Es ist gar nicht so leicht DEN EINEN zu finden. Je älter man wird um so schwieriger ist es, denn wir wissen
zwar nicht immer was wir wollen aber wir wissen was wir nicht wollen!
Und das ist mein Problem! Ich weiß was ich nicht mehr will und das ist verdammt viel!
Ich sehe täglich so viele Paare, die sich einfach miteinander zufrieden geben nur um jemanden zu haben.
In solchen Momenten bin ich der glücklichste Single der Welt!
Ich habe keine Ahnung was auf einmal passiert wenn man zu zweit ist?
Plötzlich werden Socken unter dem Tisch, Zahnpasta auf den Waschbeckenrand oder zu weiche Frühstückseier
zu riesigen Diskusionsmonstern, die mitten im Raum stehen und die Luft wegatmen.
In den ersten Monaten malt man sie vielleicht noch hübsch rosa an und hängt ein Schleifchen dran
aber mit der Zeit lässt man auch das.
Und dann stehen sie da. Hässlich,laut,sabbernd! Und aus den Diskusionsmonstern werden ganz stille,
grimmig dreinschauende Vorwurfmonster!
Man drängelt sich dran vorbei, oder schleift an einem guten Tag mal Eins in die Garage und deckt es
mit einem Laken ab.
Aber sie sind da, und sie bleiben wenn man nicht DEN EINEN gefunden hat
der immer und immer wieder mit dir zusammen die Monster rosa anmalt.
Was will ich also?
Ich will Einklang, Wärme, Intelligenz, Humor, und ein Eimerchen mit Rosa Farbe
welches es möglich macht mich immer und zu jeder Zeit lieb zu haben!
Auch wenn ich mal doof bin, auch wenn ich nach dem aufstehen zerknittert aussehe,
auch wenn ich nicht in den Ecken putze oder niemals einen
Michelin-Stern bekommen werde!
Niemand braucht Perfektion, wir brauchen nur jemanden der uns so unperfekt liebt wie wir sind!
Auf der Suche nach Mr. Nice kommt man im 21 Jahrhundert nicht mehr am Internetdating vorbei!
Es ist bequem, warm, trocken, und man kann ganz unverbindlich schon einmal eine Vorab-Auswahl treffen.
Dick,dünn,Haarfarbe,Größe,Alter,Wohnort,Hobbys,Macken.Erst mal abchecken und das gewünschte rauspicken.
Nachdem ich mir das erste mal Mr.Nice zusammengeklickwünscht hatte
bekam ich den Hinweis das unter meinen Kriterien kein potenzieller Partner zur Verfügung steht.
Wer hätte das gedacht?! Nun bin ich 32 Jahre alt und nicht gerade auf den Kopf gefallen.
Den ein oder anderen Gedanken habe auch ich schon daran verschwendet
das eventuell die Möglichkeit besteht, das meine Ansprüche an Mr. Nice etwas zu weit hergeholt sind.
Wenn man das allerdings schwarz auf weiß von einem klugscheißenden Computer vorgesetzt bekommt,
ist das doch noch einmal eine ganz andere Geschichte!
Vielleicht erst einmal das eigene Profil erstellen!
1. Das Pseudonym
Schon die erste Herrausforderung für mich und ein Akt der mich schier an den Rand der Verzweiflung treibt.
Wenn man nicht Süße58, Mausi82 oder heißeSchnitte06 heissen will kommt man ganz schön ins grübeln.
Hier könnte man jetzt einwerfen, Namen sind Schall und Rauch, aber Schnuppelkuschelbär,
GeilerHorst oder Rammelsteffen wären für mich ja auch nicht ganz so ansprechend.
Wenn die Hürde der Namensgebung genommen ist kommt man zum nächsten Punkt
2. Alter/Größe/Figur
Ich bin ja noch nicht in dem Alter wo Frau nicht mehr über selbiges spricht
und meine Größe befindet sich auch im normalen, annehmbaren Durchschnittsbereich.
Aber, was zur Hölle meinen die denn mit Figur??? Wollen die etwa Zahlen? Oder Annäherungswerte?
Selbst Annäherungswerte fände ich irgendwie unverschämt.
Aber nein, bei genauerer Betrachtung stelle ich fest das man wählen kann.
Hager, schlank, normal, mollig, durchaus beachtlich. Durchaus beachtlich, für alle die es nicht wissen,
ist im Internet die charmante Umschreibung für "zu fett".
Zu Fett findet sich ja jede Frau irgendwo und irgendwann. Selbst 52 kg können ungerecht verteilt sein.
Ich befinde mich jenseits der 52 kg, weit jenseits. Ich bin also definitiv durchaus beachtlich!
Minimal überproportioniert und das leider nicht nur an den von Männer bevorzugten Stellen!
Nun will ich aber auch nicht mit der Tür ins Haus fallen. Also ignoriere ich die Frage nach der Figur!
Ich habe keine, basta!
