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Eintrag: Donnerstag, denn 11.12.08, Uhrzeit: 15:32
Es ist eine Schnapsidee.
Eine absolute Schnapsidee. Verrückt, aber einmalig. Einfach nur das. Mehr nicht.
Und obwohl Alice und ich das wissen, reisen mir Morgen, nach London, um ins Kino zu gehen.
Genau, wir reisen extra wegen einem Kinofilm nach London.
Gut, dazu muss man aber auch sagen, dass der Film in Deutschland erst Mitte/Ende Januar rauskommt. Das ist noch ziemlich lange hin. Und da wir ganz verrückt nach dieser Buchverfilmung sind, reisen mir Morgen einfach mal so übers Wochenende nach London. Die Kinotickets hat uns die Freundin von Alices Bruder gekauft, die in London gerade in wohnt. Die Tickets müssen wir dann nur noch vorher abholen.
Das wird ein richtiger Spaß, kann ich euch sagen. Zumindest sehe ich das nun sehr optimistisch.
Vielen Dank an die Freundin von Alices Bruder, Rosalie und auch an Alices Bruder Emmett.
Ohne euch würde diese Exkursion Morgen vermutlich gar nicht stattfinden.
Und das Morgen ist wie ihr wisst, mein erster Flug. Ich bin vorher noch nie geflogen, wie ihr schon in meinen anderen Blogs gelesen habt.
Einige von euch haben gefragt, ob ich nervös bin, eben weil es mein erster Flug ist.
Und ich kann nun ganz ehrlich darauf antworten, dass ich eigentlich nicht nervös bin, eher super aufgeregt, weil ich ja gar nicht weiß, was mich so in London erwartet.
Und ich freu mich einfach schon riesig auf den Film. Und nein, ich glaube nicht, dass er mich enttäuschen wird. Auch wenn ich den ersten Roman der Serie liebe. Ich hoffe und denke, dass der Film dem Buch sehr nahe kommen wird. Außerdem sind die Schauspieler sehr gut.
Gut, dann zur nächsten Frage. Wie stelle ich mir London vor?
Groß. Überbevölkert. Multikulturell. Überdimensional. Wie eben jede andere Großstadt auch..
Ihr braucht übrigens keine Angst zu haben, dass ich mein Weblog die Tage aus lasse. Viele von euch wollen doch wissen wie es in London ist.
Für was gibt es denn das Handy. Ach so, wenn ich über den Kanal bin heißt es ja nicht mehr Handy sondern Mobile Phone. Oh man, hoffe rede ich nicht irgendein Stuss und mach mich voll zum Affen.
Wir werden sehen. Die Fotos werdet ihr dann allerdings erst sehen, wenn ich wieder da bin, es sei denn ich finde bis dahin heraus, wie ich Fotos von meinem Handy hoch laden kann.
Also meine Lieben, freut euch mit mir auf London.
Ich werde am Sonntag dann wieder da sein, es sei denn ich lerne vielleicht einen schnuggeligen Typen kennen, der mich auf seine Burg einlädt. Vielleicht lerne ich ja sogar Prinz William oder Prinz Harry kennen. Wäre doch was ^^
In Liebe
Eure Bella


- 1 -
Okay, eigentlich hätte ich es ja wissen müssen. Warum reg ich mich eigentlich auf? War ja doch irgendwie klar.
Ich kenne Alice ja nun lange genug. Und ich weiß schon, was sie davon hält pünktlich zu kommen. Sie sieht das mit der Pünktlichkeit nun mal einfach nicht so eng wie ich.
Und warum stehe ich dann nun also dennoch pünktlich um 8:30 vor meiner Haustür und warte auf sie?
Gut, vielleicht liegt das daran, dass ich nervös bin. Ein wenig vielleicht. Was man aber nachvollziehen kann.
Aber Alice hat mir gestern Abend extra noch eine SMS geschrieben, dass sie mich mit ihrem Bruder genau um 8:30 abholt. So hier bin ich also.
Ich zog mal wieder mein Handy aus der Jackentasche meines roten Mantels und schaute auf die Uhr. Oh, seit ich das letzte Mal auf das Display geschaut hatte, war nicht mal eine Minute vergangen.
Nicht mal eine Minute. Das kann doch gar nicht sein. Vielleicht ist ja die Batterie kaputt. Ich meine ich habe es ja schon seit 1,5 Jahren. Da könnte die Batterie doch schon mal nachlassen oder?
Schnell steckte ich das Handy wieder in meine Jackentasche.
Ich warte einfach. Wird ja wohl nicht so schwer sein.
Es ist allerdings schon kalt. Verdammt kalt.
Vielleicht sollte ich einfach noch mal rein gehen.
Nein, sie kommen bestimmt gleich. So lange brauchen sie ja nicht und da sie ja eh schon unterwegs sind, sind sie ja auch gleich da.
Vielleicht sollte ich Alice mal anrufen?
Nein, sie sind bestimmt schon unterwegs. Ganz bestimmt.
Gut, dann schreib ich ihr aber eine SMS.
Ich zog mir die schwarzen Handschuhe aus und nahm mein Handy wieder in die Hand.
Das Display wurde schnell aufgeklappt und schon fand ich mich in dem Menü um Alice eine SMS zu schreiben.
>Hallo, ich warte. Es ist halb Neun. LG

Eintrag: Freitag, den 12.12.08, Uhrzeit: 11:30
Wow.
Ich wusste ja gar nicht das Fliegen so toll sein kann.
Nein, ich habe mein Handy noch nicht wieder an. Ich traue mich einfach nicht. Könnte ja doch was passieren.
Ich schreibe das hier gerade auf einen Zettel und tippe es nachher schnell ein.
Alice hat mich die ganze Zeit während des Starts angeschaut. Okay, sie hat mich beobachtet, das war kein normales ansehen mehr. Wirklich. Sie wollte sehen wie ich reagiere, wenn das Flugzeug abhebt. Oder so? Keine Ahnung. Irgendwas in der Art hatte sie gemeint.
Aber es war toll. Da war so ein Kribbeln.
Ich glaube ich sollte nun öfters fliegen.
Vielleicht mal nach Paris. Gut, ich mag die Sprache nicht so sehr, aber den Eifelturm würde ich mir schon mal ansehen. Was kann man sich denn da noch so ansehen? Das Louvre vielleicht. Ich gehe ja eigentlich schon gerne in Museen.
Die Museumsinsel in Berlin finde ich ja toll, da war ich ja dieses Jahr im Sommer mit Kate.
Am liebsten mag ich so Antike Sachen. Dinge aus dem alten Griechenland oder aus dem alten Ägypten. Die Büste der Nofretete war sehr interessant.
Okay, es war eine Büste. Aber schließlich ist diese ja berühmt.
Wow, die Landschaft sieht schon toll aus von ihr oben. Wir fliegen übrigens über Holland. Mal schauen, vielleicht erkenne ich ja den Unterschied.
Nein, nicht wirklich.
Vielleicht mal nach Madrid. Oder Athen.
Ah, da ist schon das Wasser.
Das muss ich mir nun genauer ansehen.
Rom wäre auch toll.
Bis später
Eure Bella


- 2 -
„Vielleicht hätten wir rechts abbiegen sollen?“
„Vielleicht auch nicht“, meinte Alice und blickte mich nicht mal an. Sie schaute sich die Straßenschilder an und die Häuser in den Straßen.
Gut, wir haben uns verlaufen. Ein wenig vielleicht. Geringfügig.
Unsere Haltestelle von der U-Bahn, mit der wir auch hier hergekommen sind, ist die Gloucester Road. Und eigentlich sollten wir nur um die Ecke und dann würden wir direkt auf unser Hotel hinzulaufen.
Aber irgendwie nicht so ganz.
War bestimmt die falsche Ecke.
„Wir haben uns verlaufen.“
„Nein, haben wir nicht.“
„Vielleicht sollten wir jemand fragen?“
Also das ist echt saudämlich diesen Koffer hinter sich herzuziehen. Hätten wir den nicht irgendwo abgeben können und dann weiter suchen können?
„Gute Idee“, meinte Alice eilte nun plötzlich über die Straße, ohne vorher nach links und rechts zu schauen und fragte hoffentlich jemanden nach dem Weg.
Ich blickte über die Straße. Das mit diesem Linksverkehr ist schon ein wenig kompliziert.
Aber das Gute ist. Die Londoner haben mitgedacht. Die haben doch wirklich an ihre Touristen gedacht, sehr vorbildlich. Vermutlicht gab’s hier ganz schön viele Unfälle in die Touristen verwickelt waren.
Wenn man nämlich über die Straße gehen will, steht auf dem Boden „Look Left“ oder „Look Right“. Das ist richtig gut. Diese Engländer sind ja so schlau.
„Hier geht’s lang“, meinte Alice und ging nun in die Richtung aus der wir hergekommen sind.
„Haben wir uns verlaufen?“
„Jetzt nicht mehr.“
Gut, hoffentlich.
Wir liefen den Weg also zurück.
Kensington ist schon ein schönes Fleckchen. Hier sind die Häuser so schön hoch und die meisten sind weiß.
Oh, da ist unsere U-Bahn-Station. Hier waren wir also schon mal.
Ich kenne mich hier aus. Sehr gut. Das ist ein gutes Gefühl.
„Du weißt sicher wo es lang geht?“, fragte ich Alice noch mal. Eigentlich hab ich einen guten Orientierungssinn. Das war zumindest so, als Kate und ich in Berlin waren. Aber nun. Ich meine, mein Orientierungssinn ist deutsch und dem englischen Gegebenheiten wohl einfach noch nicht angepasst. Oder so.
„Ah, da ist es“, meinte Alice nach einer Weile durch die Gegen laufen und deutete mit ihrem rechten Zeigefinger auf ein Haus. Es war weiß und genauso so hübsch wie die anderen. Und es hatte ein Schild an der Tür. Den Namen unseres Hotels.
Gut es sah meiner Meinung nach eher aus wie ein Familienhaus der oberen Mittelklasse oder so. Aber es war schick und irgendwie hatte es etwas ganz Besonderes.
Ach, London ist schon toll. Es gefällt mir auf jedenfall. Wenn es einem vom Außen gefällt, dann doch bestimmt auch von innen.

Gut, das Zimmer ist etwas klein. Aber wir werden hier ja nur zwei Nächte schlafen.
Vielleicht schlafen wir ja auch gar nicht und machen die Nächte durch.
Okay, ich habe mir echt eine schönere Aussicht vorgestellt.
Aber es ist ja London. Und wie oft werde ich schon im Hotelzimmer sein und aus dem Fenster sehen, um die Landschaft zu genießen. Eigentlich gar nicht. Also kann es mir ja auch eigentlich egal sein.
Genau so sollte ich die Sache betrachten.
„Das Badezimmer ist ziemlich klein, findest du nicht auch Bella.“
Ich blickte von meinem Koffer auf, den ich auf meinem Bett geöffnet hatte und lächelte sie warm an. „Ach weiß du Alice. Wir werden doch eh kaum hier sein.“
Hey, das klang richtig überzeugend. Ich bin wirklich gut.
„Ja, das hast du allerdings Recht.“ Sie setzte sich auf ihr Bett und sah mich erwartungsvoll an. „Also, wollen wir endlich los?“
„Ich weiß noch nicht was ich einpacken soll.“
„Wofür?“
„Für unsere Tour“, erklärte ich ihr und deutete auf meine Handtasche. „Man sagt doch es regnet immer in London.“
Alice beugte sich über mein Bett und sah aus dem Fenster in den Himmel. „Also es sieht nicht so aus, als ob es heute noch regnet.“
Ich folgte ihrem Blick in den Himmel. Der war wirklich strahlend blau. „Du hast wohl Recht. Also lass ich den Regenschirm wohl besser hier.“
„Vielleicht ist es ja nur so ein Ammenmärchen, dass es in London immer regnet. Oder hast du schon mal gehört, dass hier der größte Umsatz von Gummistiefeln und Regenmänteln ist?“
„Nein, hab ich nicht gehört. Du hast wohl Recht.“ Ich klappte den Koffer wieder zu und griff nach meiner Handtasche, die im roten Schottenkaro-Muster war. Hatte ich schon erwähnt, dass ich Schottenkaro-Muster liebte.
„Gut, also dann lass uns mal diese tolle Stadt ansehen.“
Vielleicht hätte ich eigentlich nach Schottland reisen sollen, anstatt nach England.
Alice grinste mich an. „Aber so was von.“
Ich grinste zurück. „Wusstest du eigentlich, dass Dido hier geboren wurde.“
„Nein, das wusste ich nicht. Steht das etwa auch in deinem schlauen Buch?“
„Nein, das habe ich aus dem Internet.“
Alice schloss unser Hotelzimmer mit der Karte ab. Das komische an diesem Hotel ist auch der Teppichboden. Es fühlt sich so an, als wären da mehrere Schichten Teppichboden übereinander. So weich und doch so komisch.
In unserer Wohnung gibt es nur Parkettboden und Fließen in Bad und Küche. Ich weiß noch, dass ich in meinem Elternhaus früher einen Teppichboden im Zimmer hatte. Aber der war bestimmt nicht so weich.
„Und Mischa Barton“, fügte ich hinzu. „Und Kate Beckinsale.“
„Hier gibt es anscheinend ein paar tolle Frauen. Kannst du mir auch ein paar gutaussehende Kerle nennen?“, fragte Alice und drückte auf dem Knopf vom Aufzug. „Die würden mich nämlich mehr interessieren.“
„Ja, sofort.“ Ich zog mein schlaues Buch aus meiner Tasche und schlug es sofort an der passenden Seite auf. „Wie wäre es mit David Bowie?“
„Zu alt.“
„Phil Collins. Ach nein warte, der ist dir vermutlich auch zu alt.“
„Genau.“ Sie grinste. „Weiter.“ Die Tür des Aufzugs öffnete sich mit einem Pling.
„Wie wäre es mit Tom Felton?“
„Wer ist Tom Felton?“ Alice drückte auf die Taste und die Türen schlossen sich wieder.
Ich blickte sie skeptisch an. Jeder kannte doch wohl Tom Felton. „Na, du weißt schon, der Schauspieler. Der hat bei Harry Potter mitgespielt.“
„Ja, wen?“
„Den Drago Malfoy“, antwortete ich ihr.
„Ich steh nicht auf Blonde“, antwortete sie mir.
Ja, das wusste ich allerdings. Wir standen beide eher auf Dunkelhaarige-Kerle.
„Gut, ich suche ja schon weiter.“
Ich musste doch wohl irgendeinen Namen aufgeschrieben haben, den Alice für interessant halten würde. Irgendeinen.
Oh, da steht ein Chemiker. Warum habe ich einen Chemiker auf die Liste gesetzt?
„Oh, wie wäre es mit Hugh Grant“, schlug ich vor.
„Ich habe mir letztens noch mal den Film „Mitten ins Herz“ angesehen“, meinte sie grinsend.
„Hast du den Soundtrack eigentlich immer noch von mir?“
Sie grinste mich an. „Kann schon sein.“
„Aha“, registrierte ich ihre Antwort mit einem Nicken. Das ist so. Ich habe eine ordentliche Sammlung von Soundtracks. Ich sammele die Dinger einfach. Ich liebe sie. Das fing mit „Dirty Dancing“ an. Und dann wurden es immer mehr. Irgendwie. Echt komisch. Manchmal denke ich, die vermehren sich wie von selbst. Aber ich kann mich auch nicht von ihnen trennen. Ich höre die mir bestimmt mal wieder an. Oder vielleicht spiele ich sie meinem Kind vor, wenn ich schwanger bin. Das ist viel informativer und lehrreicher als Mozart oder Beethoven.
„Außerdem gibt es da noch Jude Law.“
„Du vergisst Prinz Harry und Prinz William.“ Sie griff nach meinem Buch, klappte es zu und steckte es mir wieder in die Tasche. Anscheinend hatte ich keinen passenden Kerl für sie gefunden. „So nun komm, wir wollen schließlich was erleben.“ Ich legte den Arm um sie und beide gingen wir aus dem Hotel.
Hinein ins wirkliche Leben.
Hinein in London.

Eintrag: Freitag, den 12.12.08, Uhrzeit 15:30
Das wird nur ein kurzer Eintrag. Aber ich habe eine sehr wichtige Frage an Euch, meine Lieben.
Kurzmeldung: Bisher geht’s mir sehr gut, um das kurz noch zu erwähnen. London gefällt mir bisher auch ziemlich gut.
Wir sind gut angekommen und die Sprache ist gar nicht mal so schlimm. Bis jetzt zumindest. Wird sich noch zeigen.
Zu meiner Frage: Wenn ihr an London denkt, an was denkt ihr da ganz genau?
Was fällt euch zu erst ein? Was ist eurer Meinung nach typisch für London?
Big Ben? Die Queen? Tower Bridge? Der Tower von London?
Westminster Abbey? Oxford Street? Harrods?
An Andrew Lloyd Webers Musicals? Trafalgar Square?
St. Paul's Cathedral? Buckingham Palace?
London Eye? Hyde Park?
Lady Di und ihre hübschen Söhne?
An was genau denkt ihr also zuerst?
Nicht lange drüber nachdenken. Schreibt es mir.

Eure Bella

- 3 -
So von der Cloucester Road haben wir die dunkelblaue Linie auf meinem Plan genommen, um direkt beim Piccadilly Circus raus zu kommen. Die Piccadilly Linie.
So schwer ist es gar nicht dieses U-Bahn-Netz zu entschlüsseln. Ich hab mir diesen Plan direkt im Flugzeug schon mal angesehen. Man musste eben nur wissen wo man hin wollte, dann war alles ganz leicht. So war es doch auch im Leben. Man musste nur ein Ziel haben, dann ist der Weg dahin gar nicht mehr so schwer.
Wow.
Das nenne ich mal eine Rolltreppe.
„Okay, entweder sind die Menschen in London ziemlich faul“, fing Alice an.
„Oder wir kommen wirklich aus dem Untergrund und der ist so tief, dass kein Mensch den Weg nach oben durch Treppen erklimmen könnte.“ Ich lächelte Alice an. „Das ist unser erstes Erlebnis. Riesengroße Rolltreppen.“
Vor allem sollte man rechts stehen. Damit links die Leute an einem vorbei rennen konnten, die es sehr eilig haben. Sehr klug diese Londoner.
Gut ich war wirklich hippelig. Ich hätte vielleicht den Schokoladenriegel nicht mehr verdrücken sollen.
Und dann standen wir auch schon vor der riesigen Reklametafel.
Die Reklametafel die für den Piccadilly Circus so berühmt ist. Die ihn dadurch erst berühmt gemacht hat, denk ich zumindest mal.
Wow.
Ich kann es noch immer nicht glauben, wir sind wirklich in London.
Mitten drin.
Um uns herum laufen die Menschen in alle Richtungen verstreut. Nur die wenigen bleiben stehen und blicken sich die Reklametafel an.
Neben dran ist ein riesiges Gebäude dessen Fenster leuchten. Zuerst blau, dann pink und dann rot. Immer abwechselnd. Gegenüber der Reklame ist eine Statue aus Pferden. Die sind echt hübsch, muss man schon sagen.
„Und wohin nun, Globetrotterin?“, fragte ich Alice, nachdem ich ein Foto von allen Dingen des Platzes machte. Die Reklametafel, das bunte Haus, die Pferdestatur, diese Elfenstatue. Könnte aber auch ein Engel sein.
„Wir sind keine Globetrotter.“
„Gut, dann sind wir eben zwei Verrückte. Ganz wie du willst.“ Ich lächelte sie an. Mir war doch egal, was wir nun sind. Wir sind in London, das ist doch das Wichtigste von allem, oder etwa nicht?
„Ich würde sagen, wir gehen einfach mal drauf los“, schlug Alice vor und ich war mit ihrem Vorschlag mehr als nur einverstanden. Gut, ich hatte im Notfall immer noch mein schlaues Buch dabei. Das würde uns im Notfall schon aus allen Situationen retten, da war ich mir ziemlich sicher.
Ich weiß, wenn ich nun wieder 'Wow' sage, dann wiederhole ich mir nur allzu deutlich. Aber es ist wirklich überwältigend. Die Lichter, die Menschen, die Bilder. Einfach alles. Und wie viele verschiedene Kulturen hier gemeinsam zu leben scheinen. Es ist eben eine Großstadt. Eine ganz besondere irgendwie. Ist schließlich unsere Schnapsidee-Stadt.
Ich musste erst mal tief Luft holen. Das ist wohl englische Luft. Mal schauen wie sie auf mich einwirkt. Okay, ich weiß, ich bin ein wenig verrückt. Aber die ganze Aktion ist nun mal ein klein wenig verrückt.
„Schau mal, wie cool“, hörte ich nur noch Alice sagen und blieb stehen. Ich sah mich nach ihr um. Gerade eben, war sie doch noch direkt neben mir gewesen. Wo war sie denn?
Dann entdeckte ich sie an einem Schaufenster. Ich grinste und trat zu ihr. Was hat sie denn nun entdeckt?
„Was ist dass denn?“, fragte ich sie und blickte in das Schaufenster. Okay, London ist wirklich eine sehr interessante Stadt.
Da ist ein Krokodil im Schaufenster. Mit Zähnen und so.
Okay, dieses Tier scheint nicht echt zu sein. Eine Attrappe, aber es wirkt dennoch echt cool. Das grüne Wesen hebt seinen Kopf immer wieder aus dem Wasser, öffnet dann seinen Mund um allen seine mächtigen Zähne zu zeigen und schlägt mit seinem Schwanz ein wenig aus. Lianen und wilde Blätter, in verschiedenen Größen hingen über den kleinen Urwald und umrahmten das Schaufenster wie ein Bilderrahmen.
„Interessanter Laden, nicht?“
„Und das soll ein Restaurant sein?“, fragte ich sie. Denn laut Namen war es ein Restaurant. Aber 'Rainforest' klang echt cool.
Alice nickte schmunzelnd, nahm meine Hand und führte mich mit in den Laden.
Natürlich mussten wir uns ansehen, wie dieser Laden von innen aussah und was es da so alles drin gibt. So was gibt’s in Deutschland vermutlich gar nicht.
Okay, das ist ja mal echt der Hammer. Wow, hier kann man die tollsten Kuscheltiere kaufen, die ich je gesehen habe. Richtig, Kuscheltiere. Lauter exotische Tiere. Einfach nur geil.
Wenn man übrigens in das Restaurant wollte, musste man einfach die Treppe nach unten gehen.
Aber die Kuscheltiere waren einfach interessanter. Mit einem breiten Grinsen gingen wir durch die Gänge und schauten uns alles an.
„Schau, da ist auch das Krokodil“, meinte ich zu Alice, doch die war schon in einem anderen Gang. Dann eben nicht. Ich ging zu dem kleinen Becken und zückte meine Kamera. Eine Nahaufnahme musste her. Eindeutig. Das glaubt mir doch bestimmt sonst keiner, wenn ich sage, dass es in London sogar Restaurants gibt, in denen ein Krokodil im Schaufenster liegt. Echt oder Unecht ist doch egal.
„Excuse me, beautiful.“
War ich etwa damit gemeint?
Ich drehte mich um und blickte in das lächelnde Gesicht eines jungen Mannes. Er war bestimmt kaum älter als ich. Aber er sah echt toll aus. Er hatte die schönsten blauen Augen, die ich je gesehen hatte. Und diese Uniform. Ich finde ja das Männer in Uniformen verdammt sexy aussehen. Scheint eine Art Schuluniform zu sein.
„Ich weiß, es klingt bestimmt komisch. Aber ich würde gerne ein Foto machen. Von dir und mir. Geht das?“, fragte er mich und lächelte mich dabei zuckersüß an.
Er will ein Foto mit mir machen? Warum denn mit mir?
Ich blickte mich fragend um, ob er nicht vielleicht doch jemand anderes gemeint hatte. Aber da stand keiner mehr. Da war nur ich.
„Du willst wirklich ein Foto von uns beiden?“, fragte ich ihn skeptisch und deutete mit dem Zeigefinger auf uns beide.
Er nickte. Er nickte wirklich.
Okay, das war irgendwie ein wenig verrückt. Aber ich bin in London und das ist ja auch verrückt. Warum also nicht!
Also nickte ich ihm auch zu und er lächelte mich erleichtert an.
Sofort stand er neben mir, legte den Arm um mich und deutete seinem Freund, dass er das Foto schießen konnte.
„Das ist wirklich nett von dir. Danke. Bist du aus der Gegend?“
Ob ich von hier bin?
Wohl kaum. Na ja, nicht ganz. Ich fühle mich zwar nun irgendwie sehr wohl, was wohl aber nicht unbedingt an der Stadt liegt, sondern eher an diesem gut aussehenden jungen Mann, der den Arm um mich gelegt hatte.
London gefiel mir wirklich immer besser. Von Sekunde zu Sekunde. Kaum zu glauben, aber wahr.
„Nicht wirklich“, meinte ich und lächelte ihn an. „Ich komme aus Deutschland.“
Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass dieser Kerl verdammt gut aussieht?
Er hat hammergeile goldbraune Augen. Wundervolles braonzefarbenes Haar, das ich am liebsten berühren möchte. Außerdem hat er dieses süße Grübchen an den Lippen, wenn er lächelt.
„Deutschland? Wirklich?“, fragte er überrascht. Dann hielt er mir auch schon die Hand hin.
Schade, das war die Hand die er gerade um mich gelegt hatte.
„Hallo, Mädchen aus Deutschland. Mein Name ist Ed“ , stellte er sich vor.
Ed? Wie Edwad?
Gut, er sah sogar besser aus als Prinz William.
Ich schmunzelte, nahm seine Hand aber entgegen.
„Hallo, Ed. Ich heiße Isabella. Aber alle nennen mich Bella.“
Sein Freund, der eben noch das Foto von uns geschossen hatte, drehte sich nun um und blickte sich ein paar Kuscheltiere an.
„Bist du alleine in London?“, fragte Ed mich nun.
Er schien sich anscheinend wirklich mit unterhalten zu wollen.
Was ich wirklich toll fand, denn ich wollte mich auch mit ihm unterhalten. Ein Einheimischer will sich mit mir unterhalten. So schlecht kann mein English also gar nicht sein, wenn ich ihn damit nicht vergraule.
„Nein, bin ich nicht. Meine Freundin Alice ist mit von der Partie.“ Ich suchte besagte Freundin gerade. Sie war doch eben noch bei den Affen gewesen. Aber nun stand sie da nicht mehr im Gang.
Dann entdeckte ich sie endlich. Ich winkte ihr zu.
Sie lächelte mir zu und kam nun auch zu uns herüber.
„Darf ich dich fragen, wie lange du in London bleiben wirst, BElla?“
Lächelnd blickte ich ihn an. Ich mochte es, wie er meinen Namen aussprach. Einfach nur zum Lächeln.
Irgendwie war er ja schon doch süß, dieser Ed. Und anscheinend störte es ihn gar nicht, dass mein Englisch so grottenschlecht war. Gut, ich gab mir ja schon Mühe und überraschenderweise konnte ich mich anscheinend sogar recht gut mit dem einheimischen Volk verständigen. Mit dem einheimischen Volk, wie das klingt.
Normalerweise war mein Englisch nur besser, wenn ich etwas gebechert hatte. Gut vielleicht lag es doch an den Schokoriegel und mein Blutzuckerspiegel war erhöht. Hat vielleicht die gleiche Wirkung wie Alkohol.
„Wir sind erst vor ein paar Stunden hier angekommen. Und zurück geht’s dann wieder am Sonntag.“
Vielleicht will er mich ja gleich fragen, ob ich nicht mit auf sein Schloss kommen möchte. Er hat doch bestimmt ein Schloss. Er heißt schließlich Edward, bestimmt. Nur so halt. Mir vielleicht seinen schönen englischen Garten ansehen und die 10 Schlafzimmer oder so.
Ich wüsste gar nicht, was ich dann sagen würde.
„Du bist erst seit ein paar Stunden hier und schon wirst du von einem fremden Kerl angesprochen“, meinte er lächelnd.
Ja, also er hat schon ein verdammt süßes Grübchen.
„Ehrlich gesagt, finde ich es gar nicht mal so schlimm, dass ich von dir angesprochen wurde.“
Oh Gott, was sag ich denn da bloß?
Vielleicht habe ich ja gerade irgendwas Komisches gesagt und er lacht mich nur aus Nettigkeit nicht aus.
Schön durchatmen!
„Darf ich dich nun auch was fragen? Ist das deine Schuluniform?“
Ja, genau, vielleicht sollte ich ihm gleich sagen, dass ich auf Kerle in Uniform stehe. Vor allem, wenn die Krawatte in Schottenkaro-Muster gehalten ist. Da fällt mir ein blaues Schottenkaro-Muster fehlt mir noch in meiner Sammlung. Vielleicht kriege ich die Krawatte ja, wenn ich nett frage und lieb schaue.
Gut, dann würde er mich vielleicht für verrückt halten. Bestimmt.
„Ja, das ist unsere Schuluniform. Jasper und ich gehe hier auf ein College.“
Ach wie süß. Sein Freund heißt also Jasper.
Warum gibt es eigentlich in Deutschland keine Schuluniformen?
Wir haben in der Schule mal darüber abgestimmt. Ich war immer dafür, aber durchgeführt wurde das nicht. Es gab sogar mal so eine Versuchsgruppe. Aber die sind dann nur mit den gleichen T-Shirts rum gelaufen. Das wirkte dann aber nicht so.
„Bella, was hast du denn da für zwei süße Typen aufgerissen“, meinte Alice zu mir auf Deutsch und legte den Arm um mich.
„Ich habe gar niemand aufgerissen“, stellte ich sofort klar. „Ed hat mich angesprochen, ob er nicht mit mir ein Foto machen kann.“
„Ein Foto? Mit dir?“
Ich ignorierte ihren Einwurf einfach. „Und Jasper, sein Freund“, ich deutete auf ihn. „hat das Foto gemacht.“ Dann lächelte ich Ed wieder an und er erwiderte es auch noch.
Himmlisch.
„Ed, das ist meine Freundin Alice. Alice, das ist Ed“, stellte ich die Beiden einander vor.
„Es ist mir eine Freude dich kennen zu lernen, Alice.“ Er lächelte sie nun auch an. „Und das ist mein Freund Jasper.“
Nun gesellte sich auch Jasper richtig zu uns.
Er war übrigens blond, hatte braune Augen und war ein wenig kleiner als Ed.
„Was haltet ihr denn davon, wenn wir euch ein wenig von London zeigen?“, fragte Ed.
Das ging nun wirklich nicht.
So was konnte ich doch nicht annehmen. Die Beiden hatten bestimmt was Besseres vor.
Bestimmt.
Ich wollte gerade meinen Mund öffnen, doch Alice war mal wieder schneller.
„Das ist wirklich eine tolle Idee, Ed. Du kennst bestimmt die tollsten Dinge hier in London.“ Sie blickte mich mit ihrem Sag-jetzt-bloß-nichts-Falsches-Blick an.
„Was soll denn das? Du kannst doch nicht einfach zusagen“, meinte ich zu ihr in Deutsch, so dass Ed und Jaspery es hoffentlich nicht verstanden.
Ihr Blick war mir ziemlich egal. Das ging doch einfach nicht.
Alice seufzte und fuhr sich durch ihr dunkles Haar. „Hör mal Bella, diese hübschen Jungs wollen uns die Stadt zeigen. Es wäre doch wirklich mehr als unhöflich den Beiden einfach abzusagen. Außerdem können wir das schon mal gar nicht, schau sie dir doch an. Sie sehen echt toll aus.“
Ja, dass sie gut aussahen, war mir ja gar nicht entfallen. Aber dennoch.
Aber ich hatte vermutlich eh keine andere Wahl.
Nein, denn Alice grinste Ed und Jasper schon an und nickte ihnen zu.
Und schon hielt Ed uns die Tür auf. Ich konnte gar nicht anders, als ihn anzuschauen und zu lächeln.
Oh man, vielleicht war das doch keine so schlechte Idee.

Eintrag: Freitag, den 12.12.08, Uhrzeit 16:14
Hat Prinz William vielleicht einen Cousin, der ganz zufällig auch Ed oder Edward heißt?
Einen Cousin, der echt gut aussieht? Eventuell?
Außerdem wüsste ich gerne, wie das englische Wort für 'Schnapsidee' ist?
Haben die so eins? Ein eigenes Wort so wie wir Deutschen?
Ich bin der Meinung die haben nicht so ein Wort. Alice und ich diskutieren deswegen miteinander. Sie glaubt, sie haben so ein Wort. Ich glaube es nicht. Ich meine die haben ja auch kein eigenes Wort für Geschwister. Die müssen dann immer Brüder und Schwester sagen.
Die sind doch so vernünftig und so.
Es würde bestimmt kein Engländer wegen eines Kinofilms in ein anderes Land reisen oder?
Okay, das würde vielleicht auch nicht jeder Deutsche machen.
Aber es ist echt lustig, Leute. Müsst ihr mal machen.

