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`Morgen. Ja Morgen würde Sie sie anrufen. ´ Nun hatte sie einen Entschluss gefasst, der sie friedlich stimmen konnte. Sie setzte sich in ihren alten Lehnstuhl, der bereits bei der kleinsten Bewegung über die Dielenbretter knarrte, zurück und faltete die Zeitung auseinander. „Wann hatte sie sich außerdem zu Letzt gemeldet, “ murrte die Dame vor sich hin und fing an eine längst vergessene Melodie zu summen. Ihre Gedanken schweiften immer wieder ab. Zu einer schöneren Zeit. Zu einer Zeit, wo sie noch da gewesen war. Wo sie über alles hatten reden können und sich alles hatten anvertraut. Die Zeitung war längst vergessen und ihr Körper bewegte sich wie von selbst zum Telefon. `Sie sollte sie anrufen. Ja das wäre vernünftig. Doch wann war sie das in den letzten Jahren gewesen? Sie hatte bereits so lange ohne sie aushalten können, nun brauchte sie sie auch nicht mehr. ´ Statt die Nummer von ihr zu wählen, schritt sie lieber in Richtung Schlafzimmer. Sie würde sie morgen anrufen.
`Heute. Heute würde sie sie anrufen. Ganz gewiss würde sie das. ´ Während sie in der Küche stand um sich einen Tee zu kochen, wie sie ihn lange nicht mehr getrunken hatte, sinnierte sie über ihre langjährige Freundschaft mit ihr nach. Sie hatten sich bereits in der Grundschule kennen gelernt. Es dauerte Tage, Wochen wenn nicht sogar Monate bis sie beste Freundinnen wurden. Außerdem war es nicht ganz unschwer mit ihr befreundet zu sein. Sie waren einfach zu unterschiedlich, deswegen hatte es auch so lange gedauert bis sie sich hatten annähern können. Doch letztendlich hatten sie sich gefunden. Sie waren zusammen zur Uni gegangen und dann waren sie sogar in derselben Firma angestellt. Doch letzten Endes hatten sich ihre Wege dann getrennt. Sie waren beide zu halsstarrig um sich bei dem anderen zu entschuldigen, für etwas wovon sie beide noch nicht mal mehr wussten, was es denn genau gewesen war. Augenblicklich machte sich ein gewisser Unmut in ihr breit. Wie hatte sie all die Jahre so dumm sein können? Nun stellte sie den bereits erkalteten Tee wieder auf die Anrichte und ging vor die Tür um schnell die Zeitung reinzuholen. Sie würde sie lesen und anschließend würde sie ihre beste Freundin anrufen. Draußen, vor dem Haus angekommen ging sie zum Straßenrand und hob die Tageszeitung auf. Noch während sie sich umdrehte ließ sie ein kühler Windzug schaudern und als sie dann auch noch auf die alte Fassade ihres Hauses blickte, das mit seinen hohen, runden Türen und dem, von der Witterung angefallenem Äußeren, nicht wirklich einladend wirkte, bekam sie wahrlich eine Gänsehaut. Sie würde sich um dieses Gemäuer kümmern müssen, wenn sie dort drinnen noch länger wohnen wollte. Beim hineingehen wurde ihr klar wie bald sie sich an die Arbeit würde machen müssen, denn die alte Holztür, die schon von einigen wenigen Holzwürmern durchlöchert wurde, knarrte in die unheimliche Stille hinein. Ein erneutes Schaudern ließ sich nicht unterdrücken und sie verschwand schnell im Inneren des Gebäudes, wo es warm und gemütlich war, so wie es schon immer gewesen ist. Sie setzte sich mit der Zeitung auf ihren alten Lehnsessel. Der, mit den ausgefransten Polstern, den sie so liebte weil er ein Geschenk von ihrer Freundin gewesen war, und schlug die Zeitung auf. Beim durchblättern nahm sie die einzelnen Artikel nicht wahr, da sie jegliche Form des Gespräches durch ihren Kopf laufen ließ. Ob ihre Freundin sie anschreien würde? Nein das würde sie gewiss nicht. Dazu war sie einfach zu lieb. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht, während sie weiter blätterte. Plötzlich gefror das Lächeln zu einer starren Maske aus Verzweiflung. Sie war bei den Todesanzeigen angekommen. Dort stand, dass ihre beste Freundin am Vortag verstorben war. Genau eine Stunde nachdem sie sie hatte anrufen wollen.

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Texte: Das Copyright des Textes liegt bei mir.
Tag der Veröffentlichung: 03.02.2013

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