3. Schwächen/Stärken/Hobbys
Das angeben von Schwächen ist ja auch schon wieder eine Art von Stärke und wenn man die Schwächen
richtig in Szene setzt sogar eine Art Selbstbebauchpinselung. Hab ich überhaupt kein Problem mit,
klare Ansagen liegen mir solange da die Figur keine Rolle spielt. Also mal aufzählen was man so alles
an symphatischer Talentfreiheit bei sich findet.
Hobbys? Fehlanzeige! Ich bin alleinerziehend und arbeite in Vollzeit, wo soll denn da noch Zeit und Muse
für ein Hobby sein? Allerdings sind keine Hobbys wohl auch nicht so ansprechend also überlege ich
was ich in meinem Leben alles schon mal gemacht und ausprobiert habe und tippe das alles zusammen.
Außer die vier Wochen Judo mit 9, die lass ich vielleicht lieber weg.
4. Traummann/frau
Das wichtigste vorab, männlich!
Nachdem ich ja nun weiss das der Traummann schlechthin nicht zu finden ist bin ich zugegeben
etwas verunsichert ob ich hier tatsächlich schreiben sollte wie ich mir DEN EINEN vorstelle!
Man will ja auch niemanden von vorn herein verschrecken.
Intelligenz und Humor sind wichtig. Noch wichtiger, intelligenter Humor! Irgendwie glaubt ja jeder von sich,
mit ausreichend Intelligenz gesegnet zu sein. Jedenfalls ist mir noch niemand begegnet der sagt:
"Tut mir leid, ich bin ein bisschen dumm, ich hoffe du kommst damit zurecht!?" Lustig sind sie auch alle.
Nur ob man immer darüber lachen kann? Stammtischhumor ist nicht mein Humor,
zweideutiges rumgezote ist mir zuwider. Im Internet findet man Menschen die Humor durch Ausrufe
wie "grins","lach"" :-D" zum Ausdruck bringen. Da es beim schreiben eigentlich nicht notwendig ist sich
solcher Hilfsmittel zu bedienen wenn man tatsächlich witzig ist, fallen solche Menschen bei mir direkt
durch's "No Go- Raster". Schubladendenken? Vielleicht! Vielleicht aber auch einfach nur Erfahrungswerte.
Ausserdem habe ich bei solchen Grins-Menschen immer ein bisschen die Befürchtung das die im
reellen Leben gar nicht mehr herzhaft lachen können sondern stattdessen ein "rofl" einwerfen.
Grusslige Vorstellung!
Ich finde, mehr sollte hier nicht stehen. Schließlich möchte ich ja angeschrieben werden.
Und, wie schon erwähnt, intelligent und humorvoll meint ja jeder zu sein.
5. das Foto
War es beim Pseudonym schon schwierig, handelt es sich hierbei um die Königsklasse.
Es gibt einfach keine akzeptabelen Schnappschüße von mir. Auf Bildern sehe ich entweder betrunken
oder beschissen aus. Ich brauche also ein hübsch hergerichtetes Abbild von mir. Dazu benötigt man
ein Badezimmer, Make up, Handy, schmeichelndes Schummerlicht und ganz viel Geduld. Nach 298
geknipsten Fotos in schlank zaubernder Vogelperspektive findet eines mein Gefallen. Zugegeben,
Ähnlichkeit wird Mann nur erkennen wenn er schräg auf mich runter schaut aber es zählt ja nun mal der erste
Eindruck und ich steh ja auch eher auf große Männer! Die machen mich optisch schlanker, neben kleinen
Männern wirke ich eher wie eine polnische Bäuerin.
Ein Klick, und das Foto ist hochgeladen.
Fertig!
Ich finde ich habe ein durchaus ansprechendes, aber denoch geheimnissvolles Profil gebastelt.
Ich habe mein Möglichstes getan.
Artenvielfalt
Es gibt ja die verschiedensten Arten von Selbstdarstellung! Copy & paste ist hierbei das Zauberwort. Es gibt
kaum jemanden der sich die Mühe macht selbst zu denken, geschweige denn selbiges auch noch zu virtuellem
Papier zu bringen. So findet man auf fast jedem Profil das ein oder andere Zitat mit dem Mann glaubt sich zu
identifizieren. Jedenfalls nehme ich das erst einmal so an. Nach dem ersten Wortgefecht stellt sich dann
zumeist heraus das vielleicht auch nur die Anreihung von Buchstaben harmonisch auf den Schreiberling
wirkte oder da einfach nur ein Platz gefüllt werden musste.
Ich mag Zitate! Ich finde Schlaues sollte in die Welt getragen werden. Es gibt schließlich genug überflüßiges
Blabla. Allerdings sollte man wissen was man da kopiert und vielleicht sogar eine Beziehung dazu haben.
Das tollste an copy & paste ist allerdings das man nicht sofort von freien Rechtschreibinterpretationen
abgestoßen wird! Menschen die des Schreibens in halbwegs fehlerfreien Sätzen nicht fähig sind fallen bei mir
sofort und unwiderruflich durch ein Idiotenraster. Sie haben das Recht rechtzuschreiben. Warum um alles in der
Welt tun das so wenige? Ich mag die deutsche Sprache! Es gibt so viele wunderschöne Wörter, die niemand
benutzt, ja von denen die Existenz zeitweise sogar angezweifelt wird. Mittlerweile hört man die Frage:" Is das
überhaupt 'n Wort?" nicht mehr nur beim Scrabble. Wenn in einem Satz nicht als letztes noch das Wort 'Alter'
angefügt wird fühlt sich so mancher gleich gar nicht angesprochen.
