Aufbruch in die Unendlichkeit
Hard Science Fiction
Ronald Streibel
Das Buch
Alles beginnt damit, dass Adam, ein angehender Physiker, einem Fremden begegnet, der ihm einen Zettel übergibt. Er enthält nur ein paar Zahlen, aber die haben genug Sprengkraft, um Adams Weltbild gründlich zu zerlegen und ihn an seinem Verstand zweifeln zu lassen.
Und so schlittert er in ein Abenteuer, das ihn quer durch das Sonnensystem bis in die geheimnisvolle Oortsche Wolke bringt. Dort erwartet ihn die größte Überraschung von allem.
Doch all das sollte nur der Anfang seiner Reise in die Unendlichkeit sein, die Vorbereitung für die Aufgaben, die ihm noch bevorstehen.
Impressum © 2023 Ronald Streibel
Nelkenstr. 7, 73563 Mögglingen
streibel@proton.me
Alle Rechte vorbehalten
Cover: Gestaltet vom Autor mithilfe Stable Diffusion, DALL-E und GIMP
Inhalt
Titelseite
Das Buch
Impressum
Das Angebot
Aufbruch
Elysium
Reise zum Ende der Zeit
Das Angebot
1
Ich sitze gerade auf einer Parkbank mit einem kleinen Laptop, um meine Geschichte aufzuschreiben. Es ist die Geschichte einer Reise, einer unglaublichen und fantastischen Reise, und dennoch ist es eine Reise, die jeder von uns irgendwann selbst machen wird - jeder einzelne, ohne Ausnahme, auf die eine oder andere Weise. Nur der Beginn meiner Reise war völlig anders, und ebenso ihr Zweck.
Ich habe das Gefühl, dass mir dazu nicht viel Zeit bleibt. Daher beschränke ich mich zunächst auf die erste Etappe dieser Reise, und hier nur auf das Wichtigste, auf das fürs Verständnis Notwendige. Für die Lücken soll zunächst eine kurze Zusammenfassung genügen. Sollte mir doch mehr Zeit bleiben als gedacht, werde ich diese Lücken noch ausfüllen. Andernfalls muss ich das auf einen späteren Zeitpunkt verschieben.
Meine Geschichte begann - ja wann eigentlich? Nach meinem subjektiven Zeitempfinden war es vor vielen Monaten. In Realzeit waren es aber viele Milliarden Jahre. Und nach dem Kalender auf meinem Handy war es gestern gewesen. Und nicht einmal das Wetter hat sich seitdem geändert, andernfalls würde ich kaum hier in dem Park sitzen, ganz in der Nähe der Stelle, an der die Geschichte ihren Anfang nahm.
Es war einer dieser letzten warmen Tage im Herbst. Ich hatte gerade mein Studium abgeschlossen und brauchte jetzt einfach eine kleine Auszeit. Also schlenderte ich gedankenverloren durch den weitläufigen Park meiner Stadt. Das Herbstlaub der Bäume leuchtete golden, und die Wärme der milden Herbstsonne fühlte sich angenehm auf der Haut an. So konnte ich endlich mal den Kopf freibekommen. Ein paar freie Tage wollte ich mir gönnen, bevor ich mich an die Jobsuche machen müsste.
Mein Name ist Adam Salander, ein angehender Physiker frisch von der Uni. Ich hatte mich auf Atomphysik spezialisiert und interessierte mich besonders für die Kernfusion als Energiequelle der Zukunft. Eine Anstellung bei einem der Forschungsinstitute, die sich mit der Entwicklung eines Fusionsreaktors befassen – sei es nun ein Tokamak oder ein Stellarator – das war mein Traum gewesen.
Ich konnte ja nicht ahnen, dass derartige Überlegungen bald völlig bedeutungslos sein sollten, dass dieser Tag der Beginn einer Kette von Ereignissen war, der Beginn einer bizarren Reise durch Raum und Zeit, die mich bis zum Ende der Zeit und zum Ursprung des Universums bringen sollte. Und dennoch bin ich wieder im Hier und Jetzt, um meine Geschichte aufzuschreiben. Ich weiß zwar nicht, ob mir jemals erlaubt wird, sie zu veröffentlichen, aber ich muss es einfach schriftlich festhalten.
Ich könnte all das, was passiert ist, auch für einen Traum halten. Es war aber alles andere als ein Traum, denn ich habe etwas verändert, etwas bewirkt, dafür gesorgt, dass die Dinge den richtigen Verlauf nahmen. Und ich habe gesehen, was geschehen wäre, hätte ich das nicht getan und es war eine albtraumhafte Welt, in der ich nicht leben wollen würde. Ich weiß auch nicht, warum gerade ich das Zünglein an der Waage sein musste, der Ausschlag gebende Faktor – vom Hüter des Wissens erhält man selten eine Begründung für sein Handeln.
