heißt Drake", antwortete A´kebur. "Es ist ein mittleres Schiff. Eine kleine Crew, kann aber auch allein geflogen werden. Warpantrieb."

Der Halborioner sah A´kebur misstrauisch an, kratzte sich hinterm Ohr und schien zu überlegen.

"Nun ..."

Shana begriff und zog eine kleine, unscheinbare Chipkarte aus der Tasche. "Hilft das Ihrem Gedächtnis vielleicht?" Mit einem breiten Grinsen wechselte die Karte den Besitzer. "Die Drake ist in Halle 7, am hinteren Ende. Geht einfach geradeaus."

"Wie viel war es?", fragte A´kebur, als sie außer Hörweite waren. "Ich zahle es zurück. Aber an so etwas habe ich nicht gedacht. Ich hätte ihn wohl verprügelt."

Shana kicherte. "Kaufen Sie mir eine neue Ladung Ale, dann sind wir quitt. Und verprügeln sollte immer die letzte Option sein, nicht die erste." Sie durchquerten den ersten Hangar und gingen von da aus wie geraten geradeaus weiter, bis sie schließlich Halle 7 gefunden hatten. Die Drake stand tatsächlich dort, aber sie sah anders aus, als A´kebur sie zum letzten Mal gesehen hatte. Das Schiff war in weitaus besserem Zustand.

Er legte seine Hände auf die Haut und befühlte die Schweißnähte. "Sie ist im perfekten Zustand. Die Außenhaut ist zum Teil erneuert. Der Warpantrieb ist generalüberholt." Er wanderte um das Schiff und suchte alle Anhaltspunkte, die er noch kannte. Eine kleine Erhebung brachte ihn zum Lächeln. "Eine Tarnvorrichtung der neuesten Generation. Das Schiff darf nicht ins Föderationsgebiet. Die Romulaner würden ihn aufknüpfen dafür."

Shana machte große Augen. "Eine Tarnvorrichtung? Neueren Typs? Starfleet würde alles dafür geben, sie in die Finger zu bekommen!"

"Ich glaube, er hatte damals schon eine. Aber ich hätte sie nicht erkannt, wenn man sie mir vor die Nase gehalten hätte. Doch ich war neugierig und ich habe nicht nur über vulkanische Kultur und Tradition gebrütet." A´kebur grinste und wirkte eindeutig frech dabei. "Er ist Schmuggler, von daher wäre es schlau, so etwas zu haben. Wenn er zudem im Romulanischen Reich ein und aus geht, dann könnten seine Verbindungen äußerst intensiv sein."

"Warten Sie mal, ich habe da letztes Jahr so etwas gehört. Ein Spion der Romulaner hat eine Station im Grenzgebiet im Alleingang geschrottet und ist danach spurlos verschwunden." Shanas Fühler zuckten, während sie sich erinnerte. "Ich meine mich zu erinnern, dass sein Schiff auch Drake hieß. Das war doch nicht etwa ihr Freund?"

"Hieß die Station Deep Space 13?", stellte A´kebur die rein rhetorische Gegenfrage.

"Genau, das war es! Die Aufregung war danach ziemlich groß und man beschloss, die Grenzstationen besser zu sichern. Also, stimmt es?"

"Wenn ich von der Station komme und einen Captain von einer Drake suche, schätze ich, dass die Übereinstimmungen zu groß für einen Zufall sind", fasste A´kebur eindeutig amüsiert zusammen. "Außerdem war es nur ein Außenschott. Die Reparatur dauerte, nachdem ich den Ferengi zwischen den Fingern und die Verwandtschaftsverhältnisse geklärt hatte, keine Woche und hatte Starfleet und die Föderation nichts gekostet. Ein Ferengi hatte den Captain bedroht. Ich habe keine Ahnung, was er außer Ale verborgen hatte. Auf jeden Fall war es der Anlass dafür, dass Etienne eilig abflog. Der Ferengi bezahlte dafür - besser sein Vater."

"Nun, dann hat man den Vorfall eindeutig übertrieben in den Berichten. Es war von Geheimabkommen mit den Romulanern und Attentaten auf Föderationsaußenposten die Rede. Vielleicht erzählt er uns ja, was wirklich los war", meinte Shana und ging um das Schiff herum. "Sollen wir warten oder klopfen?"

"Wenn er da ist, hätte er geöffnet." A´kebur zückte seinen Tricorder und scannte das Schiff. "Er ist nicht da. Und was diesen Romulaner, Toran hieß er, angeht: Seine Reputation ist auch nicht sauber. Aber ich schätze, dass der Chief und der Captain einfach sauer waren, dass die Station zerlegt worden ist. Ein Spion war Etienne nicht. Stand das wirklich im Bericht? Ich dachte, der Captain hat den Bericht verfasst."

"Ich habe keine offiziellen Berichte gelesen, nur die Nachrichten", gab Shana zu. "Vielleicht wollte man auch nur ein bisschen Panik machen." Sie sah auf ihren Tricorder. "Wir müssen in zehn Minuten zur Sovk zurückkehren."

A´kebur drehte sich um seine Achse. Dann sah er wieder zum Schiff hinauf. "Einen Sender würde er finden. Und eine Nachricht will ich nicht hinterlassen."

"Gut. Wer ist übrigens dieser Toran", hakte die Andorianerin nach.

A´kebur sah sie kurz an und überlegte. "Das habe ich auch versucht, herauszubekommen. Ich dachte, Sie sprachen von ihm wegen der Romulanern. Er kontaktierte den Captain der Station. Der fragte mich, ob ich ihn kennen würde. Über den Romulaner gibt es nur wenig. Er stammt aus einer wohlhabenden und angesehenen Familie. Aber er scheint so etwas wie das schwarze Schaf zu sein. Sicher ist das nicht. Er ist kein Krieger oder Soldat. Gleichzeitig ist er offenbar überall. Aber wer er genau ist, kann man nirgendwo erfahren. Ich schätze, dass wohl die Presse von dem Gespräch Wind bekommen hat. Und dann war es eben eine Spionagegeschichte."

"Hm. Das macht die Sache auch nicht einfacher. Jedenfalls ist Ihr Freund offiziell des Verrates angeklagt. Wenn man ihn erwischt, bedeutet das mindestens 25 Jahre Haft." Shana lächelte. "Ich weiß, dass mich das meinen Job kosten kann, aber ich helfe Ihnen trotzdem. Und ich werde nichts sagen."

A´kebur sah sie nachdenklich an. Dann schüttelte er den Kopf. "Es reicht, wenn ich alles riskiere. Ich habe mir das selber eingebrockt. Hätte ja nichts mit ihm anfangen müssen. Sie sollten besser gehen, dann brauchen Sie nicht lügen."

"Nichts da! Ich helfe Ihnen. Was auch immer Sie vorhaben, allein haben Sie weniger Chancen!" Die zierliche Andorianerin reckte entschlossen ihr Kinn vor. "Außerdem ziehe ich es vor, mir meine eigene Meinung zu bilden, bevor ich urteile."

"Das ist ein Fall fürs Kriegsgericht", brummte A´kebur nicht wirklich begeistert. "Ich suche ihn schon so lange, dass ich das völlig vergessen hatte. Es war mir nicht wichtig."

"Eben! Los, kommen Sie, wir sollten zu den vereinbarten Koordinaten zurück, um uns hochbeamen zu lassen. Dann sehen wir weiter."

A´kebur widerstrebte es zu gehen, wo er endlich das Schiff gefunden hatte. Er wollte am liebsten Etienne so schnell wie möglich zwischen die Finger bekommen. Warum konnte er nicht hier sein?

"A´kebur, kommen Sie! Wir können im Augenblick nichts machen. Und er wird Ihnen ganz sicher nicht weglaufen."

"Doch, kann er!", brummte A´kebur trotzig.

"Aber wir werden es von der Sovk aus mitbekommen. Wollen Sie wirklich hierbleiben?"

"Habe ich eine Wahl?"

"Natürlich. Aber wenn Sie nicht mitkommen, wird das einen Eintrag in Ihrer Akte geben", erwiderte Shana ungerührt. "Und zwar völlig unnötig."

A´kebur wollte noch etwas sagen, dann schüttelte er jedoch den Kopf. "Sie nerven", beschied er freimütig. Folgte aber Shana nach draußen. Diese lachte nur und gab das Funksignal zur Sovk, damit man sie beide hochbeamte.

Shana beriet sich mit A´kebur, wie sie weiter vorgehen konnten, ohne dass sie Verdacht erregen würden. Das war nicht einfach. A´kebur konzentrierte sich vor allen Dingen auf technischen Details. Aber ihm machte Sorgen, dass Etienne in der Zwischenzeit abfliegen könnte. "Wir müssten ihm eine Art Fußfesseln anlegen", sinnierte er.

"Und wie? Wir haben keine wirkliche Autorisierung, Schiffe am Abflug zu hindern. Ich könnte natürlich die Hafenaufsicht noch einmal schmieren, aber ich fürchte, das übersteigt dann doch mein Budget."

"Wir könnten sein Schiff kaputt machen!"

Shanas Fühler zuckten. "Der Hangar ist nicht gerade unbewacht, und ich wette, das Schiff ist gut gesichert. Das wird nicht leicht."

A´kebur rief die Übersicht des Hangars auf den Monitor und machte die technischen Details sichtbar. "Schauen Sie!", forderte er Shana auf. "Hier ist die Energieversorgung. Der Hangar hat eine eigene. Die der Stadt ist zu unsicher. Neben dem Hangar ist die Zentrale für die Sicherheit. Sie ist etwa auf dem Stand von vor dreißig Jahren. Es handelt sich um eine ausrangierte Computeranlage. Föderationsstandard. Gestern habe ich die Anlage indirekt gescannt. Sie ist nur unwesentlich geändert worden."

Shana sah sich alles an. Das meiste verstand sie. "Sie haben Recht. Wenn die Leitungen hier und hier ausfallen, dürfte das für völliges Chaos sorgen. Und die Schotten können auch nicht mehr bedient werden. Ja, das könnte klappen", stimmte sie zu. "Aber wir haben noch ein Problem: Wir müssen noch einmal um Landurlaub ersuchen, und ich weiß nicht, ob wir ihn bewilligt bekommen."

"Wir müssen die Sicherheit umgehen. Wenn wir kein Alibi haben, werden wir verdächtigt. Wir waren die einzigen, die den Hangar besucht haben. Warum sollten wir auf diesen Planeten zurück. Außer uns will keiner mehr zurück", vervollständigte A´kebur alle möglichen Bedenken.

"Genau, wir gehören nicht zu den Archäologen, es gibt keinen vernünftigen Grund. Und dass Hades City ein Urlaubsparadies ist, kann ja wohl niemand behaupten." Shana runzelte die Stirn. "Hm, ich muss gestehen, ich habe in solchen Sachen keine Erfahrung. Das alles wird gefährlich, wenn wir nicht sehr vorsichtig sind."

A´kebur wusste das selbst nur zu gut. Aber Wagemut mussten sie schon haben - vielmehr er - wenn sie zum Ziel kommen wollten. "Gut", meinte er dann nicht ganz ernsthaft, "dann schlagen wir Fähnrich Seok vor der Kontrolle des Transporters zusammen, dringen in den Hangar ein, legen dort alles lahm, machen Etiennes Schiff kaputt und suchen dann das Weite, weil ganz Starfleet hinter uns her ist - einschließlich der Vulkanier." Er verzog etwas das Gesicht und wirkte ratlos. "Ich weiß es auch nicht", gestand er dann endlich.

"Wenn, dann müssen wir alles genau durchdenken, damit nichts passieren kann. Als Erstes müssen wir noch einmal Landurlaub beantragen. Im Zweifelsfall erzählen Sie Captain Lakon von Ihrem Partner. Es wird ihm nicht gefallen, aber er könnte Verständnis haben."

Der Blick, der Shana zuteilwurde, war eindeutig tödlich. "Nein", widersprach dann A´kebur auch noch verbal. "Ich werde ihm nicht mehr erzählen, als ich unbedingt muss. Captain Lakon ist schon in meinem Kopf. Ich muss ihm nicht noch andere Sachen erzählen."

"Gut, aber wenn er nach dem genauen Grund für den Landurlaub fragt?"

"Einen Saufurlaub. Gutes romulanisches Ale. Ihr Vorrat reicht nicht aus.

"Romulanisches Ale ist illegal. Deswegen wird man uns garantiert nicht noch einmal herunterlassen, glauben Sie mir", wand Shana ein.

"Aber es wäre ein guter Grund."

"Nicht in den spitzen Ohren von Vulkaniern." Die Andorianerin schüttelte den Kopf. "Ich kann vielleicht Dr. Alario einreden, ich müsse irgendwelche medizinischen Vorräte dort unten einkaufen. Aber ob er mir glaubt, ist die andere Frage. Warum ich Sie allerdings unbedingt dabei haben muss ... Hm, zum Tragen vielleicht?" Sie kicherte. A´kebur hob eine Augenbraue.

"Sehen Sie es ein", meinte er, "wir haben keinen guten Grund. Der Ort da unten ist Hades. Da will keiner hin - höchstens um etwas Illegales zu machen. Wir werden die Regeln brechen müssen. Das ist nicht nur Beugen."

"Das ist mir schon klar. Nur, ohne offizielle Erlaubnis kommen wir nicht dort herunter. Alles Weitere müssen wir sehen."

A´kebur seufzte und sah sie niedergeschlagen an. "Ich bevorzuge die klingonische Methode. Es ist in mancher Hinsicht einfacher. Alle anderen Völker neigen zu komplizierten Regeln. Bei den Menschen nennte man es Den gordischen Knoten zu zerschlagen. Ich hätte jetzt gern mein Bat’leth dafür."

"Ich kann es verstehen. Aber das ist einfach nicht der rechte Moment, wenn wir wirklich etwas erreichen wollen." Ungewohnt sanft legte Shana eine Hand auf A´keburs Arm. "Ich werde Dr. Alario fragen gehen und Sie überlegen derweil, wie wir die Stromversorgung im Hangar lahmlegen und das Schiff flugunfähig machen können, ja?" Shana zögerte, als sie in A´keburs Augen schaute. Er schien etwas sagen zu wollen. Sie ermunterte ihn mit einem Nicken.

"Was ist, wenn es noch einen anderen Weg gibt?", stellte der Fähnrich eine nicht uninteressante Frage.

"Wenn er durchführbar ist und nicht in unserem Rausschmiss aus Starfleet endet, bin ich dafür", gab sie zurück.

"Ich werde mir etwas überlegen." A´kebur atmete tief durch. Er überlegte, wie er Shana da raushalten konnte. Er musste Etienne finden. Aber er wollte ihn auch nicht den Behörden ausliefern. Er musste einen Weg finden...

"Gut, kommen Sie einfach in der Krankenstation vorbei, wenn Sie etwas wissen." Shana lächelte ihn aufmunternd an und machte sich dann auf den Weg in ihr Quartier.

A´kebur nickte nicht einmal. In ihm formte sich ein Plan. Er hatte eine weitere Verabredung mit dem Captain. Dieser erwartete ihn in einer Stunde. Bis dahin konnte er noch etwas essen und meditieren. Dann würde er auch alle Einzelheiten überdacht haben, wie er an Shana vorbei Etienne aufhalten konnte. Besser war, er machte auf sich aufmerksam. Nur fraglich war, ob der Captain der Drake überhaupt noch etwas mit ihm zu tun haben wollte.

Aber das konnte er nicht sagen, solange er sich nicht vergewissert hatte. Auch wenn Etienne in ihrem kurzen Kontakt alles andere als abgeneigt gewirkt hatte. Langsam machte sich A´kebur ebenfalls auf den Rückweg zu seinem Zimmer. Die andere Frage war, wie er all das vor Captain Lakon geheim halten sollte.

Er musste sich konzentrieren. Disziplin war der Schlüssel. Lakon war ein Vulkanier. Wenn er etwas von Gedanken verstand, dann war er darin im Gegensatz zu A´kebur ein Meister. Von Gefühlen hingegen verstand er nichts.

A´kebur meditierte, bis er sicher war, dass er sich beherrschen konnte. Dann ging er zum Captain.

 

Lakon saß wie üblich in einer langen zeremoniellen Robe meditierend vor einer Kerze, als A´kebur nach kurzer Aufforderung eintrat. "War Ihr Besuch auf dem Planeten von neuen Erkenntnissen gekrönt?", fragte er.

"Was für Erkenntnisse?", fragte A´kebur erstaunt.

"Nun, ich bin davon ausgegangen, dass Sie Informationen über diesen Planeten sammeln wollten, die unserer Mission nützlich sein könnten", erklärte Der Captain. "War dies nicht der Fall?"

"Ich dachte, es wäre Urlaub gewesen!" A´kebur fragte sich, was Lakon von ihm wollte.

"Ich halte es für unlogisch, auf einem Planeten voller krimineller Elemente Urlaub machen zu wollen. Aber das ist Ihre Entscheidung, Fähnrich. Wollen wir nun beginnen?"

A´kebur war ein wenig überrascht. "Warum haben Sie dann die Urlaube genehmigt? Ich war nicht der einzige." Er setzte sich zu ihm und faltete seine Hände. "Wenn der Urlaub unlogisch war, ist Ihre Entscheidung unlogisch gewesen."

"Es gibt keinen logischen Grund, den Gesuchen nicht stattzugeben", gab Lakon ungerührt zurück. "Ich sagte lediglich, dass ich Ihre Entscheidungen, dort Landurlaub haben zu wollen, nicht nachvollziehen kann."

A´kebur grinste. "Ich kenne einen!"

Lakon hob eine Augenbraue. "Und der wäre?"

"Romulanisches Ale!"

"Fähnrich, ich muss Sie sicher nicht daran erinnern, dass der Konsum, Besitz und Kauf dieses Getränkes in der Föderation illegal ist. Was Sie auf dem Planeten tun, kann ich nicht kontrollieren, aber sollte man Sie an Bord damit erwischen, drohen schwerwiegende Konsequenzen. Ich werde mich nicht wiederholen."

A´kebur wurde wieder ernst. "Ich habe kein Ale an Bord gebracht", erklärte er. "Und soweit ich weiß, ist der Planet kein Föderationsgebiet."

"Aber dies ist ein Föderationsschiff und Sie sind Föderationsbürger", erinnerte Lakon. "Nun konzentrieren Sie sich bitte, damit wir beginnen können." Seine Stimme, unverändert kühl, duldete keinen Protest.

A´kebur fragte sich, wie er die Zeit auf dem Schiff überleben sollte, ohne den Verstand zu verlieren. Aber er fügte sich. Er faltete seine Hände und konzentrierte sich. Lakon würde hier nicht reinkommen, versprach er sich selbst. Und schon musste er seine ganze geistige Kraft gegen den Ansturm stemmen, der ihn von außen zu überrollen drohte. Lakon schien heute stärker als sonst, auch wenn A´kebur wusste, dass dem eigentlich nicht sein sollte. Oder war er selbst wieder zu unkonzentriert? Nicht denken, befahl er sich. Er wiederholte die Mantras, die ihm Lakon als Hilfe beigebracht hatte. Er würde nicht nachgeben. Davon hing alles ab!

Stundenlang, so schien es, maßen die beiden Männer ihre Kraft. Fast war A´kebur schon am Rande seiner Kraft, als der Druck endlich nachließ. Lakon öffnete die Augen und sah seinen Schüler an. "Sie haben Fortschritte gemacht."

"Wenn Sie meinen", keuchte A´kebur. Er fühlte sich, als hätte er einen Berg von der Stelle bewegen wollen. Ob es ihm gelungen war, wusste er dabei noch nicht einmal. Im Moment interessierte ihn nur, ob Lakon ihn noch einmal traktieren wollte.

"Ich denke, es reicht für heute", entschied dieser jedoch. "Vergessen Sie nicht, bis zu unserer nächsten Sitzung weiter zu üben. Und halten Sie Ihre Emotionen unter Kontrolle."

A´kebur sagte dazu nichts. Aber er musste noch etwas fragen. "Bestünde die Möglichkeit, dass ich noch einmal einen Ausflug zum Planeten machen kann?"

"Sofern Commander T´Kash nicht auf Ihrer Anwesenheit besteht, stünde dem nichts im Wege." Der Captain zog erneut eine Augenbraue hoch. "Angesichts Ihrer Erwähnung illegaler Getränke und der Warnung, die ich von den Archäologen erhalten habe, muss ich Ihr Anliegen jedoch noch einmal überdenken."

"Weil es logisch ist, jetzt doch den Urlaub zu verbieten? Nun, ich werde Zurückhaltung üben." A´kebur konnte nicht anders, als die Spitze zurückzugeben.

"Das will ich Ihnen auch raten. Sie hören morgen früh von meiner Entscheidung. Gute Nacht, Fähnrich." Damit war das Thema erledigt.

A´kebur erhob sich und verließ das Quartier. Er war erleichtert. In geistiger Hinsicht kam Lakon nicht nur an seine Lehrer in seiner Kindheit heran, er überflügelte sie. A´kebur schob das jedoch schnell beiseite.

Es gab keinen Grund in die Vergangenheit zu schauen.

Viel wichtiger war jetzt die Zukunft, genauer gesagt, die nächsten Tage. Es blieb zu hoffen, dass der Captain den erneuten Landurlaub doch noch genehmigen würde - und vor allem, dass Shana nichts davon mitbekam.

A´kebur verhielt sich vorbildlich. Er ging sogar zur außerplanmäßigen Pokerrunde und spielte sein bestes Pokerface aus. Shana sollte in mehrfacher Hinsicht keinen Verdacht bekommen. Aber was die junge Frau dachte, war wieder einmal schwer zu erraten. Sie wirkte zufrieden damit, dass A´kebur sich wieder zu ihnen gesellt hatte. Maggie Donovan hielt sich diesmal merklich zurück, warf nur noch ab und an einen Blick hinüber zu dem Klingonen. Nagano und Michaels hingegen hatten sich offensichtlich verschworen, A´kebur bis auf seinen letzten Chip auszunehmen, was ihnen jedoch ziemliche Mühe bereitete. A´kebur zeigte sich als würdiger Schüler. Er spielte, als hätte er nie etwas anderes getan.

"Ein Flush", offenbarte er sein nächstes Blatt und hoffte, dass er den üppigen Haufen Chips einheimsen konnte.

Die beiden anderen Männer am Tisch sahen sich an und legten dann sichtlich missmutig ihre Karten auf den Tisch, die deutlich schlechter waren. Nur Shana offenbarte mit einem fast hinterhältig zu nennenden Grinsen ihre Karten und stach den Klingonen mit vier Assen aus. Der zerbiss einen Fluch, der allen am Tisch die Schamesröte ins Gesicht trieb. Abgesehen von Shana, die nur kicherte. A´kebur lehnte sich zurück. "Dann bin ich fast pleite", brummte er ruhiger.

"Es ist ja nur ein Spiel, und wenn wir keine begrenzte Anzahl an Chips hätten, säßen wir morgen früh noch hier", gab Shana seelenruhig zurück und kassierte den Stapel Spielmarken ein - begleitet von finsteren Blicken ringsum. "Was ist, machen wir für heute Schluss? Es ist schon spät", wollte Maggie wissen.

"Bist du müde?", fragte Michaels. Maggie hob nur die Schulter. "Dann sollten wir aufhören", meinte Nagano. A´kebur hatte nichts dagegen. Sie sahen Shana an. Diese nickte. "Man soll schließlich aufhören, wenn es am schönsten ist", stimmte sie mit einem breiten Grinsen zu. Die fünf räumten den Tisch auf und machten sich dann auf den Weg zu ihren Quartieren. "Haben Sie sich inzwischen etwas überlegt?", wollte Shana von A´kebur wissen, als die beiden durch die Gänge wanderten.

A´kebur löste seinen Zopf und schüttelte den Kopf. "Nein, noch nicht. Captain Lakon war heute wieder anstrengend. Er hat wohl eine Vorliebe für Vorschlaghämmer und Granit. Mein Geist ist übrigens der Granit, worauf er einschlägt."

Shana zuckte mitfühlend mit den Fühlern. "Autsch, das klingt nicht gut. Aber ich bin mir sicher, er will Ihnen nur helfen. Haben Sie ihn wegen des Urlaubs gefragt? Dr. Alario hat eingewilligt. Er ist wieder mal froh, wenn er mich einen weiteren Tag nicht sehen muss." Sie kicherte. "Allerdings erst in drei Tagen."

"Ich werde es morgen probieren. Heute war mir nicht danach", log A´kebur. "Gute Nacht. Wir sehen uns dann."

"Ja, gute Nacht. Und schön, dass Sie wieder dabei waren. Süße Träume!" Die Andorianerin zwinkerte anzüglich und verschwand dann in ihrem Quartier.

A´kebur ballte kurz die Hand zur Faust. Dann seufzte er einmal mehr. Shana war einfach nur anstrengend und absolut indiskret. Eine seltsame Gefährtin in seiner Situation.

Aber er konnte nicht verhehlen, ihren Mut zu bewundern. Sie schien absolut keine Angst vor ihm zu haben - und ihn so hinzunehmen, wie er war. Und das war etwas, das er nur allzu selten erlebt hatte.

 

Den nächsten Tag verbrachte A´kebur mit diesen und anderen Gedanken wie auf glühenden Kohlen.

Er war erleichtert, als seine Schicht zu Ende war und er die Erlaubnis von Captain Lakon in seinem Nachrichtenfach hatte. Soweit er es feststellte, hatte Shana nichts davon mitbekommen. Zu seinem Bedauern hatte jedoch Shana ebenfalls frei bekommen - und nicht erst in drei Tagen, wie sie es ihm gestern gesagt hatte. Er konnte sie nur abhängen, in dem er schneller als sie war und sie nichts davon erfuhr.

Das würde sicher nicht leicht werden, aber es war die einzige Chance, die er hatte. Wenn er sich jedoch vor Shana auf den Planeten beamte und auch seinen Kommunikator nicht mitnahm, müsste es machbar sein.

Zuerst ging A´kebur zurück in sein Quartier, um die auffällige Starfleet-Uniform gegen zivile Kleidung zu tauschen; seinen Phaser steckte er aber trotzdem ein. Dann machte er sich auf den Weg in den Transporterraum. Glücklicherweise hatte Shana noch eine halbe Stunde länger Dienst als er.

Der Fähnrich an der Transporterkonsole sah nur kurz auf und ließ ihn dann kommentarlos runter. An eine solch schweigsame Arbeitsweise würde sich A´kebur wohl erst nach einiger Zeit gewöhnen. Menschen sagten immer etwas. Nicht immer etwas Sinnvolles, aber sie ließen sich davon nicht abhalten.

Es war, als würden sie sich gern reden hören oder sie ertrugen die Stille nicht. Was es auch war, Vulkanier sagten nicht mehr als unbedingt notwendig.

A´kebur sah sich um, als er materialisiert war. Der Fähnrich hatte ihn nicht weit von seinem ersten Platz abgesetzt. Wahrscheinlich war es sogar exakt derselbe. Gewundert hätte es ihn nicht.

Allerdings war der Eindruck diesmal ein anderer: Es war bereits Abend und die Straßen von Hades City wirkten noch weniger einladend und weitaus gefährlicher. Einige Leute waren noch unterwegs. Aber sie hatten es alle eilig und wichen einander aus. Hier und da blitzten Waffen im trüben Licht der Straßenbeleuchtung unter ihren Umhängen auf. Musik erscholl aus den Kneipen, vor denen jetzt ausnahmslos grimmig wirkende Türsteher standen.

A´kebur vertrödelte keine Zeit. Er wandte sich sofort dem Hangarbereich zu. Dennoch war er nicht sehr viel schneller als die anderen. Somit fiel er nicht auf. Trotzdem musste er aufpassen, nicht von der Hangaraufsicht erwischt zu werden. Er machte sich so unsichtbar, wie es ging. Dessen ungeachtet musste er sich auf ein Stück Glück verlassen und dieses ließ ihn nicht im Stich. Der riesige Orioner, der die Raumhafenaufsicht innehatte, wandte sich gerade gähnend an seine Ablösung für die Nacht. Während die beiden noch diskutierten, konnte A´kebur unbemerkt an ihnen vorbei in den Haupthangar kommen.

Die Drake stand noch immer dort, wo er sie zuletzt gesehen hatte, aber von Etienne war weit und breit keine Spur.

Der Tricorder bestätigte A´keburs Annahme, dass Etienne sich auch nicht auf dem Schiff befand. A´kebur atmete tief durch, dann begann er mit ein paar Manipulationen, die das Schiff auf den Boden hielt. Er hoffte, dass Etienne sie nicht so schnell fand. Es waren nur Kleinigkeiten, die man beseitigen konnte, wenn man wusste, wo man suchen musste oder sein Schiff in- und auswendig kannte. Als A´kebur fertig war, verschwand er wieder ungesehen. Er überlegte, ob er noch einmal die Kneipen abklappern sollte. Nach kurzem Zögern machte er sich auf den Weg. Etienne musste hier sein und er würde ganz sicher dort sein, wo es reichlich romulanisches Ale gab.

Einer Eingebung folgend ging der Klingone die Hauptstraße noch weiter hinunter. In diesen Teil der Stadt war er bei seinem letzten Ausflug mit Shana nicht gekommen. Hier gab es nur noch eine Bar, die sich jedoch auf besser betuchtes Klientel spezialisiert hatte und mit noch größeren Rausschmeißern bestückt zu sein schien.

Auch zeigten die entweder hochzufriedenen oder völlig niedergedrückten Gesichter der Gäste, die wieder auf die Straße traten, dass hier Glücksspiel betrieben wurde.

Galaxy's End stand in Leuchtschrift über der Tür. Einen passenderen Namen hätte es auch kaum geben können. Denn hier war wirklich Schluss. Danach kam nur der Hades und in dem Teil war dieser Ort finster wie die Nacht, die jetzt vollends hereingebrochen war. A´kebur schob seine Kapuze etwas zurück, damit er als Klingone erkannt wurde. Der Türsteher ließ ihn ohne Probleme durch.

Das Entree dieser Bar war wirklich nobler als die Schuppen, die er bisher betreten hatte. A´kebur fragte sich, ob das auch der Stil war, den Etienne bevorzugte. Er ging zur Bar, wo er den besten Ausblick auf den größten Teil des Raumes hatte. Es wurde illegaler Tabak geraucht. Die Luft war zum Schneiden dick, obwohl sie gefiltert wurde und die Sicht nicht im Geringsten getrübt war.

"Na, was darf’s sein?" Eine vollbusige Frau in recht spärlicher, glitzernder Kleidung kam hinter der Theke hervor und lächelte mit geübtem Charme.

A´kebur nahm Pheromone wahr. Wenig, aber doch bemerkbar. Er spürte, wie sein Körper darauf reagierte. "Romulanisches Ale", bestellte er knapp und kurz angebunden. Die Frau lächelte wieder und zapfte ein Glas des Gebräus. "Kann ich sonst noch was für Sie tun, Honey?", fragte sie, "Sie sind das erste Mal hier, nicht wahr? Hier im Galaxy's End finden Sie alles, was Sie suchen."

"Ich denke nicht, dass Sie führen, was ich suche. Aber danke."

Ein perlendes Lachen war zu hören, das weitaus echter klang als das geübte, verführerische Lächeln aussah. "Versuchen wir es doch einfach, Honey. Also, was suchen Sie?"

A´kebur mochte die intime Anrede nicht sonderlich. Aber damit musste er wohl rechnen. "Ein zweites Ale", meinte er.

"Kommt sofort." Die Bardame stellte gleich darauf ein zweites Glas vor A´kebur hin. "Und sonst sind Sie wirklich sicher, dass Sie nichts weitersuchen? Hier wird heute im Salon Poker und Shrra'nug-Skat gespielt. Und seit neuestem haben wir auch eine Klingonin als Abendbegleitung hier", lockte sie.

"Eine Klingonin?" A´kebur musste zugeben, dass er hellhörig wurde. Suchend schaute er sich sogleich um.

"Morr'all ist, glaube ich, momentan oben im zweiten Spielsalon", schmunzelte die Frau. "Aber dort kommen Sie nur mit spezieller Einladung hinein. Soll ich für Sie nachfragen - allerdings könnte es nicht ganz billig werden."

"Das ist kein Problem. Sagen Sie mir, was es kostet."

"Wie gesagt, ich muss erst nachfragen. Ansonsten liegt der Eintritt für den Salon oben bei 40 Credits."

A´kebur nickte nur. Das war kein Betrag, der ihn arm machte. Er gab kaum Geld aus, so dass er genug hatte.

Die Bardame trat zur Seite und bediente ein Com-Gerät. Ein paar Worte wurden ausgetauscht, die A´kebur mit Hilfe des Universalübersetzers als eine der vielen Sprachvarianten der Erden identifizieren konnte. Die Frau zog eine Augenbraue hoch und kam dann wieder zu A´kebur. "Sie dürfen nach oben. Die Treppe dort links. Allerdings müssen Sie alle Waffen bei Gror dort abgeben." Sie deutete auf den stämmigen Nausicaaner, der am Treppenabsatz stand. A´kebur nickte einmal mehr und gab dem Nausicaaner seinen Phaser, dann ging er nach oben. Die luxuriöse Ausstattung setzte sich fort.

Wem auch immer dieses Etablissement gehörte, es schien von jemandem geführt zu werden, der äußerst reich war. A´kebur kam an eine Tür, die sich prompt vor ihm öffnete. Die Luft war hier klar. Niemand schien zu rauchen.

Das Licht war sanft und rötlich, und nur zwei Stimmen waren aus dem bequemen Sitzbereich im hinteren Teil des Raumes zu hören. Kaum, dass A´kebur um die Ecke getreten war, wurde er auch schon von zwei dunkelglühenden Augen fixiert.

Morr'all, denn nur um die konnte es sich handeln, war aufgestanden und präsentierte sich als fast zwei Meter große klingonische Vollblutschönheit. Lange, braune Haare fielen ihr bis zur Hüfte und das knappe Lederkleid ließ kaum noch Platz für Spekulationen.

Sie musterte A´kebur von oben bis unten und grinste dann etwas abfällig. "Er ist es", gab sie ihrem Begleiter Bescheid, der im Schatten des Sofas saß. "Ich gehe dann mal besser."

A´kebur schoss das Blut ins Gesicht. Es war nicht das erste Mal, dass eine klingonische Frau ihn wegen seines Mischlingsblut abwies. Aber so offen nicht. Er knurrte, riss sie zurück und schlug sie. Prompt fauchte Morr'all und drückte A´kebur mit erstaunlicher Kraft gegen die nächste Wand.

Vom Sofa her ertönte ein Lachen und eine vertraute Stimme fragte: "Musst du dich eigentlich grundsätzlich in Bars prügeln, A´kebur? Morr'all, lass bitte noch was von ihm übrig." Die Gestalt stand vom Sofa auf und A´kebur erkannte Etienne. Er wirkte nicht sehr verändert; die Haare waren etwas blonder und länger und er trug anstatt der lässigen schwarzen Kleidung einen hellen Anzug, aber sein Blick war wachsamer, fast etwas gehetzt.

A´kebur trat Morr´all kurzerhand in den Bauch und schlug sie bewusstlos. "Schlampe", knurrte er. Erst dann gönnte er sich einen weiteren Blick auf Etienne. Mit einem Knurren stürzte er sich auf ihn.

Doch er musste abrupt innehalten, als Etienne einen Disruptor auf ihn richtete. "Nicht so schnell. Warum bist du hier? Und wie hast du mich überhaupt gefunden?", wollte er wissen.

"Um dich in der Luft zu zerreißen", antwortete A´kebur.

"Wenn du mich der Föderation ausliefern willst, hast du, fürchte ich, ganz schlechte Karten", knurrte Etienne zurück.

Morr´all bewegte sich wieder, als sie das Bewusstsein wiedererlangte. Sie sprang vom Boden auf. Mit einer katzenartigen Bewegung stürzte sie sich auf A´kebur. Haltlos fielen sie zu Boden und rauften wie die Raubtiere. Sie gaben sogar ähnliche Geräusche von sich. A´kebur teilte ohne Hemmung aus. Diese Frau hasste ihn und er hasste sie. Sie war reinblütig und hatte ihn abgewiesen.

Etienne sah sich das Spektakel ein paar Augenblicke lang an, dann erklärte er mit schneidender Stimme: "Ich habe kein Problem damit, euch beide für die nächsten paar Stunden zu betäuben, wenn ihr den Unsinn nicht auf der Stelle sein lasst! Man kann euch bis nach unten hören!"

Jedoch, so wie es Etienne schien, hörten die beiden nicht auf ihn. Es schien ihnen vollkommen egal zu sein, wo sie sich befanden. Klingonen unter sich hatten eindeutig andere Prioritäten.

Aber Etienne hatte eine ganz persönliche Priorität, und die hieß: Seine eigene Sicherheit. Wenn die beiden noch lauter wurden, würde man unten in der Bar neugierig werden. Und zuviel Aufmerksamkeit war etwas, dass Etienne absolut nicht gebrauchen konnte. Also stellte er seinen Disruptor auf Betäubung und schoss zweimal.

Sofort wurde es still.

Etienne erlaubte sich einen Seufzer und griff nach seinem Brandyglas auf dem Tisch.

Nach etwas weniger als einer Stunde erwachte A´kebur und hatte einen dicken Kopf. Er fuhr sich über die Stirn. Das, was er jedoch beim Aufwachen erwartet hatte, sah er nicht. Es war ein Seidenhimmel über ihn und es roch nach Rosen und Kliu-Blüten. Dann rückte Etiennes Gesicht in sein Blickfeld. Er sah immer noch misstrauisch aus. "Entschuldige meine rüde Maßnahme, aber ich habe im Augenblick keine Geduld für sowas. Geht’s wieder?"

"Ist sie weg?"

"Morr'all? Ja. Besser, ihr kommt euch nicht mehr in die Quere." Etienne setzte sich neben A´kebur aufs Bett. "Also, noch mal: Warum bist du hier?"

A´kebur sah ihn an. Musterte ihn. Etienne hatte sich ein wenig verändert. Er konnte Veränderungen sehen, die eher chirurgischer Natur sein mussten. Sie veränderten ganz sicher sein Bioprofil. Aber es war nicht so viel, dass er ihn nicht erkannt hätte, sobald er ihn sah - so wie jetzt. "Ich bin wegen dir hier", antwortete er.

"Ach, tatsächlich. Und warum? Um das Kopfgeld bei Toran für mich zu kassieren oder deiner Föderation einen Gefallen zu tun? Oder um mich doch in der Luft zu zerreißen, wie du vorhin meintest?" Etienne zog eine Augenbraue hoch. Er wollte noch mehr sagen, doch im nächsten Moment hatte er A´keburs Zunge in seinem Mund und den atemberaubendesten Kuss, den er in den letzten zwölf Monaten geschmeckt hatte.

Es dauerte eine ganze Weile, bis die beiden wieder zu Luft kamen. "Wow", war alles, was Etienne noch dazu einfiel. Er hätte es zwar nie laut zugegeben, aber er hatte den Klingonen mehr vermisst, als er es sich jemals hatte träumen lassen. Und dass dieser dann so unvermittelt hier aufgetaucht war ... "Na gut, die Antwort lasse ich vorerst gelten." Etienne lächelte. "Aber ich will trotzdem wissen, wie du mich hier gefunden hast. Ich meine, ich stehe nicht gerade im interstellaren Adressbuch."

"Es war Zufall. Das Sonnensystem in seiner Zusammenstellung ist selten und deine Gedanken waren ziemlich eindeutig", antwortete A´kebur wahrheitsgemäß.

Etienne starrte ihn an. "Du willst mir doch nicht weismachen, du warst das wirklich neulich Nacht? Ich habe gedacht, ich träume bloß." Er strich sich durch die Haare. "Nun, du hast mich gefunden. Bist du mit einem Starfleet-Schiff hier? Weiß noch jemand, dass du mich gesucht hast?"

"Ich bin noch immer Fähnrich, wenn du das damit gefragt hast und ja, ich bin mit einem Starfleet-Schiff hier. Wir sind wegen der Ausgrabungsarbeiten hier. Du bist nicht in Föderationsgebiet, also spielt es keine Rolle, wo das Schiff ist."

"Trotzdem, wenn mich hier jemand anderes von Starfleet findet, ist es aus. Dabei war Charon 7 bisher noch der beste Ort für mich. Glaub mir, ein Jahr auf der Flucht vor der Föderation, den Romulanern und den Ferengi ist kein Zuckerschlecken." Etienne sah A´kebur an. "Und jetzt bin ich auch noch so verrückt, dir zu vertrauen, dass du mich nicht auslieferst." Er beugte sich zu einem erneuten Kuss vor.

A´kebur war es, als würde er endlich auf vertrautem Gebiet stehen. Es fühlte sich richtig an. Er leckte sich über die Lippen und sah in Etiennes Augen. "Ich würde an deiner Stelle mir nicht trauen. Aber ich brauche dich. Ich brauche dich ..."

"Ich brauche dich auch, verdammt soll ich sein. Los, komm her!" Etienne zog A´kebur näher zu sich. "Wann musst du wieder auf dein Schiff?"

"Ich weiß nicht, wie spät ist es?"

"Du warst ungefähr eine Stunde außer Gefecht, ich kenne ja deine Bordzeit nicht."

Mit einem Ruck setzte A´kebur sich auf. "Meine Zeit ist zu Ende - seit einer Viertelstunde. Ich muss zurück zum Schiff", rief er.

"Was, sofort?" Etienne war nun wirklich enttäuscht und gab ein paar der farbenfroheren klingonischen Flüche von sich. "Dann sag mir wenigstens, wie lange dein Schiff noch hier bleibt."

A´kebur zögerte einen Moment: "Drei Monate sind wir mindestens hier. Aber wenn ich jetzt nicht gehe, dann bekomme ich keinen Urlaub mehr."

"Okay, ist wohl nicht zu ändern. Und da ich dich schlecht besuchen kann: Sieh zu, dass du wieder vorbeikommst. Und ich bekomme ja wohl noch einen Abschiedskuss." Etienne grinste, wieder etwas versöhnt.

A´kebur küsste ihn, dann rannte er hinaus. Er zog einige Blicke nach sich und ein höhnisches Lächeln von Morr'all. Doch das interessierte ihn weniger. Er berühte seinen Kommunikator und bat darum, eine Person hochzubeamen.

Im Transporterraum angekommen, wartete Shana auf ihn. "Na endlich! Ist es wirklich so schwer, talosianischen Silberblütentee zu bekommen, dass Sie dafür so lange brauchen? Das nächste Mal komme ich wieder mit. Ihr Männer könnt einfach nicht einkaufen gehen!"

A´kebur sah sie groß an und räusperte sich. "Ich habe keinen bekommen", erwiderte er und wirkte dabei sogar angemessen zerknirscht. Der Captain, der neben Shana stand, hatte die Arme hinter dem Rücken verschränkt. "Ich bin zu spät, Sir", erklärte A´kebur und wusste, dass die Bemerkung überflüssig war.

"Fünf Stunden Zusatzdienst, Fähnrich", verkündete Captain Lakon ungerührt. "Ich toleriere keine Unpünktlichkeiten. Wegtreten!"

A´kebur entspannte sich, als Lakon gegangen war. Er sah Shana etwas schräg an.

"Ich haben was gut bei Ihnen!", zischte sie. "Sie hätten mir doch sagen können, dass Sie auch frei hatten! Und? Erfolg gehabt?"

A´kebur sah zum Fähnrich, dann deutete er mit dem Kopf, dass er woanders lieber reden würde. Shana nickte, und die beiden verließen den Transporterraum in Richtung zu den Quartieren. "Also?", fragte sie, als sie dort ankamen und außer Hörweite Dritter waren.

"Ich habe ihn gefunden. Es war Zufall. Sein Schiff ist außer Gefecht gesetzt und ich habe vergessen, es ihm zu sagen", fasste A´kebur sich knapp. Er schob Shana in ihr Quartier. "Ich habe ihn geküsst und ich konnte nicht aufhören."

Die Andorianerin machte erst große Augen und kicherte dann beigeistert. "Wirklich? Dann haben Sie großes Glück gehabt. Und, war er auch froh, Sie wiederzusehen?"

"Er hat Verfolgungswahn. Er war erfreut. Aber er überlegt noch, ob er mich erschießt. Und was soll ich jetzt machen? Jetzt habe ich ihn gefunden und nun weiß nicht weiter. Ich möchte die Verbindung trennen. Sie bringt alles nur mehr durcheinander. Zudem ist er ein Mensch. Er hat keine Ahnung, was zwischen uns ist. Aber ohne Hilfe werde ich die Verbindung wohl kaum in der nächsten Zeit trennen können und wenn ich es richtig verstanden habe, ist es auch unter normalen Umständen nur schwer möglich. Zumindest wird davor gewarnt."

Shana zuckte mit den Schultern. "Da fragen Sie die Falsche; ich verstehe von diesem ganzen Vulkanier-Zeugs nichts. Aber wenn sich die Verbindung nicht trennen lässt, müssen Sie sich eben was einfallen lassen, damit klarzukommen. Vorerst sind wir ja noch hier, also eilt es nicht so sehr. Sehen Sie also zu, dass Sie wieder Landurlaub bekommen und mehr Zeit mit ihrem Geliebten verbringen können." Sie grinste.

A´kebur schüttelte den Kopf. "Kann es sein, dass Sie nicht ausgelastet sind? Suchen Sie sich jemanden!" Er erhob sich. "Ich möchte nicht, dass Sie da noch weiter reingezogen werden. Begleiten Sie mich bitte nicht mehr."

Shana verschränkte die Arme. "Erstens sind Sie mir ja heute schon erfolgreich entkommen und ein zweites Mal werde ich Sie nicht decken. Also müssen Sie mich das nächste Mal mitnehmen. Und zweitens sind zwei Köpfe schlauer als einer. Oder wollen Sie doch zu Captain Lakon gehen und ihm alles beichten? Ich bin sicher, er wird äußerst verständnisvoll sein", fauchte sie.

"Und warum bestehen Sie darauf, ihn kennenzulernen? Warum tun Sie das? Niemand übertritt einfach so Gesetze, wenn nicht etwas dafür rausspringt", knurrte A´kebur zurück. "Mit Ihnen war ich erfolgreich, richtig. Aber niemand macht etwas umsonst."

"Aha, also reicht es Ihnen als Grund nicht, dass ich Sie nett finde und Ihnen einfach helfen will, weil ich nicht mit ansehen kann, wie es einem Freund schlecht geht? Entschuldigen Sie also vielmals, Fähnrich. Wird nicht wieder vorkommen." Die zierliche Andorianerin legte die Fühler an und drehte sich demonstrativ weg.

A´kebur sah sie schweigend an. Dann wandte er sich ebenso ab und verließ Shanas Quartier.

Es war besser so, redete er sich ein. Zudem war Shana unter Umständen wirklich für sie beide gefährlich. Er ging in sein Quartier und warf sich aufs Bett. Sein Leben hätte sehr viel einfacher sein können, wenn er als reiner Klingone geboren worden wäre. So musste er sich mit Dingen rumplagen, die er nicht kannte und die nicht zu ihm gehörten.

Aber diese Gedankengänge hatte er in seinem Leben schon unzählige Male gewälzt. Und sie würden nichts daran ändern, was er war - für immer gefangen zwischen den Welten. Starfleet war zwar für ihn ein Zuhause geworden, aber fremd war er trotzdem geblieben. Und nun kam Shana daher und redete von "Freundschaft".

A´kebur hätte fast gelacht - er hätte Freundschaft nicht als solche erkannt, selbst wenn sie ihn in die Nase gebissen hätte, und davon abgesehen glaubte er immer noch nicht, dass die Andorianerin aus völlig selbstlosen Motiven handelte. Schließlich, wer tat das schon?

Selbst sogenannte Freunde hintergingen einen, wenn es darauf ankam. Und er war keinen Tag an Bord dieses Schiffes gewesen und sie wollte seine Freundin sein. A´kebur schnaubte abfällig. Besser, er blieb allein. Dann würde ihm auch niemand ein Messer in den Rücken stoßen. Und er fühlte sich nicht genötigt, zu zeigen, was er von allem hielt. Die Grenzen waren festgelegt.

A´kebur setzte sich wieder auf. Er überlegte kurz, dann ging er zum Quartier des Captains und bat um Einlass. Wie immer gab Lakon kühl und völlig unüberrascht die Erlaubnis. A´kebur fand ihn über seinen Com-Terminal gebeugt.

"Was kann ich für Sie tun?", fragte der Captain.

"Ich würde Sie gern um einen Gefallen bitten", fing A´kebur an.

"Worum geht es?" Lakon schaltete den Bildschirm aus und wandte seine volle Aufmerksamkeit A´kebur zu.

"Ich möchte Sie darum bitten, diese Verbindung zu löschen oder mir zu sagen, wie das geht. Ich will sie nicht." A´kebur atmete leise aus, als er bemerkte, dass er die Luft angehalten hatte. "Es war ein Zufall gewesen."

Lakon hob eine Augenbraue. "Zuerst einmal, Fähnrich, kann ich dieser Bitte nicht nachkommen. Nur einige ausgebildete Priesterinnen auf Vulkan sind dazu in der Lage. Ansonsten gibt es nur die Möglichkeit, diese Verbindung zu trennen, wenn beide damit einverstanden sind und das Band noch nicht sehr fest ist. In Ihrem Fall ist die Wahrscheinlichkeit dafür aber nur noch 2,5 Prozent."

A´kebur sah ihn wie vom Donner gerührt an. Er schüttelte den Kopf. "Ich will das nicht. Ich werde noch verrückt. Ich will ihn nicht mehr spüren und ich will mir keine Gedanken mehr um ihn machen. Es muss einen Weg geben!"

"Wie ich bereits sagte, Sie müssten beide nach Vulkan, um dort die Verbindung trennen zu lassen. Aber auch dort wird solch eine Zeremonie nur im Notfall vorgenommen. Gedankenverschmelzungen solcher Art sind ohne eine gewisse Kompatibilität von vornherein nicht möglich", erklärte Lakon ungerührt.

"Aber er ist ein Mensch ..."

"Weswegen ein Zufall noch weniger möglich ist, da Menschen im Allgemeinen die Sensibilität fehlt, eine solche Verbindung einzugehen." Captain Lakon stand auf und musterte A´kebur beinahe streng. "Es ist unlogisch, über momentan unabänderliche Tatsachen zu brüten. Sie waren bereits auf dem besten Wege, Ihr Gleichgewicht zu finden, also lassen Sie sich jetzt nicht beeinflussen."

A´kebur wich einen Schritt zurück.

Er hatte geglaubt, dass sich alles einfach auflösten. Er damit aller Probleme ledig war. Jetzt jedoch war alles vorbei. Er hatte einen Bindungspartner, den er nicht gesucht hatte und von dem er sich nicht trennen konnte. Gleichzeitig war er ihm so fern, dass er gleichzeitig am anderen Ende der Galaxie hätte sein können. "Entschuldigen Sie, dass ich Sie gestört habe", erklärte er tonlos. "Ich werde wieder gehen."

"Einen Augenblick, Fähnrich", hielt Lakon ihn zurück. "Ihr Bindungspartner ist hier auf Charon 7." Es war eine Feststellung, keine Frage. "Es erscheint mir logisch, dass seine unmittelbare Nähe Ihre emotionale Verwirrung abklingen lässt. Sie sollten ihn an Bord holen, falls sich dadurch kein Sicherheitsrisiko ergibt."

Für einen Moment glaubte Lakon bittere Verzweiflung in den blauen Augen zu sehen, die seinen so ähnlich waren – die aber im Gegensatz zu seinen Gefühle zum Ausdruck brachten. Es war ein merkwürdiger Anblick. "Ich kann ihn nicht hierherholen, Captain. Er wird nie wieder Föderationsgebiet betreten."

Lakon schwieg einen Moment, während er diese Information verarbeitete - und nicht weiter hinterfragte.

"Dann ist der nächste logische Schritt, dass Sie vorerst auf dem Planeten bleiben. Ich denke, eine Woche sollte reichen. Ich werde Commander T´Kash informieren; Sie können die versäumte Arbeitszeit nachholen. In Ihrem jetzigen Zustand halte ich Sie allerdings für kaum fähig, Ihren Dienst ordnungsgemäß auszuführen."

Sein Neffe bedachte ihn mit einem schrägen Blick. "Und was ist danach? Warum sollte ich zu ihm gehen, wenn wir uns danach nicht wiedersehen werden? Nun, ich kann auch gleich den Dienst bei Starfleet quittieren. Das ist vielleicht die logische Konsequenz."

"Das können Sie noch immer entscheiden, wenn die Woche vorüber ist", gab Lakon zurück, "aber möglicherweise ist das Band bis dahin soweit gefestigt, dass eine größere Entfernung zwischen Ihnen nicht mehr so problematisch ist."

"Und kollidiert das nicht mit Ihren hohen Ansprüchen?", wagte es A´kebur zu fragen. "Es ist schließlich noch illegaler als Ale."

"Solange Sie dort unten nichts tun, was der Ehre von Starfleet abträglich ist, sehe ich kein Problem", erklärte Lakon ohne seine Stimme zu erheben. "Ich erwarte nur, dass Sie einen Kommunikator mitnehmen, mir Bericht erstatten und nach einer Woche unversehrt wieder Ihren Dienst antreten."

A´kebur nahm Haltung an. "Aye, Sir. Kann ich jetzt schon gehen?"

"Ja, das wäre alles. Vergessen Sie aber nicht, Ihre Konzentrationsübungen fortzuführen. Ich erwarte Sie in einer Woche zurück."

A´kebur verstand gar nichts mehr. Aber er nahm das Geschenk ohne Bedenken an. Er wollte zu Etienne. Er musste an sich halten, nicht einfach loszurennen - wie ein verliebter Pennäler, der zu seiner ersten Freundin lief.

Aber als er aus dem Quartier war, lief er wirklich. In seinem Quartier packte er ein paar Sachen zusammen, sicherte seinen Kommunikator am Körper und ging dann zum Transporter. Der diensthabende Fähnrich wusste schon Bescheid und ließ ihn kommentarlos hinunter.

Diesmal waren A´keburs Schritte weitaus zielgerichteter, und so dauerte es kaum zehn Minuten, bis er wieder am Galaxy's End ankam.

Er wartete nicht auf eine Erlaubnis. Er ging einfach in den oberen Stock. Selbst der Aufseher hielt ihn nicht auf.

A´kebur fand Etienne wieder in dem rötlich beleuchteten Salon, ein paar Würfel müßig in der Hand drehend. Überrascht stand er auf, als er den Klingonen sah. "Hast du nicht gesagt, du musst sofort zurück zu deinem Schiff?", fragte er.

"Ich habe frei bekommen. Ich soll mich eine Woche lang nicht mehr dort sehen lassen. Frag mich nicht!"

Über Etiennes Gesicht huschte ein Lächeln. "Dann hinterfragen wir das besser nicht. Eine ganze Woche? Hm, das sollten wir nutzen." Er kam auf A´kebur zu. "Wo waren wir vorhin stehen geblieben?"

"Wir lagen", präzisierte A´kebur und zeigte ein zufriedenes Lächeln.

Den Gedanken an die Unannehmlichkeiten, die ihm nach dieser Woche bevorstanden, schob er beiseite. Er brauchte Etiennes Nähe. Zu lange hatte er ihn nur in Gedanken berührt. Jetzt wollte er etwas Handfesteres. Und Etienne schien ähnlicher Meinung zu sein. Kurzerhand schob er den Klingonen hinüber ins Schlafzimmer und zum Bett. "Sieh an, du hast ja richtig mitgedacht", grinste er, als er die wesentlich einfacheren Verschlüsse von A´keburs schlichter schwarzer Zivilkleidung öffnete. A´kebur verschloss ihm seinen Mund und schubste ihn dann aufs Bett. "Also ob das jemals ein Problem gewesen wäre", knurrte er und zog Etienne die Sachen vom Leib. Er zeigte deutlich seine Ungeduld. Etienne ging es kaum anders. Den Klingonen unvermutet wieder in seiner Nähe zu haben, hatte auch seinen verschütteten Frust wieder ans Tageslicht gebracht.

Etienne hätte nie gedacht, dass er sich einmal so auf eine Person fixieren würde. Aber es gab wohl für alles ein erstes Mal. Kleidungsstücke flogen mehr oder minder intakt zu Boden.

Mit animalischem Grunzen wälzten sie sich im Bett. Einer versuchte die Dominanz über den anderen zu bekommen. Aber keiner von beiden wollte auch nur einen Hauch nachgeben. Doch der größte Reiz für sie beide lag darin, sich aneinander zu reiben, den Geruch des anderen in der Nase zu haben, sich seiner Nähe zu vergewissern und den eigenen Herzschlag zu erhöhen, bis das Blut in ihren Adern rauschte und sie sich einander nur noch gierige Blicke zuwerfen konnten.

Alle vernünftigen Gedanken waren längst verdrängt von tiefverwurzelten, lustgetränkten Instinkten und dem immer enger werdenden Band zwischen ihnen beiden. Selbst Etienne, der keinerlei telepathische Kräfte besaß, fühlte A´kebur mit erschreckender Deutlichkeit in seinem Kopf, spürte seine Gefühle, als wären es die eigenen.

Aber es war noch nicht genug. Noch lange nicht.

Unten in der Bar sahen einige Leute zur Decke hinauf. Diskret machte die Bardame die Musik lauter und veränderte die Frequenz so, dass die Geräusche nicht mehr zu hören waren. Als ihr das gelungen war, vergaßen alle Gäste, was eben noch ihre Aufmerksamkeit gefangen genommen hatte. Morr'all schnaubte abfällig. "Männer", knurrte sie.

Die Bardame schmunzelte nur wissend und stellte Morr'all ein Ale hin. Ihrer Meinung nach war der süße Klingone genau das, was Etienne im Augenblick zur Entspannung brauchte. Sie hoffte nur, er würde ihm nicht auch noch mehr Probleme bereiten.

Was Morr'all anging: Wenn sie nur ein klein wenig weniger anspruchsvoll gewesen wäre, würden ihr Männer wie Frauen freiwillig die Füße küssen. Sie sah einfach nur umwerfend aus.

04

 

Zwei Stunden später kamen die zwei Männer eine Etage über der Bar wieder langsam zu Atem. Ihre Kondition hatte in der langen Zeit nicht gelitten, eher im Gegenteil.

A´kebur schien zumindest schon nach wenigen Minuten wieder zu können. Er biss in Etiennes Brust, als wollte er ihn auffordern, jetzt sofort die Augen aufzuschlagen. "Noch einmal?", fragte er. "Oder hast du genug? Ich habe nicht genug. Ich will noch einmal."

Etienne blinzelte und grinste - nur mit einem Hauch von Mattigkeit. "Wie wär's, wenn wir dann mal die Regeln ändern, wenn dich das hier nicht genug erschöpft?"

"Was für Regeln?", fragte A´kebur misstrauisch.

Etienne rollte sich herum, so dass er auf A´kebur lag und ihn in die Kissen drückte. "Man soll ab und an was Neues ausprobieren. Gleiches Recht für alle, ist meine Meinung."

A´kebur zog die Augenbrauen zusammen. "Nichts da! Ich probiere nichts Neues aus."

"Ach, hast du Angst?" Etienne zog eine Augenbraue hoch.

"Ich habe keine Angst", stellte A´kebur klar. Er rollte sich mit Etienne, damit dieser wieder unten lag.

Etienne grinste breiter. "Klingt aber fast so. Oder erzähl mir nicht, dass du noch Jungfrau bist?"

"Jungfrau? Was hat das damit zu tun? Ich liege nicht unten. Ganz einfach! Also lass das!"

"Och, wir haben eine Woche Zeit, ich bekomme dich schon noch dazu", gab Etienne ungerührt zurück, grinste aber immer noch. "Ansonsten entgeht dir wirklich was."