Da das Schreiben ja nun mal das Stilmittel der virtuellen Welt ist lege ich einfach gesteigerten Wert auf ein
ordentlich sortiertes -Subjekt, Prädikat, Objekt-.
Die Realität ist allerdings erschütternd und beängstigend zugleich. Das bezieht sich nicht nur auf Orthografie
und Grammatik sondern auch auf den Inhalt. Geistige Inkontinenz ist im Internet weit verbreitet und fällt
zumeist dann auf wenn Man(n) nicht mehr mit Zitaten antworten kann.
Also quasi beim ersten "Guten Morgen, wie geht es dir!"
Nun mag der ein oder andere den Mann in Schutz nehmen und meinen das dem männlichen Geschlecht die
Kommunikation einfach nicht liegt. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, mit dem richtigen Thema klappt auch
die Kommunikation.
SEX ist das Zauberwort. Wenn es darum geht herrauszufinden ob ich für ein schnelles Treffen in der
Bahnhofstoilette zu haben bin funktioniert das mit dem Satzbau einwandfrei.
Die Anonymität des world wide web macht hemmungslos, wahnwitzig und dumm. Dieses Phänomen ist mit
höchster Wahrscheinlichkeit bei beiden Geschlechtern zu finden aber meine Erfahrungswerte beziehen sich da
ausschließlich auf den männlichen Teil.
Mittlerweile bin ich schon freudig erregt wenn mich mein potentieller Mr. Nice in der zweiten Mail noch nicht
nach Form, Farbe oder Vorhandensein meiner Unterwäsche gefragt hat.
Das erste mal war ich allerdings zutiefst erschüttert als mich mein Traummann in spe nach einigem netten
rumgeplänkel fragte ob ich "ihn mal in den Mund nehmen will?!" Noch mal kurz die letzten Mails durchgecheckt
ob mir irgendwo ein Keks angeboten wurde oder ich sonst irgendeinen Themenwechsel nicht mitbekommen
habe. Aber nein!
- Hallo, wie geht's! Wo kommst du her? Hast du Arbeit? Was machst du so in deiner Freizeit?
Was hältst du von Fellatio? -
Hmm, was soll man da antworten? Ich glaube das erste mal habe ich gar nicht geantwortet. Mittlerweile macht
es mir aber von Zeit zu Zeit Spaß ganze Abhandlungen über das für und wider von Sexualpraktiken zu scheiben
nur um dann letztenendes mitzuteilen das mein Interesse an derartigem, auf einer Skala von 1 - 10, bei -293
liegt.
Das Internet ist mir irgendwie zu sexuell. Im Aldi an der Kasse kommt doch kein Mann auf die Idee mich
ungefragt darüber in Kenntnis zu setzten das er mich mit seiner Zunge auf ganz fantastische Weise verwöhnen
könnte. Na Herzlichen Glückwunsch! Was für ein Segen für die Lebensabschnittsgefährtin! Aber welche
Bedeutung hat diese Information für mich?
Der Fairness halber muss man sagen, es sind nicht alle so.
Es gibt z.b. auch die, die sich eigentlich schon mit dir unterhalten wollen aber einfach nichts sagen.
Finde ich persönlich fast noch anstrengender als die, nennen wir sie mal, sexuell angehauchte, grenzdebile
Randgruppe.
Wie anstrengend es sein kann mit jemanden auszugehen der schon beim schreiben eher nonverbal ist habe ich
am eigenen Leib erfahren. Es waren die schlimmsten 3 Stunden meines Lebens. Wenn der Gegenüber wenig
redet, rede ich automatisch mehr. Das könnte für einen Aussenstehenden so wirken als würde ich niemanden
zu Wort kommen lassen aber dem ist nicht so. Ich höre auch wahnsinnig gern zu, nicke an den passenden
Stellen oder werfe ein verzücktes "ach, sag an!!" ein.
Und manchmal ist es ja auch ganz hübsch einfach zusammen zu schweigen. Allerdings nicht beim ersten Date.
Um zu verhindern das meine Zunge irgendwann am Gaumen festklebt habe ich also geredet, und geredet, und
geredet. Ich habe ganze Vorträge gehalten. In kleinen Redepausen freundlich und aufmunternd und, ich gebe
es zu, erwartend geschaut aber Mr.Sprachlos mochte nicht animiert werden. Ich wollte es nicht persönlich
nehmen und habe mir dann einfach eingeredet, das dieser Mann ein Meermann ist und bei der bösen Ursula
seine Stimme gegen ein paar Beine eingetauscht hat. Einen kurzen Moment dachte ich noch daran ihn einfach
vor Mitternacht zu küssen damit die Stimme wiederkommt. Und wenn ich nur eine winzige Spur verzweifelter
gewesen wäre hätte ich es mit ziemlicher Sicherheit ausprobiert.
