...dann beseitige deine Feinde.

Angewidert stieß Daire das nuttige Mädchen von sich. Es war eigentlich nicht seine Art grob mit Mitmenschen umzugehen, doch der beißende Gestank von Alkohol und Kippen ließ ihn schlecht werden. Die laute Musik dröhnte in seinen Ohren, als er am Rand der Tanzfläche an den viel zu lauten Boxen vorbei ging. Sein Ziel war klar- Freiheit. Ohne groß zu zögern stieß er die Tür nach draußen auf und begrüßte die frische Luft mit einem erleichterten Seufzen. Leise schloss sich die Tür hinter ihm. In seinem Ohr piepte es fürchterlich und nun in dieser Stille spürte er einen unangenehmen Druck in seinem rechten Ohr, die ihm Tränen in die Augen trieb.

Daire's Ohren waren schon als er noch ein Kind war sehr empfindlich. Sei es gegen laute Musik, hohe Töne oder gegen Wasser. Schon früh hatte er mit schweren Mittelohrentzündungen zu kämpfen, die ihm unter Anderen einen dauerhaften leisen Tinnitus bescherten, der nun unerträglich laut war, sogar lauter als seine eigenen Gedanken.

Bisher versuchte Daire immer laute Situationen zu vermeiden, genau damit das nicht passierte was nun der Fall war. Das unangenehme Gefühl in seinen Kopf machte ihn nahezu verrückt. Etwas ungeschickt zog er sich ein Taschentuch aus der Taschen um die Tränen in seinen Augen wegzuwischen. Würde jetzt einer vorbei kommen, dann würde er sicherlich in Scharm versinken.

Als wäre dies das Stichwort gewesen, ging die Tür hinter ihm auf und natürlich mussten gleich die Klassen-homies hinter ihm stehen.

>>Alter, was war das denn?<<, sagte Moritz mit einen fröhlichen Unterton. >>Wie du die Alte abserviert hast, echt krass!<<, fuhr er fort und klopfte Daire auf die Schulter, welcher nur ein schniefen von sich gab und sich die Nase ausschnaubte. >>Ich glaub, die bringt sich um, die Bitch wurde noch nie abserviert<<, lachte Richard und ging gar nicht auf das schniefen ein. Die Jungs wussten was los war, da sie nun schon seit 7 Jahren in einer Klasse war und gut wussten, dass es für Daire eine Qual ist hier zu sein.

>>Wie geht's deinem Ohr?<<, fragte Jonas als Einziger und kam vor ihn.

>>Beschissen<<, gab Daire lachend von sich und steckte das Taschentuch weg, >>echt. Heute und nie wieder. Das war's. Meine Partyzeit hat sich erledigt!<<

Am liebsten würde Daire sich jetzt in diesem Augenblick die Ohren abnehmen lassen, auch wenn das irgendwo totaler Nonsens wäre. Freiwillige Ertaubung stand auch in seinen Optionen, aber zu so etwas extremes wollte er allerdings auch nicht greifen. Noch nicht.

>>Echt krass...Die hatte echt jeden aus der Schule<<, Moritz und steckte sich die Hände in den Taschen.

>>Außer uns<<, pflichtete Richard bei. Von Daire kam nur ein spöttisches Zischen.

>>Ich versteh nicht was in den Köpfen einiger Weiber abgeht<<,  bekennte sich Jonas und strich sich durch die Haare. >>Das Problem sind nicht die Weiber, sondern die Kerle die auf sowas eingehen<<, erklärte Daire und sah zu dem Blonden. >>Trotzdem widerlich. Ich fände es echt eklig  mit einem Mädchen zu schlafen, dass schon sonst was unten drin gehabt hat<<

>>Wenn du denn überhaupt mal eine kriegst<<, hustete Richard und begann zu lachen. Moritz stimmte mit ein. >>Ha..ha...<<, kam es nur beifällig von Jonas.

Daire verdrehte seine Augen. Er verstand nicht wieso alle außer er an Liebe und Sex dachten. Natürlich, sie werden alle im nächsten Schuljahr 17, aber in Daire's Empfinden war 16 noch viel zu jung. Er verfiel oft in eine Diskussion mit sich selbst, wenn es um die Gesellschaft und Mitmenschen ging. Er verstand das Denken seiner gleichaltrigen nicht. Und wollte es auch nicht.

>>Ich frag mich, wann unsere eiserne Jungfrau sich Eine anlacht<<, schmunzelte Moritz und stütze sich mit seinen Ellenbogen auf der Schulter des einen Kopf kleineren Daire's ab.

Die Jungs aus  seiner Klasse waren alle hochgewachsen wie Unkraut. Nur er hielt sich dezent im Untergrund mit seinen niedlichen 1,66m auf. Er hatte sich schon mit dem Schicksal niemals die 1,70 Marke zu erreichen abgefunden, doch die Tatsache, dass er der 2. kleinste in der Klasse war, zählt man die Mädels mit, lies ihn ganz schön nagen.

>>Da können wir lange warten. Wir wissen doch alle ganz genau, dass Daire ganz woanders ist mit seinen Gedanken<<,  grinste Jonas und stieß mit seinen Ellenbogen in Daire's Seite.

>>Jo, der wird seine eigene Freundin<<, fügte Richard hinzu und grinste schelmisch. Auch Moritz lachte dreckig.