Eure Bella

- 4 -
„Du musst das wirklich nicht tun. Ich meine, dass du uns die Stadt zeigen möchtest.“
Das musste er wirklich nicht. Ich wollte nicht, dass er irgendwas machte, was er gar nicht wollte. Vermutlich hatte er das nur aus Höflichkeit vorgeschlagen. Ist vermutlich in der englischen Erziehung zu.
Seine Mutter hat ihm bestimmt als Kind eingetrichtert, dass wenn er zwei Mädchen trifft, die nicht aus der Gegend sind, dass er ihnen einfach helfen muss.
So muss es sein. Englische Erziehung.
Wir liefen durch die Straßen von London und ich hatte keine Ahnung wo wir waren. Aber gut, wir haben ja zwei Londoner bei uns. Sie kommen doch aus London?
Vielleicht sollten wir ein wenig vorsichtiger sein.
Na ja, nach Gauner oder Taschendiebe sehen sie nicht aus.
Okay, ich hatte auch keine Ahnung wie Taschendiebe und Gauner aussehen. Aber die haben doch meistens so einen Strumpf über den Kopf.
Und das würde bei Ed bestimmt die Frisur ruinieren. Also fällt das schon mal weg. Scheint also nicht sein Hobby zu sein.
„Deine Freundin Alice ist wirklich lustig.“ Er hatte meine Bemerkung anscheinend einfach ignoriert.
Ich blickte zu ihr. Alice und Jasper gingen ein paar Schritte vor uns. Sie schienen sich ebenfalls gut zu amüsieren. Ja, Alice war wirklich eine Frohnatur. Und auf uns beide ist schon viel Mist gewachsen. Aber es war doch immer lustig. Es war ja nie was schlimmes was wir anstellten.
„Ja, Alice ist lustig drauf“, stimmte ich ihm zu.
„Isabella... Bella ist wirklich ein schöner Name“, meinte er richtig ernst.
Wow. Also das war nun wirklich etwas, was ich mal gar nicht erwartet hatte. Er kannte mich doch gar nicht.
Fragend blickte ich ihn an und merkte dass ich errötete und sah deswegen schnell weg.
„Aber er passt zu dir. Ein schöner Name für eine schöne Frau“
Okay. Stop.
Das geht nicht. Wirklich nicht.
Ich kann mir das nicht weiter anhören, sonst schlägt mein Herz gleich noch viel schneller.
„Hör auf“, meinte ich schließlich. Ich musste das hier beenden.
Auch wenn seine wundervollen Worte mich zum schmelzen brachten. Das konnte ich aber nicht gebrauchen.
Vielleicht war er ja ein Casanova. Bestimmt. Und flirtet immer mit Frauen, die von weit weg kommen. Internationale Kontakte knüpfen oder so.
„Normalerweise bedanken sich Frauen für ein Kompliment. Sie sagen Danke oder schauen verlegen weg.“
Ich hörte aus seiner Stimme, dass er wohl ziemlich überrascht war, dass ich wohl nicht an sprang.
Ja, er war bestimmt ein Casanova und hat diese Masche auf seiner Casanova-Schule gelernt. Und Ed war bestimmt auch gar nicht sein richtiger Name. Er heißt bestimmt Antonio oder so. Gut, wie ein Italiener sieht er nun nicht aus.
Okay, vielleicht steigere ich mich auch gerade nur ein wenig hinein.
„Ich bin aber eben nicht wie andere Frauen“, stellte ich klar.
„Das merke ich.“
Als ich ihn anblickte, lächelte Ed nur.
Er war nicht verärgert über meine pampige Antwort?
Gut, vielleicht ist er ja doch kein Casanova. Und diese Grübchen…
„Darf ich dich fragen, warum ihr eigentlich nach London gekommen seid?“
Anscheinend wollte er das Thema wechseln und ich war ihm sogar dankbar darum. So kam ich hoffentlich von der Casanova-Theorie weg.
Dann gibt er mir wenigstens keine Komplimente mehr. Ich kann mit so was einfach nicht umgehen. Ich weiß dann nie ob es ernst gemeint ist oder nicht. Das hatte er bestimmt auch gemerkt.
„Wir gehen heute Abend ins Kino. Deswegen sind wir hier.“
Eigentlich wollte ich das Wort 'Schnapsidee' in den Satz mit einbauen. Aber was ist denn das englische Wort dafür? Haben die überhaupt dafür ein Wort.
„Ihr seid wegen eines Films in London?“, fragte er skeptisch.
Nein, die Engländer kennen anscheinend wirklich keine Schnapsideen. Die verpassen da wirklich was, wenn ich das mal so anmerken darf.
Ich grinste ihn an. „Ja, der Film ist der Hauptgrund für unsere Reise nach London.“
Mustern blickte ich ihn an. Vielleicht hält er mich ja nun wirklich für verrückt.
Da wären zum Beispiel ein paar Punkte auf der Sie-ist-vielleicht-verrückt-Liste:
Ich mache einfach so mit Fremden Fotos.
Unterhalte mich mit ihnen.
Vermutlich ist ihm auch aufgefallen, dass ich seine Krawatte toll finde.
Und nun weiß er auch noch, dass ich allein wegen eines Films nach London gereist bin.
„Natürlich wollen wir auch was von der Stadt sehen. Jetzt wo wir eh da sind“, fügte ich schnell hinzu.
Aber das ändert nun bestimmt auch nichts mehr an seiner Meinung. Vermutlich nicht.
„Sind alle deutschen Frauen so verrückt?“ Ed grinste mich amüsiert an.
Anscheinend hielt er mich zwar für verrückt, aber das war wohl kein Grund, dass er sich nicht mehr mit mir unterhalten wollte. Das war doch ein gutes Zeichen, oder?
„Nein, ich glaube, nur Alice und ich“, antwortete ich ihm lächelnd. Ich strich mir eine meiner Haarsträhnen hinters Ohr.
Was ich eigentlich immer dann machte, wenn ich nervös war. Und ja, ich war nervös.
Da war dieser echt gut aussehende Typ und ich bin mir nicht mal sicher, ob er mich richtig versteht oder ob ich sinnvolle Sätze von mir gebe.
Aber wir sind in London. Wirklich und wahrhaftig. Wir stecken mittendrin in dieser riesigen Stadt.
„Also den Film, den Alice und ich heute Abend sehen werden, der fängt bei uns in Deutschland erst Mitte Januar an. Das hat uns einfach zu lange gedauert“, versuchte ich ihm zu erklären.
Aber ich wusste nicht mal, ob er eine Erklärung hören wollte. Aber reden beruhigt mich irgendwie.
„Was ist denn das für ein Film, dass zwei Verrückte aus Deutschland deswegen extra nach London kommen?“
„Es ist eine Buchverfilmung. Es geht um die Liebe von einem Highschool Mädchen und einem Vampir“
„Ein Vampir?“ Er zog die Augenbraue hoch.
Ich finde das ja immer echt amüsant, wenn jemand die Augenbraue so hoch ziehen kann und die einen dann so richtig skeptisch anschauen.
Ed konnte das auch sehr gut.
Aber er machte sich ja auch anscheinend über mich lustig.
„Also das ist ein wirklich süßer und sehr netter Vampir“, stellte ich sofort klar. Wer gegen meinen schnuckeligen Lieblingsvampir was sagt, hat mich direkt zum Feind. Vielleicht würde ich bei Ed eine Ausnahme machen. Vielleicht. Ich hab mir schon mal überlegt so einer Vampir-Fan-Gemeinde beizutreten. Aber bisher hab ich noch keine sehr verrückte gefunden, der ich mich anschließen kann.
Ich spürte Eds Blick wieder auf mir ruhen und dann hörte ich, wie er sagte: „Ich verstehe.“
Eigentlich wollte ich ihm widersprechen, dass er das bestimmt gar nicht verstehen konnte, aber ich ließ es dabei. Ich wollte ja nichts kaputt machen.
Oh Gott, was soll ich denn bitte kaputt machen?
Ich unterhalte mich mit einem Fremden.
Okay, so wirklich fremd ist er ja gar nicht mehr.
Er heißt Ed, was bestimmt von Edward abgeleitet ist, sieht gut aus, hat ein verdammt süßes Grübchen links neben seiner Lippe. Und ich habe schon mal ausgeschlossen dass er weder Casanova noch Gauner oder Taschendieb ist. Das ist doch schon mal ein Anfang. Muss man denn so viel von einem Menschen kennen?
„Wirklich? Ich denke doch selber oft, dass das eine vollkommen verrückte Aktion ist. Aber genau in diesem Moment bin ich ziemlich froh darüber, deswegen nach London gekommen zu sein.“
Ja, ich bin wirklich froh, dass wir nun in London sind. Wenn es diesen Film nicht geben würde, würde ich mich nicht gerade mit diesem tollen Kerl unterhalten. Das ist eindeutig ein Pluspunkt für die Schnapsidee. Nicht, dass ich unbedingt Pluspunkte brauche um diese Aktion gut zu heißen, aber es ist dennoch einer.
„Jasper und ich haben leider nicht so oft die Gelegenheit einfach mal lustige Dinge zu machen.“
Fragend blickte ich ihn. Was meinte er denn damit? Das hörte sich irgendwie richtig traurig an. Oh, er hat bestimmt eine schlimme Krankheit und muss regelmäßig ins Krankenhaus. Vielleicht muss er drei Mal die Woche zur Dialyse.
„Warum?“
Ich hörte, wie er seufzte. Anscheinend hatte er es wirklich nicht so leicht. „Das College, das wir beide besuchen, ist berühmt für sein gutes Ansehen. Dort gibt es Regeln, an die sich jeder zu halten hat“
„Ich mag keine Regeln.“
Gut, das war bestimmt nicht das, was er nun hören wollte.
Aber nun lächelte er wenigstens wieder. Dieses traurige Gesicht mochte ich nicht. Das mit dem Grübchen gefiel mir einfach besser.
„Unsere Eltern haben uns da hin geschickt, damit wir gerade keine Dummheiten anstellen“
Okay, ich nehme alles zurück, was ich von der englischen Erziehung gesagt habe. Es gehört nun mal dazu, dass man ein paar Dummheiten macht. Aber deswegen sein Kind auf so eine Schule zu schicken, wo es nur um Regeln und so was geht. Wenn ich daran denke, was ich so als Kind immer angestellt habe. Das fing schon als Kleinkind an. Aber im Großen und Ganzen, war ich wohl ein relativ braves Kind. Das hat mir zumindest meine Mutter gesagt. Gut, sie hat mich mit meinen Brüdern verglichen und gegen die Beiden, bin ich wirklich brav.
Aber das hier. Das geht nun wirklich nicht.
Ich könnte ja mal einen Brief an die englische Regierung schreiben, dass ich als Tourist sehr entsetzt war, das zu hören.
Aber vermutlich würde den nicht mal jemand lesen. Vielleicht sollte ich ihn in einen rosa Briefumschlag stecken, bunte Blümchen drauf malen und mit Parfüm einsprühen? Okay, vielleicht nicht rosa. Gibt es Briefumschläge mit Schottenkaro-Muster?
„Verstehe. Dann ist euch bestimmt ziemlich langweilig?“
Also mir wäre an so einer Schule allerdings sehr langweilig. Wenn man gar nichts darf? Gut an meiner Schule gab es ja auch immer Vorschriften. Aber ich persönlich war schon immer der Überzeugung, das Regeln da sind um gebrochen zu werden. Vielleicht sollte ich ihm mal davon erzählen. Okay manche Regeln waren schon sinnvoll. Aber naja…
„Genau. Und deswegen sind wir heute auch ausgebrochen.“
War es denn wirklich so schlimm? Ausbrechen?!
„Ausgebrochen? Das klingt so nach Gefängnis“
„Gut, Ausgebrochen ist wohl das falsche Wort. Abgehauen? Klingt das besser?“
„Ja, das klingt schon sehr viel besser“, erwiderte ich mit einem Lächeln.
Ja, abgehauen kling nun mal einfach besser als ausbrechen. Okay, nicht unbedingt.
„Ihr seid also abgehauen?“
Ed nickte mir mit einem Grinsen zu. Das Grinsen war sehr frech. Aber es gefiel mir. Er wirkte so glücklich und frei. Irgendwie.
„Warum?“
„Damit ich dich treffen konnte.“
Okay, wer ist hier nun der Verrückte?
„Sehr witzig“
„Vielleicht war es Schicksal“, schlug er nun vor.
Wollte er mich gerade veräppeln?
„Ja, vielleicht. Aber vielleicht war es von beiden Seiten auch einfach nur eine dumme Idee, bei der wir beide nicht richtig nachgedacht haben. Und nun sind wir nun mal einfach hier.“, antwortete ich ihm.
Und schon wieder fiel mir das Wort für 'Schnapsidee' nicht ein.
„Was macht ihr Morgen? Habt ihr schon ein festes Programm?“
Ich nickte. Natürlich hatten wir das. Eigentlich hatten wir nur einen festen Programmpunkt. '
„Morgenfrüh gehen wir zu Madame Tussaud“, meinte Alice, die sich nun in unser Gespräch mit einmischte. „Und dann werden wir uns einen dieser Bus – Sight-Seeing-Touren anschließen.“
„Eine Bustour?“, fragte Ed skeptisch. Dabei zog er seine Augenbraue wieder so hoch, dass ich grinsen musste.
„Ja, so sieht und erfährt man doch am besten was von der Stadt, oder nicht?“, fragte ich ihn.
„Und heute geht ihr also noch ins Kino?“, fragte Ed.
Der hatte einfach meine Frage übergangen. Ich mochte es ja gar nicht, wenn man einfach so meine Fragen übergeht. Das war unfreundlich. Hatte ihm das niemand beigebracht?
„Vorher müssen wir noch nach New Malden unsere Kinotickets abholen“, meinte Alice nun.
Jasper hatte sich nun auch uns angeschlossen und lief schweigend neben uns her. Er lief neben Alice und blickte sie immer wieder – meiner Meinung nach – interessiert an.
„Eine Freundin hat die für uns besorgt und sie übergibt sie uns dort. Unser Kino ist dann allerdings in Wimbledon.“

Eintrag: Freitag, den 12.12.08, Uhrzeit 23:59
Ich bin wieder im Hotel angekommen. Gut, wir sind Beide wieder angekommen. Wir leben noch^^
Und ehrlich gesagt, bin ich froh, wenn ich gleich ein wenig schlafen kann.
Irgendwie war dass dann doch ein wenig viel auf ein Mal. Wir sind mit Edl und Jasper vermutlich eh durch halb London gelaufen, aber sie meinten es wäre gar nicht so groß. Wir wären nur durch Soho gelaufen. Dann ist Soho aber sehr groß, kann ich euch mal sagen. Ich habe einen tollen Laden entdeckt. „Cass Art“, heißt der. Da gab es voll die tollen Zeichenutensilien. Und in was für Mengen und die Qualität war einsame Spitze. Ich habe mir neue Malkreide gekauft.
Malt englische Kreide eigentlich anders?
Ich werde es merken, wenn wir wieder in Deutschland sind.
Vielleicht malt englische Kreide ja nur auf englischem Papier.
Nein, die Inselbewohner kriegen das Papier bestimmt importiert.
Hab ich eigentlich schon den tollen Taxifahrer erwähnt, der uns von Wimbledon ins Hotel nach Kensington gefahren hat? Nein, also wirklich, von dem muss ich euch unbedingt erzählen. So ein lustiger Geselle. Der hat uns vielleicht Geschichten erzählt. Was der alles für Kunden hatte. So ein Leben als Taxifahrer ist bestimmt toll.
Nein, ich schule jetzt nicht um. Ganz sicherlich nicht. Mir gefällt mein Job als Chemielaborantin eigentlich ziemlich gut.
Wusstet ihr eigentlich, dass die Royal Family von Deutschland stammt.
Doch wirklich. Ich wusste das auch nicht. Nun weiß ich es. Was man so alles lernt.
Also das fing wohl mit König Georg den Fünften an. Er war Cousin, sowohl des deutschen Kaisers Wilhelm II als auch des russischen Zaren Nikolaus II. Georg V. stammte aus dem deutschen Fürstenhaus Sachsen-Coburg und Gotha war allerdings der erste britische Monarch seit 1714.
Wegen des innenpolitischen Drucks während des Ersten Weltkriegs aufgrund der deutschen Abstammung und Verwandtschaft der königlichen Familie mit dem Deutschen Kaiserreich, änderte König Georg V. am 17. Juli 1917 den deutschen Namen Sachsen-Coburg-Gotha, den die Familie in England seit 1840 trug, in den jetzigen Namen Windsor.
Also dann sind wir bestimmt eigentlich alle miteinander verwandt.
So sehe ich das nämlich. Vielleicht ist Prinz Harry mein Cousin, zehntausendsten Grades. Okay, ich komme nicht aus Gotha oder Sachsen-Coburg...
Aber reintheoretisch sind wir doch eh alle mit einander verwandt.

Okay, ich merke schon, ich bin müde und rede nur Schwachsinn.
Ach so, ihr wollt bestimmt wissen, wie der Film war.
Mein süßer kleiner Vampir... Wow... vielleicht sollte ich wirklich einem Fanclub beitreten.
Er war toll. Auch wenn es so Stellen gab, wo Alice und ich gelacht haben und der Rest nicht. Und es lag nicht an der Sprache. Ich habe ehrlich gesagt – überraschenderweise – alles verstanden.
Vielleicht lag es einfach daran, dass die Witze nicht dem englischen Humor entsprachen?
Das kann allerdings gut möglich sein oder was denkt ihr?

Ich wünsche Euch noch eine Gute Nacht.
Eure Bella, die gleich im Sitzen einschläft, wenn sie nicht Schluss macht


- 5 -
„Du willst mir doch nicht ehrlich weiß machen, dass da nichts war.“
„Da war nichts“, wiederholte ich zum bestimmt Hundertsten Mal.
„Wers glaubt wird selig.“
„Tu was du nicht lassen kannst“, erwiderte ich nur und blickte sie nicht mal an, als ich das sagte. „Wow, da ist Madonna.“ Ich stellte mich neben sie und Sina machte das Foto. Dann tauschten wir die Positionen. Sina kniete sich neben sie. Gut, ich fand aber, dass Madonna in Berlin mir besser gefiel. Da sitzt sie auf einer Couch und nicht auf einem Stuhl.
„Hallo, es hat ein Blinder gesehen, dass es zwischen dir und Ed gefunkt hat.“
Gar nicht! Okay, vielleicht ein klein wenig.
Nein, versuchte ich mir selber einzureden. Das bringt doch gar nichts.
„Schön für den Blinden.“
„Bella“, meinte sie und knirschte mit den Zähnen. Das sollte sie mal lassen, das ist wirklich nicht gut für die Zähne.
„Da war nichts. Willst zu zwischen Samuel L. Jackson und John Travolta?“, fragte ich sie.
Sie nickte und stellte sich zwischen die Beiden. Sie grinste breit in die Kamera hinein und hatte die Arme wie Samuel L. Jackson vor der Brust verschränkt.
Dann entdeckte ich Keira Knightley. Eine meiner absoluten Lieblingsschauspielerinnen. „Machst du bitte ein Foto von mir und Keira.“ Wow, wie das klang. Keira. Ich sollte sie öfters mit dem Vornamen ansprechen. Vielleicht würde sie mich auch mal mit dem Vornamen ansprechen.
„Natürlich.“ Sie nahm die Kamera und schaute auf das Display, während sie mich im Bild ein fing. „Hör mal, warum willst du nicht darüber reden?“
Schon wieder dieses Thema. Hallo, wir sind bei Madame Tussaud. Es ist doch wirklich unfreundlich gegenüber den Stars, wenn wir hier nur von Personen reden, die gar nicht anwesend sind. „Warum willst du über ihn reden? Da gibt es nichts zu bereden.“
„Das sehe ich anders“, meinte Alice und blickte mich erwartungsvoll an. Die konnte ihren Blick auch sein lassen.
Ich würde ihr auch so nichts sagen. Absolut nicht. Sie wird von mir nichts hören. Kein Wort.
Johnny Depp. Meine Rettung. Hoffentlich.
Ich stellte mich neben ihn und legte ihm den Arm auf die Schulter.
„Bella, warum…“
„Alice, bitte. Es war ein schöner Tag, ja danke.“ Ich seufzte und strich mir einer meiner Haarsträhnen aus der Stirn.
„Ja, das war es allerdings.“
„Ja und ich möchte gerne, dass er auch so bleibt. In meinen Erinnerungen.“
„Was meinst du mit Erinnerungen?“ Sie blickte mich fragend an. „Sag mal, warum setzt man George Clooney neben Audrey Hepburn?“
„Weil es schön aussieht?“, fragte ich und lächelte sie an. Aber Audrey war wirklich hübsch, wie sie da in einer ihrer berühmten Posen sitzt, die Zigarette in der Hand.
„Wechsel nicht das Thema.“
„Du hast das Thema gewechselt. Nur zur Erinnerung, meine Liebe.“
Warum musste ich sie eigentlich mit schleppen?
Ach so wir sind ja gemeinsam in London.
So langsam vergesse ich mich aber.
Gut, jetzt gehen wir wenigstens in den nächsten Raum. Wow, hier gibt’s nur Filmhelden. Oder so was.
Stephen Spielberg.
Robin Williams. Ich fand ihn ja als Peter Pan in dem Film „Hook“ echt cool. Und wie hieß denn der Film, wo er so einen Arzt gespielt hat und die Krebskranken Kinder immer aufgeheitert hat, in dem er den Clown gespielt hat. Den fand ich auch schön. Ach „Patch Adams“. Und „Hinter dem Horizont“ fand ich schön, auch wenn der sehr traurig war. Oder „Flubber“. Okay, Robin Williams hat genug Aufmerksamkeit bekommen.
Wen gibt es denn hier noch?
Oh.
„Komm, Alice schnell.“ Und schon hatte ich sie zu Spiderman gezerrt. Okay, die Kussszene ging eigentlich anders. Aber auf dem Foto, sah es dennoch sehr gut aus.
Dann hatten wir noch mehr Fotos gemacht. Alice wurde vom Hulk gefangen. Sehr tolles Bild.
Dann kuschelten wir beide mit Shrek. Gut, ich hatte ihn mir ein wenig kuscheliger und weicher vorgestellt, bei der Masse. Man kann sich wohl täuschen.
„Komm, zieh dir das mal an“, meinte Alice und reichte mir etwas, dass wie Flügel aussahen.
Es waren Flügel. Flügel? Schmetterlingsflügel?
Oh, das ist zu dem neuen Disney-Film, wo es um Tinkerbell geht. Die kleine Hexe, äh Fee, von Peter Pan. Glöckchen hieß die ja in Deutschland.
„Die soll ich wirklich anziehen?“
„Also schau dich mal an und dann mich. Du hast wenigstens einen Rock an. Du siehst eher aus wie eine Fee, wie ich.“
Was sollte denn das bedeuten?
Ich sehe gar nicht aus wie eine Fee.
Aber letztendlich hab ich dann doch die Flügel angezogen.
Sah gar nicht mal so schlecht auf. Auf dem Foto natürlich.
„Willst du eigentlich jetzt mit mir reden?“, fragte Alice nach einer Weile und befestigte die Flügel wieder an den Haken an der Wand.
„Worüber?“, fragte ich unwissend. Natürlich wusste ich worüber sie mit mir reden wollte.
Alice gab so schnell nicht auf. Leider. Alice war hartnäckig. Sie würde mich damit ewig nerven, so wie ich sie kenne. Bis ich ihr das gesagt habe, was ich eigentlich gar nicht sagen will.
„Ist das König Georg?“, fragte ich schnell.
„Nein, das ist Henry, der Achte.“, antwortete sie mir, da sie vom Namensschild ab las.
„Aha“, erwiderte ich nur und schoss ein Foto.
„Bella, hier sind wir richtig“, hörte ich Alice sagen und drehte mich um und dann wusste ich auch sofort, was sie meinte. Die königliche Familie. Prinz Charles, seine beiden Söhne und Camilla.
„Willst du dich neben William oder Harry stellen?“, fragte ich sie und hielt schon die Kamera bereit.
„Findest du nicht auch, dass Ed Prinz William ähnlich sieht.“
Danke, für die Überleitung und nein, finde ich nicht. Ganz und gar nicht.
Ed hat diese tollen braunen wilden Locken. Die Locken, die einen regelrecht nötigen, sie an zufassen.
Und er hat so schöne goldbraune Augen gehabt. Die waren so tief, dass ich am liebsten da drinnen ertrunken wäre.
Hey, ich bin gestern richtig stark gewesen, denn ich habe sie nicht angefasst.
Was im Nachhinein eigentlich ziemlich schade ist. Ich hätte seine Haare schon gerne berührt und seine sanften Lip...
„Bella.“
„Ja?“
„Machst du nun das Foto?“
„Ja, sofort.“
Sie grinste mich an, während sie wie ein Engel neben Harry stand. Viel zu brav, für meinen Geschmack. Das nimmt ihr doch gar keiner ab. Ich schon gar nicht.
„Du hast an Ed gedacht?“, fragte sie und grinste mich durch die Kamera hinweg an.
„Nein, habe ich nicht. Warum auch?“
„Vielleicht weil du dich in ihn verknallt hast.“
„Danke für die Analyse. Nein, habe ich nicht.“
Sie musste es aber auch immer übertreiben. Das war wirklich schlimm mit ihr. Warum war ich noch mal mit ihr befreundet?
Ach so ja, weil sie ja eigentlich immer lustig drauf ist und eine tolle Freundin ist. Vom zweiten merke ich gerade allerdings gar nichts.
„Schau mal, Lady Di sieht richtig hübsch aus.“
Ich stellte mich zu Alice und blickte Diana an. Ja, sie war wirklich wunderschön. „Schade um sie. Das ist wie mit Heath Ledger. Manche Tote geben einfach keinen Sinn.“
Skeptisch blickte sie mich an. „Toller Spruch, Bella.“
„Ist doch so. Ich finde es echt traurig, dass Heath Ledger von uns gegangen ist.“
„Ist er hier auch ausgestellt?“
„Ich glaube nicht.“ Schade eigentlich.
Wir gingen weiter. Habe ich schon erwähnt, dass ich Madame Tussaud toll finde. Schon in Berlin hat es mir gefallen, auch wenn ich finde, dass sie die Räume nicht so eng bauen müssen. So viel Eintrittsgeld wie die einnehmen, können die das ruhig ein wenig geräumiger bauen. Nur so ein Vorschlag.
„Schau mal, Bella. Wer ist das?“
Ich trat zu ihr und lächelte. „Das, meine Liebe, ist Oscar Wilde.“
„Wer ist das?“
„Er ist ein irischer Schriftsteller.“
„Du schaust ja gar nicht in dein schlaues Buch“, stellte Alice überrascht fest.
„Brauch ich auch nicht. Ich kenne den auch so.“
„Woher?“, fragte sie skeptisch.
„Allgemeinbildung, meine Liebe. Er war schwul und hat mal so einen tollen Spruch los gelassen. Gut, er hat viele tolle Sprüche losgelassen. Aber das ist der Einzige, der mir gerade einfällt: „Leben, das ist das Allerseltenste auf der Welt – die meisten Menschen existieren nur“.“
„Wow, das klingt richtig toll.“
„Der Mann war bestimmt richtig toll und hätte vermutlich noch mehr vollbracht, wenn man ihn nicht so sehr wegen seiner Homosexualität gebrandmarkt hätte.“
„Okay, kluge Bella, ist gut jetzt“, meinte sie und zog mich weiter. „Schau Shakespeare.“
Ich schmunzelte und legte den Arm um sie.
Wenn ich ehrlich bin, war ich doch verdammt froh, dass sie bei mir war. Sie war eine tolle Reisebegleiterin.
„Und wer ist das?“
„Dickens, Charles Dickens.“
„Komm wir gehen weiter. Du kennst die hier ja alle, ohne auf das Schild zu schauen. Du machst mir Angst.“
„Nur weil ich Dichter und Denker kenne.“
„Ja, genau deswegen. Wach mal auf. Was suchst du eigentlich?“, fragte sie als sie sah, wie ich den Hals streckte um nach vorne zu schauen.
„Jane Austen.“
„Wen?“
Ich seufzte. Alice kannte auch gar niemanden. Kunstbanause. „Erinnerst du dich an den einen Film mit Keira Knightley; „Stolz und Vorurteil“ hieß der.“
„Ja, daran erinnere ich mich. Das war doch der, wo sie am Ende über so eine Wiese rennt. In seine Arme.“
„Ja, so in etwa.“ Ich schmunzelte und musste an meine Collector Edition meiner Jane Austen Bände denken. Als ich die damals gesehen habe, musste ich einfach zu schlagen. Mal schauen ob wir mal bei einem Bücherladen vorbei kommen. Ich hätte nämlich gerne die englische Ausgabe meines Lieblingsromans von Jane Austen. „Pride und Prejudice.“
„Jane Austen ist die Autorin gewesen. Sie war eine tolle Frau kann ich dir sagen.“
„Sie ist also schon tot?“
„Schon lange“, erwiderte ich Alice.
„Au ja, jetzt kommen wir in meine Szene“, meinte sie als sie Justin Timberlake entdeckte.
„Ja, eindeutig. Los, schnapp in dir“, meinte ich scherzend.

„Und hast du Lieblingsbilder?“, fragte Alice mich, als ich gerade den Speicher meiner Kamera durchging. Alice hatte sich gerade ein kleines Souvenir aus dem Souvenir-Shop geholt.
„Ja, ich mag das Bild wo du vom Hulk gefangen wirst.“
„Ja, das ist echt cool.“ Sie blickte aufs Display, um zu sehen, welches Foto ich mir gerade ansah. „Ich mag das Bild von dir, wo du mit Britney Spears an der Stange tanzt.“
„Ich tanze nicht.“
„Sieht aber so aus.“
Ich nickte, mit einem Lächeln. „Also meine Liebe, wo geht’s nun hin?“, fragte ich sie, während wir in Richtung Ausgang gingen.
„Na ja, ich denke wir schließen uns mal so einer Bustour an.“
Ich hakte mich bei ihr und nickte. „Ich stimme Ihnen zu, das ist eine ausgezeichnete Idee.“
„Hey, Girls“, hörten wir plötzlich eine bekannte Stimme, als wir den Ausgang verließen und zur nächsten Bushaltestelle gingen.
Überrascht blieben wir stehen und drehten uns um.
Oh.


Eintrag: Samstag, den 13.12.08, Uhrzeit 10:28
Wisst ihr eigentlich wie Westminster Abbey auf Deutsch heißen würde?
Abtei von Westmünster. Das klingt doch mal echt total schräg, oder? Da bleiben wir doch lieber beim englischen Namen.
Westminster Abbey ist aber aufgrund ihrer Funktion keiner Diözese zugehörig, sondern Eigenkirche der britischen Monarchie. Daher wird ihr oberster Geistlicher, der Dekan von Westminster, direkt vom britischen Monarchen berufen. Ihr müsst euch unbedingt mal das Denkmal für Shakespeare anschauen.
Momenten sind 103 Mitglieder des englischen Königshauses in der Abbey beerdigt. Der erste war Eduard, der Bekenner, König von England (gest. am 05.01.1066). Und der momentan letzte ist, Henry Frederick, Herzog von Cumberland (Wo das wohl liegt? Cumberland?) (gest. 18.9.1790)
Also ich sage ja immer wieder, auf solchen Reise lernt man doch eine ganze Menge.
Ach, ihr wollt wissen wer mit mir auf dem Foto ist, dass ich da geschossen habe und via Handy hoch geladen habe?
Das ist Ed. Er ist... ich weiß nicht.
Toll. Aber das langt nicht.
Ich bin glaub ich echt dabei, mich in diesen Typen zu verlieben.
Oh man, jetzt hab ich es aber wenigstens mal ausgesprochen.
Alice nervt mich damit nämlich schon den ganzen Tag. Aber seit ja still.

Eure Bella

PS: Alice ließt das hier ja nicht. Aber bitte, dennoch nichts sagen.


- 6 -
Okay. Und was nun?
Also eigentlich gehöre ich ja nicht zu den Menschen, die plötzlich nicht mehr weiter wissen. Aber nun weiß ich wenigstens wie sich solche Menschen in dem Moment der Hilflosigkeit fühlen.
Okay, vermutlich dramatisiere ich mal wieder. Aber ich habe gerade echt keine Ahnung, wie ich reagieren soll.
„Das ist ja eine Überraschung“, meinte Alice völlig begeistert und eilte zu Ed und Jasper, die vor einem schwarzen Wagen standen und uns angrinsten.
Ja, was für eine Überraschung. Das ist bestimmt keine Überraschung. Das heißt, sie sind absichtlich hier.
Was wieder rum heißt, das einer der beiden Kerle uns wieder sehen wollte.
Ed? Wollte er mich vielleicht wieder sehen?
Und ich hatte mich schon mit dem Gedanken angefreundet, dass ich die Beiden nie wieder sehen werde.
Gut, was heißt angefreundet. Ich habe damit abgeschlossen, ja, trifft es sich wohl besser.
Aber nun.
Ich meine, er ist hier.
Und er grinste mich breit an.
Ich schluckte und wusste echt nicht was ich sagen sollte.
Ich wollte ja nicht ihn Panik ausbrechen und ihm um den Hals fallen oder so. Aber irgendwie wollte ein Teil meines Körpers genau das machen. Ihm um den Hals fallen.