Doch am schlimmsten von allen sind die mit denen du schreiben kannst,mit denen du lachen kannst.
Die, die mit Worten dein Herz berühren und deine Seele fressen. Sie foltern dich mit warten und versöhnen dich
mit dieser einen Mail in genau dem Moment wo das hoffen zu Ende geht. Sie lassen Schmetterlinge tanzen und
blasen Wolken in dein Hirn. Und für eine kurze Zeit glaubst du der freakige Depp von Amor hat tatsächlich ein
einsehen mit dir. Du verlierst dich in dem virtuellen Charme deines Gegenparts und schiebst die Realität so vor
dich her. Jeder Tag ein neues geschriebenes Abenteuer. Süchtig nach Worten, saugst du die Zeilen in dich auf.
Sie durchfließen dich, wärmen dich, verzaubern dich. Er versteht dich so gut. Sein Kopf gleicht deinem so
sehr, sein Herz schlägt im Einklang mit deinem. So lange es geht ist alles gut. Aber irgendwann kommt der
Moment, da willst du fühlen wer da schreibt, da willst du sehen und hören und riechen.
An diesem Punkt fängt es an kompliziert zu werden. Worte haben Macht! Verliebt in Worte ist dir erst mal alles
andere gleich. Es ist egal ob reich, arm, schön, mit Bauch, ohne Bauch, große Nase, kleine Nase.
Man sollte meinen so hat man die Chance wirklich den Einen zu finden der dich vorbehaltlos so liebt wie du bist.
Aber sie holt dich ein, die Realität. Vielleicht nicht beim ersten Treffen, auch nicht beim zweiten und dritten.
Doch irgendwann ist sie da. Sie schubst und drängelt und schnauft verächtlich. Rümpft die Nase,stellt Fragen
und sucht Antworten. Und langsam schwindet der Gleichklang, die Wärme.
Die Realität ist kalt. Und am Ende des ganzen Zaubers stehst du da und schlotterst erbärmlich weil eben doch
nicht alles so egal ist im wahren Leben.
Es sind die Bezaubernden die gefährlich sind, nicht die Doofen, nicht die Sexuellen, nicht die Sprachlosen.
Und trotzdem wollen wir sie. Immer und immer wieder. Weil der Moment in dem wir alles vergessen und nur
den Sonnenschein sehen so furchtbar gut tut.
Was also tut man wenn man Mr. Nice im Internet begegnet? Man wartet! Die meiste Zeit in seinem Leben
verbringt man ja irgendwie und irgendwo wartend. In der Schlange im Supermarkt, beim Zahnarzt, an der roten
Ampel, im Kino vor dem Hauptfilm, an der Bushaltestelle. Selbst im Bett wartet man. Wenn man einen Partner
hat wartet man ab ob da noch was geht, ohne Partner wartet man halt auf den Schlaf.
Das warten im Internet ist im Gegensatz zum anderen warten ein einsames warten. Man sitzt Abend für Abend
in der Lieblingsjogginghose auf dem Sofa und starrt auf den Bildschirm. Warum sitzt der Typ jetzt nicht auch
gebannt vor seinem PC und wartet auf eine Nachricht von mir? Hat der etwa ein Leben ausserhalb des world
wide web? Ich meine, es ist fantastisch das er das hat. Ich möchte niemanden kennenlernen der den ganzen
Tag nichts anderes tut als virtuell nach Frauen zu jagen. Aber wenn ich online bin dann kann er doch bitteschön
zufälligerweise auch online sein.
Ist er aber nicht, er ist online wenn ich gerade Wäsche aufhänge oder mit der besten Freundin das letzte
Beziehungsdesaster durchhechle. Wenn man es dann doch einmal schafft tatsächlich gleichzeitig der realen
Welt zu entfliehen heisst das aber längst nicht das man dann in wildes Rumgeschreibe ausbricht. Erst mal muss
geklärt werden wer den Anfang macht.
Den Anfang macht der, der als erster die Schnauze vom warten voll hat. Nicht ohne Stolz kann ich sagen, zu
99% bin ich das nicht! Ich habe jede Menge Geduld. Ich bin da altmodisch, ich finde der Mann sollte sich
melden. Ich möchte, auch im Internet, erobert werden. Ich möchte schmachtend an meinem virtuellen
Schlafzimmerfenster stehen und meinem minnesingenden Helden lauschen. Ich möchte Rosen und
Herzchenteelichter und Liebesbriefe und Gedichte. Oder alternativ, wenigstens das er mich zuerst anschreibt!
Es gibt zwei verschiedene Arten von Anfangsgesprächen. Es gibt die, die von alleine laufen und die die man
immer ein bisschen anschubsen muss.
Die, die Laufen sind die unkompliziertesten. Man kommt von einem Thema zum nächsten, lässt im Gespäch mal
die ein oder andere nützliche Information fallen und eiert die meiste Zeit einfach nur ganz herrlich und
lustigleicht rum. Diese Gespräche mag ich! Dialoge bei denen man nicht krampfhaft nach Themen suchen muss.