A´kebur verzog das Gesicht und wirkte eindeutig angewidert. Er setzte sich auf und musterte Etienne. "Nein", sagte er dann bestimmt.

Etienne sah ein, dass die Diskussion darüber vorerst beendet war. Aber die Stimmung wollte er sich noch nicht ruinieren lassen. Er rutschte hinter A´kebur, schob die Flut von dunklen Haaren beiseite und knabberte an dessen Nacken. "Dann müssen wir anderweitig sehen, wie wir dich erschöpft bekommen", schnurrte er.

A´kebur hob eine Augenbraue und sah in Etiennes Augen. "Ach und warum das?", fragte er. Er wirkte nicht besonders schmusebedürftig. Vielmehr hatte er noch immer seine imaginären Krallen ausgefahren. Ein gefährlicher Liebhaber, zweifellos.

"Damit du mir nicht heimlich weglaufen kannst, natürlich", gab Etienne zurück und hoffte inständig, nicht noch tiefer in diesen blauen Augen zu versinken. Aber es war wohl schon zu spät.

"Ich hatte das eigentlich nicht vor. Sollte ich? Oder soll ich dir lieber folgen, weil du davonlaufen wirst?"

"Du kommst auf Ideen. Warum soll ich davonlaufen, wo du mich doch gerade erst gefunden hast?" Etienne verlegte sich darauf, ein paar angespannte Muskeln in A´keburs Nacken zu massieren.

"Ich habe ein Jahr lang nach dir gesucht. Du bist nicht leicht zu finden", gestand A´kebur. Er streckte sich leicht. Das tat gut. Und Etienne hatte Kraft in seinen Fingern. Etwas, was er zu schätzen wusste.

"Wäre ich leicht zu finden, säße ich bereits in einem Gefängnis oder schlimmer noch, bei meinen Ahnen", gab Etienne zurück und massierte den Nacken hoch. "Du musst einen verständnisvollen Kommandanten haben, dass du einfach so eine Woche Urlaub bekommst", wechselte er das Thema.

"Ich weiß nicht, warum er es ist. Er sagt, dass es wichtig ist", meinte A´kebur ausweichend.

"Aha. Hast du ihm von mir erzählt?"

A´keburs Gesicht verfinsterte sich.

Etienne beugte sich zu dem spitzen Ohr vor. "Er hat es auch so herausgefunden", schlussfolgerte er leise. Er wusste, dass es jetzt nur noch eines für ihn zu tun gab, und dass er nicht mehr zögern durfte.

Aber es fiel schwer.

Zum Glück war das Band zwischen ihnen wieder dünner geworden, sodass keine Gedanken mehr zum anderen glitten, sonst wäre schon längst alles vorbei gewesen. Etienne setzte mit einer Hand seine Massage fort und griff mit der anderen langsam hinüber zum Nachttisch.

Leider bemerkte A´kebur sein Vorhaben. Mit einem Knurren stieß er Etienne zurück, so dass dieser nicht an den Phaser kam. "Was soll das?", brüllte er.

Alles Spielerische, Verführerische war aus Etiennes Blick gewichen und hatte kalter Berechnung Platz gemacht. "Dasselbe frage ich dich. Wann kommen deine Freunde von der Föderationssicherheit? Worauf warten sie noch? Oder haben sie dir zum Dank, dass du mich für sie gefunden hast, noch ein paar nette Stunden mit mir gegönnt?"

A´keburs Blick verriet, dass dieser wohl entweder nicht daran gedacht hatte oder kein Eingeweihter war. Vielleicht war er auch beides nicht. Doch das spielte keine Rolle.

Etienne hatte kurz nach A´keburs erstem, überraschendem Auftauchen die Drake untersucht und festgestellt, dass sie sehr geschickt sabotiert worden war. Die Reparaturen würden dank fehlender Fachkräfte auf diesem gottverlassenen Planeten Wochen dauern - das perfekte Mittel, um zu verhindern, dass er floh.

"Es spielt auch keine Rolle. Ich werde mich nicht einfangen lassen, weder von den Romulanern, den Ferengi, der Föderation und schon gar nicht von dir!"

 

In A´kebur flogen die Gedanken. Hatte Captain Lakon ihm wirklich diese Woche erlaubt, um Etienne zu bekommen? Der Erste Offizier von Deep Space 13, Norak, hatte gewusst, dass es der Pirat der Drake war.

Sicher hatte er es ihm gesagt und Lakon nahm nun die Gelegenheit wahr und verriet ihn und damit sie beide. A´kebur überlief es kalt. Er wollte nicht, dass Etienne gefangen genommen wurde. Er wollte ihn. Er wollte ihn mit all seiner Kraft...

Etienne war inzwischen langsam vom Bett aufgestanden und ließ A´kebur nicht aus den Augen, während er nach seiner Kleidung griff. Er hatte sicherheitshalber immer noch einen zweiten, winzigen Disruptor im Gürtel. "Wenn du mich also bitte entschuldigst ..."

A´kebur blieb einfach still sitzen und sah ihn an. Er würde Etienne auf keinen Fall aufhalten. Wenn er Recht hatte, dann blieb nicht mehr viel Zeit. Er setzte sich auf seine Fersen und dachte nach. Gebunden und so fern...

So hatte er sich sein Leben nicht vorgestellt. Es war ein Band, was sie einander fesselte, das nicht mehr zu lösen war. Lakon hatte ihm das zu verstehen gegeben. Vielleicht hatte er gelogen - aber Vulkanier logen nicht. Sie schwiegen. Captain Lakon hatte ihm verschwiegen, dass er ihn nur benutzte, um an Etienne zu kommen. Aber er hatte ihm gesagt, dass sie unlösbar miteinander verbunden waren.

A´kebur überlegte, was er tun konnte. Aber außer einem ehrenvollen Tod fiel ihm nichts ein. Denn es gab nichts, was ihn von diesem Wahnsinn trennen konnte. Eine andere Möglichkeit war, er lebte damit für den Rest seines Lebens und versuchte mit Hilfe der ihm verhassten Vulkanier die Auswirkungen so gering wie möglich zu halten.

In A´kebur sträubte sich alles dagegen. Besser war es wohl, wenn er eine andere Rasse aufsuchte. Er würde keinen Vulkanier mehr an sich heranlassen. Niemals wieder. Sie waren räudige, feige Hunde. A´kebur sah, wie sich Etienne seine Jacke über die Schulter warf - den Disruptor noch immer auf ihn gerichtet.

Aber auch er zögerte. A´keburs Blick schien Etienne im Raum festzuhalten, ihn nicht loslassen zu wollen. Was, wenn der Klingone es wirklich ehrlich meinte? Wenn ihn die Föderation überhaupt nicht aufgespürt hatte? Es wäre zu schön, um wahr zu sein. Und deswegen war es auch nicht wahr. Mit letzter Willenskraft und mehr Bedauern, als er je im Leben gespürt hatte, wandte Etienne sich ab und rannte aus dem Raum.

Ein paar Blicke folgten ihm, aber lediglich Morr´all nahm wirklich von ihm Notiz. Erst wollte sie ihm nachlaufen. Dann jedoch blieb sie sitzen, wo sie war.

A´kebur hatte im Moment keine Kraft mehr. Er hatte kein Ziel. Das Ziel all seiner Bemühungen war weg und er würde es nicht mehr wiederbekommen. A´kebur hasste sich einmal mehr für seine Schwäche. Er war zu schwach für eine klingonische Frau, die nur Abscheu ihm gegenüber empfinden konnte und er war zu schwach für einen Menschen. Eine lächerliche Figur gab er ab. Ehrlos, abstoßend. War er überhaupt ein Klingone?

Diese Frage erschütterte ihn mehr als er sich eingestehen wollte.

 

Derweil war Etienne die nur spärlich beleuchteten Straßen von Hades City entlang gerannt, die Augen wachsam auf jeden gerichtet, der möglicherweise zu den Sicherheitskräften von Starfleet gehören könnte.

Doch niemand nahm Notiz von ihm. Irgendwann blieb Etienne schweratmend stehen und nahm sich die Zeit nachzudenken, wohin er eigentlich lief.

Zur Drake zurück hatte keinen Sinn, da das Schiff außer Gefecht gesetzt war, und allgemein hatten alle abfliegenden Schiffe um diese Uhrzeit keine Starterlaubnis mehr. Wohin sollte er also?

Möglichst weit weg von A´kebur, soviel wusste er. Und dann irgendwo untertauchen, wo ihn niemand mehr finden konnte.

Aber so viele Orte gab es für ihn nicht mehr. Noch immer waren ein paar sehr wichtige Leute sauer auf ihn. Die Luft um ihn wurde langsam dünn und die Frage, wo er noch leben konnte, wurde existentiell. Etienne hatte keine Wahl. Irgendwelche nostalgischen Gefühle würden ihm das Genick brechen. Er wischte den Gedanken an A´kebur aus seinem Kopf. Er wusste nicht, dass dieser sich anzog und die Bar verließ. Er wusste nicht, dass der Klingone durch die schmutzigen Straßen des Hades strich und nicht vorhatte, wieder an Bord der Sovk zurück zu kehren. Er spürte nur dessen immer größer werdende Verzweiflung.

Etienne schloss die Augen. Verdammt, was war das? Gehörte nicht einmal das Innere seines Schädels ihm selber? Er hatte es vorhin schon gespürt, war aber zu sehr in seiner Lust gefangen gewesen, um es wirklich zu realisieren. Aber was immer A´kebur und ihn verband, es ging in zwei Richtungen, obwohl das eigentlich nicht möglich sein konnte. Etienne fluchte halblaut. Er musste sich davor verschließen, oder man würde ihn ganz sicher finden.

"Captain Valor. Wir haben uns lange nicht mehr gesehen!"

Etienne wirbelte herum, konnte im ersten Moment aber nicht genau erkennen, wer ihn ansprach. Nur einen Umriss mit breiten Schultern. Instinktiv griff er wieder nach seiner Waffe. Doch in diesem Moment hatte er schon einen Phaser vor seinem Gesicht. "Am besten, du bewegst dich nicht, Mensch!" Ein Romulaner trat aus dem Schatten. "Du hast eine Verabredung. Es wäre schlecht, wenn du die nicht mehr wahrnehmen könntest, nicht wahr?"

"Was wollt ihr?", fauchte Etienne, ließ aber gehorsam seine Waffe sinken. Er erkannte den Romulaner vor ihm vage wieder; es war einer von Torans Männern.

"Ach, hast du denn so schnell vergessen? Nun, Menschen vergessen wohl schnell. Keinen Widerstand! Lass deine Waffe fallen! Wir werden einen Spaziergang machen und wer weiß, vielleicht überlebst du diese Nacht sogar."

Etienne ließ seine Waffe los, die mit einem dumpfen Klirren zu Boden fiel und setzte sich auf Wink des Romulaners langsam in Bewegung. Er hätte sich doch von der Föderation verhaften lassen sollen; im Gefängnis wäre er wenigstens vor den Romulanern sicher gewesen. Denn eines wusste er von ihnen: Ihre Gefangenen kehrten niemals zurück.

Keine fünf Minuten später befand er sich auf einem romulanischen Schiff hinter einem Kraftfeld.

Der Romulaner ließ ihn an den Koordinaten ihres Ziels teilhaben. Das Ziel war das romulanische Reich. Sie würden in zwölf Tagen dort sein. Zumindest nahe der Neutralen Zone.

Etienne hatte sich nicht gewehrt. Und auch jetzt konnte er nichts tun, als zu warten. Er konnte nicht von dem Schiff fliehen, und gegen ein Dutzend schwerbewaffneter Romulaner hatte er sowieso keine Chance. Nun, die Föderation würde enttäuscht sein, wenn sie ihren gesuchten Kriminellen nicht mehr finden würden... unvermittelt tauchte A´keburs Bild wieder vor Etiennes geistigem Auge auf, aber er schob es weg.

Auch das war vorbei.

 

Captain Lakon sah von seinem Bericht auf. Seine Ruhezeit war schon längst angebrochen, aber er fand seit Stunden keinen Schlaf. Doch jetzt unterbrach er sich schon das sechste Mal, weil er sich gar nicht auf seine Arbeit konzentrieren konnte.

Die Unruhe war unterschwellig und er wusste nicht, was sie auslöst hatte. Seltsam berührt, schaltete er den Monitor ab und legte seine Finger gegeneinander.

Üblicherweise halfen ein paar Minuten Meditation, um sich wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Aber die Anspannung blieb, wie eine leise Alarmsirene in seinem Inneren. Lakon stand auf und ging zum Com-Terminal. Er hatte eigentlich nicht vorgehabt, schon am ersten Abend zu kontrollieren, wie es A´kebur ging, aber nun war die Gelegenheit so gut wie jede andere. "Fähnrich A´kebur, hier ist Captain Lakon. Bitte kommen."

Er wartete. Als keine sofortige Antwort kam, wiederholte er seinen Ruf. Aber es war nur Stille. "Sicherheit? Scannen sie den Planeten nach klingonischen Lebenszeichen. Scannen sie außerdem nach dem Kommunikator von Fähnrich A´kebur."

"Aye Sir", kam die prompte Antwort. Ein paar Minuten herrschte Funkstille, dann meldete sich der Offizier erneut: "Mehrere klingonische Lebenszeichen auf dem Planeten, Sir, aber keine trifft auf Fähnrich A´keburs Bio-Signatur zu. Auch sein Kommunikator kann nicht geortet werden."

Lakons Kopf ruckte nach oben. "Hat ein Schiff oder Shuttle den Planeten oder die Umlaufbahn verlassen?", fragte er.

"Seit gestern haben fünf Schiffe mit offizieller Genehmigung den Raumhafen von Hades City verlassen, Sir. Ein Duraniumtransporter und vier private Schiffe."

"Überspielen Sie die Daten auf meinen Monitor." Lakon tippte auf seinen Kommunikator. "Dr. Shana, bitte in mein Quartier", rief er sie.

Kurz darauf waren die Daten übertragen. Allerdings gaben diese kaum Aufschluss über die möglichen Zielorte der Schiffe, nur ihren Abflugkurs, mögliche Zieldaten und ihre Maximalgeschwindigkeit. Captain Lakon hatte die Daten schon längst durchgesehen, als Shana nach kurzer Aufforderung eintrat. Obwohl sie ihre Uniform trug, waren ihre weißen Haare etwas zerzaust, als wäre sie aus dem Schlaf gerissen worden. "Captain, was gibt es?", fragte sie.

"Bitte treten Sie ein!" Lakon sah sie aufmerksam an. "Was war die Natur Ihres Aufenthaltes in Hades City mit Fähnrich A´kebur? Gibt es Anlass dafür, dass er desertieren würde?"

"Desertieren? Sie glauben doch nicht ...?" Shana sah ihren Vorgesetzten geschockt an. "Was ist passiert?"

"Das frage ich Sie! Wo war A´kebur bei seinem zweiten Aufenthalt? Sie waren nicht gemeinsam da, auch wenn Sie im Transporterraum etwas anderes angedeutet hatten. Wo war er gewesen?"

Die Andorianerin wich den scharfen hellen Augen Lakons aus. "Sie wissen doch von seinem Bindungspartner, nicht wahr? Er hat ihn gefunden. Alles Weitere steht mir nicht zu, zu sagen."

Lakon stand auf und trat vor sie. "Ich weiß, dass sein Bindungspartner auf dem Planeten gewesen ist. A´kebur ist nicht mehr auf dem Planeten, also gehe ich davon aus, dass sie beide fort sind. Ich will wissen, wo A´kebur ihn gefunden hat. Wenn Sie es wissen, dann sagen Sie es mir!"

"Ich weiß es nicht, und das ist die Wahrheit, Sir! Fähnrich A´kebur wollte mich nicht noch tiefer in diese Sache ziehen und ist deswegen alleine losgegangen", gab Shana halb wütend, halb besorgt zurück.

Captain Lakon nickte. Er nahm sich eine Jacke, steckte einen Phaser ein und forderte Shana auf, ihre Sachen zu holen. "In drei Minuten im Transporterraum", befahl er.

 

Sie landeten direkt neben dem Hangar. "Wo waren sie überall gewesen?", fragte er Shana.

Diese hatte sich noch nicht ganz von der Überraschung erholt, dass der Captain persönlich und ohne weitere Sicherheitsbegleitung auf den Planeten beamte. "Die Hauptstraße entlang, in verschiedenen Bars", erwiderte sie und ging vor. "Allerdings erfolglos."

"Und dann? Sie mussten doch Anhaltspunkte haben, um den Bindungspartner zu finden!", hakte Lakon nach. "Sagen Sie endlich! Wir haben keine Zeit zu verlieren."

"A´kebur war sich nur sicher, dass er irgendwo hier war. Und wir haben sein Schiff gefunden." Shanas Augen leuchteten auf. "Wir sollten sehen, ob es noch da ist, Sir. Das könnte uns vielleicht weiterhelfen."

"Gehen Sie vor!"

"Halt, wer da?", wurden sie aufgehalten.

"Captain Lakon von der Sovk, ich muss in Ihren Hangar. Ich suche ein Mannschaftsmitglied."

"Da kann ja jeder kommen", knurrte der riesige Orioner, den Shana schon beim letzten Mal angetroffen hatte. "Ohne Genehmigung dürfen Sie hier nicht rein!"

"Sir, lassen Sie mich das bitte machen?", wisperte Shana und trat vor. Eine kleine Karte wechselte den Besitzer. "Es geht noch mal um die Drake", erklärte sie. "Ist das Schiff noch hier?"

Der Orioner grinste sie ein. "Jawohl, Ma'am. Hat sich keinen Zentimeter vom Fleck bewegt. Aber ihr Captain hat sich gestern hier blicken lassen und ziemlich laut geflucht. Fragte mich nach Ingenieuren, die ein paar Reparaturen vornehmen könnten. Da konnte ich aber nicht weiterhelfen."

"Wie heißt der Captain der Drake?", fragte Lakon.

Nun wurde der Orioner wirklich misstrauisch. "Wenn Sie ihn suchen, müssten Sie auch seinen Namen kennen. Und jetzt ab mit euch!" Er verschränkte die Arme und schien nicht willens, weitere Auskünfte zu geben. Shana winkte ihrem Captain, dass sie besser gehen sollten.

Captain Lakon sah ihn an, dann musterte er Shana. "Ich danke Ihnen", sagte er dann wieder an den Orioner gewandt. Als er und Shana ein gutes Stück weggegangen waren, fragte er Shana: "Sie kennen den Namen des Captains der Drake."

"Ich habe es nur vermuten können, nachdem, was mir A´kebur erzählt hat", gab diese sich geschlagen. "Aber jetzt ist es wohl auch egal. Es ist Etienne Duval. Er wird innerhalb der Föderation strafrechtlich gesucht."

Wenn sie geglaubt hatte, dass Lakon auch nur einen Muskel bewegte, so musste sie zugeben, dass sie sich irrte.

Lakon überlegte lediglich. "Die Zahl der Menschen auf diesen Planeten ist zu groß. Sein Schiff ist noch hier. A´kebur ist es aber nicht mehr. Also gehe ich davon aus, dass auch Mr. Etienne Duval nicht mehr hier ist. Doch dieser Mann lässt sicher nicht sein Schiff zurück."

Er machte eine kurze Pause: "Außer er geht davon aus, dass er von uns verfolgt wird und er sein Schiff nicht rechtzeitig wieder in Gang bringen kann."

Shana nickte. "Wenn ich mich recht an die Berichte erinnere, ist aber die Föderation nicht die einzige, die ihn sucht. Ein einflussreicher Romulaner soll ihn ebenfalls suchen. Sir, ein getarntes Schiff könnte jederzeit hierher gekommen sein, ohne dass wir auf der Sovk etwas bemerkt haben könnten."

"Warum haben Sie mir Ihre Kenntnisse nicht mitgeteilt?", fragte Lakon sie ohne Vorwurf. "Ich hatte Fähnrich A´kebur mein Wort gegeben. Ich konnte ja nicht ahnen, dass das Ganze so eskaliert." Shana biss sich auf die Lippe. "Es tut mir leid, Sir. Mein Verhalten war nicht gerade vorbildlich."

Lakon ersparte sich dazu einen Kommentar. Er würde Shana eine Verwarnung in die Personalakte eintragen müssen - genauso wie Fähnrich A´kebur. War er wirklich desertiert, dann drohte ihm die unehrenhafte Entlassung.

Das war nichts, was man in seiner Biographie gebrauchen konnte. Vor allen Dingen nicht, wenn man wahrscheinlich genauso langlebig war wie Vulkanier. Und davon konnte Lakon erst einmal ausgehen.

Natürlich kam es darauf an, ob A´kebur überhaupt auf so etwas noch Wert legte. Bisher war jedoch Ehre ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt all seiner Gedanken und Verhaltensweisen gewesen. Lakon rief die Sovk an und befahl, dass nach einem getarnten Schiff gesucht werden sollte. Außerdem sollte in Erfahrung gebracht werden, ob ein Schiff - ob getarnt oder nicht - klingonische Werte aufwies, die denen A´keburs entsprachen.

Aber wie zu erwarten war, konnten die Sensoren der Sovk nichts aufspüren. Keine Raumverzerrung wies auf die Anwesenheit eines getarnten Schiffs hin. Lediglich die üblichen Warpsignaturen bereits abgeflogener Schiffe waren zu finden. Unter ihnen befand sich allerdings die unmissverständliche Signatur eines romulanischen Warbirds, der vor nicht einmal vierundzwanzig Stunden abgeflogen und nun längst außer Reichweite war.

Ein anderes interessantes Schiff war ein Frachter, der Charon 7 ebenfalls vor einiger Zeit verlassen hatte. Laut Passagierliste hatte sich kurz vor dem Abflug ein Mischlingsklingone einen Platz gekauft. Dieser Zusatz war eher unüblich. Meist wurde nur die offensichtliche Rasse eingetragen. Aus rein statistischen Gründen führten die meisten Frachtführer die Herkunft ihrer Passagiere auf. Die Angaben waren jedoch seitens der Eigner eher freiwilliger Natur. Nicht freiwillig hingegen war die Hinterlegung der Namen. Doch der Mischlingsklingone hieß nicht A´kebur. Lakon ließ sich und Shana wieder an Bord beamen.

Sein Schiff und seine Mannschaft hatte den Befehl, hier vor Ort zu bleiben. Die seltsamen Emissionen der Ausgrabungsstätte hatten sich um 0,03 Prozent seit ihrer Ankunft erhöht. Die Gründe dafür waren unbekannt. Zudem waren die ersten Grabräuber festgesetzt worden. Dass sich eventuell etwas mit der Grabungsstätte verdienen ließ, war bisher nur in Hades-City eine Spekulation wert gewesen.

Jede Überlegung an sich, den Planeten zu verlassen, bedeutete schon an sich eine Befehlsverweigerung, die sich Lakon nicht leisten konnte. Lakon sah Shana an, die schuldbewusst wirkte. "Wem folgen wir?", fragte er sie. "Dem Warbird Richtung Romulanischen Reich oder diesem Mischling?"

"Wir haben in beiden Fällen nicht genügend Information, Sir, und auch keine direkten Befehle von Starfleet", führte sie aus. "Dem Warbird dürfen wir nur bis zum Rand der Neutralen Zone folgen. Alles andere wäre eine Kriegserklärung. Der Frachter hingegen fliegt nur mit Warp eins, was bedeutet, dass wir ihn jederzeit einholen können."

"Den Warbird erreichen wir noch nicht einmal mit Höchstgeschwindigkeit mehr. Er wird sich mitten im Romulanischen Reich befinden, ehe wir auch nur die Neutrale Zone durchquert haben. Wir werden den Frachter verfolgen. Die Sovk bleibt hier. Wir nehmen das Shuttle und Sie kommen mit, Dr. Shana."

"Äh... Aye, Sir." Shana war immer verwirrter. Der Captain persönlich wollte diese Mission leiten? Das war nach den Standards von Starfleet völlig unüblich. Aber sie beschloss, nicht weiter zu widersprechen. Captain Lakon würde schon seine Gründe haben.

Lakon informierte Commander Sekan, seinen Ersten Offizier. Dieser zögerte für einen Moment, dann bestätigte er die Befehle. Innerhalb von achtundvierzig Stunden würden sie wieder an Bord sein. Das Shuttle war schneller als ein Frachter und besaß einen eigenen Warpantrieb. Damit war es möglich, ihn innerhalb einer adäquaten Zeitspanne einzuholen.

Eine Viertelstunde später waren Shana und Lakon unterwegs.

 

"Dr. Shana", begann Lakon, "Ihnen war die Belastung, unter der Fähnrich A´kebur stand, bekannt. Sie sind kein Counselor. Aber Ihre Erfahrung und Ihre Sensitivität hätten Ihnen dabei helfen können, seinen Zustand genau einzuschätzen. Zudem standen Ihnen Informationen zur Verfügung, die Sie an mich hätten weiterleiten müssen. Gibt es noch etwas, was unter das Versprechen fiel, was Sie A´kebur gegeben haben?"

Shana schüttelte den Kopf. "Nein, Sir, ich wusste sonst auch nicht alles. Aber ich dachte, da Sie A´kebur bei der Kontrolle seiner Fähigkeiten helfen, hätten Sie auch bereits einiges davon gewusst."

"Es ist meine Aufgabe, ihn in seinen Fähigkeiten zu unterweisen. Eine Gedankenverschmelzung gegen seinen Willen kommt einer Vergewaltigung gleich. Ich kann nichts lesen, was mir nicht gezeigt wird, Dr. Shana", stellte Lakon klar.

"Aber, dass er einen Bindungspartner hat, haben Sie doch sicher gemerkt, Sir", wandte Shana ein. "Schließlich haben Sie ihm den längeren Landurlaub gewährt."

"Weil ich ihn gespürt hatte - die Verbindung wurde deutlich, als A´keburs Barriere brach. Der Grund für diese Störung seiner Barrieren war sein Bindungspartner. Ich konnte nicht verhindern, das zu bemerken. Wer es genau war, konnte ich nicht sehen. Der Rest war nur eine logische Verknüpfung von Hinweisen."

"Wie gesagt, ich hatte auch nicht ahnen können, dass es soweit kommt. Aber was sollen wir machen, wenn wir A´kebur gefunden haben? Und was unternehmen wir wegen der Romulaner? Captain Duval ist immer noch Bürger der Föderation ..." Shana sah ihren Kommandanten ratlos an.

"Wir werden sehen", murmelte Lakon einsilbig.

 

Der Flug verlief schweigend. Die Route des Frachters war einfach zu verfolgen und bereits nach weniger als einem Tag hatten sie ihn fast erreicht. Lakon kontaktierte den Captain des Frachters. Dieser wirkte ein wenig misstrauisch. Als er aber sagte, dass er jemanden unter seinen Passagieren suchte, und nicht gedachte seine Fracht zu kontrollieren, drosselte er die Fahrt seines Schiffes, damit das Shuttle sie einholen konnte. Lakon übermittelte ihm ein Bild seines Neffen.

"Der ist hier an Bord", erklärte der Captain des Frachters.

Shana und Lakon sahen sich an. "Soll ich vielleicht an Bord gehen und versuchen, mit ihm zu reden, Sir?", bot die Andorianerin an.

"Nein, wir gehen gemeinsam." Lakon erhob sich und ging zur Transporterplattform.

Der Frachter befand sich in Transporterreichweite. Er hatte den Computer angewiesen, sie zurückzuholen, sobald er ihn kontaktierte. Auffordernd sah er Shana an. Diese nickte. Zwei Sekunden später befanden sie sich an Bord des Frachters. Ein etwas nervöser Offizier begrüßte sie. "Unsere Passagiere sind in Sektion F3", erklärte er. "Soll ich Ihren gesuchten Mann herbeordern oder gehen Sie selbst hin? Und wird es ein Sicherheitsrisiko geben?"

"Nein, ich denke nicht. Wenn es Ihnen Recht ist, würde ich ihn gern an einem ungestörten Ort treffen. Wäre das möglich?"

"Ich... wir haben einen kleinen, unbenutzten Frachtraum hier auf der Ebene. Kommen Sie bitte mit!" Der Offizier führte die beiden ein paar Gänge entlang bis zu einem Schott. "Warten Sie bitte hier, ich werde den Passagier holen."

Sie warteten drei Minuten und vierzig Sekunden, wie Lakon feststellte. Dann öffnete sich das Schott. A´kebur wich zurück, als er sie sah. Er hatte sich so etwas Ähnliches schon gedacht. Aber im Moment fühlte er sich einer Konfrontation nicht gewachsen.

"Bitte treten Sie ein!", bat Captain Lakon förmlich. Nichts war von der sonstigen Distanz in seiner Stimme zu hören. Er brauchte nicht in A´kebur zu dringen, um die Mühe festzustellen, die dieser hatte, um seine Barrieren aufzurichten.

Der Kontakt mit seinem Bindungspartner war zerstörerisch gewesen.

Wahrscheinlich war das ganze Training mehr oder weniger sinnlos geworden. Vielleicht, so hoffte Lakon aber auch, hatte es größere Schäden verhindert.

A´kebur trat ein, wie er ihn gebeten hatte. Er sah nicht in Lakons Augen, sondern etwa einen Zentimeter darunter und nahm Haltung an. Der Offizier des Frachters zog sich zurück. Die Luft war ihm zu angespannt, als dass er freiwillig länger bleiben wollte, auch wenn er ein wenig neugierig war.

Shana musste mit aller Kraft an sich halten, um A´kebur nicht in Grund und Boden zu schimpfen. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Eben wollte sie schon tief Luft holen, als ihr Lakon zuvorkam. "Haben Sie uns etwas zu sagen, Fähnrich?", fragte er neutral.

"Nein, Sir", antwortete A´kebur deutlich.

"Werden Sie uns zurück zur Sovk begleiten oder soll ich Ihr offizielles Quittierungsschreiben mitnehmen?"

A´kebur sah ihn seltsam an. "Mir ist es gleich", antwortete er dann.

"Dann ist die logische Wahl, mit uns mitzubekommen", erklärte Lakon. "Ohne entsprechende Unterstützung werden Sie nichts erreichen können. Außerdem ist es nicht nötig, Ihre Karriere bei Starfleet deswegen zu ruinieren."

"Ich bin unzuverlässig, schwach und ehrlos. Was will Starfleet mit mir? Was wollen Sie mit mir?", hielt ihm A´kebur entgegen.

Jetzt konnte auch Shana sich nicht mehr zurückhalten. "Wir wollen, dass du dich zusammenreißt, verdammt! Du hast immer noch Verpflichtungen! Und anstatt wie ein getretener Hund wegzurennen, solltest du lieber deinen Kopf benutzen, und dir gefälligst helfen lassen! Denkst du, der Captain macht diesen Umweg für nichts? Also hör auf zu jammern und komm gefälligst mit!"

"Ich jammere nicht", herrschte A´kebur sie erbost an. "Aber ich bin zu nichts nutze. Ich krieg ihn nicht aus meinem Kopf. Jedes Mal werde ich von fremden Gefühlen überflutet. Ich kann mich nicht dagegen wehren. Ich werde ihn nicht los. Jedes Mal, wenn ich geglaubt habe, dass ich es geschafft hätte, ist bald alle Arbeit wieder zunichtegemacht. Ich kann an nichts mehr denken. Ich laufe nicht davon. Ich ziehe die Konsequenzen."

"Ach, und was soll da dran konsequent sein? Vor deinem Bindungspartner zu flüchten, wird die Sache nur schwerer machen! Also hilf uns lieber, ihn zu finden! Männer, nicht zum Aushalten!" Shana schnaufte und legte die Fühler an.

Lakon hatte sie nicht unterbrochen, sondern nur eine Augenbraue hochgezogen. Er wirkte fast ein wenig zufrieden.

"Ich bin nicht davongelaufen. Er ist davongelaufen", erklärte A´kebur mit tonloser Stimme.

"Nun, dann wird er wohl einen Grund dazu gehabt haben. Aber wir befürchten, dass er dabei in die Hände der Romulaner gefallen ist. Mit etwas Glück bringen sie ihn um, dann bist du ihn ja los!", fauchte Shana.

A´kebur sah sie verständnislos an. "Er glaubte, dass Captain Lakon mich benutzt hat, um ihn zu bekommen und gefangen zu nehmen."

"Sie irren sich", erklärte der Captain ruhig. "Ich habe nichts davon gewusst, dass Ihr Bindungspartner ein gesuchter Krimineller ist. Ansonsten hätte ich Ihnen auch den Urlaub nicht bewilligt. Aber ich kann seine Reaktion unter den gegebenen Umständen nachvollziehen; sie war logisch."

"Ich hatte ja nichts gesagt, weil es durchaus möglich gewesen wäre. Aber er hätte mir so oder so nicht geglaubt, hätte ich es ihm gesagt, dass Sie nichts davon wussten. Er ist also jetzt bei den Romulanern." A´kebur wandte sich ab.

"Wir vermuten es nur. Ein Warbird hatte sich getarnt dem Planeten genähert und ist kurz darauf wieder in Richtung Neutrale Zone geflogen", berichtete der Captain. "Da Mr. Duval Bürger der Föderation ist, können wir einen offiziellen Antrag auf Auslieferung stellen."

"Wenn er dann noch lebt. Aber das werde ich dann ja wohl merken, nicht wahr?", knurrte A`kebur noch immer aufgebracht.

"Ich fürchte ja. Aber wir sollten zum Shuttle zurückkehren, damit wir nicht noch mehr Zeit verlieren." Lakon wandte sich um und ging zur Tür.

Shana sah A´kebur auffordernd an. "Los, wenn wir deinen Schatz retten wollen, dürfen wir nicht mehr herumtrödeln!"

"Er ist nicht mein Schatz", knurrte A´kebur sie an.

Die Andorianerin grinste nur und scheuchte ihn aus dem Frachtraum.

A´kebur biss die Zähne zusammen. "Lassen Sie mich in Ruhe!", rief er ihr zu.

"Erst, wenn Sie sich nicht mehr so anstellen, Fähnrich", erklärte sie ungerührt und folgte ihrem Captain.

"Sie haben wohl die Weisheit dieses Universums? Warum sollen Sie wissen, wie ich mich anzustellen habe? Haben Sie jemanden im Kopf, der Sie zum Wahnsinn treibt? Ich denke nicht! Also hören Sie auf, mich mit Ihren Ratschlägen zu belästigen."

Shana zuckte nur mit den Schultern, war aber damit zufrieden, dass A´kebur ihr folgte. Lakon bemerkte nur: "Wir besprechen das später in Ruhe. Kommen Sie jetzt!" Er sprach kurz mit dem Offizier des Schiffes und gab dann dem Shuttle-Computer die Anweisung, alle drei zurück zum Shuttle zu beamen.

A´kebur rieb sich verstohlen die Schläfen. Dann wirkte er wieder stocksteif. Lakon ging sofort zum Pilotensitz und gab die Koordinaten ihrer Rückreise ein.

Da A´kebur immer noch stand, als er sich umdrehte, deutete er ihm an, sich zu setzen. Shana hatte ebenfalls Platz genommen und musterte A´kebur nun etwas beruhigter. Täuschte sie sich oder sah er nicht gerade gesund aus? Nach all dem Stress sicher kein Wunder, aber sie sollte ihn lieber später durchchecken.

Falls er ihr dann nicht die Fühler ausriss oder etwas ähnliches. Aber im Moment wirkte A´kebur eher blassgrün im Gesicht. Zudem ignorierte er sie.

Er war wohl wirklich wütend auf sie. Aber damit zeigte er auch, wie müde er war. Vielleicht war es wirklich so, wie er gesagt hatte: Er sah keinen anderen Ausweg. Und sich helfen lassen, gehörte nicht in sein Verhaltensrepertoire. Vielleicht änderte sich das eines Tages. Aber so wie es bis jetzt aussah, durfte sie damit nicht in den nächsten Minuten rechnen.

Lakon hatte neben ihr den Tricorder gezückt und ihn auf A´kebur gerichtet. Er hob eine Augenbraue hoch. A´kebur sah ihn ausdruckslos an. Er wollte erst etwas sagen, hielt sich dann aber zurück.

Schließlich war der Captain fertig und reichte Shana wortlos den Tricorder. Diese runzelte die Stirn.

"Sie sind für die nächsten Tage vom Dienst befreit", befahl der Captain. "Und Sie lassen sich auf der Krankenstation untersuchen."

A´keburs Blick war im ersten Moment unverhüllt wütend. Dann jedoch nickte er nur.

"Von Ihrer Ausbildung sind Sie jedoch nicht befreit. Ich möchte Sie jeden Tag nach Dienstschluss bei mir im Quartier sehen."

"Aye, Sir", murmelte A´kebur müde.

Damit schien das Thema vorerst erledigt. Der Rückflug verlief ohne Zwischenfälle, aber keiner der Insassen des Shuttles hatte das Bedürfnis zu reden. Ein paar Stunden später waren sie auf Rendezvous-Kurs mit der Sovk, die sie wieder aufnahm. Der Erste Offizier meldete keine besonderen Vorkommnisse - bis auf die Sensoren, die stärkere Emissionen gemessen hatten.

Lakon ging wieder auf seinen Posten und erinnerte A´kebur an seine Pflicht und Shana an ein paar Überstunden in der Krankenstation.

A´kebur folgte Shana dahin. Ihm war es im Moment eher gleich. Unvermittelt blieb er stehen und hielt sich an der Wand fest. Der Schmerz war unvorhergesehen und es war nicht sein Körper, der litt.

Shana drehte sich besorgt um, ihre momentane Vorsicht in Gegenwart des Klingonen vergessend, als die Instinkte einer Ärztin übernahmen.

"A´kebur! Was ist? Kommen Sie, setzen Sie sich lieber hin."

"Etienne wird gefoltert", erklärte er ihr leise.

Shana sah ihn erschrocken an, zweifelte aber keine Sekunde daran, dass A´kebur dies tatsächlich fühlen konnte. Fieberhaft begann sie in einer der Medizinschränke zu suchen und förderte schließlich ein Hypospray zutage. "Ich habe Ihnen doch von dem Psychoblocker erzählt, der telepathische Kräfte für kurze Zeit dämpfen soll. Ich denke, jetzt ist es wirklich an der Zeit, ihn auszuprobieren. Dann sehen wir, was wir tun können."

"Es ist zu ertragen", wehrte A´kebur ab und richtete sich wieder auf. "Das geht schon. Ich will das Medikament nicht. Danke."

"Sicher?", fragte Shana zweifelnd. "Aber Sie sollten sich hinsetzen. Ich werde den Captain benachrichtigen."

A´kebur gehorchte. Er setzte sich. Nichts deutete darauf hin, was sich in ihm abspielte. Es waren keine Bilder im eigentlichen Sinne.

Aber Etienne übermittelte ihm alles. Lediglich eine natürliche Grenze in ihrer Verbindung verhinderte, dass er alles spüren, sehen, schmecken und riechen konnte, was Etienne wahrnahm. Trotzdem hatte A´kebur eine ziemlich genaue Vorstellung davon, was mit seinem Bindungspartner im Moment geschah: Es waren Schmerzstöcke, die die Romulaner einsetzten.

Menschen waren sie nicht gewohnt und sie kämen auch nie in den Sinn, sie anzuwenden.

So war es wie ein Schock, der sich durch den Körper zog, sobald der Schmerzstock Etienne berührte. Doch weder konnte A´kebur es ausschließen, ignorieren oder in anderer Weise sublimieren - weniger noch, als zuvor. Wenn Etienne wenigstens auch nur die geringste Ahnung von derlei Bindungen gehabt hätte, hätte er sich verschließen können, aber so ...

A´kebur wäre beinahe zusammengezuckt, als er wieder seinen, nein, Etiennes Schmerz spürte. Die Romulaner hatten in ihrer kompromisslosen, effizienten Art die Kunst der Folter über Jahrhunderte kultiviert und wussten ganz genau, wie sie vorzugehen hatten. Auch bei solchen so fremden Völkern wie Menschen.

A´kebur geriet in Trance. Der einzige Zustand, wo auf Dauer ständiger Schmerz zu ertragen war. Er bekam nicht mit, wie Lakon mit Shana die Krankenstation betrat. Aber die Zwei störten ihn vorerst nicht.

Leise berieten sich der Captain und Shana, was sie tun könnten. Lakon hatte ein offizielles Schreiben aufsetzen lassen, in dem die Romulaner um die Wahrung des Friedens Willen aufgefordert wurden, Etienne wieder freizulassen - aber da Toran möglicherweise auf eigenen Faust gehandelt hatte, konnte das Imperium abstreiten, überhaupt etwas von dieser Sache zu wissen.

Das Schreiben würde über den diplomatischen Dienst und die Botschafter weitergeleitet werden. Auch hatte er Starfleet Command benachrichtigt, bisher aber noch keine Antwort erhalten.

Lakon zog sich einen Stuhl näher und setzte sich vor seinen Neffen. "A´kebur", versuchte er dessen Aufmerksamkeit zu erlangen. A´kebur hörte ihn nicht nur, sondern spürte ihn auch. Aber es fiel ihm schwer, der Stimme zu folgen.

"A´kebur?", versuchte Lakon es wieder, als er den Eindruck gewann, dass sein Neffe noch immer nicht ganz im Hier und Jetzt war. "Hören Sie, wir können hier nicht viel für Sie tun. Es wird möglicherweise eine Zeit dauern, bis Mr. Duval wieder freikommt."

Falls überhaupt, aber das sagte der Captain lieber nicht laut. Lakon berührte A´kebur an der Schläfe, als er spürte, dass A´kebur anfing zu kämpfen. Der Blick seines Neffen brach, dann sah er ihn an und keuchte. Im Moment war A´kebur zu beschäftigt, um dieses Zeichen von Schwäche zu bemerken. "Captain?", fragte er.

"Ich halte es unter diesen Umständen für die logische Wahl, Sie nach Vulkan zu schicken", erklärte Lakon noch einmal. "Die dortigen Telepathen können Ihnen weitaus effizienter helfen. Außerdem muss ich auf die Antwort des diplomatischen Dienstes warten. Bis dahin können wir nicht viel tun."

A´kebur überforderten die vielen Informationen. Doch er verstand, dass er gehen sollte. "Werde ich aus dem Dienst entlassen?", fragte er.

"Nein, es ist eine vorübergehende Beurlaubung, bis die Situation sich für Sie wieder normalisiert hat. Denn unter den gegebenen Umständen halte ich Sie für unfähig, Ihren Dienst zu tun."

"Warum haben Sie mich dann zurückgeholt, Captain? Es ist doch offensichtlich, dass ich nicht geeignet bin. Es wäre besser, ich würde wirklich den Dienst quittieren. Selbst wenn Etienne sterben sollte und ich dann wieder frei bin, kann ich kein vollwertiges Mitglied einer Crew werden."

A´kebur hörte sich an, als würde er an einer schwerwiegenden Krankheit leiden, die unheilbar und tödlich war. Lakon fühlte sich versucht, missbilligend den Kopf zu schütteln, blieb aber so stoisch wie immer. "Sie sind ein wertvolles Mitglied meiner Crew, und ich bin als Ihr Captain für Sie verantwortlich", erwiderte er. "Und Sie sind nicht ausreichend informiert und darüber hinaus zu emotional aufgewühlt, um logisch urteilen zu können. Also vertrauen Sie meinem Urteil. Das wäre alles, Fähnrich!"

A´kebur nickte.

Er war zu müde, um aufzubegehren. Er wollte eigentlich nur noch schlafen. Zum ersten Mal fühlte er die Einsamkeit, die er sich gewählt hatte, so, als wäre es ein Schmerzstock, der ihn berührte.

Etienne war ihm auch mit einem Mal fern. A´kebur brauchte ein paar Sekunden, bis er merkte, dass dieser ohnmächtig geworden war. Sein Bindungspartner hatte für einen Menschen lange durchgehalten. "Kann ich seinen Schmerz nehmen?", fragte A´kebur leise.

Lakon sah ihn an. "Es ist unter Umständen möglich, aber weder empfehlenswert noch gesund, besonders nicht in Ihrem augenblicklichen Zustand. Sie sollten sich ausruhen. Man wird Ihnen auf Vulkan sicher weiterhelfen. Ich werde veranlassen, dass Sie auf dem nächsten Transporter in Richtung Alphaquadrant mitfliegen können. - Dr. Shana, auf ein Wort!" Der Captain ging hinüber zu der Andorianerin, aber A´kebur konnte nicht verstehen, worüber sie sich unterhielten.

"Captain", fragte Shana den Vulkanier. "Soll ich ihm etwas geben?"

"Nur, wenn er darum bittet, Doktor. Dieses Mittel ist noch nicht ausgereift. Ansonsten geben Sie ihm ein Hypospray gegen Migräne, die Auswirkungen sind ähnlich. Darüber hinaus möchte ich, dass Sie Fähnrich A´kebur begleiten. Er wird für die Reise möglicherweise medizinische Betreuung brauchen."

Shana nahm leicht Haltung an. "Ja, Sir, ich werde ihn begleiten. Ich werde, wenn Sie erlauben, so lange bei ihm bleiben, bis es ihm wieder gut geht. Er wird unter Vulkaniern jemanden brauchen, an dem er sich reiben kann. Ansonsten geht er die Wände hoch."

Lakon zog ein wenig die Augenbrauen hoch, nickte dann aber. "Gut. Ich werde alles veranlassen. Achten Sie darauf, dass er sich noch ausruht." Damit verließ er die Krankenstation.

Lakon blieb hinter der Tür, als sie sich schloss, einen Moment stehen. Es hatte in der Geschichte von Vulkan seit ewigen Zeiten nur wenige Fälle missglückter Bindungen gegeben. Ein Grund, warum Partnerschaften auf Vulkan schon in früher Jugend arrangiert wurden, war, dass eben so etwas nicht passieren durfte. Das Ponfarr war ein weiterer Grund. Bei seinem Neffen war alles schiefgegangen, was hatte schiefgehen können. Vielleicht hätte er für ihn schon früher die Entscheidung treffen sollen, ihn nach Vulkan zu schicken und sich auf die Suche nach dem Bindungspartner zu begeben. Doch über verschüttete Milch zu lamentieren, wie die Menschen zu sagen pflegten, war müßig. Er musste jetzt Entscheidungen treffen.

Und die Nächstliegende war, seine und A´keburs Familie auf Vulkan zu kontaktieren.

Sie war nicht groß, aber recht einflussreich und auch sehr konservativ. Deswegen hatte sie sich auch bisher geweigert, A´kebur als einen der ihren anzuerkennen, so lange dieser sie nicht anerkannte und noch nicht einmal Kontakt mit ihnen aufnahm.

Nur Lakon war geneigt gewesen, hatte aber nie entsprechend handeln können. Doch nun sah er es als seine Pflicht an, dem Kind seiner Schwester jede mögliche Hilfe zukommen zu lassen. Lakon war zwar frei von menschlichem Schuldgefühl, aber er hatte immer bedauert, T'Lera nicht aus den Händen der Klingonen befreien zu können.

Lakon öffnete eine Verbindung nach Vulkan und meldete ein Gespräch an. Eine annähernde Echtzeitverbindung würde er in einer Stunde bekommen können, teilte ihm der Kommunikationsoffizier einer Station mit. Vor zweihundert Jahren war das noch ein größeres Problem gewesen. Jetzt war es geradezu komfortabel.

Lakon lehnte sich zurück. Er hatte seine Großmutter Lial darum gebeten, sich mit ihm in Verbindung zu setzen. Sie war die Kraft, die alles zusammenhielt. Sie würde A´kebur vielleicht nicht mit offenen Armen empfangen, aber sie würde ihn schützen und ihm helfen. Dessen war sich Lakon sicher.

Die Wartezeit nutzte Lakon, um liegengebliebene Berichte der Offiziere durchzusehen; er konnte nicht zulassen, dass diese doch recht private Angelegenheit weiter seine Effizienz als kommandierender Offizier störte.

Schließlich meldete der Computer, dass die Verbindung aufgebaut war. Auf dem Bildschirm erschien Lials asketisches Gesicht, umrahmt von einem Schleier. Obwohl sie sich der Zweihundert näherte, hatte sie noch immer einen scharfen Verstand und führte die Familie mit eisernem Griff.

"Es ist akzeptabel, von dir zu hören, mein Enkel", begrüßte sie Lakon. "Was gibt es?"

"Langes Leben und Wohlergehen, Großmutter", grüßte Lakon. "Ich spreche dich wegen einer Familienangelegenheit an. Es geht um meinen Neffen, Lial."

Die alte Vulkanierin hob eine Augenbraue. "T'Leras Kind? Ich dachte, er bevorzuge die Lebensweise der Klingonen." Nur ein Hauch von Zögern in ihrer Stimme verriet, wie wenig sie davon hielt.

"Ich habe das Kind gefunden", eröffnete Lakon.

"Und du willst, dass wir nun die Verantwortung für ihn übernehmen. Ist er denn gewillt, unserem Weg zu folgen? Wir können niemanden in unserer Mitte tolerieren, der durch Emotionen unsere Lebensweise stört. Es wäre unlogisch."

"Es wäre unlogisch, ihn auszustoßen, weil wir nicht die Kraft haben, seine Art zu ertragen. Es geht um sein Leben. Nicht um einen Gefallen. Er gehört zu unserer Familie. Da bestand nie eine Wahl - weder auf seiner noch auf unserer Seite", widerlegte Lakon sie. "Ihn abzulehnen, weil er nicht vulkanisch ist, ist unlogisch."

"Das habe ich auch nicht gesagt", widersprach Lial ihm. "Ich fragte lediglich, ob er gewillt ist, unter Vulkaniern zu leben. Und wenn es wirklich um sein Leben geht, bin ich natürlich bereit, ihm zu helfen. Aber ich brauche mehr Informationen."

Lakon war erleichtert und ihn scherte es im Moment wenig, dass das eine Emotion war, die hinderlich sein konnte. "A´kebur ist unbeabsichtigt und unwissend eine Bindung zu einem Menschen eingegangen. Die Bindung funktioniert nicht. A´kebur leidet darunter. Ich vermute, dass der Mensch nicht bewusst etwas davon bemerkt."

Wieder wanderte Lials Augenbraue in die Höhe. "Ich bin in der Lage, solch eine Verbindung zu lösen, wie du weißt. Aber zuerst sollte eine Alternative gefunden werden, weil solch ein Eingriff große Risiken birgt.

"Das Problem ist, dass der Mensch sich in romulanischer Gefangenschaft befindet." Lakon konnte nicht verhindern, dass Anspannung in seiner Stimme zu hören war. "A´kebur fühlt, dass sein Bindungspartner gefoltert wird. Er ist darauf nicht vorbereitet. Er ist auf gar nichts vorbereitet gewesen. Er hat es bisher vorgezogen, seine telepathischen Fähigkeiten zu leugnen."

"Das ist bedenklich. Du solltest ihn so schnell wie möglich nach Vulkan schicken", erklärte Lial. "Ich werde mich darauf vorbereiten, ihm beizustehen. Und was gedenkst du zu tun, mein Enkel?"

Lakon faltete seine Hände. "Ich muss seinen Bindungspartner befreien. Egal was A´kebur bezüglich seiner Bindung entscheidet, sie sollte nicht mit dem Tod seines Partners enden."

Lial nickte. "Dann wünschte ich dir Erfolg für deine Mission, Lakon. Langes Leben und Wohlergehen." Sie hob ihre Hand zum traditionellen Gruß.

Lakon erwiderte den Gruß. Er gab Lial die Informationen der voraussichtlichen Ankunft ihres Urenkels an. Lials Mundwinkel zuckte leicht. Mit einem Mal wusste Lakon, dass sie es schätzte, dass A´kebur zu ihr kam. Sie würde ihn willkommen heißen. Nicht als Fremden, sondern als das Kind ihres Kindes und dessen Kindes.

Lakon beendete die Kommunikation. Dann kontaktierte er Shana. "Wie geht es A´kebur?", fragte er.

"Etwas besser, denke ich. Ich habe ihn überreden können, sich etwas auszuruhen - mittels eines Hyposprays", erklärte Shana grimmig. "Aber ich weiß nicht, wie lange er das alles aushalten kann. Und mich schaudert bei dem Gedanken, wie es seinem Partner gehen muss. Bei allem Respekt, Sir, wir müssen schnell etwas tun!"

"Ich bin dabei, das Problem zu lösen", erwiderte Lakon ruhig. "Mit Hast kommen wir nicht weiter. Ich habe dem diplomatischen Korps die Dringlichkeit übermittelt. Ich habe außerdem meine Familie kontaktiert."

Shana seufzte hörbar. "Aber die Diplomaten werden ewig brauchen - wenn sie überhaupt Erfolg haben. Können wir das nicht beschleunigen?"

"Meine Familie wird dafür sorgen."

Shana war erst beim zweiten Mal bei der Erwähnung von Captain Lakons Familie irritiert. Hütete sich aber davor, näher nachzufragen. Ihre Neugier war in der letzten Zeit etwas schädlich gewesen.

"Wollen wir es hoffen, Captain", sagte sie daher bloß. "Ich werde derweil meine Sachen für Vulkan packen. Shana Ende."

Shana wandte sich A´kebur zu, der mit entspanntem Gesicht auf einer der Liegen lag. Seine Werte waren endlich wieder im normalen Bereich.

Es hatte sie Engelszungen gekostet, endlich das Hypospray ansetzen zu dürfen. Zu gerne hätte sie den Captain gefragt, wieso ausgerechnet seine Familie bei der Suche nach Etienne würde helfen können. Shana überließ A´kebur vorerst den wachsamen Augen von Dr. Alario und ging in ihr Quartier, um ihre Sachen zu packen. Shana hatte sich zwar an die für ihre Verhältnisse heißen Temperaturen an Bord gewöhnt, aber Vulkan war dann doch eine andere Sache. Besser, sie nahm nur leichte Sachen mit.

 

Eine Stunde vor ihren Abflug informierte Lakon sie darüber, dass er noch einmal mit Fähnrich A´kebur reden würde. Warum er ihr das extra mitteilte, fragte sie genauso wenig, wie sie gefragt hatte, warum er seine Familie über A´keburs Bindungspartner in Kenntnis gesetzt hatte.

Lakon wappnete sich auf die Begegnung mit A´kebur. Dieser war noch in seinem Quartier und saß buchstäblich auf einem gepackten Tornister, der seine persönlichen Sachen enthielt. Lakon wusste, dass es derselbe war, mit dem er vor nicht einmal zwei Monaten auf sein Schiff gekommen war. A´kebur stand auf, als er die kleine Kabine betrat.

"Bleiben Sie sitzen, A´kebur", wies Lakon ihn an und setzte sich dann selber. "Dies ist ein privates Gespräch." Er wusste für einen Augenblick nicht, wo er beginnen sollte, daher entschied er sich, einfach direkt auf den Punkt zu kommen, auf den es im Moment ankam. "Auf Vulkan wird sich Ihrer eine Hohepriesterin, meine Großmutter Lial, annehmen. Sie wurde bereits in Kenntnis gesetzt."

"Sie haben Ihrer Familie gesagt, dass ..." A´kebur stockte. "Warum tun Sie das, Sir?"

Lakon war sich sicher, wäre er ein Mensch oder ein anderes gefühlsbehaftetes Wesen gewesen, wäre er nun schrecklich nervös geworden bei seiner Antwort. So sagte er jedoch schlicht: "Weil meine Familie auch Ihre Familie ist. Bisher ergab sich keine emotional passende Gelegenheit, Ihnen dies mitzuteilen. Ihre Mutter T'Lera war meine Schwester."

A´kebur sah ihn stumm an. Erst nach einer ganzen Weile senkte er den Blick. "Daher haben Sie mir geholfen", stellte er schlicht fest, "weil Sie ..."

"Es war einer meiner Gründe", stimmte Lakon zu. "Vulkanier sind ihrer Familie immer verpflichtet. Gleichzeitig bin ich Starfleet verpflichtet. Also war es meine doppelte Verantwortung dafür zu sorgen, dass sich Ihre Verfassung bessert." Lakon sah A´kebur an, und zum ersten Mal begriff A´kebur, warum er selbst eigentlich blaue Augen hatte.

"Ich hoffe, Lial wird Ihnen auf Vulkan weiterhelfen können", erklärte Lakon.

A´kebur jedoch hörte nur ein Teil und dieser Teil gefiel ihm nicht sonderlich. "Sie sind Starfleet verpflichtet." Mit einem Kopfschütteln wandte sich A´kebur halb ab. "Danke!", erklärte er. "Ich komme allein zurecht. Der Abflug ist in einer halben Stunde. Sie haben sicher noch zu tun. Ich will Sie nicht abhalten."

Lakon stand auf. Auf seinem Gesicht zeigte sich nur für Sekundenbruchteile eine Regung. "Ich bedaure, dass ich Ihnen keine bessere Unterstützung sein konnte. Ich wünsche Ihnen alles Gute, A´kebur. Langes Leben und Wohlergehen."

"Ich hoffe nicht", meinte A´kebur nur. Er nahm seinen Sack auf und sah Lakon in die Augen, die seinen so ähnlich waren. Mehr Gemeinsamkeiten sah er nicht. Nur einen Vulkanier, der in Pflicht lebte und Gefühle als Hindernis ansah. So wie es aussah, hatte Lakon damit Recht, dass sie hinderlich waren - ihn möglicherweise sogar umbrachten. Aber A´kebur hatte nicht vor, sich deshalb von ihnen zu verabschieden. Wie ein Vulkanier zu leben, war kein Leben.

Lakon zögerte, dann nickte er - legte A´kebur kurz eine Hand auf die Schulter und verließ dessen Quartier.

A´kebur hörte seine Worte in sich: Du kannst deiner Ur-Großmutter vertrauen. Sie wird dir helfen. A´kebur konnte sich nicht erinnern, dass Captain Lakon ihn jemals persönlich angesprochen hatte.

Für einen Moment dachte er, dass Vulkanier doch nicht nur ihre Pflicht kannten. Dann schob er diesen Eindruck jedoch wieder weg. Er musste sich wieder darauf konzentrieren, Etiennes Schmerzen aufzunehmen. Die Romulaner starteten eine weitere ihrer "Sitzungen". Sein Gesicht war nur eine Maske, als er sein Quartier verließ. Er ging zu Shana, die ihn schon erwartete. "Ich bin soweit", verkündete er.

Diese nickte. "Dann los! Der Frachter wartet nicht ewig." Als sie zusammen den Gang Richtung Transporterraum gingen, fragte sie: "Was hat der Captain noch von Ihnen gewollt?"

A´kebur überlegte, ob er es verschweigen sollte. Aber sicher würde es Shana so oder so erfahren. "Captain Lakon ist der Bruder meiner Mutter", fasste er daher präzise das Gespräch zusammen.

"Was?" Die Andorianerin riss die Augen auf und blieb stehen, als wäre sie vor eine unsichtbare Mauer gelaufen. "Haben Sie das gewusst? Aber wieso ... Vulkanier, versteh die einer!"

"Woher soll ich das gewusst haben?", meinte A´kebur nur halb so bissig wie sonst. "Und ich verstehe keine Vulkanier."

"Das tröstet mich fast. Oh Mann, ist das eine verrückte Geschichte. Ich hoffe nur, wir beide drehen auf Vulkan nicht durch. Wir müssen uns wohl gegenseitig davon abhalten." Sie musterte A´kebur von der Seite, wieder ernst geworden. "Wie geht es Etienne?"

"Er ist noch bei Bewusstsein. Können wir etwas vereinbaren?"

"Was?"

"Fragen Sie mich nicht mehr nach ihm. Ich bin zu einem Teil bei ihm, zu einem Teil hier. Manchmal versuche ich es zu vergessen, damit Sie mich nicht noch einmal betäuben müssen."

Shana senkte den Kopf. "Es tut mir leid. Ich werde nicht mehr fragen. Aber bitte sagen Sie mir, wenn ich irgendwas für Sie tun kann - als Ärztin oder als Freundin. Versprechen Sie mir das dafür?"