Da wurde ich auch schon an jemanden gedrückt. Es umarmte mich jemand, einfach so.
Ich öffnete die Augen wieder und sah über der Schulter hinweg nur noch Jasper und Alice vor dem Wagen stehen.
Ich spürte, wie meine Atmung unkontrollierter wurde.
Bronzefarbene Locken kitzelten mich sanft am Ohr.
Ed.
Mein Herz schlug schneller. Von einer Sekunde auf die andere, erhöhte sich der Herzschlag, bestimmt um das fünffache.
Ed umarmte mich.
„Ich wollte einfach nicht, dass du mich vergisst“, flüsterte er mir zu.
Wie süß.
Aber wie soll ich ihn denn vergessen? Das gestern, war der tollste Tag überhaupt.
Ich drückte ihn auch an mich. Aber nur kurz. Nicht, dass es zu auffällig wird. Ich schloss die Augen, vergrub mein Gesicht ein wenig in seiner Halsbeuge und atmete seinen Duft ein.
Das war hier alles so unwirklich.
Dann löste ich mich nur widerwillig von ihm. Aber ich wollte ja nun echt nicht, dass es einen falschen Eindruck hinterlässt. Gut, was heißt hier falscher Eindruck. Es würde den Eindruck hinterlassen, dass ich verrückt nach diesem Kerl bin. Wäre dass denn so falsch? Na wohl nicht.
„Wir haben uns gedacht, dass wir euch die Stadt richtig zeigen“, meinte er lächelnd. „Nicht so eine Bustour.“
Ich wusste immer noch nicht was ich sagen sollte. Mir hatte es doch tatsächlich die Sprache verschlagen. Das passierte nicht oft.
„Komm Bella. Trödelt da mal nicht so lange herum. Wir haben noch was vor“, rief Alice mir zu.
Ich blickte von ihr wieder zu Ed. „Ihr müsst das nicht machen.“
„Ich möchte es aber gerne machen.“
Mir kamen gleich die Tränen. Oh man, warum musste dieser Kerl nur so süß sein?
Er reichte mir die Hand. „Also, schöne Dame, darf ich bitten?“
Er ist bestimmt vom blauen Blut. Welcher Kerl würde denn schon so formell fragen?
Ich holte tief Luft und lächelte ihn an. „Du bist verrückt, Ed.“ Ich legte meine Hand in die seine.
„Ja, das kann schon sein. Irgendwie hast du mich mit deiner Art wohl ein wenig angesteckt.“
Er führte meine Hand zu seinen Lippen und küsste meinen Handrücken und schaute mir dabei so richtig in die Augen.
Oh, meine Knie werden weich.
Ruhig atmen.
Ans Atmen denken, Bella!
Dann umschloss er meine Hand mit der seinen und ging mit mir zum Auto.
Er hielt meine Hand.
Das kann doch echt nicht wahr sein? Ruhig durch atmen, Bella. Du musst dafür sorgen, dass die Röte aus deinen Wangen verschwindet. Aber das ist leichter als gesagt. Ich kann gerade an rein gar nichts denken.
„Das du immer eine Extraeinladung brauchst“, meckerte Alice aus dem Inneren des Autos heraus.
Oh, das war ja fast eine richtige Limousine. Das war mir von weitem gar nicht aufgefallen.
Wir saßen uns nun nämlich gegenüber. Ed und ich auf der einen Seite, mit dem Rücken zum Fahrer und Jasper und Alice uns gegenüber.
„Habt ihr wegen gestern eigentlich Ärger bekommen?“, fragte ich Ed, während ich mich anschnallte. Wow, diese Sitze sind ja mal super bequem.
„Was meinst du?“
„Na, dass ihr abgehauen seid.“
Er grinste. „Das machen wir relativ regelmäßig.“
„Oh.“ Ich hatte keine Ahnung, was er mir damit sagen sollte. „Und heute habt ihr keinen Unterricht?“
„Es ist doch Samstag“, meinte er lächelnd.
Stimmt ja. Aber, gibt es nicht Länder wo die Kinder auch samstags in die Schule müssen? Oder war das nur Japan? Die Armen.
Aber er hatte auch seine Schuluniform nicht an. Schade. Also auch keine Krawatte. Das ist eigentlich schade. Aber er sah auch so sehr schick aus.
„Wie war es bei Madame Tussaud?“, fragte Jasper uns.
Alice grinste mich an. „Ich habe ein Foto von Bella, wo sie eine Fee ist.“
Ich rollte mit den Augen und schaute aus dem Fenster. Das machte sie doch extra. Sie wollte glaub ich, dass ich die Freundschaft kündige. Wenn sie so weiter macht, mache ich das vielleicht noch.
„Also was wollt ihr sehen?“
„Alles“, meinte Alice schnell.
Ich blickte wieder Ed an und lächelte. „Du bist doch der Führer. Also los“, meinte ich und grinste ihn frech an.
Er lächelte ebenso verschmitzt, nickte aber. Dann drehte er sich zum Fahrer um und gab ihm ein paar Orte an.
Ich wollte ihn so vieles fragen und doch wusste ich nicht, ob ich es wirklich sollte. Ich wollte zum Beispiel wissen, warum er jetzt hier ist?
Warum er mit mir und Alice Zeit verbringen möchte?
Vielleicht wollte Ed das ja gar nicht und er war nur dabei, weil Jasper noch mehr Zeit mit Alice verbringen wollte. Die Beiden verstanden sich nämlich auch sehr gut.
Oh man, ich war echt dabei mich in diesen Typen zu verknallen. Wenn es nicht schon zu spät war.
Ich brauchte ihn schließlich nur ansehen und mein Herz schlägt doppelt so schnell. Und was sollte diese kribbelnde Gefühl in meinem Bauch. Das konnte ich nun wirklich nicht gebrauchen.
Unsicher blickte ich aus dem Fenster.

„Wow, die wollen ja ganz schönen Eintritt dafür“, meinte Alice als wir vor den Toren des Westminster Abbey standen. Allerdings. Warum ist der Besuch einer Kirche so teuer.
Bei uns in Deutschland darf man doch auch die Kirchen umsonst ansehen. Okay, Spenden sind gerne gesehen. Aber so viel?
Der Haupteingang von Westminster Abbey befindet sich an der Westseite. Das Portal wird von Darstellungen der vier christlichen Tugenden Wahrheit, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Friede sowie von zehn Märtyrern des 20. Jahrhunderts gerahmt.
„Ich habe eine bessere Idee“, meinte Ed plötzlich und ging an der Schlange vorbei, direkt zu der Frau an der Kasse. Er fing ein Gespräch mit ihr an und zeigte ihr irgendwas.
„Was macht er denn nun?“, fragte ich Jasper.
Dieser zuckte mit den Schultern, aber ich erkannte das Grinsen, welches Jasper drauf hatte.
„Jetzt bin ich aber mal gespannt.“ Da stimmte ich Alice zu.
Dann kam Ed auch schon zurück und grinste uns an. „Wir können rein gehen“, meinte er.
„Ohne Anstehen und ohne Bezahlen?“, fragte Alice skeptisch.

„Wie hast du das gemacht?“, fragte ich ihn, wurde aber schon von Alice an den wartenden Leuten vorbei geschoben.
„Verrät ein Zauberer seine Tricks?“
„Ich wusste gar nicht, dass du Zauberer bist“, meinte ich grinsend.
Ed lächelte nur und legte mir seine Hand auf dem Rücken und führte mich in den großen Saal.
Wow.
Gigantisch. Okay, dass muss man echt mal gesehen haben.
Also ihr müsst unbedingt ins Westminster Abbey.
Alice und Jasper gingen am Rand entlang.
„Das ist echt schön.“
„Das stimmt.“
„Dürfen Londoner hier eigentlich umsonst rein?“, fragte ich interessiert.
„Vielleicht wenn man nett fragt“, schlug er vor.
„Tolle Antwort“, kommentierte ich nur und blickte mir die einzelnen Kunstwerke der Decke an. Diese riesigen Säulen am Rand und die hohen Decken. Das ist echt eine tolle Kirche. Oh, es ist ja eine Abtei. Bestimmt liegt zwischen einer Kirche und einer Abtei ein großer Unterschied. Obwohl eigentlich heißt die ja: The Collegiate Church of St Peter, Westminster.
„Darf ich dich mal was fragen?“
„Nur zu, Bells“, er lächelte mich so sanft an, wie er es schon die ganze Zeit tat. Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass ich es mochte, wenn er meinen Namen so sanft aussprach?
„Warum…“ Ich seufzte. Ich konnte das nicht einfach fragen.
„Warum was?“, hakte er nach.
Ich seufzte. Okay, noch mal zusammenfassen.
Was willst du eigentlich Bella? Und dann stell ihm die Frage.
Erst nachdenken, dann Mund öffnen. „Warum habt ihr uns heute abgeholt?“
„Wie gesagt, weil ich nicht wollte, dass du mich vergisst.“
„Wie kommst du darauf, dass ich dich vergessen könnte.“ Okay, das hätte ich wohl nicht sagen sollen. Jetzt denkt er bestimmt sonst was. Na, super. Das hast du ja toll hin bekommen, Bella.
„Das hast du nett gesagt.“
Es war auch so gemeint. Das ist doch echt zum verrückt werden. Der Typ macht mich verrückt. Auf eine gute Art und Weise natürlich.
„Soll ich dir mal meine Lieblingsecke zeigen.“
„Ja, ich bitte sogar darum“, meinte ich nur zu ihm und wurde auch schon von ihm mitgezogen.
Dann blieb er stehen. „Das hier ist der südliche Teil des Querschiffs. Weißt du was hier ist?“
Ich zuckte nur mit den Schultern, dann ließ er meine Hand los und ließ mich näher heran gehen. Dann konnte ich erkennen, um was es sich hier handelte.
„Das ist die Dichterecke. Es heißt auch „Poets' Corner.“
Ich nickte nur abwesend. Das war seine Lieblingsecke?
Nun stand ich vor dem Denkmal von Shakespeare und musste lächeln. Mir kamen fast die Tränen und ich konnte nicht mal genau sagen warum.
Poets' Corner, klang richtig gut.
„Ich nehme an, du magst die Ecke?“
Ich schluckte und nickte. „Ja“, sagte ich ganz zaghaft. Wie William Shakespeare da auf den Podest lehnt. Es ist ein sehr schönes Denkmal.
„Hier sind unter anderem auch die Grabmäler von Dickens, Browning und Longfellow.“
Ich nickte nur und versuchte mir die Ecke ganz genau einzuprägen. Ich wollte dieses Bild in meinem Gedächtnis einschließen.
„Alles okay?“, fragte Ed und musterte mich.
Ich nickte nur. Dann holte ich tief Luft und lächelte ihn an. „Ja, danke sehr. Es geht mir gut. Das ist alles nur so...“
„Ja?“
„Aufregend.“
Und dann sah ich sie. Das Denkmal für Jane Austen. Meine Jane Austen. Meine Lieblingsautorin. Mir verschlug es fast den Atem. Wow. Ich bin vor dem Denkmal von Jane Austen.
„Du findest die Dichterecke aufregend?“
„Du nicht?“ Ich blickte ihn fragend an.
Doch anstatt mir zu antworten, lächelte er mich nur sanft an. Dann spürte ich eine Berührung auf meiner Wange. Vorsichtig strich er mir eine Haarsträhne hinters Ohr.
Ich biss mir auf die Unterlippe und hoffte, dass der Ausfall meiner Atmung nicht so sehr auffallen würde.
„Ich dachte mir einfach, dass dir das hier gefallen würde.“
„Dann hast du mich aber gut eingeschätzt.“
„Bella, ich würde gerne noch so viel mehr über dich erfahren.“ Er streichelte mir nun sanft mit dem Rücken seiner Finger über die Wange. Und ich konnte nichts anderes machen, als gebannt in seine Augen zu sehen.
Ich war gerade echt dabei, mein Herz zu verlieren.
Dabei wollte ich in London nur von meinem mein Herz geben und nun...

„Entschuldige“, hörte ich ihn plötzlich sagen. Überrascht öffnete ich die Augen wieder. Seine Hand ruhte wieder an seiner Seite und nicht auf meiner Wange. „Komm wir gehen weiter.“
Er hatte sich entschuldigt. Warum? Für was?
Die Berührung von ihm, war so sanft und liebevoll gewesen.
War ich vielleicht nicht die Einzige, die ihr Herz gerade verlor?
Hör auf, an so etwas zu denken, Bella; ermahnte ich mich selber. Das würde doch zu überhaupt nichts bringen. Du reist morgen wieder ab. Hör also auf, solange du noch kannst.
Doch leider sagte sich das ziemlich leicht. Mein Verstand hoffte zumindest darauf. Aber mein Herz hatte den Kampf schon längst aufgegeben.
„Das ist die Kapelle Eduards des Bekenners“, fing Ed an zu erzählen. In der Mitte der Kapelle sah man einen Sarg. „Darin liegt der 1066 verstorbene König.“ Ich nickte und hörte ihm weiterhin zu. Zumindest versuchte ich das.
Ich wollte ihn so gerne fragen, warum er sich eben entschuldigt hatte und vor allem, für was.
„Dahinter steht der Krönungsstuhl, in dem sich bis 1996 der „Stone of Scone/“ befand. Auf diesem Stein wurden Jahrhunderte lang die schottischen Könige gekrönt, bis ihn Eduard I. im Jahr 1297 den Schotten abnahm“, erzählte Ed. Ich sah mir den Raum an und versuchte seinen Worten zu lauschen. Ich hatte keine Ahnung wo Alice und Jasper waren. Sie waren einfach verschwunden.
„An Weihnachten 1950 wurde der Stein gestohlen und erst nach langem Suchen wieder gefunden. 1996 wurde er offiziell an Schottland zurückgegeben und befindet sich seitdem im Schloss von Edinburgh. Der Stein gilt als ein Symbol für die Einheit der Königreiche England und Schottland. In dieser Kapelle befinden sich die Särge von Heinrich III., Eduard I., Eduard III., Richard II. Und Heinrich der Fünfte.“
„Du solltest dich mal als Geschichtslehrer versuchen“, versuchte ich die Stimmung ein wenig wieder anzuheben.
Ed lächelte leicht.
„Ich habe gelesen, dass hier momentan 103 Leute der königlichen Familie beerdigt sind.“
„Das kann schon sein. Nicht alle der königlichen Gräber sind zugänglich.“
„Verstehe.“
„Aber ein paar kann man sich ansehen.“ Dieses Mal ergriff er aber nicht meine Hand um mit mir weiter zu gehen.
Hatte ich es vielleicht komplett versaut?
„Seit 1936 hat keine Sargbestattung mehr in Westminster Abbey und ihrem Kreuzgang stattgefunden.“
„Ist wohl schon zu eng.“
Er nickte und wirkte abwesend.
Na gut, es wirkt bestimmt auch nicht so toll, wenn man einfach die Särge übereinander stapelt. Nein, die meisten müssen ja auch noch ein Denkmal oder so was bekommen. Viele wirken wie eigene kleine Altäre.

„Ah, da sind Bella und Ed“, hörte ich Alice reden.
Ich drehte mich um und lächelte sie an. Sie strahlte so. Sie und Jasper verstanden sich also wundervoll. „Hey“, meinte ich zu ihr.
„Wir haben euch schon gesucht“, meinte sie mahnend.
„Hallo, ihr seid doch einfach verschwunden“, antwortete ich ihr.
Alice legte den Arm um mich und fing an zu flüstern. Ich blickte zu Ed nach vorne, doch er und Jasper unterhielten sich während sie gingen, ebenfalls. „Also, wie läuft es zwischen dir und Ed?“
Ich zuckte mit den Schultern. Ich konnte es ihr wirklich nicht sagen. Wenn ich könnte, würde ich ihr ja eine Antwort darauf geben. Aber ich wusste diese Antwort ja selber nicht. Es war komisch.
„Was soll das heißen?“
„Ich weiß nicht Alice. Ich habe keine Ahnung.“
„Nun mal ganz ruhig.“ Sie merkte wohl, dass ich ein wenig neben der Spur stand. Ja, das war ja wohl auch verständlich. Ich war hier kurz davor mein Herz zu verlieren und die Person schien mir nun ein wenig aus dem Weg zu gehen.
Ich seufzte. „Er hat mir seine Lieblingsecke gezeigt.“
„Und?“
„Poets' Corner.“
„Da wo die ganzen Dichter und so liegen?“
Ich nickte. „Es ist toll. Shakespeare und Jane Austen.“
„Okay, nun mal zurück zu Ed.“
Ich nickte. „Er hat mich so sanft berührt gehabt. Zuerst hat er mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht gestrichen und hat mir dann über die Wange gestrichen.“
„Und dann?“
„Dann war nichts mehr.“
„Wie bitte?“, fragte sie etwas lauter. Ed und Jasper blickten sich fragend zu uns um. Alice wartete bis die beiden wieder nach vorne sahen. „Was heißt das?“
„So wie ich es gesagt habe. Dann kam nichts mehr und nun... nun geht er mir wohl irgendwie aus dem Weg.“
„Ja, das sehe ich.“ Sie blickte nach vorne. „Na, wir kriegen schon raus, was sein Problem ist.“
„Ich weiß nicht, Alice.“
„Oh Bella, glaub mir, das ist meine leichteste Aufgabe.“
Ich seufzte und lehnte den Kopf gegen ihre Schulter. Ich wusste ja selber nicht so genau, was ich eigentlich wollte. Wie sollte ich denn da bitte den richtigen Weg gehen.
Ich wusste nicht, ob ich mir erlauben sollte, mich zu verlieben.
Oder ob ich es mir eben verbieten sollte.
Morgen würde ich wieder zurückfliegen.
Morgen wäre der Traum vorbei.
Und es würde nur noch eine Erinnerung sein. Wenn auch eine sehr schöne.
Aber bis Morgen ist doch noch eine Weile hin, oder?

Eintrag: Samstag, den 13.12.08, Uhrzeit 12:34
Okay, was würde Jane Austen nun an meiner Stelle tun? Oder was würden die Frauen aus den Romanen von Jane Austen tun? Es geht hier schließlich um Liebesdingen, darum ging es doch auch in allen von ihren Geschichten. Also?
Würden Sie es riskieren, zulassen sich zu verlieben und sich dabei eventuell aufgeben?
Wenn ich ihm meine Gefühle gestehen würde, was würde dann aus uns werden?
Ich meine, ich komme aus Deutschland und er lebt hier. Jeder in seiner eigenen kleinen Welt.
Und wenn ich ihm nicht meine Gefühle offenbare, dann werde ich vermutlich das Gefühl haben, etwas verpasst zu haben. Woher soll ich denn wissen, was passiert, wenn ich es nicht einfach ausprobiere.
Ach das ist alles so verzwickt.
Ich weiß echt nicht weiter.
Es tut mir Leid, für diesen Eintrag. Aber ich bin gerade mit meinen Gedanken ein wenig woanders, schreibe euch also jetzt nicht, wie toll es in London ist. Ich bekomme das nämlich gar nicht so wirklich mit.

Hat Jane Austen nicht einmal geschrieben: „Nur weil uns ein Stück vom Glück fehlt, sollten wir uns nicht davon abhalten lassen, alles andere zu genießen.“

Jetzt muss ich nur noch wissen, wie ich dieses Zitat auf mein Problem übertragen kann.

Eure Bella


- 7 -
Wir fuhren quer durch London und Jasper und Ed zeigten uns die schönsten und berühmtesten Gebäude.
Vermutlich waren die beiden wirklich besser als jede Bus-Tour. Und wir hatten auch wirklich Spaß. Zumindest rein theoretisch.
Ich hatte nicht so richtig Spaß. Irgendwie. Das lag aber nicht an London. Ganz und gar nicht. London ist überwältigend. Nein, es lag an einer Person. An der Person, die neben mir saß.
Ed.
Er ging mir immer noch aus dem Weg und begegnete mir kälter als vorher und ich wusste einfach nicht warum. Also saß ich - meist schweigend - neben ihm und sah aus dem Fenster, während er und sein bester Freund uns die Gebäude und deren Funktion erklärten.
„Können wir uns den Tower nicht von innen ansehen?“, fragte Alice interessiert, als wir gerade über die Tower Bridge fuhren und eine gute Sicht auf das Gebäude hatten. Sie saß neben Jasper und er hatte seinen Arm über die Lehne ausgestreckt, so dass sie so gut wie in seinem Arm ruhte.
„Wollt ihr?“, fragte Jasper und blickte Alice lächelnd an. Diese nickte sofort.
„Und du, Isabella?“, fragte Ed mich. Ich zuckte leicht zusammen. Irgendwie klang es so anders, wenn er meinen Namen aussprach. Warum nannte er mich nicht mehr Bella? Warum wurde er plötzlich formell?
Ich verstand Ed einfach nicht. Warum hielt er mich nun so von sich fern?
Ich schluckte meinen Kummer herunter und blickte Jasper lächelnd an. „Ich würde den Tower auch sehr gerne von innen sehen.“
„Gut.“ Jsper blickte zu seinem Freund, doch er sagte nichts dazu und ich blickte wieder aus dem Fenster.
Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Ed sich zu unserem Fahrer umdrehte und diesem sagte, er solle hier parken.

Wenig später, standen wir schon im Innenhof des Towers.
Ed hatte mal wieder dafür gesorgt gehabt, dass wir ohne Probleme an den anderen Besuchern vorbei gehen konnten.
„Der Tower of London wurde im Mittelalter erbaut, der als Festung, Waffenkammer, königlicher Palast und Gefängnis, insbesondere für Gefangene der Oberklasse, diente“, erklärte Ed uns.
Ob er vielleicht auf diesem College Geschichte studierte?
Es musste ja einen Grund geben, dass er das alles so genau wusste. Vielleicht war er ja selber ein Reiseführer und kam deswegen auch immer direkt an den Besuchern vorbei.
„Die haben hier echt auch drin gewohnt?“, fragte Alice, die den Arm von Jasper umklammerte. „Das kann ich mir echt nicht vorstellen.“
Ich blickte mir alles genau an und versuchte Ed nicht anzuschauen. Was mir dennoch sehr schwer fiel.
Das war doch alles lächerlich.
Dennoch bekam ich mit, wie Ed auf Alice' Frage hin nickte. „Bis zu Jakob I. wohnten alle englischen Könige und Königinnen zeitweise dort.“
Ich sah, dass er zu mir herüber sah, doch ich schaute schon wieder weg. Ich ertrug seinen Blick nicht. Ich ertrug seine sanften blauen Augen nicht, wenn so kalt zu mir war.
„Es war üblich, dass der Monarch vor dem Tag seiner Krönung im Tower übernachtete und dann in feierlichem Zug durch die Stadt nach Westminster ritt.“
„Heute werden im Tower die britischen Kronjuwelen aufbewahrt, ferner eine reichhaltige Waffensammlung“, meinte Jasper und grinste Alice an. Die beiden schienen sich wirklich verdammt gut zu amüsieren. Es freute mich für Alice.
„Wer hat ihn erbauen lassen?“, fragte ich interessiert.
„Wilhelm der Eroberer“, beantworte Ed meine Frage aus dem Stehgreif heraus, ohne lange nachzudenken. „1078 ordnete er an, dass den „White Tower“ zu errichten. Er sollte die Normannen vor den Menschen der City of London aber auch London überhaupt schützen. Der „White Tower“ ist Gebäude in der Mitte.“
„Hey, ich will mehr von den Kronjuwelen wissen“, meinte Alice und grinste Jasper an.
„Frauen. Immer geht’s ihnen um Schmuck“, meinte Jasper lächelnd. „Die Kronjuwelen werden seit 1303, nachdem sie aus der Westminster Abbey gestohlen wurden, im Tower von London im „Jewel House“ aufbewahrt“, sagte er dann aber zu ihr.
„Woher wisst ihr das alles?“, fragte ich schließlich einfach mal heraus.
Das war doch hier wirklich die wichtigste Frage.
Also entweder die beiden studierten Geschichte oder sie waren selber Reiseführer. Wenn das zweite stimmte, dann waren sie allerdings keine Guten.
Aber sie sahen allerdings auch nicht aus, wie zwei Bücherwürmer, die deswegen die ganzen Geschichten kannten.
„Das gehört zu unserer Ausbildung“, meinte Ed und blickte mich an.
Ich konnte seinen Blick nicht genau deuten. Er war nicht traurig oder zurückhaltend, aber auch nicht heiter und glücklich. Ich hatte keine Ahnung was in ihm vorging.
Und was denn bitte für eine Ausbildung?
Was wollte er mir denn damit sagen?
Ich dachte er ging aufs College. Dieser Typ hatte voll die Geheimnisse vor mir. Und ich kannte ihn ja eigentlich gar nicht. Vielleicht war es ganz gut so, so wie es gerade war. Kühl.
Doch als er meinen fragenden Blick bemerkte, blickte er nun ebenfalls weg. So wie ich eben, als er mich angesehen hatte. „Während des Hundertjährigen Krieges 1339–1453 saßen bis zu 1.000 französische Gefangene in den weitläufigen Kellerverliesen ein. Eduard V. und Richard of Shrewsbury, die Prinzen im Tower, wurden 1483 von ihrem Onkel Richard III. in den Tower gesperrt“, erzählte Ed weiter und fuhr sich durchs dunkle Haar.
Das hätte ich auch gerne mal gemacht.
„Niemand weiß, was mit ihnen dort geschah. Es wird vermutet, dass sie ermordet wurden. Anne Boleyn, die zweite Frau von Heinrich VIII. wurde 1536 wegen Hochverrats in den Tower gebracht und dort enthauptet. Ihr Schicksal teilte ihre Cousine und Heinrichs fünfte Frau Catherine Howard im Jahr 1542.“
„Ich finde Enthauptungen ja mal voll interessant.“
Mein Blick fuhr zu Alice und zeigte ihr, wie ich mit den Augen rollte. „Du fandest ja auch den Teil bei Madame Tussaud toll.“ Ich grinste sie an.
Sie nickte mir zustimmend zu:
„Der letzte Insasse war Hitlers Stellvertreter Rudolf Hess. Der letzte Mensch, der im Tower hingerichtet wurde, war am 15. August 1941 der deutsche Spion Josef Jakobs“, erzählte William weiter. Sein Vortrag wurde immer trockener. Er hatte wohl selber keine Lust mehr oder es viel ihm schwer weiterhin mit mir zusammen zu sein. Warum auch immer.
„Ich wusste gar nicht, dass man auch Deutsche hier eingesperrt hat“, meinte ich überrascht. Hitlers Stellvertreter. Interessant. Was man alles lernt.
„Ich habe mal gelesen, hier wurden auch Tiere gehalten? So wie ein privater Zoo der Könige?“
„Bella, was du alles liest“, meinte Alice und lächelte mich an.
Ed blickte mich wieder an und sagte dann mit seiner ruhigen Stimme: „Ja, das stimmt. Vom Jahre 1235 bis zum Oktober 1835 beherbergte der Tower of London eine Menagerie von Wildtieren. Dabei handelte es sich überwiegend um Raubkatzen und Bären, die gewöhnlich dem jeweiligen Monarchen zum Geschenk gemacht worden waren.“
„Wow, Bären. Ist ja mal echt cool, was sich diese Blaublüter also alles erlauben können. Einen privaten Zoo.“
Ich ignorierte Alice' Worte und blickte Ed weiterhin an.
Das war doch echt lächerlich. Ich wollte das nun endlich aus der Welt geschafft haben. So schwer würde das doch nicht sein. Hoffte ich zumindest.
„Ed, kann ich mal mit dir reden?“, fragte ich ihn leise.
Er blickte mich überrascht an. Anscheinend war er überrascht, dass ich mit ihm reden wollte. So unter uns. Wollte er denn nicht mit mir reden und Dinge aus der Welt schaffen, die ich mir vermutlich nur einbildete.
Ich sah wie, er den Mund öffnete und etwas sagen wollte, als ich Alice hinter mich hörte: „Hey Bells, Jasper meinte, dass wir doch ins Shakespeare Globe Theatre könnten. Das wäre doch so absolut was für dich.“
Ich schluckte und ließ den Blick zu Ed fallen und blickte Alice an. Ich nickte.
Ja, das Shakespeare Globe Theatre wollte ich mir unbedingt mal ansehen.
„Hey Ed, da können wir doch hin, oder? Bella steht ja voll auf Shakespeare und Jane Austen. Also gehen wir doch ins Globe Theatre, nicht?“, fragte Alice ihn.
Er blickte sie an, nickte dann aber.
Doch er blickte mich nicht an.
Er drehte sich einfach um und führte uns weiter. Er wollte nicht mit mir reden.
Warum nicht?
Hatte er etwa Angst vor den Fragen, die ich ihm vielleicht stellen konnte?
Aber ich musste es wohl einfach hinnehmen.
Ich seufzte, folgte den Dreien aber.


Das ganze Theater war leer, als wir hinein traten. Heute würde keine Vorstellung sein und dennoch hatte ich erwartet, dass wir nicht die einzigen wären, die sich das hier ansehen wollten.
Alice und Jasper waren auf die Besucherränge gegangen, doch ich wollte mir alles von unten direkt ansehen. Ich wollte der Bühne so nahe, wie nur möglich sein, der Bühne, auf der die Stücke von Shakespeare aufgeführt werden.
„Das ursprüngliche Globe Theatre wurde 1599 erbaut“, erklärte ich Ed, der mich bis eben vollkommen schweigend begleitete. Mir war es egal, ob er mich begleitete, da er eh nicht versuchte mit mir zu reden, war es fast so, als würde ich alleine dieses gigantische Gebäude betreten.
Ich lächelte als ich mich in der Mitte des Theaters befand, vor der Bühne. Ich drehte mich und blickte mir die Zuschauerränge an.
Ich holte tief Luft und sog den Geruch des Theaters in mich ein. Ich wollte es spüren. Die Gefühle, die hier zusammentrafen, während die Schauspieler hier ein Bühnenstück vollbrachten.
Ich schloss die Augen und versuchte mir vorzustellen, wie es wohl wäre, wenn die Ränge mit Menschen bevölkert waren.
„Das Globe-Theater wurde 1599 zurzeit von Königin Elisabeth in Bankside, einem Londoner Stadtteil am rechten Themseufer, erbaut.“
Ich blickte Ed nicht an, sondern strich über das lackierte Holz der Brüstung, die die Zuschauerränge von der Bühne trennte.
„Das Globe wurde erbaut von der Schauspieltruppe The Lord Chamberlain’s Men, zu der auch William Shakespeare gehörte.“
Ich spürte, dass er mich beobachtete. Dazu musste ich ihn nicht mal ansehen. Man merkt es einfach, wenn man angestarrt wird. Vielleicht wollte er, dass ich etwas zu seinen Worte sagte, etwas erwiderte. Aber ich vergaß ihn fast.
„Es war das wohl erfolgreichste Theater seiner Zeit, und die Stücke wurden mit viel Pomp, mit prächtigen Kostümen, Musik, aber nach dem Geschmack der Elisabethaner mit nur wenigen Kulissen, aufgeführt.“
Mir waren seine Worte egal und sie drangen auch gar nicht zu mir durch. Das hier alles war einfach so beeindruckend. Der Platz von der Bühne zu den Plätzen der Zuschauer, war vielleicht 20 Meter breit und wirkte wie ein kleiner Innenhof.
Dann ging ich auf die Bühne zu, die ich wie ein Heiligtum betrachtete. Sie war schlicht und doch wunderschön.
„Im Jahr 1642 schloss die puritanische Regierung alle Vergnügungsstätten, und somit auch die Theater. Das Globe stand leer und wurde 1644 abgerissen.“ Seine Stimme kam näher. „An seiner Stelle baute man Mietshäuser, und der ursprüngliche Standort dieses bedeutenden Theaters wurde vergessen, bis 1989 im Rahmen von Bauarbeiten Reste des Fundaments wieder entdeckt wurden.“
Hier wurden all die schönen Geschichten von Shakespeare aufgeführt. Es war echt wie ein heiliger Ort. Ein schöner und bemerkenswerter Ort. Und für mich hatte er eine besondere Bedeutung.
Ich hörte Alice und Jasper von den oberen Rängen lachen.
Ich schmunzelte. Ja, auch Komödien wurden hier aufgeführt, die die Menschen zum Lachen brachten.
Ed reichte mir ohne zu Reden die Hand und half mir auf die Bühne.
Ich zögerte erst, aber nicht wegen Ed, sondern weil ich nicht wusste, ob ich wirklich auf dieser Bühne stehen konnte. Doch da packte er mich schon an die Hüfte und setzte mich auf der Bühne ab.
„Danke“, sagte ich freundlich und stand auf und sah mich um. Wow. So auf einer Bühne zu stehen, muss richtig toll sein.