Wortgefechte, die sich duellieren, streiten, versöhnen und gegen den Rest der Welt verschwören.
Da verschwindet so manche Nacht im Nirvana weil der Moment des Abschieds einfach nicht kommen mag.
Die Zeit bis zum nächsten Aufeinandertreffen scheint unerträglich lang. Die Erwartung auf den Abend gleicht
dem vor Heilig Abend. Und die Enttäuschung, wenn sich der ersehnte Schreiberling mal nicht blicken lässt,ist
grenzenlos.
Die Anschubsgespräche sind sehr anstrengend. Aber manchmal lohnt es sich, sich da erst einmal durch
zubeissen denn auch solche Gespräche lernen manchmal das alleinige laufen. Bis dahin ist es aber ein weiter
Weg. Es gibt Menschen die gleich am Anfang erst mal abchecken ob auch alles hübsch in den
Wohlgefälligkeitsrahmen passt. Da werden nach und nach ganz sachlich erst mal alle möglichen Störfaktoren
abgearbeitet.
Der Fragenkatalog!
Rauchst du, kiffst du, säufst du, hast du Kinder, findet man dich des nächtens in der Küche mit dem Nutellaglas
vereint, wenn ja, teilst du gern?! Das würde wohl auf meiner Liste stehen.
Aber ehrlich gesagt sind diese Frage/Antwortspiele ermüdend und irgendwie nicht ganz so lustig. Und ganz oft
enden sie irgendwann auch mit den zwei Fragen : Bist du allein? Was hast du an?
Wie gesagt, im günstigsten Fall wird aus diesem Anschubsgespräch irgendwann ein Selbstläufer. Wenn erst mal
alle Fragen abgearbeitet sind und sich ein Thema gefunden hat auf das man aufbauen kann wird es
entspannter. Schwierig wird es erst wieder wenn das Thema durch ist. Ewig lässt sich ja auch nicht über Musik
philosophieren. Und schwups, geht die Fragerei wieder los. Oder man liest irgendwann raus das der Typ da am
anderen Ende niemals sein Nutellaglas mit dir teilen würde oder es gar widerlich findet, nachts Schokolade zu
essen. Dann lässt man das Gespräch, frei nach dem Motto " Hurra!!!!! ....ach nee, doch nicht!" ausklingen.
Ich glaube das ist der eigentliche Fehler im System. Marotten und Devizite werden im Laufe intensiver
werdender Gespräche entlarvt. Wofür man im wahren Leben Jahre braucht, braucht man im Internet
2 Stunden. Und so meint man zum Beispiel mit dem nicht vorhandenen gemeinsamen Musikgeschmack ein
unüberwindbares Hindernis gefunden zu haben. Der hört Marianne Rosenberg, das kann nicht gut gehen.
Abschiessen, weiterklicken! Es gibt ja noch so viele andere die entdeckt werden wollen. Und da ist DER EINE
dann bestimmt dabei. Man setzt sich mit nichts auseinander, man möchte seine eigene Individualität ausleben
aber die des anderen ist einem unangenem. Der Wunschpartner soll gefälligst in seiner eigenen Individualität
deiner gleichen.
Ein sehr beliebter Spruch in meiner Altersklasse ist " Ich bin so wie ich bin, mich kann man nicht mehr ändern"
Sind wir nicht alle genau so wie wir sind? Und ist das nicht genau richtig? Wer möchte denn jemanden der sich
wie ein Fähnchen im Wind immer in deine Richtung dreht? Ich möchte nicht ändern, nicht verbessern und nicht
umerziehen. Aber wenn jeder sich das Recht raus nimmt so zu sein wie er ist und sich kein Stück auf den
anderen zubewegt, bleibt einer immer auf der Strecke. So funktioniert das Leben in keiner Beziehung, und
schon gleich gar nicht in einer Partnerschaft.
Das zu wissen, bedeutet aber nicht das man es auch umsetzt. Ich möchte geliebt werden, mit allen Fehlern, mit
allen Unzulänglichkeiten, mit allen Schwabbelstellen. Andersrum suche ich aber den, der von vornherein so
fehlerfrei wie möglich und, ich gebe es zu, nicht ganz so schwabbelig ist. Damit das Aufwachen nach dem
ersten verliebt sein nicht so schockierend ist.
Der Tag wo dich morgens zum ersten mal seine zusammengeknüllte Unterhose auf dem Fussboden stört.
Die Nacht in der du zum ersten mal nicht mehr ganz so liebevoll an ihm rumrüttelst weil er dich mit seinem
Schnarchen vor wilden Tieren beschützt.
Dieser Moment wo die Pupe des anderen einfach anfängt zu stinken! Davor graust es mich.
Und um dem aus den Weg zu gehen suche ich nach dem nichtschnarchenden Unterhosenfalter dessen Pupse
zauberhaft nach Lavendel duften.
Der Moment zwischen schlafen und wachen, diese zwei Sekunden in denen die Welt immer in Ordnung ist.
Egal wie chaotisch dein Leben gerade ist, egal wie traurig, unzufrieden, glücklich, langweilig. Zwei muckelig
warme, zufriedene Sekunden bis die Synapsen schnappen und das Leben auf dich einprasselt.