Noch ein Wort und ich hau ab, dachte sich Daire und zog sich unter Moritz Arm weg. Er drehte sich einmal auf den Hacken und stellte sich vor den Jungs. Er wusste nicht, ob man es ihm ansah, doch in diesem Moment raste sein Herz.

Wussten sie es etwa? Oder ahnten sie es?

Just in diesem Moment ging wieder die Tür auf. Laute Musik war drauf und dran Daire bildlich gesprochen von den Füßen zu Fegen, aber die Mädchen bedachten, die Tür schnell zu schließen.

>>Ach, hier seid ihr<<, kam es von einer rothaarigen mit niedlichen Locken.

>>Wir haben euch gesucht<<, fügte die kurzhaarige Brünette hinzu.

Daire erwartete noch einen abschließenden Satz von Alicia, doch sie kam nur gleich auf ihn zu gestolpert.

>>Oh mein Gott<<, begann sie, >>die hat dich echt angefasst! Das ist so... widerlich! Ernsthaft! Geht es dir gut??<<

>>Jaja...Alicia..Nicht so nahe<<, bat Daire und schob die Blonde leicht an den Schultern zurück.

Die Jungs schwiegen währenddessen.

>>Mary meinte erst, du würdest drauf eingehen<<, sagte der Lockenkopf erschüttert, >>es wäre ein Schock gewesen, wäre das passiert!<<

>>Ja, unsere wunderschöne Traumwelt. Zerstört!<<, jammerte Mary gekünstelt.

>>Alle unsere Pläne auf einen Schlag vernichtet<<, schluchzte Alicia ebenfalls.

Daire verzog leicht die Miene. Das Fach Darstellendes Spiel hatte ihnen wohl nicht gut getan.

Jonas zog die Augenbrauen zusammen >>Wollt ihr euch alle an ihn ranschmeißen oder was?<<

>>OH NEIN!!<<, riefen die Mädchen gleichzeitig.

>>Kein Mädchen der Welt hat ihn verdient<<, säuselte Mary.

>>Er verdient etwas besseres!<<, bekräftigte Alica. >>Nicht war, Tony?<<

>>Gewiss, gewiss! Und bald werden wir den passenden gefunden haben<<, jauchzte Tony und faltete ihre Hände vor der Brust.

Nun schauten alle Jungs verdattert drein. Während die drei nicht recht verstanden was mit den Mädchen abging, bekam Daire einen roten Schimmer im Gesicht und hielt sich die Hand vor'm Kopf.

>>Ihr sollt doch mit euren Yaoi-Fantasien aufhören...<<,murmelte er mit zittriger Stimme.

>>Ach, tu nicht so, als würden wir fantasieren<<, kicherte Alicia.

 >>Wir wissen es doch alle<<, flüsterte Tony lieblich und strich sich über die Lippen.

Daire war zum heulen zu mute. Wieso mussten die drei ausgerechnet hier und jetzt auf sowas ansprechen? Bedrückt sah er zu den Jungen, doch die verstanden überhaupt nichts.

>>Yaoi?<<, fragte Moritz verwirrt.

>>Ach, ach, das ist..Gar nichts wichtiges<<,belächelte Daire Moritz's Frage.

>>Wie wäre es wenn ihr wieder reingeht? Eure Freundinnen warten bestimmt. Ich bleib noch ein bisschen hier<<

Die Jungs schwiegen kurz, zuckten dann mit den Schultern. Nicht lange und sie verschwanden wieder in der Disco.

Daire seufzte erleichter, als sich die Tür schloss und gleich brach es aus ihm heraus:

>>Sagt mal..SPINNT IHR?<<, entrüstete er sich und sah die Mädchen mit einem verwirrten und verzweifelten Blick an.

Die Mädchen fingen darauf nur an zu kichern.

>>Du wirst ganz ro-hot<<, flötete Alicia mit ihrer Sopranstimme.

>>Das beweist doch alles!<<, rief Mary aus.

>>Wir wissen über deine finstersten Geheimnisse Bescheid<<, raunte Tony und grinste wie eine Irre.

Daire hob seinen Finger und wollte etwas entgegnen, aber er glaubt, dass es nun nichts mehr nützt irgendetwas zu leugnen.

>>Na gut. Ja. Ihr habt Recht. Ich interessiere mich auf einer..besonderen..Weise für Jungs<<

Schweigen.

Leicht verwirrt sah Daire zu den schweigenden Mädchen. Die drei sahen ihn leicht verständnislos an als sie dann auch schon in eine Art  Freudentanz mit Fußballverein-Jubeleinlagen anfingen ihre ganze Freude preis zu geben.

Blitzartig kam Alicia auf ihn zugerast, gefolgt von ihren Freundinnen.

>>Wir müssen unbedingt den richtigen Semen für dich finden<<,  sang sie und legte ihre Arme um seinen Hals.

>>Klappt nicht..<<, murmelte er.

>>Natürlich klappt das!<<, erwiderte Mary und stemmte ihre Hände in die Hüften.

>>Nein wird es nicht<<, murmelte er erneut und sah zur Seite.

>>Ach, wieso denn nicht?<<, maulte Alicia,  >>Irgendwo ist bestimmt einer<<

>>Nein, sind alles nur Vollidioten..<<

>>Bei dir sind alle Vollidioten, die du nicht kennst<<, erwähnte Tony und fing an zu lachen.

Daire war gar nicht zum Lachen zu Mute.

Und er hatte auch nicht damit gerechnet, dass die drei es wirklich durchzogen.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 13.11.2013

Alle Rechte vorbehalten