„Zwei Häuser waren - gleich an Würdigkeit -
Hier in Verona, wo die Handlung steckt,
Durch alten Groll zu neuem Kampf bereit,
Wo Bürgerblut die Bürgerhand befleckt.
Aus dieser Feinde unheilvollem Schoß
Das Leben zweier Liebender entsprang,
Die durch ihr unglückseliges Ende bloß
Im Tod begraben elterlichen Zank“ , fing ich an den Prolog von Romeo und Julia zu sprechen. Ich kannte die Worte auswendig. Ich hatte sie immer und immer wieder gelesen. Bei der Theateraufführung in unserer Schule war ich Julia gewesen. Ich hatte das Stück damals ein wenig umgeschrieben, dass es auch meine eigene Note hatte. Aber den Prolog hatte ich gelesen. Er war so schön.
„Im Tod begraben elterlichen Zank.
Der Hergang ihrer todgeweihten Lieb
Und der Verlauf der elterlichen Wut,
Die nur der Kinder Tod von dannen trieb,
Ist nun zwei Stunden lang der Bühne Gut;
Was dran noch fehlt, hört mit geduldigem Ohr,
Bringt hoffentlich nun unsre Müh hervor.“
Ich blickte mich überrascht um und sah, dass Ed nun ebenfalls auf der Bühne stand. Er blickte mich ernst an und genauso ernst waren auch seine Worte über seine Lippen gekommen.
Er kannte den Prolog von Romeo und Julia? Oder machte er sich nur über mich lächerlich.
„Gehört das auch zu eurer Ausbildung?“, fragte ich ihn sofort. Ich wollte endlich antworten.
Ich hörte ihn seufzen, während ich mir auf die Unterlippe biss. Er fuhr sich durchs Haar und schien nicht so wirklich zu wissen, was er mir sagen sollte, doch dann sah er mich wieder an.
„Bella, ich würde dir gerne so vieles erklären. So vieles sagen.“
Ed trat nun zu mir und war mir so nah, dass er nur noch seine Hand heben musste, dann hätte er meine Wange streicheln können. Wenn er gewollt hätte. Und dennoch spielte mein Herz verrückt, als er so nah bei mir stand.
„Warum tust du es dann nicht, Ed?“
Ich wollte all die Sachen hören. Ich wollte wissen, wer dieser Mann war. Wollte wissen, warum er mich bis eben so kalt angeschaut hatte. Und nun war all die Kälte wie weggeblasen.
Ed lächelte und strich mir zärtlich über die Wange.
Ich hielt die Luft an, alleine nur um diesen Moment in meinem Inneren festzuhalten.
Sein Blick war nun so voller Zärtlichkeit.
„Entweihet meine Hand verwegen dich,
O Heiligenbild, so will ichs lieblich büßen.
Zwei Pilger neigen meine Lippen sich,
Den herben Druck im Kusse zu versüßen.“
Ich musste lächeln und schlucken. Wow.
Die erste Begegnung von Julia und Romeo war eine meiner Lieblingsszenen aus der Geschichte und er kannte sich anscheinend sogar auswendig. Er machte sich also nicht über mich lächerlich.
Mir verschlug es die Sprache, aber dennoch wusste ich, was ich nun zu sagen hatte.
„Nein, Pilger, lege nichts der Hand zuschulden
Für ihren sittsam-andachtvollen Gruß.
Der Heiligen Rechte darf Berührung dulden,
Und Hand in Hand ist frommer Waller Kuss.“ , sagte ich mit ruhiger Stimme.
Es Hand ruhte immer noch auf meiner Wange. Er strich mit dem Daumen zärtlich über sie. Ich spürte die Röte in meine Wangen aufsteigen und wollte etwas sagen, ihn vielleicht sogar von mir stoßen. Aber ich konnte nicht. Sein Zeigefinger streichelte mir sanft über die Ohrmuschel und ich hörte nur noch ein Rauschen, als er das tat.
„Haben nicht Heilige Lippen wie die Waller?“ Er spielte das Spiel einfach weiter.
Also tat auch ich mein bestes und erinnerte mich an die Worte Julias: „Ja, doch Gebet ist die Bestimmung aller.“
Ed lächelte. Nun war ich es auch die ihn testete.
Ich wollte wissen, wie viel er von Romeo und Julia kannte.
Was war das hier für ein Spiel? War es wirklich nur ein Spiel oder war es mehr? Ich wusste es nicht. Absolut nicht. So wie ich gar nichts über Ed wusste.
„O so vergönne, teure Heilige nun,
Dass auch die Lippen wie die Hände tun.
Voll Inbrunst beten sie zu dir: erhöre,
Dass Glaube nicht sich in Verzweiflung kehre!“
Er kam mir nun immer näher. Ich spürte schon seinen Atem auf meinen Lippen. Seine Augen wanderten von meinen zu meinen Lippen. Ich konnte es eindeutig erkennen und mir wurde sehr warm. In meinem ganzen Körper machte sich eine angenehme Hitze breit.
„Du weißt, ein Heiliger pflegt sich nicht zu regen,
Auch wenn er eine Bitte zugesteht.“

Ed lächelte mich zärtlich an. Er erinnerte sich wohl gerade daran, was Romeo nach seinem Satz an dieser Stelle machte. Aber er schien dazu bereit zu sein, so wie ich es war.
„So reg dich, Holde, nicht, wie Heilige pflegen,
Derweil mein Mund dir nimmt, was er erfleht.“
Und dann spürte ich auch schon seine Lippen auf den meinen.
Er küsste mich ganz zärtlich und spielte mit einer meiner Haarsträhnen, hielt mich damit aber auch fest.
Meine Hand wanderte zu seinem Nacken um ihn nun ebenfalls an mich zu halten. Ich wollte nicht, dass sich dieser Kuss wieder löste.
„Nun hat dein Mund ihn aller Sünde entbunden“ , flüsterte er mir zu, als er sich unsere Lippen wieder von einander lösten, aber sie waren noch so verdammt nahe, dass ich sie immer noch schmeckte. Kaum ein Zentimeter war zwischen ihnen und sie schienen sich regelrecht zu rufen, als brauchten sie einander.
„So hat mein Mund zum Lohn Sünde für die Gunst?“, fragte ich ihn und blickte in seine schönen blauen Augen.
Ed lächelte immer noch. Alle Sorgen schienen vergessen. Mir war es gerade egal, dass ich gar nichts über ihn wusste. Das hier bedeutete doch mehr?
War es vielleicht das, was ich aus Jane Austens Zitat zu entnehmen hatte?
„Zum Lohn die Sünde? O Vorwurf, süß erfunden!
Gebt sie zurück!“ Und wieder küsste er mich, ein wenig fester als eben, aber auch sinnlicher. Ich vergaß das Atmen, aber es war egal. Ich brauchte keinen Sauerstoff in meinen Lungen, ich brauchte nur seine Lippen, auf den meinen.
Ich spürte wie meine Knie drohten nach zu geben. Dann spürte ich zum Glück seine Hand auf meinem Rücken, wie er mich leicht an sich drückte und mich davor bewahrte einfach zusammen zu sacken. Denn das würde passieren. Meine Knie fühlten sich wie Gummi an und gaben mir keinen Halt mehr.
„Ihr küsst recht nach der Kunst“ , meinte ich und schmunzelte ihn an.
Es war egal, dass ich gar nichts von ihm wusste. Er war wundervoll. Er konnte so toll küssen, dass ich sogar weiche Knie bekam. Das musste doch etwas bedeuten. Mein Körper sagte mir, dass es egal war, wie viel ich von ihm wusste und dass ich morgen wieder nach Hause reisen würde. Nur er und ich zählten


Eintrag: Samstag, den 13.12.08, Uhrzeit 16:04
Ich weiß echt nicht, was in mich gefahren ist. Ich erkenne mich ja selber nicht mehr wieder.
Warum habe ich ihn einfach so geküsst?
Okay, ich wurde geküsst. Aber das tut ja eigentlich gar nichts zur Sache, nicht?
Aber er kann schon verdammt gut küssen.
Ja, ich bin seinen weichen und warmen Lippen vollkommen ergeben. Sie haben eine Macht über mich. Ja, ich übertreibe.
Und er kann William Shakespeare zitieren.
Und er geht anscheinend gerne in Büchereien, zumindest hatte er mir das gesagt.
Und er trägt eine Krawatte in Schottenkaro-Muster.
Und er hat bronzefarbene Locken und die schönsten goldbraunen Augen, die ich je gesehen habe.
Und er trägt wohl von Beruf aus gerne Uniform. Und hatte ich schon erwähnt, dass ich auf Männer in Uniform stand? Gut, bei manchen sah das vielleicht nicht so gut aus, aber er... er konnte sie tragen.
Also mal ganz ehrlich, das ist doch mein absoluter Traumboy.
Entschuldige, aber ich habe mich entschieden. Irgendwie.
Auch wenn ich noch keine Ahnung habe, was das hier ist oder sein wird. Ich werde ihn an der Angel behalten und ich hoffe ich bin für ihn nicht so ein einfacher Urlaubsflirt. Aber so ist Ed nicht.
Bestimmt. Oder? Was denkt ihr?

Eure Bella


- 8 -
„Hey Romeo und Julia, das war eine tolle Leistung“, hörte ich Alice lachen, als Ed und ich uns voneinander lösten.
Doch es war mir egal.
Ich blickte einfach nur in die schönsten blauen Augen, die ich je gesehen hatte.
Ed streichelte mir über die Wange und lächelte ebenfalls.
Irgendwie war seine Größe und seine offensichtliche Stärke mir von weitem nicht so aufgefallen, aber nun überwältigte sie mich regelrecht.
„Vielleicht solltet ihr ins Theater gehen“, schlug Jasper vor. „So als Schauspieler.“
Doch ich blickte immer noch nicht zu den Beiden.
Aus der Nähe konnte ich die ausgeprägten Muskeln erkennen, die sich unter seinem Hemd, dass er unter seiner offenen Jacke trug, erkennen.
„Woher kennst du Shakespeare?“
Ed roch fantastisch. Seine Lippen waren ja schon herrlich, aber nun nahm ich auch seinen Duft auf. Jetzt wo ich endlich wieder atmete. Ich konnte kein Rasierwasser an ihm erkennen, nur Spuren von Minze und etwas Dunklem. Zusammen roch es wie ein exotisches Gewürz, dass ich nicht benennen konnte. Was auch immer es war, es brach wie ein unwiderstehliche Sog über mich ein. Und doch ließ mich diese Erkenntnis lächeln.
Ich atmete die Luft ein, die ihn umgab, als er nach mir griff und seine Fingerspitzen sanft über meinen Kiefer strichen.
„Du kennst ihn doch auch“, erwiderte er nur und streichelte meine Wange weiterhin. Der Abstand zwischen uns wurde nicht größer. Wir standen immer noch so nah beieinander und keiner rührte sich.
Wir standen da einfach so und blickten uns an. Der bloße Kontakt von ihm, wie er mich so zärtlich berührte, reichte aus, dass mir ganz heiß wurde, besonders dort am Hals, an der empfindlichen Stelle unterhalb des Ohrs, wo Ed seine Hand spreizte und meinen Nacken umfasste. Sein Daumen streichelte weiterhin über meine Wage.
„Ja, aber wenn eine Frau Shakespeare zitiert, ist das was anderes, als wenn ein Kerl ihn zitiert. Vor allem Romeo und Julia.“
„Wäre dir Hamlet lieber gewesen?“, fragte Ed und spielte nun mit einer Haarsträhne.
„Nein, ganz und gar nicht. Aber beim nächsten Mal nehmen wir dann gerne was anderes.“
Er schmunzelte. Es schien als würde er sich über die Worte 'Beim Nächsten Mal' erfreuen. „Ja? Was schwebt dir denn da so vor? Eine heitere Komödie wie „Ein Sommernachtstraum“ oder „Was ihr wollt“?“
„Du scheinst dich ja wirklich mit Shakespeare aus zu kennen? Ist das Teil deiner Ausbildung, von der du mir nichts erzählen willst. Denn so langsam interessiert die mich wirklich.“
Er überging meine Aussage und zählte mir weitere Stücke von Shakespeare auf. „Oder eine seiner Tragödien. „Julius Cäsar“, „Hamlet“, „Othello“, „König Lear“ oder vielleicht „Macbeth“?“
„Ignoriere meine Frage bezüglich deiner Ausbildung ruhig.“
Ed seufzte und ich lächelte deswegen.
„Gut, vergiss das. Du willst nicht mit mir darüber reden. Damit muss ich mich wohl abfinden.“ Er würde schließlich seinen Grund haben, warum er mir nicht von seiner Ausbildung und sich selber erzählen konnte.
„Ich habe Hunger, ihr beiden Turteltauben“, hörte ich Alice.
Nun blickte ich von Ed ab und sah Alice und Jasper vor der Bühne stehen. „Bella, es wäre ja echt toll von dir, wenn du dich nun von deinem Traummann lösen würdest - der eine Schottenkaro-Krawatte trägt und damit deine Kriterien für einen Traummann erfüllt - wäre ich dir sehr dankbar.“
Ich spürte Eds fragenden Blick auf mir ruhen und dann verspürte ich meinen Körper wieder und merkte selber, dass auch ich Hunger hatte. Okay, mein Herz, dass sich irgendwie zu sehr an Ed gehängt hatte, hatte die sonstigen Bedürfnisse meines Körpers vollkommen übertönt. So ein Körper ist schon eine komische Sache, wenn ich das mal hier sagen darf. Allein Eds Küsse haben dazu gesorgt, dass ich mein Magenknurren vollkommen vergessen hatte. Es war in dem Moment einfach komplett unwichtig geworden.
„Ich habe auch Hunger“, meinte ich dann lächelnd und trat an den Rand der Bühne und ließ Ed stehen, der mich immer noch fragend ansah. Männer.
„Gut, dann sollten wir jetzt was Essen gehen“, meinte Alice und half mir von der Bühne.
„Was hat das mit der Krawatte zu bedeuten?“, fragte Ed nun endlich und hüpfte nun auch von der Bühne und landete neben mir.
„Das hat Alice nicht so gemeint“, meinte ich zu ihm und folgte Alice und Jasper zum Ausgang. „Das war nur ein Spaß von ihr.“
„Wie bitte?“, fragte Alice jedoch skeptisch, die meine Aussage gehört hat. „Ed, Bella ist verrückt nach Schottenkaro.“
„So stimmt das gar nicht.“
Okay, ich log vermutlich gerade. Eigentlich war ich absolut verrückt nach Schottenkaro. Ein wenig.
„Natürlich stimmt das“, meinte Alice und hakte sich bei Jasper ein. „Du bist verrückt nach allem, was dieses Muster hat. Du musst nur in deinen Kleiderschrank schauen, meine Liebe.“
„Du stehst also auf Schottenkaro?“, fragte Ed, der nun neben mir lief.
Gut, welche Antworten standen zur Auswahl. Ja, was ja die reine Wahrheit war oder Nein, was eine Lüge war. Aber ich habe mal gehört, dass es nicht immer gut, wenn man die Wahrheit sagt. Aber lügen ist auch nicht immer schlecht. Wenn man jemand durch die Wahrheit verletzen würde, kann eine Lüge besser sein. Gutes kann vom Lügen kommen und Schlechtes, wenn man zu ehrlich ist. Obwohl manchmal eine halbe Wahrheit auch schon eine Lüge darstellt.
Okay, was wollte ich eigentlich sagen? Ich hatte den Faden verloren.
„Geringfügig“, antworte ich ihm dann und sah zu, wie er mich auf meine Antwort hin angrinste. Jetzt hält er mich bestimmt für verrückt, aber na ja, ich finde Schottenkaro nun mal einfach toll.


„Das sieht nun nicht gerade sehr appetitlich aus“, meinte ich zu Sina, die mir die Packung Fish and Chips reichte, die für mich bestimmt war.
„Ich dachte, ihr wolltet das unbedingt mal probieren.“ Ed blickte mich skeptisch an.
Der konnte seinen Blick wirklich mal sein lassen. Damit würde das Essen auch nicht besser aussehen. Das sah wie normales Fast Food aus. Da hätte ich auch zu 'Burger King' oder 'Mc Donalds' gehen können.
„Ja, natürlich.“ Ich griff nach einer dieser Chips. „Aber ich habe mir darunter etwas appetitlicheres vorgestellt“, erklärte ich Ed. Zumindest versuchte ich es ihm zu erklären. „Da hat mir meine Vorstellungskraft wohl einen kleinen Streich gespielt.“
Wenn ich mir das Zeug so ansah und die Soße dazu, wollte ich gar nicht wissen, wie viele Kalorien das Zeug beinhaltete. Dabei waren mir Kalorien eigentlich immer ziemlich egal gewesen. Aber das hier... Okay, man musste gewisse Dinge einfach mal probieren.
„Sie gelten als inoffizielles Nationalgericht Englands und sind bis heute ein fester Bestandteil englischer Küche und Esskultur, auch wenn sie in den letzten Jahren im Vergleich zu anderen Gerichten an Popularität verloren haben“, erklärte Jasper uns und biss in eine englische Pommes rein.
„Ihr könnt euch also nicht nur in Geschichte sondern auch mit der englischen Esskultur aus?“, fragte Alice und grinste mich an. Ich würde sie ja gerne mal fragen, was sie und Jasper für eine Beziehung haben oder ob nur ich diejenige war, die hier in London hier Herz lassen würde.
Das schmeckt wie eine normale Pommes. Wie eine ganz normale Pommes.
Warum nennen die Engländer diese Chips nicht einfach wie die meisten anderen europäischen Länder Pommes? Ganz einfach Pommes.
„Warum nennt ihr die nicht eigentlich auch Pommes?“, fragte ich Ed lächelnd.
„Es sind ja keine richtigen Pommes, wie ihr sie in Deutschland habt“, meinte Jasper. „Unsere Chips sind meist dicker und eher weich statt knusprig.“
„Für mich schmecken die genauso“, meinte ich und blickte Alice erwartungsvoll an, da ich wissen wollte, was sie dazu sagte. „Ja, finde ich auch so“, stimmte sie mir zu.
„Das könnt ihr doch gar nicht so einfach sagen“, meinte Ed und grinste mich an.
„Klar, die schmecken wie ganz normale Pommes.“ Vielleicht ein bisschen fettiger. „Aber ihr Engländer wolltet ja eine Extrawurst haben und deswegen nennt ihr sie Chips.“
„Extrawurst also?“ Ed zog bei der Frage die Augenbraue hoch. Männer, die die Augenbraue hochziehen können, finde ich toll. Gut, momentan finde ich ehrlich gesagt, alles an Ed toll. Auch wenn er mir immer noch nichts über sich gesagt hatte.

„Und was wollen wir heute noch machen?“, fragte Jasper in die Runde. Wir standen an einem runden Stehtisch und jeder hatte eine Portion Fish and Chips vor sich liegen. Ich kämpfte ehrlich gesagt noch mit meinem Essen, während der Rest es einfach aß.
„Wir wollen uns unbedingt den deutschen Weihnachtsmark ansehen“, erzählte ich ihnen.
„Du willst was?“, fragte Ed.
„Das gibt es doch bei euch auch“, meinte Jasper.
„Natürlich gibt es denn auch bei uns“, meinte Alice und stoß Jasper leicht in die Rippen. „Heißt ja auch deutscher Weihnachtsmarkt.“
„Ja, aber ich möchte mir euren deutschen Weihnachtsmarkt gerne ansehen. Bei euch gibt es so was ja eigentlich nicht. Und ich finde da habt ihr jahrelang was verpasst. Es gibt nichts besseres, als einen Weihnachtsmarkt.“
„Und die Verkäufer sollen alles Deutsche sein.“
Ich grinste Alice an. „Dann kann ich mich auch endlich mal mit jemanden auf deutsch unterhalten.“
„Du hast doch mich“, meinte sie.
Ich grinste Alice wieder an. „Ja, aber ich kann bei dir keine Thüringer Bratwurst bestellen.“ Ich grinste sie an. Da stimmte sie mir zu.
„Was ist denn eine Thüringer Bratwurst?“, fragte Ed.
„Ach ihr kennt hier bestimmt nur Hot Dogs.“ Ich schmunzelte ihn frech an. „Da verpasst ihr allerdings wirklich was.“
„Was ist denn der Unterschied zwischen einer Thüringer Bratwurst und einem Hot Dog?“, fragte Jasper interessiert. Ich hatte so den leisen Verdacht, das Jasper sich mehr fürs Essen als für Geschichte interessierte, auch wenn er als Fremdenführer auch eine gute Figur gab.
„Der Senf“, meinte ich nur schmunzelnd und steckte mir noch eine englische Pommes in den Mund. Eigentlich gehörte es sich ja gar nicht, dass man auf einer Bratwurst Ketchup macht, aber die braten die ja nicht, sondern kochen die ja nur.
„Aber zum Weihnachtsmark können wir erst heute Abend“, erklärte Alice.
Ich nickte ihr zu.
„Warum denn das?“ Anscheinend kannten die Engländer so was wie Weihnachtsmärkte wirklich nicht. „Haben die Tagsüber nicht geöffnet?“ Ed schien dennoch Lust darauf zu haben. Und er machte sich auch ein wenig über mich lustig, er deutete nämlich immer wieder auf mein Essen, was ich nicht wirklich anrührte.
„Die haben bestimmt auch tagsüber auf, aber das wirkt einfach nicht“, erklärte ich ihm. Ein Weihnachtsmarkt musste man nun mal einfach bei Dunkeln besuchen. Und unter den Sternen und leuchtenden Weihnachtskugeln Glühwein trinken. „Wegen den Lichtern. Und den Mistelzweigen. Und dem Glühwein.“
„Oh, ja ich könnte mal wieder eine Tasse Glühwein probieren.“ Alice geriet ins Schwärmen.
„Mistelzweig?“, fragte Jasper und grinste Alice an.
Okay, Alice hatte sich anscheinend auch verguckt oder Jasper?
„Und was machen wir bis dahin?“, fragte Ed.
Ich grinste ihn frech an. Na ja, er könnte mir ja endlich mal ein paar seiner Geheimnisse erzählen. Wäre ja mal ein Anfang.


„Wo sind Alice und Jasper?“
„Ist mir ehrlich gesagt, ziemlich egal“, antwortete er mir ziemlich trocken.
Ich blickte Ed entsetzt an, wie konnte er so was einfach sagen. Vielleicht haben sie sich ja verlaufen. Doch gerade war es mir selber nicht so wichtig, wo meine gute Freundin Alice war.
Ich war schließlich mit Ed zusammen. Und sie war ja in Begleitung von Jasper. Also passierte ihr hoffentlich nichts.
Statt auf meinen Blick zu antworten, legte er den Arm um mich und zog mich zu sich.
„Warum erzählst du mir nichts von dir?“, fragte ich ihn und schmiegte mich enger an seinen Körper.
„Weil ich dich dann umbringen müsste.“
Wieder schaute ich ihn skeptisch an, grinste aber. „Sehr witzig.“ Warum erzählte er mir bloß nichts von sich. „Nun mal im Ernst.“
„Was möchtest du wissen?“
„Alles.“
„So wissbegierig?“
„Ich gebe mich halt einfach nicht mit halben Sachen zufrieden.“
„Interessante Antwort.“
„Wo laufen wir eigentlich hin?“ Aber es schien immer noch nicht so weit zu sein, dass er mir ein paar Dinge von sich erzählte.
„Wir sind im Hyde-Park, schon vergesse?.“
„Nein, das habe ich nicht vergessen. Aber wo bringst du mich hin?“
„Vielleicht entführe ich dich ja.“
„Der Gedanke gefällt mir. Aber meine Mutter hat immer gemeint, mich würde keiner entführen, man würde mich spätestens am nächsten Tag wieder zurückbringen.“
„Warum das?“
„Ich weiß nicht, vielleicht weil ich zu viele Fragen stelle.“
„Nein, ich frage mich, warum deine Mutter so was zu dir gesagt hat.“
„Um mich zu ärgern“, meinte ich lächelnd. Und schon wieder sprachen wir von mir. „Okay, ich frag dich jetzt einfach mal was. Und wenn du mir nicht antworten willst. Dann überlege ich mir was.“
„Was denn?“
„Also nehmen wir mal, du darfst mir nicht antworten, vielleicht weil du verfolgt wirst oder ein Geheimagent bist oder beim Zeugenschutzprogramm bist...“
„Du kommst auf Ideen“, warf er ein. Sein Arm lag immer noch um meine Taille und ich muss ehrlich zugeben, dass das gar nicht mal so schlecht war.
„Gut, dann machen wir das so. Wenn du die Frage mit 'Ja' beantworten willst, dann zwinkerst du einmal und wenn du 'Nein' sagen willst, dann zwei mal.“
„Verstehe.“
„Und was hältst du davon?“ Als ich in sein Gesicht sah, sah ich, dass er sich das Grinsen ordentlich verkneifen musste.
„Es gibt nur Ja/Nein-Fragen?“
„Nein, eigentlich nicht. Du hast Recht, dann muss ich mir was anderes einfallen lassen.“ Mist aber auch. Dabei war die Idee so gut gewesen. Er führte mich immer noch durch den Hyde-Park und ich hatte schon den Überblick verloren. Aber das war auch zu entschuldigen, wenn ich eben lieber den gut aussehenden Typ neben mir anstarren wollte.
„So da wären wir“, sagte Ed schließlich.
Ich blickte mich fragend um. Wo waren wir?
Dann sah ich es.
Ich musste lächeln.
Wir standen vor der Peter Pan Figur.
Ich ließ Ed los und trat zu der Figur. Sie war wunderschön.
Er stand auf einem kleinen Berg und hatte eine Art Flöte in der Hand. Am Berg schienen kleine Personen hinauf zu klettern. Waren das die verlorenen Jungs oder Feen?
Was man so alles aus Bronze zaubern konnte?
„Weißt du wann sie entstanden ist?“, fragte ich Ed, ohne ihn anzusehen. „Ich weiß, das J.M. Barrie die erste Geschichte von Peter Pan 1902 geschrieben hatte. In 'The Little White Bird'. In der Geschichte fliegt Peter Pan aus seinem Kinderzimmer und Ländern neben dem Langen Wasser - an Ort und Stelle, wo diese Säule hier steht.“
„Und erst zwei Jahre später schrieb er die Geschichte von Tinkerbell und Captain Hook“, fügte Ed hinzu.
Ich mochte diesen Kerl. Er war toll. Ich lächelte, aber ohne ihn anzusehen.
Ich schaute mir gerade die kleinen anderen Figuren an.
„Ich weiß nur, dass er ungefähr 1906 an eine Statue für Peter Pan dachte. Er nahm eine Reihe von Fotographien des sechsjährigen Michaels Llewelyn Davies,der ein spezielles Kostüm von Peter Pan trug. Das was die Statue auch heute noch an hat. Das war Barrie' ideale Vision von Peter Pan. 1912 beauftragte er dann einen Künstler Sir George Frampton damit, sie ihm anzufertigen.“
Dann erkannte ich, dass es wirklich Feen waren.
Kleine Wesen mit Flügel und Tiere, die sich da um den großen Baumstumpf ragten.
Sie war wirklich eine wunderschöne Figur.
„Warum zeigst du sie mir?“, fragte ich schließlich und drehte mich wieder zu Ed um.
Will lächelte und trat an mich heran. „Vielleicht weil du somit langsam das Rätsel um mich löst.“
„Du bist also ein Rätsel?“
Er lächelte weiterhin, beugte sich zu mir herunter und küsste mich ganz zärtlich. So zärtlich, dass ich mal wieder vergaß zu atmen und alles um mich herum vergaß.
Er konnte mir also – warum auch immer – nicht so viel über sich sagen, eigentlich gar nichts. Aber er wollte, dass ich etwas über ihn erfuhr. Vielleicht erkannte, wer hinter seiner Maske steckte und so brachte er mich an die Stellen, die er mochte. Zum Beispiel die Dichterecke in Westminster Abbey. Oder er zeigte mir, dass er Shakespeare kannte. Und nun zeigt er mir auch die Peter Pan Statue im Hyde Park.
Warum wurde ich das Gefühl nicht los, dass er etwas sein musste, der er gar nicht war? Oder nicht sein wollte?
Diesen Gedanke brachte mir Peter Pan. Ein Junge der nicht erwachsen werden wollte und sich gegen die Regeln der Erwachsen auflehnte, auf seine eigene Art und Weise.
Wer war Ed?


Eintrag: Samstag, den 13.12.08, Uhrzeit 19:04
Diese Weihnachtsattraktion heißt hier in London „Winter Wonderland“, dazu gibt es sogar eine Homepage.
Ja, genau, für diesen speziellen Weihnachtsmarkt gibt es eine Homepage. Könnt ihr euch ja mal ansehen. Und Gepriesen wird mit einem echten deutschen Weihnachtsmarkt.
Da ich eine echte Deutsche bin, muss ich mir den natürlich anschauen und bewerten.
Okay, gibt es bei jemand in Deutschland einen Weihnachtsmarkt wo es auch Attraktionen wie ein Gruselkabinett, Riesenrad, Achterbahn und all diese Jahrmarktsbuden gibt? Würde ich nur gerne wissen.
Also ich war nun schon auf vielen Weihnachtsmärkten in Deutschland und ich habe dort weder Gruselkabinett noch Achterbahn vorgefunden. Ponyreiten ja das kenne ich oder so ein Kettenkarussell für die Kinder. Aber der Rest.
Na gut, mit irgendwas müssen die ja die Menschen anlocken.
Oh, es gibt sogar eine Eisbahn. Schade, dass ich meine Schlittschuhe nicht dabei habe.
Wirklich Schade, das mache ich nämlich verdammt gerne.
Aber ich werde auch gerne von Ed umarmt. Damit kann man das Hobby wirklich eintauschen

Eure Bella


- 9 -
„Ihr ward noch nie auf dem Weihnachtsmarkt?“, fragte ich Ed skeptisch.
„Entschuldige Mal, wir lernen.“
„Ja, schon klar.“ Ich rollte mit den Augen. Das konnte er sonst wem erzählen. „Aber ganz ehrlich, da verpasst ihr etwas. Ich liebe Weihnachtsmärkte.“
„Und warum?“
„Hier gibt es Crepes und Glühwein und tolle Stände.“
„Dann will ich mal hoffen, dass dir der hier in London ebenfalls gefällt.“ Er legte wieder den Arm um mich und zog mich ein wenig an sich.
Natürlich gefällt er mir. Das liegt doch alleine schon an der Tatsache, dass mich jemand im Arm hält und ich nicht frieren kann.
„Die Beiden hat es echt erwischt“, hörte ich Alice hinter mir.
Wie konnte sie nur?
Das war doch echt… tolle Freundin.
Doch ich reagierte gar nicht drauf und Ed ebenfalls nicht. Dabei hätte es mich doch schon interessiert, was er dazu gesagt hätte. Nur ein wenig zumindest.
„Oh eine Geisterbahn.“
Überrascht drehte ich mich um.
Eine Geisterbahn auf dem Weihnachtsmarkt? Doch dann sah ich es selber, das große Gebäude.
„Sag mal Alice, was macht eine Geisterbahn auf dem Weihnachtsmarkt?“
„Keine Ahnung, vielleicht brauchen die Engländer so was.“
Fragend blickte ich zu Ed und Alice zu Jasper.
„Okay, was soll dieser fragende Blick?“, fragte Ed sofort.
„Also ich bin schon aus dem Alter raus, in dem ich mit der Geisterbahn gefahren bin“, erklärte Jasper.
„Wirklich? Das ist aber wirklich schade“, meinte Alice und grinste ihn an.
„Warum? Möchtest du etwa eine Runde Fahren?“
„Nein, wenn du schon aus dem Alter heraus bist… und alleine fahren ist nun wirklich verdammt langweilig.“
Jasper fuhr sich durch die Haare. „Also wir könnten natürlich schon eine Runde fahren? Wenn du das möchtest.“
„Gut“, sofort griff Alice nach seiner Hand und zerrte sie in die Bahn.
„Alice, wir sind bei den Ständen“, teilte ich ihr mit, nicht dass sie uns nachher suchte.
Sie nickte mir zu und zog Jasper mit zur Kasse.