A´kebur lächelte. Vielleicht zum ersten Mal, seit sie sich gesehen haben. "Ich denke, dass ich das versprechen kann."

Erleichtert lächelte Shana zurück. "Gut, dann sind wir uns ja einig. Und jetzt sollten wir zusehen, dass wir nach Vulkan kommen. Je eher wir da sind, umso schneller können wir da auch wieder weg!" Zielstrebig stapfte sie los.

05

 

Die Schwerkraft war wie ein Schlag, der sie in den Boden rammte. Der zweite Schlag war die unverstellbare Hitze. Sie war so trocken, dass allein die bloße Luft das Gefühl vermittelte, nicht genug trinken zu können.

A´kebur stemmte sich instinktiv gegen das Gewicht dieses Planeten und streckte seinen Rücken. Shana neben ihm keuchte. Aber ihr machte die Hitze insgesamt mehr zu schaffen. Die Schwerkraft kam höchstens als ein weiteres Übel hinzu.

"Wie kann man überhaupt hier leben?", ächzte sie. "Vulkan ist genau das, wonach nach er heißt: Ein Vulkan! Was gäbe ich jetzt für die Gletscher von Andoria." Sie sah sich um und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Der Raumhafen sah aus wie jeder andere auch. Eine riesige Kuppel wölbte sich über ihnen. Das Glas polarisierte und bündelte jedoch das Sonnenlicht nicht, sondern vielmehr filterte es, so dass das Licht nur noch mit geringer Kraft hineinschien. A´kebur hatte daher das ungute Gefühl, dass es außerhalb des Raumhafens noch heißer sein würde. "Halten Sie es aus?", fragte er Shana.

"Ich werde es wohl müssen", gab sie zurück. "Angeblich ist ja alles Gewöhnungssache, und auf der Sovk bin ich auch klargekommen. Aber irgendwelche anstrengenden Tätigkeiten werde ich hier sicher nicht verrichten, sondern schön in schattigen Räumen mit meinen Daten bleiben." Sie tippte auf ihren kleinen Koffer, in dem sie ihre Arbeit mitgebracht hatte. "Wissen Sie, wo wir jetzt hin müssen, A´kebur?", fragte Shana.

"Aus dem Hafen raus. Dann nehmen wir einen Transporter", schlug er vor. Er schulterte Shanas Gepäck und bedeutete ihr vorzugehen.

"Na schön. Aber ich will nicht länger in diesem Backofen verbringen müssen als unbedingt nötig."

Die beiden verließen das Gebäude, und wie erwartet, schlug ihnen glühendheiße Luft entgegen. Die elegante, symmetrische Skyline der Stadt hob sich von den rötlich schimmernden Ebenen und schroff abfallenden Felsen ab.

Dieser Teil der Stadt war vergleichsweise neu, so wusste A´kebur. Man hatte einen geeigneten Platz außerhalb des historisch gewachsenen Kerns gesucht, um den Raumhafen zu bauen. Die älteren Häuser Vulkans waren weitaus flacher gehalten und aus dem roten Stein, der fast auf dem gesamten Planeten zu finden war, erbaut worden. Auf einem Holobild hatte A´kebur diese oder ähnliche Häuser gesehen. Sie waren mitunter kaum von den roten Felsen zu unterscheiden. Dafür jedoch erfüllten sie einen Zweck: sie kühlten das Innere. Zusätzlich leiteten geschickt angelegte Windkorridore den heißen Wüstenwind um, kühlten sich ab und entzogen dem Hausinneren und mitunter auch einem geschützten Innenhof die Wärme. Selbstverständlich war es dann noch lange nicht so kühl, wie Shana es brauchte, aber weitaus erträglicher als das, was sie jetzt ertragen musste.

Doch sie hatten auch Glück im Unglück. Vor dem Eingang des Raumflughafens stand neben den öffentlichen Transportern auch ein privater, und als der Fahrer A´kebur und Shana sah, kam er auf sie zu und begrüßte sie auf gewohnt vulkanische Art.

"Fähnrich A´kebur und Dr. Shana, die Hohepriesterin Lial hat mich beauftragt, Sie abzuholen."

A´kebur versuchte erst gar nicht, den Gruß zu erwidern. Er nickte nur knapp.

Der Fahrer öffnete den Kofferraum und verstaute das Gepäck.

Shana stieg schon ein. Wenigstens fünf Grad weniger begrüßten sie. Es war nicht viel, aber der Unterschied zu der gefühlten Temperatur, außen wie innen, war enorm. Sie seufzte erleichtert.

A´kebur stieg zu ihr. Er hatte sich auf dem Flug nach Vulkan über seine Familie informiert. Auch wenn er bisher ihren Weg gemieden hatte, so würde er sich jetzt nicht die Blöße geben und nicht zumindest Gesichter und Namen zu kennen. Am Anfang war es ihm schwergefallen, sahen für ihn sich die meisten Vulkanier viel zu ähnlich.

Allerdings war die Zahl der momentan auf Vulkan anwesenden Mitglieder seiner Familie überschaubar: Seine Urgroßmutter Lial als Familienoberhaupt, ihr Sohn Loran und dessen Frau Amaris und deren gemeinsame Kinder. Sie waren etwa in A´keburs Alter und damit nach vulkanischen Maßstäben noch Jugendliche.

A´kebur hatte sich bei den Bildern gefragt, ob er auch noch als Jugendlicher zählte. Und ob er auch so alt wurde wie ein durchschnittlicher Vulkanier.

Aber diese Fragen wurden verdrängt von dem, was ihm bevorstand. Es war ein seltsames Gefühl, seiner Großmutter zu begegnen. Vielleicht sah er auch seine Mutter. Aber vor dieser Begegnung fürchtete er sich.

Er kannte sie nur als eine Frau, die ihn kaum angeschaut hatte. Sie war die Frau, die ihn geboren hatte. Seltsamerweise hatte er über ihren Aufenthaltsort nichts finden können. Aber er nahm an, dass sie zu ihrer Familie zurückgekehrt war. Schließlich hatte sie Qo’noS verlassen, als er noch ein Kind gewesen war und er ihr unmissverständlich klargemacht hatte, dass er ein Klingone sei und nicht mit ihr gehen würde.

A´kebur übte sich in Geduld, die ihm nicht leicht fiel. Er musste abwarten, wie sich die Dinge entwickelten.

Die Fahrt dauerte nicht allzu lange und für Shanas Geschmack mussten sie viel zu früh wieder die angenehme Kühle des Wagens verlassen. Vor ihnen erstreckte sich ein großes, schlichtes Anwesen aus rotem Stein, das trotz fehlenden Schmucks Eleganz und Reichtum ausstrahlte. Es lag außerhalb der modernen Stadt. Das Anwesen strahlte Beständigkeit aus.

Nach der Art der traditionellen, vulkanischen Architektur war das Anwesen ein- bis anderthalbstöckig und damit wohl etwas jünger als die ganz alten Häuser Vulkans. Die Wände waren dick, um die Hitze außen zu halten und rot, wie A´kebur es auf den Holobildern gesehen hatte. Die Dächer waren in einem flachen Winkel gehalten.

Einen typischen Garten wie er auf der Erde üblich war, gab es hier nicht.

A´kebur hatte in seiner Kindheit ein paar Gärten auf Qo’noS gesehen. Aber so etwas gab es auf seiner klingonischen Welt eher selten und waren eher praktischer Art, um Ergänzungen für die Küche zu liefern.

Der Wagen hielt in der Auffahrt vor einer großen, schwarzen, polierten Holztür. A´kebur konnte Schnitzereien erkennen. Soviel Reichtum hatte er noch nicht erwartet, denn Holz war kostbar auf Vulkan und neben Wasser eines der am meisten importierten Güter.

Ihr Fahrer klopfte auf irgendwie rituell anmutende Weise und die Tür wurde geöffnet. Eine weißgekleidete Vulkanierin mittleren Alters öffnete ihnen und begrüßte sie. A´kebur sortierte sie ganz richtig als seine Großmutter Amaris ein, die Mutter seiner Mutter und die Lakons. Es gab noch eine weitere Tochter. Ihr Name war Lwar. "Langes Leben und Wohlergehen. Tretet ein und seid willkommen", begrüßte Amaris sie traditionell und führte sie ins Haus, um ihnen dort einen Platz an einem großen Tisch an. Eigenhändig goss sie Wasser in zwei Gläser ein und bot es ihren Gästen an.

A´kebur und Shana wussten, dass das der Tradition entsprach. Jeder Gast wurde so begrüßt. Sei er ein Fremder, ein Bekannter oder ein Verwandter. Jemanden Wasser zu verweigern, war etwas Unerhörtes. A´kebur trank das Wasser. Es schmeckte aromatisch. Schwer. Aber fast hätte er sich verschluckt, als er Etienne spürte. Der Schmerz war delikater als das, was er in den letzten Tagen erlebt hatte. Hatte Toran noch immer nicht genug?

Offensichtlich nicht. Aber warum quälte er Etienne überhaupt? Einfach nur aus perverser Lust, aus Rache oder weil etwas Bestimmtes von ihm wollte? A´kebur wusste es jedenfalls nicht. Er hoffte nur inständig, dass es bald ein Ende nehmen würde.

Amaris sah ihn scharf von der Seite an, als hätte sie etwas davon mitbekommen und erklärte dann: "Lial wird euch gleich empfangen. Bitte folgt mir!"

A´kebur sah Shana an. Er nickte ihr zu. Irgendwie begann er sich um die Andorianerin Sorgen zu machen. Jemanden auf einen Wüstenplaneten zu bringen, der von einem Eisplaneten stammte, grenzte an Folter.

Selbst er hätte ohne Grund das niemanden angetan, auch wenn er wusste, dass es einige Völker gab, die seinem Volk diese Barbarei zugetraut hätte. Unnötige Grausamkeit gegenüber Schwachen war eines Klingonen nicht würdig. Entweder man erlöste dieses Wesen aus seinem Leid oder ignorierte es und ging seiner eigenen Wege. Es musste einen Grund geben, warum Lakon auf Shanas Begleitung bestanden hatte. A´kebur konnte sich nicht vorstellen, dass er als Vulkanier weniger Anstand besaß als ein Klingone.

"Geht es?", fragte er für seine Art ungewöhnlich sanft und geduldig. Er wusste, wie er klang. Aber es war viel geschehen und die Ereignisse begannen ihre Spuren in ihm zu hinterlassen und schufen dabei tiefe Gräben in seinem Wesen.

Shana hatte ihre Fühler etwas eingezogen und tupfte sich die Stirn ab. "Wie gesagt, ich muss mich einfach erst eingewöhnen. Danke." Etwas zögernd setzte sie hinzu: "Wir sind hier nicht im Dienst, und überhaupt, könnten wir die Förmlichkeiten nicht beiseitelassen? Ich schätze, vor allen anderen Spitzohren hier werde ich noch genug die Form wahren müssen." Da Amaris bereits außer Hörweite war, konnte Shana sich ruhig trauen, das laut zu sagen.

A´kebur legte den Kopf schief. "Was meinen Sie?", fragte er begriffsstutzig, obwohl er dennoch verstand, was Shana wollte. Nur, warum jetzt? Die Vulkanier allein konnten es nicht sein. "Soll ich sagen, dass Sie ... du dich ausruhen musst."

"Das wäre vielleicht nicht schlecht. Und genau: "Shana" und "du". Das macht es doch einfacher, oder?" Shana brachte ihr typisches Lächeln zustande. "Geh du mal deine Urgroßmama begutachten, ich werde mich in den Schatten verkriechen."

"Vielleicht gibt es einen noch kühleren Raum", meinte A´kebur. "Ich werde fragen. Und dann sollten Sie wieder zurück aufs Schiff. Ich bin hier bei meiner Familie. Mir wird schon nichts mehr passieren."

"Tut mir leid, Captain Lakon hat mir Anweisung gegeben, hier zu bleiben. Die medizinischen Einrichtungen der vulkanischen Wissenschaftsakademie sind hervorragend und hier habe ich endlich genug Ruhe für ein paar Studien." Sie lächelte noch immer und gab sich kaum Mühe, diese sehr logischen und einleuchtenden Gründe nicht wie Ausreden klingen zu lassen. "Ich bleibe hier, und du", sie betonte das Wort, "bekommst mich hier auch nicht weg."

A´kebur zuckte mit der Schulter. "Dann viel Spaß beim Durchgaren", wünschte er in einem Anflug seiner bissigen Art. Er musterte sie kurz, dann ging er zu Amaris, die auf ihn gewartete hatte, um das Gespräch mit Shana zu beenden.

"Shana fühlt sich etwas müde", entschuldigte er seine Begleiterin.

Die Vulkanierin musterte die zierliche Andorianerin und nickte verstehend. "Bitte kommen Sie mit!" Und zu A´kebur gewandt: "Durch die Tür geradeaus. Lial wartet bereits."

A´kebur folgte der Aufforderung, nachdem er sah, dass sich Amaris wirklich um Shana kümmerte.

Das Haus war groß und es war kühl hier. Es war nicht so kühl wie auf dem Schiff, aber doch einiges angenehmer. Sein Ziel war ein Arbeitszimmer und als er eintrat, sah er sich einer geschmackvollen, teuren und sehr schlicht wirkenden Einrichtung gegenüber. Ein schwerer Schreibtisch aus dunklem, poliertem Holz beherrschte den Raum. Der helle Teppich darunter nahm zwar dessen Wucht, aber seine Bedeutung schmälerte er nicht. Unübersehbar davor stand eine groß gewachsene Vulkanierin. Sie war ganz in Weiß wie ihre Tochter gekleidet. Die weißen Haare wurden von einem Schleier bedeckt, so dass kaum zu entscheiden war, wo der Schleier anfing und ihre Haare begannen. Die Züge von Lial waren streng und zeugten von innerer als auch von äußerer Disziplin.

A´kebur ballte unwillkürlich seine Hand, schlug sie auf die Brust und grüßte sie. Seit langem war ihm dieses Bedürfnis, eine hochgestellte Persönlichkeit auf diese Weise zu begrüßen, nicht mehr gekommen, aber es schien ihm als die einzig angemessene Geste.

Lial hob die Hand im vulkanischen Gruß und nickte. Sie wirkte reserviert und würdevoll, aber nicht ablehnend. "Langes Leben und Wohlergehen, mein Urenkel. Willkommen auf Vulkan und in deiner Familie."

"Danke, dass Ihr mich willkommen heißt", erwiderte A´kebur. Nichts im Gesicht von Lial verriet ihm, was sie wohl von diesem barbarischen Akt seiner Ehrerbietung halten mochte. Wahrscheinlich war es jedoch so, dass sie es stoisch hinnahm, wie Dinge, die eben unvermeidlich waren.

Lial nahm an einem niedrigen Tischchen in einer Ecke Platz und winkte A´kebur, sich zu ihr setzen. "Ich würde nie ein Mitglied der Familie nicht willkommen heißen", erklärte sie. "Es ist höchst akzeptabel, dich hier zu sehen. Wie mir Lakon berichtete, hast du einige Schwierigkeiten, bei denen wir dir helfen könnten."

A´kebur sah sie überrumpelt an, aber Vulkanier kamen wohl immer gleich aufs Thema, wenn es sich nicht anders vermeiden ließ. Er setzte sich zu ihr. Ihre Augen waren lebhafter, als er angenommen hatte und sie wirkten hell, wenn auch nicht von so einem intensiven Blau wie die seinen oder die Lakons.

"Es gibt ein Problem mit meinem Bindungspartner, ehrenwerte SoSnI''a' [1], bestätigte er.

Lial schien das klingonische Wort für Urgroßmutter geläufig zu sein, denn sie nickte nur.

"Wenn ich Lakon recht verstanden habe, dann willst du diese Bindung wieder lösen, weil sie unabsichtlich geschlossen wurde?", vergewisserte sie sich.

"Es geschah unbeabsichtigt. Das ist richtig. Zudem kann ich nicht mit ihm zusammen sein."

Lial musterte ihn. "Solche Bindungen sind keine leichtfertig geknüpften, emotionalen Bande wie eine Beziehung bei anderen Völkern. Gedankenverschmelzungen können unwissentlich und sogar gegen den Willen einer Person ausgeführt werden, aber einen Bindungspartner zufällig finden, ist sehr unwahrscheinlich. Bist du wirklich sicher, dass es ohne eure Absicht geschah? Selbst unbewusst? Eine Katra erkennt die andere."

A´kebur sah sie offen erstaunt an. "Was meint Ihr mit Katra, SoSnI''a'?"

"Der Begriff ist nur schwer übersetzbar. Am nächsten käme Seele oder Geist, auch wenn diese Worte nicht die volle Bedeutung ausschöpfen", erklärte Lial. "Die Katra überdauert den Tod des Körpers und lebt ewig. Und sie ist immer auf der Suche nach ihrem fehlenden Gegenstück. Deswegen haben wir Vulkanier zumeist nur einen Bindungspartner für ein ganzes Leben."

"Und Etienne könnte mein Bindungspartner sein, der meiner Katra entspricht, richtig?", fasste A´kebur den Schluss und verstand die Tragweite dessen, was damit verbunden war. "Ich kann mich vielleicht nie von ihm trennen, auch wenn es sinnvoll wäre."

"Es ist möglich, so eine Bindung zu trennen, aber weder ratsam noch ungefährlich. Und solange ihr beide es nicht wirklich wollt, sollte die Bindung bestehen bleiben." Als hätte sie A´keburs Gedanken erraten, fügte Lial noch hinzu: "Außerdem hat eine Bindung viele Vorteile, nicht nur Nachteile, wie du vielleicht denkst. Man kann sich gegenseitig Kraft geben und ist gemeinsam stärker."

"Im Moment kann ich nur zusehen, wie er gefoltert wird", flüsterte A´kebur bitter.

Die scharfen Augen der alten Vulkanierin schienen ihn zu durchbohren. "Du kannst ihm helfen, wenn du es willst. Es ist nicht schwer. Du musst nur zulassen, dass das Band, das euch verbindet, größer wird. Dann kannst du seinen Schmerz in dich aufnehmen und ihm deine Stärke geben. Aber dich wird es schwächen."

A´keburs Augen verdunkelten sich. "Was muss ich machen?", fragte er knapp. Sein Ton duldete keine Verzögerung. Lakon hatte ihm das Wissen verweigert, wenn er auch zweifellos gute Gründe hatte. Lial streckte eine Hand nach ihm aus und berührte ihren Urenkel leicht an der Schläfe. "Schließ die Augen und denke an ihn! Greife hinüber über Raum und Zeit und sei bei ihm, sei ER. Geteilter Schmerz sei halber Schmerz ..."

A´kebur riss die Augen auf und schnappte nach Luft. Es war so einfach und so schwer zugleich. Er war Etienne. "Ein Herz, ein Geist, eine Seele", flüsterte er. Der Schmerz war überwältigend. Was es war, konnte er nicht sagen. Aber er fühlte Etienne. Es war Instinkt, der ihn leitete. Er berührte ihn, nahm den Schmerz, dann war nur noch Dunkelheit um ihn.

 

A´kebur erwachte irgendwann in einem Zustand relativer Raum- und Zeitlosigkeit. Rasende Kopfschmerzen spalteten seinen Schädel, nur gemildert durch ein kaltes Tuch auf seiner Stirn. Er lag auf einem großen Bett und rötliches Abendlicht schien schräg durch ein Fenster. Neben ihm saß Shana und musterte ihn besorgt.

Er blinzelte, um seine Sicht zu klären. "Sie sehen besser aus, als ich mich fühle", flüsterte er.

Die Andorianerin grinste schief. "Und du siehst garantiert schlimmer aus, als du dich fühlst, wenn du mich schon wieder ärgern kannst", gab sie sichtlich erleichtert zurück. "Lial meinte, wir sollten dich einfach ausruhen lassen. Du bist wohl einfach nicht vorbereitet gewesen."

"Ich bin wohl in vielen Dingen nicht vorbereitet. Damit werde ich leben und ich werde lernen, Shana", versprach er und erinnerte sich daran, dass sie ihm das Du angeboten hatte.

Sie nickte. "Ich habe mich lange mit Lial unterhalten und sie gefällt mir. Ich arbeite schon lange mit Vulkaniern zusammen, aber sie scheint etwas Besonderes zu sein. Ich denke, man kann ihr auf jeden Fall vertrauen. Oh, und ich habe den Rest der hier anwesenden Familie kennengelernt, während du geschlafen hast. Dein Großvater Loran hat definitiv etwas gegen deine Anwesenheit hier, fürchte ich."

A´kebur grinste und zeigte seine beeindruckend weißen Zähne, die in einem noch beeindruckenderen Kiefer steckten. "Es wird mir ein Vergnügen sein, ihn zu treffen", meinte er und setzte sich vorsichtig auf. "Ich weiß nicht, ob ich Etienne helfen konnte. Aber ich hoffe, dass ich es wieder kann."

"Lial hat das Band zwischen euch überprüft und sagte, du hättest ihm definitiv geholfen. Ich schätze, Toran hast du den Spaß gründlich verdorben." Sie legte die Fühler an. "Ich hoffe, Captain Lakon kann ihn schnell befreien. Ich wünsche euch wirklich nur das Beste."

A´kebur hob eine Augenbraue. "Er ist mein Katra - er entspricht meiner Seele - sagt sie."

Ehe er weitersprach, entdeckte er eine Karaffe mit Wasser. Mit großen Zügen löschte er seinen Durst und sah dann Shana an. "Sie kann uns nicht trennen. Wie ich mein Glück kenne, ganz sicher nicht. Aber sag mir: Was mache ich mit einem menschlichen Piraten? Ich habe selbst keinen Platz in dieser Welt. Nirgendwo willkommen. Ich bin weder als Klingone genug, noch als Vulkanier."

Shana nahm sich ebenfalls ein Glas Wasser und überlegte. Sie hatte sich inzwischen den Temperaturen entsprechend angezogen und trug ein luftiges, dünnes Kleid und sah, wie A´kebur schon bemerkte, eindeutig besser und weit erholter aus. "Nun, ich weiß noch zuwenig von dir und so gut wie nichts von deinem Etienne, aber ich glaube, die Galaxis ist groß genug, dass es für jeden einen Platz gibt. Und wenn nicht auf einem Planeten, dann auf einem Raumschiff. Und manche Leute sind einfach nicht für feste Orte geschaffen. Sie tragen ihr Zuhause im Herzen."

"Das ist äußerst poetisch. Ich wusste nicht, dass du so denkst." A´kebur richtete sich auf, um sich zu strecken. Er fühlte Etienne nicht. Aber er war nicht tot. Dessen war er sich sicher. "Wo ist Lial?", fragte er.

"Sie meditiert, glaube ich, hinten im Garten. Das hier ist übrigens dein Zimmer. Dem Wetter angemessene Sachen findest du da drüben im Schrank. Deine Cousine T'Lis war übrigens so nett und hat mir das Kleid hier geliehen. Sie wollte sich zwar nichts anmerken lassen, aber sie hat mich doch sehr neugierig über alles ausgefragt, was mit Raumfahrt zu tun hat. Ich wette, sie wird dich auch noch belagern, auf höfliche, vulkanische Weise, versteht sich." Shana grinste.

"Magst du sie?", fragte A´kebur sie mehr als nur rhetorisch und ging zum Schrank. Tatsächlich war wüstengeeignete Kleidung darin. Alles in weiß oder in ungebleichten, hellen Stoffen. Sie waren leicht und fingen den Wind. Damit kühlten sie auf angenehme Weise ihren Träger.

A´kebur zog sich ungeniert seine Uniform aus und nahm eines dieser langen, weißen Gewänder. Damit sah er zwar einem Vulkanier ähnlich, aber es war einfach nur Dummheit, nicht die Erfahrungen der Einheimischen zu beachten, um nicht wie sie aussehen zu müssen.

Shana blickte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen ungeniert an und wandte sich dann ganz schnell mit dunkelblauem Gesicht ab. "Ja, T'Lis ist nett. Noch nicht so steif und kühl wie die Erwachsenen. Du wirst sie sicher mögen. Oh, und sie sieht dir sehr ähnlich."

A´kebur wandte sich um. "Ich werde sie mögen und sie sieht mir ähnlich. Aha... Und warum schaust du jetzt so merkwürdig aus?"

"Was? Ich? Wieso?" Shanas Fühler zuckten, und ihre Gesichtfarbe wurde eine Nuance dunkler.

A´kebur sah an sich herunter und dann sah er sie an. "Ich wusste nicht, dass du auf Männer stehst, die nicht blau aussehen", kommentierte er dann trocken.

Die Andorianerin zog den Kopf ein und murmelte etwas, dass wie "was ziehst du dich auch vor mir um" oder auch "das geht dich nichts an" klang, aber dann griff sie unvermittelt ein Kissen vom Bett und warf es A´kebur ins Gesicht.

Der fing es auf und lachte. Shana musste zugeben, dass dieses Lachen ansteckend war. Und es verursachte ihr angenehme Schauer.

"Ich wüsste nicht, was an mir anders als an anderen Männern ist, die du schon mehr oder wenig bekleidet gesehen hast. Schließlich bist du die Ärztin und außerdem war ich nicht nackt", stellte A´kebur klar und warf das Kissen zurück.

Shana fing es auf und pfefferte es gleich wieder zurück. "Trotzdem! Spar dir deinen Luxuskörper für deinen Etienne auf und gib damit nicht vor anderen an! Ich bin ja gut erzogen, aber gib hier keinen Grund zur Veranlassung!", erklärte sie halb scherzhaft, halb ernst. Natürlich wusste Shana, dass A´kebur für sie völlig unerreichbar war, aber ihr Volk war dafür bekannt, dass die Frauen nicht mit ihren Absichten und erst Recht nicht mit ihren Ansichten zurückhaltend waren. Außerdem tat es gut, mal etwas Dampf in dieser feierlichen, vulkanischen Atmosphäre abzulassen.

"Ich gebe nicht an", stellte A´kebur klar. Er kam näher und ließ das Kissen auf das Bett fallen. "Und ich gehöre nicht Etienne."

"Du weißt, was ich meine. Du gehörst nicht ihm, aber zu ihm. So wie er zu dir. Und niemand bei Verstand wird versuchen wollen, dazwischen zu treten. Ich wollte nur deine Laune bessern." Sie stand auf. "Ich werde mich mal an meine Arbeit machen, damit ich mich gar nicht erst ans Untätigsein gewöhne. Mein Zimmer ist übrigens im Westflügel vom Haus, ungefähr einen halben Kilometer in die Richtung." Sie kicherte. "Den Rest deiner Familie findest du im Garten, falls du neugierig bist."

A´kebur war es eigentlich nicht, aber er wollte Lial sehen. Was er sich noch fragte, war der Umstand, woher eigentlich Shana die Gewissheit für ihre Worte nahm. Schließlich steckte sie ja nicht in seinem Kopf. Aber er schwieg darüber, sondern sagte nur: "Ich hoffe, sie haben bei dir wenigstens einen Klimaregler eingebaut." Auf eine Antwort wartete er nicht. Er lächelte sie, so hoffte er, aufmunternd an und ging. Shana legte die Fühler nach hinten und spürte dem flauen Gefühl in ihrer Magengegend nach.

Bei dem Mann konnte man schwach werden, musste sie sich eingestehen. Aber mehr als für einen kleinen Bruder empfand sie dennoch nicht. Sie mochte diesen aufbrausenden, vulkanischen Klingonen. Dieses Lachen wollte sie darüber hinaus jetzt öfter hören. Und das war es, was sie sich vornahm. Vulkanier hin oder her.

Was wussten die schon von einem herzhebenden Lachen?

Gar nichts!

 

A´kebur folgte seiner Vermutung, wo er den Garten finden konnte, der so gar nichts mit irdischen oder klingonischen Gärten zu tun hatte, und fand den Ausgang nach einigen Türen.

Steinpflanzen, Flechten, dornenbewehrte Sträucher und vor allen Dingen markante Steine waren an einem verschlungenen Pfad angeordnet und Plastiken und Lauben aus hellen Sandstein arrangiert worden und schufen durch eine geschickte Aufteilung intime Bereiche, wo man sich ungestört zurückziehen konnte. Es war wirklich kein Garten Eden, vielmehr das verzerrte Spiegelbild dazu.

Dennoch konnte man diesem Bereich des Anwesens nicht die Ästhetik absprechen. Dem Gärtner war bei dessen Pflege jedoch sicherlich mehr als einmal die Kleidung an den wehrreichen Sträuchern hängengeblieben.

A´kebur folgte dem Pfad.

Alles war akkurat. Selbst die Sandstreifen waren fein geharkt worden, so dass Linien und Muster zu sehen waren.

A´kebur hatte Gärten auf der Erde gesehen, die ein ähnliches Konzept verfolgten und einer generationenalten Tradition folgten – gefertigt von Menschen, die wie Nagano aussahen, und damit anders als die, die er das erste Mal zu sehen bekommen hatte. Doch man verwendete dort auch noch viele grüne, rote und gelbe Büsche und Bäume, die ihm nicht selten gerade bis zum Knie gereicht hatten. A´kebur hatte diese Art Gärten damals als nicht minder exotisch empfunden. Es war eben merkwürdig, einen Ort zu sehen, in den Geld, Energie und Zeit gegeben wurde, der allein dem Anblick diente. Später hatte er gehört, dass es auch in seiner Kultur Gärten dieser Art gab. Sie dienten rein repräsentativen Zwecken und hatten die Besucher zu beeindrucken – nicht ihnen zu gefallen. Alles andere, was die Bezeichnung Garten verdiente, hatte bestimmten Zwecken zu folgen, die allein durch die Ernährung bestimmt wurden.

Aber Menschen mit ihren Gärten waren sowieso äußerst seltsam, auch wenn sie nicht das einzige Volk waren, die Gärten einfach so pflegten. Verständlich war das alles nicht. Doch es verriet einiges über die Dekadenz der Menschen und der anderen Völker, die es ähnlich hielten. Zwei Völker wie die Klingonen und die Menschen konnten in ihrer Auffassung von Lebensart nicht unterschiedlicher sein - bis auf die Vulkanier vielleicht noch. Aber diese Aspekte vereinte er ja in sich und jetzt durfte er auch noch hautnah erleben, was es mit vulkanischer Lebensart auf sich hatte.

Lial fand er in einer Art Höhle. Hier war es genauso warm wie im Wüstenwind, der sich in der heraufdämmernden Nacht erhoben hatte. Vielleicht sogar noch wärmer, weil der Wind nicht den Schweiß auf der Haut verdunsten ließ und so den Körper kühlte.

"Ehrenwerte SoSnI''a' ", grüßte A´kebur seine Großmutter.

Die alte Vulkanierin blieb noch ein paar Augenblicke regungslos sitzen, dann öffnete sie die Augen und sah ihren Urenkel an. "Dir geht es besser", stellte sie fest. "Ich hätte dich besser vorbereiten müssen."

A´kebur neigte leicht den Kopf. "Ich werde es überleben", meinte er. "Was können Sie machen, damit ich keine weiteren Probleme haben werde? Captain Lakon meinte, Sie könnten mir helfen."

Lial stand elegant auf. "Es bedarf viel Disziplin, innerer Ruhe und Übung", erklärte sie. "Und es wird Zeit brauchen, da du nicht von Kindesbeinen an unsere Lebensweise gewöhnt bist. Ein Teil dieser Lebensweise ist nur darauf ausgerichtet, den Geist zu stärken und zu disziplinieren. Für Telepathen ist das eine der wichtigsten Säulen ihrer Ausbildung."

A´keburs Blick deutete Abneigung an. "Muss ich also ein Vulkanier werden, um es zu schaffen. Was ist, wenn ich das nicht will?"

"Niemand kann zu etwas werden, das er nicht ist. Ich wollte dich nur vorwarnen, dass es nicht einfach werden wird. Ich kann dir keine sofortige Lösung anbieten." Lial ging langsam den Kiesweg entlang und deutete A´kebur, ihr zu folgen. Dieser legte seine Hände auf den Rücken und hielt respektvoll Abstand. Ihm entging nicht, dass allein die Nähe dieser Frau ihn ruhiger werden ließ. Zu seinem Erstaunen vertraute er ihr vollkommen. Es war ein seltsames, aber auch angenehmes Gefühl. "Also kann ich es lernen", fasste er schlicht seine Gedanken zusammen, die sich um die wenigen Informationen drehten, die Lial ihm gab.

"Ja." Lial deutete auf ein paar Steine, die zwischen den Pflanzen verteilt lagen. "Es gibt ein altes Sprichwort bei uns: Ganz gleich, wo man im Garten sitzt, man kann nie alle Steine sehen." Sie musterte A´kebur. "Vielleicht solltest du jeden Tag hier draußen meditieren", schlug sie vor.

A´kebur sah sich um. "Ist nicht jeder Ort so gut wie der andere?", fragte er sie erstaunt.

"Nein." Die alte Vulkanierin wirkte einen Moment so, als würde sie lächeln wollen ob dieser unbedarften Ansicht. "Die Umgebung kann der Meditation sehr förderlich sein oder sie behindern. Auch gibt es für bestimmte Meditationen bestimmte Umgebungen. Versuch es hier im Garten!"

"Gut, ich werde hier meditieren. Captain Lakon hat mit mir trainiert. Werdet Ihr das auch mit mir tun?"

"Er hat mir schon berichtet. Ich denke, es ist besser, wenn du dich erst in dir selber festigst, bevor wir weiteres unternehmen. Konzentriere dich auf dich selber, bevor du den nächsten Schritt machst." Lial blieb stehen und studierte die Steinformationen im Garten.

A´kebur wollte aufbegehren. Was war mit Etienne? Er konnte doch nicht einfach hier sitzen! Etienne wollte nichts mit ihm zu tun haben. Das war es, was er akzeptieren konnte. Aber er war unfreiwillig bei diesem Romulaner Toran.

A´kebur spannte seine Muskeln, unterdrückte jedoch die aufkeimende Anspannung in sich. Als hätte seine Urgroßmutter diese Gedanken gehört, erklärte sie: "Du wirst deinem Partner besser helfen können, wenn du selbst gefestigt bist. Aber erwarte nicht zuviel auf einmal. Ihr werdet beide Zeit benötigen. Aber da er dein Partner ist, bedeutet auch, dass er dir genauso viel geben kann wie du ihm. Im Augenblick mag es für dich nicht so aussehen, aber mit der Zeit wird es sich so ergeben. Solch ein Band ist keine sehr logische Sache, aber nichtsdestotrotz von großer Bedeutung. Er ist dein T'hy'la, dein Seelengefährte."

A´kebur fand den Umstand amüsant, dass es ausgerechnet die Vulkanier waren, die ein Konzept von einer Beziehung hatten, die sich der Logik entzog. Und sie konnten dabei sogar noch ernst und würdevoll aussehen. Aber dieser Spaß verflog, wenn er sah, welche Auswirkungen es bei ihm hatte. Er lehnte sich an den Stein hinter seinem Rücken und überlegte. Etienne konnte er immer noch nicht spüren. Langsam begann er sich Sorgen zu machen. Selbst wenn er nicht tot war, so musste er doch schon lange wieder bei Bewusstsein sein.

Wo bist du, Etienne, fragte er leise in Gedanken.

Die Antwort kam ebenso prompt wie unerwartet. Keine Worte, nur ein diffuser, verwirrter Gedankenstrom, überlagert von Müdigkeit und dumpfem Schmerz, aber keiner akuten Qual.

Offensichtlich hatten die Romulaner vorerst die Lust verloren. A´kebur? Ach was, ich halluziniere ...

A´kebur lächelte. Aber wohlweislich sagte er nichts. Etienne befand sich auf gefährlichem Gebiet. Es war besser, niemand wusste von dem, was sich in dessen Kopf abspielte. Er konzentrierte sich daher auf etwas anderes: Er nahm einen Teil der Schmerzen in sich auf, genauso wie die Verwirrung.

Diesmal war er besser vorbereitet, und so überrannten ihn die Eindrücke nicht. Sein Kopf dröhnte, aber es war erträglich.

A´kebur fühlte, wie es Etienne besser ging, dieser es sich aber nicht erklären konnte.

Er legte den Kopf in den Nacken, als er wieder bei sich war. Sein Mund fühlte sich trocken an und seine Muskeln schmerzten. Er fühlte sich, als hätte man ihn zu Hackfleisch verarbeitet. Im Moment wollte er lieber nicht wissen, was die Romulaner mit Etienne angestellt hatten oder wie dieser das ertrug, um so zu fühlen. Und er wollte auch nicht darüber nachdenken, dass dieser Zustand für unbestimmte Zeit anhalten würde, falls die Diplomaten sich nicht beeilten.

Lial hatte A´keburs innerem Kampf stumm zugesehen und enthielt sich weiterer Worte. Sie hatte gesagt, was es zu sagen gab, und alles Weitere brauchte mehr Zeit.

A´kebur sah sie an, als er wieder dazu in der Lage war. "Muss ich irgendeine Technik erlernen?", fragte er, als sie ihn weiterhin schweigend betrachtete.

Lial nickte. "Es gibt viele Techniken und Vorgehensweisen, und ich werde dich einige davon lehren. Aber noch nicht jetzt. Ich möchte dich aber bitten, für den Rest des Tages hier draußen zu meditieren und beim Abendessen den Rest der Familie kennenzulernen. Bereite dich also vor!" Mit diesen Worten ließ sie ihren Urenkel allein in dem großen Steingarten zurück und schritt geräuschlos zum Haus.

A´kebur seufzte lautlos. Wahrscheinlich brauchte er wirklich Vorbereitung, um einer kompletten vulkanischen Familie begegnen zu können.

Seiner vulkanischen Familie!

So richtig willkommen wusste er sich im Augenblick nur von Lial. Aber ob das auch wirklich der Fall war, würde sich noch zeigen müssen. Shana hatte ihn auf ein spezielles Mitglied vorbereitet. Nur wie sich ganz allgemein vulkanischer Ablehnung von vulkanischer Freundlichkeit unterschied, war noch etwas, was er lernen musste.

Was Familie überhaupt betraf, ob vulkanisch oder nicht, so wusste er diese nicht im Geringsten einzuschätzen.

A´kebur sah sich um, wo ihn Lial allein gelassen hatte. Eine niedrige Steinbank stand unter dem Schutz eines silberbraunen Busches. Die Hitze des Tages war drückend. Der Wind war zu warm, obwohl die Nacht eingebrochen war. Doch dann verstand er, dass die Steine die Wärme speicherten. Als er für einen Moment aus dem geschützten Kreis trat, spürte er die erste Kälte einer Wüstennacht in seinem Leben. A´kebur trat zurück, ließ sich auf einer Bank nieder und sammelte sich. Er wollte wenigstens versuchen, die Contenance zu bewahren, wenn er auf vulkanische Art herausgefordert wurde.

Von irgendwoher zirpten unter den Büschen Insekten oder Vögel - oder was es sonst hier gab. Die Schatten zwischen den Steinen, waren länger und tiefer geworden, da die Nacht in einer Wüste schnell hereinbrach und die kleinen, verborgenen Lampen nur wenig Licht schenkten.

Der Garten und speziell diese Höhle war wirklich ein friedlicher Ort. A´kebur atmete tief durch und versuchte, diesen Frieden in sich aufzunehmen, wie Lial ihm geraten hatte. Ganz so leicht war es nicht. Es gehörte nicht wirklich zu seinem Wesen. Aber er wollte Lial seinen guten Willen zeigen, daher gab er sich Mühe.

Als ihm nach einer halben Stunde die gespeicherte Wärme jedoch zuviel wurde, suchte er das kühlere Innere des Hauses aus. Der Weg zum Haus kühlte ihn dabei deutlicher ab, als es das Haus vermochte. Die Nacht in der Wüste war kalt, so wie der Tag heiß war. Es hatte nur wenig Zeit gebraucht, jedem ungeschützten Ort die Wärme zu nehmen. A´kebur fror und verspürte gleichzeitig einen quälenden Durst, daher hoffte er, noch ein wenig Kleidung, aber auch Wasser in seinem Zimmer zu finden.

Dort stand tatsächlich Wasser bereit und A´kebur trank, erfrischte sich ausgiebig und wechselte die Kleidung. Nun konnte er Shana vollends verstehen, die beschlossen hatte, permanent im Haus zu bleiben. Hier war es kühl am Tag und im Vergleich zur Nacht war es angenehm warm.

Bis zum Abendessen hatte er aber noch etwas Zeit. A´kebur hatte gelesen, dass Vulkanier sehr spät zu Abend aßen. Dann, wenn es ihres Erachtens kühl genug war. Eine Eigenart, die fast alle bekannten Wüstenvölker in diesem Universum vereinte.

Aber er hatte jetzt Hunger und zu seinem Bedauern machte ihm das sein Magen auch lautstark klar. Ohne einen wirklichen Plan machte A´kebur sich auf die Suche nach der Küche, auch wenn er damit rechnete, dass ihm das nur peinliche Begegnungen und Moment einbringen würde. Doch er war Klingone und daher war jeder Moment mit Vulkaniern zusammen eher ein Fall für einen Anthropologen, der ganz sicher daran seine helle Freude hatte. Trotzdem fragte sich A´kebur, für wie barbarisch ihn seine vulkanische Familie halten würde, wenn er sich mit Heißhunger über den spärlichen Salat auf seinem Teller hermachte?

A´kebur fiel erst jetzt ein, was Vulkanier aßen. So wie es aussah, würde er hier wohl elendig verhungern. Mit Fleisch brauchte er in der nächsten Zeit nicht zu rechnen, außer ihm gelang es, etwas aus der Wüste zu erjagen und wahlweise roh oder über einem Feuer geröstet zu verschlingen – was auch immer das jeweils für Tiere waren.

Ein paar dunkle Korridore und Räume später erreichte A´kebur sein Ziel: Eine helle und angenehm temperierte Küche voller duftender Kräuter in kleinen Töpfen.

Obst und Gemüse lagen bereit, um in akkurate und vermutlich in sehr wenig nahrhafte Formen gebracht zu werden. Am Tisch in der Mitte des Raumes saßen über jeweils einer Schale Suppe Shana und eine noch sehr junge Vulkanierin mit langen, zu einem komplizierten Zopf geflochtenen Haaren. Als sie sich zur Tür wandte, um den neuen Besucher zu begrüßen, sah A´kebur, dass sie genauso helle Augen hatte wie er selbst und Lakon. Sie ähnelten aber kaum denen von Lial.

So oder so, damit war sie wohl eindeutig eine Verwandte von ihm.

A´kebur erinnerte sich: Sie war seine Cousine T'Lis und die Tochter seiner Tante Lwar. Soweit A´kebur wusste, hielten sich ihr Gefährte gerade nicht auf Vulkan auf. Zudem gab es noch ein weiteres Kind dieser Verbindung. Einen Sohn mit Namen Liyas, der auf die vulkanische Akademie ging und heute Abend mit beim Essen dabei sein würde. A´kebur wusste, dass er nicht alle Familienmitglieder beim Abendbrot kennenlernen würde, aber er ahnte auch, dass es unter Umständen gut war, dass er nicht alle auf einmal antraf.

T'Lis` Blick war ein wenig neugierig, wenn sie es auch zu verbergen suchte Shana hatte ihn ja entsprechend vorgewarnt.

Vielleicht das Beste, was ihn noch erwarten konnte, meinte er pessimistisch. Er neigte leicht seinen Kopf zum Gruß. Das Mädchen nickte ebenfalls höflich, aber unter ihrer teilnahmslosen Maske konnte sie ihre Ungeduld nur schlecht verbergen. "Langes Leben und Wohlergehen, Cousin! Es stellt mich zufrieden, dich schon vor dem Familientreffen zu sehen. Ich hoffe, du wirst dir nicht allzu fremd hier vorkommen."

"Ich bin fremd", brummte A´kebur kurz angebunden und sah hilfesuchend Shana an. Diese löffelte jedoch nur lächelnd ihre Suppe weiter.

"Du wirst nicht lange fremd sein", beharrte T'Lis. "Meine Familie gewöhnt sich nicht schnell an Veränderungen, aber sie werden sich an dich gewöhnen."

"Warum sollte sie?", fragte A´kebur. Er sah dabei einigermaßen unhöflich auf die Suppe. Sie roch gut, auch wenn sie seiner Nase nach keinen Fetzen Fleisch enthielt. Er bevorzugte immer noch lebendiges Essen, nur das gab es auch in der Föderation eher selten. Wenigstens war aber Fleisch von allen möglichen Tieren und in allen gegarten oder rohen Zuständen zu haben. A´kebur fragte sich jedoch, wie lange ihn ein Teller Suppe satt machte.

Shana hatte Erbarmen mit ihm, stand auf und holte aus einem der hinteren Schränke einen Teller und tat ihm aus einem Topf auf, aus dem es so ähnlich wie Hühnchen roch. "Probier das mal! Die Vulkanier sind zwar Vegetarier, aber sie haben Vorsorge getroffen."

"Inwiefern?" A´kebur schnupperte misstrauisch. "Was ist das?"

"Ein hier ansässiger Vogel, wir nennen ihn Val'dra. Er ist bei anderen Völkern sehr beliebt", erklärte T'Lis und rümpfte dabei ein wenig die Nase angesichts des Fleisches. "Shana hat auch vorhin schon darauf bestanden, nicht nur von Pflanzen leben zu wollen."

"Da ist ein totes Tier drin?", fragte A´kebur und stippte den Fingern in die Suppe, um zu kosten.

Shana klopfte mit ihrem Löffel auf die Hand und sah ihn mahnend an. "Tu wenigstens so, als wärst du zivilisiert!" Aber sie schmunzelte.

A´kebur knurrte dunkel. Da es jedoch Shana war, riss er sich zusammen. Er nahm ihr den Löffel ab und setzte sich an den Tisch.

Einmal mehr wurde er unverhohlen neugierig von T'Lis gemustert - so sehr, dass sie ihre eigene Suppe und die Abscheu vor dem Fleisch vergaß. "Bist du auch schon auf so vielen Planeten und Raumschiffen wie Shana gewesen?", fragte sie ihn unvermittelt.

A´kebur wechselte mit Shana einen Blick ehe er antwortete: "Nein, ich bin nur ein einfacher Fähnrich und war bisher nur auf einer Raumstation. Die Sovk ist mein erstes Schiff", antwortete er wahrheitsgetreu.

"Aber es muss trotzdem ungeheuer faszinierend gewesen sein unter all den fremden Kulturen. Du musst mir unbedingt mehr davon erzählen, wenn du willst", fügte T'Lis sichtlich beschämt hinzu und verschanzte sich wieder hinter einem ausdruckslosen Gesicht.

A´kebur glaubte an ein Gewitter. Ein Vulkanier und voller Emotionen? "Sie sind unkonzentriert", murmelte er.

"Ich weiß. Lial ermahnt mich ebenfalls ständig und ich habe noch viel zu lernen. Mein Verhalten ist nicht logisch", gab die junge Frau zu.

"Und das ist kein Problem?"

"Doch, deswegen muss ich sehr auf mein Verhalten achten. Entschuldigt ihr mich? Ich werde noch etwas meditieren." T'Lis erhob sich sichtlich widerwillig und verließ die Küche.

"Ist die Kleine nicht süß?", kommentierte Shana lächelnd.

A´kebur brummte unwillig und schaufelte einen Löffel nach dem anderen in seinen Mund. Als er fertig war, fühlte er sich nicht wirklich gesättigter, aber ruhiger. "Lieben Sie... liebst du Frauen?", fragte er Shana.

Sie kicherte. "Hilfe, muss man denn sofort alles in Schubladen stecken? Wenn ich sage, dass du gut aussiehst, denkst du gleich, ich wollte was von dir. Wenn ich sage, deine Cousine ist niedlich, denkst du, ich wollte was von ihr! Ein vulkanischer Sehlat[2] ist auch ein ausgesprochen hübsches Tier, aber ich würde es um Himmels willen nicht mit ins Bett nehmen wollen." Sie löffelte ihre Suppe zu Ende. "Denkst du, Lial kann dir helfen?", wechselte sie das Thema.

"Ich weiß es nicht. Sie ist anders als Captain... Onkel Lakon. Sie wird nicht meine Barrieren trainieren. Sie meint, ich sollte mehr meditieren. Aber ich will was tun und nicht einfach hier herumsitzen. Doch wenn ich das nicht tue, dann liege ich wieder auf der Krankenstation und du bist über mir mit einer Beruhigungsspritze. Ich schätze, damit habe ich nicht viel Auswahl. Aber ich weiß, dass ich noch Hunger habe."

Wieder grinste Shana und schob ihm eine Schale violetter Früchte herüber. "Mehr Fleisch gibt es jetzt nicht. Und ich würde an deiner Stelle das tun, was dir selbst am sinnvollsten erscheint. Ganz objektiv betrachtet. Du kannst Etienne im Augenblick nicht viel helfen, und wenn du dich nicht selber im Griff hast, wird es sicher nur schlimmer."

"Das sagt der Verstand. Aber nicht meine Gefühle und ich bin niemand, der seine Gefühle ignoriert." A´kebur grinste. Dann keuchte er jedoch unvermittelt und hielt sich am Tisch fest. "Verdammter Ha'DIbaH[3]", fluchte er.

Shana stand auf und trat besorgt neben ihn. "Was ist?", fragte sie leise. "Wird es wieder schlimmer?"

A´kebur schloss die Augen und versuchte sich zu konzentrieren. Er begann zu schwitzen. Die Schmerzen waren anders und A´kebur hatte nicht das Gefühl, Etienne erreichen zu können. Nur vage hörte er, wie Shana aus der Küche lief und ein paar Augenblicke später mit Lial wiederkam.

Die alte Vulkanierin nahm entschlossen A´keburs Gesicht zwischen ihre Hände. "Konzentriere dich", flüsterte sie, "errichte deine Barrieren um deinen Geist und bleibe stark."

"Er bringt ihn um", flüsterte A´kebur. "Er bringt ihn um. Ich kann nicht. Ich muss bleiben. Ich werde die Barriere nicht errichten."

"Er wird ihn nicht töten. Aber wenn du dich jetzt nicht zurückziehst, wird sein Schmerz dich mit in die Tiefe reißen. Du musst geistig gesund bleiben, wenn du deinem Partner helfen willst." Lials Stimme klang tief und eindringlich, aber nicht mitleidslos.

A´kebur öffnete seine Augen und sah in ihre. Er sah die unumstößliche Wahrheit darin. Sie hatte Recht, wider aller Gefühle und wider dem, was er wollte. Er konnte Etienne nicht helfen. Nicht so, nicht auf diese Weise. "Ich werde Toran töten", wisperte er. Es war ein Versprechen und Lial war seine Zeugin.

Sie nickte. "Rache ist unlogisch, aber in diesem Fall akzeptabel", wisperte sie, "doch du musst Geduld haben. Dein Kampf wird noch kommen."

A´kebur hatte das Gefühl, dass Lial ihm ihren Segen gegeben hatte. Anders als es seine klingonische Großmutter getan hätte. Aber das spielte keine Rolle. Mit ihrer Hilfe und unter großer Anstrengung errichtete er die Barriere. Dahinter brach er waidwund zusammen und dämmerte für Minuten vor sich hin.

Nach Ewigkeiten, wie es schien, wurde sein Blick wieder klarer. Ein dumpfes Pochen war in seinem Schädel, als würde jemand von außen gegen eine Wand hämmern, die er aber nicht durchbrechen konnte. Shana kniete neben ihm und untersuchte mittels ihres Tricorders seine Lebensfunktionen. "Mit mir ist alles in Ordnung", versicherte er.

"Das halte ich für ein Gerücht", knurrte die Andorianerin zurück. "Deine Werte sehen aus, als hättest du kurz vor einem Herzinfarkt gestanden. Wehe, du lässt das zur Gewohnheit werden."

"Ich bin Klingone. Ich bekomme keinen Herzinfarkt!"

"Möglich, aber wir sollten es lieber nicht testen!" Shana griff unter A´keburs Arme und zog ihn hoch; oder zumindest versuchte sie es, erreichte aber aufgrund seiner Größe nicht viel. A´kebur sah sie undeutbar an. "Was tust du?", fragte er sie.

Lial strich kurz über seine Schläfen und erheischte sich damit sofort seine Aufmerksamkeit. "Lass dir helfen, Urenkel. Sie macht sich Sorgen. Respektiere das!", wies sie ihn zurecht.

A´kebur zögerte, doch dann nickte er, um seine Zustimmung zu geben.

Mit vereinten Kräften brachten sie A´kebur zu einem nächstgelegenen Sofa. Trotz Proteste holte Shana das spezielle Serum zur kompletten telepathischen Abschirmung mit der Versicherung, dass es nur für ungefähr sechs Stunden wirken würde. Aber diese Zeit, so sagte auch Lial, brauche A´kebur dringend, um sich wieder zu fokussieren.

A´kebur fühlte sich damit nicht wirklich wohl.

Lial sagte ihm, dass er eine halbe Stunde schlafen solle. Dann war das Abendbrot soweit.

Es war besser, wenn er mit ganzer Kraft auftrat. Lial ging in ihrer typischen Art und verließ die Küche. A´kebur musste zugeben, dass sie ihn faszinierte. Es beeindruckte ihn, mit welcher Selbstverständlichkeit sie mit ihm umging. Er fragte sich, ob es irgendetwas an ihm gab, was sie abstoßend fand - Gefühle hin oder her. Aber Lial schien nicht oder noch nicht geneigt, eine Meinung zu äußern. Vermutlich wollte sie sich erst weiterhin ein Bild von ihrem ungewöhnlichen Urenkel machen.

 

[1] Urgroßmutter

[2] Ein vulkanisches, ziemlich gefährliches Raubtier, das jedoch mitunter auch als Haustier gehalten wird. Erste Erwähnung in Star Trek – Classics, als es um die Kindheit von Spock auf Vulkan ging. (Kanon)

[3] Hund: hier eine Beleidigung (klingonisch)

06

 

Rechtzeitig zum Abendessen war A´kebur wieder etwas erholter. Eigentlich verspürte er jetzt noch weniger Verlangen, sich den Blicken seiner Familie zu stellen, aber kneifen würde er sicher nicht. Schließlich war er kein Feigling.

In eine schlichte Robe gewandet, fand er sich im Speisesaal ein.

Außer Shana, Lial und T'Lis waren noch A´keburs Großeltern Loran und Amaris, deren Tochter Lwar und ihr Sohn Liyas anwesend. Letzterer schien ungefähr in A´keburs Alter zu sein, aber sein junges Gesicht verriet im Gegensatz zu dem seiner Schwester kein einziges Gefühl. Man hätte meinen können, er wäre aus Stein gemeißelt. Unbeseelt und unbeteiligt.

Shana und A´kebur setzten sich nach einer kurzen förmlichen Begrüßung zu ihnen. Es war still am Tisch. Jeder aß. Man tauschte die Wasserkaraffen und widmete sich ganz dem Essen.

A´kebur bemerkte jedoch, dass Lial und auch T'Lis immer wieder innehielten. Er fand das ungewöhnlich. Vielleicht erfuhr er später, was das zu bedeuten hatte. Seine Großeltern und sein Cousin machten das nicht.

Lwar und Amaris konzentrierten sich vollkommen aufs Essen, aber Loran und Liyas warfen immer wieder Seitenblicke zu A´kebur. Man konnte sie nicht als feindselig bezeichnen, aber A´kebur hatte selten solche kalten Augen auf sich gespürt.

Shana schielte beinahe hilfesuchend zu Lial hinüber, die jedoch in stoischer Ruhe am Tisch saß. Ihre Familie zu ermahnen, schien offenbar unter ihrer Würde.

A´kebur mied es seinerseits jedoch, Lial anzusehen. Stattdessen versuchte er nun schon zum dritten Mal seinem Essen etwas abzugewinnen. Es war eine vegetarische Suppe. Das war nichts, was er essen wollte. Das Fleisch in der Suppe und die Suppe selbst, die er vor seinem Zusammenbruch gegessen hatte, war nicht sehr gehaltvoll gewesen. Aber das hier war einfach nur unmöglich. A´kebur fragte sich, ob er auf dem Planeten jagen durfte oder ob er damit irgendein Gesetz übertrat. Wenn er es tat, dann durfte er nicht fragen und sich auch nicht erwischen lassen.

Irgendwann war auch dieses unangenehme Abendessen zu Ende.

Lial erhob sich und winkte A´kebur zu sich, während sie dem Rest der Familie eine "Gute Nacht" beziehungsweise dessen vulkanisches Äquivalent wünschte. T'Lis hängte sich gleich an Shana, um noch mehr Geschichten über Starfleet zu hören und ignorierte den missbilligenden Blick ihres Großvaters.

A´keburs Magen knurrte vor Hunger, als er seinen Großvater warnend ansah. Nur ein Wort - indirekt gegen Shana - und er würde seine Ruhe verlieren. Aber Loran hielt sich zurück und verließ den Raum ohne einen Kommentar.

Lial ergriff in einer völlig unvulkanischen Geste A´keburs Arm und zog ihn sanft Richtung Garten. Dort war es merklich kalt und die Sterne zeigten sich am nachtklaren Himmel. Das letzte Licht des Tages war nicht einmal mehr eine Erinnerung und bis zum Morgen würde lediglich das künstliche Licht im Garten und im Haus leuchten. Die Monde Vulkans ließen sich in dieser Nacht nicht blicken. Die alte Vulkanierin schwieg einen Moment, dann meinte sie: "Persönliche Abneigungen mögen unlogisch sein, doch ich fürchte, unsere Familie ist nicht ganz frei davon."

A´kebur sah sie überrascht an. "Ich glaube, Vulkanier sind gar nicht so logisch", brummte er etwas missmutig. "Loran hasst mich auf vulkanische Weise. Was denkt er über mich? Dass ich nicht der Enkel bin, der in seine Familie gehört? Dass ich Schande über ihn bringe? Seltsam, manche Dinge scheinen sich zu wiederholen, egal welchem Volk man angehört oder nicht."

Lial hob eine Augenbraue. "Wir Vulkanier sind sehr traditionsbehaftet und Loran hat es nie verwunden, dass seine Tochter, deine Mutter, damals entführt wurde. So unlogisch es sein mag, er sieht in dir auch den Klingonen, der ihm seine Tochter weggenommen hat. Und es wird nichts daran ändern, was ich oder sonst jemand sagt. Manche Emotionen lassen sich zwar unterdrücken, aber nicht vollkommen verschließen."

Der Schmerz in ihrer Stimme war unüberhörbar. Als sie sich A´kebur ganz zuwandte, hatte dieser das Gefühl, dass sie alles andere als emotionslos war. Nicht so gefühlsbehaftet wie er, aber doch spürbar. "Wo ist meine Mutter?", fragte er. Es war ihm schon aufgefallen, dass sie nicht hier war. Sie war scheinbar auch nicht auf Vulkan, da sie nicht hier gemeldet war. Diese Vermutung hatte er gehabt, aber hier auf eine andere Antwort gehofft.

Nun hob seine Urgroßmutter beide Augenbrauen. "Ich dachte, du wüsstest, was mit ihr geschehen ist. Sie ist tot. Wir hatten es erreicht, dass sie nach Vulkan zurückkehren konnte, doch sie starb. Das ist nun vierzehn Jahre her."

A´kebur zog die Augenbrauen zusammen. Ungläubig schüttelte er den Kopf. Sie war nicht tot. Da war er sich ganz sicher. Sie war am Leben, als sie Qo’noS verließ und sie hatte ganz bestimmt Vulkan auch lebend erreicht. "Das ist nicht wahr", rief er. "Sie ist nicht tot. Ganz bestimmt nicht."

"Wir erhielten diese Information aus zuverlässiger Quelle. T'Lera traf nie hier auf Vulkan ein", meinte Lial sanft.

A´kebur traf diese Nachricht wie ein Schlag. Er war sich ganz sicher gewesen, dass sie am Leben war. Sie hatte einfach keinen Kontakt zu ihm gewollt. Außerdem hatte er ihr auch damals klar gemacht, dass er auf Qo’noS bleiben wollte. Er war Klingone.