Aber von all dem hatte ich damals noch keine Ahnung. Stattdessen machte ich mir Gedanken, wo ich mich am besten bewerben sollte. Wie ich so in Gedanken an einer Gruppe Ahornbäume vorbeiging, sprach mich plötzlich ein fremder Mann an.
»Sind Sie Adam Salander?«
Ich schaute ihn verblüfft an. Ich konnte mich nicht erinnern, ihn jemals gesehen zu haben. »Ja – kennen wir uns?«
»Nein, eigentlich nicht. Aber vielleicht habe ich etwas für Sie. Ich weiß, Sie sind Physiker und noch auf der Suche nach einer Aufgabe.«
»Woher wissen Sie das?«, fragte ich misstrauisch.
»Ich hätte da eine Nuss zu knacken – extra für Sie als Physiker«, sagte er und gab mir einen Zettel. »Wenn ich Ihr Interesse geweckt habe, treffen wir uns morgen zur selben Zeit an dieser Stelle.«
Ich warf einen Blick darauf. Auf dem Zettel standen oben eine Uhrzeit und eine Internetadresse.
»Das ist ein Live-Stream, er zeigt die Ziehung der Lottozahlen. Schauen Sie sich das an und tragen die Zahlen in der Reihenfolge ihrer Ziehung in die Kästchen auf dem Zettel ein und Sie werden begreifen.«
Ich sah sechs Kästchen in einer Reihe und dahinter nochmals eines. Unter den ersten vier Kästchen stand jeweils eine Zahl, ebenso unter dem Letzen.
Ich schaute verwirrt auf: »Jetzt sagen Sie aber nicht, dass Sie die Lottozahlen vorhersagen können!«
»Sie sind doch Physiker«, meinte er. »Sie wissen, das Ziehungsgerät ist ein chaotisches mechanisches System. Es ist unmöglich, das Ergebnis einer Ziehung vorherzusagen!«
»Und was sollen die Zahlen dann bedeuten?«
»Sie sollen Ihnen zeigen, dass das, was ich Ihnen morgen erzähle, wahr ist, auch wenn es sich noch so unglaubwürdig anhören mag.« Der Fremde wandte sich zum gehen. »Morgen, derselbe Ort, dieselbe Zeit – falls ich Ihr Interesse geweckt habe.«
Damit entfernte er sich. Ich wollte ihm noch nachrufen, dass ich morgen keine Zeit hätte, ließ es aber bleiben.
»Seltsamer Typ«, murmelte ich und schob den Zettel geistesabwesend in meine Tasche.
2
Diese seltsame Begegnung ging mir den ganzen Tag nicht aus dem Kopf, obwohl mir meine innere Stimme sagte, dass das eigentlich nur ein schlechter Scherz gewesen sein konnte. Dennoch überlegte ich, ob ich nicht doch einen Lottoschein ausfüllen sollte. Aber es fehlten noch zwei Zahlen – ich könnte natürlich alle Kombinationen durchprobieren, das wären 49 zum Quadrat – nein, vier Zahlen hatte ich schon, also 45 mal 44, das waren – ich rechnete kurz nach – 1980 Kombinationen. Ein teurer Spaß, außerdem würde ich Stunden brauchen, um all die Scheine auszufüllen – es sei denn, es gibt Systemscheine, bei denen man nur fünf oder vier Zahlen ankreuzen muss. Plötzlich ging mir ein Licht auf und ich schlug mir die Hand gegen die Stirn: »Ich Idiot, fast wäre ich darauf reingefallen!«
Ein Reklametrick. Jemand wollte, dass ich in das nächste Lottogeschäft renne, um einen teuren Systemschein auszufüllen. Wahrscheinlich kassierte dieser Typ dann eine ordentliche Provision. Ich erinnerte mich, wie ich als unbedarfter Anleger einmal auf eine E-Mail reagiert hatte, in der die Zukunftsaussichten einer neuen Firma und deren revolutionäres Produkt in den rosigsten Farben beschrieben wurden. Auch auf deren Webseite sah alles sehr verheißungsvoll aus. Die Aktienkurse sollten sich in kurzer Zeit vervielfachen. Naiv wie ich war, glaubte das auch noch und kaufte einige Aktien – zum Glück nicht allzu viel. Es dauerte nicht lange und die Aktien stürzten ab, und als sie nur noch wenige Cent wert waren, musste ich sie als wertlos ausbuchen lassen – der Verkauf hätte mehr Gebühren gekostet als der Erlös. Ich verbuchte es als Lehrgeld, noch einmal würde ich auf so etwas nicht mehr hereinfallen. Wenn mir ein Fremder unverlangt scheinbar wertvolle Informationen gibt, dann will er nur mein Bestes – mein Geld!