Ich lächelte noch mal kurz und blickte dann Ed an. „Ich weiß ich nerv dich mit meinen Fragen…“
„Du nervst mich ganz bestimmt nicht“, widersprach er mir sofort.
„…aber ich frage mich halt, was du mir verheimlichst und vor allem warum du es mir verheimlichst. Du bist doch kein Geheimagent oder aus einem Spionagefilm entsprungen? Bist du vielleicht auf der Flucht?“
„Nein, nichts davon Bella.“ Er küsste mich zwischen den Augenbrauen, da wo sich immer die Falte bildete, wenn ich zu sehr ins Grübeln geriet. „Ich würde dir gerne was von mir erzählen“, sagte er dann doch schließlich.
„Gut, dann erzähl mir was“, erwiderte ich lächelnd. Endlich mal etwas. Vielleicht kam ich der Lösung des Rätsels dann doch endlich näher.
„Ich würde aber gerne die Antworten raussuchen. Und als Gegenleistung beantwortest du mir dann auch immer eine Frage.“
„Damit bin ich einverstanden.“ Ich nickte ihm zu und zog Ed zu einem Stand in dem es Schmuck aus Edelsteinen gab.
„Ich habe eine Schwester. Sie ist zwei Jahre jünger als ich. Hast du Geschwister?“
„Ich habe zwei jüngere Brüder. Der eine ist 15, der andere 16“, beantwortete ich brav die Frage, ich hatte nämlich kein Problem ihm Antworten zu geben. Ich griff nach einem Ring und steckte ihn mir an.
„Gefällt der dir?“
„Ist das die Frage, die du mir stellen willst?“, fragte ich amüsiert und steckte den Ring wieder ins Kissen. Ich trage ja eigentlich nie Ringe. Also brauche ich jetzt auch keine, die liegen dann eh nur in der kleinen Box drin, die in meinem Regal steht. Also Nein. Aber hübsch war der schon.
„Gut, du weißt ja, dass ich aufs College hier in London gehe. Wie ist das bei dir?“
„Ich arbeite“, gestand ich ihm und grinste. Ja, ich liebte es mein Geld selber zu verdienen. „Ich habe mit 16 die mittlere Reife abgeschlossen, bin dann von zuhause ausgezogen und habe eine Ausbildung angefangen. Als Chemielaborantin.“ Und ich mochte den Job. Die Ausbildung war oft nicht leicht, aber ich hatte doch ziemlich viel Spaß. Ich hab auch im Wohnheim der Firma gewohnt gehabt, mit ganz vielen anderen Auszubildenden. Und es war toll. Gut, ich hatte nun kein Einzelzimmer mehr, aber das machte mir nichts. Ich hatte eine tolle Zimmergenossin.
„Der Job macht dir sichtlich Spaß“, meinte Ed und folgte mir zum nächsten Stand.
Hier gab es Tücher. Wow, ziemlich schöne, wenn ich das mal sagen darf.
„Ja, das stimmt. Ich arbeite im gleichen Labor wie Alice. So haben wir uns erst richtig kennen gelernt, auch wenn wir uns schon vorher kannten.“
Aber leider gab es hier kein Tuch im Schottenkaro-Muster. Wirklich schade. Vielleicht hätte ich doch nach Schottland und nicht nach England reisen sollen. Aber der Stoff ist wirklich sehr schön. Ich fuhr mit der linken Hand über den weichen Stoff der Tücher, während meine andere Hand in der von Ed ruhte.
„Meine Hobbys sind Reiten, Polo und Lacrosse spielen. Außerdem lese ich sehr gerne. Wie sieht es bei dir mit Hobbys aus?“
Er erzählte mir wirklich etwas von ihm. Bisher wusste ich zwar noch nicht, warum er mir nur Stückchenweise etwas von sich erzählte, aber das war besser als gar nichts. Und ich gab mich auch mit wenigen Informationen zufrieden. Erst Mal.
„Ist Lacrosse das mit dem komischen Schläger?“
„Genau mit einem Netzschläger.“
„Und Polo ist doch das Hockey auf dem Pferd.“
„Nicht wirklich.“ Er grinste allerdings. „Okay, vielleicht doch.“
„Ist das nicht gefährlich für die Pferde?“
„Warum denn das?“
„Na ja, wenn ihr gegeneinander knallt.“
„Knallt?“
„Na, du weißt schon.“
Oh ein Hutstand. Ich liebe ja Hüte, Mützen und Kappen. Finde ich einfach nur toll.
„Und was sind nun deine Hobbys?“, fragte er und blickte mich skeptisch an, als ich ihm einen Hut aufsetzte.
„Gefällt der dir nicht?“ Ich zog mir einen großen, bunten Hut mit Federn auf. Gut, den würde ich nie anziehen. Aber lustig war es doch schon. Und warum sollte man nicht seinen Spaß haben?
„Deinen finde ich besser“, scherzte er. „Also?“
„Gut.“ Ich legte den Hut wieder zurück. „Ich lese gerne. Dann gehe ich gerne schwimmen und Joggen.“
„Hört sich nett an.“
„Nett?“ Ich zog die Augenbraue hoch. Nett, klang nie gut.
„Was ließt du?“ Er setzte mir nun einen lustigen Hut auf. Er sah aus, wie ein Narrenhut. Also ich konnte mir wirklich vorstellen, dass die Hofnarren damals so einen Hut anhatten. Er hatte kleine Glöckchen an den vielen Enden, die wirr vom Kopf standen.
Ich fand ihn lustig und er war blau. Eine sehr schöne Farbe.
„Shakespeare. Jane Austen“, fing ich an. Es ging doch nichts über die Beiden. Sie waren nun mal meine absoluten Lieblingsautoren. „Und dann mal was Zeitgenössisches. Die Bücher von Stephenie Meyer habe ich regelrecht verschlungen.“
„Sind das die, mit dem Vampir, in dessen Verfilmung du gestern warst?“
„Du hast deine Hausaufgaben gemacht, wie es scheint“, meinte ich grinsend und hatte den Hut immer noch auf. „Willst du nicht auch so einen Narrenhut.“
„Nein, der steht dir wirklich besser. Ja, ich habe mich ein wenig schlau gemacht. War das falsch?“
„Habe ich das gesagt?“, ich grinste ihn an und ging an die Kasse. Ich wollte den Hut mitnehmen. „Ich nehme den.“
Bevor ich etwas erwidern konnte, hatte Ed schon sein Geldbeutel aus seiner Hosentasche gezogen und bezahlte.
„Warum hast du den gekauft?“
„Weil er dir steht“, erklärte er mir und steckte den Geldbeutel wieder ein.
„Ja, aber deswegen musst Du ihn mir nicht kaufen. Ich kann ihn mir selber kaufen.“
„Ist es in Deutschland nicht üblich, das ein Mann der Frau, die er toll findet, Geschenke macht.“
Okay, was sollte ich ihm nun sagen?
Klar, gibt es bestimmt noch Männer die Frauen Geschenke machen. Bestimmt.
Nur leider habe ich keinen davon kennen gelernt. Das ist zumindest die Wahrheit.
Nervös strich ich mir eine meiner Haarsträhnen hinters Ohr. „Das ist so…“
„Ja?“ Er sah mich gebannt an.
Musste er mich nun so ansehen? „Musst du mich so anschauen?“
Er grinste und streichelte mir nun wieder sanft über die Wange. „Also, ich höre?“
„Es gibt bestimmt Kerle die Frauen Geschenke machen. Nur davon habe ich keinen kennen gelernt.“ Das klang nicht so gut. Zumindest hörte sich das für mich selber nicht so toll an. „Also eigentlich nehme ich auch nicht so gerne Geschenke an“, fügte ich schnell hinzu.
„Ist das wie mit den Komplimenten?“
Woher wusste er, dass ich ein Problem damit hatte, Komplimente entgegen zu nehmen? War ich so leicht durchschaubar?
„Krieg ich darauf keine Antwort?“
Er hauchte mir einen Kuss auf meinen Mundwinkel, links meiner Lippen.
„Das Spiel ging anders, so weit ich mich erinnere.“
Nun küsste er mich ebenso sanft auf die rechte Seite.
„Du hast ein süßes Grübchen, wenn du lächelst.“
Wenn er so weitermacht, dann sacke ich gleich in mich zusammen. So langsam verliere ich nämlich den Halt zur Wirklichkeit.
„Ed…“
Da hauchte er mir schon einen Kuss auf die Lippen. Wirklich nur hauchzart, aber so dass meine Lippen nach seinen schnappen, als er sich von mir lösen will.
Schmunzelnd, legte er den Arm um mich und zog mich enger an sich heran.
Ich werde mein Herz wirklich in London lassen, wenn er so weiter macht. Das war doch echt nicht zu glauben.

„Das ist doch echt nicht zu fassen. Kaum lässt man euch mal fünf Minuten alleine, knutscht ihr schon wieder rum“, hörte ich Alice’ Stimmt neben uns.
Ich grinste und löste mich langsam wieder von diesen himmlischen Lippen.
„Ich glaube so langsam, dass du mich verzauberst hast“, flüsterte Ed mir zu.
Ich lächelte ihn an und griff wieder nach seiner Hand.
Alice und Jasper blickten uns erwartungsvoll an. Was denn?
„Ich will gar nicht wissen, was ihr im Dunkeln gemacht habt“, meinte ich zu ihr giftig zurück.
„Tja, das wüsstest du wohl gerne.“
„Nein danke“, erwiderte ich und blickte Ed wieder an. „Und willst du nun eine echte Thüringer Bratwurst essen?“
„Gerne.“
„Ihr seid echt schlimm“, meinte Alice.
Doch es war mir egal was sie sagte. Denn ich wusste ja auch, dass Alice es gar nicht so meinte. Ja, ich wusste doch, dass sie mir alles Glück der Welt schenken würde. So wie ich es für sie ebenfalls tun würde.
Das macht doch auch eine Freundschaft aus. Irgendwie.
Ich bin verdammt froh mit Alice befreundet zu sein. Sie war mir in einer schwierigen Zeit ein guter Halt und Trost.

Wenig später standen wir also an dem Wurstgrill im „Winter Wonderland“.
Es war eine runde Bude, offen. In der Mitte war ein Grill aufgebaut und drum herum gaben die Leute die Würste an die Menschen aus.
Es roch herrlich. Wirklich wundervoll. Der Duft kommt mir so vertraut vor.
„Und du meinst, die sprechen hier Deutsch?“, fragte Alice mich.
„Das stand zumindest im Internet.“
Und am besten probierte man es doch einfach mal aus. „Also wer will was?“ Ich grinste die beiden Kerle an. Ich würde sie schon noch auf den Geschmack bringen. Sie wissen doch gar nicht wie gut so was schmeckt.
Ich nickte, als ich die Bestellung hatte und trat an die Bude. „Ich hätte gerne vier Thüringer“, bestellte ich auf Deutsch.
„Oh, jemand aus Deutschland“, meinte der Herr amüsiert.
„Genau. Ich muss doch mal sehen, was es hier gibt.“
Er grinste mir zu, kassierte ab und reichte mir dann wenig später nach einander die einzelnen Würste in den Brötchen. Ich hatte sie mit Senf versehen – wie es sich gehört – und hatte sie den anderen gereicht. Hier gibt es sogar Bautzen-Senf. Meine Lieblingssorte.
„Und das isst man wirklich mit Senf?“, fragte Jasper Alice.
Sie nickte ihm zu und biss direkt einfach mal rein. „Probiers einfach.“
Ed musterte den Senf auch argwöhnisch.
Ich grinste. Das war doch echt toll. „Hey, das ist viel besser als eure Hot Dogs“, versuchte ich ihm weiß zu machen.
„Bella, Hot Dogs kommen aus Amerika.“
Ich rollte mit den Augen. „Nun tu so, als würdest du die deswegen nicht essen.“
„Das habe ich auch nicht behauptet.“
„Was aus Amerika kommt, teilt ihr doch auch. Schließlich teilt ihr auch eure Sprache.“
„Du sprichst doch auch Englisch“, meinte Ed.
„Ja, und deswegen darfst du mal was von meiner Kultur probieren. Dann iss mal brav“, forderte ich ihn auf und biss in meine Bratwurst. Es gibt doch nur selten etwas, was besser schmeckt als eine Thüringer Bratwurst. Und mal ganz ehrlich da gehört nun mal kein Ketchup, sondern Senf. Aber ich sehe, dass viele Engländer dennoch den Ketchup wählen, der bereit steht. Sie wissen einfach nicht wie toll die schmeckt.
Ich erwiderte Eds Grinsen und biss ebenfalls noch mal in meine Bratwurst rein. Mmmh, lecker.


„Ich weiß nicht.“ Mir tat doch jetzt schon alles weh und eigentlich war ich schrecklich müde.
„Ach komm schon Bella.“ Alice sah mich bettelnd an.
„Mir tun doch aber jetzt schon die Füße weh. Wir sind viel zu lange durch die Gegend gelaufen.“
Ich wusste eigentlich, dass ich so oder so nicht drum herum kommen würde. Ich hatte ja eigentlich gar keine Chance. Wenn Alice etwas wollte, dann bekam sie es nun mal. Sie würde schon dafür sorgen.
„Ed massiert sie dir bestimmt wenn mir drinnen sind. Bitte.“
Das war echt gemein. Wenn sie mich so mit ihrem unschuldigen Blick ansah, konnte ich doch gar nicht anders. Außerdem fand ich den Gedanken, dass Ed mir vielleicht die Füße massierte, gar nicht mal so schlecht.
„Bells, komm schon. Das soll ein ganz toller Club sein.“
Ich seufzte und nickte schließlich.
„Heißt das Ja?“
Ich hisste die weiße Flagge. Widerstand ist aufgegeben.
„Danke, du bist ein Schatz.“ Sie drückte mich an sich und küsste mich auf die Wange. Dann lehnte sie sich wieder auf ihren Sitz zurück. „Also, dann zeigt uns mal euren Club.“ Meine Dunkelhaarige Freundin blickte Jasper an, dieser nickte schließlich und gab dem Fahrer die Adresse durch.
„Ich kann aber nicht tanzen“, meinte ich zu Ed. „Ich will dich nur darauf vorbereiten.“
„Auf was?“
„Das ich mich darin zum Affen mache, wenn du mich auf die Tanzfläche zerrst.“
„Weißt du, zum Tanzen gehören immer zwei…“
„Ja, sie hatte einfach bisher die falschen Partner“, mischte sich Alice sofort ein. Ich wusste nun nicht, ob sie das nur auf das Tanzen bezogen hatte oder vielleicht direkt auf mein ganzes Leben. Zu zutrauen wäre ihr das auf jeden Fall.
Ed lächelte nur, sagte jedoch nichts mehr.
War vielleicht auch wirklich gut so. Wer weiß was er sagen würde.
„Was wird denn da so gespielt? House und Techno mag ich nicht so wirklich.“
„Ich auch nicht“, meinte er lächelnd. Eine Gemeinsamkeit also.
Wir haben also schon mal unser Interesse an Shakespeare gemeinsam. Und dazu kommt nun auch noch, dass wir beide nicht auf Techno und House stehen.
„Also was wird gespielt?“
„Bella, lass dich doch auch mal überraschen“, mischte sich Alice wieder ein. Danke.
„Rock und Pop“, antwortete Ed mir dennoch. Sehr freundlich von ihm.
„Das hört sich doch sehr gut an.“ Alice war es doch eigentlich egal, was man spielte. Sie konnte auf alles tanzen.
„Der Laden ist auch gut“, sagte Jasper und grinste Alice und mich an.
„Geht ihr oft in den Club?“, fragte ich zu Ed.
„So oft wir können.“
„Was leider nicht sehr oft ist, nicht wahr Will?“
Er nickte Jasper zu und spielte weiterhin mit einer Haarsträhne meines blonden Haares. Das machte er schon die ganze Autofahrt über. Aber ich hatte ehrlich gesagt auch gar nichts dagegen. „Aber du wirst doch mit mir tanzen?“
„Vielleicht.“
„Wie kann ich dafür sorgen, dass ich einen Tanz mit dir kriege?“
„Ed, du musst Bella einfach ein wenig abfüllen, dann macht sie alles.“
Ich blickte Alice entsetzt an. „Gehts noch?“
„Glaub mir, das hilft.“
„Das machst du doch nicht, oder?“, fragte ich Ed und hoffte, dass er sich auf Alice’ Vorschlag einließ.
„Aber nur, wenn du auch so mit mir tanzt.“


Gut einundhalb Cocktails später war ich doch wirklich mit Ed auf der Tanzfläche. Er lächelte mich die ganze Zeit an und lachte nicht über meinen bestimmt merkwürdig aussehenden Tanzstil. Aber das war nun mal absolut nicht meine Art. Ich konnte einfach nicht tanzen. Wenn es ums Tanzen geht, bin ich einfach eine komplett steife Person. Keine Ahnung was da bei mir los ist.
„So schlecht machst du dich gar nicht“, flüsterte er mir zu, als er sich zu mir runter gebeugt hatte. Ich spürte seinen Atem auf meiner Haut und ein leichter Schauer lief mir über den Rücken.
„Danke, das nehme ich mal als Kompliment an“, antwortete ich ihm zurück.
„Liegt vielleicht auch daran, dass du verdammt hübsch bist.“
„Ja, du kannst das nun sein lassen“, meinte ich sofort.
„Kannst du einfach mal ein Kompliment zulassen, ohne mir zu widersprechen?“, fragte er mich sanft.
„Nein“, meinte ich sofort, merkte aber, wie ich errötete und blickte mich schnell um. Und schon wieder sah ich all die Leute, die Ed anschauten.
„Ist dir eigentlich mal aufgefallen, dass die meisten Leute dich hier anstarren und dann tuscheln.“
„Nein, ich schaue ja die ganze Zeit nur dich an.“ Bei diesem Satz schaute er mir fest in die Augen, so als würde er damit seine Aussage festigen wollen. Aber ich glaubte ihm auch so.
Doch nun blickte er sich auch um und sah wohl auch die Menschen, die tuschelten und immer wieder zu uns sahen.
„Was ist das hier Ed? Kennst du die?“ Ich blickte ihn fragend an und erwartete eigentlich wirklich eine Antwort.
Er lächelte nur und zog mich enger an sich. „Die schauen doch gar nicht mich an, sondern dich.“
„Mich?“, fragte ich skeptisch, kuschelte mich aber nun auch an sich. Das konnte erzählen, wen er wollte. Mir aber nicht.
„Ed, ich glaube nicht, dass die mich...“
„Sofort durchlassen!“, hörte ich plötzlich auch durch all die laute Musik die kräftige Stimme eines Mannes.
Ich sah mich um und sah Alice und Jasper an der Bar stehen.
Dann sah ich auch den Mann. Er hatte einen dunklen Anzug an und sah sich im Raum um.
„Bella, komm lass uns an die Bar gehen“, meinte Ed schnell.
Ich blickte noch mal zu dem Mann in Anzug, ließ mich aber von Ed mitziehen. Er bestellte schnell wieder einen neuen Cocktail für mich und umarmte mich. Es kam mir so vor, als wolle verhindern, dass ich den Mann im schwarzen Anzug oder die anderen Menschen ansah.
„Was ist das hier eigentlich für ein Club?“ Ich wollte mit ihm reden und ihm vielleicht dazu bringen, mir zu erzählen, was hier wirklich vor sich ging.
„Ein guter.“ Bei seinen Worten blickte er mich nicht mal an. Er schien auch ein wenig nervös zu sein. Warum auch immer?
„Edward, hörte ich jemanden sagen.
Ich erkannte die Stimme. Es war die Stimme des Mannes von eben.
„Bells, alles was jetzt vorfällt...“, flüsterte er mir zu.
Da wurde Ed aber schon an der Schulter gepackt und von mir gezerrt. „Edward, kommen Sie nun mit.“
„Du musst mir vertrauen“, sagte er zu mir und ich war mir nicht mehr so sicher, ob ich es durch die laute Musik überhaupt hörte.
„Kommen Sie nun.“
„Was machen Sie denn da?“ Ich wollte mich zwischen den Mann und Ed drängen, warum zerrte er ihn einfach mit sich. „Ed, was ist das hier?“ Der fremde Mann konnte ihn doch einfach nicht mitnehmen.
„Es ist schon okay.“
„Schnell, Edward.“
Und dann sah ich es nur noch Aufblitzen.
Blitze, gleißend hell. Es war so schnell und ich wusste nicht wie mir geschah. Ich konnte nicht sagen, was hier genau passierte.
„Was?“
Es waren Fotografen, die Fotos machten. Von Ed und von mir.
Warum machten sie Fotos?
„Was war das hier?“
„Ed?“ Doch er wurde schon von dem Mann weggezogen und durch die Menge gezerrt. Er drehte sich nach mir um und sein Blick sah entschuldigend aus. Als würde er sich für etwas entschuldigen.
Die Blitze hörten nicht auf und dann hörte ich Fragen und Stimmen.
Aber für was entschuldigte er sich?
Für die Antworten, die er mir nicht geben konnte, um das hier zu erklären?
Oder für die Fragen, die ich nun von diesen fremden Menschen nicht beantworten konnte?
„Komm Bella, wir gehen hier raus“, hörte ich die Stimme von Alice, die den Arm um mich legte und mich in eine andere Richtung zog.
„Aber was ist mit Ed?“, fragte ich leicht zitternd. Meine Lippen zitterten und mein Körper bebte.
„Dem geht es gut, Bella.“ Es war Jasper, der mir das sagte und ich erkannte, dass Jasper wusste, wer Ed war und was hier los war. Doch ich konnte keine Fragen stellen, nicht jetzt, denn ich wurde einfach zu schnell von dem Blitzlichtgewitter weggebracht.
Die kalte Luft der Nacht knallte mir ins Gesicht, wie eine Ohrfeige.
Und dann spürte ich die Tränen.
Ich wusste nicht warum ich weinte, aber die Tränen kamen einfach. Stumm und schmerzvoll. Es war Alice, die mich im Wagen an sich drückte und versuchte, mich zu trösten.


- 10 -
Ich wusste gar nichts mehr. Mein Kopf war wie leer gefegt. Ich konnte auch nicht wirklich realisieren, was um mich herum geschah oder was geschehen war. Das war alles zu irreal. Das konnte doch nicht wahr sein. Hier stimmte irgendwas nicht, nur dass ich noch nicht wusste, was genau es war.
Ich saß neben Alice im Auto, die meine Hand hielt und sie mit ihrem Daumen sanft streichelte.
Ich hatte so viele Fragen, doch ich konnte keine stellen. Denn eigentlich sollte Ed sie mir beantworten. Er hieß also wirklich Edward.
Ich schluckte schwer und blickte Jasper an, der uns gegenüber saß. Er sah mich so an, als erwartete er schon meine Fragen. Er wusste schließlich was hier los war und er konnte mir meine Fragen vermutlich beantworten.
„Was war das?“ Das war die erste Frage die ich über die Lippen brachte.
„Das waren Fotografen“, erklärte er mir mit ruhiger Stimme.
Danke für den Sarkasmus, das wusste ich aus selber. Ich nickte. „So weit war ich auch schon. Das ist mir vollkommen klar.“ Ich seufzte.
„Es ist ein wenig kompliziert“, versuchte Jasper es nun.
„Warum haben sie Ed und mich fotografiert?“, unterbrach ich ihn.
Jasper nickte, dass er mich verstand. Aber tat er dass denn wirklich? Ich war mir da nicht so sicher. Ich verstand das hier alles ja selber nicht so wirklich. „Dein Ed heißt eigentlich anders.“
„Edward? So hat der Mann ihn doch genannt, der der ihn mitgezogen hat.“
„Dieser Mann, arbeitet für Edwards Familie.“
Das war für mich immer noch kein Grund, ihn einfach mitzunehmen.
„Man ahnte, dass die Fotografen dem Club auflauern würden und so wollte er Ed da raus holen. Aber Ed wollte sich einfach nicht von dir lösen.“
„Jetzt bin ich also noch Schuld?“, fragte ich ihn aufgebracht.
„Nein, das habe ich nicht so gesagt.“
„Bella, Jasper kann doch auch nichts dafür“, versuchte Alice es.
„Danke, das weiß ich selber“, meinte ich giftig zurück.
Ich wusste, dass sie es verstehen würde. Sie wäre mir wegen meiner giftigen Antwort schon nicht sauer.
„Sein kompletter Name lautet: Edward Anthony Masen Mountbatten-Windsor.“
Mountbatten-Windsor?
Moment, so heißt doch die königliche Familie. Heißen die Prinzen William und Harry nicht mit Nachnamen Mountbatten-Windsor?
Ich verstehe nicht.
„Was…?“
Das ergab doch alles gar keinen Sinn.
„Er gehört der königlichen Familie an“, beantwortete er meine Frage noch bevor ich sie ausgesprochen hatte.
Ich blickte ihn fragend an und sah dann zu Alice. Jasper machte doch sicherlich nur einen Witz, aber Alice lachte nicht.
„Ich verstehe nicht so Recht.“
„Er steht an achter Stelle der Thronfolge.“
Ich verstand immer noch nicht was er mir sagen wollte. Was hatte das alles zu bedeuten?
Waren deswegen die ganzen Fotografen hinter uns her?
„Er ist ein Prinz?“, schlussfolgerte ich.
„Ja, allerdings“, meinte Jasper mit ruhiger Stimme. Er sah mich ernst an.
Ed ist ein Prinz? Ein richtiger Prinz?
„Er wird normalerweise in den Nachtrichten Prinz Ed genannt, statt Prinz Edward.“
Ich nickte nur. Prinz Ed. Ich hatte von den Namen noch nie was gehört.
Aber vermutlich weil ich eben auch nur Prinz Harry und Prinz Harry kannte. Aber was sollte das alles denn bedeuten?
„Seine Mutter ist die Schwester von Prinz Charley und somit Tochter von Königin Elisabeth.“
Oh.
Das bedeutet er ist also wirklich ein Prinz.
Das ist doch echt toll. Ich reise nach London und der erste Kerl der mich anspricht ist doch tatsächlich ein Prinz. Ich dachte das wären nur irgendwelche Vorurteile. Warum…?
„Das ist mir alles zu viel“, meinte ich zu Alice und sah sie Hilfe suchend an.
„Ich wollte es auch nicht glauben.“
„Du wusstest das?“
Sie nickte und küsste mich auf die Stirn. „Jasper hat es mir heute Nachmittag gesagt.“
„Ed hat dir gar nichts davon gesagt?“, fragte Jasper mich.
„Nein er hat aus allem ein riesiges Geheimnis gemacht und jetzt…“ Ich holte tief Luft und versuchte mich wieder ein wenig zu beruhigen. „Jetzt versteh ich sogar auch warum.“ Ja, ich verstand es wirklich. Ich blickte aus dem Fenster des Wagens und versuchte etwas zu erkennen, doch es war nur dunkel.

„Was passiert nun mit ihm?“ Ich machte mir doch ein wenig Sorgen um ihn. Ob er Ärger bekam?
„Ich nehme an, dass seine Mutter ihn zu Rede stellen wird“, antwortete Jasper.
Ich nickte nur und war ein wenig abwesend. Seine Antwort hatte ich nur am Rande mitbekommen.
Er wird das bestimmt schon für sich klären. Meine Sorge braucht er da nicht auch noch.
„Ich möchte gerne ins Hotel zurück“, teilte ich Alice mit.
„Wir sind schon auf den Weg dahin, Süße.“
Ich nickte nur und schaute wieder aus dem Fenster. Als ich zu Jasper sah, entdeckte ich den Hut der auf dem Boden lag. Die blaue Narrenmütze, die Ed mir auf dem Weihnachtsmarkt gekauft hat.
Ich hob sie auf und legte sie auf meinen Schoss. Ich strich über den weichen, blauen Stoff und seufzte.
Ich sah sein Gesicht vor mir, wie er mich anlächelte, als er mir den Narrenhut aufgesetzt hatte.
„Ich verstehe nicht, warum er mir das nicht gesagt hat?“
„Ed fand es schön, dass du ihn normal behandelt hast und eben nicht wie einen Prinz.“
Wieder nickte ich leicht Anteilnahmelos.
Also war er doch ein Peter Pan-Figur. Auf seine eigene Art und Weise. Er wollte wirklich seinem Leben entfliehen und in einer Traumwelt leben.
Da war ich mit meinem Rätsel doch nicht so verkehrt.
Deswegen hatte er mir die Figur von Peter Pan im Hyde Park gezeigt.
Irgendwie tut es mir weh, dass er denkt, dass ich ihn anders behandelt hätte, wenn er mir die Wahrheit gesagt hätte. Aber er kennt mich eben nicht. Woher sollte er eben wissen, dass ich ihn deswegen nicht anders gesehen hätte, als die Person die er nun mal ist.
„Du darfst ihm nicht böse sein, Bella.“
„Das bin ich nicht“, erwiderte ich Jasper ohne ihn anzusehen. Ich blickte weiterhin die Mütze an. Sie würde mich an Ed erinnern. Und an die schönen Stunden wie wir zusammen hatten.
Nein, böse bin ich nicht.
Vielleicht ein wenig enttäuscht. Aber woher sollte er denn wissen, dass er mir vertrauen konnte und dass ich ihn ganz bestimmt nichts anders behandeln würde. Ich wusste gar nicht wie man mit einem Prinzen umzugehen hatte.
Ich würde ihn vermutlich nie wieder sehen.
„Das ist gut. Das freut ihn bestimmt zu hören.“
Ich nickte nur abwesend.
Ich sollte nicht traurig darüber sein, dass es nun vorbei war. Der Traum von London. Nein, ich sollte froh sein, über die Stunden, die ich mit ihm hatte. Er hat mir London versüßt. Ed hat mir so viele schöne Seiten von London gezeigt und ich war meinen Lieblingsautoren so verdammt nahe, das bedeute echt eine Menge. Er hat aus dieser Schnapsidee eine wirklich tolle Idee gemacht.
„Bella, ist alles okay?“, fragte Alice mich. Ich hörte die Sorge aus ihrer Stimme heraus.
Ich lächelte sie an. „Ja, mir geht’s gut. Ich bin nur ein wenig müde.“
„Ja, es war auch ein langer Tag“, stimmte sie mir zu. Ich merkte, wie sie Jasper ansah, doch nichts mehr zu ihm sagte. Ebenso wenig wie ich noch etwas sagte.

Eintrag: Sonntag, den 14.12.08, Uhrzeit 01:21
Hallo meine Lieben,
wir sind wieder im Hotel angekommen und ich wollte euch nur sagen, dass es mir gut geht.
Wir leben beide noch und haben heute eine Menge von London gesehen.
Ich glaube, ich kann sagen, dass ich überall war.
Ihr werdet es nicht glauben, ich stand auf der Bühne vom „Shakespeare Globe Theatre“. Das war richtig aufregend.
Und ich auch die Gedenkstätte von Jane Austen und Shakespeare im „Poets Corner“ im Westminster Abbey. Es war wirklich schön.
Und ich war mit Sina auf dem deutschen Weihnachtsmarkt. Einfach nur aufregend. Man fühlte sich wie zu Hause und war doch in einem anderen Land.
Heute Abend bin ich ja wieder zu Hause und werde dann all meine Fotos hoch laden.
Okay, einen Teil.
Denn es sind doch eine ziemliche Anzahl an Fotos.

Liebe Grüße
Eure Bella

„Willst du mit mir reden?“, fragte Alice mich sofort als ich aus dem Badezimmer kam.
„Worüber denn?“, fragte ich sie und trocknete mir das Gesicht mit einem Handtuch ab, das ich mit aus dem Bad genommen hatte. Meine Haare waren noch ein wenig feucht. Ich war gerade duschen gegangen. Ich hatte das irgendwie gebraucht und nun ging es mir auch ein wenig besser. Ein wenig zumindest.
„Bells, du weißt worüber ich mit dir reden möchte.“
„Ja, das weiß ich. Aber ich möchte nicht darüber reden.“ Ich setzte mich auf mein Bett und legte das Handtuch auf das Fensterbrett.
„Wirklich nicht?“
Ich blickte zu Alice, die schon in ihrem Pyjama im Bett lag und mich nun sorgend ansah. „Mir geht’s gut, Alice.“
„Das glaube ich dir aber nicht.“
„Ich kann dich auch nicht zwingen. Also muss ich damit leben.“ Ich schlug die Bettdecke auf und rutschte hinein.
„Das vorhin wäre für mich bestimmt nicht so leicht zu verdauen.“
„Ich habe es auch noch nicht verdaut“, erklärte ich ihr und schüttelte das Kissen noch ein wenig aus, bevor ich mich darauf legte. „Warum willst du unbedingt darüber reden?“
„Weil ich gerne wissen möchte, wie es geht?“
„Und was bringt dir dann dieses Wissen? Davon wird die Situation auch nicht besser.“
„Natürlich nicht“, sie seufzte. „Muss du immer gleich so sein?“
„Wie soll ich denn sonst sein? Heulen? Soll ich Lachen? Was möchtest du?“ Meine Stimme klang aufgebrachter als sie sein sollte.
„Ich möchte, dass du mit mir redest“, versuchte sie es mit leiser Stimme.
„Ich kann aber nicht mit dir reden. Ich kann darüber einfach nicht reden.“ Ich schluckte und schon wieder spürte ich, dass mich eine Traurigkeit übermannte. „Nicht jetzt.“
Sie nickte. „Okay. Dann versuch zu schlafen.“
Ich nickte und knipste das Licht aus.
Ich schloss die Augen und wusste auch so, dass ich nicht wirklich schlafen würde.
Wie denn auch. Wie sollte ich denn bitte schlafen?
Ich lag ziemlich lange wach und machte mir über alles mögliche Gedanken. Und die meisten hatten mit Ed zu tun. Nein, gut, all die Dinge, die mir durch den Kopf gehen, haben mit Ed zu tun.
Edward, der Name klang richtig schön und irgendwie passte er zu ihm. Er kam mir so nett wie ein Prinz vor, auch wenn ich es noch gar nicht wusste. Er hatte Manieren und Anstand, war höflich und förmlich. Und ich mochte sein Lachen. Er hatte ein sehr schönes Lachen. Ein Lachen, dass ich nun wohl nie wieder sehen würde.
Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag und sofort waren die Tränen da.
Ich versuchte sie mir noch weg zu wischen, aber es hatte keinen Sinn. Absolut nicht.
Ich vermisste ihn einfach. Und es tat mir Leid, dass es so enden musste. So sollte es einfach nicht enden.
Geschichten sollten doch ihr Happy End haben, warum hatte meine eigene Geschichte nie ein Happy End?
Das war doch schon immer so.
Warum wundere ich mich also eigentlich?
Ich muss in meinem früheren Leben wirklich viel Miste angestellt haben, denn warum sonst, müsste ich so leiden?