Sie hatte nur genickt und ihm ein langes Leben gewünscht. Dann war sie fortgegangen, ohne sich umzuschauen. Sie hatten nie viele Worte miteinander gewechselt. Aber egal, wo sie war, er hatte immer das sichere Gefühl gehabt, sie immer sehen zu können, wenn er es wollte.

"Sie muss hier angekommen sein", widersprach er. "Sie ist hier. Sie ist ganz sicher hier. Sie ist nicht tot", begehrte er auf.

"Ich würde dir das gerne bestätigen, aber dem ist nicht so", erwiderte Lial. "Wir haben lange auf sie gewartet trotz des offiziellen Berichtes von ihrem Tod, aber T'Lera ist nie bei uns aufgetaucht. Es ist ein schwerer Verlust."

Sie schwieg einen Moment, dann strich sie ihren Urenkel in einer unzweifelhaft zärtlichen Geste über die Haare. "Wir alle hätten gerne mehr für sie getan, aber es war uns nicht möglich. Das muss man akzeptieren."

"Aber sie ist nicht tot! Das kann nicht sein! Sie verließ Qo’noS und sie kam hier ganz bestimmt an. Sie ist nicht tot. Es kann nicht anders sein!"

Lial schüttelte den Kopf. "Du kannst dem noch einmal nachgehen, aber du musst dich letztendlich damit abfinden, A´kebur. Dein Wunsch wird sie nicht zurückbringen." Sie strich noch einmal über A´keburs lange Haarmähne. "Gute Nacht, mein Urenkel. Wir reden morgen weiter."

A´keburs Sicht verschwamm, als er Lial nachsah. Er hatte seit Jahren nicht geweint. Eigentlich hatte er noch nie geweint. Dass er daran denken musste, fand er seltsam. Während in ihm etwas kaputtging, dachte er über das Weinen nach. Er harrte eine Stunde allein im Garten aus.

Immer wieder blieb er an dem Punkt hängen, wo er sich ganz sicher war, dass seine Mutter noch lebte. Aber dann hörte er Lials Stimme, die ihm sagte, dass er sich irrte. Wie konnte sich das nur widersprechen? A´kebur wusste es nicht. Er irrte sich. Anders konnte es nicht sein. Lial würde nicht lügen. Vulkanier logen nicht und selbst wenn es doch einen Vulkanier gab, der das tat, denn es gab offenbar auch Vulkanier, die fühlten: Lial hatte keinen Grund zu lügen!

Aber was, wenn sie sich irrte?

Wenn T'Lera noch lebte, ohne dass ihre Familie davon wusste?

Was, wenn sie absichtlich nicht zu ihnen zurückgekehrt war?

Die Idee hatte urplötzlich etwas Richtiges an sich, denn sie würde alles erklären. Aber genauso gut konnte er sich etwas vormachen. Sicher hatte die Familie die Umstände von T'Leras Verschwinden ein Dutzend Mal überprüft, und wenn sie nichts gefunden hatte ...

Unvermittelt erinnerte sich A´kebur an das erste Gespräch, das er mit Etienne geführt hatte. Es schien bereits ein Lebensalter zurückzuliegen: Manche Dinge waren auch nach dem dritten Prüfen noch einwandfrei, aber beim vierten Prüfen offenbarten sie ihre Fehler.

Mit diesem Gedanken machte A´kebur sich auf den Weg zurück in sein Zimmer. Schlafen konnte er nicht und wollte es auch nicht. Er wollte meditieren. Vielleicht kam er dann auf den Grund dieses Rätsels. Als ihm plötzlich etwas einfiel, bog er aber ab und suchte das Zimmer von Lial auf. Er kannte dessen Lage nicht, also rief er einfach nach ihr, nachdem er keinen Hinweis fand.

Es dauerte nicht lange, und seine Urgroßmutter kam aus einer der unzähligen Türen des Hauses, gehüllt in ein langes beiges Nachtgewand. Obwohl sie sichtlich so wirkte, als hätte man sie aus dem Schlaf gerissen, war sie zuvorkommend wie immer. "Was gibt es?", fragte sie

"Habt Ihr jemals ihre Leiche gesehen?", fragte er.

Lial wusste sofort, was er meinte. "Nein."

Langsam fanden sich außer Lial noch weitere Familienmitglieder ein, die sie beide fragend anschauten. A´kebur ignorierte sie. Für ihn zählte nur Lial. "Dann lebt sie!", stellte er fest. "Ich habe ihren Tod nie gespürt und ich hätte es ganz sicher gewusst, wenn sie gestorben wäre. Ich weiß es einfach!"

"Wie ich schon sagte, dir steht es frei, Nachforschungen anzustellen. Du kannst morgen bei den Archivaren der Raumhäfen anfragen." Lial bedeutete dem Rest der Familie mit einem strengen Nicken, wieder zu Bett zu gehen.

"Ihr habt es nie selbst nachgeprüft?", fragte A´kebur erstaunt nach.

"Natürlich." Die alte Vulkanierin hob eine Augenbraue. "Sogar mehrmals. Aber wir konnten keinen Fehler finden."

"Vielleicht hat sie ihren Namen nicht gesagt. Vielleicht hat sie einen anderen Namen benutzt. Oder sie wollte nicht nach Vulkan zurückkehren ..."

"Auch das haben wir überprüft und jede logische Möglichkeit berücksichtigt. Kein Ergebnis."

A´kebur schüttelte einmal mehr den Kopf. Es gab einen Fehler! Unruhig begann er hin und her zulaufen. Er konnte die Erregung in sich nicht beruhigen.

"Du solltest etwas Ruhe finden", riet Lial ihm, bevor sie in ihr Schlafzimmer zurückkehrte, aber das war für A´kebur nun schier unmöglich. Tausend Ideen kreisten in seinem Kopf, unzählige vielleicht nicht bedachte Möglichkeiten.

Plötzlich stellte sich ihm Shana in den Weg. Er sah sie an. Als sie nichts sagte, wollte er an ihr vorbeigehen. Doch sie hielt ihn auf. "Was wirst du morgen machen?", wollte sie unverblümt wissen, "Und kann ich dir dabei helfen?"

"Ich werde meine Mutter suchen und ich werde es nicht im Raumhafen versuchen. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Aber ich schätze, die logischen Wege sind schon alle geprüft worden", erklärte er.

"Dann versuchen wir eben die unlogischen. Es ist doch klar, dass jemand, der von Vulkaniern nicht gefunden werden will, deren Denkschema verlassen muss", stimmte sie zu. "Aber was ist, wenn deine Urgroßmutter Recht hat und deine Mutter wirklich tot ist?"

A´kebur berührte sein Herz.

Shana nickte. Sie verstand, was A´kebur ihr damit sagen wollte. "Wo sollen wir zu suchen anfangen?", fragte sie.

A´kebur sah sie nachdenklich an. "Ich weiß es nicht. Wäre sie eine Klingonin, könnte ich es vielleicht sagen. Aber sie ... Ich weiß es nicht. Doch die Frage ist, warum sie nicht hier ist?"

Die Andorianerin zuckte mit den Fühlern. "Nun, nach allem, was mit ihr geschehen ist, kann es gut sein, dass sie die Gesellschaft ihrer Familie nicht ertragen wollte. Selbst wenn die Vulkanier noch so kühl tun, sie wäre ganz sicher auf Ablehnung, Verachtung oder falsches Mitleid gestoßen. Ganz zu schweigen davon, dass man ihr in diesem traditionsbewussten Haufen am Ende noch die Schuld gegeben hätte, warum ihr das passiert ist. Ich jedenfalls an ihrer Stelle kann es gut verstehen, wenn sie sich absetzen wollte, um ein neues Leben anzufangen." Shana sah A´kebur an. "Wie war sie so, deine Mutter?"

"Ich habe nicht viel mit ihr geredet. Mein Vater hat sie auch nicht angeschaut. Sie war eine seltsame Frau im Haus meines Vaters. Ich weiß nur, dass sie mich als Kind einmal umarmt hat. Merkwürdig. An das kann ich mich am besten erinnern."

Shana lächelte. "Dann würde ich vorschlagen, du hältst an dieser Erinnerung fest, und wenn du sie wiedersiehst, nimmst du sie in den Arm. Ich bin mir sicher, es ist ihr nicht leichtgefallen, dich zurückzulassen."

"Sie hat nichts gesagt", brummte A´kebur.

"Na ja, deine Familie ist ja nicht gerade für große Worte bekannt. Aber ich bin mir sicher. Und mit etwas Glück kannst du sie selbst fragen. Also, wo fangen wir morgen an zu suchen?"

A´kebur sah Shana nachdenklich an. "Hier im Haus", meinte er dann. "Im Hafen brauche ich wohl nicht mehr zu suchen. Möglich, dass hier noch etwas zu finden ist."

"Gut, machen wir das. Die Bude hier ist ja groß genug, um uns eine Weile beschäftigt zu halten. Aber erst morgen. Ich könnte noch Schlaf vertragen." Shana gähnte ausgiebig und streckte sich.

"Ja, es ist schon spät. Du solltest schlafen gehen", stimmte A´kebur zu. "Gute Nacht!"

"Dir auch. Und mach dir keine Sorgen. Wenn sie wirklich noch lebt, finden wir sie." Shana stellte sich auf die Zehenspitzen und gab A´kebur einen Kuss auf die Wange, dann verschwand sie wieder in ihrem Zimmer.

A´kebur sah ihr entgeistert nach. Dann grinste er. "Frauen", murmelte er und ging in sein Zimmer.

 

Etienne starrte an die Decke. Oder zumindest dahin, wo er die Decke vermutete, denn um ihn herum war es stockdunkel.

Aus irgendeinem Grund ließ man ihn die meiste Zeit im Dunkeln, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Aber das war sicher nicht das Schlimmste an der Situation. Was das Schlimmste war, darüber dachte Etienne nicht nach. Er war sich sicher, dann den Verstand zu verlieren. Oder wahllos alles zu erzählen, was Toran wissen wollte, auch wenn er in Wahrheit nicht die geringste Ahnung hatte, worum es dem Romulaner überhaupt ging.

Konnte der nicht begreifen, dass Etienne nichts wusste? Allerdings war einem sadistischen Schweinehund wie Toran nicht mit Logik zu kommen. Etienne lehnte sich gegen die kühle Wand seines Gefängnisses und versuchte, eine bequemere Position zu finden. Allerdings hatte er nur die Wahl, welche Knochen weiterhin schmerzen sollten. Die Zelle war zu klein, um sich richtig ausstrecken zu können und zu niedrig, als dass er hätte stehen können.

Ab und an dämmerte er dennoch weg. Nur, wusste er nie, wie lange er tatsächlich schlief. Die Zeit hatte ihre Konturen verloren.

Wie viele Tage war er eigentlich schon bei Toran?, fragte er sich. Eine Antwort würde er darauf wohl nicht bekommen.

Wieder einmal öffnete sich mit einem Zischen die Tür. Licht flutete herein. Etienne schützte im Reflex seine Augen. Seine Bewacher ließen ihm wie immer keine Zeit, sich an die veränderten Bedingungen zu gewöhnen.

"Gute Morgen, Captain Duval. Wie geht es Ihnen?", fragte ihn Toran geradezu sanft.

Innerlich stählte Etienne sich. Oh nein, er würde nicht klein bei zu geben.

"Sehr gut, danke. Aber Ihr Zimmerservice lässt zu wünschen übrig, und die Putzfrau könnte auch mal wieder die Kissen aufschütteln", gab er so nonchalant wie möglich zurück. Sarkasmus war immer noch die beste Verteidigung.

"Nun, man kann wohl nicht alles haben im Leben, Captain Duval. Leider ist das immer wieder ein Ärgernis. Daher wollen wir uns weiter unterhalten. Denn ich mag keinen Ärger, genauso wenig wie Sie!", erwiderte Toran. Er saß bequem auf einem Stuhl und sah Etienne milde an. "Bietet ihm einen Platz an!", befahl er seinen Handlangern.

Lautlos folgten diese dem Befehl, zerrten Etienne auf die Füße und drückten ihn dann auf einen bereitstehenden Stuhl hinunter. Wie zur stummen Warnung blieben sie hinter ihm stehen. Allerdings konnte Etienne sich ohnehin nicht sonderlich aufgrund der codegeschützten Handschellen um seine Handgelenke wehren.

"Könnte ich vielleicht ein Glas Wein bekommen? Oder besser, saurianischen Brandy?", machte er sich dessen ungeachtet weiter unbeliebt.

"Oh, ich vergaß meine Manieren. Bringt Captain Duval zu essen und zu trinken. Und einen saurianischen Brandy. Ich bin ein schlechter Gastgeber. Sie müssen verzeihen."

Etienne hob die Augenbrauen. Anscheinend wechselte Toran seine Taktik; bisher waren derlei Antworten Etienne meistens teuer zu stehen gekommen. Aber die Bediensteten kamen tatsächlich nach einigen Augenblicken mit hervorragend aussehendem Essen wieder. Erst zögerte Etienne, aber dann beschloss er die Chance zu nutzen, da man ihn sonst nur spärlich versorgte.

Selbst wenn ein Wahrheitsserum oder Ähnliches im Essen war, er konnte nichts verraten, was er nicht wusste. Und mehr als einmal töten konnte man ihn auch nicht. Also konnte er auch den Augenblick genießen und sich so richtig auf Kosten von Toran satt essen. Dieser schaute ihm geduldig dabei zu.

Als Etienne wieder aufsah, stand neben Toran ein neuer Mann. "Darf ich vorstellen", erklärte dieser. "Das ist Mr. Saasszzz. Er stammt vom Planeten Bórasch."

Etienne hatte noch nie etwas von diesem Planeten gehört, der vermutlich im Romulanischen Imperium lag, und konnte sich nicht wirklich vorstellen, was dieser blasse Humanoide mit leuchtend grünen Haaren anstellen konnte, was Toran nicht zustande brachte. Angsteinflößend sah Saasszzz jedenfalls nicht aus, nur ein wenig reptilienartig mit den geschlitzten Pupillen.

"Angenehm. Wenn Sie noch ein paar mehr Leute rufen, Toran, können wir eine richtige Party machen."

"Er ist Telepath. Er muss Sie noch nicht einmal dafür berühren. Er wird herausfinden, was ich will. Wenn ich es habe, können Sie wieder gehen. Versprochen, Captain Duval." Toran lächelte eisig.

"Ach ja? Natürlich, und Vulkan ist ein Wintersportparadies. Ich habe Ihnen tausendmal gesagt, ich weiß nicht, was Sie von mir wollen!", knurrte Etienne, dem der Gedanke an Telepathie plötzlich gar nicht behagte. "Sie verschwenden nur meine Zeit!"

"Am besten, Captain Duval, sparen Sie sich Ihre Luft. Es könnte sein, dass Sie sie noch brauchen werden." Toran gab Saasszzz ein Zeichen.

Etienne konnte jetzt ganz sicher sagen, dass dieser Vertreter seiner Rasse Vorfahren aus dem Reich der Echsen sein Eigen nannte. Eine gespaltene Zunge züngelte aus dem lippenlosen Mund und verschwand wieder.

"Entspannen Sie sich, Captain", lispelte Mr. Saaszzz.

Dieser dachte gar nicht daran. So wenig Ahnung Etienne von Telepathie und ähnlichem hatte, er würde sich nicht kampflos in seinem Gehirn herumpfuschen lassen! Es reichte schon, dass da diese Verbindung zu A´kebur war. Und wenn jetzt noch ...

Unvermutet zog ein gleißender Schmerz durch Etiennes Kopf, als würde jemand seinen Schädel aufbohren und das Gehirn mit bloßen Händen anfassen. Etienne biss sich so fest auf die Lippe, dass sie blutete. Geschrieen hatte er genug. Er merkte kaum, dass er vom Stuhl kippte.

Ihm schwanden die Sinne.

 

Als er wieder zu sich kam, befand er sich in einem Raumschiff. Es war nicht romulanisch. Das hätte er erkannt. "Mr. Duval, bitte bleiben Sie liegen. Sie müssen erst gesund werden", hörte er im schönsten Föderationsstandard eine Frau sagen. Er blinzelte, um klare Sicht zu bekommen. Tatsächlich war sie ein Mensch.

Und zumindest damit der schönste Anblick seit langem. Trotz Proteste der Frau setzte Etienne sich auf. Seine Hände waren frei von Handschellen, und dank der medizinischen Versorgung waren nur noch dünne Abdrücke davon zu sehen. Allerdings wollte Etienne gar nicht wissen, wie der Rest von ihm aussah. "Wo bin ich?", wollte er wissen.

"Sie legen sich hin! Und befinden tun Sie sich auf der CVS Star. Das Schiff gehört dem diplomatischen Dienst der Föderation an. Wir kümmern uns um gestrandete Föderationsangehörige. Also zum Beispiel Menschen wie Ihnen", erklärte die Frau ihm schnippisch.

"Dann muss ich mich wohl bedanken", brummte Etienne und legte sich seufzend wieder hin. Ihm tat immer noch alles weh. Aber wenigstens wartete in der Obhut der Föderation eine weitaus bequemere Haft auf ihn. Vernünftiges Essen, graue Sträflingskleidung und vielleicht mal etwas zu lesen, wenn er Glück hatte.

Nicht zu vergessen die Kriminalpsychologen. Und das für die nächsten 20 bis 30 Jahre. Eventuell auch länger. Vielleicht hätten die Romulaner ihn doch umbringen sollen. Nur Foltern, das war nicht die feine, englische...

Er wäre nicht alt geworden. Wenn er Glück hatte, dann kam er aus dem Föderationsknast raus und er lebte dabei sogar noch.

"Unser Ziel ist die Sovk. Man erwartet Sie dort. Bis dahin erwarte ich von Ihnen, dass Sie sich an meine Anweisungen halten. Sie bleiben im Bett und ruhen sich aus. Wenn Sie das nicht tun, werde ich Sie unter Arrest stellen. Dann bekommen Sie eine nette kleine Zelle mit Kraftfeld und zwei Bewachern davor. Jetzt ist es einer, aber der pflegt keine halben Sachen zu machen, Captain Duval", informierte ihn die Frau. "Ach ja, ich bin Dr. Jackson. Erfreut Sie kennenzulernen."

"Ganz meinerseits. Und danke für die Warnung, ich werde meine Ausbruchsversuche auf später verschieben." Etienne knirschte mit den Zähnen. Was ging hier wieder vor? Er hätte gedacht, dass er sofort wieder unter Arrest gestellt werden würde. Und was sollte er auf der Sovk? Soweit er wusste, war es ein hauptsächlich vulkanisches Starfleet-Schiff.

Aber vorerst konnte er wohl wirklich nichts tun, außer vielleicht ein wenig spekulieren. Etienne erwog das jedoch nur kurz. Schlaf war kostbar, so rollte er sich daher auf der bequemen Liege zusammen und schlief wieder ein.

 

Als er wieder erwachte, saß eine weitere Frau vor ihm. Die Abzeichen verrieten ihm, dass sie zum diplomatischen Korps gehörte. Der Mann hinter ihr war ein Captain, wahrscheinlich der dieses Schiffes. Etienne wollte sich aufsetzen, aber eine Handbewegung hinderte ihn daran. "Bleiben Sie liegen. Sie dürfen nicht aufstehen", erklärte der Captain. "Das ist Mrs. McDoyle vom diplomatischen Dienst. Ich bin Captain Cresk."

Etienne blickte zwischen den beiden hin und her. "Ich muss mich dann wohl bei Ihnen bedanken, dass Sie mich da rausgeholt haben", erklärte er nicht gänzlich ohne Misstrauen in der Stimme. "Darf ich fragen, wie Sie das geschafft haben?"

"Es ist für Sie bezahlt worden. Eine Familienangelegenheit. Wir sind nur die Ausführenden. Die Föderation bezahlt normalerweise nicht, wenn es sich um Erpressung handelt. Mr. Toran ist jedoch ein Privatmann und es ist von privater Seite bezahlt worden. Wir sind nur die Mittelsmänner, die in dieser Hinsicht für Neutralität sorgen. Was Ihre Person angeht, so ist die Föderation an Ihnen interessiert. Vorerst werden Sie jedoch nicht vor Gericht gestellt. Sie sind nicht verhandlungsfähig. Mr. Toran hat bei Ihrer Befragung neurologische Schäden hinterlassen und die Heilphase dieser Schäden ist weitestgehend abgeschlossen. Aber es wird einige Zeit dauern, bis alle Nachwirkungen der Folter keine Beeinträchtigung mehr darstellen. Sie werden es merken, wenn die dämpfenden Medikamente abgesetzt werden."

Das alles ging Etienne etwas zu schnell - oder er war wirklich noch nicht ganz klar im Kopf.

"Moment mal. Familienangelegenheit? Wollen Sie damit sagen, dass meine Familie für mich bezahlt hat? Das kann ich mir nun wirklich nicht vorstellen." Allerdings war er froh zu hören, dass er sich vorerst nicht mit dem Gesetz würde herumschlagen müssen. So oder so, man würde ihn für Jahre auf eine Rehabilitierungskolonie schicken.

"Nun, wenn Ihre Familie von Vulkan stammt, dann wohl Ihre vulkanische Familie!", meinte Captain Cresk trocken.

"Bitte was?" Nun setzte sich Etienne doch auf. "Ich will mich ja nicht beklagen, aber da muss ein Fehler vorliegen. Sehe ich für Sie vulkanisch aus?"

"Nein!"

"Hätten Sie dann die Güte, mir das genauer zu erklären?"

Captain Cresk und Mrs. McDoyle musterten ihn und wirkten etwas amüsiert. Zumindest jedoch belustigt. "Wir haben keine Ahnung. Aber es ist als Familienangelegenheit deklariert worden. Das ist auch der Grund, warum Sie zur Sovk gebracht werden. Der Aufenthalt auf der Sovk bestätigt nur Ihre Identität. Dann bringen wir Sie nach Vulkan. Dort werde Sie unter Arrest gestellt. Sie können sich frei auf Vulkan bewegen - Sie dürfen den Planeten jedoch nicht verlassen."

"Aha." Etienne war sich langsam ziemlich sicher, dass er unter irgendwelchen Drogen stand und das alles hier nur träumte. Was hatten die Vulkanier mit ihm zu tun? Er ließ sich wieder auf die Liege sinken.

"Dann werde ich wohl warten", war alles, was ihm noch dazu einfiel.

Der Captain und die Frau sahen einigermaßen erstaunt aus. "Und wir hatten gehofft, dass Sie das Rätsel lösen!", gestand Mrs. McDoyle. "Vulkanier bürgen normalerweise nicht für einen Menschen. Außer sie haben gewichtige Gründe. Als Grund jedoch die Familie anzugeben, das ist bisher noch nie passiert."

"Dann wollen wir hoffen, wir bekommen alle ein paar Antworten", gab Etienne zurück. "Aber bis dahin werde ich mich noch ein bisschen erholen."

"Das würde ich Ihnen auch raten. Die Schäden in Ihrem Kopf können Sie zum Krüppel machen, wenn Sie das nicht auskurieren. Nehmen Sie das ernst und unterlassen Sie irgendwelche Fluchtversuche!", riet ihm Mrs. McDoyle.

"Fluchtversuche? Wo sollte ich denn bitte auf einem Raumschiff hin, hm? Aus dem Fenster springen?" Trotz seines immer noch miserablen Zustandes musste Etienne grinsen.

"Oh, ich schätze, für einen Mann wie Sie gibt es genug Möglichkeiten. Aber wir haben da Spezialisten. Nur, die Warnung ist zu Ihrem Besten und kein Scherz", erklärte der Captain.

"Schon gut. Ich bleibe hier und bin brav", erklärte Etienne ernüchtert. "Und wenn es hier noch etwas zu essen gibt, bin ich zufrieden, Sir."

"Das wird sich wohl machen lassen. In vier Stunden erreichen wir die Sovk. Dann werden Sie vielleicht mehr wissen."

Captain Cresk und Mrs. McDoyle nickten Etienne noch einmal zu und verließen dann die Krankenstation. Kurz darauf kam die Schwester aus dem Nebenraum zurück und runzelte missbilligend die Stirn, da sich ihr Patient schon wieder bewegt hatte. Aber ein mitleidheischendes Lächeln von Seiten Etiennes brachte sie doch dazu, ihm etwas zu essen zu besorgen. Die vier Stunden bis zur Aufklärung des Rätsels gedachte er sich zu erholen. Wer wusste schon, was noch auf ihn zukam?

Aber darüber machte sich Etienne erst einmal keine weiteren Gedanken. Kopfschmerzen hatte er fürs Erste genug.

 

Irgendwann in dieser zeitlosen Zeit bekam er wieder etwas zu essen und schlief danach erneut ein. Als er geweckt wurde, teilte ihm der Captain mit, dass er auf der Sovk erwartet wurde. Ein Sicherheitsteam und ein Arzt begleiteten ihn. Auf der Sovk erwartete ihn eine Wärme, so dass er sich im Sommer glaubte. Seine Begleiter verzogen keine Miene.

"Mr. Duval! Willkommen an Bord", begrüßte ihn ein spitzohriger Vulkanier, der die Abzeichen eines Captains trug. "Ich bin Captain Lakon."

"Captain, ich danke Ihnen für den Empfang", grub Etienne all die Würde aus, zu der er sich im Augenblick fähig fühlte - was nicht viel war angesichts der Bewachung, grauenhafter blauer Patientenkleidung und, wie er inzwischen festgestellt hatte, Ränder unter den Augen, die ihn wie seinen eigenen Geist aussehen ließen. "Ich hoffe doch sehr, Sie können etwas Licht in diese Angelegenheit bringen. Warum werde ich auf Ihr Schiff gebracht und danach nach Vulkan überstellt?"

"Das würde ich gern unter vier Augen besprechen. Wenn Sie mir bitte folgen würden", bat ihn Captain Lakon.

Etienne tat wie geheißen und hoffte, dass es nicht überall auf dem Schiff so warm war. Normalerweise machte ihm das nichts aus, aber in seinem momentanen Zustand war er schon nach ein paar Korridoren sichtlich außer Atem. Captain Lakon sah ihn an. Ob er Besorgnis in den blauen Augen sah? Das war unmöglich... Blaue Augen?

Etienne blinzelte. Es war ihm bis jetzt nicht aufgefallen, aber aus der Nähe betrachtet, hatte der Vulkanier die gleichen blauen Augen wie A´kebur. Hell, leuchtend und absolut unbestechlich.

Der Gedanke an A´kebur hatte etwas Erschreckendes und zugleich Tröstliches an sich. Oft genug während seiner Gefangenschaft hatte Etienne gemeint, den Klingonen beinahe körperlich spüren zu können, nur um sich dann wieder klarzumachen, dass er sich einfach an eine Erinnerung klammerte, um nicht wahnsinnig zu werden.

Captain Lakon führte ihn. Ihm war der Ausdruck des Erkennens nicht entgangen. Damit war eigentlich seine Frage beantwortet. Als sie sein Quartier erreicht hatten, bot er Etienne einen Platz an. "Ruhen Sie sich bitte aus", bat er.

Etienne setzte sich erleichtert mit einem Seufzer. Im Raum war es ebenso warm wie in den Gängen, aber er kam wieder zu Atem. "Haben Sie keine Angst, dass ich Ihnen eins überziehe und flüchte, so ganz ohne Wachen?", fragte Etienne. "Oh, ich vergaß: Vulkanier haben vermutlich keine Angst, nicht einmal vor so einem Schwerverbrecher wie mir." Er grinste schief und musterte Captain Lakon in der Hoffnung, ihn etwas besser einschätzen zu können.

Dieser sah ihn schlicht mit erhobener Augenbraue an. Wahrscheinlich besagt die, dass er so aussah, als würde er jeden Moment zusammenbrechen. Der Gedanke an Flucht war daher eher Wunsch als Realität und daher gab es auch keinen Grund, darüber ein Wort zu verlieren.

"Ich würde sagen, Captain Duval, dass es Ihnen hier besser geht als in den Händen eines Mr. Toran."

"Und da werde ich Ihnen nicht widersprechen. Aber ich war davon ausgegangen, dass man mich einem Gericht vorführen und verurteilen würde, nicht nach Vulkan verbannen. Wie also kommt es dazu? Was wissen Sie von der Sache?", wurde Etienne direkt.

"Nun, bis Sie nicht gesund sind, dürfen Sie nicht vor Gericht gestellt werden. Bis dahin ist meine Familie für Sie verantwortlich. Und der Grund, warum Sie hier sind und nicht hinter Gittern. Nun, ich denke Sie wissen es. Ich muss jedoch noch etwas prüfen."

Jetzt war es an Etienne, eine Augenbraue hochzuziehen. "Was genau meinen Sie? Ich weiß immer noch nicht, was hier los ist."

Captain Lakon nahm vor ihm Platz und sah ihm in die Augen. "Sie spüren ihn, nicht wahr?", fragte er.

"Ja", erwiderte Etienne, noch bevor er es überhaupt selbst begriffen hatte. "Wieso ...?"

"Darf ich Ihren Geist berühren?" Captain Lakon flüsterte nur, als wollte er ihn nicht erschrecken.

Etienne zögerte kurz, dann nickte er. Das hier war ein Vulkanier, ein Starfleet-Offizier, kein Untergebener Torans, der in seinem Geist herumschnüffeln wollte, beruhigte er sich. Aber trotzdem konnte er nicht verhindern, dass er zusammenzuckte, als dieser ihn berührte.

Die Fingerspitzen waren heiß. Heißer als der Körper von A´kebur.

Lakon spürte die kurze Anspannung. Er konnte spüren, welche Verheerungen der mentale Kontakt in Etienne angerichtet hatte. Die Verbindung zu seinem Neffen jedoch war unangetastet. Es war, als hätte jemand sie vor dem telepathischen Verbrecher verborgen. "Sie werden behandelt werden müssen", sagte Lakon, als er sich vorsichtig wieder zurückzog. "Die mentalen Schäden sind groß. Ohne einen erfahrenen Heiler werden diese Wunden nur sehr schwer heilen. Darunter werden nicht nur Sie, sondern auch A´kebur leiden. Daher kann ich Ihnen nur raten, Hilfe anzunehmen. Auf Vulkan gibt es erfahrene Heiler."

Etienne blinzelte. "A´kebur, Sie kennen ihn? Deswegen das alles? Aber ich dachte, er hätte keinen Kontakt zu seiner vulkanischen Seite. Und wie ist das überhaupt möglich? Ich bin doch überhaupt kein Telepath!" Er rieb sich die Stirn. Ganz, ganz langsam begannen die Dinge Sinn zu machen.

"A´kebur ist mein Neffe. Die Geschichte ist lang und wird Ihnen nicht bei Ihrem Problem helfen. Sie gehören durch Ihre Verbindung zu ihm auch bis zu einem gewissen Maß zu meiner Familie. A´kebur hat durch Sie erhebliche Schwierigkeiten, die einen engeren Kontakt zur Familie notwendig gemacht haben."

"Ihr Neffe? Gut, das erklärt einiges. Und, als er mich auf Charon 7 gesucht hat, geschah das mit Ihrer Erlaubnis, oder? Es ging ihm wirklich um mich und nicht darum, mich der Föderation auszuliefern?"

Captain Lakon sah ihn ernst an. "Durch Ihre verständliche Handlung haben Sie Ihren Bindungspartner in eine Krise gebracht. A´keburs Fähigkeiten sind nicht geschult. Er spürt, was mit Ihnen passiert ist. Seine Ablehnung der Telepathie macht es schwierig, ihn zu lehren. Ich hätte nichts getan, was ihn weiter gefährdet. Was auch immer Sie gemacht haben, es spielt im Moment keine Rolle, Captain Duval."

Etienne runzelte die Stirn. "Doch, tut es! Wenn ich das gewusst hätte, aber die ganze Sache war ein Zufall und keine Absicht. Himmel, die meiste Zeit habe ich sowieso gedacht, ich bilde mir diesen Kontakt und all das nur ein und hab nichts weiter darauf gegeben. Aber wenn A´kebur durch meine Schuld in einer Krise steckt, habe ich die verdammte Pflicht, das wieder gutzumachen!"

"Sie scheinen doch mehr Verantwortungsgefühl zu besitzen, als ich dachte", gab Lakon unumwunden zu. "Erstaunlich!"

Etienne lachte. "Tja, wir alle machen mal Fehler. Aber im Ernst, wie geht es jetzt weiter? Ist A´kebur momentan auf Vulkan?"

"Ja, daher werden Sie auch dorthin gebracht. Meine Großmutter ist Priesterin. Sie hat Erfahrung in Seelenbindungen."

"Das klingt mystisch. Und ich vermute mal, wir werden wohl einfach damit klarkommen müssen. Oder wäre Ihre Familie völlig entsetzt, dass ihr frisch wiedergefundenes Familienmitglied einen veritablen Piraten als Bindungspartner hat?"

Lakon lehnte sich zurück. Sein Gesicht wirkte ausdruckslos. Doch in seinen Augen erschien ein Ausdruck, den Etienne noch bei keinem Vulkanier gesehen hatte. "Die Wahl eines Seelenpartners steht nicht frei, Captain Duval. Seelen finden sich. Man kann sie sich nicht aussuchen."

"Na, das ist ja tröstlich", gab Etienne mit leicht ironischem Unterton zurück. "Aber ich fürchte trotzdem, Ihre durchorganisierte, hochlogische Gesellschaft auf Vulkan wird auf Dauer nichts für mich sein. Ich bin gerne ein unlogischer Mensch."

"Genauso wie mein Neffe darauf besteht, ein Klingone zu sein!"

"Dann haben Sie ein doppeltes Problem und werden uns zweifellos nach ein paar Wochen rauswerfen wollen, darauf wette ich." Etienne wischte sich erneut über die Stirn. Ihm war immer noch viel zu warm. "Trotzdem, vielen Dank für Ihre Hilfe, Captain. Ich stehe in Ihrer Schuld."

Lakon legte den Kopf schief. "Solange Sie sich daran erinnern, wenn Sie fliehen wollen, dann genügt mir das. Bleiben Sie bei A´kebur, solange es nötig ist und bis Sie beide wieder ohne einander existieren können."

"Ich denke, das schaffen wir. Falls wir uns nicht gegenseitig in den Wahnsinn treiben." Etienne grinste schief. "Das Verrückte daran ist, dass wir eigentlich kaum Zeit miteinander verbracht haben. Wir wissen eigentlich kaum etwas voneinander, kennen uns kaum. Und trotzdem sind wir jetzt enger verbunden, als ich es je für möglich hielt."

"Nun, dann schätze ich, dass alles gesagt ist. Sie werden nach Vulkan gebracht. Captain Duval, langes Leben und Wohlergehen!", verabschiedete sich Lakon und erhob sich.

"Danke, Ihnen auch." Etienne wollte ebenfalls aufstehen, war dazu aber zu erschöpft. Vielleicht wurde er langsam alt, dachte er in einem Anflug von Galgenhumor. Lakon griff ihm unter und half ihm auf. "Soll ich Sie auf die Krankenstation bringen lassen?", fragte dieser ihn.

"Wenn es nicht unbedingt sein muss. Ich habe eigentlich genug von Krankenstationen gesehen", erwiderte Etienne, ärgerlich über die eigene Hilflosigkeit. "Wie lange wird der Flug nach Vulkan dauern?"

"Etwas mehr als eine Woche. Warum wollen Sie das wissen?"

"Reine Neugier. Und wo wir schon dabei sind: Haben Sie eine Ahnung, was mit meinem Schiff passiert ist, der Drake? Ist sie immer noch auf Charon 7?"

Lakon antwortete ihm nicht direkt. Er forderte jedoch den Computer auf, den Aufenthalt der Drake zu sagen.

Die Antwort kam prompt: "Letzter registrierter Aufenthalt, unbekannt. Laut den letzten Berichten von Sternzeit 2701.5 gelandet im Raumhafen Hades City auf Charon 7. Sicherheitsverwahrung." Etienne seufzte lautlos. Mit anderen Worten, man würde sein Schiff bereits auseinandergenommen, die Geheimfächer und die Tarnvorrichtung gefunden haben.

"Stimmt etwas nicht?" Lakon sah ihn an. "Wenn Sie Sorge haben, ob Ihr Schiff unangetastet ist, so kann ich Ihnen versichern, dass das der Fall ist. Die Drake wird so lange im Hangar bleiben, bis über Sie entschieden worden ist."

Etienne fiel ein Stein vom Herzen. "Danke, das ist gut zu wissen."

Lakon konnte ihn verstehen. Er brachte Etienne zurück zum Transporterraum, wo er ihn verabschiedete. Als das Schiff des diplomatischen Dienstes Kurs nach Vulkan nahm, ging er zurück in seine Kabine und informierte seine Großmutter Lial.

"Er ist in keinem guten Zustand", berichtete er. "Ich weiß nicht, ob es so gut ist, sie beide zusammen allein zu lassen. Die Verbindung hat sie beide aufrechterhalten. Aber so nahe könnte sie das Gegenteil bewirken." Lial musterte ihren Enkel nachdenklich bei diesen Worten. "Ich werde darüber entscheiden, wenn A´keburs Partner hier eingetroffen ist. Im Notfall werden wir sie wieder trennen. Aber das überlass mir!" Sie schwieg einen Moment. "Wie ist dein Eindruck von ihm?"

"Nun, er ist ein typischer Mensch, aber er scheint Verantwortung zu kennen. Er nimmt die Angelegenheit ungewöhnlich ernst. Ich weiß nur nicht, ob er die Tragweite versteht", antwortete Lakon ihr ohne zu zögern.

"Das kann er nicht, da er aus keiner Gesellschaft kommt, bei der solche Bindungen üblich sind. Menschen sind wankelmütig und emotional. Aber die Verbindung besteht und dafür muss es einen Grund geben. Ich werde sie lehren, damit umzugehen. Eine gewaltsame Durchtrennung des Fadens ist unlogisch und würde nichts Gutes bewirken."

Lakon verstand. Zu diesem Ergebnis war er auch schon gekommen. Nun sah er sich bestätigt. "Dann ist eine Verbindung dieser Art akzeptabel. Wie geht es meinem Neffen?"

"Es geht ihm sichtlich besser, seit sein Bindungspartner außer Gefahr ist, obwohl er das nicht bewusst weiß. Er ist immer noch ungeduldig und viel zu emotional, aber das ist seine Natur; man kann aus ihm keinen Vulkanier machen. Ich persönlich sehe aber seinen Weg bisher als Fortschritt an", berichtete Lial.

"Das ist gut. Ich denke nicht, dass der Erfolg darin besteht, seine Emotionen zu unterdrücken. Ein großer Teil seiner Widerstandskraft stammt aus seinen Gefühlen. Aber er sollte lernen, sie so zu zähmen, dass er sich nicht selbst verletzt", meinte Lakon. "Bisher waren jedoch meine Bemühungen in ihrem Erfolg eher zu vernachlässigen."

Entweder war es eine Lichttäuschung oder um Lials Mundwinkel zuckte es. "Er ist noch sehr jung und braucht viel Zeit. Wir können nicht alles sofort erwarten. Aber er hat mehr von dir gelernt, als ihm und dir bewusst ist, Enkel. Davon abgesehen, seid ihr euch in mancher Hinsicht erstaunlich ähnlich."

Lakon neigte fragend sein Haupt. "Wie meinst du das, Lial?"

"Nun, ihr habt beide gewisse Züge, die man als sehr zielgerichtet, wenn nicht sogar als stur auffassen könnte. Und ihr sucht sofort die Verantwortung bei euch selbst. Ich kritisiere dabei keinen von euch beiden, ich benenne lediglich Fakten." Noch immer wirkte Lial amüsiert.

"Natürlich! Es sind Fakten. Ich werde mich bessern, Großmutter. A´kebur wird selbst wählen, was er tun möchte. Danke, Lial."

"Langes Leben und Wohlergehen, mein Enkel. Ich werde dich regelmäßig über die Entwicklungen informieren."

"Langes Leben und Wohlergehen." Lakon hob seine Hand und grüßte seine Großmutter. Dann unterbrach er die Verbindung. Dieser Etienne Duval war zweifellos ein interessanter Mann - auch unter Menschen. Lakon wusste nicht, ob Vulkan nicht der falsche Ort für ihn war. Im Moment war er jedoch die beste Wahl.

07

 

Etienne schwankte zwischen Erleichterung und Resignation, als sie endlich ihren Zielort erreicht hatten.

Der Flug nach Vulkan hatte sich mehr in die Länge gezogen, als er gedacht hatte, und dass er nichts Vernünftiges zu tun gehabt hatte, machte es für ihn nicht leichter.

Zumindest ging es ihm aber gesundheitlich weitaus besser. Bis auf sich ständig wiederholende Alpträume, die laut den Ärzten noch eine ganze Zeit bleiben würden; posttraumatisch und all das ganze Zeugs, aber in Wirklichkeit war die Medizin einfach noch nicht fortgeschritten genug, um etwas dagegen zu unternehmen, war Etiennes Meinung.

Ob die Vulkanier da weiter waren?

So, wie er seine Situation einschätzte, hatte er mehr als genug Zeit, das herauszufinden. Mit neuen Sachen ausstaffiert, saß er auf einer Liege in der Krankenstation. Er war noch einmal gründlich untersucht worden. Seine Krankenakte wurde in diesem Moment an einen vulkanischen Arzt weitergeleitet. "Sie werden direkt ins Krankenhaus transportiert. Dort werden Sie erwartet. Die hohe Dame Lial nimmt Sie dann in ihr Haus, wo Sie leben werden, solange Sie sich auf Vulkan befinden. Sollten Sie fliehen, werden Sie in ein Gefängnis gebracht, wo Sie bleiben werden, bis Ihre Verhandlung beginnt."

Etienne nickte. An Flucht würde er überhaupt erst wieder denken, wenn es ihm besser als jetzt ging. Außerdem ... verdammt, er wollte A´kebur wiedersehen. Dann würde er weitersehen. Und wenn er wirklich fliehen wollte, würde ihn die Vulkanier nicht aufhalten können, dessen war er sich sicher. Dafür dachten sie nicht kreativ genug.

Der Arzt schien zufrieden mit ihm und gab per Intercom den Befehl zum Beamen. Die Zufriedenheit des Arztes war in Anbetracht der nicht unbeträchtlichen Zeit, die sie als diplomatisches Schiff der Föderation hier in seinem Fall hatten aufbringen müssen, durchaus angebracht. Der nächste Auftrag beorderte sie ans andere Ende der Galaxie und ihr Zeitplan war zu eng, um noch weiter hier zu verweilen.

Von einem Augenblick zum anderen fand sich Etienne mit Gewichten beschwert und in eine Heizdecke gehüllt auf Vulkan wieder. Tatsächlich war er in einem Krankenhaus abgeliefert worden.

Die Einrichtung unterschied sich nicht sonderlich von der des Raumschiffes, nur, dass die Wände nicht steril weiß, sondern ockerfarben waren. Dafür war die Temperatur alles andere als angenehm. Etienne fand sich außerdem von einem Team vulkanischer Ärzte umringt, die selbst für ihre Verhältnisse nicht begeistert dreinschauten. Die Begrüßung übernahm allerdings eine kleine, alte Dame in einer langen, zeremoniellen Robe. Ihre hellen, scharfen Augen streiften Etienne von Kopf bis Fuß, bevor sie sprach: "Willkommen auf Vulkan, Mr. Duval. Ich bin Lial."

Etienne runzelte die Stirn. Schon wieder ein Vulkanier mit hellen Augen. Noch mehr von A´keburs Familie? Wenn ja, dann war mit der alten Dame bestimmt nicht zu scherzen. Sie strahlte eine würdevolle Aura aus, die selbst Etiennes freche Zunge in ihre Schranken verwies - vorerst.

"Danke für den Empfang", erklärte er. "Gehe ich richtig davon aus, dass Sie diejenige sind, die mich aufnehmen will? Ich hoffe, Sie wissen, was Sie sich da antun?"

Lial hob eine Augenbraue. Dann die andere. "Sie können davon ausgehen, Mr. Duval, dass die Entscheidung, Sie zum Gast meines Hauses zu machen, gut überdacht worden ist. Ich hoffe, dass Sie sich der Konsequenzen klar sind, was mit Ihnen geschieht, sollten Sie vergessen, sich wie ein Gast zu benehmen."

"Ich kann es mir vorstellen. Aber ich versichere Ihnen, ich bin allemal lieber hier als in Untersuchungshaft und werde mich zu benehmen wissen."

Lial neigte anmutig ihr Haupt. "An Bord sind Sie auf körperliche Schäden hin untersucht und behandelt worden. Die Heiler hier werden Sie auf mentale Schäden hin untersuchen. Die Behandlung hier wird anders sein, als Sie es vielleicht gewohnt sind. Ich kann Ihnen aber nur raten, dass das, was mit Ihnen geschehen ist, ernst zu nehmen."

Etienne wusste nicht recht, worauf Lial hinaus wollte. "Ich nehme das durchaus ernst, Ma'am. Glauben Sie mir, man verbringt nicht mehrere Wochen in romulanischer Gefangenschaft und macht danach wie vorher weiter." Er selbst war ziemlich überrascht gewesen, als er hörte, wie lange er Torans "Gastfreundschaft" genossen hatte. Für ihn hätten es nur drei Tage oder auch drei Jahre sein können.

"Nun, diese Einsicht kann Ihnen Ihre Gesundheit erhalten, Mr. Duval. Ich überlasse Sie den Heilern."

"Einen Moment, bitte", hielt Etienne sie auf, als Lial sich zum Gehen wandte. "Wäre es möglich, dass ich A´kebur sehen kann?" Darum zu bitten, fiel Etienne nicht ganz leicht, erst recht nicht vor Fremden. Aber es war ihm wichtig.

"A´kebur weiß nicht, dass Sie hier sind. Ihr Zustand ist noch unklar. Erst nach der Untersuchung wird genau festzustellen sein, ob es klug ist, dass sie sich sehen oder gar berühren. Ich muss die Verfassung meines Urenkels bedenken", erklärte Lial ihm schonungslos. Sie gab ihm damit auch zu verstehen, dass seine Anwesenheit nur mit A´kebur zu erklären war. Um ihn selbst ging es nicht.

"Aha, dann warte ich." Etienne gefiel die Antwort nicht, aber es blieb wohl nichts anderes übrig. Allerdings passte es ihm immer weniger, dass alle so taten, als wäre er ein Invalide oder irgendwie ansteckend. Er war noch nicht wieder vollkommen fit, doch das war nur eine Frage der Zeit. Wozu also der Aufwand?

Das wurde ihm jedoch schnell klar, als er die kühle und klare Präsenz eines Vulkaniers in sich spürte. Dieser hatte kurz vorher sein Einverständnis geholt. Dann begann er damit, ihn zu untersuchen. Das, was er in Etienne berührte, hätte diesen fast aufschreien lassen. Aber er blieb stumm. Eigentlich hatte der damit gerechnet, dass der Mann gefühllos weitermachen würde. Doch dem war nicht so.

Vorsichtig zog er sich aus Etienne zurück. Dann unterhielt er sich auf Vulkanisch mit seinen Kollegen.

"Sie sind ein Mensch, Mr. Duval", eröffnete ein älterer Herr. "Wir wissen, was mit anderen, telepathischen Spezies geschieht, wenn ihnen so etwas angetan wurde wie Ihnen, Mr. Duval. Bei Menschen ist diese Einschätzung sehr schwer. Unserer Meinung nach, müssten Sie hierbleiben. Wir wissen aber auch, dass die Heilung eines Menschen sehr stark davon abhängt, wie wohl er sich fühlt. Sie können mit Lial gehen. Wir möchten Sie aber darum bitten, keinen intensiven Kontakt zu Ihrem Bindungspartner aufzubauen. Weder mental noch körperlich. Dies ist Semal. Er ist das, was Sie wohl einen Schüler oder einen Adepten nennen würden. Er wird Sie begleiten und Sie abschirmen. Das ist leider unumgänglich."

Etienne nickte deutlich verwirrt. Der Kommentar mit dem sich geistig und körperlich Fernhalten von A´kebur passte ihm überhaupt nicht, aber wenn die Spitzohren darauf bestanden, na gut. "Könnten Sie mir denn bitte erklären, was überhaupt mit mir passiert ist?", hakte er nach. "Und da ich doch kein Telepath bin, wieso der ganze Aufwand?"

Ihm wurde ein Blick zuteil, der sich wohl am besten mit typisch Mensch übersetzen ließ. "Sie sind kein Telepath, aber Sie sind mit einem Telepathen verbunden. Ihre Verletzungen und deren Auswirkung werden zu einem großen Teil von Ihrem Bindungspartner getragen. Daher geht es Ihnen gut. Sollten Sie ihn jedoch von sich aus noch zusätzlich belasten, könnte Ihr Bindungspartner zusammenbrechen. Das, was mit Ihnen passiert ist, könnte man als eine telepathische Vergewaltigung bezeichnen."

Nun zuckte Etienne wirklich zusammen. Er hatte es sich nicht eingestehen wollen, aber haargenau so hatte sich das angefühlt. Und er belastete A´kebur damit, ohne es selber zu merken? Nicht einmal seinem ärgsten Feind hätte Etienne das gewünscht.

"Dann bitte ich Sie, alles zu tun, damit ich nichts mehr auf andere ausstrahle", bat er merklich leiser und demütiger im Ton. "Allerdings würde ich wirklich gerne das Krankenhaus verlassen dürfen."

"Das ist uns bewusst, Mr. Duval. Ich bitte Sie jedoch auch darum, die Lage Ihres Bindungspartners nicht außer acht zu lassen."

"Ja, natürlich. Ich will ihm auf keinen Fall noch mehr Probleme machen."

Der Heiler wich ein Stück von ihm und bedeutete einen wesentlich jüngeren Mann, näher zu treten. Etienne nahm an, dass das Semal war. Er sah wirklich jung aus, wahrscheinlich war er es auch - selbst nach vulkanischen Maßstäben. Er hob die Hand und grüßte Etienne.

Dieser erwiderte die Geste mühelos; Begrüßungsriten aller Art waren das Erste gewesen, was er gelernt hatte, bevor er zu seinen Reisen aufgebrochen war. "Freut mich. Ich danke Ihnen, dass Sie sich bereit erklären, mir zu helfen", holte Etienne seine Manieren hervor. Wenn es wirklich stimmte, was der Arzt gesagt hatte, und daran bestand jetzt kein Zweifel mehr, dann war Etienne auf Semal angewiesen.

"Es ist für mich akzeptabel, Ihnen zu helfen", erklärte der Adept und wirkte etwas steif, wenn nicht sogar unbehaglich.

Etienne sah zum Arzt hinüber, der mit einem Nicken andeutete, dass das Gespräch beendet war. Er stand auf und nahm es als Zustimmung, das Krankenhaus verlassen zu dürfen. Niemand hielt ihn auf.

Vor dem Gebäude erwartete ihn eine Limousine. Ein Chauffeur öffnete ihm die Tür und im Inneren des Wagens erwartete ihn Lial. Sie sagte nichts, als der Adept zu ihnen stieg. Offenbar hatte sie mit so einer Maßnahme gerechnet.

Zum Glück war die Limousine halbwegs klimatisiert, aber der Schock, aus dem Krankenhaus ins Freie zu kommen, hätte Etienne fast ersticken lassen. Entweder war er wirklich noch nicht fit oder auf Vulkan war gerade Sommer.

Die Fahrt wurde durch kein Gespräch unterbrochen. Etienne wusste nicht, ob er darüber erleichtert sein sollte. Schließlich wurde er jedoch erlöst, als das Fahrzeug hielt und ein Schwall heißer Luft in das kühle Innere einbrach, weil der Fahrer die Tür geöffnet hatte. Lial stieg als Erste aus. Dann folgten Etienne und der Adept Semal.

Das Gebäude, vor dem sie gehalten hatten, wirkte auf Etienne ebenso beeindruckend wie vor ein paar Wochen auf A´kebur. Die Vorstellung, hier die nächste Zeit zu verbringen, war ziemlich gewöhnungsbedürftig. Aber wenn es dort drin zumindest etwas kühler war, war Etienne zufrieden damit. Er folgte Lial zum Tor, das nach dem Anklopfen von einer weiteren Vulkanierin geöffnet wurde. Sie nickte höflich, blieb aber stumm.

Vulkanier konnten so nervig schweigsam sein, dass es weh tat. Etienne riss sich aber zusammen. Sein Vorsatz bröckelte jedoch, als A´kebur plötzlich vor ihm stand. Dieser sah ihn mit großen Augen an. Jedoch war er dabei genauso stumm wie ein Vulkanier. Überhaupt wirkte er verändert, ganz anderes als der wütende junge Fähnrich. A´kebur trug eine bestickte vulkanische Robe und strahlte eine Ruhe aus, die Etienne nie an ihm gesehen hatte. Zumindest oberflächlich. Etienne wusste nicht, was er sagen sollte, obwohl er sonst nie um ein Wort verlegen war.

"Du hast lange gebraucht", brummte A´kebur dann jedoch.

"Tschuldige, ging nicht schneller", gab Etienne zurück. Erst wollte er näher zu A´kebur gehen, hielt sich dann aber eingedenk der Worte des Arztes zurück. "Dir scheint es hier ganz gut zu gehen."

A´keburs Blick brach für einen Moment. Er nickte. "Wir sollten uns im Garten unterhalten", meinte er dann. Er neigte in Lials Richtung sein Haupt. "Großmutter."

"A´kebur", entließ sie ihn und ging. Etienne sah ihr kurz nach und folgte dann A´kebur in Richtung Garten. Noch immer musste er an sich halten, dem Klingonen nicht näher zu kommen, aber selbst wenn, da war immer noch Adept Semal, der ihm wie ein Schatten folgte. Was er nicht wusste, war, dass dieser alle Hände voll zu tun hatte. Semal hatte es noch nie mit einer so starken Bindung zu tun gehabt. Sein Meister hatte ihn gewarnt, dass eine Seelenbindung immer stärker war als eine normale, wie sie zumeist schon in Jugendjahren zwischen zwei Katra geschaffen wurde.

"Wie geht es dir?", fragte A´kebur Etienne.

"Wieder besser, Dank dir, wie ich gehört habe", erwiderte dieser. "Wie kommst du mit deiner Familie hier klar? Lial scheint recht formidabel zu sein."

A´kebur sah Semal an, der sichtlich damit zu kämpfen hatte, dessen Blick nicht auszuweichen. "Lass uns allein!", befahl A´kebur ihm.

Semal nickte. "Ich bleibe in der Nähe, Sir", erklärte er und ließ den beiden ihre Privatsphäre. "Wenn ich das richtig verstanden habe, ist er hauptsächlich zu deiner Sicherheit hier, nicht zu meiner", sagte Etienne leise. "Ich will nicht, dass du den ganzen Gedankenmüll von mir abbekommst."

A´kebur zeigte kurz seine Zähne und damit seine Meinung dazu. Ihm war es reichlich egal. "Ich werde Toran töten", erklärte er unvermittelt.

"Nicht, wenn ich diesen Schweinehund zuerst erwische", gab Etienne grimmig zurück, obwohl er nicht wusste, wie er bei einem erneuten Zusammentreffen mit dem Romulaner reagieren würde. "Aber das wird noch etwas warten müssen. Ich darf hier nicht weg."

A´kebur lächelte grimmig. "Aber ich!"

"Und was soll ich hier solange machen? Leise vor mich hinbraten? Der Planet ist ja der reinste Backofen. Nichts da! Wenn du gehst, fliege ich mit. Föderationsgesetze hin oder her!"

A´kebur spürte Wut in sich aufsteigen. Wie konnte Etienne so etwas sagen? Es war seine Familie gewesen, die für ihn bürgte. Zudem hatte Etienne sich nicht weiterer Gefahr durch diesen Romulaner auszusetzen! Mit einem Aufschrei stürzte sich A´kebur auf Etienne.

Dieser war darauf absolut nicht gefasst gewesen, sodass beide nach hinten kippten und auf dem dunkelroten, feingeharkten Sand des Gartens landeten. Etienne keuchte, als A´keburs Gewicht ihm die Luft aus den Lungen drückte. "Was zum Teufel ..."

"Du wirst nirgendwo hingehen, Etienne!", knurrte A´kebur. "Du wirst hier bleiben! Ich werde nicht noch einmal zusehen, wie dieser Bastard dich in die Mangel nimmt. Ich werde ihn zerquetschen wie ein Insekt."

"Ich... verdammt, ich bleibe ja! Aber ich will genauso wenig, dass du dich deswegen in Gefahr begibst! Toran ist nicht zu unterschätzen. Und ich werde bestimmt nicht hier brav bleiben, bis du vielleicht mal wiederkommst, in Stücken oder noch heil. Ach, zur Hölle! Ich habe dir das alles eingebrockt, also muss ich es auch wieder geradebiegen!", fauchte Etienne zurück. Die unmittelbare Nähe zu A´kebur machte es nicht gerade einfach, wütend zu sein - viel lieber hätte er ihn an sich gezogen und den ganzen Ärger hinter sich gelassen. "Und lass mich besser los, sonst schmeißt Lial mich doch noch raus!", fügte er beinahe gegen seinen Willen hinzu.

A´kebur stemmte sich nach oben, so dass Etienne ein wenig mehr Platz hatte und er ihn besser anschauen konnte. Dann beugte er sich jedoch soweit hinunter, dass er die Lippen von Etienne mit den seinen berühren konnte. "Wir sind Seelenverbundene, keine Freunde", flüsterte er. "Du wirst hier bleiben!"

"Aber dann bleib du gefälligst auch hier", gab Etienne leise zurück. "Wie du schon sagtest, ich bin dein Seelenpartner nicht deine verdammte Ehefrau, die man irgendwo zurücklassen kann." Er setzte sich halb auf, als A´kebur es zuließ. "Aber ich schätze, ich muss mich wohl auch entschuldigen, dass ich dir auf Charon 7 nicht geglaubt habe."

"Ich hätte dir wohl auch nicht geglaubt." A´kebur wich zurück und sah ihn aufmerksam an. "Wenn du nicht bleibst", setzte er fort, "dann werde ich sagen müssen, dass du fliehen willst. Man wird dich ins Gefängnis sperren."

"Wage es ja nicht!" Etienne klang aber weitaus resignierter als vorher. "Können wir die Diskussion nicht verschieben? Für spektakuläre Fluchtversuche bin ich noch nicht fit genug. Und mir ist warm!"

A´kebur setzte sich auf seine Fersen und sah zum Haus. "Shana sucht sich immer die kühlsten Ecken aus. Sie wird dir ganz sicher sagen, wo es sich aushalten lässt."

"Shana?"

"Ja, ihr hast du es zu verdanken, dass ich auf meiner Suche nach dir innerhalb kürzester Zeit fündig geworden bin. Also würde ich sagen, dass sie auch Recht behält, was die kühlen Plätze anbelangt. Ich habe es nicht ausprobiert."

"Gut, dann werde ich mich der Dame mal anvertrauen und mich an einen kühleren Ort verlegen." Etienne stand auf und klopfte sich den Sand ab. Er blickte A´kebur an. "Ich bin froh dich wiederzusehen", erklärte er nach einigem Zögern. "Es gab Momente, da habe ich nicht mehr daran geglaubt."

A´kebur ballte seine Hände zu Fäusten. Er sah Etienne nach. Als der im Haus verschwand, senkte er den Kopf. "Warum er?", fragte er leise. Aber niemand gab ihm eine Antwort. Vielleicht gab es auch keine.

Im Haus angekommen wurde Etienne einmal mehr mit der schweigenden Präsenz diverser Vulkanier bedacht. Gerade als er begann, sich sichtlich unbehaglich zu fühlen, kam eine kleine, blaue Gestalt auf ihn zu, die nun gar nicht in das steife, dunkle Interieur zu passen schien: Eine Andorianerin.