Die einzige Erholungsphase wenn man verliebt ist.
Kann man sich verlieben ohne sich jemals gesehen zu haben? Man kann! Mir passiert das ständig. Es schleicht
sich ganz langsam an, ohne Plan und ohne Ziel. Und wärend man noch überlegt ob man vielleicht doch nur
Hunger hat steckt man schon mitten drin.
Bin ich verliebt in den Menschen?
Bin ich verliebt ins verliebt sein?
Oder bin ich verliebt in die Suche?
Endorphinverseuchte Menschen sind für Aussenstehende ekelhaft. Ich bin da keine Ausnahme. Ich bin so
widerwärtig himmelhochjauchzend das es mir zeitweise selbst auf die Nerven geht. Alles ist rosa und was nicht
rosa ist ist pastellfarben. Man wabbert desorientiert und dummdämlich grinsend durch den Tag. Die Gedanken,
ein fluffig weicher Wolkenbrei.
Der Spruch: " von Luft und Liebe leben" kommt nicht von ungefähr. Alles verliert sich in Bedeutungslosigkeit.
Wichtig ist nur der eine Mensch. Der eine Name. Das elementare Gefühl der Zauberhaftigkeit.
Verliebte leben in ihrer eigenen Welt und schaffen es den ganzen Tag keinerlei Notiz von ihrer Umwelt zu
nehmen. Egal wie trostlos die Welt da draussen gerade im Nebel der Novembertristes versinkt. Im Herz,im
Bauch, im Kopf scheint die Sonne. Heiß und glitzernd und übermütig stömt sie durch die Venen.
Dieses Gefühl will ich haben. Ich brauche die Sonne im Herzen. Ich brauche den Übermut und die Unvernunft,
das flattern und zappeln, das rauschen und pochen.
Verliebt ist man nich erst wenn man es ausspricht. Aber dieser Moment wo man vor der besten Freundin damit
rausplatzt macht es wahr und wirklich.
Für mich. Nicht für die beste Freundin, die weiß das schon. Alle wissen es schon, selbst Mutti und Vati. Das liegt
am Erwähnungszwang! Menschen die einer bestimmten Person in besonderem Maße zugetan sind müssen sie
erwähnen. Die treusorgende, aufmerksame Freundin weiß schon Wochen vorher das da bald eine schwere,
nervige Zeit anbricht. Und sie bereitet sich gewissenhaft vor. Wein, Taschentücher, Schokolade und Vanilleeis
werden schon mal auf Vorrat gebunkert. Beziehungstipps werden aus Zeitschriften geschnippelt und
archiviert. Der Partner wird schon mal darauf vorbereitet das die ein oder andere warme Mahlzeit zugunsten
überwichtiger " er ist so süß" Telefongespräche ausfällt. Sätze wie: "Nein, du bist nicht zu fett" "Seine
Ex-Freundin ist total hässlich" oder " Vergiss den Arsch, du hast was viel besseres verdient", werden vor dem
Spiegel geprobt damit sie im Ernstfall auch glaubwürdig rüber kommen.
Meine Freundin schläft bei den ersten Anzeichen eines Erwähnungszwangs sogar schon mal vor. Denn Nächte
in denen ich Nachts um drei theatralisch und verzweifelt "er liebt mich nicht" ins Telefon schluchze zerren nicht
nur an meinen Kräften.
Liebe und Schmerz liegen dicht beieinander. Es sind Geschwister die sich manchmal Jahre nicht sehen und doch
immer eine Verbindung zu einander spüren. Sie vergessen sich nie und von Zeit zu Zeit besuchen sie sich.
Am Anfang nur kurz, am Ende scheinen sie unzertrennlich.
Aber auch wenn man im Laufe der Jahre die ein oder andere schmerzliche Erfahrung gemacht hat vergisst man
das nur allzu gern. Und das ist gut so. Denn was wäre das Leben ohne die Hoffnung auf Liebe?
Es ist also amtlich, ich bin verliebt! Verliebt in seine Worte, in seine Geschichten,in Bilder die er mir in den Kopf
malt. Vernarrt in die Illusion.
Und ein neues Gefühl macht sich breit. Sehnsucht. Sehnsucht nach etwas echtem. Zwei Herzen schlagen
plözlich in meiner Brust. Das eine ganz aufgeregt, neugierig und erwartungsvoll, das andere vorsichtig,
zweifelnd und abwartend.
Will ich weiter gehen oder stehen bleiben?
Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten. Die Sehnsucht gibt die Antwort. Weiter, weiter, immer weiter.
Immer höher, immer schneller. Das Wissen um den Aufprall verdrängend, will ich fliegen, nur noch seinen Wind
und seine Sonne spüren.
Und ich will seine Stimme hören.
Wenn man die ein oder andere Nacht schreibend miteinander verbracht hat, entwickelt sich langsam ein Bild.
Nur ganz leicht, kaum sichtbar, eine Bleistiftzeichnung. Und in diesem Stadium keimt der Wunsch, einen neuen
Sinn zu befriedigen.
Hören!