„Und was wollen wir uns heute noch ansehen?“, fragte Alice und biss in ihr mit Marmeladebeschmiertes Toast.
„Worauf hast du denn Lust?“ Ich hatte ehrlich gesagt gar keine Lust mehr auf London. Ich war hundemüde, weil ich die ganze Nacht so gut wie gar nicht geschlafen habe, weil mir einfach zu viel durch den Kopf ging. Ich hatte nicht mal wirklich Hunger und stocherte nur in meinem Müsli herum.
„Ich habe mir mal dein schlaues Buch gegriffen“, teilte sie mir mit.
„Nur zu.“ Das war doch echt zu dumm. Ich würde ihn nie wieder sehen. Warum machte mich diese Erkenntnis nur so fertig, das war einfach nicht fair. Aber ich hatte ja schon immer gewusst, dass Leben ist einfach nicht fair. Nicht wenn man ehrlich und aufrichtig durchs Leben geht.
„Du hast dir die Seite „Camden Market“ markiert.“
„Stimmt.“
„Wollen wir da heute hin?“
„Können wir“, meinte ich nur.
„Ich meine, wir müssen nicht. Aber ich dachte, da du es dir markiert hast.“
„Wir können da hin“, meinte ich nur und hoffte, sie würde mich nicht weiter bequatschen.
„Wir können auch was anderes machen.“
„Alice, bitte.“ Ich seufzte auf.
„Okay.“ Sie nickte und versuchte ein wenig zu lächeln. „Du hast die Nacht nicht wirklich geschlafen?“
„Ich werde die Stunde im Flugzeug schlafen.“ Gut ich wusste selber, dass wir erst am späten Nachmittag fliegen würde
„Gute Idee“, stimmte sie mir zu.
Ich blickte skeptisch von meinem Müsli auf und sah sie an. Sie führte doch schon wieder irgendwas im Schilde, ich sah es ihr an. Man sah es Alice immer an. Sie hatte dann einfach diesen Blick. Und genau den hatte sie nun jetzt auch.
„Nein“, sagte ich sofort.
„Was meinst du mit Nein?“
„Ich sage Nein“, wiederholte ich und schob die Schüssel Müsli von mir weg.
„Meinst du 'Nein' zum Camden Market oder zu was?“ Sie tat mal wieder besonders unwissend. Aber darauf hatte ich heute keine Lust.
„Hör zu Alice, du kannst deine Spielchen wieder machen, wenn wir in Deutschland sind. Aber nicht hier. Bitte.“
„Ich weiß nicht, von was du redest“, meinte sie immer noch vollkommen unschuldig und nippte an ihrem Glas Orangensaft.
„Alice, ich warne dich.“
„Bist du mit deinem Frühstück fertig?“, fragte sie und stand auf.
Na super.
Es war ihr also vollkommen egal, dass ich das heute nicht wollte. War ja mal wieder klar.
Ich seufzte nur und nickte. „Ja, ich habe nicht wirklich Hunger.“
„Gut, dann lass uns nach oben gehen und schon mal die Koffer packen.“
„Ach wir müssen raus, nicht?“ Ich stand auf und stellte meine Schüssel und mein leeres Glas auf das Tablett.
„Ja, wir können unsere Koffer aber in den Raum neben der Eingangshalle stellen. Und dann holen wir sie wieder ab, wenn wir in Richtung Flughafen weiter fahren.“
Ich nickte ihr nur zu.
Mir war egal, was wir heute machen. Am liebsten würde ich auch sofort wieder nach Hause fahren. Ich hatte einfach den Wunsch, so schnell wie möglich wieder aus London zu fahren, um all diesen Kummer hier hinter mich zu lassen. Ich wollte vergessen, dass ich traurig bin. Es ist doch nicht zu viel verlangt, einfach wieder in sein normales Leben steigen zu wollen. Bitte.


Eintrag: Sonntag, den 14.12.08, Uhrzeit 10:14
Hallo meine Lieben,
wenn ihr mal nach London reist, dann müsst ihr unbedingt auf den 'Camden Market' gehen. Das ist richtig geil da.
Ihr werdet es kaum erwarten die Fotos zu sehen.
Also so was habt ihr echt noch nie gesehen.
Hier gibt’s es riesige Flohmärkte. Kilometerweite Essensstände. Ein ganzes Haus wo verschiedene Leute ihren Schmuck ausstellen.
Glaubt mir, es ist toll.
Hier laufen so viele verschiedene Menschen durch die Straßen und Gassen und ich glaube sogar, wir sind nicht die einzigen Deutschen hier.
Und man kann hier richtig gut shoppen.

Ich freue mich darauf, wieder deutschen Boden unter den Füßen zu haben. Nicht, dass der englische Boden so schlecht ist, aber irgendwie möchte ich wieder nach Hause.

Eure Bella


- 11 -
Camden Market. Eigentlich hatte ich richtig Lust gehabt auf diesen Stadtteil. Und es war sogar besser als in der Buchbeschreibung. Das ist ein einziger Stadtteil mit den tollsten und interessantesten Läden überhaupt. Es gibt Gebäude wo in kleinen Ständen Klamotten verkauft wird – ich habe mir übrigens ein Kleid im Schottenkaro-Look gekauft – und dann gibt es welche, wo nur Schmuck oder nur Essen verkauft wird. Und diese riesige Essenspassage und die halten dir alle was zu essen hin.
„Das ist doch mal richtig cool hier“, meinte Alice und grinste mich an.
Ja es war hier wirklich toll, wenn mein Kopf nur nicht gerade mit etwas anderem beschäftigt wäre, würde ich das auch anerkennen. Aber es tut mir ja Leid, Edward spukt einfach weiterhin in meinem Kopf herum.
Ich nickte ihr schließlich einfach zu.
In ihrer Ekstase bekam sie eh nicht so wirklich mit, was ich sagte.
„Was wollen wir essen?“, fragte sie nun. „Chinesisch, Thailändisch, Indisch?“
„Mir egal.“ Ich hatte eh nicht wirklich Hunger.
„Gut, dann entscheide einfach ich.“
Ja, mach doch was du willst. Können wir endlich nach Hause fliegen?
Alice zog mich zu einem Thailänder-Stand und bestellte direkt für uns was zu Essen. Gut wirklich hinsetzten konnte man sich nicht. Das waren wohl alles so Imbissbuden oder so. Aber der Thailänder hatte eine kleine Ecke, wo man sich hinsetzen konnte und die vorbeigehenden Leute beobachten konnte.
Ich legte unsere Taschen ab und setzte mich in die Ecke.
Edward war also ein Prinz, ein waschechter Prinz des englischen Königshauses. Da habe ich mir ja einen tollen Fang angelacht. Ich habe wohl nicht oft genug den Film „Der Prinz & Ich“ mit Julia Stiles gesehen.
Da hätte ich doch lernen müssen, dass es nur schief gehen würde. Das war doch zwangsläufig bei so einer Beziehung vorprogrammiert.
Wir würden doch gar nicht auf einer Wellenlänge sein. Gut, wie lesen die gleichen Bücher und wir haben den gleichen Musikgeschmack. Aber was heißt dass denn schon.

„Hier unser Essen“, meinte Alice und stellte zwei Teller auf den Tisch.
„Was ist das?“, fragte ich skeptisch und blickte die Teller an. Gut, wir hätten wohl lieber zum Chinesen gehen können oder eine Portion Sushi essen sollen.
„Keine Ahnung“, antwortete sie mir. „Also der Typ am Grill konnte nicht wirklich Englisch und ich kann leider kein Thailändisch. Aber das ist vegetarisch, soweit konnten wir uns zumindest verständigen.“
„Gut, ich will nämlich keine Heuschrecken, Walfleisch oder so was essen.“
„Ja, schon klar. Das gab es da auch gar nicht“, meinte sie und griff nach den Stäbchen.
Ich liebe es mit Stäbchen zu essen.
Es gibt ja doch viele, die das gar nicht können, dabei ist das oft viel besser als mit der Gabel zu essen, sollte man mal ausprobieren. Ob Edward auch mit Stäbchen essen konnte?
Ich seufzte auf. Na super, ich schaffte es doch nicht mal Fünf Minuten ohne an Edward zu denken. Ich bin ein hoffnungsloser Fall.
„Was seufzt du denn?“
„Ach, nichts“, murmelte ich in meine Nudeln und drehte sie mit meinen Stäbchen auf meinem Teller hin und her.
„Es ist Edward, nicht?“
Ich nickte. Anscheinend war ich ziemlich leicht zu durchschauen. „Ich will einfach wissen, wie es ihm geht.“
„Also nach Jaspers Beurteilung geht es ihm ganz gut.“
Ich nickte nur. Ja, das hatte Jasper ja gestern Abend im Auto gesagt. Aber was brachte mir das jetzt gerade? Ich würde Ed nie wieder sehen und das tat mir irgendwie weh. Da verliebte ich mich in einen echt tollen Kerl – gut er ist ein Prinz – und dann sehe ich ihn wohl nie wieder.
„Ja, das weiß ich ja selber. Ab er ich würde...“
„Du würdest gerne von ihm hören?“
Ich nickte. Wie gut Alice mich schon kannte. So musste ich ihr wenigstens nicht mehr alles erklären. Sie verstand mich und das ist ja nun mal das tolle an einer Freundschaft. Das blinde verstehen.
„Ich will einfach nur seine Stimme hören. Ich weiß, dass es schwachsinnig ist...“
„Warum ist es schwachsinnig?“, unterbrach Alice mich und musterte mich an, während sie sich eine Portion Was-auch-immer mit ihren Stäbchen in den Mund schob. Vielleicht aß sie irgendwas mit Curry. Die Soße sah zumindest so aus.
„Ich weiß nicht, weil ich ihn eh nie wieder sehen werde. Ich sollte mich damit abfinden.“
„Wenn das nur mal so leicht wäre. Bella, du hast dich Hals über Kopf in Edward verknallt.“
„Ja, sag es noch lauter“, murmelte ich wieder.
„Aber es ist doch so, oder?“
„Natürlich, ist es so. Aber was bringt mir das nun?“
Alice seufzte. „Seit wann bist du so pessimistisch. Du glaubst doch sonst immer an die Liebe.“
„Ja, da war ich auch noch nicht in einen englischen Prinzen verliebt.“
„Du hast doch selber gesagt, dass du Edward deswegen nicht anders behandeln würdest.“
„Ja, schon. Aber das ist etwas vollkommen anderes.“
„Wie du meinst“, meinte sie und seufzte.
Damit war das Gespräch hoffentlich erst mal beendet. Ich wollte nicht mehr über Edward reden. Ich wollte nicht mehr an ihn denken und dennoch wusste ich, dass dieser Wunsch zwecklos war. Jede Zelle in mir sehnte sich regelrecht nach seinem süßen Lächeln und seinen tiefen, blauen Augen.
Okay, hör auf an ihn zu denken!


„Das war doch richtig erfolgreich.“
„Ja, ich hoffe, dass die Sachen nun noch in meinen Koffer passen“, stimmte ich ihr zu und blickte auf meine Einkaufstüten. Als Frust und da ich ja nicht an Edward denken sollte, habe ich mit Shoppen im Camden Market abgelenkt.
Richtig erfolgreich sogar.
Ausbeute von heute: Ein rotes Schottenkaro-Kleid. Drei T-Shirts (Das war so eine drei-Tshirt-nehmen-und-nur-zwei-bezahlen-Aktion) auf denen London in verschiedenen Variationen drauf steht. Eine Kappe mit grauen Schottenkaro-Muster.
Und dann habe ich mir noch ein Buch gekauft. Pride & Prejudice. Da gab es so viele Bücher von Jane Austen in dem Buchladen. Leider hat mein Geld nicht mehr für die Sammeledition gelangt. Aber das Buch ist auch echt schön und hat so schöne Zeichnungen drinnen.
„Natürlich passt das da noch rein. Stopfen heißt das Zauberwort.“ Alice grinste mich an und schlenderte mit ihren Tüten neben mir her. Wir waren auf den Weg zurück ins Hotel und würden uns dann auf den Weg zum Flughafen machen, so bald wir die Tüten in unseren Koffern verstaut hätten.
„So alles in allem, war das doch ein erfolgreicher Ausflug.“
„Meinst du den Teil heute oder alles zusammen?“, fragte ich sie grinsend und lief an den großen weißen Häusern vorbei, die so schöne Säulen an der Haustür hatten. Kensington gefiel mir echt. Ein sehr schöner Stadtteil. Eigentlich hatten wir hier eh nur schöne Teile Londons gesehen.
Aber als wir vom Flughafen mit der Bahn Richtung Hotel gefahren sind, hat auch einen anderen Teil von London gesehen. Große graue Häuser, die eng aneinander standen. Wie in dem Film. „Billy – I will dance“, so sah das aus. Mir fällt jetzt nur nicht der Name ein, wie diese Stadtteile heißen.
„Alles zusammen.“
„Ja, London war wirklich eine tolle Idee.“ Ich legte den Arm um sie und gemeinsam bogen wir in die Straße von unserem Hotel ein.
„Was macht der denn hier?“, fragte Alice überrascht.
Edward? Mein Herz klopfte voller Hoffnung.
Doch dann sah ich nur Jasper.
Ohne Edward.
Und meine Hoffnung erstickte sich sofort wieder von selbst.
„Was machst du denn hier?“, fragte Alice und strahlte ihn an. Sie warf sich ihm um den Hals.
Jasper fing sie auf und grinste mich an. „Ihr Deutsche seid echt ganz schön stürmisch.“
Vermutlich. Aber das würde mich ja schließlich auch nicht näher zu Edward bringen.
„Also, was machst du hier?“, fragte Alice und blickte Jasper erwartungsvoll an.
„Ich bring euch zum Flughafen.“ Er deutete auf einen Wagen, der in der Straße stand. Es war eindeutig ein Chrysler. Wow, sehr teuer. Modell Sebring, wenn ich mich nicht recht täusche.
Ja, ich habe doch ein wenig bei meinen Brüdern mit gelernt. Ein wenig Ahnung von Autos habe ich doch. Kommt davon, dass wir eher mit den Matchbox-Autos gespielt haben, als mit meinen Barbiepuppen die ich jedes Jahr von Oma geschenkt bekommen habe.
Jasper muss anscheinend auch Geld besitzen, wenn er sich so was leisten konnte. Vielleicht ist er ja auch ein Prinz oder ein Duke oder ein Lord, wie auch immer das alles hier heißt.
Alice strahlte Jasper regelrecht an. Sie war verdammt glücklich, ihn zu sehen und mich freute es für sie. Natürlich tat es das. Vielleicht sollte ich die beiden ein wenig alleine lassen.
„Ich gehe schon mal rein“, teilte ich den Beiden mit.
Sie nickte nur und redeten weiter. Wie schwer Alice es wohl fallen würde, Jasper hier zu lassen. Aber zumindest sah sie ihn heute noch und sie wusste, dass es ihm gut ging. Ich allerdings...
Na super, nun muss ich schon wieder an ihn denken. Herrlich.

Es wird Zeit, dass ich endlich wieder nach Hause komme.
Ich will in mein Leben zurück und dann verkrieche ich mich sofort mit massenweiser Arbeit. Ich werde Extraschichten im Altersheim machen und vielleicht auch unter der Woche ganz viel arbeiten. So viel, dass ich gar nicht ins nachdenken komme. Vielleicht besuche ich auch endlich diesen Tai Chi Kurs, den ich schon längst mal machen wollte.
Gute Idee.
So viel Arbeiten, dass man an nichts denken muss. Das ich nicht an Edward zurückdenken muss.


„Das ist echt toll, dass du uns zum Flughafen bringst, Jasper“, bedankte ich mich bei ihm. Das Auto sah von innen auch gar nicht mal so schlecht aus.
„Klar, so habe ich noch etwas von euch“, meinte er und grinste Alice dabei an. Sie saß neben ihm auf dem Beifahrersitz. Ich hatte es mir hinten schön bequem gemacht.
„Wie viel kostet so ein Auto, Jasper?“, fragte ich ihn und überlegte mir gerade, wie viel Jahrhunderte ich wohl arbeiten müsste, um mir so einen Wagen leisten zu können.
„Das kann ich dir nicht sagen. Der Wagen gehört meinem Vater.“
Oh er fährt den Wagen seines Vaters.
Vielleicht ist er doch nicht so reich, dass er sich keinen eigenen leisten kann.
„Meiner ist momentan in Reparatur.“
Okay, ich nehme alles zurück. Vermutlich hat er einen Bandley oder einen Mercedes. Eigentlich steh ich ja auch gar nicht auf so teure Autos. Also brauch ich auch nichts mit einem Prinzen anfangen.
Ich seufzte. Und schon wieder war ich beim Thema Edward angekommen. Das war doch echt wie verhext, egal was ich dachte, ich kam immer auf das gleiche Thema zurück. Edward.
„Habt ihr dann Morgen noch Urlaub oder werdet ihr direkt wieder Arbeiten?“
„Wir arbeiten direkt wieder“, antwortete Alice und nickte mir zu.
Was auch wirklich das Beste war.
Mein neues Überlebungstraining heißt nämlich, so viel arbeiten, dass man an gar nichts anderes mehr denken konnte. Ich könnte mir ja auch zusätzliche Arbeit mit nach Hause nehmen. Schreibkram zum Beispiel. Ach Nein, das darf man ja nicht. So ein Mist aber auch.
Ich spürte immer wieder, das Jasper mich durch den Rückspiegel an sah und ich wollte ihn schon anfahren, ob ich nicht was im Gesicht hatte. Aber ich beschloss dann doch lieber, dass es besser wäre, einfach zu schweigen und aus dem Fenster zu sehen. Von dem Gespräch von Jasper und Alice bekam ich eh nur am Rand was mit. Ich wollte nicht unhöflich sein und lauschen, also versuchte ich das auch, so gut es ging und sah mir zum letzten Mal die Hochhäuser von London an, an die Jasper vorbei fuhr.

„Wir waren auf dem 'Camden Market'“, teilte Alice Jasper mit.
Er grinste nur und nickte ihr zu. „Und habt ihr was tolles gefunden?“
„Ja...“ Ich schaltete einfach ab und blickte nach draußen.
Auf Wiedersehen London.
Es war wirklich eine schöne Zeit, die ich hier war. Du hast mir so viel gezeigt und geschenkt.
Auch wenn ich mein Herz wohl hier lassen würde, es war dennoch sehr schön. Ich habe mehr gelernt und mehr gesehen. Habe die verschiedenen Geschichten der Stadt gehört und die verschiedenen Gesichter gesehen.
Es war wirklich mehr als nur eine Schnapsidee.


„Vielen lieben Dank, dass du uns zum Flughafen gefahren hast, Jasper.“ Alice konnte sich gar nicht von ihm losreißen. Ich stand nur an der Seite und versuchte den Beiden Zeit zu geben. Unsere Plätze waren zum Glück schon gebucht. Also hatten wir nicht viel zu verlieren.
Alice umarmte Jasper noch mal und ich sah, dass es ihr sichtlich schwer fiel ihn hier zu lassen. Vermutlich überlegte sie gerade, was sie aus ihren Koffer schmeißen könnte, um ihn da hinein zu stecken.
„Es war so toll mit Euch. Vielen Dank.“
„Ja, Alice, es war wirklich eine schöne Zeit mit Euch. Schön, dass ich euch kennen lernen durfte. Schön, dass ich dich kennen lernen durfte.“
„Ach, ich will dich gar nicht loslassen.“
Schließlich ließ sie ihn doch los und trat einen Schritt zurück.
Nun lächelte Jasper mich an. Ich nickte ihm zu. Eigentlich wollte ich ihn nicht umarmen, doch da drückte er mich schon an sich und ich spürte wieder, wie irgendetwas in mir zu bröckeln begann. Allein durch die Umarmung von seinem besten Freund, nagte Edward an mir und wollte, dass ich meine Fassade aufgab.
„Du fehlst ihm“, flüsterte er mir zu.
Ich musste schlucken.
Warum sagte er mir so etwas?
Ich nickte nur, denn ich wusste, dass der dicke Kloß in meinem Hals verhindern würde, dass ich auch nur ein Wort heraus bekommen würde.
Jasper löste sich von mir und holte etwas aus der Innenseite seiner Jackentasche hervor. Er legte mir einen Briefumschlag und ein Kästchen in die Hand. Ich wusste sofort, dass es nur von Edward sein konnte, auch ohne das Jasper etwas dazu gesagt hatte.
Ich blickte vorsichtig auf und sah Jasper fragend an.
„Er hat mich gebeten, dir zu sagen, dass du es erst öffnen sollst, wenn ihr in Deutschland seid.“
Ich nickte und schluckte schwer, um ein Wort heraus bringen: „Danke.“
Jasper lächelte und drückte mich wieder an sich. „Vergiss ihn bitte nicht.“
„Das kann ich gar nicht“, brachte ich hervor und war erstaunt, dass ich doch einen sinnvollen Satz über meine Lippen gebracht hatte, ohne in Tränen auszubrechen.
Ich holte tief Luft und löste mich aus der freundschaftlichen Umarmung.
„Wir sollten dann“, sagte ich zu Alice und steckte Briefumschlag und Kästchen in meine Handtasche.
Alice nickte mir zu, ging noch mal auf Jasper zu und küsste ihn auf die Lippen.
Ich war erstaunt, dass zu sehen. Denn ich habe sie nun das erste Mal, sich küsse gesehen. Aber das hier schien mehr wie ein Abschiedskuss. Wer weiß für wie lange.
„Vergiss mich nicht“, bat sie ihn.
Er lächelte und nickte.
Dann griff Alice nach ihrem Koffer und zog ihn hinter mir her.
Die Glastür schloss sich hinter uns und wir fanden uns in der großen Flugzeughalle wieder.


Wir waren nun schon seit zehn Minuten in der Luft und die ganze Zeit blickte ich auf den Briefumschlag und das Kästchen.
Beides lag in meinen Schoss und ich sah es einfach nur an. Wie etwas Fremdes und doch so vertrautes. Ich wollte unbedingt wissen, was drinnen stand und doch wollte ich es nicht wissen. Angst und Freude zugleich, Traurigkeit und Hoffnung. Alles spielte sich gerade in mir ab und ich kämpfte mit mir selber.
„Und?“, fragte Alice neben mir.
„Was?“
„Willst du ihn nicht öffnen?“
„Wir sind noch nicht wieder in Deutschland.“
Alice beugte sich über mich und sah aus dem Fenster. „Na ja, aber wir haben London nun so gut wie verlassen. Also ich denke du darfst den Brief nun öffnen.“
„Ich weiß nicht.“
„Gut, dann öffne ich ihn“, meinte sie und griff danach.
„Nein“, sagte ich schnell und zog Brief und Kästchen an mich, als wäre beides ein unsagbar wichtiger Schatz für mich. Vielleicht war es das ja auch. Nur dass ich es noch gar nicht wusste.
„Gut, dann lies ihn endlich. Ich sehe es dir doch an, dass du endlich eine Nachricht von ihm haben willst.“
Ich nickte. Ja, sie hatte Recht. In dem Brief stand bestimmt drinnen, wie es ihm geht und das wollte ich doch wissen.
Ich blickte aus dem Fenster und sah die Nordsee.
Also rein theoretisch war ich ja nun schon fast in Deutschland und er konnte es ja eh nicht kontrollieren, wann ich den Brief geöffnet hatte.
Ich holte tief Luft und öffnete den Briefumschlag.
Es fühlte sich wie teures Papier an, das ich da aus Kuvert heraus zog. Vielleicht bildete ich mir das auch nur ein. Ich faltete den Brief auf und lächelte, als ich die Schrift sah. Er hatte eine sehr ordentliche und schöne Schrift. Irgendwie hatte ich sie mir genauso vorgestellt.
Irgendwie wirkte ein Brief doch gleich viel anders als eine E-Mail oder eine SMS. Klassik eben. Und ich stehe ja auf Klassik. Zumindest auf ein paar klassische Dinge.

Ich schloss kurz die Augen und versuchte alle unnötigen Geräusche zu verdrängen. Ich wollte den Brief ganz für mich lesen.
Nach einem kurzen Moment öffnete ich die Lider wieder und fand die erste Zeile, des Briefes.

„Liebste Bella,
Zuerst mal möchte ich Dir sagen, wie Leid es mir tut. Das hätte gestern nicht so enden dürfen und das tut mir schrecklich Leid.
Außerdem tut es mir Leid, dass ich mich nicht persönlich von Dir und Alice verabschieden konnte. Aber gewisse situationsbedingte Dinge erlaubten es mir einfach nicht. Und vielleicht wolltest du mich auch gar nicht sehen.
Ich weiß, dass ich Dir hätte vertrauen müssen. Und es tut mir Leid, dass ich Dich in dieser Weise gekränkt habe.
Aber die Stunden mit Dir, waren so wundervoll.
Es kam mir so vor, als würdest du mir beibringen wie man lacht. Wie man das Leben genießt. Wie jeden einzelnen Moment als etwas Schönes betrachtet.
Das alles ist keine Entschuldigung für die Szene im Club.
Du weißt inzwischen wer ich bin und was ich bin und das macht es ehrlich gesagt nicht einfacher.
Ich hoffe ehrlich, dass Du durch diese Sache keine Probleme bekommen wirst. Meine sind mir momentan ziemlich egal.
Ich möchte nur, dass es Dir gut geht, Bells.

Mir fällt es so schwer und doch so leicht, Dir dass jetzt zu sagen – nein, ich schreibe es ja auf. Dabei würde ich es dir gerne richtig sagen, so wie es sich gehört.
Ich habe mich in Dich verliebt.
Hals über Kopf habe ich mich in dich verliebt.
Vom ersten Moment an, als du mich 'Rainforest Restaurant' angelächelt hast, war es um mich geschehen. Ich konnte gar nicht mehr aufhören, als nur an Dich zu denken. Deswegen wollte ich Dich auch unbedingt am Samstag wieder sehen. Ich wollte dich nicht einfach so wieder gehen lassen. Ja, ich war egoistisch und wollte noch mehr von dir kenne lernen, dich mehr vereinnahmen.
Ehrlich gesagt, habe ich mir gewünscht, dass Du mich ebenso nicht so leicht vergisst.

Am Samstag, ich weiß, ich habe mich am Anfang ein wenig unfair dir gegenüber verhalten. Aber ich wusste, dass das alles nichts bringen würde. Alleine durch die Tatsache, dass ich bin wer ich bin. Ich könnte nie verlangen oder mir auch nur wünschen, dass Du in meine Welt gebracht wirst. Sie ist schrecklich und öde und anstrengend und das wollte ich Dir garantiert nicht zu muten.
Und dennoch konnte ich nicht anders.
Als wir Beide auf der Bühne standen und Shakespeare zitiert hatten, war es vorbei mit meiner Vernunft.“


Ich seufzte und holte tief Luft.
Edward schien es nicht wirklich anders als mir gegangen zu sein. Er hatte mit sich gerungen, wenn auch aus anderen Gründen, aber dennoch hatte er den Kampf mit sich selber aufgegeben und wollte sich einfach treiben lassen. Er wollte sich, der Situation hingeben und einfach abwarten was passiert.
Ich musste lächeln. Ja, ganz ehrlich, mir fiel ein Stein vom Herz, alleine schon zu wissen, dass ich nicht die Einzige war, die ihr Herz geopfert hatte.
Irgendwie schien nun alles okay zu werden.

„Mir war es egal, dass Du eigentlich aus Deutschland kommst.
Und mir war es sogar egal, dass ich aus dieser traditionsreichen Familie stamme.
All das war mir egal, ich wollte nur noch mit Dir zusammen sein. Ich wollte Dir in deine Augen schauen und weiterhin dieses Strahlen entdecken. Ich wollte Dir zuhören, deinen Worten lauschen und von Dir lernen. Du scheinst schon so viel erlebt zu haben, vermutlich auch Trauriges... Du hast etwas an Dir, das mich das vermuten lässt. Aber dennoch bist Du stark und lachst und strahlst. Du gibst nicht auf und bist hartnäckig, du kämpfst für das, was Du Dir wünschst.
Ich bewundere dich.
Ich habe mich in dich verliebt, Bella. Ich kann es gar nicht oft genug sagen.
Aber es ist die absolute, untrügliche Wahrheit. Ich habe noch nie so sehr etwas begehrt wie dich.
Und auch wenn ich jetzt nicht bei Dir sein kann und Dir das alles nicht persönlich sagen kann, weiß ich, dass es dennoch weiter gehen wird.
Ich weiß es einfach.
Noch nie hatte ich so ein Gottvertrauen, aber dieses Mal habe ich es. Weil es um Dich und um mich geht.
Vertrau mir einfach.
Bitte.

In Liebe,
dein Ed
gezeichnet Edward Anthony David Theo Masen Mountbatten-Windsor

PS: Der Inhalt des Kästchens ist nur für Dich. Als Erinnerung. Ich hoffe es bleibt nicht nur bei einer Erinnerung“


Ich musste lächeln. Obwohl der Brief zu Ende war, musste ich Lächeln.
Dabei war ich traurig und stand den Tränen nahe, aber ich lächelte.
Es war ein Zeichen von ihm. Er hatte an mich gedacht. Edward ging es gut.
Und es ging ihm wie mir. Er hatte sich ebenso verliebt, wie ich. Was eigentlich verdammt tragisch ist, weil ich nun im Flugzeug sitze, auf den Weg nach Hause. Aber es ist egal.
Und auch wenn ich aufgeben wollte, so glaubte er doch daran, dass es eine Zukunft geben würde, dass es weiter gehen wird.

Ich legte den Brief wieder auf meinen Schoss und blickte das Kästchen an. Es war ungefähr 10 mal 10 Zenitmeter groß und schien antik zu sein. Ich öffnete den metallenen Verschluss und öffnete den Deckel.
„Was ist das?“, fragte Alice nun interessiert von der Seite.
Ich lächelte und zog ein Stück in blauem Schottenkaro-Muster heraus. „Seine Krawatte“, teilte ich ihr mit und streichelte durch den Stoff.
„Schau mal“, meinte Alice und nahm das Kästchen an sich. „Das ist noch nicht alles.“
„Was ist denn da noch?“
Alice lächelte und zog eine Kette heraus. Sie war silbern und sah wunderschön aus. Kleine Steinchen funkelten daran und ich konnte nur annehmen, dass es echte Edelsteine sein mussten. Ich hatte von so was keine Ahnung, aber es war wunderschön. „Da steht 'Edward' eingraviert“, las sie vor und schon im nächsten Moment war sie dabei, es mir um mein rechtes Handgelenk zu binden. „Das sieht toll aus. Geschmack hat der Kerl ja, muss man ihm lassen.“
Ich nickte ihr zu und blickte das Armband an.
Eine Erinnerung...
Ich hoffe auch, so sehr, dass es nicht nur eine Erinnerung sein würde.


Eintrag: Samstag, der 20.12.2008, Uhrzeit: 11:45
Hallo meine Lieben.
Ich bin nur auf einen Sprung online. Wie ihr wisst, bin ich ja gleich wieder im Altersheim. Ich freue mich richtig darauf, die alten Damen und Herren wieder zu sehen.
Und ich glaube, das tut mir ganz gut.
Da komme ich garantiert nicht ins Grübeln. Es sind nun sieben Tage vergangen, seit ich Edward das letzte Mal gesehen habe und die Woche war verdammt schwer. Ziemlich sogar.
Aber ich will nicht darüber reden. Ehrlich nicht.
Mir geht’s schon wieder viel besser.
Also ich melde mich die Tage wieder. Ich weiß ich habe den Webblog die Tage ein wenig vernachlässigt und ich bin kaum auf eine von euren Fragen eingegangen. Aber ich arbeite daran. Versprochen.