"Ah, ich habe Sie verpasst. Dabei habe ich schon Monate auf Sie gewartet", eröffnete sie ohne Punkt und Komma. "Mein Name ist Shana", stellte sie sich dann aber vor und lächelte.

Etienne lächelte spontan zurück und entschied, dass ihm die kleine, elfenhafte Frau auf Anhieb sympathisch war. "In letzter Zeit scheint jeder, dem ich begegne, bereits zu wissen, wer ich bin", erwiderte er mit komischer Verzweiflung. "Offensichtlich bin ich berüchtigter, als ich dachte. Und wieso haben Sie auf mich gewartet?"

"Na ja, A´kebur ist nicht sehr gesprächig. Daher wollte ich endlich wissen, wen er sucht", antwortete sie prompt, wobei sie ein halbes Dutzend und eine Augenbraue ignorierte, die sich bei der Antwort wölbten.

Etienne grinste noch breiter. Wenn sich schon die Gelegenheit bot, diese steifen Spitzohren zu schocken, dann bitte. "Und, erfülle ich Ihre Erwartungen oder sind Sie jetzt enttäuscht?"

"Hübsch, hübsch. Er hat einen guten Geschmack oder Sie haben einen guten Geschmack. Ich glaube, das ist sich gleich."

"Dann bin ich ja beruhigt. Aber unter uns, ich denke, A´kebur hat auch sehr viel Geschmack bei seiner Freundin und Helferin bewiesen. Er sagte, Sie hätten ihm geholfen, mich zu finden. Ich stehe wohl in Ihrer Schuld."

Shana wurde ein wenig dunkler im Gesicht. "Ach was, nicht der Rede wert. Und er hat tatsächlich gesagt, ich habe ihm geholfen?" Sie grinste. "Dabei ist er mir entwischt, als er Sie gefunden hat."

"Typisch! Er wollte sich also nicht mehr helfen lassen als nötig. Ich schätze, Sie hatten einigen Ärger mit ihm, oder? A´kebur kann ziemlich stur sein."

Shana sah zu den statuesk wirkenden Vulkaniern. "Wir sollten uns woanders unterhalten. Ich denke, wir stören", meinte sie.

"Bevorzugt dahin, wo es kühler ist", stimmte Etienne dankbar zu. "Wie halten Sie das hier überhaupt aus? Vulkan ist ja nun wirklich nicht Andorias Klimazone."

"Mir viel Geduld, wenn Sie mich weiter fragen. Ich habe hier einen wirklich kühlen Ort gefunden. Sie werden es nicht glauben: Es ist der Kühlschrank", berichtete Shana nicht ohne Ernst.

"Dann nichts wie hin. Kälte macht mir weitaus weniger aus als diese Hitze hier." Shana nickte und zusammen gingen sie einen der endlosen Gänge hinunter bis zu einer Tür, hinter der es weitaus kühler war. Etienne atmete auf. "Das ist schon besser."

Shana ging an eines der Regale und holte eine Schüssel hervor. "Bester vulkanischer Pudding", meinte sie. "Lecker und süß. Manchmal wissen sie doch, was guttut", kommentierte sie und holte aus einer anderen Ecke einen Löffel hervor. "Ich vermute, Sie haben seit Ihrer Ankunft noch nichts gegessen. Häufige Ortswechsel machen mich immer hungrig. Wenn es Ihnen auch so geht, dann ist das hier das Beste zur Stärkung."

"Ich glaube, Sie können auch Gedanken lesen", kommentierte Etienne und probierte den Pudding. "Ich habe seit Tagen nur scheußliches Krankenhausessen vorgesetzt bekommen und dazwischen noch scheußlichere Replikatormahlzeiten, die allesamt an Pappe erinnerten. Der Replikator auf der Drake war wenigstens so programmiert, dass das Essen nach was schmeckte." Etienne konnte nicht verhindern, dass er mit etwas Wehmut an sein Schiff dachte. Ob er es wohl wiederbekam und damit erneut auf Reisen gehen konnte? Vermutlich nicht.

"Verstehe ich nicht. Eigentlich müssten die vom diplomatischen Dienst die beste Ausstattung, ergo auch Replikatoren haben." Shana lehnte sich zurück und musterte Etienne.

"Na ja, dann war ich wohl doch nicht wichtig genug, um in den Genuss der Sonderausstattung zu kommen", gab dieser achselzuckend zurück. "Oder meine Geschmacksnerven haben gelitten. Würde mich auch nicht wundern." Er nahm noch ein paar Löffel Pudding. "Sie gehören auch zu Starfleet, oder?", wechselte er das Thema.

"Ja, ich bin Assistenzärztin auf der Sovk. Ich begleite A´kebur und diene ihm zur Not als Sandsack. Ich kann gut austeilen. Wir schenken uns nichts."

Etienne lachte. "Wenn er noch immer ein Bedürfnis zum sich Prügeln hat, bin ich ja beruhigt. Dass heißt, dass die Vulkanier ihn noch nicht ganz gezähmt haben. Aber mal im Ernst, das hier ist doch keine Umgebung für uns drei. Sie sind schon länger hier; denken Sie, diese Lial kann A´kebur und mir helfen? Ich habe keine Ahnung von diesen Dingen. Zweifel habe ich dennoch."

Shana wiegte ihren Kopf. "Er ist ruhiger geworden. Manchmal mache ich mir sogar Sorgen, dass er zu ruhig geworden ist. Seit etwa einer Woche wechselt er kaum zwei Worte mit mir. Ich weiß nicht, was in ihm vorgeht."

Das Amüsement wich aus Etiennes Gesicht. "Ich auch nicht, nicht wirklich. Aber im Zweifelsfall hat es was mit mir zu tun. Wäre ich nicht gewesen, säße A´kebur jetzt noch immer friedlich auf Deep Space 13 und müsste sich um nichts größeres Gedanken machen als ein paar defekte Lichtleiter. Ich habe ziemliches Chaos in seinem Leben angerichtet."

"Er hätte niemals das Wesen getroffen, das seiner Seele entspricht", stellte Shana klar. "Ich habe mich ein wenig mit diesem Kram hier auseinandergesetzt. Es ist wirklich so, wie die Spitzohren sagen: es kommt immer wieder vor, dass eine Seele eine andere trifft und diese entspricht ihr. Sie sind nicht eins. Aber sie gehören zusammen. Warum das so ist, können die Vulkanier nicht sagen. Aber sie tun alles, damit diejenigen, die es unvorbereitet trifft, es gut überstehen. Lial hat mir zu verstehen gegeben, dass sie sich um A´kebur und Sie große Sorgen machen. Auch über Sie! Selbst ohne telepathische Fähigkeiten wird es für Sie nicht ohne Auswirkung bleiben, sollte A´kebur das Gleichgewicht verlieren. Im Moment trägt er Sie. Ich habe es in seinen Augen gesehen. Lial hat mir auf meine Frage nicht geantwortet."

Etienne stellte den Pudding weg. Irgendwie war ihm der Appetit vergangen. "Dann sollte ich schnellstens zusehen, dass ich wieder auf eigenen Füßen stehe, sozusagen. Auch wenn ich absolut keine Ahnung habe, wie. Ich bin Raumkreuzern entkommen, die weitaus besser gerüstet waren, konnte verhindern, dass mich Ferengi dauerhaft betrügen und habe es tatsächlich einmal geschafft, bei einer Schlägerei einen Nausicaaner umzuhauen, der doppelt so groß war wie ich. Aber das hier, ist absolut nicht mein Terrain." Er fuhr sich über die Augen. "Warum erzähle ich Ihnen das eigentlich? Sie haben sicher keine Patentlösung."

"Weil Sie Hilfe suchen", meinte Shana. "Aber vielleicht ist das, was alle fürchten, das Beste, was passieren kann. Sie müssen A´keburs Barriere zum Zusammenbruch bringen. Sie müssen sich beide selbst heilen."

"Klingt ja ganz einfach", ächzte Etienne, "aber das wird Lial garantiert nicht passen. Ich bin hier schließlich nur auf Bewährung. Und erstmal muss ich A´kebur davon abhalten, loszurennen und Toran den Hals umzudrehen." Er lächelte schief. "Obwohl das ja irgendwie fast süß ist. Hör sich da einer an! Ich habe garantiert einen Hitzschlag."

"Oh, das nennt man nur Liebe", meinte Shana und grinste.

Etienne war versucht, die Andorianerin mit Pudding zu bewerfen. Aber man bestrafte Leute nicht dafür, dass sie Recht hatten und er musste sich eingestehen, dass sie mehr als nur Recht haben könnte.

"Überlegen Sie, was für Alternativen wir haben. So wie ich das sehe, kann A´kebur hier nur zum Vulkanier werden. Ob das so für seine Seelenpflege gut ist, weiß ich nicht", setzte Shana fort, als würde sie nicht bemerken, was Etienne von ihrer Feststellung hielt. "Er hat ein aufbrausendes Wesen. Aber er ist unschuldig wie ein Kleinkind. Erstaunlich, wenn man bedenkt, welcher Rasse er angehört. Ich verstehe nur nicht, warum er dazu neigt, alle Welt zusammen zu schlagen. Wobei ich sage muss, er hält sich erstaunlich zurück."

"Ich glaube kaum, dass man aus A´kebur einen Vulkanier machen kann, egal was man mit ihm anstellt. Von daher mache ich mir da keine Sorgen. Eher die Tatsache, dass man ihn vielleicht schon wieder in eine Schablone pressen will, für die er nicht geschaffen ist. Und dabei will er eigentlich um jeden Preis irgendwo dazugehören. Aber so, wie er ist, nicht wie man ihn haben will." Etienne seufzte uncharakteristisch.

"Eine erstaunliche Einsichtsfähigkeit für einen Menschen, der ihn nicht kennt", meinte Shana treffend. "Er will dazugehören. Und er will dabei so sein, wie er ist, wobei er auch noch mehr Klingone sein möchte."

"Stimmt. Aber selbst bei unserer ach so großen und toleranten Galaxis fällt er zwischen alle Stühle, besonders bei solchen traditionsbehafteten Vereinen wie den Klingonen und den Vulkaniern. Das werden wir beide kaum nachvollziehen können."

Shana wackelte mit den Fühlern. Sie lächelte verträumt. Was für ein perfekter Mann, dachte sie. "Und was ist mit Ihnen? Sie stammen auch aus einem traditionsbehafteten Verein", stellte sie laut fest.

Etienne lachte. "Na ja, mehr oder weniger. Aber wir Menschen waren ja schon immer dafür berüchtigt, uns nicht so gut einsortieren zu lassen. Und offengestanden macht mir das auch nichts aus. Ich bin eher ein Freigeist. Oder war es zumindest; ich werde mal sehen müssen, was davon übriggeblieben ist."

"Nun, das mit dem Freigeist hat sich dann ja wohl überholt", meinte Shana trocken. Sie konnte jedoch nicht lange den Ernst aufrechterhalten. Sie gluckste leise und zuckte unter dem Eindruck ihres eigenen Witzes.

Etienne schmunzelte; er gehörte nicht zu den Leuten, die nicht über sich selbst lachen konnten. "Und was ist mit Ihnen? Gehen Sie wieder mit Starfleet auf Tour, wenn der ganze Zauber hier vorbei ist?"

Shana schaute auf. "Ja, wenn der Zauber vorbei ist. Warum fragen Sie?"

"Auch nur wieder aus Neugier. Ich frage mich nämlich, ob A´kebur wieder zu Starfleet zurück will. Und ob ich für den Rest meines Lebens auf diesem Grillrost von Planeten verbannt bin." Etienne sah Shana an. "Das hier mag vielleicht keine Reha-Kolonie sein, aber eingesperrt ist eingesperrt."

"Nun, Sie sind kein Engel und Sie sind nicht unschuldig, Mr. Duval." Shana erhob sich. "Wir können hier im Übrigen nicht ewig bleiben. Die Kühlung lässt nur ein gewisses Maß an warmen Körper zu. Also: Ab nach draußen!"

"Na schön. Aber wenn ich doch noch einen Hitzschlag bekommen, ist es Ihre Schuld!", erklärte Etienne mit komischer Verzweiflung und folgte der Andorianerin aus dem Kühlraum. Im Gang schlug ihnen wieder die Hitzewelle entgegen und er beschloss, als erstes dünnere Kleidung anzuziehen. Vielleicht würde das ja helfen.

"Wissen Sie eigentlich, wo ich untergebracht bin?", fragte er Shana.

Diese schaute sich um, dann ging sie aufs Geradewohl in die Richtung, wo A´keburs Zimmer lag. "Ich schätze, hier irgendwo. Alle Zimmer stehen offen, außer jemand möchte allein sein oder man mag es des Nachts intimer und ohne Störung. Hier ist ein Zimmer, was noch nicht belegt ist. Ich vermute daher, dass es Ihres ist. Aber fragen Sie Lial."

"Sollte ich vielleicht besser. Ich will mich ja nicht unnötig unbeliebt machen", erklärte Etienne. "Und mit etwas Pech darf ich überhaupt nicht in A´keburs Nähe nächtigen."

"Sie dürfen", hörte er Lial hinter sich.

Etienne wirbelte herum; er hatte die alte Vulkanierin nicht kommen hören. Aber dann entspannte er sich wieder. "Danke. Gibt es hier einen besonderen Zeitplan im Haus, nach dem ich mich zu richten habe? Was werde ich überhaupt zu tun haben?", wollte er wissen.

Lial sah ihn ruhig an. Sie faltete ihre Hände. "Sie haben keinerlei Aufgaben, außer Sie wünschen welche zu haben. Vielleicht erholen Sie sich erst einmal ein wenig und gewöhnen sich an das Klima. Sie werden ein paar Tage benötigen."

"Dann hoffe ich, dass ich mich schnell gewöhne. Untätig herumsitzen liegt mir nicht wirklich. Wenn Sie mich entschuldigen, Ma'am, ich werde meine neuen Quartiere in Augenschein nehmen." Und hoffentlich eine Dusche finden, setzte er in Gedanken hinzu. Er fühlte sich selbst nach den wenigen Minuten in der Wärme wie durchgebraten.

Lial neigte leicht ihr Haupt und wandte sich ab. Shana sah Etienne in sein Quartier gehen.

Kurzentschlossen folgte sie Lial. "Ma´am!", ersuchte sie ihre Aufmerksamkeit.

Die alte Vulkanierin wandte sich um. "Ja, Dr. Shana?"

"Können wir uns unterhalten?"

"Natürlich. Kommen Sie mit in die Bibliothek, dort ist es kühler." Lial wandte sich zu einer der Türen auf der linken Seite und öffnete sie.

Shana seufzte erleichtert. "So langsam werde ich in meinem eigenen Saft gegart. Danke, dass ich Ihren Kühlschrank benutzen darf. Ich wäre schon längst eine kleine, blaue Pfütze."

Lial zog nur die Augenbrauen hoch. "Es wäre höchst inakzeptabel, Sie aufgrund Ihrer an unsere Temperaturen nicht angepassten Physis leiden zu lassen, Doktor. Daher ist es selbstverständlich." Sie musterte die Andorianerin. "Aber das war nicht alles, oder?"

"Nein nicht ganz", gestand Shana. "Es geht um das Pärchen. Die frisch Verliebten - quasi."

"Fahren Sie fort."

Shana schloss die Tür und setzte sich auf einen Stuhl. Sie atmete tief durch. "Sie passen beide nicht hierher. Doch wohin sollen sie gehen?" Shana bemerkte, dass sie diese Frage eigentlich mehr für sich stellte. "Wissen Sie, als ich A´kebur das erste Mal sah, dachte ich, wie kann man so schön und wütend zugleich sein. Er ist ein sehr emotionaler Mann. Er geht ein wie eine Blume, die man nicht gießt. Er leidet."

Lial hatte sich ebenfalls gesetzt und legte die Fingerspitzen nachdenklich aufeinander. "Ich teile weitgehend Ihre Einschätzung, Doktor", erklärte sie überraschenderweise, "aber wie Sie schon richtig bemerken, gibt es im Augenblick keinen besseren Platz für die beiden. Mr. Duval würde außerhalb von Vulkan sofort der Gerichtsbarkeit überantwortet, und A´kebur ist noch nicht gefestigt genug, um ohne Hilfe mit seinen Kräften und dem Band umgehen zu können. Deswegen müssen sie die Umstände vorerst akzeptieren. Ich bin mir jedoch sicher, sie werden sich gegenseitig stabilisieren."

Shana nickte. Sie leckte sich über ihre Lippen und überlegte ihre nächsten Worte. "Was ist, wenn das geschehen ist? Was wird dann mit ihnen passieren?"

"Diese Frage ist weitaus schwieriger zu beantworten, und ich fürchte, ich habe im Augenblick keine zufriedenstellende Antwort. Ich bin mir aber sicher, es wird sich eine Lösung finden."

Shana hob eine Augenbraue. Ihre Fühler zuckten. Das war eine alles andere als befriedigende Antwort. "Also ist es eher von Interesse, wenn sie nicht geheilt werden", brummte sie.

"Das habe ich nicht gesagt", erwiderte Lial. "Es ist in unser aller Interesse, wenn es den beiden besser geht. Ich habe lediglich festgestellt, dass sich die Zukunft für die beiden schwierig gestalten könnte."

"Werden Sie dem Bindungspartner Ihres Enkels helfen, auch wenn er ein Pirat ist?"

Lial neigte den Kopf. "Ich habe bereits alles in meiner Macht Stehende getan, indem ihm auf Vulkan Asyl angeboten wurde. Alles Weitere würde Föderationsgesetze verletzen. Und kriminelle Handlungen können nicht unterstützt werden."

Shana tippte mit ihren Füßen auf den Boden. Was für eine vertrackte Situation. "Sie werden also jeder für sich sein. Etwa dreißig oder vierzig Jahre lang. Jeder auf der anderen Seite des Kraftfeldes."

"Ich weiß es nicht. Sie werden zumindest Entscheidungen treffen müssen. Aber dafür ist es noch zu früh. Zuerst müssen A´kebur und Mr. Duval vollständig geheilt sein und ihr Band so gefestigt, dass es sie nicht mehr behindert. Dann werden wir weitersehen."

Lial verzog zwar keine Miene, aber Shana hatte doch das untrügliche Gefühl, dass die alte Vulkanierin sich große Sorgen um die jungen Männer machte.

Ihr war deren Schicksal keinesfalls gleichgültig. Und das war es wirklich nicht. Lial hätte gerne mehr für ihren Urenkel und dessen Partner getan, aber im Augenblick waren ihr die Hände gebunden. Zeit und hoffentlich ein paar gute Ideen mussten abgewartet werden.

Lial sah, wie Shana ihre schweißfeuchten Hände abwischte. "Was würde passieren, wenn die Barrieren von A´kebur durch Etienne zerstört werden. Würden sie beide verbunden werden?", wagte Shana endlich die Frage zu stellen, die ihr schon die ganze Zeit vorschwebte.

Lial dachte einen Moment nach, bevor sie antwortete. "Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder würde sich das Band festigen und ein großer Teil von A´kebur, der noch im Ungleichgewicht ist, würde endlich zur Ruhe kommen. Oder aber, was wahrscheinlicher ist, es folgt ein völliger Zusammenbruch, der beide mit sich reißt. Daher halte ich es für ratsam, darauf zu achten, dass derlei nicht geschieht."

"Aber sie sind wie Magneten. Haben Sie die beiden schon einmal gesehen, wenn sie in einem Raum sind? Es knistert vor Elektrizität!"

"Das liegt an den höchst unlogischen, aber biologischen Gegebenheiten ihrer Hormone", gab Lial ungerührt zurück. "Vulkanische Bindungspartner würden außerhalb des Ponfarr niemals so aufeinander reagieren. Sie sind bestrebt, Harmonie zu erzeugen."

Shana grinste. "Ja, klar. Wir haben ja schon festgestellt, dass es ein Mensch und ein Halbklingone Schrägstrich Halbvulkanier sind. Sie fahren buchstäblich aufeinander ab. Daher ist es Folter, sie trennen zu wollen. Egal, was vulkanische Bindungspartner tun oder nicht. Wenn die Elektrizität sich nicht ablädt, dann suche ich mir einen tiefen Graben, wo ich die Entladung abwarten werde, wenn es knallt."

"Nun, in dem Fall schlage ich vor, die Energie sollte sich auf natürlichem Wege entladen. Ansonsten, würde ich Ihnen vermutlich in dem metaphorischen Graben Gesellschaft leisten wollten, Doktor. Wenn Sie mich nun entschuldigen, ich habe noch etwas zu erledigen." Lial stand auf und vielleicht hätte ein anderer unhöflich bei diesem Rausschmiss gewirkt. Aber Shana verstand sie.

"Ach, und wie wird bei so was die Barriere aufrechterhalten?", fragte sie sich selbst.

"A´kebur hat dazugelernt", kommentierte Lial von der Tür aus, ehe sie die Bibliothek verließ.

Shana hob eine Augenbraue. "Na dann! Auf zum fröhlichen Funkenflug. Fragt sich nur, wo ich hier einen Spaten finde!"

 

A´kebur fühlte sich merkwürdig. Er glaubte sich fast in einem Traum. "Etienne", murmelte er nun schon zum dritten Mal innerhalb von einer Stunde.

Ihm war warm. Nicht mehr so, wie in den ersten Tagen. Aber immer noch zu warm, als dass er sich wohl fühlte. Er hörte, wie sich jemand duschte.

Das konnte nur ein Mensch sein, der in diesem Maße Wasser verschwendete. A´kebur folgte dem Rauschen. "Du solltest das nicht tun", sprach er, als er Etienne im Zimmer nebenan fand.

Dieser drehte sich erschrocken um und wischte sich das Wasser aus den Augen. "Musst du mich so erschrecken? Außerdem fühle ich mich wie ein Fisch in der Wüste. Hypoduschen kühlen nicht genug ab." Er tastete nach einem Handtuch.

"Sie brauchen eine Ewigkeit, um einen Liter Wasser zu beschaffen. Sie werden nichts sagen. Aber es wird ein großer Aufwand sein, das Wasser zu reinigen, damit man es trinken kann", erklärte A´kebur mit dumpfer Stimme.

"Ich hab’s schon verstanden." Etienne hatte das Handtuch endlich gefunden und begann sich abzutrocknen. "Sie hätten mich auf Betazed aussetzen sollen, da gibt es wenigstens Meere zum Schwimmen", murmelte er.

A´kebur trat auf ihn zu und sog seinen Duft ein. Das Wasser vermischte sich mit Etiennes Geruch und machte ihn fast wahnsinnig.

Dieser wollte gerade aus der Dusche steigen, als er A´keburs Gesichtsausdruck bemerkte, die halbgeschlossenen Augen, das verborgene Feuer darin. Er grinste, trat auf A´kebur zu und drückte sich nackt und noch halbnass wie er war gegen ihn.

"Also, wenn ich schon in Zukunft nur so langweilige Hypoduschen nehmen muss, dann musst du eben dafür sorgen, dass ich mich nicht überhitze", murmelte er gegen die Lippen seines Seelenpartners. A´kebur atmete merklich schneller. Er wagte es nicht, sich zu bewegen. Immer wieder hörte er Lials Warnung. Sie durften nicht! Ihre Worte wurden von seinem Herzschlag begleitet. Schmerzhaft und laut. Es gab keinen Menschen im Universum, dem er so nahe sein wollte. Etiennes Worte verloren fast ihre Bedeutung. Aber nur fast.

A´kebur keuchte und suchte plötzlich den Abstand. Etienne blinzelte, dann fiel auch ihm wieder ein, was man ihm eingeschärft hatte. Er machte einen Schritt zurück. "Tschuldige", murmelte er, "ich hatte vergessen, dass wir brav sein müssen. Aber es fällt verdammt schwer."

"Ich kann so nicht leben!", flüsterte A´kebur und konnte seine aufsteigende Wut nur schwer verhehlen.

"Und ich will es gar nicht erst versuchen", pflichtete Etienne ihm bei und rubbelte sich mit dem Handtuch durch die Haare. "Aber was sollen wir machen? Man hat mir klar zu verstehen gegeben, dass es uns nur schadet, wenn wir uns zu nahe sind. Besonders, nachdem... verdammt, wäre ich bloß nie Toran in die Arme gelaufen!"

A´keburs Augen wirkten auf einmal heller. Ehe Etienne aber begriff, dass A´kebur ihn nicht nur einfach direkt anschaute, war er schon an die Wand gedrückt worden. A´kebur marodierte voller Verlangen, gewürzt mit heiligen Zorn, in seinem Mund. "Verdammt sollen sie sein und in der Hölle soll er schmoren", knurrte A´kebur zwischen zwei Küssen, die die Bezeichnung kaum verdienten.

Etienne erholte sich schnell wieder von seiner Überraschung. Auch wenn sein Verstand ihm eindeutig verbot, das hier weiter zuzulassen, war der Rest von ihm ganz anderer Meinung - und überwog damit entschieden. Er krallte sich in A´keburs lange Mähne und verfluchte die lange vulkanische, viel zu viel verdeckende Robe. Das verschaffte A´kebur eindeutig einen Vorteil. Denn welcher Widerstand war schon von einem Handtuch zu erwarten?

A´kebur konnte sich gleich den wichtigsten Dingen zuwenden und drückte ihn gerade aufs Bett, wobei sich keiner von beiden die Frage stellte, wie sie es ohne großen Flurschaden bis dahin geschafft hatten.

Sie waren beide hungrig und es gab nur eine Form diese Art Hunger zu stillen.

Etienne gab einen missmutigen Laut von sich, als er feststellen musste, dass vulkanische Betten diese Bezeichnung kaum verdienten und steinhart waren. Aber er hatte schon unbequemere Unterlagen kennengelernt und irgendwie wurde all das ziemlich schnell unwichtig.

Kurzerhand rollte er sich mit A´kebur herum, um endlich dessen Robe loszuwerden. Wie konnte man nur soviel Stoff am Leibe haben? Zum Glück fand er die Verschlüsse und Etienne attackierte die darunterliegende, glühende Haut. A´kebur wölbte sich der Mischung aus Zärtlichkeit und groben Liebesbekundungen entgegen.

Das war Leben. Der Rest war nur ein langes Sterben.

Ungeduldig zog er Etienne zu sich und küsste ihn, kämpfte um seinen Mund, während er die Kehrseite seines Geliebten ausgiebig massierte.

Etienne beugte sich hinunter und genoss es, zumindest teilweise die Oberhand gewonnen zu haben. Außerdem bot A´kebur auf diese Weise einen geradezu verboten erotischen Anblick: Die langen Haare ausgebreitet und leicht zerzaust, die Augen fiebrig, die Lippen dunkel von Küssen und etwas Blut. Und dieser Anblick war Etienne allein vorbehalten. Ohne es selbst zu bemerken, flüsterte er: "Nur meins!" und küsste A´kebur von den Lippen den Hals hinunter, unterbrochen von kleinen Bissen. Er schmeckte Blut, aber es war noch der Rest seines eigenen.

A´kebur grinste. "Und du bist meins!", grollte er. Er zerrte an seinen eigenen Sachen, damit er Etiennen ohne Hindernis spüren konnte. Mit etwas Mühe schafften sie es, die restlichen Lagen von A´keburs Kleidung auszuziehen; der unvermittelte Körperkontakt, ohne jede Schranke, machte Etienne vor Hitze fast wahnsinnig.

Er fühlte tief in sich irgendwo dieses seltsame Gefühl der Verbundenheit, diesen leuchtenden Faden, der hinüber zu A´kebur führte. Und gleichzeitig war da das Bedürfnis, sich zu verschließen, sich zurückzuziehen, niemanden in sich zu zu lassen, weil es nur weh tat ...

Aber A´kebur wollte nicht aufgeben. Er wollte alles wissen, alles spüren. Auch diesen Teil! Er küsste Etienne und senkte seine Barrieren.

Etiennes Empfindungen überfluteten ihn ungeschützt und mit voller Wucht. A´kebur ließ es geschehen. Das war anders als sich zu blockieren. Er fühlte trotzdem nicht alles. Nur Etiennes Geilheit und sein ungehemmtes Verlangen.

Dafür fühlte Etienne nun endlich umso deutlicher A´keburs Empfindungen; er hätte es nie für möglich gehalten, aber die Verbindung schien immer deutlicher in beide Richtungen zu gehen. Vielleicht waren sie wirklich dabei, zwei Teile eines Ganzen zu werden. Der Rest dieser Überlegungen gingen in Etiennes - oder A´keburs - Gefühlssturm unter. Das alles war jetzt nicht wichtig. Sie waren hier, sie waren zusammen, und nur das zählte.

 

Semal stand in der offenen Tür und sah den Naturgewalten auf dem Bett hilflos zu. So etwas hatte er noch nie gesehen.

Er hatte gewusst, dass Menschen und Klingonen emotional waren, aber selbst sein eigenes erstes Ponfarr hatte ihn nicht auf ungefilterte Eindrücke von überschäumenden Instinkten und Gier vorbereiten können. Fassungslosigkeit war es, was ihn erfasst hatte. Aber er wusste genau, was er logisch betrachtet zu tun hatte: Die beiden trennen! Es war schließlich seine Aufgabe dafür zu sorgen, dass die beiden sich nicht noch mehr gegenseitig aus dem Gleichgewicht brachten. Trotzdem wagte er keinen Schritt vor.

"Es sind Tiere", meinte Loran.

Semal sah ihn erschrocken an. Er hatte ihn gar nicht gehört.

"Herr ...", begann er wieder etwas gefasster, "wir sollten vielleicht dazwischengehen."

"Warum? Vielleicht erledigen sich alle Probleme, wenn sie tun, wonach ihnen ihre Gefühle raten. Menschen und Klingonen erheben die Gefühle über den Verstand. Es ist deine Aufgabe, diesen Menschen abzuschirmen. Es ist nicht deine Aufgabe, ihnen Vernunft zu lehren."

"Ich weiß nicht, ob mir das logisch erscheint, Herr, aber gut." Semal schloss die Augen und konzentrierte sich.

Zuerst glaubte er, mitten in einen Sturm zu rennen, der ihn mit aller Kraft mitzureißen drohte, doch sein Training verhinderte dies. Langsam arbeitete er sich vor und erreichte schließlich sein Ziel. Feste Barrieren wurden gezogen und buchstäblich von innen verriegelt.

"Ich hatte nicht gesagt, dass du dazwischen gehen sollst. Du denkst unlogisch", rügte Loran. "Wenn du nicht aus ihnen herausgehst, dann wirst du verletzt werden. Zieh dich zurück, Semal. Du bist nur Adept der Heilkunst."

Semal tat wie geheißen. "Ich habe mich nicht eingemischt, nur die Barrieren geschlossen, was meiner Aufgabe entspricht", erwiderte er und atmete etwas schwerer als sonst; der Einsatz hatte ihn mehr Kraft gekostet, als er gedacht hatte. "Wir sollten uns zurückziehen."

Loran sah mit kalten Augen auf A´kebur. Wenn es nicht unter seine Würde gewesen wäre, dann hätte er sein Gesicht verzogen. Ein Tier, nicht mehr war dieser Klingone in seinem Haus. Er beschmutzte das Haus seiner Familie.

Er verstand nicht, wie Lial ihn hatte aufnehmen können, mehr noch A´keburs Bindungspartner dem Gesetz der Föderation zu entziehen. Es war unlogisch, alles davon.

A´kebur gehörte nicht hierher! Er stand für alles, was die Vulkanier in vielen Generationen endlich überwunden hatten. Loran wandte sich ab. Er hatte kein Verlangen, sich diesen Ausbund an Barbarei noch länger mit anzusehen.

Semal sah ihm nach.

Amaris sah ebenfalls ihrem Mann nach. Sie suchte dann jedoch Semals Blick und folgte dann den Geräuschen. Was sie erblickte, hatte sie in ihrem ganzen Leben noch nie zu Gesicht bekommen. Sie wollte sich genauso stumm abwenden, wie sie gekommen war, als ihre Schwiegermutter ihr den Weg versperrte. "Wir respektieren ihn wie jeden anderen hier im Haus", mahnte Lial. "Er ist dein Enkel. Niemand hier gibt ihm die Akzeptanz seines Daseins. Wir können ihn wenigstens in Ruhe lassen."

Amaris wirkte einen Moment so, als wolle sie protestieren, doch dann nickte sie. "Natürlich. Aber, ist es logisch so etwas zuzulassen?" Sie machte eine etwas hilflose Geste in Richtung der Männer.

Lial folgte ihrer Geste nicht. "Es ist unlogisch, sie daran hindern zu wollen. Oder was meinst du, Amaris?"

"Ich denke nur, solche Verbindungen sollten nicht unterstützt werden. Die beiden sind völlig unkontrolliert und emotional, und solch ein Band lässt sich nicht einmal mit dem Wunsch nach Nachkommen rechtfertigen. Ich sehe also den Sinn darin nicht."

Lial bedeutete Amaris ihr zu folgen. Diese tat wie ihr geheißen.

"Nun", begann Lial und faltete ihre Hände, "welchen Sinn machte es, einen Mischling seiner Art noch weitere Mischlinge zeugen zu lassen, wenn du sie wie ihn ablehnst? Mein Sohn hasst A´kebur!" Lial unterbrach mit einer Handbewegung den Einwand ihrer Schwiegertochter, ehe auch nur ein Wort über ihre Lippen kam. "Ich kenne meinen Sohn, Amaris. So unlogisch dieses Gefühl ist, er tut es. A´kebur ist nicht dafür verantwortlich, dass seine Tochter nicht mehr lebt. A´kebur ist genauso ein Opfer wie sie. Er ist der einzige, der nach ihr kam. Er ist ihr und damit auch unser Erbe. Es abzulehnen, ist unlogisch. Er gehört zur Familie."

Die jüngere Frau senkte den Kopf und schien zum ersten Mal ernsthaft darüber nachzudenken. Dann blickte sie Lial wieder an. "Ich gebe A´kebur nicht die Schuld; das habe ich nie getan. Aber wenn er unter uns weilt, sollte er sich unserem Lebensstil besser anpassen. Das hielte ich nur für angebracht."

Lial nickte. "Ja, du hast Recht." Sie machte eine effektvolle Pause. "Du kennst die Auswirkungen des Ponfarr?", fragte sie nur scheinbar arglos.

"Natürlich. Aber darum geht in diesem Fall doch nicht, oder?", gab Amaris sichtlich verwirrt zurück.

"Die Auswirkungen einer fast verhinderten Bindung zweier Seelen kann so ähnlich sein. Das da drin ist der Versuch zweier Seelen, endlich so nahe zu sein, wie sie es einander versprochen hatten, als sie geboren wurden. Ihre Körper wissen das nicht. Ihre Seelen schreien stumm. Niemand hört es. Das Ponfarr ist ein winziges Feuer gegenüber diesem Verlangen, Amaris."

Amaris' Verwirrung wuchs. "Aber, wenn es unter Vulkaniern auch solche Bindungen gibt, warum können sie so beherrscht sein, wie es unsere Tradition ist? Das müsste dann doch extrem schwierig sein ..."

"Ja, das ist es. Aber Vulkanier sind sensitiver als die meisten Spezies des Universums. Selbst wenn sie keine Telepathen sind, so können sie ihre Seelen auch so verbinden. Darüber hinaus gibt es mich und all die, die über das gleiche Wissen verfügen, um sie dabei zu unterstützen. Ich war nicht da, als diese beiden sich fanden. Niemand war da, als das geschah. A´kebur lehnt seine vulkanische Seite ab. Wie kann er dann mit seinen Fähigkeiten etwas unterstützen, was er genauso wenig versteht, wie sich selbst? Amaris, er ist ein vulkanisches Kind. Er braucht unsere Hilfe, als wäre er gerade erst zwölf Jahre alt geworden."

Wieder schwieg Amaris, dann blickte sie ihre Schwiegermutter entschlossen an. "Das leuchtet mir ein. Ich werde dich unterstützen, Lial, soweit es mir möglich ist. Und ich werde mit Loran reden. Es ist möglich, dass er diese Dinge einfach noch nie bedacht hat."

"Loran hat an diese Dinge gedacht. Er kennt sie besser als du die Zusammenhänge zwischen Bindungspartnern. Nein, seinen Enkel wird er nicht akzeptieren können. A´kebur ist nicht sein Enkel."

"Aber das ist unlogisch. Er kann die Tatsache nicht leugnen. A´kebur ist T'Leras Sohn."

Lial horchte auf, als es ruhiger geworden war. Sie wirkte eigentümlich zufrieden. "Er kann und er tut es. Ich sagte nicht, dass er logisch denkt."

"Dann ist es umso wichtiger, dass ich mit ihm rede. Er kann A´kebur nicht Unlogik und Emotionalität vorwerfen, wenn er selber diese Regeln missachtet." Amaris hob den Kopf und hatte ihre kühle Contenance wieder. "Wenn du mich entschuldigst, ich denke, ich habe einiges zu tun."

Lial verschränkte ihre Arme hinter ihrem Rücken. Dann erlaubte sie sich ein Lächeln. Doch da niemand mehr da war, der es sah, hätte es genauso gut nie geschehen sein können. Kurz horchte Lial, ob ihre beiden Sorgenkinder sich auch nicht gegenseitig in ihrem Enthusiasmus umgebracht hatten, dann ging sie den Flur entlang hinüber in ihr Arbeitszimmer.

08

 

A´kebur brummte zufrieden. Endlich konnte er wieder klar denken. Dass es Etienne in dieser Hinsicht anders ging, ignorierte er geflissentlich. Schließlich hatte der sich nicht dagegen gewehrt und so unbefriedigt sah er auch nicht aus. A´kebur rollte sich auf die Seite und sah in Etiennes Gesicht. "Noch mal?", fragte er.

Dieser blinzelte. Nein, Etienne beklagte sich sicher nicht, aber die Hitze war im Augenblick immer noch sein schlimmster Feind. Außerdem hatte er das vage Gefühl gehabt, dass mittendrin irgendetwas geschehen war ...

Als ob eine Türe zwischen ihnen zugefallen war. Er konnte aber wirklich noch nicht geradeaus genug denken, um weiter darüber nachzugrübeln. "Gib mir ein paar Minuten", schnaufte er, "und irgendwas zu trinken, ja?"

A´kebur rieb sich die Schläfe, rollte sich dann aber gehorsam vom Bett, um etwas zu trinken zu holen. Er kam mit einer Karaffe wieder. Etwas irritiert schloss er die Tür.

Ob sie das ganze Haus zusammengeschrieen hatten? Wahrscheinlich durfte er sich jetzt eine Standpauke in Sachen Benehmen und vulkanischer Etikette anhören.

Es war ihm gleichgültig. Er hatte Etienne wieder. A´kebur dachte daran, dass er seinem Captain danken musste. Seinem Onkel. Ganz sicher hatte er sich dafür eingesetzt. "Hier ist Wasser!", reichte er die Karaffe Etienne. "Neben dir steht ein Glas."

Etienne setzte sich auf, angelte nach dem Glas und trank in langen Zügen. Den Rest kippte er sich einfach ins Gesicht. Dann sah auch er zur Tür und kam zu denselben Schlüssen wie A´kebur. "Wetten, wir bekommen Ärger wie die kleinen Kinder, weil wir zu laut waren?", grinste er.

"Du wahrscheinlich nicht. Eher ich", brummte A´kebur nicht sehr besorgt.

"Na ja, mir als Menschen wird vielleicht noch einiges mehr nachgesehen." Etienne streckte sich und bewunderte A´keburs Körper, dessen feine Schweißschicht ihm im rötlichen Licht des Zimmers etwas Magisches verlieh. "Aber Semal wird sicher nicht begeistert sein, ich sollte mich schließlich von dir fernhalten."

A´kebur betastete seine Barriere. Sie war fest und ohne Risse. "Er hat dafür gesorgt, dass wir uns nicht getroffen haben", stellte er erstaunt fest. "Anders kann ich mir das nicht erklären."

"Getroffen? Ach, er war das komische Gefühl zwischendurch?", hakte Etienne nach. "Ist das jetzt gut oder schlecht?"

A´kebur kam mit raubtierhaften Bewegungen näher. "Ich würde dich gern ganz spüren. Vollständig. Nicht so. Ich will dich. Du bist meins."

"Und wie soll das gehen? Da ist immer noch etwas zwischen uns. Wir bleiben zwei Wesen, ganz gleich, was wir tun", erwiderte Etienne leise.

"Du musst dich öffnen wollen. Kein Dritter kann uns aufhalten, wenn wir es nicht wollen", eröffnete A´kebur ihm.

"Aber ich habe von den Dingen keine Ahnung! Das alles passiert bei mir völlig unbewusst. Und...", er atmete tief durch, "so dumm das auch klingt, ich weiß nicht, ob ich das könnte. Ich ..." Er brach ab.

Konnte er A´kebur ins Gesicht sagen, dass er Angst hatte? Dass der Gedanke an eine komplette geistige Verschmelzung bei ihm nur die scheußlichsten Erinnerungen wachrief?

A´keburs Gedanken rasten. "Du musst mir vertrauen", meinte er dann jedoch zögernd. Wenn er es genau nahm, würde er sich nie vertrauen. Er war nicht das, was die Menschen als vertrauenswürdig definieren würden. Etienne streckte die Hand nach ihm aus und zog ihn zu sich. "Ich würde gerne. Aber ob der Rest von mir das auch kann, weiß ich nicht. Vielleicht werden wir es nur erfahren, wenn wir es versuchen."

A´kebur überlegte, dann berührte er Etiennes Schläfen. "Bereit, wenn du es bist."

Etienne nickte. Er wusste nicht, auf was er sich da einließ, aber wenn er das Risiko jetzt nicht einging, würde er sich vielleicht nie trauen.

"Mein Geist zu deinem Geist. Dein Geist zu meinem Geist. Getrennt und doch verbunden. Eins. Wir sind eins", flüsterte A´kebur automatisch. Er berührte Etiennes Geist und bat darum, willkommen zu sein.

Dieser spürte die fragende Berührung und schloss die Augen. "Ich lass dich ein", sagte und dachte er und hoffte, dass er unbewusst A´kebur nicht ausschloss.

Der nächste Augenblick veränderte sie beide. Während bei jedem telepatischen Kontakt bisher jeder Geist für sich geblieben war, war von Anfang dies gar nicht möglich. Sie strebten aufeinander zu und niemand hielt sie auf. A´kebur ersehnte die Berührung wie Wasser, das sich ein Verdurstender in der Wüste ersehnte. Auch Etienne kam überhaupt nicht mehr auf den Gedanken, dass irgendetwas in ihm A´kebur zurückweisen könnte.

Sein Geist fühlte sich so an, als liefe er mit ausgebreiteten Armen auf A´kebur zu. Er fühlte kurz darauf die Umarmung, intensiver und wärmer, als es körperlich je möglich gewesen wäre. Er konnte kaum noch sagen, wo er aufhörte und A´kebur begann. Keiner von ihnen war mehr allein. Es war fast erschreckend einfach.

 

Lials sah entsetzt auf. Sie raffte ihre Kleider und lief, so schnell sie konnte, in das Zimmer von Etienne. Sie fand die beiden Kinder in tiefer Versenkung vor. Vorsichtig setzte sie sich zu ihnen und berührte jeden an der Schläfe.

Noch war es zu keinen Schäden gekommen. Kurz überlegte sie, ob sie eingreifen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Beide Katra waren in so tiefem Rapport, dass jede Störung mehr schadete als helfen würde. Vielleicht waren sie doch stärker als angenommen. So begann sie der Verbindung zu assistieren, wie sie es in einer sehr viel größeren Zeremonie vorgehabt hatte.

Die Ungeduld der Jugend zu rügen, brachte in diesem Moment wenig. Aber im Grunde hatte sie damit gerechnet, als sie die beiden Männer, von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehend, gesehen hatte. Shanas Bemerkung war blumig aber treffend gewesen.

Jetzt galt es, Verletzungen der Seelen zu verhindern. Lial flocht das Band der Seelen, dass es die Männer band, aber nicht fesselte. Es war stark genug, um Belastungen zu tragen. Beruhigend strich sie über die Verletzungen Etiennes, die der erzwungenen Verbindung geschuldet waren. Sie würden heilen und A´kebur lehren, seinem Partner verantwortungsvoll zu begegnen.

Keiner der beiden nahm ihre Präsenz wirklich wahr; sie war eher wie ein sanfter Wind, der über ihre Gesichter strich und sie tröstete und ermutigte.

Kein Wort der Welt hätte ausgereicht, um wirklich zu beschreiben, wie A´kebur und Etienne sich fühlten. Keine Grenzen, kein Verstecken, keine Lügen. Nur Offenheit. Wärme. Vertrauen. Liebe.

All diese Dinge, die sie im wachen Zustand niemals hätten laut aussprechen können. Das und noch viel mehr. Ihnen wurde zeitgleich bewusst, dass dieser Zustand jedoch nicht für die Ewigkeit war. Die Trennung aber schmerzte nicht mehr. Sie zog das Versprechen nach sich, dass sie einander nicht mehr fern sein konnten. Niemals mehr.

Als jeder wieder in seinem Körper war, sahen sie sich verblüfft an. A´kebur riss sich von Etiennes Augen nur mit Widerwillen los. Er sah Lial verwirrt an. Jetzt erst spürte er sie. Aber er wusste, dass sie die ganze Zeit da gewesen sein musste.

Die alte Vulkanierin musterte ihre beiden Schützlinge und nickte zufrieden. "Es scheint, ihr habt weniger meine Hilfe gebraucht, als ich gedacht hatte", erklärte sie mit einer gewissen Zufriedenheit in der Stimme.

Etienne sah jetzt genauso verblüfft wie A´kebur aus. "Heißt das, wir haben es geschafft?", fragte er.

Lial nickte. "Das habt ihr. Ich werde eure Verbindung noch einmal überprüfen müssen, wenn etwas mehr Zeit vergangen ist. Aber ich denke, euer Band ist jetzt gefestigt. Ein Zurück gibt es nun nicht mehr." Sie erhob sich. "Seid zum Abendbrot fertig", meinte sie dann gewohnt bündig und verließ das Zimmer.

A´kebur sah an sich herab. Offenbar kannte seine Großmutter keine Zurückhaltung. Er wusste nicht, ob er jemals Vulkanier mögen würde. Aber sie nötigte ihm mehr als nur Respekt ab.

Etienne sah ihn an und zog dann auf sehr vulkanische Weise eine Augenbraue hoch, bevor er in Lachen ausbrach.

"Deine Urgroßmutter ist echt ein Unikat", schnaufte er. "Aber sie gefällt mir." Dann wurde er wieder ernst. "Wir sind jetzt also gänzlich verbunden, ja? Irgendwie..." Er versuchte sich auf das Band zu konzentrieren, dass er nun deutlich in seinem Inneren fühlte, um es zu testen.

"Lass das! Das kitzelt", beschwerte sich A´kebur und entzog ihm geistig den Teppich. "Du hast mir nicht geantwortet, ob du noch magst. Also! Noch mal oder gibst du auf?"

"Ich, aufgeben? Du träumst. Und ich denke, bis zum Abendessen ist noch mehr als genug Zeit. Schließlich haben wir so etwas wie eine Hochzeitsnacht", grinste Etienne.

"Hochzeitsnacht? Vergiss es!" A´kebur stürzte sich auf Etienne. Es war ihm ein ausgesprochenes Vergnügen, ihn für die nächste Stunde zu beschäftigen und ihn dann völlig erschöpft auf dem Bett liegen zu lassen.

Als er ihn verließ, hatte er noch eine Stunde, bis es Zeit wurde, im Esszimmer zu erscheinen. Er ging in den Garten. Es fühlte sich merkwürdig an. Dieses Band führte aus ihm heraus und endete in einem Menschen.

Das Leben war merkwürdig.

Zu einem anderen Schluss konnte man gar nicht kommen. A´kebur versuchte auf vulkanische Art, die Ereignisse zu verarbeiten. In den letzten Tagen hatte er sich auf mehr auf Meditation verlegt. Aber heute war ihm jedoch eindeutig nach Kampf - mit einem ebenbürtigen Gegner. Jedoch hier zu kämpfen, dazu fehlte der Platz und zudem der Gegner. Shana hatte genug mit der Hitze zu kämpfen und von seiner Familie würde er keinen fragen.

Die Lösung war eine Alternative, die ihm Lakon empfohlen hatte. Es war eine Form meditativer Bewegung. Aussprechen konnte er den Namen dieser Mischung aus Meditation und Kampf mit einem imaginären Feind nicht. Aber die Bewegungen hatten ihm bisher geholfen und das taten sie auch jetzt wieder.

 

Die Sonne verschwand am Abend wie immer sehr schnell hinter dem Horizont und ließ die Luft merklich kühler werden. A´kebur sah erst von seinen Übungen auf, als Shana aus dem Haus trat. Sie freute sich sichtlich an der angenehmen Temperatur und streckte sich. "Kommst du? Deine Cousine futtert uns sonst alles weg."

A´kebur sah sie verständnislos an. Er fühlte eine Ruhe in sich, die er nicht kannte. Für einen Moment war er verwirrt über den Inhalt von Shanas Worten. "Abendbrot?", fragte er.

"Genau." Die Andorianerin trat auf ihn zu. "Und, wie geht es dir oder euch? Lial hat mir vorhin erzählt, was mit eurem Band passiert ist." Shana klang bei dieser Feststellung definitiv neugierig.

"Wir hatten nur Sex", antwortete A´kebur widerwillig und drängte sich an ihr vorbei. Blieb jedoch dann bei ihr stehen und sah ihr fest in die Augen. "Hemmungslosen, barbarischen Sex vor den Augen von emotionslosen Vulkaniern", fasste er zusammen, was er mit Etienne gemacht hatte.

Shana kicherte los. "Wirklich? Davon hat Lial natürlich nichts gesagt. Aber das sieht den Spitzohren ähnlich: Erst die Nase zu rümpfen und dann doch zugucken. Mir scheint, ich habe da wirklich was verpasst. Darf ich das nächste Mal auch zusehen?"

"Nein!", gab A´kebur ihr knapp zur Antwort.

"Schade." Shana grinste noch immer; ihre Frage war nicht wirklich ernst gemeint. "Und wo hast du Etienne gelassen? Soll ich ihm vielleicht ein Kissen besorgen? Die Stühle im Esszimmer sind ziemlich unbequem."

"Er ist keine Frau." A´kebur grinste. "Wenn er zu empfindlich ist, dann hätte er nicht meinen Weg kreuzen und mir Angebote machen sollen. Menschen sind empfindlich. Er ist selbst schuld."

"Du weißt schon, dass du mich jetzt erst recht neugierig gemacht hast? Soll das heißen, er hat DICH angesprochen und nicht umgekehrt, obwohl Klingonen dafür bekannt sind, auf solche Angebote gewalttätig zu reagieren? Das nenne ich mutig."

"Oh, es tat ihm, glaube ich, ziemlich weh! Es tat ihm sehr weh!"

"Aber das hat ihn ja nicht abgehalten, oder? Die rosahäutigen Menschen sind komisch." Sie zuckte amüsiert mit den Fühlern. "Aber wo die Liebe hinfällt ... Kommst du jetzt mit zum Essen?"

A´kebur wusste, dass er von Staub und Schweiß klebte. Es war unangenehm, aber nicht weiter problematisch, wenn er nicht das Gefühl gehabt hätte, dass es Lial gern sah, wenn er eine dieser Roben anzog und dabei aussah wie ihr Lieblingsurenkel. A´kebur fand den Gedanken amüsant. "Ich geh mich duschen", meinte er daher.

"Mach das. Ich sehe zu, dass ich T'Lis noch ein paar von den leckeren Früchten entreißen kann." Sie eilte zurück ins Haus.

 

Derweil hatte auch Etienne sich wieder aufgerappelt und dem Impuls widerstanden, eine Wasserdusche zu nehmen. Er fühlte sich ziemlich erledigt, aber langsam schien ihm die Hitze nicht mehr so viel auszumachen.

Praktischerweise hatte man ihm ein paar typische Gewänder bereitgelegt, die zwar Etiennes sonstigem Modegeschmack deutlich widersprachen, sie erinnerten ihn an Kleider, aber für das Klima ideal waren. In eine leicht silbrig schimmernde, cremeweiße Robe gehüllt fand er den Weg zum Esszimmer. Er musste sich ein Lachen verkneifen, als er A´kebur sah. Der hatte etwas Ähnliches an.

Es war jedoch eine Robe in Goldbraun. Der Schnitt war identisch. A´kebur sah, von dem Kleiderschnitt einmal abgesehen, darin beeindruckend aus. Dieser musterte ihn im Gegenzug genauso ungeniert.

"Dir steht Schwarz besser", meinte er lapidar und Etienne musste ihm Recht geben.

"Ich weiß, aber bei der Hitze würde ich in Schwarz eingehen", gab er zurück. "Du hingegen erinnerst mich an ein besonders hübsches Weihnachtsgeschenk. Man will es ganz schnell auspacken."

A´kebur hob eine Augenbraue. "Was ist Weihnachten?", fragte er.

"Eine von diesen unlogischen, aber sehr amüsanten irdischen Traditionen, die von der Religion herstammen. Am 25. Dezember beschenkt man sich gegenseitig und feiert zusammen; besonders für Kinder ist es ein besonderer Tag", dozierte Etienne schmunzelnd. "Man freut sich den ganzen Tag darauf, endlich die Geschenke auspacken zu dürfen."

A´kebur sah ihn stumm an. Er wusste nicht, ob er das jetzt ernst nehmen sollte. Dann fiel ihm jedoch ein, dass auf der Station von den Menschen etwas gefeiert wurde, was so ähnlich aussah, wie das, was Etienne gerade beschrieben hatte. Vielleicht war es ja dieses Fest. "Und ich bin ein Geschenk." A´kebur verstand. "Du scheinst mehr einstecken zu wollen, als ein so empfindlicher Körper ertragen kann. Menschen sollten eigentlich ein wenig auf sich aufpassen. Ihre Konstitution ist nicht die beste."

"Das klingt ja so, als wären wir aus Zucker und würden im Regen schmelzen." Etienne verschränkte die Arme und sah A´kebur gespielt beleidigt an. "Aber, wenn du so besorgt um mich bist, kannst du ja etwas mehr Vorsicht walten lassen."

A´kebur trat näher und schaute ihm in die Augen. "Warum? Du scheinst es ja zu wollen!"

"Sagen wir mal so: Ich habe absolut nichts gegen unseren Sex, ganz im Gegenteil. Aber ich hätte auch nichts dagegen, dir mal beizubringen, dass man auch langsamer vorgehen und trotzdem Spaß haben kann. Es muss nicht immer ein Kampf sein." Etienne wusste nicht wirklich, wie er jemandem wie A´kebur klarmachen sollte, was es mit Zärtlichkeit auf sich hatte. Und so, wie dieser ihn gerade ansah, lag da wohl ein großes Stück Arbeit vor ihm.

"Was soll Sex sonst sein?"

Die Frage hatte es jetzt nicht mehr bedurft, wie Etienne meinte. A´kebur sah ihn misstrauisch an.

"Wir sollten essen gehen. Menschen haben seltsame Vorstellungen von den normalen Dingen des Lebens. Und Sex ist Kampf!"

"Nicht immer. Glaub mir! Aber wenn du mich lässt, werde ich es dir bei Gelegenheit beweisen. Aber du hast Recht, Essen ist eine gute Idee."

Sie betraten das Esszimmer, in dem die Familie bereits versammelt war. Lial blickte definitiv anerkennend ob der vulkanischen Aufmachung, Loran runzelte kurz die Stirn und Shana verkniff es sich gerade noch so ein anerkennendes Pfeifen.

Es war unfair, dass gerade die zwei schönsten Männer hier, die eindeutig eine hoch-erotische Ausstrahlung hatten, sich lieber mit sich selbst vergnügten.

Das Universum hatte wirklich einen eigenartigen Sinn für Humor.

A´kebur und Etienne setzten sich nebeneinander. Bis auf die Tatsache, dass am Tisch nun auch noch ein Mensch saß, wurde das Essen dann genauso still eingenommen wie an den Abenden zuvor. Dafür schossen umso aussagekräftigere Blicke über den Tisch.

Shana hätte schwören können, dass T'Lis zwischen A´kebur und seinem Bindungspartner hin und her sah und ein wenig grüner um die Nasenspitze wurde.

Amaris hingegen wirkte deutlich freundlicher.

Shana löffelte ihre Suppe und tauschte zwischendurch einen Blick mit Lial aus, die sichtlich zufrieden war. Es war wirklich ein seltsames Essen, aber zumindest die Atmosphäre schien nicht mehr zum Schneiden dick. Und noch etwas war an diesem Abend anders als an den vorherigen, die A´kebur das Vergnügen hatte, anwesend sein zu dürfen: Lial bedeutete, dass alle sitzen bleiben sollten, als sie gegessen hatten.

"In zwei Tagen habe ich die Zeremonie für die Bindung zweier Seelen anberaumt. In unserer Familie gab es vor dreihundert Jahren eine Seele, die eine andere gefunden hat."

"Bist du sicher, dass das nötig ist, Mutter?", wandte Loran sofort ein. "Schließlich geht es hier um Außenweltler, die nicht Teil unserer Traditionen sind."

"Du kennst dich also mit der Seelenbindung aus, mein Sohn? Dein Enkel kennt sich nicht damit aus. Er wird deine Hilfe brauchen und der Rahmen ist dem Ereignis angemessen", meinte Lial.

"Das glaube ich eher weniger. Er ist bisher auch so gut zurechtgekommen", sträubte Loran sich weiter. Er verbiss sich die Erwiderung, dass A´kebur nicht sein Enkel war. Aber Lial und jeder hier am Tisch konnte es ihm ansehen.

Lial stellte ihre Finger gegeneinander und konzentrierte sich. "Ist er nicht", klärte sie schlicht auf. Sie sah A´kebur an, dem dieses Gespräch überhaupt nicht passte. Er würde auch ohne Lorans Zustimmung zurechtkommen, ebenso Etienne, aber Lials Blick hieß ihn schweigen. "A´kebur sucht seine Mutter", erzählte sie weiter. "Er hat in dir einen Vater und in Amaris eine Mutter."

"T'Lera ist tot! Und wir ...", fuhr Loran laut dazwischen, unterbrach sich aber abrupt, als er selbst bemerkte, wie emotional er klang. "Wir fügen uns deinen Wünschen, aber ich sehe noch immer erhebliche Probleme. Allein die kurze Anwesenheit von diesen … hat unser Leben in höchst untragbarer Weise unterbrochen."

"Aber sich daran zu stören, wäre ebenfalls unlogisch, mein Gemahl", schaltete Amaris sich ein. "Und du hast Recht, Lial. A´kebur", wandte sie sich direkt an ihren Enkel, "du gehörst zu unserer Familie, und daran wird sich nichts ändern. Und dein Bindungspartner ebenfalls."

Loran sah seine Frau an, als hätte ihn eine Offenbarung getroffen. "Er ist nicht das Kind von T'Lera. Er ist nicht ihr Kind. Er ist ein Klingone", widersprach er.

A´kebur war aufgestanden. Geräuschvoll hatte er seinen Stuhl zurückgeschoben und sah Loran an, der nun ebenfalls stand. "Ich habe nicht darum gebeten", erwiderte A´kebur, "ich habe nicht nach euch gesucht. Doch das Erbe meine Mutter ist stark. Durch sie sehe ich in das vulkanische Gesicht, das mein Vater immer verabscheute. Es ist nicht mein Wunsch gewesen, eine vulkanische Mutter zu haben. Wäre ich ein vollkommener Klingone, würde ich nicht in diesem Haus sein und hätte Vulkan nie betreten."

"A´kebur, setz dich wieder!", forderte Lial ihn leise, aber unmissverständlich auf. "Du bist hier, also ist die Debatte sinnlos. Wenn euer Band gefestigt genug ist nach der Zeremonie, steht es dir frei, Vulkan zu verlassen. Bis dahin bleibst du!"

