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Vorwort

 

Die Spottverse auf den folgenden Seiten hatte mir 1993 meine damals 92-jährige Tante auswendig vorgetragen. Dabei hatte ich sie gefilmt und später diese Texte notiert. Sie waren inzwischen in Vergessenheit geraten und erst kürzlich habe ich sie wiederentdeckt. Nun möchte ich diese humoristichen und historischen Raritäten der Allgemeinheit zugänglich machen.

Ich betone ausdrücklich, dass ich mich in keiner Weise mit dem Inhalt der Spottverse identifiziere.

Claus H. Stumpff
im Januar 2011

 


Spottverse aus dem Ersten Weltkrieg 1914-18
gegen Zar Nikolaus von Rußland


Was kraucht denn da im Busch herum,
diesmal ist's nicht Napoleum,
diesmal ist’s der Tartaren-Kan,
der wetzt den blut'gen Hunnenzahn.
O Nikolaus, o Nikolaus,
willst du wohl aus dem Busch heraus ?
Sonst packen wir dich beim Castell
und gerben dir das Juchtenfell.
Ist deine Afterseit' auch groß -
frag' nur den Musjö Franzos':
Der hält die Hos' sich heute noch
und starrt auf das Vogesenloch.


 

 

 


Spottverse
aus dem Ersten Weltkrieg 1914 – 1918


Zum Oberfeldherrn sprach der Zar:
»Ach Väterchen, so ist es wahr,
Ihr seid schon wieder mal geschlagen
und habt die Deutschen nicht am Kragen:
Oh weh, das ist ein schlechter Krieg!
Gefang’ne zehn, dann zwanzig Mille,
fürwahr, das sind doch gar zu ville.
Was sind das nur für tolle Sachen,
wie mögen das die Deutschen machen?
Warum macht Ihr’s nicht ebenso,
dass wieder ich des Lebens froh?«

»Ja«, sprach der Gen’ralfeldmarschall,
»es ist fürwahr ein schwerer Fall.
Die Deutschen scheinen es zu spüren,
dass sie keine Schlacht verlieren.
Sie singen in der höchsten Not:
›Ein feste Burg ist unser Gott‹.«


»Ei«, sprach der Zar, »dann singt doch auch!
Wenn erster Vers bei Deutschen Brauch,
dann singt den zweiten, will doch seh’n,
ob’s dann bei uns nicht auch wird geh’n.«

»Oh nein«, sprach Gen’ralissimus,
»dann ist es gar erst aus und Schluss:
›Mit unsrer Macht ist nichts getan‹,
oh nein, oh nein, das geht nicht an!«


 

 

 

 

 

 


Spottverse
aus dem deutsch-französischen Krieg 1870-71

 
König Wilhelm saß ganz heiter
jüngst zu Ems, dacht’ gar nicht weiter
an die Händel dieser Welt.
Friedlich, wie er war gesonnen,
trank er seinen Kränchenbronnen
als ein König und ein Held.

Da trat ein ins Kabinette
eines Morgens Benedette,
den gesandt Napoleon.
Der fing zornig an zu kollern,
weil ein Prinz von Hohenzollern
sollt auf Spaniens Königsthron.

Wilhelm sagte: »Benedettig,
Sie ereifern sich unnötig,
brauchen Sie doch mal Verstand.
Von mir aus mögen die Spaniolen
sich nach Lust ’nen König holen,
mein’thalb aus dem Pfefferland.

Der Gesandte, so beschieden,
gab sich lange nicht zufrieden,
weil er’s nicht begreifen kann.
Und er schwänzelt und er tänzelt
um den König und scharwenzelt,
möcht’ es gerne schriftlich ha’n.

Da sieht unser Wilhelm Rexe
sich das klägliche Gewächse
mit den Königsaugen an.
Sagte gar nichts weiter, sundern
wandt’ sich so – damit bewundern –
jener seinen Rücken kann.

Als Napoleon das vernommen,
ließ er gleich die Stiebeln kommen
die vormals sein Onkel trug.
Diese zog der Bonaparte
grimmig an, als auch der zarte
Lulu nach den seinen frug.


So, in grauer Kriegsausrüstung
rufen sie in stolzer Brüstung:
»Auf, Franzosen, über’n Rhein!«
Und die Kaiserin Eugenie
ist besonders noch diejenie,
die ins Feuer bläst hinein.

Wilhelm spricht mit Moltk’ und Roone
und sagt dann zu seinem Sohne:
»Fritz, geh hin und haue ihn!«
Fritze, ohne lang zu feiern,
nimmt sich Preußen, Schwaben, Bayern,
geht nach Wörth und hauet ihn.

Haut ihn, dass die Lappen fliegen
und sie all’ die Kränke kriegen
in das klappernde Gebein.
Dass sie, ohne zu verschnaufen,
bis Paris und weiter laufen
und wir ziehen hinterdrein.

Unser Kronprinz, der heißt Fritze
und der fährt gleich einem Blitze
unter die Franzosenbrut.
Und, ob wir sie gut geschlagen,
Weissenburg und Wörth kann sagen,
denn dort schrieben wir mit Blut.

Ein Füsilier von Dreiundachtzig
hat das neue Lied erdacht sich
nach ’ner alten Melodei.
Drum, ihr frischen blauen Jungen,
lustig darauf losgesungen,
denn wir waren auch dabei.

* * * * * * *



Impressum

Texte: Nach dem "Hörensagen" aufgeschrieben von Claus H. Stumpff
Bildmaterialien: aus Privatarchiv von Claus H. Stumpff (Der Mann mit Helm auf dem Cover war sein Großonkel, ebenso der stolze Reiter auf der letzten Seite)
Tag der Veröffentlichung: 01.01.2011

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