Prolog:
Mir standen Tränen in den Augen. Ich versuchte verzweifelt zu lachen. "Oh, ich fühl mich so allein. So furchtbar traurig", dachte ich und eine Träne fiel auf meine Hand. Hör auf zu weinen, schalt ich mich. Meine Gefühle unterdrücken. Das war mein Ziel.
Doch andererseit sollte jemand mich trösten- mir zeigen dass ich ein jemand bin, kein niemand.
Ich fühlte mich allein, seit meine Familie tot war- alle bei einem Autounfall ums Leben gekommen.
Niemanden hatte ich. Keine Freunde, geschweige denn einen Freund.
Ich war allein. Der Regen prasselte auf mich hinab und meine Hände groben sich tiefer ins Gras.
Mein einziger Halt war das Gras. Auf besondere Weise berührte es mich.
Mehr wie alles andere. Mehr wie meine tiefe Trauer, aber nicht mehr wie mein Kummer.
1. Tot
Ich stand am Fenster und unterdrückte die Tränen die kommen wollten.Ich erinnerte mich an den Tod meines einzigem Freundes:
Mein Hamster blähte die Bäckchen auf und knapperte an seinen Holzstücken- er hatte es von der Wand abgebrochen. Seitdem gehörte es ihm. Er sah mich mit seinen großen, dunklen Augen an und krazte am Gitter. Ich öffnete es. Doch er rannte nicht heraus sondern setzte sich auf meinen Arm und schloss die Augen. Ich dachte er würde schlafen, doch er war tot. Als ich ihn zum Tierarzt brachte, war er bereits tot. Dr. Knimm sagte er solle begraben werden, wie es sich für einen Freund gehörte. Ich tat es. Doch daran dass er tot war, änderte sich auch trotz des Begräbnisses im Garten nichts.
Er war der einzige den ich gehabt hatte. Sonst war überall nur Leere und ein entsetzlicher Kummer. Seln, so hieß er war schon alt gewesen.
Ich wusste er würde sterben, doch als es geschah wollte ich es nicht war haben. Er war nunmal das einzige das mir geblieben war.
2. Der alte Bettler
Es war schon einige Tage her dass ich meinen Hamster begraben hatte, als ich zum ersten Mal wieder in die Stadt ging. Ich fuhr mit der Straßenbahn mitten in die Altstadt und lief dann zu einem großen Einkaufsgebäude.
Davor saßen einige Penner, die gerade anstaßen. "Auf´s Leben, Guter", meinte der eine- er war schon ganz betrunken. "Jo, s´ jute olte Leben", stimmte der andere ein. Er hatte eine sehr "eigene" Sprache.
"Lass´s uns onstoßen, nochmol", sagte der größere der beiden.
Mit ihrem ziemlich "eigenen" Sprachstil, mit dem die Penner mich zum Lachen brachten lenkte ich mich vom Tod meines geliebten Hamsters ab.
Als ich genug von dem ewigen anstoßen der beiden hatte, ging ich in den Laden und kaufte jede Menge Schokolade und das, was man sonst noch so brauchte.In meinem Schmerz versunken bezahlte ich und ging wie in Trance aus dem Einkaufshaus.
Dort saß nun ein alter, verbrechlich wirkender, ältere Bettler mit einem langen Bart und einer völlig zerissener Hose.
Irgendwie ließ ich vor Schreck eine Tüte fallen. Sofort erhob der Mann sich und kam langsam mit seinem Stock, der wahrscheinlich von einem kräftigen Baum stammte, auf mich zu, bückte sich und hob die Tüte auf.
Erst war ich ziemlich starr, dann bedankte ich mich höflich.
Plötzlich fiel mir ein: Das war ja der komische Kauz, der jedem helfen musste. Doch in dem Moment fühlte ich mich verbunden mich ihm.
3. Geteiltes Leid ist halbes Leid
Er war genauso arm dran wie ich. "Danke, alter Herr. Ich hätte es doch selbst aufheben können. Sie müssen doch entsetzliche Rückenschmerzen haben", bedankte ich mich nochmals.
"Ja, natürlich. Aber wegen Schmerz darf man nicht aufgeben. Dafür gibt es ihn zu oft im Leben", erwiderte er höflich, aber irgendwie sehr bestimmend.
Doch an seinen Worten waren wahre Sachen dran. Ja, man durfte sich vom Schmerz nicht unterkriegen lassen.
"Schmerz ist relativ. Man darf nie aufgeben, muss an sich glauben. Sich Leute suchen die einem helfen. Allein lebt es sich traurig", fuhr er unbeirrt fort. Er war also genauso arm dran wie ich.
Aber er gab sich nicht auf und das war was zählte.
"Ja", ich geriet ins Stottern, "so ist es". Ich wusste, er hatte Recht.
"Ja, so ist es Recht junges Fräulein. Glauben sie mir. Was ich spreche ist die Wahrheit", meinte der alte Herr und ging zurück zu seinem Stammplatz.