"SoSnI''a', ich weiß, dass ich nicht willkommen bin. Aber ..." A´kebur wusste, dass es seiner Natur widersprach, zu schweigen und alles hinzunehmen. Er hätte Loran wegen seines beleidigenden Verhaltens töten oder im Kampf sein eigenes Leben verlieren müssen, wäre er ein Fremder und nicht der Vater seiner Mutter gewesen.

Gleichzeitig wusste er nicht, ob Loran nicht genau das war. War er ein Fremder oder war er es nicht? War er sein Großvater? Klingonen hatten einen sehr starken Familiensinn. Aber dieser Teil seiner Verwandtschaft bereitete ihm mehr denn je Probleme.

"Du bist willkommen. Und damit ist diese Diskussion beendet", erklärte Lial und bedeutete, allen über diesen Disput hinaus kein weiteres Wort mehr zu verlieren, doch zur Überraschung aller machte sich Etienne bemerkbar.

"Ich habe zwar keine große Ahnung von vulkanischen Traditionen, aber ihr alle solltet euch mal entscheiden", erklärte er, "weder er noch ich haben uns das ausgesucht, und vielleicht brauchen wir eure Hilfe wirklich nicht. Ich hatte allerdings immer gedacht, Vulkanier würden logisch denken. Aber alles was ich bisher hier gesehen habe, hat mich vom Gegenteil überzeugt. Demnach ist es verständlich, dass ich euch nicht wirklich glauben kann."

"Niemand hat behauptet, dass Vulkanier ohne Emotionen sind, Mr. Duval", antwortete ihm Lial. "Es mag für Menschen ungewöhnlich sein, dass Vulkanier durchaus zu Gefühlen in der Lage sind. Wenn Sie sich für die Geschichte Vulkans interessieren, werden Sie aber verstehen, dass es ein angestrebtes Ideal ist. Nicht jeder schafft zu jeder Zeit diesem Ideal zu entsprechen. Unsere Familie hat mit dem Verlust meiner Enkelin einen schweren Schlag zu verkraften gehabt. Mein Sohn trauert immer noch um seine Tochter. Verzeiht seine Schwäche, genauso wie unsere Schwäche, ihm nicht bei seinen Gefühlen helfen zu können."

"Na gut, das sehe ich ein", gab Etienne zurück und schenkte Lial ein charmantes Lächeln. "Aber vielleicht erzählen Sie uns doch von dieser Zeremonie? Wie soll das ablaufen?"

Lial senkte kurz ihren Blick. "So ähnlich wie heute Nachmittag. Es ist aber offiziell."

Etienne nickte, auch wenn ihn das nicht wirklich befriedigte. Er würde es wohl abwarten müssen. "Und was dann? Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass wir noch viel länger hier bleiben wollen."

"Und nicht können. Vor allen Dingen nicht Sie, Mr. Duval. Ihre Zeit hier ist begrenzt", gab Lial zu bedenken. "Sie werden sich vor Gericht verantworten müssen. Etwas anderes ist leider nicht möglich. Da Sie aber zu A´kebur gehören, gehören Sie auch zu uns. Wenn Sie es wünschen, werden wir uns für Sie einsetzen."

"Das würde ich zwar zu schätzen wissen, aber ich fürchte, darunter wird nur Ihre Reputation leiden", erwiderte Etienne. "Alle Fakten sprechen gegen mich, aber mit etwas Glück kann ich die Richter überzeugen, dass ich nicht mit den Romulanern zusammengearbeitet habe."

Loran mischte sich ein: "Unsere Reputation kann nicht noch mehr leiden, als sie es sowieso schon tut. Wir können unsere Reputation nur noch reinwaschen, indem wir die Ihre wiederherstellen."

Etienne grinste zynisch. "Dann viel Erfolg! Mein Ruf ist in ehrlichen Kreisen berüchtigt."

"Das ist es, was ich befürchte. Mit Ihnen und ..." Loran deutete auf A´kebur. Diesem entfloh ein Grollen. Er ballte seine Hände zu Fäusten. Etienne begriff, dass die Situation kurz vor dem Eskalieren stand und schickte A´kebur eine wortlose Warnung, dass ihnen einen Prügelei nichts einbringen würde.

"Ich sage es noch einmal: Mein schlechter Ruf ist meine Angelegenheit, weder Ihre noch A´keburs. Denn wir hatten ja schon festgestellt, dass keiner von uns sich das ausgesucht hat."

"Wir werden das heute nicht mehr klären", ließ Lial sich vernehmen. "Aber ich weiß, wenn eine Familie nicht zu ihren Mitgliedern steht, ob sie nun fern oder nahestehen, wird nicht bestehen können."

Damit schien das Thema endgültig beendet. Loran verstand Lials stummen Wink, ihr zu folgen.

 

"Ich kann dich nicht zwingen, ihn anzunehmen, aber ich weiß, dass unsere Familie schon seit Jahren an dem zerbricht, was mit T'Leras Entführung begann. Ich werde nicht zulassen, dass du uns den Gnadenstoß gibst. A´kebur ist nicht das, was du dir gewünscht hast. Aber es ist das Beste, was geschehen konnte. Seine Seele ist rein. Der Rest liegt in unseren Händen", wies ihn Lial zurecht, als sie in ihrem Arbeitszimmer angelangt waren.

Loran schwieg. Erst nach einer ganzen Weile erwiderte er: "Aber er ist immer noch ein Klingone. All ihre Aggressionen, ihr Zorn, ihre Unbeherrschtheit sind ihm zu Eigen. Und das wird sich nicht ändern. Kann er wirklich zu uns gehören?"

"Und wie emotional bist du, mein Sohn? Er ist es nicht weniger. Seine Beherrschung ist nur schlechter. Sei ihm Vater und Lehrer, dann hast du es in der Hand, ihm die Kultur zu geben, die du deinem Enkel schon als Kind gelehrt hättest."

"Aber er hat sein gesamtes Leben außerhalb unserer Kultur verbracht, und ich denke nicht, dass er das wieder einholen kann. Und er will es auch nicht, du hast es doch gehört."

Lial nickte. "Ja, das habe ich. Aber hast du ihn auch gesehen? Er hat mehr von deinem Kind, als er selbst wahrhaben will. Und er hat viel von dir. Du warst auch kein Kind, das wirklich dem Ideal mit seinem ganzen Wesen gefolgt ist. Leugne es nicht!" Lial berührte das Bild das Bild von T'Lera, das kurz vor ihrer Entführung gemacht worden war. "Du bist nicht nur unlogisch, du bist auch ungerecht. Prüfe deine Gefühle und prüfe deine Beweggründe. Verzeih dir, damit du A´kebur seine Unvollkommenheit verzeihen kannst."

Loran wollte etwas erwidern, schwieg dann aber. Lial konnte ihm nur zu deutlich ansehen, dass sie ins Schwarze getroffen hatte. "Ich werde darüber nachdenken", erklärte er schließlich zögernd. "Gute Nacht, Mutter."

"Ich denke, du solltest die Nacht zum Nachdenken nutzen!", schickte ihm Lial nach.

Loran antwortete nicht. Selbst wenn er es gewollt hätte, hätte er sich vom Nachdenken nicht abhalten können. Noch immer sträubte sich alles in ihm darin, A´kebur als Teil der Familie zu sehen, andererseits hatte Lial natürlich recht. Er beschloss, intensiv zu meditieren, um eine Antwort zu finden.

 

A´kebur stand noch immer wütend in seinem Zimmer. Er war schwach geworden. Loran hat ihn eindeutig beleidigt und er hat ihm nicht gezeigt, was er davon hielt. Aber er war schon weich geworden, als er sich entschieden hatte, alles dafür zu tun, um auf ein Schiff zu kommen, um Etienne wieder zu finden.

Doch jetzt hatte er Etienne und er benahm sich noch immer so. Sein Vater hätte ihn so viel Wut verschafft, dass er nie wieder darüber nachgedacht hätte. Ein Krieger hatte seine Ehre. Er hatte Kampfgefährten. Und beides galt es zu verteidigen.

Etienne musterte A´kebur, dessen ganze Haltung von seinem stillen Zorn sprach. Er wusste, der Klingone hätte Loran am Liebsten in Grund und Boden geprügelt, aber das hätte keines der Worte ungeschehen gemacht. Kurz überlegte Etienne, was er machen sollte, um die Situation wieder zu lockern und tat dann das nächstliegende: Er legte seine Hände auf die angespannten Schultern und begann sie zu massieren.

A´kebur wandte sich halb zu ihm um. Was ihn schockierte, war das stille Verständnis in Etiennes Augen und sein eigenes Wissen, dass sie sich jederzeit stumm verstehen würden. Dieser Zustand war verwirrend. "Was soll ich tun?", fragte er.

"Abwarten, auch wenn es schwer ist. Loran ist ein sturer, alter Knacker und ihr seid euch viel zu ähnlich. Aber wenn er das gleiche Format hat wie der Rest der Familie, dann wird er dich akzeptieren. Knurrend, ja, aber er wird es tun." Etienne strich durch A´keburs lange, seidige Haarmähne.

"Ich glaube, zum ersten Mal will ich, dass die Familie meiner Mutter mich akzeptiert und annimmt. Ich weiß nicht, warum das so ist", gestand A´kebur.

Etienne lächelte. "Ich schon. Abgesehen von ihrer Sturheit und ihrem steifen Verhalten ist es ein netter Haufen. Sie stellen erst die Fragen und schlagen dann zu, im Gegensatz zu Klingonen. Und abgesehen von der Hitze ist es ziemlich friedlich hier."

"Was soll das heißen?", knurrte A´kebur nicht sehr erfreut. "Dass sie besser sind als Klingonen?"

"Nein, nur, dass sie anders sind. Das muss ja keine Bewertung sein." Etienne massierte weiter und erwischte ein paar besonders verspannte Muskeln. "Aber sag mir mal, was du weiter vorhast. Nach dieser Zeremonie werde ich jedenfalls zur Gerichtsverhandlung verschickt. Gehst du wieder zu Starfleet?"

A´kebur grinste und sah damit eindeutig furchterregend aus. "Wenn du auf der Reha-Kolonie bist, weiß ich ja, wo ich dich zu suchen habe. Ich schätze, damit kann ich wohl mit Starfleet weitermachen und diesen Kurzurlaub beenden."

Etienne verzog das Gesicht. "Ich kann es mir schon lebhaft vorstellen, wie ich in einem scheußlichen orangefarbenen Overall, flankiert von Psychologen, inmitten geläuterter Krimineller lebe und Gartenarbeit verrichte. Oh, und wenn wir Glück haben, dürfen wir uns vielleicht durch eine Glasscheibe sehen mit nur zwei Wachen anwesend."

"Ich werde so reinkommen. Ganz bestimmt und dann hast du garantiert keinen orangefarbenen Overall an."

"Na, wenn das mal erlaubt ist. Starfleet-Offiziere, die wehrlose Gefangene misshandeln, tststs!" Etienne umarmte A´kebur von hinten und tastete nach den Verschlüssen von dessen Robe.

"Hilflos? Ich soll wohl lachen!" A´kebur drehte sich vollends um und sah ihn an. "Warum hast du mich damals auf der Station angesprochen? Ich hätte dich töten können."

"Ich dachte, das Risiko sei es wert. Das wusste ich von dem Moment an, als ich dich zum ersten Mal sah. Du stecktest fluchend in einer Jeffries-Röhre, weißt du noch?", grinste Etienne. "Und du hast mich angeguckt, als wolltest du mich auf der Stelle erwürgen."

"Hast du gewusst, dass wir zusammengehören?"

"Gewusst? Nein, bestimmt nicht. Wenn mir jemand gefiel, habe ich nie lange gefackelt. Aber mein Leben dabei riskiert, habe ich sicher nie. Und du? Hast du etwas bemerkt oder hast du mich wirklich nur zum Teufel gewünscht?" Etienne war wirklich neugierig.

A´kebur führte Etiennes Bewegung zu Ende und streifte seine Kleidung ab. "Ja, habe ich. Ich habe mich gefragt, wie lebensmüde ein Mensch sein kann, einen Klingonen so etwas anzubieten. Du hast sogar das Balzritual angefangen und ich dachte, ich hätte mich verhört."

"Nein, war alles Absicht. Und du hast reagiert, streite es nicht ab." Etienne zog A´kebur näher zu sich.

"Vielleicht habe ich dich deshalb nicht getötet. Weil ich auf dich reagiert habe. Wer weiß, was geworden wäre, wenn ich es nicht getan hätte", erklärte A´kebur ernst. "Du bist warm. Aber kühler als ich. Ich bin Vulkanier und ich bin Klingone. Ich bin gefährlich."

"Und die Gefahr und ich waren immer alte Freunde. Ich hatte keine Angst vor dir und werde auch nie welche haben", gab Etienne ebenso ernst zurück, "denn ich weiß ganz genau, dass deine Wut nur einem einzigen Zweck dient. Selbst ohne Gedankenverschmelzung und dergleichen."

"Und was für einen Zweck hat meine Wut?", fragte A´kebur ehrlich erstaunt.

Etienne lächelte. "Um dich und alle anderen vergessen zu lassen, dass du einsam bist. Je mehr du alles von dir stößt, umso mehr willst du es eigentlich bei dir haben. Aber das ist jetzt vorbei. Ich bin da, und selbst, wenn wir 100 Lichtjahre voneinander getrennt sind, da ist immer etwas, das uns verbindet. Und du hast hier deine Familie gefunden. Denkst du nicht, du könntest mit ein paar deiner Dämonen Frieden schließen?"

A´kebur sah ihn stumm an. War das die Ruhe, die Lial gemeint hatte? Es fühlte sich wahr an, was Etienne sagte. "Einen Dämon werde ich wohl immer haben", erklärte er.

"Aber man kann das Beste draus machen, oder nicht? Alles andere ist Energieverschwendung."

"Wie du meinst", brummte A´kebur nicht wirklich überzeugt.

"Meine ich. Du kannst ja einmal im Leben auf mich hören, oder?", neckte Etienne.

A´kebur knurrte grollend. Warnend biss er Etienne in den Hals. "Wir sind nicht verheiratet", stellte er klar und leckte über das Mal. "Ich werde nicht auf dich hören."

"Was auch immer ..." Etienne gab die Diskussion fürs Erste auf; er hatte schließlich erreicht, was er wollte, und A´kebur war nicht mehr an der Grenze zu einem Amoklauf. Aber die Energie wollte irgendwo hin. Und ein Amoklauf konnte es auch in anderer Hinsicht geben.

Nur, irgendwann wurde es Zeit, dass sie auch mal die Rollen tauschten. Dann war A´kebur vielleicht für längere Zeit ruhiger. Der aktive Part machte ihn nicht fertig genug - im Gegensatz dazu fühlte sich Etienne im passiven mächtig geschlaucht.

A´kebur küsste ihn harsch, herb, süß und mehr als nur talentiert. Und eine ganze Weile blieb es einfach nur bei diesen Küssen, als hätten sie unzählige Gelegenheiten dazu verpasst und müssten sie wieder aufholen.

Aber irgendwann würde A´kebur dann doch wieder ungeduldig und schob Etienne in Richtung Bett. Dieser überlegte nicht lange und warf seinen Bindungspartner kurzerhand um, um sich auf ihn zu setzen. Und diesmal gedachte er auch dort zu bleiben. Mit einem weiteren, nicht gerade sanften Kuss drückte Etienne A´kebur in die Kissen und hielt ihn fest.

Mit einer gewissen Zufriedenheit sah er, wie A´kebur die Augenbrauen zusammenzog. Sein Partner war eindeutig jemand von der schnellen Sorte. Dass sich gerade etwas änderte, entging ihm nicht. Doch wirkliches Misstrauen schwang nicht zwischen ihrer Verbindung. Und so holte sich A´kebur gleich darauf einen weiteren langen Kuss.

Derartig ermutigt kam Etienne dem auch gleich nach und verteilte ein paar kleine Bisse an A´keburs Hals hinunter zur Brust. Einmal mehr fragte er sich, ob es nicht schlichtweg gesetzeswidrig war, so unglaublich erotisch zu sein wie sein.

A´kebur biss sich derweil kurz auf die Lippen. Das war gut. Nicht die Sanftheit von Menschenfrauen. Es war sogar perfekt. Er setzte sich auf, und zog Etienne zu sich, um seinen Mund zu erobern. Mein! Alles mein!, hallte es in seinem Kopf.

Aber er wusste nicht, wessen Gedanken es letztlich waren. Es spielte auch keine Rolle, da es so oder so der Wahrheit entsprach. Etienne machte sich derweil daran, seine eigenen Sachen loszuwerden, um etwas mehr Hautkontakt zu ermöglichen. Er drückte A´kebur zurück aufs Bett und strich mit den Händen dessen Konturen entlang. In südlicheren Regionen angekommen wurden die Streicheleinheiten intensiver.

A´kebur räkelte sich und genoss endlich einmal. Vielleicht war das der Fortschritt, den Etienne erhofft hatte. Vielleicht hatte es auch etwas mit Vertrauen zu tun. Die Frage war, wie weit konnte er gehen? Es gab aber wohl nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.

Ihr Band flackerte wieder heller auf und Etienne sandte Zuversicht und Vertrauen hindurch.

Er würde sicher nichts tun, was A´kebur völlig zuwider war, aber wie konnte dieser denn wissen, ob es ihm nicht gefiel, wenn er es nicht ausprobierte? Etienne küsste A´kebur erneut und wanderte diesmal von dessen Lippen hin zu den spitzen Ohren, um daran zu knabbern.

A´kebur riss die Augen auf. Es war, als hätte ihn Etienne angezündet. "Was machst du?", rief er.

Etienne schnappte ebenfalls nach Luft; durch das Band hatte er deutlich die heiße Welle der Lust gefühlt, die durch A´keburs Körper gerast war. Es schien, als hätte er endlich den richtigen Knopf gefunden, den er drücken musste.

Ein nahezu diabolisches Lächeln stahl sich auf sein Gesicht, bevor er erneut A´keburs Ohren attackierte. Dass sich dabei A´keburs Hand fest um sein erreichbares Handgelenk legte, nahm er in Kauf. Zusammen mit der anderen Hand in A´keburs Schritt und seiner Zunge und den Zähnen an den Ohren hatte er seinen Bindungspartner vollkommen im Griff.

A´kebur plagten in dem Moment andere Probleme. Er wusste nicht wirklich, wie ihm geschah, auch wenn er ganz genau wusste, was Etienne gerade machte. Das hatte er noch nie erlebt und Etienne bekam jede Nuance dieses Erstaunen mit. Erstaunen, stellte Etienne fest, aber kein Misstrauen oder Unbehagen. Offensichtlich hatte A´kebur wirklich keine Ahnung, wie es war, sich einfach fallen zu lassen und sich von seinem Partner verwöhnen zu lassen. Und damit hatte er in Etiennes Augen eine ganze Menge verpasst; etwas, das es schleunigst nachzuholen galt. Etienne intensivierte seine Bemühungen und spürte, wie A´kebur unter ihm ganz leicht zitterte.

Das war es oder etwas ähnliches, auf das er gewartet hatte. Etienne hatte A´kebur da, wo er sein sollte. Nahe daran, in die Umarmung seiner eigenen Lust zu fallen und Etienne konnte sich sicher sein, dass er der erste war, der das bei ihm geschaffte hatte.

A´kebur versuchte die Empfindungen aufzuhalten, sich dagegen zu stemmen. Noch nie hatte er die Kontrolle verloren, noch nie war er so hoch geflogen und wenn er ehrlich war, überkam ihn Angst. A´kebur sah in Etiennes Augen, die Berührung in seinen Gedanken, und er lockerte den Griff um dessen Handgelenk.

Dann ging es sehr schnell. Wie ein Überfall überwältigte ihn sein eigener Höhepunkt und einzig Etienne war Zeuge dieses Ereignisses, wo er zum ersten Mal nicht kämpfte.

Dieser fühlte es fast ebenso intensiv und wusste, dass eine große Hürde genommen war. Genauso schwer atmend wie A´kebur, aber selbst noch weit entfernt vom eigenen Höhepunkt, sah er auf seinen Bindungspartner hinab, die geschlossenen Augen, die schimmernde Haut. Er wollte ihn, mehr als alles andere.

Aber konnte er noch einen Schritt weitergehen?

A´kebur öffnete die Augen. Er wirkte gelinde gesagt, erstaunt - über sich selbst erstaunt. Ein wenig ratlos betrachtete er Etienne. "Wehe, du fasst meine Ohren an, wenn irgendwer dabei ist", warnte er ihn.

Dieser grinste. "Wird mir nicht einfallen. Denkst du, ich gönne jemand anderem diesen Anblick von dir?" Er setzte einen zärtlichen Kuss auf A´keburs Lippen. "Und, soll ich weitermachen?"

"Was meinst du mit weitermachen? Eigentlich bin ich dran, oder?"

"Ich bin noch nicht fertig. Und du warst heute schon oft genug dran. Da das deinen Übermut aber nicht dämpfen kann, muss ich eben zu kraftraubenderen Mitteln greifen." Ein weiterer, beruhigender Kuss. "Es wird dir gefallen, versprochen."

Blaue Augen mit einem eindeutig misstrauischen Blick, aber A´kebur ließ sich durch den Kuss zum Verstummen bringen und jeglichen Widerspruch in sich ersticken. "Erzählst du mir dennoch, was du vorhast?", fragte er.

"Ich will dich ganz", flüsterte Etienne. "Ich will, dass du mir genauso gehörst, wie ich dir gehöre."

"Ich ..."

"Ich mache nichts, was du nicht wirklich willst, versprochen. Aber ein Nein akzeptiere ich heute nicht mehr." Etienne küsste demonstrativ A´keburs Ohrspitzen. "Dazu bist du viel zu verlockend."

A´keburs Augenlider flatterten. Ihm wurde bei diesen Berührungen einfach nur heiß. Es ließ ihn sich unterlegen fühlen. Der Grund, warum er nicht wollte, dass Etienne das jemals vor Zeugen machte. Er versuchte sich zu entziehen. Aber sein Körper verriet ihn.

Etienne nahm das kurzerhand als ein Ja. Er hätte sowieso nicht gewusst, was er auf ein "Nein" hin getan hätte. Sanft leckte er an A´keburs Ohren entlang und wanderte mit der Hand wieder nach unten.

Es amüsierte ihn, dass sein Klingone so empfindlich war. Wer hätte gedacht, dass es insbesondere die Ohrläppchen und die äußeren Kanten waren, die ihn dazu brachten, seine Augen zu schließen und gleichzeitig seinen Unterleib Etiennes Hand entgegenzudrücken.

Etienne wusste, dass sich beide Empfindungen gegenseitig aufschaukelten und deshalb A´kebur nicht mehr in der Lage war, sich dagegen aufzulehnen.

Er beschloss, nicht länger zu zögern, da er selbst inzwischen auch fast so weit war, die Kontrolle über sich zu verlieren, allein durch die Reflexion der Empfindungen seines Seelenpartners.

Er schob A´keburs Beine auseinander und drängte sich dazwischen.

Kurz zögerte Etienne noch, doch dann gewann sein Verlangen die Oberhand über die Rücksichtnahme. Mit einer einzigen Bewegung drang er in A´kebur ein.

Dieser riss erschrocken die Augen auf. Für einen Moment setzte sein Herzschlag aus. Dann biss er sich auf seine Lippen.

Doch sein stummes Erschrecken hielt nur so lange an, wie er das, was gerade mit ihm passiert war, einen Namen gegeben hatte. Er fluchte, um im nächsten Augenblick zu stöhnen, da Etienne nicht dachte, in irgendeiner Weise Vorsicht walten zu lassen. A´kebur kannte keine und Etienne würde ihm auch nicht die Nachsicht geben, die dieser nicht beherrschte. A´kebur bäumte sich auf und schlug seine Nägel in Etiennes Arme.

Dieser nahm es aber kaum wahr, so sehr war auch er in den Empfindungen gefangen, die ihn überrollten, die Hitze, das Verlangen, die unerträglich wunderbare Gewissheit, dass ihm A´kebur nun endgültig gehörte. Kurz ließ er sich und seinem Partner noch Zeit zur Gewöhnung, dann begann er sich zu bewegen; erst langsam, dann hemmungslos immer schneller.

A´kebur fluchte laut auf. Nie hätte er gedacht, dass ihm jemals so etwas passieren würde. Trotzdem empfand er alles andere als Unbehagen. Es war reine Lust und schnell vergaß er, dass Etienne ihn in einem unbedachten Moment überwältigt hatte. Der Höhepunkt löste dann endlich alle Spannung.

A´kebur hatte die Augen geschlossen. Sein Unterleib stand in Flammen und er spürte Etienne tief in sich, als sein Denken wieder einsetzte. Er war fassungslos.

Etienne hatte nur Sekunden länger gebraucht und war dann auch von seiner Ekstase überrannt worden. Schweratmend lag er auf A´keburs Brust und hörte dessen wild klopfendes Herz. Zu mehr als "Wahnsinn" war sein Gehirn auch nicht in der Lage auszuformulieren.

A´kebur ließ seine Arme los und entspannte sich leidlich und unter deutlichen Zittern seiner Muskeln. "Was hast du getan?", knurrte er Etienne an.

Der hob den Kopf. "Wonach sah es denn aus?", gab er nicht ohne einen zufriedenen Unterton in der Stimme zurück. "Und, war das jetzt so entsetzlich?"

"Ich liege nicht unten", schnappte A´kebur.

"Der Einwand kommt etwas spät, fürchte ich", lächelte Etienne und küsste seinen widerspenstigen Klingonen sanft. Dieser verzog das Gesicht und versuchte sich zu entziehen. Aber jede Bewegung erinnerte ihn nur zu gut daran, dass Etienne nicht daran dachte, seine Position aufzugeben. A´kebur fragte sich, wie er ihn loswerden konnte, ohne dass er wieder unter Etienne zu liegen kam. Denn schon der kurze Versuch schickte neue Schauer durch ihn. Das war intensiver als Etienne zu nehmen.

Etienne selbst bemerkte diese Versuche und deren Auswirkungen natürlich ebenfalls und sein Grinsen wurde breiter. Oh nein, so schnell entkam ihm A´kebur nicht, wo es soviel Mühe gekostet hatte, ihn in diese Position zu bringen. "Und, machst du schon schlapp?", fragte er in dem gleichen herausfordernden Ton, den A´kebur sonst bei dieser Gelegenheit an den Tag legte.

"Ich mache nicht schlapp! Ich werde es dir zeigen. Runter von mir und du bekommst mehr als eine Kostprobe", schimpfte A´kebur, stöhnte dann aber, als Etienne sich kurz, aber eindeutig bewegte. Wie immer war sein Geliebter ziemlich schnell wieder bereit, stellte Etienne zu seiner Zufriedenheit. Ein großer Vorteil, wenn man dessen Denken ausschalten wollte.

"Tut mir leid, ich bleibe, wo ich bin. Und du auch. Die Aussicht ist hier definitiv gut", rief er und grinste noch breiter. Wieder bewegte er sich leicht gegen A´kebur. Und zwar jedes Mal, wenn dieser Anstalten machte, sich aus seiner Lage zu befreien. Erstaunlich war, dass A´kebur nicht gewalttätig gegen ihn vorging.

Vielleicht hätte er eine Chance gehabt, wenn er Etienne eine verpasst hätte. Aber Etienne konnte spüren, dass A´kebur das noch nicht einmal in Erwägung zog. A´kebur wollte ihn nicht verletzen, aber er wollte auch nicht unten liegen - gleichzeitig bereitete sich sein Körper für eine weitere Runde vor und erflehte geradezu den nächsten Höhepunkt. Dabei schien dieser eher Blut geleckt zu haben an den neuen Empfindungen als A´keburs Verstand.

Also brauchte letzterer wohl einfach noch mehr Überzeugungsarbeit, und Etienne beschloss, die nächste Stunde genau damit zu verbringen - eine Tätigkeit, der er mit Enthusiasmus nachzukommen gedachte.

Denn, was sein Klingone sagte und was er dachte, waren bekanntermaßen zweierlei. Und eine weitere durchaus interessante Komponente dabei war die äußerst ausgeprägte Libido, wie Etienne aus eigener Erfahrung nur zu gut wusste.

Dieses Mal war er ein wenig langsamer, was aber A´kebur nicht minder in den Wahnsinn trieb. Dabei strebte dieser immer die schnelle Erlösung an.

Was er nicht wusste, dass in dieser Nacht eine weitere Premiere anstand und A´kebur die Kunst der langsamen Verführung kennenlernen würde. Doch das war nichts, was Etienne laut sagte oder gar zu denken wagte.

Schritt für Schritt tastete er sich heran, zögerte hinaus, setzte auf kleine Zärtlichkeiten. Die Entdeckung, dass A´keburs Ohren so empfindlich waren, kam ihm dabei sehr gelegen. Und obwohl dieser zuvor behauptet hatte, Sex könne nichts als Kampf sein, wurde er nun eines Besseren belehrt.

In dieser Nacht war es A´kebur, der als Erster vor Erschöpfung einschlief. Er war nicht ein einziges Mal auf die Idee gekommen, sich gegen Etienne zu wehren. Als dieser endlich von ihm abließ, lag A´kebur wie hingegossen auf zerwühlten Laken. Das Gesicht war wie sein restlicher Körper entspannt.

Irgendwann hatte A´kebur auch darauf verzichtet, sobald er Luft bekam, Etienne zu verfluchen. Er hatte wie der perfekte Geliebte reagiert, den Etienne in ihn gesehen hatte. Vielleicht ließen sich diese guten Ansätze ausbauen - Voraussetzung war, dass A´kebur ihn nicht am Morgen Maß nahm.

Aber das würde sich zeigen. Und Etienne war selbst viel zu erschöpft und zufrieden, um sich im Voraus Gedanken darüber zu machen.

Kurzerhand rollte er sich wie eine Katze neben A´kebur zusammen, legte besitzergreifend einen Arm über dessen Bauch und schlief ebenfalls ein.

 

A´kebur erwachte und er fühlte sich merkwürdig. Ihm tat so ziemlich jeder Knochen und jeder Muskel weh. Er konnte sich jedoch nicht daran erinnern, so erschöpfend trainiert zu haben. Dabei war Vulkan keine leichte Trainingsumgebung.

Als er Etiennes Anwesenheit bemerkte und dessen besitzergreifende Nähe, wusste er, dass es da ein anderes Training letzte Nacht gegeben hatte. A´kebur grollte. Grob rollte er Etienne auf den Bauch, ignorierte seine eigenen Schmerzen. Dann legte er sich auf ihn und knurrte: "Ich schulde dir etwas!"

Etienne blinzelte und fand nur mühsam ins Reich der Wachenden zurück. "Ja, tust du. Ein Guten Morgen zum Beispiel", brummte er, "oder noch besser, Frühstück ans Bett."

A´kebur sah ihn verblüfft an. "Du hast die Regeln geändert", warf er Etienne beleidigt vor.

"Habe ich das? Du müsstest doch inzwischen wissen, dass ich mir nicht viel aus Regeln mache", gab dieser zurück und schloss wieder die Augen. Es war seiner Meinung nach noch viel zu früh für derartige Diskussionen, aber A´kebur schien nicht so leicht aufgeben oder gar seiner Meinung folgen zu wollen. Er konnte sich zudem auch nicht erinnern, dass er jemals so eine Antwort bekommen zu haben. Er war es gewohnt, sein Recht einzufordern, wenn ein Sex-Partner sich ihm verweigerte, weil er ein Mischling war. Aber das konnte man bei Etienne nicht sagen. Der lehnte ihn nicht ab. Aber er ließ sich auch nicht klein kriegen - auch nicht von A´kebur. Er rollte sich von Etienne.

"Okay, wir sind quitt", meinte er missmutig und kletterte aus dem Bett.

Etienne brummte etwas Zustimmendes und döste kurzerhand wieder ein. Ein paar Stunden Schlaf mehr konnte er noch dringend gebrauchen.

A´kebur war anderweitig beschäftigt. Er konnte es nicht glauben. Etwas breitbeinig und eindeutig verdattert suchte er seine Kleider zusammen und ging ins Bad. Er brauchte Ablenkung. Irgendwie und irgendetwas. Warum ein Mensch und warum dazu auch noch ein Mann, fragte er sich eins ums andere Mal mehr. Aber wie immer fand er keine Antwort.

Hastig zog er sich an und floh nahezu in sein Quartier. Ein paar um diese Uhrzeit noch leere Gänge und Flure später fand er sich in der Küche wieder. Dort saß Shana am Tisch und hielt sich gähnend an einer dampfenden Tasse fest. "Morgen", begrüßte sie A´kebur, "Kannst du auch nicht mehr schlafen?"

"Schlafen? Keine Ahnung", antwortete dieser und schaffte es nicht wirklich, seine Verwirrung zu verbergen.

Shana grinste eindeutig unanständig. "Wilde Nacht gehabt? Dagegen empfehle ich heißen Kakao. Ich war wirklich überrascht, dass die Vulkanier ein derartig unlogisch leckeres Getränk kennen." Sie stand auf und suchte nach einem weiteren Becher.

A´kebur sah ihr misstrauisch dabei zu. "Hast du es gewusst?", fragte er sie.

"Was gewusst?" Die Andorianerin schenkte A´kebur Kakao ein und stellte ihm den dampfenden Becher hin.

"Dass Etienne ..." A´kebur biss sich auf die Zunge. "Nichts! Ich gehe in den Garten meditieren", wich er aus.

"Halt! Renn doch nicht gleich weg! Erzähl mir lieber die ganze Geschichte, dann habe ich sicher eine Antwort", hielt Shana ihn auf.

"Ist nicht wichtig und ich schätze, dass geht mich und Etienne nur allein etwas an. Du scheinst nichts zu wissen."

"Woher willst du das wissen, wenn du mich nicht ausreden lässt!", wollte Shana wissen, dann grinste sie, als ihr etwas klar zu werden schien. "Aha, daher weht der Wind! Du schmollst!"

A´kebur drehte sich abrupt um und sah sie entrüstet an. "Ich schmolle nicht!", stellte er klar.

"Und wie du schmollst! Los, erzähl schon, was ist los? Probleme im Paradies?"

A´kebur verzog das Gesicht. Er wusste jedoch, dass er zu dem Kommentar Paradies nicht viel sagen konnte. "Nichts! Etienne hat nur die Regeln geändert und er sagt, er hält sich sowieso nicht an irgendwelche Regeln. Aber er lebt und ich auch, von daher gibt es keine Probleme."

Shana grinste noch breiter. "Soso, die Regeln geändert. Und das passt dir nicht, weil es sonst immer nach deinen Regeln ging? Aber das gehört zu einer Beziehung: Gleichberechtigung. Ist dir das nie in den Sinn gekommen?" Sie schüttelte den Kopf. "Nein, natürlich nicht. Aber du solltest dich an den Gedanken gewöhnen."

"Gleichberechtigung?" A´kebur dehnte das Wort. "Was für eine Gleichberechtigung meinst du?"

Die Andorianerin seufzte. "Du warst doch auf der Starfleet-Akademie. Gleiches Recht und gleiche Pflicht für alle. Niemand steht unter oder über einem in gewissen Dingen, im Besonderen und im Allgemeinen."

"Das gilt nicht fürs Bett!", erwiderte A´kebur wie aus der Pistole geschossen.

"Und warum nicht?"

"Weil es das nicht tut!"

"Gib mir einen vernünftigen Grund", ließ Shana nicht locker.

"Weil … weil … weil … weil es eben so ist", stammelte A´kebur. "Ich will nicht. Es soll nicht anders rum sein. Ganz einfach!"

Shana versuchte ernst zu bleiben, obwohl die ganze Situation irgendwo amüsant war. Aber es half nichts, A´kebur auszulachen; er wusste wirklich nicht, warum er so reagierte.

"Lass mich raten: Du hast etwas dagegen, die Kontrolle zu verlieren. Dir einzugestehen, dass jemand mehr Macht über dich hat, als du ihm erlaubt hast. Stimmts?"

"Ich darf nicht die Kontrolle verlieren", erklärte A´kebur und ihm war nur zu bewusst, dass das eine Einstellung war, die ihm das Leben ermöglichte.

Langsam ging Shana auf ihn zu und legte ihm sanft eine Hand auf den Arm. "Du kannst nicht immer die Kontrolle behalten. Niemand kann das. Aber es macht uns nicht schwächer, wenn wir uns anderen überlassen, im Gegenteil. Wenn es mit Vertrauen, Freundschaft und Liebe geschieht und wir dadurch sanft aufgefangen, werden wir dadurch stärker."

"Sanftheit ist für schwache Frauen und noch schwächere Männer da. Ich bin nicht schwach!", knurrte A´kebur und wich vor ihrer Berührung zurück. "Ich gehe in den Garten!"

Shana schüttelte den Kopf und ließ ihn gehen. "Da hat jemand noch eine ganze Menge zu lernen", murmelte sie und kehrte wieder zu ihrem Kakao zurück. Der war nicht widerspenstig und ließ sich gut trinken. Schade war nur, dass sich A´kebur nicht zu einem Kakao hatte überreden lassen. So etwas beruhigte ungemein. Aber A´kebur schätzte das offenkundig wenig. Nun, dann blieb mehr für sie. Ein unbestreitbarer Vorteil! Und vielleicht würde ihr jemand etwas später Gesellschaft leisten, auch wenn es noch lange nicht wirklich Morgen war. Shana gestand sich ein, dass sie gerne noch einmal in Ruhe mit Etienne geredet hätte. Ob er wusste, was seine Gegenwart in A´kebur anrichtete?

Wahrscheinlich nicht, auch wenn er unbestreitbar diesem Mann näherstand als irgendjemand anderer in diesem Universum.

Aber genau dieses Universum schien ihr Stoßgebet gehört zu haben und verschaffte ihr zumindest eine andere Gelegenheit, um sich noch vor dem Frühstück an einer netten Gesellschaft zu erfreuen. Es war Lial, die in die Küche kam. Die alte, großartige Dame grüßte sie gewohnt zurückhaltend und nahm sich ein großes Glas Wasser. Für Kakao hatte sie keine Verwendung. Das war eine Sucht ihrer Urenkelin.

"Guten Morgen, Lial", begrüßte Shana sie, "mir scheint, das halbe Haus kann heute morgen nicht schlafen."

"Die heißen Winde ziehen auf. Das sind die Tage, wo die Unruhe in der Luft liegt", erklärte Lial ihr geduldig.

"Oh, dann bin ich ja gewarnt. A´kebur hat jedenfalls heute Morgen definitiv Ameisen im Hi... also, er ist ziemlich aufgewühlt", rettete Shana sich schnell in eine etwas weniger saloppe Ausdrucksweise. Lial hob eine Augenbraue.

Shana trank noch einen Schluck Kakao. "Ich schätze aber, das ist ein Problem zwischen ihm und Etienne. Aber vielleicht redet er ja mit Ihnen."

"Mein Urenkel trägt die Eigenschaften seiner Vorfahren in sich. Reden ist nicht seine Stärke", erklärte Lial und Shana war sich sicher, dass sie dabei ein wenig schmunzelte. "Aber Sie sagen, es gibt ein Problem zwischen Etienne und A´kebur?"

"Nun, offensichtlich weiß A´kebur nicht, was es mit Gleichberechtigung in einer Partnerschaft auf sich hat, und Etienne war es offensichtlich leid", Shana hüstelte, "zurückzustecken."

Lial verstand nicht, doch dann nickte sie. "Dann wird er es wohl lernen müssen", stellte sie fest.

"Und das wird dauern. Er hat nie gelernt zu vertrauen. Seine Kontrolle ist das Wichtigste für ihn."

"Kontrolle war und ist für ihn lebensnotwendig. Allein die Aufrechterhaltung der Barriere erforderte Konzentration und Kontrolle. Vertrauen kennt er nicht. Er kann sich nur auf sich selbst verlassen. Diese Nacht hat er dann wohl etwas kennengelernt, was das alles in Frage stellt, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Nun, dann müssen wir aufpassen, dass seine Barrieren darunter nicht leiden."

Shana nickte. "Aber das ist Ihr Job. Ich verstehe zuwenig von diesen Dingen. Ich würde A´kebur gerne helfen, aber ich glaube nicht, dass ich etwas tun kann." Missmutig starrte sie ihn ihren leeren Kakaobecher.

Lial legte ihre Hand auf die von Shana. "Es gibt Dinge, wo man als Freund nur danebenstehen kann. A´kebur muss selbst verstehen, dass sich die Dinge geändert haben."

"Dann hoffe ich, dass er es wird. Es wäre ein Jammer, wenn er mit seiner Sturheit alles ruinieren würde, was sich vor ihm aufgetan hat. Solch eine Chance wie er bekommt nicht jeder und wenn, dann nur einmal im Leben."

Lial wusste Shanas Besorgnis zu schätzen. In ihr würde A´kebur trotz seiner Sturheit immer eine Freundin finden. Dessen war sie sich gewiss. "A´kebur ist stur, aber er ist nicht dumm. Er wird verstehen, was es für ihn bedeutet und er wird seinen Weg finden, Dr. Shana", versicherte sie ihr.

"Ihr Wort in Gottes Gehörgang", seufzte Shana, "Aber vielleicht habe ich ja mehr Erfolg bei seiner besseren Hälfte. Danke, Lial." Sie lächelte die alte Vulkanierin ehrlich dankbar an. Lial sah ihr nach, wie sie mit zwei Tassen Kakao bewaffnet verschwand.

Da Shana die Hände voll hatte, blieb ihr nichts anderes übrig, als sich durch Rufen anzukündigen und dann einfach ins Zimmer zu platzen. Rauschendes Wasser aus dem Badezimmer verriet ihr, wo Etienne war.

Shana runzelte die Stirn. "Mr. Duval", rief sie.

"Hier! Moment, ich bin gleich fertig!" Das Wasser wurde abgestellt, und eine Minute später kam Etienne aus dem Badezimmer, ein Handtuch über der Schulter, bereits in Hosen, aber die Haare noch tropfnass.

Shanas Fühler wackelten. "Wasser ist hier ein seltenes Gut, Mr. Duval. Ich wollte eigentlich noch den Kühlschrank benutzen, nur von welchem Wasser?"

"Entschuldigt. Ich werde mich bessern, versprochen." Etienne grinste schuldbewusst. "Und bitte, nennen Sie mich doch beim Vornamen. Förmlichkeiten muss ich noch früh genug wieder ertragen."

"Etienne, Sie können mich Shana nennen. Ich habe noch einen Haufen Namen, aber diese würden ein Buch füllen. Wollen Sie einen Kakao?" Shana hielt ihre Becher hoch und offerierte sie.

"Echten Kakao?" Etiennes Gesicht hellte sich auf. "Sowas gibt es hier? Sie sind ein Engel, Shana!" Begeistert nahm er ihr eine Tasse ab und schnupperte daran.

"Und, gut?"

"Sehr gut!" Etienne probierte und schloss verzückt die Augen. "Und womit habe ich die Ehre verdient?", wollte er nach ein paar Schlucken wissen.

Shana sah sich um und dann setzte sie sich mit einem provokativen Lächeln auf das zerwühlte Bett.

"Och, Sie können mir alle unanständigen Details erzählen oder ...", sie machte eine effektvolle Pause, "mir sagen, warum A´kebur so völlig durch den Wind ist. Lial sagt, dass es seine Barrieren gefährden könnte, wenn es etwas mit Ihnen zu tun hat."

Etienne hob die Augenbraue. "Das war es also. Und ich dachte, er würde nur ein bisschen schmollen heute morgen, weil ich gestern mal auf dem Chefposten in der horizontalen Etage bestanden habe. Nicht, dass er sich ernsthaft beklagt hätte. Sind das genug Details für Ihren Geschmack?" Er grinste.

"Also das war es. Hatte mir schon so was gedacht." Shana versteckte ihre dunkler gewordenen Wangen hinter ihrem Becher. "Na ja, er ist wohl empfindlich in Kontrolle verlieren und so", murmelte sie so leise, dass Etienne sie kaum verstand.

Dieser setzte sich neben sie aufs Bett. "Ja, das ist er. Dabei ist das nun wirklich nichts Tragisches. Und er weiß, dass er mir vertrauen kann - wenn nicht mir, wem dann sonst?" Etienne seufzte. "Ich habe mir da vielleicht was Kompliziertes angelacht.

"So kann man es auch zusammenfassen!" Shana hüstelte künstlich.

"Irgendein Tipp, was ich jetzt mit ihm machen soll? Ich bin in Sachen Beziehung nicht gerade ein Experte. Und obwohl ich ihn ja verstehen kann, habe ich nicht die geringste Lust, für den Rest unseres Lebens einzustecken, wenn er austeilt. Jedenfalls nicht immer." Er grinste frech.

Shana hob die Schulter. "Na ja, sich einfach nicht unterkriegen lassen und ihm zeigen, dass es nicht sein Schaden ist, wenn er zumindest bei Ihnen die Kontrolle aufgeben kann. Lial meinte, dass es an seinem telepathischen Talent liegt, dass er sich und seine Umgebung kontrollieren muss. Das sicherte sein Leben! Jetzt werden Sie wohl oder übel ein Teil dessen tragen. Dann kann er sich genauso gut entspannen."

"Ich werde es versuchen, auch wenn ich von diesem Telepathie-Kram immer noch recht wenig verstehe. Aber ich weiß, dass er mir zwischendurch damit geholfen hat, also ist es nur fair, wenn ich ihm etwas zurückgebe." Etienne trank seinen Kakao aus und rubbelte sich die Haare trocken. "Aber wie ich da einen gewissen Klingonen kenne, wird er sich ungern helfen lassen."

Shana verzog das Gesicht. Das wusste sie aus eigener Erfahrung nur zu gut. A´kebur und sich helfen lassen war ein Thema, das sie wohl noch eine ganze Weile beschäftigen würde. "Männer", murmelt sie.

Etienne grinste. "Aber erzählen Sie mir bloß nicht, dass es mit Frauen einfacher wäre. Das glaube ich Ihnen nämlich im Leben nicht."

Shana war beleidigt. "Natürlich sind Frauen einfacher. Männer sind seltsame Kreaturen. Aber sie sind süß."

"Na schön, wenn Sie das sagen! Und seltsam sind wir manchmal wirklich, das gebe ich zu. Die Frage ist aber immer noch, was ich jetzt mit A´kebur mache. Wo ist er übrigens hin?"

Shana deutete in etwa Richtung Garten. "Er tobt sich sicher aus. Eigentlich bin ich sein Sparingspartner. Aber im Moment bin ich eher indisponiert."

Etienne hielt inne und schüttelte den Kopf. "Wo kämen wir hin, wenn Sie seine Schläge abfangen, wenn ich es doch bin, gegen den der Ärger geht? Ich werde dann wohl mal nach ihm sehen", beschloss Etienne, stand auf und suchte nach einem Oberteil.

"Ich fürchte nur, er ist nicht wirklich aus der Übung und ein paar Tage länger auf Vulkan", gab Shana zu bedenken. "Er könnte Sie fein säuberlich zusammenfalten."

"Tja, dann werde ich wohl vorsichtig sein müssen. Wäre ja nicht das erste Mal", gab Etienne ungerührt zurück. "Außerdem weiß ich ja, dass eine Ärztin in der Nähe ist."

Für diesen Kommentar bekam er eine Socke an den Kopf. "Lassen Sie diese Scherze, Mr. Duval!", riet ihm Shana.

Dieser hob abwehrend die Hände ob der drohenden, hellblauen Gefahr. "Schon gut, schon gut. Ich verspreche, Sie werden nichts zu tun bekommen!"

"Na, immerhin etwas. Wie schon ein gewisser Klingone sagte: Menschen sind etwas zerbrechlich."

"Und wie ich immer darauf geantwortet habe: Wir sind nicht so zerbrechlich, wie wir aussehen. Also keine Sorge." Etienne zwinkerte ihr zu und verließ das Zimmer.

Er fand A´kebur in einer Art wilden Tanz vertieft. Sein Oberkörper war nackt und glänzte vor Schweiß. Die Augen waren halb verschlossen. Seine Hose ruhte nur knapp von einem Stoffgürtel gehalten auf seinen Hüften und die Füße standen wie festgewachsen auf dem heißen Boden des Gartens.

Etienne blieb stehen und bewunderte das Schauspiel. Es schien, als sei A´kebur trotz der gegensätzlichen Kräfte, die in ihm wüteten, in diesem Augenblick vollkommen eins mit sich selbst war. Und Etienne war das letzte Wesen in diesem Universum, das ihn dabei stören wollte.

Er ging ein paar Schritte zurück, um sich einen Platz zu suchen, wo er besser beobachten konnte. Erstaunt sah er, dass Loran neben einer Skulptur stand und seinen Enkel wohl schon seit längerer Zeit zusah. Sein Gesicht verriet wie üblich wenig über das, was er dachte. Dazu war er wohl nicht wütend genug.

Jedenfalls war Etienne gespannt zu sehen, ob Loran wieder Streit suchen würde. Eine Weile verging, dann unterbrach dieser tatsächlich seinen Enkel. "Du solltest etwas essen. Diese Übungen rauben viel Kraft." Es klang weder überheblich noch belehrend, sondern fast freundlich, wie Etienne feststellte. Das war ein Wunder angesichts der Auseinandersetzung am gestrigen Abend.

A´kebur hielt inne und sah seinen Großvater etwas befremdlich an. Er hatte tatsächlich Hunger und er spürte, dass nicht nur sein Magen für einen Nachschub an Energie war. Er nickte, dass er verstanden hatte.

"Wenn du willst, kann ich dir später noch ein paar andere Übungen zeigen, die ebenso effektiv, aber weitaus besser in unserem Klima auszuführen sind", setzte Loran noch hinzu, bevor er sich umdrehte und wieder Richtung Haus ging.

Etienne war fast die Kinnlade heruntergefallen. Hatte man Loran über Nacht gekidnappt und durch einen Klon ersetzt? Oder hatte Lial ihm gründlich den Kopf gewaschen? Vermutlich war es letzteres.

A´kebur schienen ähnliche Gedanken durch den Kopf zu gehen. Er sah nämlich Loran eine ganze Weile nach. Dann wandte er sich Etienne zu, den er bemerkt hatte, als Loran ihn angesprochen hatte. Allerdings sah der Klingone nicht so aus, als wäre er für eine Unterhaltung bereit. Also ergriff Etienne das Wort. "Lass uns frühstücken gehen", sagte er das Erste, was ihm einfiel, auch wenn es nicht gerade geistreich war, "dein Training läuft dir nicht weg."

"Er hat mit mir gesprochen", fasste A´kebur endlich seine Verblüffung zusammen.

"Yep! Er scheint ein paar Vorurteile über Bord geworfen zu haben. Offensichtlich sind Vulkanier doch lernfähig."

A´kebur legte seinen Kopf schief. Die Antwort war wohl eindeutig. Er glaubte nicht an so etwas wie Wunder. Doch dann zuckte er mit den Schultern und trat zu Etienne. "Lass uns frühstücken. Ich werde mich wohl vorher aber in einen für Lial ansehnlichen Zustand bringen müssen."

"Och, ich beklage mich sicher nicht", konnte Etienne sich nicht zurückhalten und gab seinem Gefährten einen frechen Seitenblick. "Aber uns liegt ja was an Urgroßmamas Wohlwollen."

"Es geht nicht um Wohlwollen. Es geht um Respekt", stellte A´kebur pikiert klar.

"Was auch immer. Los, gehen wir!"

A´kebur bedachte ihn mit einem Blick, der Etienne bewusstmachen sollte, dass er eine Grenze überschritt. Aber dieser war noch nie in bestimmten Punkten sehr einsichtig gewesen und ignorierte den Blick geflissentlich. Außerdem hatte er Hunger.

A´kebur folgte ihm und erdolchte in dabei fleißig mit seinen Blicken. Vor seinem Zimmer trennte er sich von Etienne. Aber der ließ sich nicht so leicht abschütteln. Ungeniert folgte er A´kebur mit dem Kommentar "Willst du heute wieder Roben tragen?"

"Mach den Schrank auf, um deine Frage zu beantworten!", forderte A´kebur ihn auf.

Etienne tat wie geheißen und verzog das Gesicht: Dort fanden sich nur vulkanische Roben und ein paar Outfits fürs Training.

"Da vermisse ich doch glatt deine Starfleet-Uniform", murmelte Etienne und suchte nach etwas Ansprechenderem. Schließlich wurde er mit einem beigen, luftigen Gewand fündig, das nicht so sehr nach Kleid aussahen wie die anderen.

A´kebur kam sauber und erfrischt aus der Dusche und hob eine Augenbraue. "Ich schätze, das beantwortet meine Frage. Bei Gegenlicht sind die Dinger fast durchscheinend."

"Ja?" Etienne verbarg seine Begeisterung nur spärlich. "Aber hier im Haus ist es überall dämmrig, da sollte das nichts machen."

A´kebur riss ihm die Sachen aus der Hand, ließ sein Handtuch fallen und zog sich einfach an. Etienne zwang sich, ausnahmsweise einmal nicht zu starren. Wollte er mit A´kebur heute noch ein vernünftiges Gespräch führen, hieß es sämtliche Anwandlungen dieser Art vorerst im Zaum zu halten - auf beiden Seiten. Stattdessen sah er die Datenpads auf dem Schreibtisch durch.

"Recherchen zum Thema Personentransport nach Vulkan? Wonach hast du gesucht?"

A´kebur sah ebenfalls auf den kleinen Stapel Datendisketten und die ungeordneten Folien. "Ich suche meine Mutter. Sie verließ vor vierzehn Jahren das klingonische Reich. Sie ging zurück nach Vulkan, doch Lial sagt, dass sie hier nie angekommen sei. Sie sei tot und sie ist vor sieben Jahren für tot erklärt worden. Ihre Leiche wurde jedoch nie gefunden."

Etienne runzelte die Stirn. "Wer jahrelang in klingonischer Gefangenschaft überlebt, stirbt nicht auf einer simplen Reise. Ich schätze, sie hat einfach ihre Meinung geändert und ist woanders hingereist. Oder, sie ist hierhergekommen und hat sich einfach nicht bei ihrer Familie gemeldet. Verständlich wäre beides."

"Shana sagt das Gleiche. Aber die Spur meiner Mutter verliert sich auf der Fähre, die sie nach Vulkan bringen sollte. Erinnerst du dich an die letzten Verhandlungen vor über zwanzig Jahren? Es hatte noch Jahre nach Khitomer ein paar Sklaven im klingonischen Reich gegeben, die in den Zuständigkeitsbereich der Förderation fielen. Es waren nicht viele. Meist in Privathaushalten versteckt, nirgendwo registriert, und vor vierzehn Jahren kehrten die letzten auf offizielles Betreiben zurück, nachdem man sie endlich alle ausfindig gemacht hatte. Sie alle kamen auf diese Fähre. Auf dem Flug gab es jedoch einen Zwischenfall. Eine Schleuse öffnete sich. Obwohl die Sensoren keine Leiche fanden, ging man später davon aus, dass meine Mutter bei diesem Vorfall ums Leben gekommen sei. Beweise gibt es aber keine."

"Ich glaube, ich habe davon gehört, allerdings war ich damals noch nicht sonderlich interessiert an solchen Sachen. Jedenfalls ist es selbst heutzutage nicht so sonderlich schwer, unterzutauchen, wenn man will. Hast du noch mehr Aufzeichnungen außer diesen hier?", wollte Etienne wissen.

A´kebur zog eine Liste hervor. "Ich bin von der Frage ausgegangen, wohin würde eine geschändete Vulkanierin gehen, wenn sie nicht zu ihrer Familie will. Ich bin einmal von Vulkan selbst ausgegangen und einmal von möglichen Außenwelten. Das aber nur unter der Voraussetzung, sie hat den Vorfall mit dem Schott tatsächlich genutzt, um unterzutauchen und ist noch am Leben."

"Gut, das ist doch ein Anfang. Gib mir mal die Liste von möglichen Plätzen auf Vulkan. Wenn ich hier schon nicht weg kann, kann ich mich ja nützlich machen, oder?" Etienne grinste.

"Was interessiert dich meine Mutter?", brummte A´kebur.

"Es ist DEINE Mutter. Und wenn dir soviel daran liegt, sie wiederzufinden, werde ich dir helfen. Ganz einfach. Oder hast du was dagegen?"

A´kebur zuckte unbestimmt mit der Schulter. "Es ist nur ein Zeitvertreib. Wenn du dir die Sachen ansiehst, dann wirst du sehen, dass Lial schon alle Möglichkeiten durchgegangen ist. Sie hat nichts ausgelassen. Ich habe sowieso keine Aufgabe, also kann ich auch das machen."

"Alle Möglichkeiten, die ein Vulkanier bedenken kann, sind noch lange nicht alle Möglichkeiten, auf die ein Mensch kommen würde. Also kann ich dir sicher helfen. Davon abgesehen brauche ich auch was zu tun während meiner Henkersfrist." Etienne zwinkerte. "Denkst du, ich darf hier einen Computerterminal benutzen?"

A´kebur hatte sich schon halb abgewandt, weil sich sein Magen lautstark meldete. "Wer sollte dich daran hindern?", stellte er die rein rhetorische Gegenfrage. "Wenn du fliehst, bringe ich dich persönlich auf die Reha-Kolonie."

"Oh danke, das ist tröstlich", gab Etienne ironisch zurück, "lass uns futtern gehen, dann können wir finstere Pläne schmieden."

Das taten sie dann auch. A´kebur ersparte sich einen Kommentar, wobei er unterschlug, dass ihm die Aussicht, dass Etienne auf einer Reha-Kolonie gehen musste, ihm schwer auf der Seele lag – entgegen seiner rüden Drohung. Er sah keine finsteren Pläne, die man schmieden konnte, von Fluchtversuchen einmal abgesehen.

"Warum bleibst du eigentlich bei mir?", fragte er. "Du kannst auch sagen, dass dich dieser Telepathie-Kram gar nichts angeht. Schließlich bist du Nichttelepath. Die Auswirkungen sollten daher minimal sein. Profit springt auch nicht heraus. Ganz sicher bin ich keine gute Partie und erben werde ich auch nicht. Ich bin gar nicht vorgesehen."

Diese Bemerkung traf Etienne wirklich unvorbereitet.

Er war sonst nie um ein Wort verlegen, aber nun musste er zweimal tief durchatmen, ehe er wusste, was er erwidern wollte. "Dafür, dass du praktisch in meinen Kopf gucken kannst, hast du aber ziemlich verquere Vorstellungen von meinem Charakter. Erstmal hat dieses Band mehr Auswirkungen auf mich, als du glaubst, also könnte ich es nicht einfach ignorieren. Zweitens weiß ich, dass es weitaus Wichtigeres gibt als Geld und drittens: Denkst du ernsthaft, ich könnte einfach so abhauen nach allem?" Etienne sah A´kebur ernst an. Dachte dieser das wirklich von ihm?

A´keburs Blick war verschleiert. "Ich verstehe dich nicht", gestand dieser dann. "Und ich sehe deine Gedanken nicht. Ich sehe Gefühle. Aber verstehen dich wirklich nicht."

"Denkst du, ich verstehe immer, was in dir vorgeht? Im Augenblick verstehe ich dich und deine Zweifel nämlich auch nicht. Und wenn du mal ein bisschen mehr Wert auf die Gefühle und weniger auf die logische Analyse legen würdest, wäre vieles einfacher", gab Etienne leise zurück.

A´kebur nickte, sagte aber nichts. Er ging schweigend zur Küche, wo Amaris das Frühstück bereitete. Sie brachte das Essen mit ihrer Tochter in das Esszimmer und bedeutete, das Etienne und A´kebur folgen sollten.