Wie ist seine Stimme? Wie lacht er, wie flüstert er, wie betont er.
Ich liebe das schreiben und lesen. Ich mag die Vorfreude auf die Antwort und ich mag meine und seine
Gedanken auf "Papier". Denn ich kann sie lesen so oft ich will. Er schreibt mir Gedichte und Geschichten und ich
verschlinge sie, bin süchtig danach.
Jemanden aufzugeben der in der Lage ist mit Worten zu zaubern ist für mich schwierig.
Ich gebe es zu, ich bin ein Angsthase. Jeder neue Schritt muss abgewogen werden. Das liegt an der Erfahrung
das alles irgendwann endet. Wenn man das reden anfängt gibt man das schreiben auf. Und es gab Momente
wo ich diesen Schritt im nachhinein bereut habe.
Wenn man weiter geht muss man bis zum Ende gehen.
Und am Ende kommt man nicht mehr zum Anfang zurück. Es ist kein Kreis.
Irgendwann fragt er also ob wir die Sache mit dem telefonieren mal ausprobieren sollen. Vielleicht klappt das ja
genauso gut wie das schreiben, vielleicht hören sich unsere Ohren gern zu?
Aber was, wenn nicht?? Was wenn die Stimme nicht zur Zeichnung passt? Wenn sie quakt oder piept oder
einfach weh tut. Stimmen sind Sympathieträger deshalb habe ich immer ein bisschen Angst am anderen Ende
der Leitung auf Kermit zu treffen.
Aber nicht nur die Tonlage ist entscheidend. Beim Schreiben hat man Zeit zum denken, zum ändern zum
abwägen. Beim reden nicht. Frage und Antwort folgen in der Regel ohne große Kreativpausen. Rede ich wie ich
schreibe? Ich weiß das meine Zunge manchmal schneller ist als der Kopf. Manchmal ein bisschen zu spitz und
oft aus reiner Kommunikationsfreude blöd daher quatscht. Ich rede gern und tue ungefragt Meinung kund. Ob
die nun jemand hören will oder nicht.
Aber erst nach dem warm werden. Reden kann manchmal unangenehm sein, Schweigen noch viel mehr. Es
gibt Menschen neben denen ich zwei Stunden schweigend sitzen kann und am Ende das Gefühl habe ein
wahnsinnig gutes Gespräch gehabt zu haben. Und es gibt Menschen da berühren mich 30 Sekunden Stille
schon peinlich.
Beim ersten Telefonat ist es wichtig das der Knoten platzt. Das die erste Unsicherheit verfliegt, das das
Gespräch fließt. Am Telefon kann man nicht sehen wie der andere guckt, ob er dir gerade die Zunge rausstreckt
oder die Augen verdreht.
Er ruft mich an. Heute Abend. Wir haben uns dazu verabredet wie zu einem richtigen Date und für einen kurzen
Augenblick kommt mir der Gedanke mir nochmal die Beine zu rasieren.Ich bin furchtbar aufgeregt, laufe planlos
durch die Wohnung, rücke hier ein bisschen, putze da ein bisschen. Kühlschrank auf, Kühlschrank zu. Immer
noch eine Stunde Zeit. Vielleicht noch mal Nachrichten schauen? Nicht das er mich irgendwas übers
Zeitgeschehen fragt? Ich habe keine Ahnung was gerade in der Welt geschieht. Ich lebe seit 8 Wochen in
einem Vakuum. Ist Angela Merkel noch Bundeskanzlerin? Irgendein Erdbeben gerade aktuell?
Während ich hektisch durch das Fernsehprogramm zappe und nach Zeitungsstückchen suche frage ich mich ob
ich schon jemals mit ihm über Politik geschrieben habe? Haben wir nicht. Puh! Und da ich keine seriöse Zeitung
finde werde ich einfach darauf hoffen das er nicht fragt was ich zur Eurokrise zu sagen habe.
Mein Handy liegt neben mir, sollte ein Anruf kommen wird es freundlich losdudeln. Ich schaue trotzdem alle 15
Sekunden drauf. Noch zehn Minuten. Ich glaube ich muss noch mal auf's Clo. Nervosität schlägt mir immer auf
die Verdauung. Und natürlich klingelt es JETZT. Ich hab noch 10 Minuten. Warum ruft er 10 Minuten zu früh
an? Ich kann doch jetzt nicht abnehmen, sonst ist das erste was er von mir hört meine Clospülung. Es klingelt
noch zwei mal und dann ist Ruhe.
Ich hab's verkackt. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Ich muss natürlich zurückrufen. So war das nicht geplant und ich starre wie blöde auf "Ein Anruf in
Abwensenheit". Es dauert eine Weile bis mir auffällt das ich die Nummer kenne. Es klingelt noch einmal.
Meine Freundin! Nein, er hat noch nicht angerufen. Ja, ich bin aufgeregt. Sie ist sehr besorgt und interessiert.
Wir plaudern ein bisschen über dieses und jenes und meine Nervosität schwindet. Nach einer dreiviertel Stunde
fragen wir uns langsam warum er einfach nicht anruft?