Eure Bella


- 12 -
„Hallo, Frau Humbold. Da bin ich wieder“, meinte ich und trat in das Zimmer besagter Dame. Ich war für sie zuständig und es machte mir immer sehr viel Spaß, bei dieser Dame zu sein.
„Na, Kindchen, du siehst aber nicht gut aus“, meinte Frau Humbold zu mir, als ich zu ihr ins Zimmer kam.
„Mir geht’s gut“, erwiderte ich und versuchte ein Lächeln aufzubringen.
„Nein, das glaube ich dir nicht.“ Sie stützte sich auf ihren Stock und wollte vom Sessel aufstehen.
„Sie müssen wegen mir nicht aufstehen“, meinte ich zu ihr und legte die Post schnell auf den Tisch, um ihr unter die Arme zu greifen.
„Isabella, ich stehe auf, wann ich es für richtig halte. Und der Arzt hat mir gesagt, ich soll mich bewegen.“
„Da hat er bestimmt Recht“, stimmte ich ihr zu und ließ ihren Arm wieder los, als Frau Humbold auf ihren Beinen stand und sich auf ihren Gehstock stützte. Sie wollte mal wieder durch ihr Appartement laufen. Eigentlich war es nur ein Zimmer mit dazugehörigen Badezimmer, aber sie nannte es immer selber Appartement, weil es sich einfach besser anhörte, wie sie sagte.
„Und willst du mir sagen, wie es auf deiner Reise war?“ Sie drehte sich zu mir um und blickte mich durchdringend mit ihren blauen und warmen Augen an.
„Es war sehr schön.“ Ich ging wieder zum Tisch und packte den Beutel aus. Ich hatte die Einkäufe erledigt, die Frau Humbold lieber selber erledigte, anstatt das Personal darum zu bitten. Aber da ihr Rheuma momentan schlimmer geworden war, erledige ich das immer wieder für sie. Ich packte ihre Lieblingscreme aus und stellte sie auf ihren Nachtisch.
„Schön? So?“ Sie ging neben mir her und folgte jedem meiner Schritte.
Ich wusste, dass sie mich nerven würde, bis ich ihr all ihre Fragen beantwortet hatte. Alte Leute können ja so neugierig sein.
„Hast du jemanden kennen gelernt?“
„Ich war doch mit Alice in London.“
„Das schließt meine Frage aber nicht aus.“
„Natürlich nicht. Soll ich Ihnen einen Tee machen?“
„Nein, das kann ich schon selber, wenn ich einen möchte.“
Ich nickte ihr zu. Ja, das machte sie wirklich lieber selber. Ich mochte Frau Humbold. Als man mich ihr zugewiesen hatte, hatte ich die Dame mit dem weichen, weißen Haar direkt ins Herz geschlossen. Sie war liebenswürdig, humorvoll und direkt.
Außerdem war sie ziemlich beharrlich, was nun, wie ich merkte, nicht unbedingt eine Tugend sein musste.
„Also?“
„Also, was?“ Ich legte den Stoffbeutel gefaltet in die Schublade, wo er hingehörte und blickte die alte Dame an.
„Willst du mir nun erzählen, was passiert ist?“
Ich seufzte.
Warum musste ich überall mit diesen Fragen gequält werden? Alice hatte mich die Woche schon genervt und das hatte mir echt gelangt. Sie musste die Frage nicht mal aussprechen, ich habe es ihr im Gesicht gesehen, was sie gedacht hatte. Und das war schon unheimlich genug.
Ich wollte doch hier in Deutschland meine Ruhe haben, warum gönnte mir das keiner?
„Oh, das sieht aber gar nicht gut aus. Setz dich. Setz dich“, meinte sie und deutete auf den zweiten Sessel. Ich saß oft in dem Sessel um ihr die Zeitung oder ein Buch vor zu lesen. Sie konnte zwar noch selber lesen, aber sie fand es immer schön, wenn ihr jemand vorlas.
Also setzte ich mich wieder in den Sessel, der schon alt war, aber doch immer noch sehr bequem. Ich mochte ihn. Er gab mir ein heimisches Gefühl.
Ich blickte zu, wie Frau Humbold sich wieder langsam in ihren eigenen Lieblingssessel setzte. Sie legte den Stock an die Lehne, so dass sie immer sofort wieder aufstehen konnte. Dann blickte sie mich durch ihr altes Gesicht an. Ich finde alte Menschen wunderschön. Die Falten zeigen einem doch, dass sie gelebt haben, dass sie viel erlebt haben. Vielleicht ist es auch der Grund, warum ich so gerne bei Frau Humbold bin. Sie erzählt mir so gerne Geschichten aus ihren Leben und ich höre ihr sehr gerne zu. Für was braucht man denn schon Geschichtsbücher, wenn man jemand hatte, der einem das alles so schildern konnte, wie es damals wirklich war. Und dass man dann wirklich das Gefühl hatte, dass man dabei gewesen wäre.
Und nun war nun ich es, die erzählen sollte. Dabei wollte ich doch gar nicht darüber reden.
„Also was ist passiert? Erzähl mir von London“, forderte sie mich auf und blickte mich lächelnd an.
Vielleicht sollte ich nun wirklich anfangen zu reden. Vielleicht brachte es mir doch etwas. Auch wenn ich noch nicht wusste, was...
„Es war sehr schön in London. Ich habe viel gesehen. Vermutlich von der ganzen Stadt.“
„Hast du auch die Queen getroffen?“
Ich musste schmunzeln, schüttelte aber den Kopf. „Nein, das nicht. Aber ich habe sie bei Madame Tussaud gesehen.“
„Ja, und wie sah sie aus?“
„Wachsig“, meinte ich und musste lächeln. Das war ja nun mal wirklich eine tolle Antwort. Schließlich ist es ja ein Wachsfigurenkabinett.

„Und wann kommen wir zu dem Thema, weswegen du jetzt so traurig bist?“
„Ich bin nicht traurig“, meinte ich sofort.
„Bella hat dir keiner bei gebracht, dass man alten Leuten nicht widersprechen soll. Sie haben nämlich immer Recht, denn sie besitzen die Weisheit der Zeit.“
Ich blickte sie skeptisch an, dann sah ich, dass sie lachte.
Hätte mich auch schwer gewundert, wenn sie das ernst gemeint hätte. Schweigend blickte ich auf meine Hände, die in meinem Schoss ruhten.
Beinahe hätte ich das Armband verdrängt was an meiner Hand ruhte. Ich zog es nur zum Duschen und beim Sport aus. Es war immer bei mir. Es war eigentlich lächerlich, aber ich konnte mich davon nicht trennen.
„Isabella?“
„Ich habe jemanden kennen gelernt.“
„Einen Mann?“
Ich blickte die alte Dame neben mir an und sah sofort, dass sie begeistert war. Frau Humbold mochte nämlich Liebesgeschichten. Ich schmuggelte ihr auch immer diese Schundromane rein. Das Personal möchte nicht – warum auch immer – dass diese hier gelesen werden. Was ich gar nicht verstehe. Warum sollen diese Menschen nicht das lesen, was sie wollen. Und Frau Humbold lächelt immer so vergnügt, wenn sie diese Romane lesen tut. Schadet doch keinem.
„Ja, einen Mann.“
„Wie sieht er aus?“
Sofort rief ich mir ein Bild von Edward in meinem Kopf hoch. Ich war überrascht wie gut es von ihm war. Ich hatte gedacht, dass es ein wenig verschwommen sein würde, da ich ja alle Gedanken bisher an ihm verdrängt habe.
„Er ist groß, zumindest größer als ich. Ich schätze ungefähr 1 Meter 79. Er hat bronzefarbene Haare, die leicht gelockt in seine Stirn fallen.“
„Seine Augenfarbe?“
„Goldbraun. Er hat wunderschöne braune Augen. Die sind so tief, dass man darin ertrinken könnte.“
„Wie ist er so?“
Ich spürte, die Tränen in meinen Augen, aber ich sprach weiter und versuchte die Tränen weg zu beten. Die Erinnerung tat dennoch weh. Jetzt wusste ich auch wieder, warum ich nicht an ihn denken wollte. Weil die Tatsache, dass ich ihn nie wieder sehen würde, zu sehr im Vordergrund stand und sie alles verdüsterte.
„Er ist nett“, ich schluckte schwer. „Er hat Manieren. Er hat mir immer die Tür aufgehalten und war aufmerksam.“
„Ein richtiger Gentleman also.“ Ich spürte ihren Blick auf mir ruhen. Vermutlich erkannte sie meinen Missmut. „Trifft man heute noch selten.“
Ich nickte. „Ja, das stimmt wohl.“ Edward war eh einmalig.

„Wie habt ihr euch kennen gelernt?“
Frau Humbold wollte es also wirklich wissen.
'Hello Beautiful', war das Erste was er zu mir gesagt hatte. Es war mir sofort auf diese Frage eingefallen.
„Es war eigentlich ziemlich komisch.“
„Kindchen, es ist nie komisch.“
Manchmal wünschte ich, ich hätte auch diese Weitsicht wie Frau Humbold. Dann würde ich ebenso erkennen, wie die Dinge wirklich sind und nicht nur zu wie zu sein scheinen. Ich hoffte sehr, dass das mit dem Alter kommen wird.
„Wir waren gerade die ersten Stunden in London und waren direkt in einer riesigen Menschenmenge. Es war erstaunlich. Alice und ich sind schließlich in ein Restaurant gegangen, das von außen ganz und gar nicht wie ein Restaurant aussah. Da war nämlich ein großes Krokodil im Schaufenster.“
„Ein Restaurant mit einem Krokodil?“
„Es war ein Unechtes“, sagte ich schnell und blickte wieder auf mein Armband. Ich spielte damit und fuhr die einzelnen Ringe und Steine ab. „Und drinnen gab es alle möglichen Kuscheltiere zu kaufen.“
„Kuscheltiere? Ich dachte es ist ein Restaurant. Was denn nun, Kindchen?“
„Man musste die Treppe hinunter gehen, um ins Restaurant zu gelangen. Und oben wurden diese Kuscheltiere verkauft.“
„Und da hast du diesen Mann kennen gelernt?“
„Ja. Er hat mich einfach angesprochen und gefragt, ob er nicht mit mir ein Foto machen dürfte.“
„Na, so was. Hast du nicht gesagt, er hat Manieren?“, fragte Frau Humbold empört.
„Ja, die hat er.“ Ich musste wieder schmunzeln. „Ich glaube, er war selber überrascht darüber gewesen, dass ich zugestimmt habe. Sein Freund hat dann dieses Foto von uns gemacht. Und irgendwie kamen wir dann ins Gespräch.“
„Er ist also nett?“
„Ja, das ist er wirklich.“
„Willst du mir nicht endlich den Namen verraten, Kindchen?“
Ich drehte das Armband um und sah auf das kleine Schild auf dem sein Name eingraviert war. Dabei brauchte ich keine Hilfe. Ich würde diesen Namen immer wissen, vermutlich murmelte ich ihn sogar schon im Schlaf. „Edward.“
„Das ist aber ein sehr schöner Name. Das muss ich schon mal sagen.“
Ja, das tat er wirklich. Und er passte so gut zu ihm. Absolut.
Und irgendwie musste ich feststellen, dass es gar nicht so wehtat, über ihn zu reden, wie ich vermutet hatte. Nein, es tat sogar sehr gut. Vielleicht hätte ich mal auf Alice hören sollen, als sie mich die letzte Woche damit die ganze Zeit genervt hatte. Aber das hier war irgendwie doch was anderes. Auch wenn ich noch nicht sagen konnte, wo wirklich der Unterschied war.
„Gut, du hast diesen tollen Kerl kennen gelernt und warum bist du nun so traurig? Das passt nicht zusammen.“
„Ich habe mich verliebt.“ Ich blickte sie an und hoffte, dass sie mich nun verstehen würde.
„Dann verstehe ich es erst Recht nicht, Kindchen.“
Ich seufzte auf. Nein, anscheinend verstand sie mich nicht.
„Ich werde ihn nie wieder sehen.“
„Wer sagt denn das?“
„Ich weiß es einfach. Er lebt in London und ich hier. Und außerdem ist er...“
„Es ist doch egal, wo ihr lebt. Die Liebe kennt keine Grenzen.“
„Ach, Frau Humbold, ich bitte Sie. Die meisten Fernbeziehungen gehen in die Brüche.“
„Ich sag dir mal was, mein Kind. Als ich damals meinen Mann heiratete – Gott habe ihn selig – sah ich ihn nur ein Mal im Monat. Er war bei der Marine musst du wissen. Und es war noch nicht mal garantiert ob ich ihn dann wirklich sehen würde.“
Ich nickte und hörte ihr weiter zu.
„Und glaubst du, das war für mich ein Grund ihn nicht zu weniger zu lieben? Ich habe gelernt, die Momente, die wir zusammen haben, als das kostbarste überhaupt anzusehen. Er hat mir so vieles gezeigt, gelehrt und er hat mir sofort in die Seele sehen können.“
In die Seele sehen können?
„Er wusste, dass ich nicht immer so stark war, wie ich spielte zu sein. Aber er fand es bewundernswert, dass ich vor allen anderen Haltung zeigte und nur dann weinte, wenn ich alleine war.“
Hatte Ed nicht so etwas Ähnliches über mich in den Brief geschrieben?
Das er in mein Augen gesehen hatte und sah, dass ich etwas Trauriges in mir habe und dass er es dennoch bewundernswert findet, wie ich lebe und das Leben genieße.
War es das?
„Robert hatte einfach diese wundervolle Fähigkeit gehabt, mit nur einem Wort alle Last von meinen Schultern zu nehmen. Ich liebte ihn so sehr, wie man einen Mann nur lieben konnte und ich habe nie aufgehört daran zu glauben, dass ich ihn wieder sehen würde. Und das solltest du auch nicht.“
„Er hat so viele Verpflichtungen in London, ich glaube einfach nicht...“
„Papperlapapp, Lissy vertrau doch auf dein Herz.“
Das würde ich ja echt gerne. Ja, wirklich. Aber ich konnte nicht. Die Vergangenheit hatte mir schon zu oft bewiesen, dass ich mich nicht nur auf mein Herz verlassen kann. „Es hat mich leider nur zu oft schon enttäuscht.“
„Liebt er dich?“
„Das hat er zumindest gesagt“, erwiderte ich und blickte wieder das Armband an.
„Na, also. Wenn du deinem Herzen schon nicht glaubst. Dann glaube ihm. Glaub seinem Herzen.“
Ich blickte sie an und biss mir auf die Unterlippe. Ich sollte als nicht meinem Herzen glauben, sondern seinem?
Ich sollte also wirklich glauben?
Dabei hatte ich schon vor langer Zeit aufgehört gehabt an etwas zu glauben. Glauben war etwas, was man nicht fassen konnte und dennoch tat es einem schrecklich weh, wenn man doch enttäuscht wurde.
Und dieses Mal sollte ich es wirklich riskieren?
Für Edward?


Sag niemals das du vergessen möchtest,
niemals, das es ein Fehler war.

Sag nicht, dass du diese Zeit aus deinem Gedächtnis
streichen musst.
Sag nicht "Nein" zu einer Phase deines Lebens,
die so wunderschön war,
dass es dir im nach hinein unsäglich weh tut.

Alles hat Sinn!
Denke an das Schöne,
dass dich in der harten Zeit stark macht.

Denn du kannst nicht vergessen,
nur versuchen, damit zu leben!!!


Eintrag: Dienstag, der 23.12.2008, Uhrzeit: 10:30
Ich arbeite. So viel, wie nur möglich.
Ich bin nun seit gut einer Woche wieder in Deutschland und die letzte Woche habe ich nur durch geackert.
Das Wochenende habe ich extra lange Schichten im Altersheim geschoben, nur damit ich nicht all zu lange in der Wohnung bin und ich mich mit mir selber beschäftigen muss.
Ist doch eigentlich ganz logisch.
Mein damaliger Deutschlehrer erzählte mir einmal von einem Experiment was er mit seinen Schülern durchgeführt hatte.
Jeder Schüler sollte sich eine halbe Stunde am Tag vor eine weiße Wand setzen und an nicht denken. An keine Klassenarbeiten, an keinen Stress auf der Arbeit, an keinen Streit mit seinen Freund. An rein gar nichts. Man sollte sich einfach mit sich selbe r befassen, sich kennen lernen. Er meinte, man würde erstaunt sein, welche Gedanken einem in so einen Moment kommen würden.
Das Ergebnis war, dass alle Schüler das Experiment vorzeitig abgebrochen haben, weil sie Angst bekommen hatten. Vor sich selber. Vor den Dingen, an die sie plötzlich gedacht haben. Dinge, die ihnen in diesen Momenten eingefallen sind. Sie waren vollkommen damit überfordert.

Ich will nicht nachdenken. Ich will mich nicht mit mir selber beschäftigen. Ich will nicht an Edward denken.
Das würde doch eh nichts bringen. Rein gar nichts. Ich will alleine sein. So einfach ist das.

Ich weiß, das ist nicht gerade ein positiver Eintrag. Aber was anders kann ich gerade nicht verfassen.
Übrigens vielen Dank für die vielen Rückmeldungen zu den Fotos. Leider kam ich noch nicht dazu eure E-Mails zu beantwortet, verzeiht mir. Ist gerade nicht so mein Tag oder wohl eher meine Woche.

Eure Bella


- 13 -
„Bella, hast du den Bericht schon fertig?“
Ich blickte von meinen Unterlagen auf und sah Sandy an. „Der Bericht?“ Ich versuchte mir gerade in Gedächtnis zu rufen, von welchem Bericht sie denn sprechen könnte.
„Der Ergebnisbericht?“, hakte sie nach. „Der letzten Analyse.“
Bericht? Ich blickte auf meinem Schreibtisch und überlegte, wo ich ihn hingelegt hatte. Ich wusste nun zumindest schon mal von welchem sie sprach. Aber wo war er ?
Ich fasste schließlich neben mir in die Unterlagenfächer. Ah, da war er ja. Hätte ich doch fast vergessen.
„Hier.“
„Danke. Wo bist du nur mit deinen Gedanken?“, fragte sie und lächelte.
„Willst du gar nicht wissen“, erwiderte ich zu ihr und blickte wieder auf die Zahlen, die vor mir lagen.
„Ich weiß es“, hörte ich Alice' Stimme, die neben mir saß.
Ich drehte mich jedoch nicht um, um auf ihre Aussage zu reagieren. Bestimmt nicht. Das wollte sie doch bestimmt. Darauf legte sie das doch aus.
„Ja, wo ist Bella denn mit ihren Gedanken?“, fragte Sandy interessiert.
„Hör mal Sandy, Alice spinnt sich mal wieder was zusammen“, meinte ich ohne Beide anzusehen und unterstrich gerade eine Zeile, die ich für wichtig empfand mit gelben Textmarker.
„Ach ja?“, fragte Alice. Ich spürte ihren Blick auf meinem Rücken. Doch ich sah sie bestimmt nicht an. Ich hatte zu arbeiten.
Musste sie eigentlich nicht arbeiten? Bin ich eigentlich die Einzige die hier was schafft?
„Nun erzähl mal“, meinte Sandy und setzte sich auf meinem Schreibtisch und sah Alice erwartungsvoll an.
„Bella meint zwar, das es nicht stimmt, aber ich weiß wo sie mit ihren Gedanken ist. Bei einem jungen Mann.“
Ich seufzte. Das das alles hier nicht einfach mal aufhören konnte.
Was war denn daran so schlimm?
War dass denn echt zu viel verlangt?
Das heute war der letzte Tag, den ich im Labor verbringen würde. Denn ab Morgen hatte unser Labor zu, wir hatten über die Weihnachtstage geschlossen, sogar zwischen den Jahren. Ich hatte mich sogar freiwillig für Bürokram gemeldet, aber mein Chef meinte, dass es dieses mal nicht nötig wäre. Na super.
Ich würde dieses Jahr auch nicht zu meiner Mutter fahren können, um Weihnachten bei ihr zu verbringen. Sie war dieses Jahr mit ihrem Lebensgefährten verreist, würde aber am 26ten bei mir vorbei schauen, um mir mein Geschenk zu geben.
Meine Mitbewohnerin Kate würde bei ihrem Freund zu Hause sein oder bei ihren eigenen Eltern. Also würde ich ziemlich alleine sein.
Und was sollte ich die Tage machen?
Im Altersheim durfte ich auch keine Doppelschichten mehr eintragen. Sie wollten nicht, dass ich noch mehr als nötig arbeite, vor allem, da ich es ehrenamtlich mache. Sie würden mich gerne bezahlen, dafür, dass ich öfters komme. Aber da sie das nicht können, solle ich nur zu meinen normalen Schichten kommen. Das heißt ich würde Morgen und Übermorgen zu Hause sein.
Heute Abend gab es dann noch bei uns eine kleine Weihnachtsfeier.
Wenigstens etwas. Dann konnte ich mich vielleicht betrinken und hoffen, dass ich den nächsten Tag einfach fast verschlafen würde.
„Bei einem jungen Mann also?“ Ich spürte wie Sandy mich ansah. Doch ich reagierte gar nicht. Das war mir echt zu blöd. Tolle Freundin, dachte ich mir.
Warum war ich noch mal mit Alice befreundet? Diese Frage stellte ich mir inzwischen immer öfters.
„Ja, wir haben ihn in London kennen gelernt.“
„Das hast du ja gar nicht erzählt, Bella“, meinte Sandy.
„Warum auch?“, meinte ich, griff nach meiner Schutzbrille, stand auf und ging ins Labor. Nein, das musste ich mir echt nicht geben. Ich wollte nicht an Edward denken und auch nicht über ihn reden und ich wollte auch nicht zuhören, wie andere über ihn sprachen.
Ich lehnte mich an den Arbeitstisch und seufzte erst mal. Meine Hände griffen nach der Tischplatte und krallten sich fest. Mein Halt schien sich zu lösen und ich hatte die Angst zu fallen. Tief zu fallen. Und ich durfte einfach nicht zulassen, dass ich falle.
Meine Augen schlossen sich und ich holte tief Luft. Ich versuchte meinen Halt wieder aufzubauen, meine Rüstung.


Ich schaute auf die Uhranzeige an meiner Stereoanlage und seufzte.
Jetzt hatte ich die Wohnung geputzt und es war gerade mal nur eine Stunde vergangen. Das kommt davon, wenn man jeden Tag alles schon schrubbt, dann hat man nicht mehr so viel zu tun. Aber genau heute wollte ich noch was tun.
Ich blickte zum Fenster. Ich könnte ja die Scheiben noch putzen. Aber es wurde schon dunkel. Da würde mir das putzen nicht viel bringen, wenn ich ja gar nicht sah, wo ich noch Flecken hatte.
Mein Blick flog zu meinem Bett. Ich könnte ja auch mein Bett neu beziehen. Gut, dass hatte ich ja erst am Anfang der Woche gemacht. Was könnte ich noch machen? Nun sah ich zum CD-Regal. Ich könnte mir ja ein neues System für meine CDs überlegen.
Ach, das war doch alles Nichts. Ich setzte mich auf mein Bett und zog die oberste Schublade meines Nachttischs auf. Es brachte alles nichts. Ich wusste, dass die einzige Erinnerung an Edward hier drinnen war und mein Herz würde sich erst wieder beruhigen, wenn ich die Zeilen wieder las und wenn meine Finger über den Stoff seiner Krawatte streichen würden. Ich seufzte auf und faltete das Papier wieder auf. Inzwischen konnte ich jede einzelne Zeile auswendig und dennoch musste ich ihn mir ansehen, alleine nur wegen seiner schönen Schrift. Wie ich ihn vermisste.
Liebeskummer ist etwas Schreckliches. So etwas gehörte vollkommen verboten. Dumme Erfindung der Gefühle. Man sollte sich auch gar nicht in die Menschen verlieben, bei denen man eh keine Chance hatte.

Aber die Stunden mit Dir, waren so wundervoll.

Oh, Edward du weißt gar nicht wie schön die Stunden für mich waren. Ich hätte dir wirklich sagen sollen, wie ich empfinde. Aber ich konnte es nicht. Ich hatte Angst. Ich hatte Angst, dass ich mich in dir verliere, dass wenn ich dir sage, was ich empfinde, ich mich vollkommen verlieren würde und es für mich keine Rettung mehr geben wird. Du hast mich Shakespeare und Jane Auste näher gebracht, dafür bin ich dir unsagbar zu Dank verpflichtet. Ich wollte beide Persönlichkeiten schon immer kennen lernen, leider wird mir das nicht vergönnt sein und dennoch hast du mir das Gefühl gegeben, als würde ich sie kennen lernen.

Es kam mir so vor, als würdest du mir beibringen wie man lacht. Wie man das Leben genießt. Wie jeden einzelnen Moment als etwas Schönes betrachtet.

Du hast mir gezeigt, dass man den Kopf nicht in den Sand stecken sollte. Das letzte Jahr war nicht unbedingt einfach für mich. Ehrlich gesagt ein großer Teil meines Lebens war nicht einfach für mich. Ich musste immer einstecken und war schon oft davor einfach aufzugeben.
Aber diese Stunden mit dir. Sie waren die schönsten überhaupt. Sie gehören zu den schönsten Stunden in meinem Leben und davon hatte ich in den letzten Jahren wirklich viel zu wenig. Aber dank Dir wurde mir wieder gezeigt, wie schön das Leben ist. Du hast mir gezeigt, mit so einfachen Mitteln wie einem Lächeln, wie schön das Leben sein kann. Du hast dieses wundervollste Lächeln und die schönsten Grübchen, die ich je gesehen habe. Sie haben mich in einen wunderschönen Traum gesetzt.

Mir fällt es so schwer und doch so leicht, Dir dass jetzt zu sagen – nein, ich schreibe es ja auf. Dabei würde ich es dir gerne richtig sagen, so wie es sich gehört.
Ich habe mich in Dich verliebt.
Hals über Kopf habe ich mich in dich verliebt.

Ich habe mich schrecklich in dich verliebt. Nur leider kann ich es dir nicht sagen. Du weißt es nicht und wer weiß, ob du es jemals erfahren wirst. Ich hätte es dir direkt sagen sollen, sofort. Und doch konnte ich es nicht.
Ich war feige.

Ich spürte die Tränen in mir aufsteigen und wischte sie mir schnell weg und schaute zur Decke und hoffte, die Tränen würden so schneller verschwinden. Ein Glück war Kate noch nicht da, sie wollte noch ein paar Sachen für heute Abend einkaufen. Für unsere Weihnachtsfeier. Ihr Freund half ihr beim Einkauf, so dass ich nicht mit musste. Ich wollte ja die Wohnung noch ein wenig aufräumen. Das Wohnzimmer und der Flur waren auch weihnachtlich geschmückt. Eigentlich mochte ich diese ganze Deko ja gar nicht. Aber es war nun mal etwas, womit ich mich ablenken konnte.
Die Küche war auch so weit fertig. Die Flaschen für die Cocktails standen bereit, Eis war da. Salate und Knabberzeug standen auf dem Küchentisch bereit.
In der Badewanne haben wir das Bier verstaut. Eine sehr gute Idee. Wir haben einfach Wasser, Eis und Salz in die Wanne gegeben und dann die Flaschen hineingestellt. Außerdem schwammen zwei gelbe Gummientchen zwischen den Flaschen herum.

Ehrlich gesagt, habe ich mir gewünscht, dass Du mich ebenso nicht so leicht vergisst.

Ich werde dich vermutlich nie vergessen können.
Egal was nun auf mich zukommt, ich werde mich immer an diesen Ausflug nach London erinnern und damit auch immer an dich. An die schönen Stunden mit dir, an die Dinge die du mir gezeigt hast. An dein Lachen, an deine Augen, an deine Stimme. Du wirst immer in meinen Gedanken sein, Edward.

Als wir Beide auf der Bühne standen und Shakespeare zitiert hatten, war es vorbei mit meiner Vernunft.

Dieser Moment war so unbeschreiblich.
Ich stand wirklich auf der Bühne im Shakespeare's Globe Theatre. So etwas hatte ich mir ehrlich gesagt nie vorgestellt. Ich dachte mir immer, ja, ich würde es mir mal von außen oder von den Zuschauerrängen ansehen, aber dass ich Live auf der Bühne stehen würde, war einfach unglaublich. Auf der Bühne stehen, wo all die schönen Stücke von Shakespeare aufgeführt wurden, wo die Akteure standen und die Luft Shakespeare atmeten. Es war einfach unglaublich.
Und du standest mit mir da oben.
Du hast es erst möglich gemacht, dass ich diesem Autor so nahe kam.
Mit dir. Und du hast mich echt überrascht, damit dass du auch Shakespeare zitieren kannst.

Nun rollten doch die Tränen über meine Wangen.
Es brachte nun auch nichts mehr, sie weg zu wischen. Ich legte mich in mein Kissen, kuschelte mich in den frischen Duft und seufzte. Ich strich mir eine Strähne aus meinem Gesicht. Mit meiner rechten Hand. Der Hand an der das Armband von Edward hing. Ich hatte es so gut wie nie abgenommen. Ich konnte es einfach nicht länger als eine Stunde ab haben. Ich weiß, es war vollkommen verrückt, aber es gehörte Edward und somit war ich ihm doch ein wenig näher.
Es war verrückt. Vollkommen verrückt. Aber ich brauchte die Nähe zu ihm.

Ich habe mich in dich verliebt, Bella. Ich kann es gar nicht oft genug sagen. Aber es ist die absolute, untrügliche Wahrheit. Ich habe noch nie so sehr etwas begehrt wie dich.

Untrügliche Wahrheit?
Wie oft wurde ich schon verletzt, weil ich zu schnell vertraut habe. Weil ich überhaupt vertraut habe.
Das war wohl auch der Grund, warum ich Edward nicht sofort sagen konnte, was ich für ihm empfand. Ich bin inzwischen einfach vorsichtiger, wenn es um mein Herz geht.
Aber dennoch habe ich mich in dich verliebt.
Und ich würde es dir so gerne sagen.
Aber ich habe weder deine Adresse, noch deine Handynummer noch sonst irgendwas, wie ich dich erreichen kann.

Und auch wenn ich jetzt nicht bei Dir sein kann und Dir das alles nicht persönlich sagen kann, weiß ich, dass es dennoch weiter gehen wird.

Ja, ich hoffe es. Aber seit mehr als einer Woche habe ich nichts mehr von dir gehört.
Was soll ich denn glauben?
Vielleicht bin ich auch zu ungeduldig. Aber ich will mich nicht komplett in dir verlieren, wenn ich nicht mal weiß, ob das eine Chance hat.
Ich will ja hoffen. Ich will es wirklich.

Ich setzte mich wieder auf und blickte auf die letzten Zeilen des Briefes. Die Krawatte im blauen Schottenkaro-Muster ruhte immer noch in meiner linken Hand. Vielleicht konnte ich die Krawatte heute irgendwie anziehen. Um Edward noch näher zu sein.
Nein, das war wohl keine gute Idee, denn Alice würde auch da sein und sie würde die Krawatte sofort wieder erkennen und dann würde sie allen erzählen, was es mit der Krawatte auf sich hat.

Noch nie hatte ich so ein Gottvertrauen, aber dieses Mal habe ich es. Weil es um Dich und um mich geht.
Vertrau mir einfach.


Hat Frau Humbold nicht so etwas Ähnliches gesagt.
Dass wenn ich schon nicht auf mein eigenes Herz vertraue, soll ich auf das von Edward vertrauen.
Vertrauen.
Es war so ein großes Wort und es hatte für mich im Laufe meines bisherigen Lebens einfach an Bedeutung verloren. Ich weiß es klang traurig, aber es war nun mal so. Wenn man von fast allen Menschen verraten und verletzt wird, den man vertraut, die man an sich lässt, dann hört man irgendwann nun mal auf, an dieses Wort zu glauben.
Letztendlich war es dann doch nur ein Wort.
Mehr nicht.
Ein Wort das für mich an Bedeutung verloren hatte.

„Bella, wir sind wieder da“, hörte ich die Stimme durch Kate, als sie die Wohnungstür aufgeschlossen hatte.
„Komme sofort.“ Ich steckte den Brief und die Krawatte wieder in die Schublade und zog sie wieder zu. Schnell ging ich zum Spiegel, der in meinem Zimmer hing und griff nach den Feuchtigkeitstüchern die darunter lagen und versuchte etwas von meinem verheulten Gesicht los zu werden.


„Will noch jemand Glühwein oder sonst was aus der Küche?“, fragte ich, als ich von meinem Sitzkissen aufstand. Ich hatte mein neues schwarz-weißes Schottenkaro-Kleid an. Es sah ziemlich brav aus, aber irgendwie passte es auch zur Weihnachtstimmung. Alle hatten die Geschenke unter unseren kleinen Weihnachtsbaum gelegt. Wir hatten uns entschieden eine kleine Wichteln-Aktion zu machen. Einfach nur, weil es lustig ist.
„Ich hätte gerne noch einen Glühwein“, meinte Alice zu mir und reichte mir ihre Tasse.
„Kommt sofort“, meinte ich und ging aus dem Wohnzimmer, da niemand etwas mehr wollte. Anscheinend schienen alle zufrieden zu sein. Und irgendwie war es doch schön, dass alle da waren. Alice, Toby, Anna, Markus, Sebastian von meiner Arbeit. Karin, Johannes und Kai aus dem Wohnheim. Mit ihnen hatte ich zusammen im Wohnheim gewohnt und gefeiert. Mit Karin habe ich sogar 2,5 Jahre das Zimmer geteilt. Johannes und Karin hatten inzwischen wie ich ihre eigene Wohnung, Kai wohnte noch im Wohnheim, er war zwei Lehrjahre unter uns und würde wohl das kommende Jahr seine Abschlussprüfung schreiben. Außerdem waren noch Mirja, Carina und Tina da. Sie waren mit Kate zur Schule gegangen und studierten nun alle brav. Und dann waren da ja noch Kate und ihr Freund.
Ich stellte beiden Tassen in der Küche ab und öffnete den Deckel des Topfes, in dem wir unseren eigenen Glühwein warm hielten.
„Alles okay bei dir?“
Ich blickte zu Kate, die im Türrahmen stand und mich ansah. „Natürlich. Warum?“
„Ich weiß nicht, du bist so still.“
Ich zuckte mit den Schultern und füllte die Tassen mit den roten, warmen Flüssigkeit. „Wie geht’s dir eigentlich in Sachen Edward?“, fragte sie vorsichtig.
Ich seufzte. Natürlich wusste sie davon, schließlich hatte ich es ihr am nächsten Abend erzählt. So ziemlich alles von London, somit auch von Edward. Sie hatte mir zugehört und war eine tolle Freundin, denn sie akzeptierte, wenn ich traurig war, aber auch nicht über Edward reden wollte.
„Ich möchte nicht darüber reden.“
„Okay, aber irgendwann solltest du darüber reden.“
„Irgendwann“, stimmte ich ihr zu und grinste sie an.
„Aber es geht dir doch wirklich gut?“
„Natürlich.“ Ich umarmte sie und küsste sie auf die Wange. „Danke, dass du da bist und mich nicht zwingst, mit dir über ihn zu reden.“
„Ist doch klar, Liebes. Dafür sind doch Freundinnen da.“ Kate lächelte und küsste mich auf die Wange.
„Los komm, lass uns zurück gehen“, meinte ich zu ihr und griff nach den Beiden Tassen.
Kate nickte.