Als ich in der Straßenbahn saß und meinen MP3-PLayer auf voller Lautstärke hatte, dachte ich über den alten Mann nach.
In vielerlei Hinsicht war er wie ich. Doch im Gegensatz zu mir suchte er niemanden der ihn tröstete und versank im Selbstmitleid und der Trauer sondern tat etwas dagegen. Obwohl er so ein schweres Schiksal hatte und auf der Straße saß.
"Morgen lade ich ihn zu mir ein. Dann werde ich etwas leckeres zu Essen kochen und dabei mit dem älteren Herrn reden", beschloss ich.
Mit einem Ruck hielt die Straßenbahn und ich stieg aus. Langsam trottete ich- in Gedanken an den komischen und doch so weisen Bettler- nach Hause.
4. Besuch zu später Zeit
Als ich in meiner kleinen Eigentumswohnung angelangt war setzte ich mich auf meine jadegrüne Couch und begann traurig zu weinen. Ich gab mich auf und dabei musste ich das garnicht.
Komischerweise verstand ich den alten Mann aufs Wort. Er hatte eine eigenartige Weise "Wissen" zu vermitteln, aber diese Art gefiel mir sehr.
Enttäuscht griff ich zu der Fernbedienung und schlatete die Kanäle durch. Doch keine der Sendungen sagte mir zu. Ich schaltete den Ferseher wieder aus und dachte wieder über den alten Herrn, von den ich nichts wusste, nachzudenken. Er hatte in so vielen Sachen Recht und ich bewunderte ihn für seinem Mut, das Leben zu leben.
Ich war gegen ihn ein nichts. Ich vergaß mich, trauerte nur noch und konnte garnichts anderes mehr- zumindest dachte ich das.
Der Bettler war anders- hatte einen unglaublichen Lebenswillen.
Langsam ließ ich mich in das Kissen der Couch linken, als ich es plötzlich klopfen hörte. "Einbrecher", kam mir zuerst in den Sinn. Doch dann besann ich mich darauf, dass es vermutlich Freunde waren, obwohl ich keine Freunde hatte. Es klopfte wieder, als ich mich aufrappelte und zur Tür ging. Zitternd öffnete ich.
"Herr...?", begann ich. Vor der Tür stand der Bettler, mit seinem Stock und dem Schrubbelbart. "Herr Hohlbein", beendete er meinen Satz. Ich schüttelte ihm die Hand. "Herr Hohlbein, kann ich ihnen irgendwie helfen?", fragte ich erstaunt und mit offenem Mund. Warum besuchte er mich jetzt? "Aber nenn mich einfach Georg. Niemand anders weiß meinen richtigen Namen Hohlbein, meine wenigen bekannten nennen mich Georg. Du sollst ab sofort dazu gehören. Und du darfst du natürlich auch sagen.", fuhr er unbeirrt fort. "Okay", stammelte ich, "nennen sie mich doch Tyna".
Erstaunt über die lockere Art des alten Mannes setzte ich mich. Mit einem so lässigen Winken wie ich es konnte, bat ich ihm sich auch zu setzten.
5. Der alte Mann und ich
Er setzte sich und meinte "Das Leben ist wie eine Rose, es blüht nur im Sommer". Ich nickte ohne zu verstehen wovon er sprach.
Er fuhr fort: "Doch die Rose schmeißt man doch auch nicht in den Müll. Man pflegt sie, damit sie im Sommer ihr bestes gibt. Ich versuchte zu verstehen und dann verstand ich: Er meinte ich solle mein Leben nicht aufgeben, nur weil es gerade nicht so toll war.
"Sie haben Recht. Man sollte das Leben wirklich beschützen und pflegen. Wissen sie, sie sind so weise. Ich verstehe immer was sie sagen, auch im Herzen kapiere ich es. Sie wissen immer wie ich mich fühle, haben ein offenes Ohr dafür. Ich habe nie jemanden getroffen, der besser erklären und aufmuntern kann wie sie...". Ich wollte gerade weiterreden als ich mich energisch unterbrach. Er hielt die Hand in die Höhe als wollte er mich schlagen. Ich bekam Angst.
Dann sagte er streng: "Du!", und begann zu lachen. Auch ich lachte. Der Bettler war etwas besonders, ich musste ihn einfach umarmen.
Also fiel ich ihm um de Hals. "Ach Georg, sie tun mir gut. Ich kann nun verstehen, was ich falsch mache. Und das ICH mir das Leben schwerer mache als es eigentlich ist. Sie sind irgendwie besonders", sagte ich, als er mich nach ein paar Minuten sanft wegschob.
"Ich weiß wie das ist. Ich fühlte so was auch", antwortete er, machte eine kurze Pause und fuhr fort: "Was erlebt du hast, wenn ein andere erlebt dies, helfe ihm du". Ich verstand gut, was er meinte.
Kapitel 6 folgt.
Texte: Alle Rechte bei mir.
Tag der Veröffentlichung: 12.11.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
An Mom, die immer weiß wie ich mich fühle.