Die beiden kamen dem nach und setzten sich an den Tisch. Dieses Mal war die Atmosphäre weitaus entspannter als am Abend zuvor: Loran musterte A´kebur nur noch mit leichter Neugier, nicht mehr mit der beinahe fühlbaren Abscheu der letzten Wochen. T'Lis unterhielt sich angeregt mit Shana und musste von ihrer Mutter sanft ermahnt werden, ihr Essen nicht kalt werden zu lassen. Und Lial wirkte so, als würde sie jeden Moment zu lächeln anfangen.

Dafür wirkte A´kebur einmal eindeutig missmutig und Etienne äußerst verwirrt. Ob das an der Nacht lag? War A´kebur immer noch sauer?

Wenn dem so war, dann war das Thema im Moment nicht passend. Es konnte aber auch sein, dass es an dessen Mutter lag. Etienne erinnerte sich, dass Shana sagte, dass A´kebur so etwas wie Vertrauen gar nicht kannte. Vielleicht war es das, was ihm A´kebur damit zu verstehen gab: Er wusste das Verhalten seines Gefährten nicht so recht einzuordnen - unabhängig davon, was er von ihm wusste und bei ihm fühlte.

Aber wie sollte er A´kebur klarmachen, dass er ihn nicht einfach verlassen würde? Dass er Etienne mit seinem Leben würde vertrauen können? Solch ein tiefes Misstrauen aufgebaut in Jahren ließ sich nicht einfach abschütteln. Das wusste Etienne nur zu gut. Er selbst war in der Zeit auf der Flucht vor den Autoritäten noch misstrauischer als vorher geworden, und er vertraute niemandem so leicht. Aber das hier war eine andere Sache. Da war etwas zwischen ihnen beiden, dass über eine flüchtige Bekanntschaft und guten Sex hinausging. Auch über die Seelenbindung und die Telepathie. Etienne konnte diesem Etwas zwar keinen Namen geben, aber es sagte ihm eindeutig, was er zu tun hatte: A´kebur zur Seite zu stehen - um jeden Preis. Er sah, wie sein Bindungspartner immer wieder die Augenbrauen zusammenzog, als würde er mit sich selbst einen Disput führen. Er konnte spüren, dass dieser tatsächlich schwere Gedanken wälzte. Aber es war eher ein Gefühl, weniger eindeutiges Wissen. A´kebur sah ihn kurz an, prüfend, fragend und irgendwie verwirrt.

Etienne wusste aber nicht, ob er ihm aus dieser Verwirrung heraushelfen konnte oder ihn nur noch weiter dort hineinstürzte. Soviel hatte sich in ihrer beider Leben verändert, dass sich nicht rückgängig machen ließ, und es hatte sie verändert, und es gab keinen Weg zurück.

"Was denkst du?", fragte A´kebur und ignorierte die erstaunten Blicke seiner Familie.

Etienne wusste im ersten Moment nicht wirklich, was er antworten sollte, aber dann meinte er grinsend: "Soll ich das wirklich laut sagen?"

"Würde ich fragen?"

Shana kaute gedankenverloren auf ihrem Müsli. Sie konnte nicht wirklich glauben, was hier geschah. Scham kannte A´kebur wirklich nicht.

Die Vulkanier hingegen blickten wieder betont auf ihre Teller, auch wenn sich der Hauch einer missbilligenden Falte auf Lials Stirn gebildet zu haben schien. Sie war wohl der Meinung, dass gewisse Dinge nicht in die Öffentlichkeit gehörten. Dem musste Etienne übrigens auch zustimmen und gab deshalb zurück: "Ich überlege, was wir mit dem Rest des Tages machen. Ideen?" Er hob anzüglich eine Augenbraue.

A´keburs Blick brach.

Etienne hatte das Gefühl, dass ein Tor zugefallen war. Stumm erhob sich A´kebur. Er hatte sowieso keinen Hunger. "Ich bin in der Bibliothek. Ich muss eine Idee recherchieren."

Niemand hielt ihn auf. Etienne allerdings entschied nach drei weiteren Bissen, dass auch er keinen Hunger mehr hatte und entschuldigte sich. Er wollte wirklich wissen, was A´kebur eingefallen war oder warum er die Flucht angetreten hatte.

Er fand ihn jedoch nicht in der Bibliothek. War A´kebur wirklich geflohen? Das passte nicht wirklich zu ihm. Dass er Gesprächen auswich, die seine Gefühle betrafen - auch wenn er öffentlich über Etiennes Gedanken bereit war zu sprechen - wusste Etienne mittlerweile. Aber fliehen würde A´kebur nicht wirklich. Er kämpfte lieber. Doch die Voraussetzung war wohl, dass A´kebur wusste, wofür er kämpfte und warum. Oder spielte auch das keine Rolle?

Etienne wusste es nicht. In dem momentanen Chaos war so ziemlich alles möglich. Während er noch darüber nachdachte, was er jetzt machen sollte, war ihm auch schon Shana nachgekommen. "Wo ist er hin?", fragte sie besorgt.

"Ich habe keine Ahnung", musste Etienne eingestehen, "allerdings ist das hier die einzige Bibliothek, von der ich weiß."

Shana überlegte und schüttelte dann den Kopf. "Ich weiß nicht, was zwischen euch passiert, aber ich denke, er ist aus dem Haus, weil er den Kopf frei haben will. Er war in den letzten Tagen und Wochen immer wieder in der Stadt in der Bibliothek. Er hat wegen seiner Mutter recherchiert, auch wenn er recht einsilbig bei diesem Thema ist, wenn ich ihn bisher gefragt habe. Aber es bedeutet ihm etwas. Sogar sehr viel, wie ich ziemlich sicher weiß."

"Das habe ich auch schon bemerkt. Und ich würde ihm gerne helfen, wenn ich an einen Computerterminal kann. Vielleicht finde ich ja was. Lust, mir zu helfen?"

"Ihn zu finden, ihm den Kopf zu waschen oder ihm bei der Suche seiner Mutter zu helfen?", fragte Shana.

"Erstmal letzteres. Vielleicht sollten wir ihn vorerst in Ruhe lassen", meinte Etienne, "wenn er wiederkommt, kannst du ihm den Kopf waschen, soviel du willst."

"Ich bin nicht seine Schwester", meinte Shana schnippisch. "Ich werde dir dann mal den Weg zur Bibliothek zeigen. Aber ich weiß nicht, wie lange ich bleibe. Das Klima frisst mich langsam auf."

"Denkst du mich nicht? Ich wäre froh, wenn ich hier wegkäme. Aber vorerst ..." Etienne zuckte mit den Schultern. "Okay, lass uns zur Bibliothek gehen."

Sie mussten eine ganze Weile laufen. Shana blieb immer wieder stehen oder setzte sich gar. Sie hatte Wüstenkleidung gewählt, die hell die Sonne reflektierte. Eine Kapuze schützte sie. Etienne konnte ihr dazu nur gratulieren; er selbst war nicht so schlau gewesen und spürte förmlich, wie die Sonne ihm die Haut verbrannte. Zum Glück war er nicht so empfindlich. Luft bekam er allerdings auch immer noch schlecht. Schließlich erreichten sie die Bibliothek im Zentrum der Stadt. Ein offiziell wirkendes Gebäude, das zum Glück im Inneren weitaus kühler war.

Es war ein erhabener Ort und die Stille beherrschte alles. Es war, wie die personifizierte Ruhe. Raum an Raum führte tief in das Gebäude. Sie fanden A´kebur an mehreren Monitoren. Er bediente sie mit einer Virtuosität, die Etienne nur bei Vulkanier gesehen hatte. Sein Gesicht war ausdruckslos und konzentriert. Wieder glitten die langen Finger über die Sensoren der Tastaturen.

Etienne ging langsam auf ihn zu und fragte leise: "Und, fündig geworden?"

A´kebur sah auf und schüttelte stumm den Kopf. Ungefragt setzte sich Etienne neben ihn und gab ein paar Befehle ein. Das System der Anlage war kompliziert, aber wie nicht anders zu erwarten, logisch aufgebaut. "Gib mir nochmal rüber, was du bisher gefunden hast", bat er.

Shana lächelte. Sie ließ die beiden allein.

A´kebur sah ihr kurz nach, dann blickte er Etienne an. Dessen Aufforderung folgend, schob er ihm seine Unterlagen zu. "Sie ist auf Vulkan. Ich weiß es", erklärte er. Es hätte trotzig klingen können. Aber dafür war zuviel Ernst in seiner Stimme.

"Gut, dann suchen wir hier." Etienne überflog das Datenpad ein paar Mal und begann dann ernsthaft mit der Suche im Datennetz. Dabei benutzte er ein paar Befehle und Codes, die für A´keburs Blick weder den Föderationsstandards entsprachen, noch überhaupt erkennbar einwandfrei legitim waren. Und einige sahen eindeutig illegal aus.

"Was tust du da? Das ist faszinierend", fragte A´kebur.

Etienne grinste. "Wenn ich dir das verrate, bist du als braver Starfleetoffizier verpflichtet, das zu melden, und ich bekomme noch zehn weitere Jahre in der Reha-Kolonie. Also schweige ich mich lieber aus." Er gab einen letzten Befehl ein, worauf eine lange Liste auf dem Bildschirm erschien, mehrere topographische Diagramme und ein paar Fotos.

"Was hast du da?" A´kebur wurde hektisch. "Das ist nicht in den offiziellen Daten. Da gibt es eine Siedlung. Aber das muss nichts mit meiner Mutter zu tun haben." Er sah auf. Auf seinen Wangen hatten sich grünliche Flecken gebildet.

"Soweit ich das hier richtig verstehe, ist es eine Art Kloster für Vulkanier, die sich ganz der Meditation verschrieben haben." Etienne überflog die Daten weiter. "Und es gilt auch als ein Zufluchtsort für diejenigen, die nicht mehr im Gleichgewicht mit sich sind. Dort werden keine Fragen gestellt, jeder wird aufgenommen. Ich denke, das wäre ein idealer Ort, um mit der Suche zu beginnen. Allerdings geben sie keine Auskunft über die Comlinks, man muss schon persönlich hin."

"Ob sie auch einen Mischling aufnehmen", fragte sich A´kebur und hörte sich aber dabei an, als ob er mehr sich selbst fragte. Er fühlte sich auf unbestimmte Art müde. Das war ein ihm fremder Zustand. Der Gedanke an Rückzug hörte sich dabei ungewohnt verlockend an.

Etienne sah ihn indigniert an. "Erzähl mir nicht, du würdest da gleich bleiben wollen! Und was soll ich machen? Ich gehe doch auf Dauer ein auf diesem Grillrost von einem Planeten!"

A´kebur sah in verblüfft an. Dann grinste er. "Warum, ist doch nett hier und man muss die Heizung nicht anstellen."

"Nett? Nein danke, ich bin für zehn bis zwanzig Grad weniger auf Dauer." Etienne speicherte die Daten des Klosters auf ein Datenpad und steckte es ein, um dann die benutzten Codes ganz schnell mit ein paar anderen, ebenso nicht ganz legalen Codes aus den Speicherbänken des Terminals zu entfernen.

"Könntest du dir nicht vorstellen, hier zu bleiben?" A´kebur nahm ihm ungewohnt vorsichtig das Datenpad ab. Er sah kurz auf das Display.

Etienne schüttelte den Kopf. "Selbst dann, wenn Vulkan nicht so ein Glutofen wäre. Nein, auf Dauer würde ich hier verrückt werden. Entweder wegen der Vulkanier und ihrem plattgebügelten Verhalten, nichts gegen deine Familie, oder einfach, weil ich seit fünfzehn Jahren nicht länger als einen Monat an einem Ort verbracht habe. Und davon, dass die Föderation mich nach dieser Zeremonie sowieso zur Verhandlung einkassiert, rede ich noch gar nicht."

A´kebur nickte. "Willst du wissen, was ich fühle?", fragte er Etienne auf einmal unvermittelt.

Das Angebot kam völlig überraschend. Etienne konnte bloß nicken. Das Gefühlswirrwarr A´keburs durch ihre Verbindung mitzubekommen, war eine Sache, aber es von diesem selbst zu hören. "Es könnte weh tun!", warnte ihn dieser. Er berührte seine Schläfen, ohne die Verschmelzung zu beginnen. Heiß fühlten sich die Fingerkuppen an.

Etienne wäre beinahe zurückgezuckt, doch dann entspannte er sich und schloss die Augen. Zuerst war da nur die Wärme A´keburs, aber dann ...

Es war, als würde er in einen Strudel fallen. So stark wie ihre Verbindung war, so chaotisch ging es in A´kebur zu. Aber, und das erstaunte Etienne, hatte das nicht wirklich etwas mit ihrem Band zu tun. Im Gegenteil: Es sorgte dafür, dass A´kebur nicht den Verstand verlor. Trotzdem wusste dieser nicht, was er tun, sagen oder denken sollte. Er verstand sich am wenigsten. Und ihre letzte Nacht hatte da einen nicht geringen Anteil daran.

Etienne versuchte, irgendeinen Ansatzpunkt zu finden, aber er schwamm hoffnungslos in der Sintflut der Gefühle seines Bindungspartners. War es der Beginn von Vertrauen, wenn er es war, der ihm neben dem ganzen Chaos und der Verwirrung Halt gab?

Irritiert schlug A´kebur seine Augen auf. Etienne hatte seine Stirn an die seine gelegt. "Ich schätze, wir sind eine hoffnungslose Kombination", meinte er mit Anflug von Humor.

Etienne grinste schief. "Das kannst du laut sagen. Aber vielleicht hat es eben doch sollen sein." Er hob die Hand und strich leicht durch A´keburs lange Haare.

"Ich glaube nicht an das Schicksal!" A´kebur wich abrupt zurück. Er sah auf die Datenauszüge. Es war eine Möglichkeit. "Ich werde Lial fragen, ob wir einen Gleiter bekommen können. Ich möchte dorthin fliegen."

"Ich würde gerne mitkommen." Etienne fragte doch tatsächlich, anstatt wie sonst auf etwas zu bestehen.

A´kebur hob eine Augenbraue. "Du willst in die Mitte der Hölle? Du bist lebensmüde."

"Das merkst du jetzt erst?" Etienne grinste schief. "Denkst du, ich lasse dich alleine losziehen, wenn wir erstens nicht mal wissen, ob wir deine Mutter da überhaupt finden und du zweitens gleich da bleiben willst?"

"Na ja, welchen Sinn macht es dann, dort zu bleiben, wenn du es weißt." A´kebur lachte und schüttelte den Kopf. "Nein, ich werde nicht bleiben. Aber du solltest es in Erwägung ziehen, im Haus von Lial zu bleiben."

"Nichts da, ich komme mit! Nicht, dass du mir doch noch verloren gehst oder irgendeine hübsche Vulkanierin dich abschleppt oder so", Etienne grinste, "ich muss ja in der Wüste keine Wurzeln schlagen."

A´kebur verschränkte seine Arme. "Sag bloß, du bist eifersüchtig! Du bist seltsam. Erst knurrst du, dann zeigst du alle Anzeichen einer typischen Gefährtin. Sollten menschliche Männchen wie klingonische Frauen sein?"

Etienne zog die Augenbrauen hoch. "Wollen wir doch mal was klarstellen: Egal, was ich mache, ich bleibe ein Kerl, egal nach welchen Maßstäben. Mir sind eben nur alle Methoden recht. Und was Eifersucht betrifft: Dich würde es also nicht stören, wenn ich mir nebenher noch jemand anderen suche?"

"Ich würde dich töten!" Die Antwort kam knapp und trocken. A´kebur suchte alle Datenfolien zusammen und speicherte den Rest ab.

"Siehst du." Etienne schmunzelte wieder und stand auf. "Gleiches Recht für alle."

A´kebur sah ihn schräg an. Er ersparte sich einen Kommentar. Etienne würde keine Chance haben. "Ich werde deinen Tod angemessen betrauern", meinte er nur noch und ging.

"Damit musst du noch ein paar Jährchen warten", erklärte Etienne leise und sah seinem Klingonen schmunzelnd nach, bevor er ihm folgte.

Die Reise zum Kloster bedurfte sicher einiger Vorbereitungen. Doch, wie er sich da irrte. Lial meinte, dass ein Gleiter bereitstünde. Er war mit allem ausgestattet, um sofort starten zu können. A´kebur ging in sein Zimmer, um sich umzuziehen und weitere Kleidung einzupacken. Etienne tat Selbiges. Ihm war der überstürzte Aufbruch nicht so recht, aber er hielt an seinem Entschluss fest, auf jeden Fall mitzukommen. Mit jeder Menge vulkanischer Roben, Sonnenschutzmittel und Unmengen an Wasservorräten war er eine halbe Stunde später aufbruchsbereit.

Gerne hätte er noch eine Waffe eingepackt, aber da ran zu kommen war im Augenblick für ihn unmöglich.

A´kebur blinzelte verwirrt. "Warum denke ich gerade ein Bat’leth?", fragte er sich laut.

"Weiß nicht. Ich überlegte nur gerade, dass wir vielleicht nicht unbewaffnet losziehen sollten. Alte Angewohnheit", gab Etienne zurück und belud den Gleiter.

"Das stammt von dir? Oder kommt das von mir?" A´kebur wirkte etwas unentschlossen. Er hatte eigentlich seinen Sack verstauen wollen. Jetzt stand er einfach da und versuchte seine Gedanken zu sortieren, weil sich ein fremder dazwischen gemogelt hatte.

Etienne war das auch ein bisschen unheimlich, aber er wollte es eigentlich nicht so genau wissen, Band hin oder her. Und vielleicht war diese Fähigkeit irgendwann einmal wirklich nützlich, vielleicht sogar entscheidend. Und er glaubte nicht, dass einem von ihnen dadurch sein freier Wille abhanden kam. Dazu waren sie beide viel zu stur.

A´kebur schloss die Klappe und bedachte Etienne mit einem merkwürdigen Blick. "Wir sollten beide lernen, wie man eine Barriere aufrecht erhält", brummte er.

"Und wie willst du mir das beibringen? Semal hat es ja versucht, aber ich glaube nicht, dass das klappt."

"Nein, du sollst es lernen, als wärest du ein Telepath!"

Als Antwort zog Etienne nur die Augenbrauen hoch. "Aha. Denkst du wirklich, das hilft?"

"Nein, nicht wirklich. Hilft bei mir ja auch nicht", antwortete A´kebur. Er erklomm den Gleiter und machte es sich auf dem Pilotensitz bequem.

Etienne grinste, setzte sich daneben und gab die Koordinaten für den Weg zum Kloster ein. Shana verabschiedete sich von ihnen; Lial und die anderen Vulkanier waren nicht für große Wort, sondern wünschten ihnen nur stumm Erfolg.

"Das mit der Ausbildung für Mr. Duval ist ein guter Gedanke", sprach Lial. Sie sah dabei Shana an. "Menschen neigen aber eher dazu, so eine Ausbildung als Belastung anzusehen."

"Nun, wenn es unvermeidlich wird. Aber warten wir es ab." Shana winkte den beiden hinterher und verschwand dann aber schnell wieder in die Kühle des Hauses. Zum Glück musste sie diese Höllentour nicht auch antreten.

Doch der Flug war komfortabler, als sie vermutete. Es war kühl in dem Gleiter. Es gab genug Energie an Bord, um die Klimakontrollen eher irdischen Temperaturen anzupassen. A´kebur berechnete ihre Flugzeit. "Wir werden zehn Tage fliegen. Du kannst es dir gemütlich machen", meinte er.

"Mache ich doch glatt." Etienne lehnte sich zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Ein paar Minuten verliefen in einmütigen Schweigen, dann meinte er unvermittelt: "Ich werde solche herrlichen Himmelfahrtskommandos vermissen."

"Das hier ist ein Sonntagsausflug. Was machst du, wenn du kein Himmelfahrtskommando hast?"

"Mich irgendwann langweilen. Und du? Ist dir bei Starfleet unter all den zugeknöpften Bravlingen nicht ständig die Decke auf den Kopf gefallen?"

A´kebur presste die Lippen aufeinander. Das nahm Etienne als ein Ja. "Und du bist nie auf die Idee gekommen, dass es woanders einfacher für dich wäre?"

"Disziplin ist der Weg zu Kraft. Kraft und Mut ist der Weg zu Ruhm. Ruhm ist der Weg an die Seite von Kahless."

"Aber es gibt verschiedene Wege dorthin. Stärke ist nicht immer Kraft, und Ruhm ist nicht immer Ehre. Zumindest das habe ich oft genug erfahren."

A´kebur senkte den Blick. "So kann nur ein Mensch reden. Menschen haben seltsame Ansichten, was Ehre und Ruhm angeht. Aber es zählt nur Kahless. Ansonsten bleibt nur ein ehrloser Tod."

"Aus unserer Sicht sind Klingonen genauso seltsam. Wenn es mit der Ehre so einfach wäre, dann gäbe es niemanden mehr von euch. Und der Tod ist keine Lösung." Etienne blinzelte gegen den wolkenlosen, rötlichen Himmel.

"Das Sterben ist nicht der Sinn. Sondern ein ehrenvoller Tod. Der Tod eines Kriegers", erklärte ihm A´kebur geradezu nachsichtig.

"Aber woher weiß man, welcher Tag zum Sterben der Richtige ist? Was, wenn man sich falsch entscheidet?"

A´kebur sah ihn an und schüttelte den Kopf. "Nein, man sucht den Tod nicht. Man kämpft und fürchtet ihn nicht.

Etienne nickte. "Stimmt. Es gibt Schlimmeres."

"Hast du Angst vor dem Tod!"

"Ich weiß nicht", gab Etienne zu, "ich war kurz davor, und es ging immer zu schnell, um Angst zu haben. Aber ich glaube, ich hätte Angst davor, aus dieser Welt zu gehen, ohne das erreicht zu haben, was ich im Leben wollte."

A´kebur hob eine Augenbraue. "Du hast etwas vor?", fragte er.

"Hat das nicht jeder?" Etienne grinste A´kebur an. "Ich verspreche dir, ich sage dir Bescheid, wenn ich es erreicht habe."

"Ich habe nichts vor. Dich habe ich ja gefunden."

Diese Aussage brachte A´kebur einen Kuss aufs rechte Ohr ein. "Es war zwar nicht geplant, aber zurück würde ich auch um keinen Preis wollen", flüsterte Etienne.

"Was?" A´kebur drückte Etienne zurück auf seinen Sitz. "Was soll das?", rief er.

"Nichts, nichts." Breit grinsend lehnte sich Etienne wieder zurück und schloss die Augen, um zu dösen.

A´kebur betrachtete ihn verwirrt. "Ich verstehe Menschen nicht", gestand er.

"Wir sind auch nicht gemacht, um verstanden zu werden, glaub mir. Finde dich damit ab!"

A´kebur brummte missmutig. Wandte sich dann jedoch den Anzeigen zu. Sie waren langweilig, wie diese Flug sein würde. Der Autopilot flog sie. Er hatte nichts zu tun, außer über Dinge nachzudenken, über die es sich nicht lohnte, nachzudenken. Die Stunden flogen schweigend dahin, während sich die Landschaft kaum änderte. Roter Fels neben rotem Sand, und die Sonne brannte unbarmherzig weiter – auch in Rot. Erst gegen Abend erwachten A´kebur und Etienne wieder aus ihrer Lethargie.

A´kebur fühlte sich steif und streckte sich. Ganze weitere neuneinhalb Tage würden sie so fliegen. Der Gleiter war kleiner als ein Shuttle. Viele Möglichkeiten, sich zu bewegen, gab es nicht. A´kebur hoffte, dass ihn die Langeweile nicht zu Dummheiten reißen würde. Welche das auch immer sein mochten. Aber die Gegenwart von Etienne brachte einen Faktor in sein Leben, den er schlecht einschätzen konnte.

"Kannst du mir mal was zu trinken rüberreichen?", wurde er auch prompt gebeten. Etienne streckte sich ebenfalls und sehnte sich nach dem Cockpit der Drake zurück. Dort hatte es wenigstens genug Beinfreiheit gegeben.

A´kebur reichte hinter sich und gab ihm stumm etwas. Er streckte sich noch einmal. Aber seinem Bewegungsdrang genügte das weniger.

"Wir sollten zwischendurch mal Pause machen und uns die Beine vertreten", meinte Etienne und leerte die halbe Wasserflasche in einem Zug. Der Gleiter war zwar klimatisiert, aber trocken war die Luft trotzdem.

"Wir verlieren Zeit", hielt ihm A´kebur entgegen. "Wenn nach dir gefragt wird, während du nicht da bist, könnten einige Leute glauben, du bist geflohen."

"Dabei verbürgt sich Lial für mich. Abhauen täte mir nicht einfallen. Und überhaupt: Womit und wohin?" Etienne drehte sich im Sitz um, um A´kebur besser ansehen zu können. "Also, was machen wir? Ne Runde Pokern?"

"Pokern? Ich habe keine Karten mit!"

"Ich aber. Habe ich immer dabei." Etienne angelte ein Päckchen Karten aus seiner Tasche. "Du kennst die Regeln?"

"Natürlich kenne ich die Regeln. Shana hat sie mir beigebracht." A´kebur sah auf die Anzeigen und dann auf die Karten. Er suchte kurz nach einer passenden Unterlage und zog dann eine kleine Platte unter der Konsole hervor.

"Bestens. Hast du irgendwelches Kleingeld oder worum spielen wir?" Etienne begann die Karten gekonnt zu mischen. "Oder gleich Strip-Poker?"

A´kebur bekam grüne Ohrspitzen. "Wir haben kein Geld hier!"

"Tja dann ...!" Etienne grinste vieldeutig. "Pro verlorene Runde ein Kleidungsstück, ganz gleich was. Wer als erstes nichts mehr anhat, hat verloren." Er teilte die Karten aus.

A´kebur steckte garantiert nicht zurück. Und er schlug keine Herausforderung aus.

"In Ordnung!", stimmte sein Gefährte auch prompt zu. "Pro Runde ein Kleidungsstück. Aber ist es nicht einfacher, wenn man sich gleich auszieht und Sex hat?"

"Sicher ist das einfacher. Aber auch langweiliger. Ein bisschen Spannung erhöht den Spaß." Etienne fächerte seine Karten auf und studierte sie. Das Grinsen blieb, aber es schien festzufrieren.

A´keburs Blick wurde kalt, als er das sah. Jetzt ging es ums Prinzip. Er war gut. Nur, er musste zeigen, dass er besser war.

Nach fast drei Stunden saß A´kebur nur noch im Slip auf seinem Platz. Er verzog aber genauso wenig das Gesicht, wie zuvor. "Flash", legte er seine Karten auf den Tisch. Er hatte immer gute Karten gehabt. Aber Etienne hatte meist bessere gehabt. Zudem sah es so aus, als ob er vier Kleidungsstücke mehr am Leib gehabt hatte, die er hatte ablegen können. A´kebur bestand jedoch nicht auf einem Ausgleich. Das verstieß gegen die Ehre.

Etienne grinste noch breiter. "Schade", erklärte er und legte seine Karten auf den Tisch. Es war ein Striaght Flush. "Ich fürchte, das ist dein letztes Kleidungsstück gewesen."

"Ich hätte ein Suspensorum tragen sollen", meinte A´kebur trocken und zog seinen Slip aus. Er setzte sich so, wie er war, wieder zurück.

"Beim nächsten Mal." Etienne mischte die Karten erneut und starrte unverhohlen zu A´kebur hinüber, der, nur mit seiner langen Haarmähne verhüllt, einen mehr als verführerischen Anblick bot. "Apropos nächsten Mal: Eine Runde noch, und wer verliert, ist unten?"

A´kebur presste die Zähne zusammen. Dann nickte er knapp. "Wer als nächstes verliert, ist unten!", stimmte er zu.

Lächelnd teilte Etienne die Karten aus. So oder so, das Spiel würde zu seiner Zufriedenheit enden. Außerdem erhöhte die Spannung den Reiz.

A´kebur sammelte wieder seine Karten. Aber im Gegensatz zu vorher wirkte er nervöser. Es schien ihm an die Nieren zu gehen, dass er sich wieder in einer Position befinden könnte, die ihm nicht so behagte. Was Etienne nicht wusste, dass A´kebur furchtbar schlechte Karten hatte. Eigentlich kein Grund, um auch zu verlieren. Aber in A´kebur stieg Anflüge von Panik auf. Und das entging Etienne nicht. Er hatte zwar diesen Deal vorgeschlagen, damit A´kebur sein Gesicht wahren konnte, aber zwingen wollte er ihn garantiert zu nichts. Und wie konnte man ihm die Befangenheit nehmen?

Etienne tauschte selber noch zwei Karten aus und erhöhte dann.

"Ich passe", murmelte A´kebur. Er legte seine Karten hin und sah auf.

"So schnell? Na schön ..." Etienne ließ seine Karten sinken, und A´kebur konnte sehen, dass er selbst tatsächlich noch bessere gehabt hatte. Aber es war leider zu spät. A´kebur sah das auch. Verloren war verloren. "Du hast gewonnen", sagte er.

"Sieht so aus." Karten flatterten zu Boden und Etienne kroch zu A´kebur hinüber. Selbst mit genügend Abstand zwischen ihnen war die Hitze spürbar, die von dem Klingonen ausging. Etienne beugte sich vor und küsste ihn. Mit ein bisschen Geduld würde A´kebur das Ganze auch endlich so genießen, wie es eigentlich sein sollte.

Zumindest erwiderte er den Kuss. A´kebur war nicht abgeneigt. Auch seine Erregung war ein gutes Zeichen. Trotzdem sagte ihm ihr geistiger Äther, dass A´kebur ernsthaft mit sich kämpfte. Doch dann gewann sein Stolz. Er hatte verloren und er würde seine Schuld begleichen.

Genauso langsam und gründlich wie beim letzten Mal, machte sich Etienne daran, A´kebur zu verführen. Ohne Hast, aber mit einer Nachdrücklichkeit, vor der es kein Entrinnen gab, zog er seinen Gefährten hinunter in den selbstvergessenen Strudel des Verlangens. Und auf eines konnte er sich dabei ganz sicher verlassen: Die Empfindlichkeit von A´keburs Ohren.

Alles zusammen sorgte dafür, dass sein Geliebter wie Wachs in seinen Händen wurde und sich ganz der Lust ergab. A´kebur sah zum Vernaschen aus, wie er dalag. Eindeutig verboten! Und dieser Anblick war nur Etienne allein vergönnt, sonst niemandem. Schon dieser Gedanke reichte aus, um Etienne nicht länger zögern zu lassen. Im Stillen beglückwünschte er sich, für die Reise Gleitcreme eingepackt zu haben, die er nun mit einer Hand aus dem Gepäck fischte. Mit etwas Glück könnte er A´kebur klarmachen, dass ein solches Hilfsmittelchen ziemlich praktisch war.

Aus halbgeschlossenen Augen beobachtete ihn A´kebur bei seiner Vorbereitung. Kurz zog er die Augenbrauen zusammen. Sagte aber nichts. Als Etienne jedoch Taten folgen ließ, ging die Erkenntnis erst einmal im eigenen Begehren unter. Und dieses Begehren schwappte zurück zu Etienne, ließ sie beide buchstäblich glühen. Etienne sah auf A´kebur hinunter in dessen verschleierte blaue Augen und ein seltsamer Gedanke durchschoss ihn: Wenn ich in diesem Moment jetzt sterben würde, würde ich es nicht bereuen. Doch dann verlor sich jegliches Denken in der Flut der Empfindungen.

A´kebur grollte dunkel unter ihm auf, als er ihm einmal mehr zeigte, dass es Lust auf vielen Wegen gab. Und auch das es für einen Krieger ein akzeptabler Weg der Liebe war. A´kebur erlebte seinen Höhepunkt mit einem Schrei. Sein ganzer Körper war wie ein Bogen gespannt und bot sich Etienne mit seiner Kraft an. Dieser brauchte nur wenige Sekunden mehr und stützte sich dann schweratmend ab. Die Luft um sie herum schien noch immer zu brennen.

A´kebur atmete schwer. Er war eindeutig geforderter, wenn er in der Rolle des Nehmenden war. Gut zu wissen, wenn Etienne selbst ausgelaugt wurde. Langsam gab A´kebur nach und gab die Spannung auf. Er sah Etienne an. "Das Zeug ist gut. Was ist das?", fragte er etwas atemlos.

"Eine ziemlich schlaue Erfindung von Leuten, die zweifellos einen wunden Hintern leid waren", meinte Etienne nicht ohne Humor und wischte sich ein paar verschwitzte Strähnen aus dem Gesicht. "Ich dachte, ich sorge diesmal vor."

"Es fühlt sich nicht mehr so an, als wäre man innerlich mit Sand abgeschmirgelt worden", stimmte A´kebur zu.

"Sag ich ja. Und dabei war ich weitaus vorsichtiger, als du es sonst gewesen bist." Etienne legte sich neben seinen Bindungspartner und zupfte an dessen Locken."

"Habe ich dir sehr weh getan?", fragte ihn A´kebur nach einer Weile.

"Nein, nicht wirklich. Außerdem hatte ich zu Anfang auch keine Lust, mich um solche Kleinigkeiten zu kümmern, wo es doch sowieso nicht ganz einfach war, dich überhaupt soweit zu kriegen." Etienne lächelte. "Von daher nahm und nehme ich das gerne in Kauf."

"Ich habe dich bestraft. Ich wollte dich demütigen. Und ich wollte dich!", gestand A´kebur.

"Das ist mir nicht entgangen. Und du hast mich ja auch bekommen. Aber nur, weil ich es so wollte. Es gehört nämlich mehr dazu, sich freiwillig zu ergeben als zu gewinnen. Aber das verstehst du vermutlich wieder nicht, oder?" Etienne strich sanft über die Konturen von A´keburs Ohr.

Wie gewollt, schloss A´kebur seine Augen. Sein Mund öffnete sich, bereit, geküsst zu werden. Offenbar hatte jeder Mann eine schwache Stelle. Und diese machte A´kebur so zahm wie ein Kätzchen. Wobei, im Zweifel und im Kampfrausch würde das wohl auch wenig helfen. Dann übernahmen Adrenalin und Instinkt.

Aber hier und jetzt und sie beide allein, war A´kebur einfach nur hilflos gegenüber sich selbst und Etienne musste sich eingestehen, dass er es definitiv genoss, seinen Klingonen so zu sehen.

All die eiserne Kontrolle, der mühsam unterdrückte Zorn waren fort und ließen ein sündig schönes Geschöpf zurück. Schön und, wie Shana schon gesagt hatte, irgendwie unschuldig.

Etienne wusste nicht warum, aber tief in ihm war da das Gefühl, A´kebur, diesen großen, starken, furchtlosen Krieger, beschützen zu müssen.

Dieser zog ihn näher. "Du hast noch ein paar Mal offen", murmelte er. "Ich schulde dir was. Für den Sand im Hintern!" Seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern.

"Wenn du meinst ..." Etienne versank nur zu gerne wieder in den blauen Tiefen von A´keburs Augen. Offensichtlich war er bereits irgendwie süchtig nach seinem Klingonen. Und auch wenn dieses Verlangen Abhängigkeit bedeutete, diesen Teil Freiheit hatte Etienne gerne aufgegeben.

Dafür bekam er einen sehr großen Teil zurück. Etwas anderes, aber davon ein großes Stück.

Nachdem er A´kebur ein zweites und auch ein drittes Mal geliebt hatte, schlief dieser in seinen Armen ein. Auch wenn das der Erschöpfung geschuldet war, so zeugte dies doch von mehr Vertrauen, als A´kebur sicher mit Worten beschreiben konnte. Wie Lial sagte: Redegewandtheit war nicht seine Stärke.

In diesem Fall sprachen die Taten jedoch für sich. Etienne zog A´kebur näher an sich und lauschte dessen Herzschlag, um bald darauf ebenfalls einzuschlafen. Sie mussten dieses Stückchen Frieden nutzen, solange es ihnen vergönnt war.

In den nächsten Tagen spielten sie öfter Strip-Poker. Es war auch A´kebur vergönnt zu gewinnen. Ganz nebenbei lernte er auch, wie man gekonnt schummelte und woran man einen Falschspieler erkannte. Etienne musste ein-, zweimal zugeben, dass er einen sehr gelehrigen Schüler hatte. Die Strafe, die er erhielt, wenn dieser ihn durchschaute, war alles andere, als von schlechten Eltern.

Aber es machte auch ungeheuren Spaß zu sehen, wie weit er bereits gehen musste, um nicht entdeckt zu werden. Wäre A´kebur nicht so grundehrlich und ein Starfleetoffizier geworden, hätte er durchaus einen guten Piraten von Etiennes Schlag abgegeben. Aber den Klingonen noch ein bisschen weiter zu verderben, war durchaus im Bereich des Möglichen.

Am zehnten Tag hielten sie sich jedoch zurück. Das Ziel ihrer Reise war nicht mehr weit und sie wollten einen einigermaßen guten Eindruck machen, auch wenn Außenweltler nie an die Maßstäbe eines Vulkaniers heranreichten. Das Kloster, oder diese Trutzburg vulkanischer Logik, war ohne technische Ausstattung. Nicht einmal ein einfaches Funkgerät gab es dort.

Selbst die Vulkanier kannten diesen Ort kaum. Gefragt danach, konnten die wenigsten darauf eine Antwort geben. Trotzdem war, wenn man wusste, dass es so etwas geben musste, es möglich, die Koordinaten herauszufinden. Doch mehr auch nicht. Es gab keine Unterlagen über die Geschichte oder die derzeitigen Bewohner. Genauso wenig konnte man erfahren, welchen wirklichen Sinn dieses Kloster hatte. Auch von außen ließ sich nichts erahnen.

Ziemlich unvermittelt tauchte das große Gebäude mit Kuppeldach zwischen den rötlichen Felsformationen auf, als wäre es eher ein Teil von ihnen, weniger ein künstlich erschaffenes Stück Architektur. Ein großes, steinernes Eingangstor, an dem einige Glocken hingen, erinnerte Etienne an Bilder von asiatischen Tempeln im Himalaja auf der Erde. Und ähnlich verlassen und still war es hier auch.

Keine Menschen- oder besser Vulkanierseele ließ sich blicken. "Wohnt hier überhaupt jemand?", stellte A´kebur eine nicht unberechtigte Frage.

"Das sollten wir vielleicht mal herausfinden." Etienne stieg aus dem Gleiter, hustete etwas aufgrund der heißen, trockenen Luft und blinzelte. "Hast du eine Waffe dabei? Wenn wir Sehlats oder ähnlichem Viehzeug begegnen, will ich vorbereitet sein."

"Auf das Sehlat oder auf die Bewohner dieses was auch immer?"

"Sagen wir mal, ich bin am liebsten vorbereitet auf alles. Kann ja sein, dass man uns hier weniger freundlich begegnet." Etienne schirmte seine Augen gegen die Sonne ab, um das Gebäude besser betrachten zu können.

A´kebur kniff lediglich seine Augen zusammen. Seine Augen hatten sich sehr schnell an die Sonne gewöhnt gehabt. Er wusste, dass die meisten Außenweltler erheblich zu kämpfen hatten. Aber es hatte nur wenige Tage gebraucht, um sich in dem Klima wohl zu fühlen und keine Stunde, ehe er in der Sonne genauso gut sehen konnte, wie ein Vulkanier. "Lial sagte, ich soll keine Waffe mitnehmen. Tut mir leid, aber sie wird wohl die einzige Frau sein, auf die ich sofort höre. Shana war darauf neidisch." Er lächelte verhalten.

Etienne grinste zurück. "Na schön, dann geh du mal vor! Und wollen wir hoffen, dass alles hier so friedlich ist, wie es von außen aussieht."

"Erstaunlicher Pessimismus bei der Berufswahl", kommentierte A´kebur nur und ging vor.

"Kein Pessimismus, nur Vorsicht." Etienne folgte ihm und sah sich misstrauisch um.

A´kebur zeigte jedoch zu seinem Erstaunen - oder auch nicht, war sein Gefährte doch weniger mit Misstrauen geschlagen als er - keinerlei zögernde Gesten. Er erstürmte regelrecht das Tor und schien es eher erobern zu wollen, als zu warten, ob ihnen jemand öffnete. Etwas ratlos sah A´kebur hinauf, dann wandte er sich den Glocken zu. "Vermutlich klingeln", meinte er.

Die Tür, die ein paar Meter vor ihnen aus solidestem Holz gebaut war, ließ sich jedenfalls nicht von außen öffnen. Etienne zuckte mit den Schultern und bewegte probeweise die Glocken. Ein sanftes Klingeln ertönte. Ein paar Augenblicke geschah nichts, dann öffnete sich die Tür und eine Gestalt im rostroten Kapuzenmantel erschien. "Dies ist das Kloster T'Planahats. Wer begehrt Einlass?", fragte sie mit dumpfer Stimme, die verriet, dass es sich um einen Mann handeln musste.

"Ich bin A´kebur, Sohn von Ghors, Sohn von T'Leras. Ich begehre Einlass", rief A´kebur.

Der Torwächter oder was auch immer er war, rührte sich einen Moment lang nicht. "Ihr seid kein Vulkanier. Ich kann Euch keinen Einlass gewähren, ohne den Grund zu kennen, aus dem Ihr hier seid", wiegelte er dann das Begehren ab.

"Ich möchte zu T'Lera", erklärte A´kebur. "Sie ist hier!"

"Namen haben hinter diesen Mauern keine Bedeutung mehr", belehrte ihn der Wächter, "aber ich werde nachfragen. Bitte wartet!" Damit verschwand er wieder im Inneren und die Tür fiel zu.

"Das nenne ich mal ne freundliche Begrüßung", murmelte Etienne. "Aber, wenn man uns nicht reinbittet, kann man uns auch nicht rauswerfen."

"Ich werde hier warten, bis ich sie gesehen habe", murmelte A´kebur zwischen zusammengebissenen Zähnen. "Oder ich gehe als Adept rein!"

"Ich schlage vor, wir warten erstmal." Etienne setzte sich auf einen Mauervorsprung neben dem Tor. Dort war es etwas schattiger.

A´kebur tigerte derweil unruhig hin und her. Allerdings mussten sie nicht allzu lange warten, bis die Tür sich erneut öffnete.

"Die Schwester in unseren Reihen, die du als T'Lera kennst, ist bereit, dich zu empfangen", erklärte der Wächter, "bitte folge mir. Aber allein!"

A´kebur sah Etienne an. "Wenn du den Gleiter klaust, werde ich dich bis ans Ende der Galaxie jagen und du wirst es bereuen!", warnte er.

Etienne hob beschwichtigend die Hände. "Keine Sorge, ich bleibe hier. Mich wirst du so einfach nicht los!"

A´kebur hob eine Augenbraue. Dann wandte er sich an den Pförtner. "Ich folge", erklärte er dem Torwächter. Dieser nickte und ging voraus.

Hinter dem Tor erstreckte sich ein langer, dämmriger Gang, der zu einem großen Innenhof mit Kreuzgang führte. Ein paar Wüstenpflanzen wuchsen dort akkurat angepflanzt, und mehrere, in dunkelrote Roben gehüllte Vulkanier wanderten langsam umher oder saßen regungslos auf steinernen Bänken. Keiner von ihnen blickte auch nur auf. Der Torwächter führte A´kebur weiter bis zu einer Tür auf der anderen Seite des Innenhofs und öffnete sie. Im Raum dahinter, er war nicht sonderlich groß, mit einigen hohen Fenstern, saß eine weitere verhüllte Gestalt. Ihren zarteren Konturen nach zu schließen war es eine Frau.

Der Pförtner ließ ihn allein. A´kebur spürte jedoch, dass er sich nur ein wenig zurück zog. Er blieb in Rufweite.

"Sind Sie T'Lera?", fragte A´kebur die Frau.

Diese hob den Kopf und nahm die Kapuze ab. Die Vulkanierin war ausgesprochen schön mit ihren feingeschnittenen Zügen und den langen blauschwarzen Haaren. Und sie hatte ebenso blaue Augen wie A´kebur.

"Lanar, du bist es also wirklich. Ich habe nicht geglaubt, dich noch einmal wiederzusehen." Obwohl ihr Gesicht ebenso ausdruckslos wie das aller Vulkanier war, erkannte A´kebur einen Wirbel an Gefühlen hinter ihrem Blick: Freude, Schmerz, Erleichterung, Überraschung, alles auf einmal.

"Ich hätte gedacht, du verleugnest mich", flüsterte er. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie ihn einfach so empfing.

"Das wäre unlogisch. Du bist mein Sohn, alles andere wäre eine Lüge", erwiderte T'Lera schlicht. "Wie hast du mich finden können? Für die Außenwelt, selbst für meine Familie bin ich tot."

A´kebur blieb weiter wie angewurzelt stehen, während er jede Linie, jede Regung, das gesamte Wesen seiner Mutter in sich aufnahm. Er unterdrückte die aufkeimende Verzweiflung und Wut. Er wusste nicht, warum er wütend war. Aber das entsprach wiederum nicht ganz der Wahrheit. Er wusste sehr wohl, warum er wütend war. Doch diesem Gefühl weiter zu folgen, würde ihn nicht an sein Ziel bringen. Dessen war er sich sicher.

"Ich wusste, dass du lebst", zwang er sich zur Antwort. "Und ich habe nicht geglaubt, dass das falsch ist."

"Du hattest recht. Aber ich hatte mich entschieden, der Außenwelt ein für alle Mal den Rücken zu kehren. Es war die einzig logische Entscheidung. Und ich werde auch nicht zurückkehren." T'Lera musterte ihren Sohn. "Als ich nach Vulkan zurückkehrte, habe ich dich mitnehmen wollen. Aber dein Wunsch war es, bei den Klingonen zu bleiben. Bei deinem Vater."

Die Frage, warum er doch jetzt hier war, schwebte im Raum und ließ A´kebur leicht zurückweichen. "Ich habe dich gefunden und du bist tot, so wie Lial sagte. Ich werde dich nicht weiter stören. Ich werde niemanden etwas sagen. Es ist deine Entscheidung und ich muss es respektieren."

"Dafür danke ich dir." T'Lera deutete auf die Sitzbank ihr gegenüber. "Aber da du nun hier bist, würde ich gerne den Grund dafür erfahren. Und ich würde gerne wissen, wie es dir in den letzten Jahren ergangen ist."

A´kebur sah auf ihre Hand, die auf den Platz neben ihr deutete. "Warum willst du das wissen?"

"Weil es mich interessiert. Ich mag zwar alle Verbindung zur Außenwelt gekappt haben, aber gewisse Dinge bleiben, von denen man sich nicht lösen kann. Auch wenn es unlogisch klingt."

A´kebur trat näher und sah auf sie herab. Sie sah immer noch so aus, wie er sie in seinen Erinnerungen hatte. Sie war schön. Sogar sehr schön. Ihre Stille hatte das ganze Haus erfüllt. Stolz und einen Gang, der wie das Flüstern des Frühlingswindes war. Jetzt wo er sie wiedersah, wurde ihm bewusst, wie sehr er gehofft hatte, dass sie nie gegangen wäre, auch wenn sie nicht die Mutter war, die er gewollt hatte.

"Bitte setz dich, Lanar", bat T'Lera leise. Allein die Erwähnung dieses Namens, niemand hatte A´kebur je bei seinem vulkanischen Namen gerufen außer seiner Mutter, reichte schon aus, eine erneute Welle an Erinnerungen loszutreten. Er setzte sich. A´kebur fühlte sich, als wäre er noch der kleine Junge, der aufgeregt mit seinem Kinderspeer in die Küche kam und ernsthaft erklärte, dass er Sieger im Wettbewerb war und der Schmiss an seinem Kopf nur daher rührte, weil er gewonnen hatte. Natürlich verschwieg er, dass er nach Wettbewerb verprügelt wurde, weil er ein Mischling war.

T'Lera streckte die Hand aus und berührte A´keburs ganz leicht. "Bitte erzähl mir von dir."

"Ich bin von zu Hause weg. Mein Vater war von mir enttäuscht. Ich bin kein Krieger. Deshalb bin ich zu Starfleet", sprudelte es aus A´kebur in kurzen abgehakten Sätzen heraus.

"Wenn du dort eine zufriedenstellende Existenz gefunden hast, ist es akzeptabel. Ich vermute, du hast unsere Familie hier auf Vulkan aufgesucht?"

"Ich bin Telepath", brummte A´kebur und hoffte, dass er nicht mehr erklären musste.

T'Lera nickte. "Ich weiß! Aber du hast dich von Anfang an so fest verschlossen, dass ich nicht glaubte, es würde jemals an die Oberfläche kommen. Wenn du nun aber lernst, damit umzugehen, ist es gut."

"Ich ... ich bin hier, weil es eben nicht funktioniert hat. Es hat gar nichts funktioniert. Lakon hat mich gefunden und zu sich aufs Schiff geholt. Er hat auch bemerkt, dass ich gar nichts darüber wusste und als alles schiefging, hat er mich zu Lial geschickt. Ich weiß nicht, ob ich es jemals lernen werde. Alle wollen es mir auf vulkanische Art beibringen. Aber ich bin kein Vulkanier."

"Und das wirst du auch nicht. Du musst es auf deine eigene Art lernen, Lanar. Konzentriere dich auf das, was du weißt, was du verstehst, und es wird nicht so schwer sein, wie du denkst."

Täuschte A´kebur sich, oder huschte da ein Lächeln über T'Leras Züge? "Außerdem merke ich, dass du ein Band zu jemandem geknüpft hast. Das wird dir helfen, dich zu sammeln."

A´kebur legte den Kopf schief. "Ich glaube kaum, dass er eine große Hilfe sein wird. Er ist ein nichttelepatischer Mensch und in etwa genauso wissend wie ich."

Seine Mutter hob überrascht eine Augenbraue, dann fing sie sich wieder. "Das macht keinen Unterschied. Eine Seelenbindung stärkt beide, ganz gleich, ob sie es merken oder nicht. Andernfalls gäbe es sie überhaupt nicht. Sie wäre unlogisch. Aber das ist sie nicht. Sie erfüllt ihren Zweck."

A´keburs Gedanken rasten. "Und welcher Zweck ist das? Hast du einen Seelenpartner?"

Sie schüttelte den Kopf. "Wer hierherkommt, akzeptiert es, solche Verbindungen niemals einzugehen. Es kann natürlich geschehen, aber dann verlassen die Betreffenden T'Planahats Kloster. Derartige Dinge gehören in die Außenwelt."

"Du bist also allein!"

"Es ist meine Wahl gewesen. Und ich habe hier meine Brüder und Schwestern im Geiste T'Planahats. Das ist genug für mich." Sie blickte A´kebur an, deutliche Traurigkeit in ihren Augen, als hätte sie ein paar seiner Gedanken gelesen. "Aber du solltest dich nicht zurückziehen, wie ich es getan habe. Du gehörst in die Außenwelt."

A´kebur war versucht, weiter zu fragen. Zu fragen, warum sie hier war. Zu fragen, ob sie mit ihm kommen würde. Zu fragen, ob er sie wiedersehen konnte. Aber er sagte nichts. Er nickte lediglich. "Ich werde wieder gehen", erklärte er. Etwas unbeholfen hob er seine Hand zum vulkanischen Gruß.

"Langes Leben und Wohlergehen, mein Sohn. Und du kannst wiederkommen, dann setzen wir unsere Unterhaltung fort", beantwortete T'Lera die unausgesprochene Frage. "Aber erst wieder in einem Jahr. So lauten die Regeln des Klosters. Bis dahin wünsche ich dir alles Gute."

A´kebur nickte. Er erhob sich. Es war damals schon so schwer gewesen, auch wenn er es jetzt genauso wenig zugeben konnte. Er sah sie noch für einen Moment an. Dann ging er. Er spürte deutlich T'Leras Blick, der ihm folgte, bis die Tür hinter ihm zufiel. Der Pförtner hatte draußen gewartet und begleitete ihn nun stumm zurück zum Eingangstor. Als sich auch die schwere Holztür hinter ihm schloss, blieb er stehen. Er sah auf, als Etienne zu ihm trat.

"Sie ist schön", erklärte er. "Ich fand immer, dass sie die schönste Frau gewesen ist. Aber sie war so schwach gegenüber den anderen Frauen, dass ich mich geschämt habe. Und wenn die anderen mich verprügelt hatten, weil ich so klein war, dann bin ich zu ihr und habe ihr gesagt, dass ich stark wäre und niemanden brauche. Ich habe jeden Wettbewerb gewonnen. Und immer wurde ich danach von allen verprügelt. Die Richter wussten es. Aber ich brauchte niemanden."

Etienne sah ihn ernst, beinahe feierlich an. "Aber jetzt hast du jemanden. Und sie ist ganz sicher froh darüber. Du solltest ihr vergeben."

A´kebur sah ihn überrascht an. "Ich bin ihr nicht böse. Sie ist meine Mutter. Es war mein Vater, der nicht daran gedacht hatte, dass eine Vulkanierin ihm nicht den Sohn gebären würde, den er sich wünschte."

"Trotzdem warst du enttäuscht von ihr. Auf deinen Vater warst du nur wütend, und das konnte dir egal sein, weil du ihn sowieso nicht leiden konntest." Etienne sah plötzlich etwas verwirrt aus, als wüsste er selber nicht ganz, woher er sich all dieser Dinge auf einmal so sicher war. "Denkst du, ein paar Geister der Vergangenheit haben jetzt Ruhe?"

"Was für Geister?", brummte A´kebur missmutig. Er drängte sich an Etienne vorbei und ging zum Gleiter. Dieser schmunzelte. Auch wenn sein Klingone nichts sagte, er wusste, dass zumindest ein paar Dinge geklärt worden waren. Nicht alle, aber ein paar. "Denkst du, ich könnte sie irgendwann auch einmal kennenlernen?", fragte Etienne beiläufig.

"Wenn dir spitze Ohren wachsen und du die Logik des Universums erklären kannst."

"Okay, also keine Chance." Etienne schwang sich neben A´kebur in den Gleiter und musterte diesen von der Seite. "Denkst du, es war richtig, hierher zu kommen?"

A´kebur strich sich seine Haare hinter die Ohren. Sein Blick war nach draußen gerichtet. "Sie hat mich rausgeschmissen. Ich durfte nicht bleiben. Aber ich vermute, dass es richtig war. Sie hat sich gefreut, dass ich hier bin. Ich glaube, sie wollte immer, dass ich zu ihrer Familie kommen sollte. Sie wusste, dass ich Telepath bin und dass ich meine Familie brauchen würde."

"Na bitte!" Zufrieden lehnte sich Etienne zurück und legte die Füße auf der Konsole vor ihm ab, nachdem er die Koordinaten für den Rückweg eingegeben hatte. "Und außerdem weißt du jetzt mit Sicherheit, wo sie ist. Das ist auch viel wert. Sei froh, dass du mich hast, sonst hättest du noch jahrelang gesucht." Er zwinkerte, um anzudeuten, dass er das nur halb ernst meinte. A´kebur gab den Blick in die Ferne auf und sah ihn direkt an. "Danke!"

Etienne grinste zurück. "Für irgendwas muss ich doch gut sein, abgesehen von Sex und Kartentricks, oder?"

A´kebur wandte sich wieder ab. Er erhob sich und ging in den hinteren Teil des Gleiters. Ihm war nicht nach Scherzen. Seine Mutter zu sehen, hatte in ihm Erinnerungen aufgewühlt, von denen er nicht wusste, dass er sie noch hatte. Er hatte alles abgewehrt in seinem Leben. Entweder hatte er gekämpft und sich dagegen aufgelehnt oder er hatte so lange eingesteckt, bis er sich wieder zur Wehr setzen konnte. Er hatte niemals aufgegeben. Niemals!

Derweil bekam Etienne von diesem Kampf mehr mit, als ihm lieb war, da A´keburs Barrieren eindeutig geschwächt waren. Das Schläfchen, das er eigentlich vorgehabt hatte, stand nun außer Frage - er konnte A´kebur einfach nicht damit alleine lassen. Kurzerhand stand Etienne auf und ging hinüber zu seinem Partner. Wortlos setzte er sich neben ihn und umarmte ihn.

Er spürte deutlich, wie sich A´kebur versteifte. Doch dann folgte er seiner Nähe und lehnte sich an ihn. "Ich kann sie in einem Jahr wiedersehen. Ich werde sie wieder besuchen", informierte er Etienne. "Sie hat nie gesagt, was sie mir gegenüber empfindet. Was sie denkt. Ich wusste nie, ob sie stolz auf mich ist oder ob sie mich auch ablehnt. Aber heute habe ich in ihre Seele gesehen." Etienne sagte nichts, sondern hielt A´kebur einfach nur fest. Wenn dieser reden wollte, würde er ihn sicher nicht unterbrechen. "Sie weiß von dir. Sie meint, dass ein Partner ausgleicht und beruhigt. Ich weiß nicht, ob sie das so meinte", murmelte A´kebur halblaut.

"Wer weiß?", gab Etienne leise zurück und strich sanft durch A´keburs lange Haare. Dabei war er selbst sich völlig sicher, dass Momente wie diese das Band zwischen ihnen mehr als nur rechtfertigte.

A´kebur sah auf. "Ich habe mir einen seltsamen Gefährten gesucht", brummte er. "Aber ich schätze, du passt zu mir." In seinen Augen funkelte der Schalk und trotz der aufgewühlten Emotionen entspann sich Ruhe zwischen ihnen und gegenseitiges Verstehen.

"Das kann ich nur zurückgeben." Etienne gab A´kebur einen sanften Kuss auf die Schläfe und hielt ihn weiterhin fest. Dann schloss er einfach die Augen und döste vor sich hin; die Hitze machte ihm noch immer zu schaffen, selbst wenn sie sich hier nur in Form von A´kebur befand und die Klimakontrollen ihr Bestes gaben.

Die knapp zehn Tage zurück schienen kürzer zu sein als der Hinweg. A´kebur konnte sich an keine Details erinnern, nur, dass er viel geschlafen hatte. Etienne war dabei immer da gewesen. Nie weit weg. Immer berührten sie einander. Aber soviel, wie sie bei der Hinfahrt Sex hatten, sowenig hatten sie ihn auf dem Rückweg.

Nicht, dass das Verlangen füreinander abgeklungen wäre, aber das Bedürfnis nach Nähe und Trost war einfach größer. Keiner von ihnen sprach darüber, aber sie wussten es beide. Die Reise hatte in mehr als nur einer Hinsicht Erkenntnisse gebracht.

Schließlich kamen sie wieder bei Lials Haus an; wie üblich hatte man sie schon erwartet. Gleich am Eingang begrüßte Lial sie und verkündete dann ohne weitere Einleitung: "Ich erhielt eine Nachricht vom diplomatischen Dienst. Mr. Duval, Sie werden in drei Tagen abgeholt werden. Eine weitere Verzögerung war nicht möglich, aber dieser Zeitraum ist nötig, um zumindest die Zeremonie wie geplant durchzuführen."

Etienne starrte sie an. In den letzten Tagen hatte er den Gedanken an seine Henkersfrist immer wieder verdrängt, aber jetzt holte ihn die Realität wieder ein. "Oh, verdammt", war alles, was er erwidern konnte.

Lial hob eine Augenbraue. "Ich schätze, dass diese Zusammenfassung mit meiner Einschätzung übereinstimmt. A´kebur, Lakon teilt seine Grüße mit. Er kann der Zeremonie nicht beiwohnen, wie du weißt. Er gab mir auf, dir das zu geben." A´kebur erhielt von Lial ein kleines Kästchen. Als er es öffnete, war darin ein Medallion. Es war aus klarem Stein geschnitten und mit feinen Zeichen graviert. A´kebur verneigte sich leicht und blickte auf das Medallion, dessen Bedeutung sich ihm nicht erschloss, aber er wusste, dass es ein Zeichen der Anerkennung war. Er würde Lakon darauf ansprechen müssen.

"Aber kommt herein, wir sprechen dort weiter", meinte Lial und bedeutete beiden, ihr zu folgen. "Ich habe bereits alles Nötige veranlasst, um die Zeremonie morgen Abend im Tempel stattfinden zu lassen. Ich schlage vor, ihr meditiert bis dahin." Sie musterte A´kebur. "Bitte komm in zwei Stunden in mein Arbeitszimmer."