Neu ist allerdings, dass sie die Leute jetzt schon persönlich ansprechen – und woher kannte der Typ meinen Namen? Das machte das Ganze doch etwas merkwürdig. Wenn er einfach irgendwelche Passanten ansprach, konnte er ihre Namen nicht kennen – oder hatte er eine neuartige Gesichtserkennungssoftware? Hatte nicht Facebook mal so was aktiviert? Gut, ich hatte mir nichts dabei gedacht, als ich mein Profilfoto da hochgeladen hatte, aber ich dachte, die Gesichtserkennung wäre längst wieder abgeschaltet – aus Datenschutzgründen. Aber was Facebook kann, können andere schließlich auch, und die Bilder sind frei zugänglich. Aber, so recht gab die ganze Sache keinen Sinn. Ich musste heute Abend einfach die Übertragung anschauen. Dann konnte ich das Ganze ruhigen Gewissens als Fake abtun und musste mir weiter keine Gedanken mehr darüber machen.
Ich kehrte also zurück zu meiner Wohnung, ohne einen Lottoschein auszufüllen. Den Aufzug ließ ich wie üblich links liegen und nahm die Treppe zu meiner Wohnung im dritten Stock. Gut, Wohnung war übertrieben, es war ein besseres Wohnklo, aber für einen Student war es ausreichend, und für einen Job würde ich eh umziehen müssen. Als ich mein Zimmer betreten hatte, fiel mein Blick auf das gerahmte Foto von Katrin und brachte mir wieder schmerzvoll meinen großen Verlust zu Bewusstsein. Ich sollte das Foto wegräumen, um nicht ständig an sie erinnert zu werden, aber ich brachte es bisher nicht übers Herz. Außerdem hätte es nicht viel genützt. Immer wieder im Verlauf eines Tages, oft in den unpassendsten Momenten überfiel mich die Erinnerung an diesen schrecklichen Tag.
Katrin Arnsfeld war da bereits seit zwei Jahren meine Freundin und wir überlegten uns, eine gemeinsame Wohnung zu nehmen, als mich die Nachricht über ihren plötzlichen Tod völlig aus der Bahn warf. Sie war gerade zu Besuch bei ihren Eltern – ihre Mutter hatte Geburtstag. Ich selbst habe ihre Eltern noch nie gesehen – ich wusste nicht, warum sie immer noch zögerte, mich ihren Eltern vorzustellen, aber ich wollte sie nicht bedrängen. Jedenfalls war dort auch ihr älterer Bruder Robert anwesend. Und weil es so ein schöner Vorfrühlingstag war, überredete er sie zu einer kleinen Spritztour mit seinem neuen Motorrad.
Man hat nie herausgefunden, warum er in dieser Linkskurve von der Fahrbahn abgekommen war. Ihr Bruder hatte noch Glück und landete bei dem Sturz im Gestrüpp, aber Katrin wurde gegen einen Baum geschleudert. Ihr Genick traf direkt auf den Baumstamm und wurde zertrümmert. Sie war auf der Stelle tot. Auf der Beerdigung wussten ihre Eltern nicht, wer ich war. Wahrscheinlich hielten sie mich für einen ihrer Kommilitonen, von denen einige anwesend waren – was ja eigentlich auch stimmte. Ich beließ es dabei – ich war sowieso nicht in der Lage, über sie und meine Gefühle zu ihr zu sprechen – nicht in dieser Situation.
Ich schüttelte die Erinnerung daran und meine trübseligen Gedanken ab und machte mir mein Abendessen. Ich war gerade mit dem Abendessen fertig, als mich beim Blick auf die Uhr eine gewisse Beklommenheit erfasste. Die Lottoziehung müsste gleich beginnen. War es wirklich nur ein Scherz oder ein Werbetrick, oder steckte doch mehr dahinter? Und wenn ja, was würde das bedeuten für mein
Texte: Copyright © 2023 Ronald Streibel, Nelkenstr. 7, 73563 Mögglingen, streibel@proton.me
Cover: Gestaltet vom Autor mithilfe Stable Diffusion, DALL-E und GIMP
Tag der Veröffentlichung: 04.07.2023
Alle Rechte vorbehalten