Als ich gerade aus der Küche ging, klingelte es.
„Erwartest du noch jemand?“, fragte ich sie skeptisch.
„Nicht das ich wüsste.“
„Gut, ich schau mal, wer da ist“, meinte ich, stellte die Tassen auf den Küchentisch und ging zur Sprechanlage.
„Die ist kaputt“, meinte Kate schnell.
„Wie kaputt?“
„Keine Ahnung, was mit der ist. Vorhin ging die wohl einfach nicht mehr“, meinte Kate und griff nach Alices Tasse. „Du musst runter gehen und die Haustür öffnen. Ich bringe Alice schon mal die Tasse.“
„Ist gut“, meinte ich zu ihr und schlüpfte in meine Kunstwildleder-Stiefel, zog mir meinen weißen Strichmantel über, der mir bis zu den Knöchel reichte, griff nach meinem Schlüssel der in der Glasschüssel auf dem Schuhschrank ruhte und ging aus unserer Wohnung. Ich mochte unsere Wohnung. Wir wohnten eigentlich hier ganz alleine. Sie gehörte zu einem Weingut, aber der Eingang war extra und wir hatten alles für uns. Den Keller, den Dachboden und den Hauseingang so zu sagen auch.
Ich hüpfte regelrecht die Treppen runter. Trotz Weihnachten und trotz dessen das ich Edward vermutlich nie wieder sehen würde, ging es mir gerade ziemlich gut.
Das lag vielleicht auch an dem Glühwein. Ich hätte doch darauf beharren sollen, dass Kinderpunsch für mich besser wäre.
Da es dunkel war, konnte ich nicht durch das Sichtfenster erkennen, wer da draußen stand, also öffnete ich einfach die Tür und erschrak.

Ich umklammerte den Türgriff und blickte hinaus.
Es war nicht die Kälte die mich dort empfing, die mir so zu setzte.
Das konnte ich echt nicht glauben.
Er war wirklich da. Heute. Jetzt. Hier.
Meine Atmung setzte aus. Mein Gehirn fühlte sich mit der Situation vollkommen überfordert.
Meine Knie zitterten und mein Griff um die Türklinke wurde immer fester.
Es musste eiskalt sein, doch spürte ich gerade gar nichts. Ich war überfordert, mein Körper war überfordert.
„Hey“, sagte die Person mit ruhiger Stimme. Er lächelte. Da stand er einfach. Als wäre es das Natürlichste überhaupt.
Edward.
Mein Edward.
Da war es wieder, das schöne Lächeln, das ich so vermisst hatte.
Ich schluckte schwer, ließ den Türgriff los und warf mich einfach in seine Arme.
Alles war egal, ich wollte ihn nur noch spüren.
Ich ignorierte die Tränen, die meine Wangen hinab liefen. Ich ignorierte, dass ich noch gar nichts zu ihm gesagt hatte. Es war gerade alles egal.
Mein Gesicht presste sich in seine Jacke und er drückte mich an sich. Wirklich.
Er war wirklich da.
Ich heulte und verschmierte bestimmt seine Jacke mit meinem Mascara, aber es schien ihm auch egal zu sein.
Seine starken Arme drückten mich an sich, so als wollte er mich nie wieder los lassen. Und das hoffte ich doch, denn ich wollte ihn auch nie wieder gehen lassen.
Nie wieder.
Es war so wundervoll, dass ich kein Wort hatte, um die Gefühle, die in mir waren, zu beschreiben. Da waren so viele Gefühle, so viele Schmetterlinge. Glück. Hoffnung. Liebe. Zuversicht.

„Du bist wieder da“, murmelte ich nach einer Weile. Ich wusste nicht, wie lange wir hier so vor meiner Haustür standen, aber es war mir auch egal. Es ging hier um ihn und um mich. Alles andere war unwichtig.
„Ja, das bin ich.“
Ich löste mich ein wenig von ihm, um ihn wieder ins Gesicht zu sehen.
Er lächelte mich an, so sanft, wie ich es in Erinnerung hatte.
„Ich hab dich vermisst.“
Er nahm mein Gesicht in seine Hände und küsste mir meine Tränen weg. „Ich habe dich auch vermisst.“
Seine Lippen auf meiner Haut waren das Schönste überhaupt.
Ich schluckte und wollte sogar das Atmen aufgeben, nur um alles von ihm zu genießen.
„Ich hatte nicht geglaubt, dich wieder zu sehen.“
„Ich habe doch gesagt, dass du mir vertrauen sollst.“
Ich nickte und stellte mich auf die Zehenspitzen und endlich seine Lippen zu küssen. Meine Hände legten sich um seinen Nacken und zogen ihn an mich. Ich wollte nicht mehr reden. Ich wollte ihn küssen. Einfach nur küssen.
Und nie wieder los lassen.
„Ich liebe dich, Bella“, hauchte Edward mir in dem Kuss zu.
„Ich liebe dich auch, Edward“, meinte ich zu ihm und es war die vollkommene Wahrheit. Und es fühlte sich toll an. Diese drei Worte auszusprechen, ist das Schönste was man geben kann und das Schönste was man geschenkt bekommen kann.
„Du bist also wirklich hier?“, fragte ich ihn, denn es kam mir immer noch so vor wie ein Traum. Und ich hatte Angst gleich auf zu wachen und festzustellen, dass es wirklich nur ein Traum ist. Ein dummer Streich meines Unterbewusstseins um mir zu zeigen, wie sehr ich Edward liebte. Aber dafür brauchte ich nun wirklich keinen Traum, das wusste ich auch so. Absolut.
Edward lächelte, strich mir übers Haar. Er lächelte einfach und es war das schönste Lächeln überhaupt für mich. Etwas Schöneres schien es gar nicht zu geben. Nur ihn und mich und der Sternenhimmel über mich.
„Ich bin hier. Hier bei dir. Und ich lass dich nicht mehr gehen, Bella.“
„Ich dich auch nicht“, erwiderte ich und stellte fest, dass meine Stimme ein wenig zitterte. Aus Glück. Ich war überwältigt von einer großen Welle voller Glück, denn ich konnte gar nicht glauben, dass das hier wirklich passierte.
Edward strich mir wieder sanft über die Wange und beugte sich wieder zu mir herunter, damit seine Lippen sich mit den meinen verschließen konnten.
Das war der Schönste Moment überhaupt.
Hoffnung war also doch nicht so verkehrt, wie ich gedacht hatte.
Ich konnte ihm vertrauen. Ich konnte Edward vertrauen, er enttäuschte mich nicht.
Er war hier, wie er es versprochen hatte.
Und ich würde ihn nie wieder gehen lassen. Nie wieder.


Eintrag: Montag, den 17.01.2011, Uhrzeit: 11:20
Ich bin nervös.
Ich bin so was von nervös. Edward kommt heute wieder. Aber nicht nur für ein paar Tage, nein, er wird nun bei mir wohnen. Ist das nicht großartig? Es ist großartig.
Ich bin richtig aufgedreht.
Aber so leicht war das ja gar nicht.
Es hat lange gedauert, bis er seine Eltern so weit hatte, dass er nach Deutschland kommen durfte. Schließlich hatte er sie damit überzeugt, dass ein Austauschjahr eine gute Möglichkeit ist, die verschiedenen Kulturen kennen zu lernen. Schließlich wurde ihm das schon immer von klein auf gelehrt. Lerne deine Freunde und ihre Kultur kennen.
Also hat er sie eigentlich ausgetrickst. Schlauer Junge. Man musste Eltern mit ihren eigenen Waffen schlagen.
Aber mir ist das Recht.
Ich freue mich riesig.
Kate ist für ein Vierteljahr in Australien mit ihrem Freund. So bin ich nicht ganz alleine. Okay, sagen wir es so, es passt zeitlich alles super zusammen.
Ich habe mir jetzt sogar schon ein wenig Urlaub genommen, denn ich will die Tage auf jeden Fall mit Edward verbringen und wie es dann weiter geht, müssen wir mal klären. Aber bis dahin ist ja auch noch ewig Zeit, oder? Rom wurde schließlich auch nicht an einem einzigen Tag erbaut, wie es so schön heißt.

Wow, wer hätte damals denn gedacht, dass diese Geschichte mal so enden wird? Ich ehrlich gesagt nicht.
Wir sind ein Paar.
Gut, wir führen eine Fernbeziehung. Aber es gibt das Internet, es gibt das Telefon und es gibt Briefe. Wir schreiben uns täglich und es ist schön und dann genießen wir die Momente die wir zusammen haben. Mal kommt er zu mir oder ich zu ihm.
Okay, manchmal ist es ziemlich schlimm, weil ich ihn dann schrecklich vermisse. Deswegen war ich auch immer gegen eine Fernbeziehung, aber es ging in diesem Fall nun mal nicht anders. Man muss aber sagen, dass ich es dafür ziemlich weit geschafft habe... gut, wir haben es ziemlich weit geschafft. Aber das ich ihn vermisse das ist doch normal, oder?
Ich meine wenn man einen Prinz zum Freund hat, darf man ihn auch vermissen. Dann erst Recht.
Zumindest sehe ich das so.

Oh, schon so spät.
Ich muss mal los, Ed vom Flughafen abholen:

Liebe Grüße
Eure Bella

Daniel Spitzer sagte einst:
"Das Glück ist ein Mosaikbild,
das aus lauter unscheinbaren kleinen Freuden zusammengesetzt ist."


Eintrag: Mittwoch, den 13.07.2011, Uhrzeit: 13:24
Okay, es steht fest.
Ja, ich habe es wirklich geschafft. Ich habe das alles organisiert und vor Edward verheimlichen können, ist denn das zu glauben. Das ich das alles vor ihm verheimlichen konnte, überrascht mich ja am meisten. Ich habe etwas verheimlicht? Wo ich doch die größte Quasselstrippe bin, schon komisch.

Ich hoffe mal, er wird nicht zu überrascht sein, wenn er meine Überraschung hört. Oh man, was ist denn wenn er sich gar nicht darüber freut.
Stimmt, ihr habt Recht. Ich muss Ruhe bewahren. Ich schaff das schon.

Aber ich will das wirklich tun.
Die Zusage der Zweigstelle meiner Firma in London habe ich sicher in der Tasche.
Ich hoffe, er will überhaupt noch zurück. Mit mir.

Ein paar von Euch haben ihn ja nun kennen gelernt, denkt ihr, er will gar nicht zurück nach England?
Das wäre dann echt eine Katastrophe, kann ich euch mal sagen. Ich meine, ich habe denen schon zugesagt. Also das ist ziemlich sicher, dass ich nun bald in London anfangen werde.

Ich hoffe doch, Edward möchte mich mitnehmen?

Es hat geklingelt, das dürfte Edward sein ^^

Liebe Grüße
Eure Bella


Eintrag: Samstag, den 24.12.2011, Uhrzeit: 15:30
FROHE WEIHNACHTEN,

Hallo meine Lieben ich wünsche Euch alles Liebe zu Weihnachten.
Genießt die Feiertage und verbringt die Zeit mit Euren Liebsten.
Grüßt Eure Eltern mal wieder, wenn ihr sie über die Tage nicht sehen werdet und ruft eure Oma mal an, die freut sich garantiert.

Ja, was gibt es bei mir Neues? Das wollt ihr doch bestimmt wissen.
Ich bin immer noch in London, wie ihr wisst. Aber es ist sehr schön hier. Aber ich glaube hier wird es nicht so viel Schnee geben wie in Deutschland. Gut, man kann wohl nicht alles haben.

Ja, um eure Fragen zu beantworten. Die Eigentumswohnung in der wir nun leben ist groß.
Dabei fand ich die Wohnung ich meine 95 qm in Deutschland mit meiner Mitbewohnerin Kate schon gut.
Aber wir haben hier 250 qm auf zwei Stockwerke. Maisonettenwohnung in einem der schönsten Bezirke Londons, meine Freunde. Ich glaube es selber nicht, dass ich nun hier wohne.
Vier Schlafzimmer, zwei Bäder, eine riesige Küche, ein phänomenales Wohnzimmer mit Kamin, ein schönes Esszimmer, eine Bibliothek und ein Arbeitszimmer für Edward. Und da wir Beide nur ein Schlafzimmer als unser Schlafzimmer nehmen, haben wir sehr viel Platz.
Gut, das eine Zimmer ist ja schon besetzt. Ihr wisst schon für was.
Und das andere wird dann auf jeden Fall ein Gästezimmer.
Na ja, gut ein Zimmer ist dann noch übrig, aber mal sehen, was die Zukunft noch bringt^^

Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich hier nun wirklich lebe. In England, in London, meine ich.
Gut, irgendwie war es dann für uns Beide am Besten. Nachdem Edward für ein halbes Jahr bei mir in Deutschland verbracht hatte, habe ich mich bei einer Zweigstellen meiner Firma beworben, die in London ist.
Und glücklicherweise haben sie mir zugesagt.
Edward war ja eh vollkommen aus dem Häuschen, als ich ihm sagte, dass ich mit ihm in seiner Heimat leben möchte. Er liebt England nun mal und ich finde es hier auch sehr schön. Und London ist ja nicht aus der Welt. So weit ist das gar nicht. Und ich habe ein Gästezimmer für alle Besucher.
Okay, eine Umstellung war es vor 5 Monaten schon, als wir hier her gekommen sind. Aber das hatte ich euch ja schon geschrieben. Nicht wahr?
Ich werde auch nicht mehr lange in der Firma sein…

Oh Edward kommt, ich muss Schluss machen,
Eure Bella


Christian Friedrich Hebbel schrieb einst:
"Freundschaft und Liebe erzeugen das Glück
des menschlichen Lebens wie zwei Lippen den Kuss,
welcher die Seele entzückt."


„Wo bist du?“ , hörte ich Edwards Stimme in unserer Wohnung. Ich hatte ihn ja schon gehört, als er zur Tür rein kam.
„An deinem Laptop“, teilte ich ihm mit und schloss die Homepage wieder. Wow, wie viele Webblogs ich in den letzten Jahren hier schon geschrieben habe, stellte ich aber vor dem Schließen noch fest. Ist ja richtig erstaunlich was ich alles zusammen geschrieben habe. Aber gerade jetzt, wo ich in London bin, ist es ziemlich gut. So kann ich alle in Deutschland informieren und auf den neuesten Stand halten, ohne es tausendmal zu erzählen.
Edward steckte den Kopf in sein Arbeitszimmer und lächelte mich an. „Was machst du denn?“
„Gar nichts“, meinte ich und grinste ihn an. Ich wollte gerade aufstehen, setzte mich dann aber schnell wieder in den bequemen Sessel zurück. Das war eindeutig zu schnell.
„Ist alles okay?“, fragte Edward sofort und war in nächste Sekunde bei mir und stützte mich, damit ich mich sofort wieder hinsetzen kann.
Ich legte die Hand auf meinen Bauch, holte Luft und schloss die Augen. Ich genoss einfach den Moment.
„Bella? Sag was? Ist etwas? Fühlst du dich nicht gut?“
Ich schüttelte den Kopf und griff nach seiner Hand und legte sie nun auch auf meinen Bauch, auf meinen gewölbten Bauch. „Ich wurde nur gerade getreten, weil ich wohl zu schnell aufgestanden bin.“
Ich blickte ihn an und sah, wie erleichtert er augenblicklich war. Edward kniete sich vor mir hin und legte nun auch die andere Hand auf meinen Bauch. Er spürte, dass Edward es ebenso spüren musste. Ich fand es verrückt, aber es war auch süß, wie er so vor mir saß.
„Hallo Baby“, meinte Edward mit sanfter Stimme zu meinem Bauch hin.
Ich schmunzelte und fuhr Edward durch sein schönes Haar.
Da saß ich also nun. Und mein Verlobter vor mir. Es war schön. Es war vollkommen.
Ich hatte nie gedacht, dass ich irgendwann so vollkommen glücklich sein würde.
Vor allem hatte ich das Wort 'Vollkommen' nie in so einem Zusammenhang benutzt, wie jetzt. Das Leben hatte mir schon oft genug zugesetzt gehabt. Ich habe nie etwas für selbstverständlich gehalten und dann traf ich Edward.
Und für ihn sind gemeinsame Kuschelstunden vorm Kamin genauso selbstverständlich, wie dass er mir jetzt meine Füße massiert, wenn sie mir mal wieder abends wehtun oder dass er mir hilft meine Beine zu rasieren, auch wenn er meint das ist überflüssig. Aber mit dickem Bauch kann man sich nun mal nicht so wirklich die Beine rasieren. Aber er tut es, ohne zu meckern oder Widerworte zu geben.
Edward ist toll, er ist mein Mr. Right. Ich kann mir keinen Tag mehr ohne ihn vorstellen.
„Ärgerst du die Mama wieder?“
Ich schmunzelte, als ich hörte, wie er mit unserem Kind sprach. „Sag mal, Edward, wann müssen wir denn los?“
„Wenn es dir nicht so gut geht, müssen wir nicht hin“, meinte er sofort und blickte mich sorgend an.
„Edward, ich bin schwanger und nicht krank“, sagte ich lächelnd.
Seine Eltern hatten uns zum Weihnachtsessen eingeladen. Das hieß Essen bei der Familie Mountbatten-Windsor. Also nicht mit der kompletten Familie. Nur mit seinen Eltern, eine Tante die ich noch nicht kannte und ihrem Ehemann, außerdem seiner Schwester und deren Freund.
„Ich will ja nur, dass du vorsichtig bist.“
Ich seufzte.
Manchmal was seine Übersorge schon nervig. Aber ich liebte ihn auch deswegen. Und er hatte es mit mir bestimmt eh nicht so leicht. Erstens gab es noch oft Situationen wo ich mein Englisch verfluchte, weil es noch nicht perfekt war, aber das hatte sich in den letzten drei Jahren deutlich gebessert.
Zweitens, hatte ich deutsches Temperament. Ich war je eh immer für einen Einfall gut und oft kamen nun mal absolute Schnapsideen dabei raus, aber er machte bei den meisten sogar mit.
Und Drittens, war ich nun mal schwanger. Gut, ich behaupte jetzt mal dass ich keine großen Gemütsschwankungen habe. Ist nun mal meine Sicht der Dinge.

„Hilfst du mir mal hoch?“, fragte ich ihn und streckte beide Hände aus.
Edward nickte und zog mich auf die Beine. „Wir müssen da heute nicht hin. Wir könnten es uns auch in unserer Wohnung gemütlich machen. Vorm Kamin zum Beispiel“, schlug er vor. „Und ich mach dir eine heiße Schokolade und was schönes zu Essen.“
Okay, das klang wirklich verlockend, aber er würde da nicht drumherum kommen und ich ließ mich auch schon gar nicht vorschieben. „Edward, komm schon. Das ist deine Familie. Ich würde meine ja gerne besuchen gehen. Aber“, nun sah ich auf meinen Bauch hinunter. „Leider geht das jetzt nicht mehr.“
Edward reagierte wie immer, liebe- und verständnisvoll, legte den Arm um mich und drückte mir einen Kuss auf die Schläfe. „Du bist die schönste schwangere Frau überhaupt.“
„Ja, schon gut“, meinte ich und schob ihn von mir. Ich musste ja nun nicht noch rot werden. „Außerdem müssen wir dahin.“
„Warum?“, fragte Edward und hob interessiert die Augenbraue hoch. Ach, wie ich es liebe, wenn er das macht. Das war auch eine der Dinge, in die ich mich ja verliebt hatte.
„Ich muss doch dieses tolle Kleid anziehen. Und mein Bauch wird noch mehr wachsen, dann passt da mein Bauch nicht mehr rein“, versuchte ich ihm zu erklären. „Du weißt doch, das ist das Kleid für meinen siebten Monat und ich hatte es noch nicht an.“
„Du bekommst deinen Willen ja.“ Er grinste mich an. Er wusste genauso gut wie ich, dass es sich um das schwarz-weiße Kleid im Schottenkaro-Muster handelte. Ich wollte dieses Kleid unbedingt haben und ich hatte es kaum angehabt. Eigentlich nur zwei Mal. Einmal im Laden und dann einmal vor unserem Spiegel im begehbaren Kleiderschrank.
„Hey“, meinte ich gespielt beleidigt und schlug ihn leicht gegen den Oberarm. Wie gemein von ihm. „Du solltest nett zu mir sein, schließlich trage ich dein Kind aus.“
„Wenn du das so sagst, klingt das, als wärst du nicht die Mutter, sonder eine Kuh oder so was.“
„Das hast du jetzt gesagt“, erwiderte ich mit einem Lächeln und ließ mich wieder an ihn ziehen, während wir zum Wohnzimmer gingen.
Wir setzten uns auf unser großes Sofa und ich kuschelte mich an seinen Körper.
Edward legte einen Arm um mich und legte die andere Hand auf meinem Bauch. So lagen wir oft auf der Couch. Wir lagen einfach nur so da und redeten und kuschelten. Hatte ich schon erwähnt, dass ich mir gar nicht mehr vorstellen konnte, auch nur einen Tag ohne Edward zu verbringen.
Gut, ab und kam das natürlich vor. Zum Beispiel wenn er geschäftlich verreisen musste oder wenn ich nach Deutschland reiste, um meine Familie und meine Freunde zu besuchen. Dann mussten wir uns auch trennen können. Aber seit ich im vierten Monat bin, hat Edward alle Geschäftsreisen abgesagt, weil er die ganze Zeit bei mir sein wollte und ich durfte auch nicht mehr nach Deutschland reisen. Er wollte es einfach nicht und ich wollte ihn nicht ängstigen. Aber ja als wir beide wussten dass ich schwanger bin hat er alle Reisen abgesagt. Er wollte die Schwangerschaft in vollen Zügen erleben. Er kam zu allen Geburtsvorbereitungsterminen mit, zum Gynäkologen, außerdem las er sogar Bücher für frische Eltern.
Er machte sich echt toll. Er würde ein toller Vater werden, das wusste ich.

„Weißt du noch, als wir uns das erste Mal gesehen haben?“, fragte ich ihn fast flüsternd und sah seiner Hand zu, die auf meinem gewölbten Bauch Kreise malte.
„Ja, es war im 'Rainforest Cafe' daran erinnere ich mich noch sehr genau.“ Er lächelte und küsste mich auf die Schläfe. „Und mein erster Satz war…“
„Hey Beautiful“, beendete ich den Satz von ihm und lächelte ihn glücklich an. Ja, ich erinnerte mich auch noch an seinen ersten Satz und an diesen Tag. Der Tag im Dezember 2008. Viele Fotos erinnern uns schließlich auch daran.
„Was glaubst du eigentlich, wird es?“
„Wie?“, fragte ich überrascht.
Wie konnte er so schnell das Thema wechseln? Das war doch sonst immer meine Fähigkeit.
Anhand seines Blickes, der immer noch auf meinem Bauch lag, wusste ich schnell von was Edward sprach. „Ich habe doch gesagt, dass wir uns überraschen lassen.“ Ja, das habe ich wirklich beschlossen.
Wir hätten das Geschlecht schon erfahren können, doch ich wollte es nicht wissen. Ich wollte, dass wir uns wirklich überraschen lassen und Edward akzeptierte meine Entscheidung. Na ja, er griff aber immer nach den Ultraschallbildern die an der Pinnwand in der Küche klebten und versuchte darauf etwas zu erkennen.
„Ja, natürlich lassen wir uns überraschen“, erwidertet er, aber mich würde ja mal interessieren, was du dir wünscht?“
„Was ich mir wünsche?“ Mein Blick wanderte nun von ihm zu meinem Bauch, in dem unser Baby wohnte. Wie in einer kleinen Höhle unter dem Herzen seiner Mutter und immer mit der schützenden Hand des Vaters auf der Höhle.
„Ich weiß nicht. Was wünscht du dir denn?“, fragte ich und blickte Edward erwartungsvoll an. Ich hatte mir doch keine Gedanken gemacht, was es wird. Okay, das stimmte nicht ganz. Immer wenn ich Shoppen ging und an einem Laden mit Babymode vorbei kam, musste ich einfach rein gehen. Und dann schaute ich mir die einzelnen Strampler an, hielt mir Kleidchen und Hosen vor den Bauch und überlegte, was dem Kind wohl besser stehen würde.
„Ein kleines Mädchen wäre sehr süß. Aber nur, wenn es deine Haare und Augen bekommt.“
„Und wenn es deine Haare und deine Augenfarbe bekommt?“, fragte ich neckend.
„Dann werde ich es natürlich auch lieben“, meinte Edward sofort.
Seine Hand streichelte immer noch über meinen Bauch.
„Edward ich weiß, du magst diese Frage nicht hören, aber ich bin doch nicht zu dick.“ Ehrlich gesagt kam ich mir wie ein Elefant vor. Am besten ich wäre ein Vogel. 90 % aller Vögel leben nämlich monogam und nur 3 % aller Säugetiere. Ich würde mich bestimmt gut als Paradiesvogel oder Pinguin machen.
„Ach Süße, du bist die hübscheste Schwangere, die ich kenne.“
„Das sagst du doch nur so“, meinte ich zu ihm und vergrub mein Gesicht in seinem Hemd.
Ich hörte ihn Lächeln, doch das störte mich nicht.
Er legte beide Arme um mich und drückte mich an sich – so gut es mit der großen Kugel zwischen uns nun mal ging. „Ich liebe dich Elisabeth“, flüsterte er mir zu und ich wusste, dass es die Wahrheit ist. Es war die absolute und untrügliche Wahrheit. Und ich liebte ihn ebenso, wie das Leben, das ich mit ihm führte. Ich liebte sogar die Liebe, die er für mich empfand. Die Liebe, die uns verband.


Rainer Maria Rilke sagte einst:
"Darin besteht die Liebe:
Dass sich zwei Einsame beschützen und berühren und miteinander reden."


Ich drehte mich um und blickte auf die Uhr. Es war gerade mal halb Neun Uhr früh. Und an einem Sonntag. An einem Feiertag. Wer klingelte denn um halb Neun?
„Edward“, meinte ich und stieß ihn an.
„Mmmh“, murmelte er nur und drehte mir den Rücken zu.
„Hör mal, es klingelt und ich bin schwanger. Du musst gehen“, erklärte ich ihm und drückte ihn aus dem Bett. Ich hörte ihn seufzen, aber er stand schließlich auf. Edward ging zur Tür und zog sich seinen Morgenmantel über. Dann drehte er sich noch mal zu mir um. „Deine Schwangerschaft ist keine Entschuldigung für alles, Bella.“
„Es klingelt“, sagte ich nur und versuchte selber aufzustehen.
Meine Beine sind voller Wasser. Wer hat sich so was eigentlich ausgedacht? Das muss wirklich eine Laune der Natur sein. Was würde Wasser in den Beinen den sonst bringen?
Langsam watschelte ich zur Tür und zog mir ebenso meinen Morgenmantel über. Eines der wenigen Kleidungstücke die mir immer noch passen. Das ist eine viel bessere Erfindung als Wasser in den Beinen.
Als ich gerade das Schlafzimmer verlassen wollte, hörte ich auch schon eine mir bekannte Stimme. Noch bevor ich den Namen der Person aussprechen konnte, drückte mich besagte Person auch schon an sich.
„Du siehst ziemlich kugelig aus.“
„Guten Morgen Alice“, meinte ich und trotz dieser Bemerkung war ich glücklich sie zu sehen. „Was machst du denn hier?“
„Wir besuchen dich.“
„Wir?“, fragte ich und blickte über ihre Schulter.
Ich musste lächeln als ich sah, wer alles gekommen war. Da standen neben Edward noch Jasper, Kate und ihr Freund und einer meiner Brüder.
Ich spürte die Tränen in mir hochkommen und drückte alle an mich.
Aber die Tränen konnte ich nicht mehr lange unter Kontrolle halten und fing dann schließlich an zu weinen.
„Das sind die Hormone“, versuchte ich es zu erklären.
„Ja, klar“, meinte Kate und lächelte mich an.
„Wollt ihr was Frühstücken?“, fragte Edward und ging schon mal in die Küche. „Kaffee?“
„Ich hätte gerne welchen“, meinte Alice sofort.
„Und ich auch“, meinte Jasper, Alices Freund und folgte Edward aber in die Küche.
„Hey, zeig uns mal das Kinderzimmer“, meinte Kate und zog mich schon in die Wohnung. Kates Freund und mein Bruder folgten Edward in die Küche. Ja, die Männer sollten vielleicht ein wenig unter sich sein.
„Wann kalbst du eigentlich?“
„Alice!“, meinte ich entsetzt.
„Was denn?“
„Kannst du dass auch anders nennen, bitte.“ Ich legte die Hände auf meinem Bauch und versuchte den Bauch ein wenig zu umarmen. „Mein Kind hört das nämlich auch“, erklärte ich ihr.
„Was wird es eigentlich?“, fragte Kate.
Ich öffnete die Tür zum zukünftigen Zimmer unseres Kindes.
„Hey, das sieht richtig toll aus“, meinte Alice und trat in das gelbgestrichene Zimmer und ging zu der weißen Wiege in der Mitte des Raumes stand. „Das sieht toll aus.“
„Ja, Edward und ich haben es zusammen ausgesucht“, meinte ich und griff nach einem kleinen Kuscheltier, das auf dem Regal stand.
„Und was wird es nun?“, fragte mein Bruder, der nun zu uns gekommen war.
„Wir wissen es nicht.“
„Es soll also eine Überraschung werden?“, fragte Kate.
Ich nickte ihr zu.
„Wie war es gestern eigentlich bei der Royal Family?“, fragte Alice und blickte kurz aus dem Fenster.
„Ich war nicht bei der Royal Familiy.“ Ich seufzte. „Also nicht direkt.“
„Also doch“, meinte sie und grinste mich an.
„Das Frühstück ist übrigens fertig.“
Ich blickte wieder zu meinem Bruder, der das eben gesagt hatte und lächelte. Er hatte mich noch nie in London besucht und ich war froh, dass hier war. „Wie geht’s dir?“
„Gut“, meinte er und legte den Arm um seine große Schwester.
„Wie geht es Mama?“
„Ich soll dich ganz liebe von ihr grüßen“, meinte er lächelnd. „Ich habe übrigens das Geschenk von Mama für dich in der Tasche.“
„Danke, komm lass uns frühstücken gehen.“
Es war schön, dass alle hier waren. Das sie bei mir waren. Und nur wegen mir und meinem Baby nach London gekommen sind. „Ist das nicht toll, die sind alle wegen dir hier, mein Baby?“
„Ja, wir dachten aber auch eigentlich dass du uns das Geschlecht sagst“, meint Alice und grinste mich an.
Ich lächelte sie an.
Und dann sah ich Edward, der in seinem Morgenmantel am Esstisch stand und mit Jasper den Tisch zu Ende deckte. Hier waren meine Freunde, meine besten Freunde. Und hier war Edward. Hier war meine Zukunft, meine Gegenwart und meine Vergangenheit. Alles zusammen. Und ich war glücklich.
„Komm Schatz“, sagte Edward und reichte mir die Hand. Er half mir mich auf den Stuhl zu setzten. Wie er es inzwischen öfters tat. Es war Weihnachten und ich war glücklich. Auf dem Kaminsims standen Fotos, von Edward, mir, einem Ultraschallbild und Fotos von unserer Familie.
Auf dem Wohnzimmertisch standen die vier Adventskerzen.
Edward musste sie wieder angezündet haben.
Und dann war da noch der Weihnachtsbaum mit den Geschenken darunter, die wir von unseren Familien und Freunden geschenkt bekommen hatten, aber noch nicht geöffnet hatten.
Ich sah Edward an und in die Gesichter meiner Freunde und spürte wieder die Tränen in mir hoch kommen.
Ich bin glücklich.
Vollkommen.

Eintrag: 05.02.2012, Uhrzeit: 17:30

Wir sind nun eine Familie.
Eine komplette Familie.
Ich bin Mutter geworden. Und Edward ist Vater geworden.
Unsere Eltern sind nun Großeltern geworden.
Alles mit einem Schlag.
Wir haben eine Tochter bekommen. Eine wunderschöne Tochter. Ich habe noch nie ein so schönes Baby gesehen. Sie das süßeste Geschöpf der Welt, meine Freunde.

Gaston Herzog de Lévis sagte einst:
"Das Glück ist ein Zustand der Ruhe, der weder Vergnügen noch Schmerzen vorbringt."

Ich bin glücklich.
Wir sind glücklich.
Ich bin ruhig und ich spüre keine Schmerzen. Ich weiß was Gaston Herzog de Lévis gemeint hatte. Ich verstehe seine Worte.

Ich habe alles, was ich immer wollte. Einen Mann, auf dem ich mich verlassen konnte. Einen Mann der mich liebt und mich vermutlich sogar vergöttert, der alles für mich macht, ohne mit der Wimper zu zucken.
Ich liebe ihn. Ich liebe ihn abgöttisch. Eben weil er so wundervoll ist, weil er mich versteht. Ich liebe ihn für jeden schönen Moment den er mir geschenkt hat, für jedes Lachen.
Für dieses Mädchen. Für meine Tochter. Für meine blonde Tochter mit den schönsten blauen Augen der ganzen Welt, mit dem Namen Renesmee Carlie Mountbatten-Windsor. Sie ist das schönste Kind. Sie hat so einen süßen blonden Flaum auf den Kopf und so schöne hellblaue Augen. Und sie lacht schon. Zumindest bilde ich mir das sein.

Ich liebe euch alle. Ihr seid mir so lange wundervolle Freunde gewesen, ward für mich da und habt mir beigestanden. Danke für alles.
Ich wünsche Euch nur eins.
Werdet genauso glücklich wie ich es bin.

Eure Bella

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 10.01.2010

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