A´kebur nickte. Er schob Etienne ins Haus und mit unziemlicher Eile in sein Zimmer. Dieser runzelte die Stirn. "Was ist los?", wollte er wissen.

"Nichts. Ich..." A´kebur ließ ihn los. "Ich wollte dich nicht teilen."

Diese Aussage brachte Etienne zum Lächeln und er zog A´kebur zu einem Kuss hinunter. "Keine Sorge. Noch bin ich nicht weg, und selbst wenn die Föderationsautoritäten mich einkassieren, du behältst mich weiterhin", flüsterte er.

"Wir müssen dich da irgendwie rausholen. Nur ich allein habe das Recht, dich zu jagen. Ich allein darf sagen, wo du zu sein hast. Ich, nicht sie. Sie dürfen nicht!"

"Und wie willst du sie abhalten? Ich falle immer noch unter die Gesetze und Lial hat alles getan, was möglich war. Selbst mit dem besten Anwalt der Galaxis lande ich mindestens zehn Jahre in einer Reha-Kolonie, und du darfst mich einmal im Monat besuchen." Etienne verzog das Gesicht bei diesem absolut scheußlichen Gedanken, derartig seiner Freiheit beraubt zu werden.

A´keburs Gesicht verhärtete sich. "Dann werde ich Pirat", erklärte er.

"Dann wären wir beide auf der Flucht. Nein, das kann ich dir nicht antun, A´kebur. Das ist es nicht wert!" Etienne sah ihn ernst an.

"Was für eine Rolle spielt das. Dann sind wir eben auf derselben Reha-Kolonie", beharrte A´kebur.

Etienne hielt ihn fest und zwang den Klingonen, ihn anzusehen. "Nichts da! Ich werde schon irgendeinen Ausweg finden, aber du wirst keine Verrücktheiten meinetwegen begehen, ist das klar? Damit ist keinem von uns geholfen!"

A´kebur machte sich los und blitzte Etienne wütend an. "Es ist wohl meine Sache, was ich mache. Halt dich da raus! Aber wenn du auf eine Reha-Kolonie gehst, gehe ich mit. Und wenn es als Wärter ist."

Etienne knurrte. "Ich sagte doch, ich werde mir was einfallen lassen! Aber ich lasse nicht zu, dass du meinetwegen noch mehr Unfug anstellst. Denkst du, mir fiele es leicht, zwischen Gefangenschaft und deiner Anwesenheit zu entscheiden oder der Freiheit ohne dich?"

"Hah, wer hat denn Unfug angestellt. Ich bin kein Krimineller!" A´kebur verschränkte die Arme. Er sah zum Fürchten aus. Seine Wut umgab ihn wie ein Halo und strahlte zu Etienne, der Quelle und Ziel gleichermaßen darstellte. Aber der ließ sich nicht einschüchtern.

"Eben! Es reicht, wenn einer von uns beiden kriminell ist. Wobei das auch noch Ansichtssache ist. Alles, was ich will, ist Geduld von deiner Seite. Noch ist nicht alles vorbei, und überstürzte Aktionen können alles noch schlimmer machen."

A´kebur sagte nichts. Doch seine Stirnader pulsierte im Takt seines Herzschlages und der ging ziemlich schnell. "Verschwinde!", befahl A´kebur nach einer Weile nur knapp.

Derartig hinausgeworfen zu werden, war Etienne nun gar nicht gewöhnt. Aber er hatte auch keine Lust auf weitere Diskussionen. Wortlos wandte er sich um und verließ das Zimmer. Warum konnte A´kebur nicht vernünftig sein?

Etienne hätte fast losgelacht. Sein Klingone war nur selten vernünftig. und in dieser Situation war er einfach hilflos, und das machte ihn verrückt. Es war irgendwo verständlich. Seufzend strich sich Etienne durch die Haare und ging in sein eigenes Zimmer. Zuerst brauchte er eine Dusche, dann würde er weitersehen.

Abrupt blieb er stehen, als er lautes Poltern aus A´keburs Zimmer hörte. Es war aber nur der Anfang. Dann schien es, als würde ein Wirbelsturm durch das Zimmer fegen. Etienne versuchte den Krach zu ignorieren, aber als er mit Duschen und Umziehen fertig war und es nebenan noch immer wüten hörte, wurde ihm das Ganze unheimlich. Warum hatte sonst niemand im Haus A´kebur beruhigt? Shana oder Lial waren doch sonst ziemlich erfolgreich darin... oder ließen sie ihn mit Absicht weitertoben?

Wieder knallte es laut.

In dem sicheren Wissen, den Raum nicht wieder so intakt zu verlassen, wie er ihn betrat, atmete Etienne tief durch und öffnete die Tür zu A´keburs Zimmer. Der Anblick, der sich dort bot, war verheerend. Es war, als hätte ein Rudel Targs hier gehaust.

A´kebur stand mitten in diesem Bild der Zerstörung und sah wie der Gott der Finsternis aus. Er atmete schwer und als Etienne es gewagt hatte, die Tür zu öffnen, hatte er sich langsam zu ihm zugewandt.

"Ich hoffe, Lial ist gut versichert", sprach Etienne seinen ersten Gedanken aus, als er sich umsah.

A´kebur in die Augen zu blicken war ganz bestimmt keine gute Idee. Das Feuer in den blauen Augen war unheimlich.

"Lass mich in Ruhe!", erwiderte A´kebur mit einer seltsamen Ruhe in der Stimme.

"Das habe ich lange genug. Eigentlich kann mir ja egal sein, ob du hier das halbe Haus abreißt, aber ich bin nun wirklich abhängig von Lials Wohlwollen und lege es nicht darauf an, mich vorzeitig rauszuwerfen, weil mein Bindungspartner sich nicht zu benehmen weiß." In Wahrheit war Etienne das alles herzlich egal, aber er konnte dem aufgebrachten Klingonen schlecht unter die Nase reiben, dass er sich Sorgen machte.

"Ich werde Lial alles bezahlen. Und wenn ich dafür bis an mein Lebensende bezahlen muss. Ich werde ihr nichts schuldig bleiben."

Etienne schüttelte den Kopf und trat langsam näher. "Sie hat auch mehr für mich getan, als ich je wieder gut machen kann. Aber das ist ihre Art. Wir sollten das also nicht missbrauchen." Das allerdings entsprach der Wahrheit; Etienne hatte wirklich großen Respekt vor der vulkanischen Lady. "Denkst du nicht, wir sollten ihrem Rat folgen und uns ausruhen? Es wird noch früh genug wieder aufregend."

A´kebur wich bei jedem Wort und jedem Schritt von Etienne zurück. Er wollte ihn nicht in seiner Nähe haben, aus Angst, ihn zu töten. Er konnte nicht zulassen, dass etwas zwischen ihnen stand, was er nicht überwinden konnte. Ein Universum war kein Problem. Aber eine Mauer gebaut aus Gesetzen und Regeln der Föderation, denen er geschworen hatte, sie zu beachten, war ein großes Problem für ihn. Und genau das war es, was er anfing zu hassen, wenn er Etienne sah. Er konnte nicht ohne ihn sein. Allein der Gedanke machte ihn wahnsinnig. Ihm wurde heiß und seine Gefühle liefen Amok.

Wenn er es genau betrachtete, hatte er Angst, Etienne nie wieder zu sehen, nie wieder zu fühlen, nie wieder bei ihm sein zu können.

Diese widerstreitenden Gefühle entgingen Etienne nicht. Er hatte das Talent, unliebsame Gedanken dieser Art einfach auszublenden, wenn sie ihm nicht passten, aber er wusste genau, dass A´kebur schon zu sehr Teil seines Lebens geworden war, um ohne ihn je wieder zufrieden zu sein. Und wenn er ehrlich war, hatte er noch keine Ahnung, wie er in die Gerichtsverhandlungen gehen sollte. Die Reha-Kolonie schien unvermeidlich. Und wenn es ihm gelingen würde, auszubrechen, hieße das erneute Flucht quer durch die Galaxis.

Unbeirrt kam Etienne näher, bis A´kebur buchstäblich mit dem Rücken zur Wand stand. Er brach den Blick nicht mit ihm, so dass Etienne die Verzweiflung nicht entgehen konnte, die außer in seinen Gedanken genauso in den Augen zu finden war. "Ich will nicht!", wehrte A´kebur ab.

"Ich fürchte, wir werden nicht gefragt", gab Etienne zurück und machte noch einen Schritt nach vorn, bis er wenige Zentimeter von A´kebur entfernt stand. "Aber das muss uns egal sein, hörst du? Wir werden einen Weg finden, versprochen!"

"Ich sehe keinen!", erwiderte A´kebur gequält.

"Aber da ist einer, ganz sicher. Und wir finden ihn!" Etienne machte sich mit diesen Worten selbst genauso Mut wie A´kebur. Aber er weigerte sich zu glauben, dass es nichts gab, was sie tun konnten.

Das Glück hatte ihn niemals so im Stich gelassen, es konnte einfach nicht sein.

Etienne lehnte seine Stirn gegen A´keburs. Als dieser die Augen schloss, wusste er, dass ihm A´kebur vertraute. Denn im selben Moment wurde es im mentalen Äther zwischen ihnen still.

Aufgewühlte Gefühlsfetzen schwebten sanft zu Boden und blieben ruhig dort liegen. Die Zeit stand still, gönnte ihnen die so dringend benötigte Atempause. Was immer die Zukunft bringen würde, sie waren jetzt zusammen und das konnte ihnen niemand nehmen.

 

09

 

Niemand sprach sie beide am Abend darauf an, was in A´keburs Zimmer passiert war. Lediglich Lial bat ihren Enkel, am nächsten Morgen zu ihr kommen. Auf das Treffen am gleichen Abend hatte sie nicht bestanden und auch nicht mehr daran erinnert.

Als A´kebur sein Zimmer nach der Vorsprache wieder betrat, war alles in Ordnung gebracht worden. Lediglich fehlendes Mobiliar deutete darauf hin, dass nicht jedes Teil wieder ersetzt werden konnte oder sich noch in Reparatur befand. Für einen Moment schämte sich A´kebur.

Aber nur für einen Atemzug lang.

Er war Klingone und sein vulkanischer Teil lehnte sich mit der Macht der Gefühle gegen das Unvermeidliche. Und die Gnadenfrist, die ihnen blieb, schrumpfte mit jeder Minute zusammen.

"Hey, alles in Ordnung?", fragte eine helle Stimme von hinten und ließ A´kebur im Türrahmen herumfahren. Es war natürlich Shana. "Kann ich kurz mit dir reden?"

"Ja, natürlich", antwortete A´kebur steif. Er hatte ein ungutes Gefühl und das hatte nichts damit zu tun, dass sie ihn zurechtweisen könnte, weil er sich hatte gehen lassen. Shana nickte und trat zu ihm ins Zimmer. Aber statt der halb erwarteten Predigt erklärte sie ohne weitere Einleitung: "Ich habe heute morgen eine Nachricht von Captain Lakon bekommen. Ich muss nächste Woche wieder auf die Sovk zurück. Dir soll ich ausrichten, dass du noch so lange hierbleiben kannst, wie Lial es für richtig befindet."

A´kebur zog die Augenbrauen zusammen. Dann nickte er knapp. "Ja, ich brauche wohl deine Anwesenheit hier nicht mehr."

Die Andorianerin runzelte die Stirn, und ihre Fühler zitterten gefährlich. "Aha. Mir hat das Babysitten auch keinen Spaß gemacht, vielen Dank. Ein Wunder, dass Etienne das aushält."

A´kebur sagte kein Wort. Er sah sie lange an und wandte sich dann ab.

Shana verschränkte die Arme und war kurz davor, ohne ein weiteres Wort, den Raum zu verlassen, doch dann besann sie sich. entschlossen zog sie A´kebur zu sich herum. "Jetzt hör mir mal zu, du Depp!", knurrte sie, "Ich bin deine Freundin, schon vergessen? Ich erwarte ja nicht, dass du mir vor Dankbarkeit um den Hals fällst, aber wenn dir was an mir liegt, bringt es dich nicht um, das zu zeigen. Das Gleiche gilt für Etienne, für deine Familie, für jeden anderen. Wir alle mögen dich. Und wir halten zu dir."

A´kebur hatte sich auf die Lippe gebissen. Da Shana nicht aufgab, wie es ihrem Wesen entsprach, gab er nach. Er zog sie vorsichtig in seine Arme und hielt sie fest. "Wenn Etienne für Jahre ins Gefängnis muss und es keinen Weg gibt, werde ich ihn töten und dann mich", flüsterte er ihr ins Ohr. "Mehr Wege sehe ich nicht, wenn es keinen anderen gibt. Aber ich kann es nicht ertragen, zu wissen, dass ich nicht zu ihm kann."

Shana stellte sich auf die Zehenspitzen. Sie reichte dabei A´kebur kaum bis zur Schulter, und hielt ihn mit überraschender Kraft fest. "Das heb dir nur als allerletzte Möglichkeit auf", bat sie leise, "es gibt immer Möglichkeiten. Hab etwas Vertrauen!"

"Ich werde warten, so lange ich kann", versprach A´kebur. "Danke!"

"Keine Ursache. und wenn was ist, melde dich bei mir. Ich komme dir helfen. Irgendwie!", versprach Shana und ließ ihn vorsichtig los. "Und jetzt geh dich feinmachen. Heute ist doch der große Tag, da können wir dich nicht so zerrauft auf die ganzen piekfeinen Vulkanier loslassen."

"Ich... ich habe... Angst", gab A´kebur zögerlich zu. Er durfte keine Angst haben. Er war Klingone. Aber in dieser Sache half ihm das gar nicht.

"Ein großer Kerl wie du und Angst? Na hör mal! Es wird schon alles gut werden, ganz sicher." Shana knuffte ihn liebevoll in die Seite. "Du bist doch nicht allein."

A´kebur schüttelte den Kopf. "Ich werde mich anziehen", erklärte er.

"Hat Lial dir feste Kleidervorschriften gemacht oder darf ich dir etwas raussuchen?", fragte die Andorianerin nicht ohne Hintergedanken.

"Sie hat nichts gesagt!"

"Na dann!" Eifrig wieselte Shana zum Schrank, der Dank seiner Massivität A´keburs Wutausbrüchen standgehalten hatte, und begann darin herumzuwühlen. "Ich habe mich ein wenig über vulkanische Zeremonien schlau gemacht", erzählte sie, während mehrere Roben, die in die nähere Auswahl kamen, aufs Bett flogen. "Traditionsgemäß wird Schwarz, Silber und Weiß bevorzugt."

"Stehen die Farben für irgendetwas?" A´kebur zog sich langsam das Hemd über den Kopf und warf es dann aufs Bett.

"Tun sie tatsächlich. Schwarz ist allgemein eine Festtagsfarbe, egal ob zu Beerdigungen oder Verbindungszeremonien wie dieser. Weiß ist die Farbe des Neuanfangs, und Silber steht für Kraft und Ordnung." Nachdenklich betrachtete Shana ihre Auswahl.

A´kebur sagte keine der Farben zu. Ausgenommen Schwarz. Aber da das hier für alles Mögliche stand, war es auch keine akzeptable Farbe. Es fühlte sich nicht richtig an. "Mir egal", wich er aus.

"Wie wäre es dann mit der hier?" Shana hielt ihm eine leicht schimmernde, mit weißen Mustern bestickte Robe hin, deren Grundton irgendwo zwischen Schwarz und Silber changierte. "Die passt gut zu deinem Teint."

A´kebur legte den Kopf schief. "Glaubst du, dass ich darauf Wert lege?", fragte er.

"Nein, aber ich lege Wert drauf, Lial wird erfreut sein und Etienne tust du garantiert einen Gefallen damit", kicherte sie, "Los, zieh sie an! Und dann sollte ich dir vielleicht die Zotteln aus den Haaren bürsten."

A´kebur sah sie erstaunt an, dann lächelte er. Er konnte sehen, wie Shana es genoss, ihm zu Diensten zu sein und ihm damit einen Gefallen tun zu können.

Dabei war er es wohl, der ihr das schuldete.

Gehorsam zog er sich um und setzte sich, damit Shana an seine Haare heranreichte. Sie griff nach einer Bürste und attackierte gekonnt A´keburs Haare. Obwohl er sie fast immer offen trug, war kaum aufgefallen, dass sie in den letzten Wochen noch einmal ein gutes Stück länger geworden waren und jetzt über die Taille reichten. Sorgsam bürstete Shana alle Zotteln heraus, bis die Locken weich und seidig fielen. Zusammen mit der glänzenden Robe konnte A´kebur sich wirklich sehen lassen. Shana unterdrückte einen Seufzer und erklärte: "Fertig."

A´kebur wandte sich ihr halb um und nickte. Er stand auf und streckte sich verhalten, sortierte seine Empfindungen und entspannte dann seine Muskeln.

"Ich bin bereit!", informierte er Shana.

"Gut. Lial hat mir erlaubt, mit dabei zu sein, also beeile ich mich mal besser." Sie eilte aus dem Zimmer, um sich selber umzuziehen. "Geh doch schon mal in die Vorhalle!", rief sie.

A´kebur seufzte. Er machte sich auf den Weg. Seine Großeltern hatten sich schon eingefunden. Lial, so wusste A´kebur, befand sich bereits im Tempel, um sich vorzubereiten. Es war eine kleine Zeremonie, die mehr bestätigte, so hatte er herausgefunden. Es war eher eine offizielle Erklärung gegenüber der vulkanischen Gesellschaft.

Amaris und Loran nickten ihm anerkennend zu. Kurz darauf kamen auch Liyas und T'Lis angerannt; die beiden Jugendlichen hatten offensichtlich die Zeit vergessen und sich in vulkanischer Eile umziehen müssen, was jedoch mit irdischen Jugendlichen keinem Vergleich standhielt. Sie alle trugen formelle, schwarze Roben, die allerdings sehr schlicht gehalten waren.

Zu guter Letzt fand sich Shana ein, nun in einer hellen, luftigen Robe, gefolgt von Etienne.

A´kebur erkannte, dass sie beide jeweils entgegengesetzt identische Sachen trugen. Sie waren jeweils das Negativ oder Positiv des anderen. Etiennes war weiß-silber mit schwarzen Mustern, wie A´keburs schwarz-silber mit weißen Mustern war. A´kebur vermutete wie auch Etienne, dass Shana da ihre Hand im Spiel hatte. Aber ohne Lials Wahl der Kleidung, die im Schrank hing, wäre es auch nicht möglich gewesen.

Shana rieb sich die Hände. "Wir können!", meinte sie.

Loran und Amaris hoben gleichermaßen eine Augenbraue. Shanas Feststellung war richtig aber überflüssig.

Die ganze Gesellschaft verließ das Haus und machte sich im Gleiter zum Tempel auf. Es war nur eine kurze Fahrt, und keiner sprach, jedoch war es kein unbehagliches Schweigen. Shana wirkte einfach nur zufrieden und Etienne blickte ungeniert A´kebur an; sein Klingone hatte ungelogen nie besser ausgesehen.

Wer wusste schon, wozu es gut war, dass er sich abreagiert hatte, statt seine vollkommen unausgegorenen Gefühle mit sich zu schleppen, ehe sie in einer völlig ungeschützten Umgebung ausbrachen. Vielleicht war das auch der Grund gewesen, warum niemand ihn am gestrigen Abend daran gehindert hatte, sein Zimmer zu zerlegen.

A´kebur strahlte Ruhe aus, was vor Stunden noch unmöglich schien.

A´kebur erwiderte unvermittelt seinen Blick, als hätte er seine Gedanken empfangen. Möglich war es. Zumeist waren es jedoch mehr Gefühle, weniger Gedanken, die zwischen ihnen wechselten und auf die sie jeweils reagierten. Etienne musste sich eingestehen, dass diese Zeremonie ihn ein bisschen nervös machte; er war kein Freund offizieller Anlässe, und die Zeremonie war durchaus das Äquivalent einer Hochzeit. Trotz seiner Witze darüber war das etwas endgültig Bindendes. Um keinen Preis der Welt gedachte Etienne einen Rückzieher gemacht. Nur, er war eher dafür, derartige Dinge im Privaten zu lassen.

"Es ist keine Hochzeit", brummte A´kebur unvermittelt.

"Nenn es wie du willst, für mich bleibt es eine", gab Etienne zurück und verschränkte beinahe ertappt die Arme. Es half auch nicht seiner Gemütslage, dass ausgerechnet er die weiße Robe trug.

"Dann bist du eben verheiratet. Ich nicht", meinte A´kebur und sah ihn herausfordernd an.

"Bilde dir bloß nichts ein", war die geknurrte Antwort.

Shana kicherte verhalten und die Vulkanier sahen hinter ihrer stoischen Maske irgendwie amüsiert aus. Glücklicherweise hielt der Gleiter wenige Sekunden später und ersparte weitere Diskussionen. Sie waren am Tempel angekommen.

A´kebur stieg aus. Er reichte seine Braut nicht die Hand. Er sah vielmehr zum Tempel.

Wie es wohl auf Vulkan üblich war, war dieser schlicht und nichtssagend. Lial wartete schon und ging hinein, als sie sie erblickte.

Außer den Neuankömmlingen befanden sich nur ein paar verschleierte Priesterinnen im Hauptraum des Tempels. Sie wiesen Shana und A´keburs Familie wortlos an, in einem gewissen Abstand vor dem erhöhten Altar stehenzubleiben. A´kebur und Etienne führten sie jeweils zur gegenüberliegenden Seite des Altars. Ein Gong wurde geschlagen und Lial hob die Hände. Sie wirkte ehrfurchtgebietend in ihrem weiten, bestickten Gewand und der archaischen Kopfbedeckung.

"Wie seid ewigen Zeiten haben sich zwei Seelen gefunden, die einander gesucht haben und sich nun berühren. Heute legen sie Zeugnis ab und erklären ihre Verbindung. Sie zeigen uns jenseits von Zeit und Raum, Logik und Gefühlen die unendliche Mannigfaltigkeit des Lebens. Mein Urenkel, Kind von T'Lera und Kind von Ghors: Wen hast du gebracht, der dein Seelengefährte ist? Nenne seinen Namen, so dass wir ihn erkennen."

"Etienne, Kind von Catherine und Kind von Henri", antwortete A´kebur der Zeremonie entsprechend; er hatte Etienne schon im Vorfeld nach den Namen seiner Eltern gefragt. "Ich bringe ihn vor euch, auf dass ihr ihn anerkennt."

Lials Blick legte sich schwer auf Etienne, der die Bedeutsamkeit dieses Augenblicks nicht leugnen konnte. "Etienne, Kind von Catherine und Kind von Henri: Du bist die andere Seite von Lanar, genannt A´kebur. Als ein Fremder, der dieses Wissen nicht mit sich trägt, genauso wie es nicht Lanar tut, treten du und dein Gefährte eine schwere Zeit an, die schon vor eurer Geburt begann. Ich werde deinen und den Geist von Lanar, berühren, um dieses Versprechen, das ihr euch gegenseitig gabt, zu bestätigen."

Etienne neigte den Kopf. "Ich bin bereit", gab er schlicht zurück, in der Hoffnung, das würde genügen. Sein Blick streifte kurz A´kebur.

Lial berührte seine Schläfen und dann die A´keburs. Dann schloss sie ihre Augen. Sie kannte das, was sie berührte schon. Aber dieses Mal war das Band zwischen Etienne und ihrem Enkel stark. Und sie spürte das Vertrauen, das A´kebur in sich trug. Vorsichtig zog sie sich zurück.

"Das Band ist vollkommen", berichtete sie. "Gefährten auf dem Weg ihres Lebens." Sie wich ein Stück zurück.

A´keburs Stirn war gekraust – mehr als sonst. Er sah Lial misstrauisch an. Sagte aber kein Wort. Der Gong erscholl und beendete die Zeremonie.

"Nur meine Mutter hat mich Lanar genannt", sagte er und wandte sich ab, um Etienne zu folgen, der schon gehen wollte.

"Namen haben Bedeutung. Vergiss das nicht", erwiderte Lial kryptisch und winkte den Priesterinnen, die sich um sie versammelten. Etienne hatte am Treppenabsatz zum Altar gewartet. Er wusste nicht recht, was er von alledem halten sollte.

A´kebur wirkte eindeutig verwirrt. Er sah Etienne und dann seine Großeltern an. Loran suchte den Blick zu seiner Mutter. Doch das würde jetzt dauern. Sie war die nächsten Stunden beschäftigt. "Was bedeutet Lanar?", fragte A´kebur ihn.

"Es einer der traditionellen Namen unserer Familie", gab dieser bereitwillig Auskunft. "Diese Namen sind festgelegt von Generation zu Generation, also musste Lial nicht einmal fragen, welchen Namen dir deine Mutter gab. Er stand schon fest, bevor du geboren wurdest."

"Also gehöre ich doch zur Familie!"

Loran nickte. "Dies zu verleugnen war unlogisch und ich muss dich um Nachsicht bitten, mein Enkel. Lass mich dich noch einmal in der Familie willkommen heißen."

"Gefühle sind nicht logisch. Ich kann nichts für mein Blut, aber ich kann das Beste aus dem machen, was mir meine Ahnen mitgegeben haben." A´kebur wusste, dass er in diesem Moment kein Kind von Niemand war, kein Verlorener und Heimatloser. Nie würde er ein vollständiger Vulkanier sein, nie ein vollständiger Klingone. Aber er hatte einen Ort, wohin er gehen konnte und wo er willkommen war.

"Das ist eine gute Einstellung." Loran nickte leicht, bevor er mit seiner Gattin zum Tempelausgang ging.

Etienne hatte die ganze Szene mit einem Lächeln beobachtet und war froh zu sehen, dass auch dieser Konflikt sich endgültig gelöst zu haben schien. A´kebur schaute Etienne an. "Mein Name ist Lanar. Aber ich heiße auch A´kebur."

"Ich finde nicht, dass sich die beiden Namen gegenseitig stören. Beide sind schön", gab Etienne schlicht zurück und lächelte. "Du kannst mir ja sagen, wie ich dich anreden soll - abgesehen von ..." Er beugte sich vor und flüsterte A´kebur etwas ins Ohr.

A´kebur sah ihn schräg an. "Würde mir nicht einfallen!", brummte er.

"Das werden wir ja noch sehen." Dem Kommentar folgte ein blitzschneller Kuss aufs Ohr und eine anschließende sehr hastige Flucht. A´kebur sah ihm verblüfft nach. Dann lachte er. Das unziemliche Geräusch brachte ihm ein paar strafende Blicke ein. Er ging, bevor ein Räuspern ihn wirklich ermahnte.

Eine leise kichernde Shana folgte ihm. Die Rückfahrt verlief ebenso schweigend, aber wesentlich entspannter. Die Zeremonie hatte länger gedauert als gedacht. Amaris hatte jedoch schon vorgesorgt und ein opulentes Festmahl auftragen lassen.

A´kebur blieb schweigsam. Aber ein kleines Lächeln lag auf seinen Lippen. Für diesen Abend wollte er nicht daran denken, dass es keine Zukunft gab. Er hatte die Gegenwart für sich und für seinen Gefährten. Etienne hatte ähnliche Gedanken. Die gestohlene Zeit sollten sie nutzen.

Nach einem köstlichen Nachtisch aus süßen Früchten wünschte Lial allen eine gute Nacht. Shana verkniff sich das Grinsen nur mit Mühe, als sie den beiden Ehrengästen eine geruhsame Nacht wünschte.

 

Der nächste Morgen war für A´kebur jedoch eher wie ein böser Traum. Er zwang sich, nicht daraus zu erwachen, um nicht erkennen zu müssen, dass es die Realität war und kein Traum. Er hätte sonst geschrieen, gekämpft und wie ein Berserker Blut vergossen. So sah er stoisch dabei zu, wie Etienne in einem funkelnden Regen verschwand.

Zwei Sicherheitsleute von Starfleet waren heruntergebeamt und hatten ihn abgeholt. Die Verabschiedung war kurz ausgefallen; was hätte sie auch sagen können?

Etienne hatte A´kebur kurz durch die Haare gestrichen und aufmunternd gelächelt, aber der Klingone hatte in seinem Partner die gleiche Verzweiflung gespürt, die auch ihn gefangen nahm. Als Etienne weg war, ging A´kebur mit steifen Bewegungen zurück ins Haus. Er presste die Lippen zusammen.

"Ich wünschte, ich wäre ein Vulkanier. Dann wüsste ich, was ich tun muss", sagte er leise zu sich selbst. "Einen Ausweg. Einen Weg!"

Shana, die ihm gefolgt war, zupfte ihn am Ärmel. "Wir finden etwas, ganz sicher. Ich werde noch mal alle betreffenden Gesetzestexte durchgehen und ..."

"Es steht in keinem Gesetz. Das Gesetz ist dagegen. Ich werde mit dir kommen, Shana. Ich habe hier nichts mehr."

"Vielleicht fällt Captain Lakon ja etwas ein. Ich habe noch nie erlebt, dass er auf eine Situation keine Antwort gewusst hätte. Und dann sollten wir bei der Verhandlung dabei sein. Irgendwas können wir sicher tun."

A´kebur schüttelte den Kopf. "Die Sovk wird noch eine ganze Zeit Station beziehen. Die Archäologen sind immer noch nicht fertig. Er wird nicht dabei sein. Und ob wir dabei sein können, ist fraglich."

"Doch, das zumindest wird Lial veranlassen können. Angehörige dürfen bei Gerichtsverhandlungen dabei sein, dass weiß ich", ließ Shana nicht locker, "komm, lass uns packen."

 

A´kebur wusste nicht, ob ihm der Anblick der Sovk willkommen war oder nicht. Er war ein anderer geworden. Er war nicht mehr der, der gegangen war. Aber gleichzeitig war er mehr als zu dem Zeitpunkt, als er das Schiff verlassen hatte. Wie gebannt schaute er auf die silberne Hülle. Gleichzeitig spürte er wie unter Zwang dem Band zwischen sich und Etienne nach. Doch er musste keine Sorge haben. Etienne ging es gut, bis auf den ständigen Drang wie ein gefangenes Raubtier herumzulaufen.

Man hatte diesen auf die Aequalitas gebracht, einem Gefangenentransportschiff, das für einige Zeit gefährliche Angeklagte beherbergte, bis über sie geurteilt und dann auf eine Strafkolonie gebracht oder anderweitig eingesperrt wurden. Sofern man sie natürlich nicht freisprach. Doch darauf brauchten weder Etienne noch A´kebur zu hoffen.

Aber der Drang war A´kebur selber nicht unbekannt. Besonders, da mit dem Anblick der Sovk auch Charon 7 wieder in sein Blickfeld kam. Der Planet trug ebenfalls einige unliebsame Erinnerungen für ihn. Shana hingegen schien das alles nicht zu stören. Sie war in ihrem Sessel eingedöst und wurde erst wieder munter, als sie die Durchsage erhielten, dass man sie zur Sovk hinüberbeamen würde. A´kebur nahm Shanas Gepäck und ging vor.

Die Andorianerin streckte sich. "Hey, danke", murmelte sie und folgte ihm, "ich freu mich jetzt schon auf mein kühles Quartier."

"Mhm", brummte A´kebur einsilbig.

Der Befehl zum Beamen wurde erteilt, und Sekunden später fanden sie sich im Transporterraum der Sovk wieder. Captain Lakon wartete bereits auf sie. "Willkommen zurück an Bord", begrüßte er sie.

"Danke Sir", riefen Shana und A´kebur gleichzeitig. Lakon entgingen die Wolken nicht, die auf dem Gemüt seines Neffen lasteten. Er war auch schon von Lial instruiert worden. Irgendwie gewann er den Eindruck, dass er sich wieder am Ausgangspunkt befand. Aber vielleicht irrte er sich auch. Shana wirkte gelöster und eindeutig zuversichtlich.

"Mit Ihrer Erlaubnis, Sir, werde ich mich gleich wieder an meine Arbeit machen", verkündete Shana, und als Lakon nickte, gab sie A´kebur einen aufmunternden Klaps auf die Schulter und ließ die beiden allein.

"Es ist akzeptabel, dich wiederzusehen, Neffe", meinte Lakon, "ich hoffe, der Aufenthalt auf Vulkan hat dir geholfen."

A´kebur kämpfte mit einer Antwort. Er versuchte es mit dem Grund seines Urlaubs.

"Die Verbindung ist stabil, Sir. Lial hat die Zeremonie durchgeführt."

"Das berichtete Lial mir bereits. ich hoffe, darüber hinaus sind auch deine Fähigkeiten und der Umgang damit stabiler geworden." Lakon schwieg kurz. " Es wird nicht einfacher für dich werden."

A´kebur trat zögerlich die Stufe von der Transportplattform hinunter. Lakon hatte sie höchstpersönlich an Board gebeamt. Sie waren allein. "Ich fühle mich nicht gut", gestand er offen. "Aber es wird nicht meine Effizienz beeinflussen, Onkel."

"Falls doch, möchte ich, dass du zu mir oder Dr. Shana kommst", verlangte Lakon, "ansonsten, die Verhandlung für Mr. Duval ist in sechs Wochen angesetzt. Du wirst rechtzeitig dorthin gebracht werden, um dabei zu sein, wenn du willst."

"Ich habe wohl das Recht als Ehemann", räusperte A´kebur sich unbehaglich.

Über Lakons steinerne Mine schien ein Lächeln zu huschen. "Laut Föderationsgesetz ist dem tatsächlich so. Weitere Kommunikation ist bis dahin jedoch untersagt."

"Mir ist dieser Umstand bekannt. Aber betrifft das auch diese Kommunikation?" A´kebur deutete auf seine Schläfe. "Etienne läuft wieder Gräben in seine Zelle."

"Dagegen gibt es kein Gesetz. Und vielleicht solltet ihr euch gegenseitig beruhigen." Lakon wandte sich zur Tür. "Chefingenieurin T'Kash erwartet Sie in sechs Stunden zum Dienstantritt, Fähnrich."

"Aye, Sir." A´kebur holte tief Luft. "Willst du deine Schwester sehen?", fragte er so leise, dass er mit menschlichen Ohren kaum zu hören war.

Lakon fuhr mit deutlicher Überraschung auf seinem Gesicht herum. "Du hast sie gefunden?", flüsterte er, "Ich dachte, sie wäre ..."

"Sie ist nicht tot. Sie ist nur verletzt."

"Lial hat mir nichts davon gesagt. Kannst du ..." Lakon trat wieder auf seinen Neffen zu und hob die Hand. A´kebur nahm sie und führte sie an seine Schläfe. "Ich kann!"

Erinnerungen strömten durch ihn, ließen den Tag, an dem er seine Mutter wieder getroffen hatte, erneut lebendig werden. Lakon nahm diese alles auf, so vorsichtig, als würde ihm etwas Zerbrechliches überreicht. A´kebur spürte deutlich dessen Freude und Erleichterung darüber, dass es seiner Schwester gut ging.

"Ihre Seele heilt. Aber sie möchte nicht zurückkommen", flüsterte A´kebur.

"Ich verstehe." Lakon atmete tief durch und öffnete die Augen wieder, die er unbewusst geschlossen hatte. "Aber es war richtig von dir, sie aufzusuchen."

"Sie ist nicht tot, wie Lial gesagt hatte. Ich musste sie finden. Lial hat gesagt, dass ich es dir direkt sagen soll. Sie wollte, dass du es durch mich erfährst. Sie sagte, dass alte Wunden heilen würden."

"Lial ist sehr weise." Lakon legte seinem Neffen kurz eine Hand auf die Schulter.

A´kebur wusste, dass innerhalb der Familie das ab und an vorkam. Er wusste, dass es in den meisten vulkanischen Familien nie vorkam. Aber die Wunden in den Seelen hatte das Bedürfnis wachgerufen, sich gegenseitig des jeweils anderen zu versichern. "Nun ja, in Sachen Gefühle bin ich wohl die letzte Instanz. Meinetwegen braucht Lial neue Möbel."

Lakon hob eine Augenbraue. "Die Residenz unserer Familie hat seit Generationen keine Veränderung erfahren. Vielleicht ist es ganz erfrischend", meinte er trocken. "Ich muss nun allerdings wieder auf die Brücke zurück."

"Ja, Sir, ich werde mich dann meinen Dienst antreten."

Lakon nickte A´kebur noch einmal zu und verließ dann den Transporterraum.

A´kebur bezog wieder sein altes Quartier. Es war repariert worden. Irgendwie lag es in seinem Wesen, alle seine Zimmer wie ein Verrückter in seine Einzelteile zu zerlegen. Er setzte sich auf das Bett. Für einen Moment zog er sich in sich selbst zurück und berührte Etiennes Geist. Er wusste, dass das unter Umständen nicht gut war, wenn sie zu intensiv auf diese Entfernung hin, sich berührten. Aber das kurze Antippen versicherte sich ihm und es ließ dieses Gefühl von Eingesperrtsein weniger werden. Und Etienne schien es genauso zu ergehen. Für kurze Zeit konnte der die Untersuchungszelle um sich herum vergessen und nur die Wärme von A´keburs Geist fühlen.

Alles in Ordnung bei dir? Es war seltsam, tatsächlich konkrete Gedanken durch den Äther zu schicken, aber es funktionierte.

A´kebur schmiegte sich an ihn. Warum brauche ich dich so?, fragte er.

Liegt wohl daran, dass ich dich brauche, ein leises Lachen perlte durch die gemeinsamen Gedanken, Gut, dass uns keiner hört. Mein Ruf wäre auf ewig ruiniert.

Ich habe keinen Ruf. Ich darf als dein Mann zu deiner Verhandlung. Wie viel Ruf ist da noch runierbar?

Angst vor komischen Blicken? Im Zweifelsfall sind die alle bloß neidisch, der Aussage folgte ein Gefühl des Umarmtwerdens.

Ich kann nicht mehr, Etienne, erwiderte A´kebur schwach. Er spürte, wie er in seinen Körper gezogen wurde. Im nächsten Moment dämmerte er weg.

Keiner der beiden war in derlei Dingen ausgebildet genug, um zu wissen, wie viel Kraft solch eine direkte Gedankenverbindung kostete. Etliche Lichtjahre entfernt döste Etienne ebenfalls ein.

A´kebur weckte ein penetrantes Piepen. Er kämpfte dagegen. Er wollte weiterschlafen. Murrende drehte er sich um. Aber das Piepen hörte leider nicht auf. Außerdem gesellte sich auch noch eine wohlbekannte Stimme dazu: "Fähnrich A´kebur, Sie hatten vor 10,4 Minuten Dienstantritt!"

A´kebur blinzelte über das Kissen. Sein Kopf fühlte sich zu groß für dieses Universum an. Wo war er überhaupt? Verwirrt sah er sich um. Irgendwie war ihm speiübel, als hätte er vier Teller Gagh auf einmal gegessen. Und wo war eigentlich sein Bett? Das hier war nicht sein Bett!

Die Wände waren steril hellgrau, alles war ordentlich, aufgeräumt - und völlig unklingonisch. A´kebur brauchte eine geschlagene Minute, um zu begreifen, dass er an Bord der Sovk war. Wie gestochen sprang er auf, versuchte seinen hämmernden Schädel zu ignorieren und bestätigte das Signal vom Maschinenraum.

"Ma´am, ich bin in fünf Minuten zur Stelle. Ich werde die Zeit nacharbeiten." A´kebur wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er hatte nicht gut geschlafen. Er fühlte sich, als hätte man ihn durch die Mangel genommen.

"Natürlich werden Sie das, Fähnrich. T'Kash Ende." Sie klang alles andere als erfreut. A´kebur rechnete schon jetzt damit, dass seine strenge Vorgesetzte ihn für diese Verspätung mehr als nur schwitzen lassen würde.

A´kebur zog seine Uniform glatt, als er ein wenig außer Atem, vor der Tür zum Maschinenraum stand. Noch ein tiefer Atemzug und er betrat ihn. Es herrschte wie immer stille Betriebsamkeit. Es war wie nach Hause kommen, obwohl er nur kurze Zeit hier verbracht hatte. Zielstrebig ging A´kebur zur einer freien Station und suchte seine Aufgaben. Wie immer hatte die Chefingenierin alles aufgeteilt.

T'Kash würdigte ihn allerdings keines Blickes, nur seine Kollegen Fähnrich Donovan und Lieutenant Parr begrüßten ihn.

Magie Donovan strahlte A´kebur wie immer an. "Und, wie war der Trip nach Vulkan? Shana wollte mir nicht viel erzählen, nur, dass es wohl sehr romantisch war."

"Mhm", brummte A´kebur unbestimmt und überprüfte die Sensoren. Entweder waren sie völlig verstellt oder hier stimmte etwas nicht. Da es nicht möglich war, dass T'Kash einen Fehler durchgehen ließ, konnte es nur sein, dass sie davon wusste. Und wenn sie davon wusste, dann bedeutete es, dass vom Planeten die seltsamste Strahlung kam, die je gemessen worden war. Die Datenbanken der Föderation konnte damit jedenfalls nichts anfangen.

Lieutenant Parr folgte seinem Blick. "In den letzten Wochen ist die Strahlung exponentiell gestiegen, wird voraussichtlich weiterhin steigen und in kurzer Zeit einen kritischen Level erreichen, wobei wir bisher nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die Auswirkungen berechnen können. Bisher haben wir außerdem die Quelle noch nicht finden können."

"Aber sie stammt eindeutig vom Planeten. Als sicherster Punkt wird die Ausgrabungsstelle gehandelt", meinte Donovan.

A´kebur sah sich die Daten an und glich sie ab. "Fähnrich A´kebur, das ist Aufgabe der wissenschaftlichen Station. Machen Sie Ihre Arbeit!", befahl T'Kash, die hinzugetreten war. Sie sah ihn kurz prüfend an. "Wenn es Ihnen nicht gut gehen sollte, gehen Sie bitte auf die Krankenstation."

A´kebur verneinte. "Ich kann arbeiten", wehrte er ab.

"Dann kümmern Sie sich um die Antimeteriewandler", befahl sie, "der monatliche Kontrollcheck ist erforderlich."

A´kebur nahm kurz Haltung an, dann machte er sich an die Arbeit.

Als seine Schicht zu ende war, gab er den Zugang seines Terminals frei, so dass er sich die Daten über diese seltsame Strahlung in seinem Quartier anschauen konnte. Er fand die Farben faszinierend.

Das Spektrum war ungewöhnlich. Eigentlich hatte er keine Ahnung über diesen wissenschaftlichen Kram. Aber Antimaterieantriebe und andere Arten von technischen Problemen waren nur zu lösen, wenn er mehr wusste, als die Tatsache, wie ein Schalter umzulegen war.

Der Planet sendete seiner Meinung nach eine Art von Antimatieriestrahlung oder genauer: Es war wie die Strahlung von einem Antrieb, der modifiziert worden war. So etwas hatte er einmal in einem holographischen Labor erschaffen können. Der Computer hatte ihn damals darüber informiert, dass es nicht möglich war, diese Art von Antrieb stabil in der Realität nachbauen zu können. Trotzdem hatte er sich noch eine ganze Weile mit diesem Thema befasst.

Und so unwahrscheinlich es auch war, irgendjemand oder irgendetwas hatte diese Art von Energie stabilisieren können. Dass es ein Naturphänomen sein könnte, schloss A´kebur aus; dazu war die Strahlung zu gleichmäßig. Außerdem hätte man dann schon früher ähnliche Messungen auf Charon 7 machen müssen. Doch das war nicht der Fall. Damit stellte sich eine Hauptfrage: Was genau ging hier vor?

A´kebur verglich in seinem Quartier die Messungen der Sovk. Was auch schon die wissenschaftliche Abteilung festgestellt hatte, sah auch er mit einem Blick: "Das ist künstlich!", sagte A´kebur laut. "Und etwas kontrolliert die Strahlung." Und damit war wirklich die Ausgrabungsstätte neben der Stadt die beste mögliche Quelle. Nur, die Strahlung ließ sich nicht einschränken. Sie schien fast überall zu sein. Aber eben nur fast. Das Summen der Tür riss ihn aus seinen Überlegungen.

"Ja", riss er sich wiederwillig vom Computer los.

Prompt platzte Shana ins Zimmer gefolgt von den anderen Mitgliedern der kleinen Pokerrunde. "Können wir dich zu einem Spielchen entführen?", fragte sie, "damit du nicht nur herumsitzt und Trübsal bläst."

"Ich blase keine Trübsal." A´kebur löschte den Monitor. "Ich arbeite", erklärte er steif.

"Das hast du schon den ganzen Tag. Über zehn Stunden. Mach mal Pause!" Shana verschränkte die Arme. "Anordnung der Ärztin!"

"Ich ...", versuchte A´kebur gleich zu protestieren.

"Nichts da! Du spielst mindestens eine Runde mit uns und dann ab ins Bett und ausruhen."

A´kebur legte den Kopf schief.

"Eindeutig vulkanischer Abstammung", meinte Donovan. "Die schauen auch immer so aus, wenn man ihnen mit menschlicher Logik kommt."

"Menschen sind logisch?", fragte A´kebur.

"Das hat keiner behauptet", meinte Dave Michaels, "aber glauben Sie uns in dem Fall mal. Besonders, wenn es um Lie..." Shana knuffte ihn in die Rippen. "Also, komm jetzt!", forderte sie A´kebur auf.

A´kebur kniff die Augen zusammen und sah von einem zum anderen. "Wie viel wissen sie, Dr. Shana?", fragte er hart.

"Shana hat uns gar nichts erzählt", wandte Maggie sofort ein, "entschuldigen Sie, wenn ich das sage, aber man sieht Ihnen an, dass Sie unglücklich über eine Herzensangelegenheit sind. Schieben Sie es auf die menschliche Neugier. Und wir wollen Sie wirklich aufmuntern."

"Es ist keine Herzensangelegenheit. Es geht nur um den Geist!" A´kebur war verärgert. Er blitzte Shana an, die merklich zusammenzuckte.

"Das stimmt nicht, das weißt du. Na gut, wir lassen dich in Ruhe. Aber wehe, du ruhst dich nicht aus, verstanden? Kommt, Leute!" Sie schob die enttäuschten Pokerspieler aus dem Raum.

"Ich... ich würde gern mitspielen. Aber ich will nicht darüber reden", erklärte A´kebur.

Shanas Gesicht hellte sich auf. "Das verlangt auch keiner. Wir gehen wieder in den Freizeitraum, okay?"

"Wohin denn sonst?" A´kebur war verwirrt. War an der Sovk angebaut worden? Eigentlich hatte sie vollkommen normal ausgesehen.

Die anderen schmunzelten nur und verließen den Raum, A´kebur im Schlepptau. Wie auch sonst um diese Zeit hatten sie den Raum für sich. Maggie holte Getränke, und die fünf setzten sich. Shana drückte A´kebur die Karten in die Hand. A´kebur mischte sie und verteilte. "Die Regeln sind bekannt", ließ er sich vernehmen. "Mag noch jemand aussteigen, bevor ich ihn ausnehme?"

Kollektiv wanderten Augenbrauen in die Höhe. "Sie sind ja heute sehr von sich eingenommen", meinte Nagano, "haben Sie schummeln gelernt oder woran liegts?"

"Ich lerne immer von den Besten!" A´kebur sah provokativ auf, ohne dass er auch nur einen Muskel in seinem Gesicht bewegt hätte.

"Dann lassen Sie mal sehen", erklärte Michaels, "wir spielen hier bis zum letzten Hemd, wie immer!"

Jeder war damit einverstanden. Nur, das hielt so lange an, bis sie alle merkten, dass A´kebur wirklich sehr viel besser spielte. Selbst als Donovan meinte, dass er falsch spielte, konnte er es ihm nicht beweisen. A´kebur war nur für einen Moment beleidigt. Er spielte nicht falsch. Er verstand nur alles sehr viel besser. Shana jedenfalls störte das nicht sonderlich, sie grinste nur zufrieden in sich hinein und ging bei den Einsätzen auf Nummer sicher. Maggie tat es ihr gleich, und schließlich mussten die beiden Herausforderer ihre Niederlage eingestehen: A´kebur hatte am Ende Michaels und Nagano wirklich nichts mehr übriggelassen.

"Dann spielen wir ums Hemd", meinte A´kebur gnadenlos.

Die beiden Männer sahen sich an und die Frauen kicherten. "Los, ausziehen!", johlten sie los. Michaels wurde rot und Nagano verschränkte die Arme.

A´kebur verteilte ungerührt die Karten. Er zeigte nicht mehr Gefühle als ein Vulkanier. Lediglich in seinen Augen blitzte die Herausforderung. Noch einmal sahen sich die Männer an, dann wurde ihre Miene finster, als wollten sie sagen: das lassen wir nicht auf uns sitzen.

Shana und Maggie lehnten sich zurück und beschlossen, das Schauspiel als reine Beobachter zu genießen; schließlich waren alle drei Männer auf ihre Art gutaussehend, das sollte also interessant werden.

Die zwei Frauen hielten sich gut, aber als A´kebur dafür sorgte, dass Dave als erster sein Hemd verlor, johlten sie auf und lachten. Das brachte ihnen nur einen finsteren Blick ein, genauer gesagt, einen finsteren Blick für Shana. Maggies Blick mied Michaels lieber ganz. Aber das war nichts Neues; jeder in der Runde wusste, dass Dave Michaels sich seit einiger Zeit Hoffnungen wegen ihr machte.

A´kebur verteilte die Chancen gleichmäßig und zog auch Takehito Nagano das Hemd aus. "Ich denke, wir machen für heute Schluss", beendete er die Show.

"Jetzt schon? Gerade, wo es interessant wurde", schmollte Shana, "aber ich fürchte, wir werden uns in Zukunft etwas ausdenken müssen, um dich zu schlagen."

"Ach, ja, und was?", fragte A´kebur.

"Weiß ich nicht. Schummeln, kitzeln, dich betrunken machen. Irgendetwas wir uns schon einfallen", meinte sie deutlich zufrieden.

A´kebur neigte nur sein Kopf, zuckte dann aber mit der Schulter. "Wie du meinst. Ich wünsche eine gute Nacht. Ich muss mir noch etwas anschauen."

Die anderen verabschiedeten sich ebenfalls, nur Shana mahnte noch einmal: "Ruh dich bloß aus! Ich will keine dunklen Ringe unter deinen Augen sehen, oder Etienne wird mir vorhalten, dass ich nicht auf dich aufgepasst habe."

A´kebur schoss nur einen Blick auf sie ab. Er würde das Rätsel lösen. Ganz sicher.

 

Die nächsten zwei Wochen vergingen relativ eintönig. A´kebur fand sich schnell wieder in seine Dienstroutine ein und achtete auch darauf, sich nicht wieder mental zu überanstrengen. Bei den kurzen Kontakten zu Etienne erfuhr er auch nichts Neues; dieser wartete ungeduldig auf den Beginn der Verhandlungen, und sein Anwalt hatte sich noch nicht blicken lassen. Nebenher forschte A´kebur unauffällig weiter, was die seltsame Strahlung betraf.

Er programmierte eine Holo-Session, wo er seine frühen Experimente neu erschuf. Doch dieses Mal berücksichtigte er die neuen Erkenntnisse und erschuf gleichzeitig ein identisches Abbild der Ausgrabungsstätte. Lediglich die Wissenschaftler ließ er weg. Er machte sogar die Punkte sichtbar, wo die Strahlung messbar war, auch wenn sie irgendwie nie einen festen Ort hatte.

Zu Anfang war dieses Vorgehen nur frustrierend, aber Stück für Stück glaubte A´kebur, der Sache näher zu kommen. Denn wenn er sich nicht völlig irrte, musste der Ursprung der Strahlung noch ungefähr hundert Meter tiefer liegen, als bereits gegraben wurde, geschützt von einem speziellen Gestein, durch das sich selbst mit Phasern nur schwer bohren ließ. Davon wusste er, weil die Berichte der Crew und der Wissenschaftler davon voll waren. Es gab offenbar keine Kraft, die durch das Gestein drang.

A´kebur fütterte den Computer mit den Daten über die physikalischen Eigenschaften. Wissen über Geologie war bei ihm nicht vorhanden, aber auch ihm war klar, dass es sich hierbei weniger um einen Stein sondern vielmehr um eine Art Legierung handeln musste. Normaler Stein, egal welcher Härte, hielt einem Phaser auf Dauer nicht Stand. Also musste die Strahlungsquelle mit Absicht vor Zugriffen geschützt worden sein, während die Energie gleichzeitig nach außen dringen konnte. Aber wie konnte man da rankommen? Und musste man das überhaupt? A´kebur vermutete, dass die Energiequelle mächtig sein musste. Sicher konnte er davon ausgehen, dass sie ein Lebewesen auslöschen würde. Nachdenklich sah er auf die Anzeigen. "Captain", kontaktierte er Lakon.

"Was gibt es?", kam die prompte Antwort.

"Wird schon darüber nachgedacht, den Planeten zu evakuieren?"

"Ja, es sind bereits Vorbereitungen im Gange. Aber da Charon 7 nicht offiziell zur Föderation gehört, haben wir keine Befehlsgewalt. Und die meisten glauben nicht an eine akute Gefahr und weigern sich, den Planeten zu verlassen. Haben Sie etwas herausgefunden, Fähnrich?"

A´kebur sah wie gebannt auf die Anzeigen. "Wenn ich richtig liege, dann wird Charon 7 in einem Monat nicht mehr existieren."

"Schicken Sie mir Ihre Daten! Die wissenschaftliche Abteilung war sich nicht sicher bei ihren Berechnungen", kam der knappe Befehl.

"Captain, es ist eine Holo-Simulation. Das würde unter Umständen die Leistung des Hauptcomputers beeinträchtigen", erklärte A´kebur.

"Dann schicken Sie mir nur die Auswertungen, und ich gehe aufs Holo-Deck, um es mir anzusehen. Ich bin in fünf Minuten dort! Lakon Ende."

A´kebur sandte die Daten und berechnete dann weiter. Es war nur ein Spielzeug für ihn. Die Wissenschaftler der Sovk waren in dieser Hinsicht weitaus befähigter als er. Vielleicht war seine Arbeit nur eine Bestätigung, wenn auch auf eine andere Weise.

Wie angekündigt traf Lakon fünf Minuten später auf dem Holodeck ein.

"Sie hätten Ihre Auswertungen gleich an die Wissenschaftsabteilung schicken sollen", meinte er, "auch wenn es sich meiner Logik entzieht, warum diese zu keinem eindeutigen Ergebnis kommen wollen und Sie schon."

"Ich habe meine Erkenntnis sofort mitgeteilt", stellte A´kebur grollend klar. "Zudem bin ich kein Wissenschaftler. Ich bastle an Antrieben!"

"Das macht nichts. Ein Problem muss von allen Seiten betrachtet werden, wenn man es lösen will. Zeigen Sie mir, was Sie gefunden haben", befahl der Captain A´kebur.

A´kebur ließ die Simulation ablaufen. Er legte einen Tricorder bereit und begann zu messen. "In zwei Wochen wird die Strahlung so hoch sein, dass die ersten wirklichen Schäden im Zellgewebe jedes Lebewesens auf Charon 7 auftreten. In weiteren zwei Wochen ist Charon 7 ein Energieball. Wobei ich nicht sagen kann, ob es eine Explosion oder eine Implosion sein wird. Dieses Spektrum an Energie ist bisher nicht erforscht. Sie ist identisch mit einem simulierten Antrieb eines nichtexistierenden Antimaterieantriebs. Ich hatte ihn auf der Akademie auf einem Holo-Deck simuliert."

Lakon überprüfte ebenfalls die Daten und nickte. "Nur, weil etwas für unsere Wissenschaft noch nicht erreichbar ist, heißt es nicht, dass es nicht existiert. Das haben Sie gut gemacht, Fähnrich. Ich werde das sofort an die Wissenschaftsabteilung weitergeben und an Starfleet Command. Wir müssen Charon 7 schnellstmöglich räumen."

"Das diplomatische Problem bleibt aber weiterhin bestehen!" A´kebur unterbrach die Simulation. "Etwas anderes: Darf ich Etiennes Schiff vom Planeten fliegen?"

"Darüber habe ich keine Verfügungsgewalt; Sie müssen den diplomatischen Dienst deswegen kontaktieren", klärte Lakon ihn auf, "ich denke aber, das wird kein Problem sein."

"Darf ich mich darum kümmern, Lakon?", fragte A´kebur ganz privat.

"Natürlich." Auch sein Onkel schien in nur einer Sekunde zwischen beruflicher und privater Ebene gewechselt zu haben. "Wie kommst du zu recht bisher?"

"Ich unterlasse lange Ferngespräche. Dann weiß ich auch, wo ich bin, wenn ich wieder erwache", berichtete A´kebur etwas verlegen.

"Selbst für jemand mit mehr Übung ist solch ein Kontakt sehr anstrengend. Aber mit der Zeit wird es etwas leichter fallen", beruhigte Lakon ihn.

"Nun, meine Übungen schränke ich jedenfalls ein. Ich werde aufbrechen müssen, wenn ich rechtzeitig zur Verhandlung da sein will. Ich werde den Anfang möglicherweise nicht mehr schaffen. Aber ich wollte die Testreihe beenden."

"Das war sehr hilfreich. Morgen früh wird ein Transportschiff in den Orbit eintreten, auf dem Sie zur Verhandlung fliegen können. Wenn Sie zurückkommen, haben wir hoffentlich den Planeten evakuiert."

"Ich würde gern mit der Drake fliegen", wagte A´kebur zu fragen. "Dann sende den entsprechenden Antrag hinaus, und zwar so schnell wie möglich", erinnerte Lakon, "wie gesagt, ich kann es nicht erlauben."

"Dann werde ich ihn nicht mehr sehen." A´kebur ballte kurz seine Hand. Das Transportschiff war mit durchschnittlich Warp 1,1 deutlich langsamer als die Drake und durch seine Recherche hatte er mehr Zeit aufbringen müssen, als er geplant hatte und er hatte darauf gehofft, mit der Drake einen Zeitvorteil zu erlangen. Dennoch nickte er. "Ich beame zum Hangar."

Sein Onkel antwortete nicht, aber er hielt ihn auch nicht auf. Mehr konnte er in seiner Situation nicht tun und er würde auch nichts tun.

Lakon wusste, dass er seine Position in diesem Moment nicht so ausfüllte, wie er es sollte. Andererseits gab es hier auch im Augenblick für seinen Neffen auf der Sovk kaum etwas zu tun, was nicht eine geraume Zeit auch durch jemand anderes erledigt werden konnte.

Lakon sah sich noch einmal die Simulation an. Wenn es stimmte, was diese Simulation darstellte, würden auch sie sich nicht mehr hier lange aufhalten können.

Lakon verfasste zurück auf der Brücke eine Nachricht an Starflet Command und erbat Unterstützung.

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Die Autorinnen

Neko (Neko Hoshino)
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Impressum

Tag der Veröffentlichung: 01.03.2017

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Rechteinhaber: Das Universum von Star Trek gehört seinem Erschaffer Gene Roddenberry und dem, der die Lizenzen verkauft. Im Moment ist das Paramount Pictures. Bis auf die bekannten Figuren der Enterprise sind jedoch alle andere Charaktere frei von den Autoren erfunden. Fanfiktion mit diesen Figuren sind erlaubt, eine kommerzielle Verwendung verbietet sich aber aus mehreren Gründen. Bitte bei Leihen jeglicher Art die Autorinnen fragen (weil wir nämlich neugierig sind) - Mails werden aktualisiert, sollten sie sich ändern. Bei dem Urheber und den Rechtsinhaber von Star Trek bitten wir um Entschuldigung, dass wir nicht gefragt haben und wir lediglich versprechen können, dass wir das hier nicht als unsere eigene Sache ausgeben. Es ging einfach nicht anders, denn mit Star Trek fing im Grunde alles an...

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