Er kann nicht anrufen! Ich telefoniere ja.
Diese schockierende Erkenntnis kommt uns beiden gleichzeitig, wir kichern noch ein bisschen rum und legen
auf.
Mein Handy meldet mir zwei weitere Anrufe in Abwesenheit. Und es klingelt schon wieder. Er ist es, er ruft
an, zum dritten Mal. Ich glaube ich sollte mal dran gehen.
Mein Herz schlägt bis zum Hals als ich mich mit einem " Guten Abend" melde. Ich lausche, er spricht. Keine
quäkige Stimme. Ich atme erleichtert auf. Und wir reden und reden und reden. Ohne Pause, aufgeregt, zu laut,
zu schnell, manchmal gleichzeitig. Und als wir auflegen habe ich keinen Schimmer worüber wir gesprochen
haben. Aber seine Stimme! So schön, so melodisch, so weich.
Das erste Gespräch ist das schwierigste. Das zweite wird leichter. Das dritte ist schon fast entspannt.
Und so schlagen wir uns die Nächte um die Ohren. Schlafen brauchen wir nicht. Die Sonne geht unter und die
Sonne geht auf. Ich kann seine Kaffeemaschine im Hintergrund hören, wir legen das Telefon zur Seite und
gehen zusammen auf's Clo, ich höre ihn trinken, ich höre ihn laufen, sich stoßen, sich hinlegen, wieder
aufstehen und die ganze Zeit reden wir über Gott und die Welt. Die Tage wabbern in Müdigkeit dahin doch
klingelt abends das Telefon bin ich hellwach. Und so vergeht Nacht für Nacht,
Stunde um Stunde in denen wir reden und schweigen, uns manches mal minutenlang nur beim atmen zuhören,
Worte flüstern die man laut nicht sagen mag, mit dem Telefon am Ohr wegdösen und stundenlang diskutieren
wer jetzt zuerst auflegt.
Das Reden löst das Schreiben ab.
Und wieder gibt es Ängste, Zweifel, Bedenken. Richtig oder falsch? Sind wir schon zu weit gegangen? Hätten
wir aufhören sollen? Wo führt das alles hin?
Aus dieser Nummer kommen wir nicht mehr raus ohne den Schmerz am Ende wenn das Ende da ist.
Das Ende kommt immer, einmal früher, einmal später. Je länger es dauert umso größer wird das Elend.
Ich weiß das und trotzdem kann ich es nicht lassen. Nicht von ihm lassen.
Es gibt einen Menschen den kennt man schon sein Leben lang. Sie buddelt sich mit dir zusammen im
Sandkasten bis nach Australien. Sie steht am ersten Schultag nervös neben dir während die riesige Schultüte
schwer wird und der Fotograf das dritte Foto schießt. Sie tröstet dich beim ersten Heimweh auf der
Klassenfahrt, sie hasst dich für deine zweitbeste Freundin, sie lässt sich mit dir beim klauen erwischen und sitzt
mit dir bangend auf dem Polizeipräsidium. Ihr erleidet zusammen den ersten schlimmsten Liebeskummer und
raucht zusammen den ersten Joint. Sie kennt deine schlimmsten Ängste und deine sehnsüchtigsten Wünsche.
Sie weiß um deine Abgründe und deine Geheimnisse und würde doch niemals irgendetwas gegen dich
verwenden. Sie ist ein freiwilliges Geschwisterkind.
Und es gibt Freunde die finden sich erst. Diese Freunde sind selten und meistens bleiben es nur lose
Bekanntschaften denn es fehlen die gemeinsamen Erinnerungen, das zusammen wachsen. Doch manchmal hat
man Glück auf einen Menschen zu treffen der trotzdem einfach passt. Der dich mag obwohl du schon fertig bist.
Der so tickt wie du, der deine Macken toleriert und deine Neurosen ignoriert.
Dieser Mensch kennt vielleicht nicht das ganze Buch aber er liest interessiert jede Seite die du ihm gibst.
Ich liebe meine Freunde! Ich liebe sie für ihre Rationalität,ihre Ehrlichkeit, ihren Humor, ihren Scharfsinn, ihre
Loyalität. Sie sind mein Verstand wenn er verreist. Mein Halt, wenn die Welt aus den Fugen gerät, der Felsen,
der Baum, mein Fundament. Ich würde aus moralischen Gründen vielleicht nicht für sie töten aber ich würde
jeden auf der Welt für sie verhauen.
Sie sind untereinander völlig verschieden, aber jeder von ihnen ähnelt mir ein bisschen. Denn Freunde sind
immer ein Stück weit ein Abbild unserer selbst.
Wenn ein potenzieller Partner in mein Leben trifft habe ich diesen, schon erwähnten, Erwähnungszwang.
Meine Freunde wissen also Bescheid bevor ich so richtig Bescheid weiß. Und jeder für sich geht ein bisschen
anders damit um.
Die beste Freundin
Sie hat den Typen schon auf Facebook ausspioniert,da kenne ich noch nicht einmal seinen Namen und versorgt
mich mit nützlichen Details. Details die natürlich reine Spekulation sind und ihrer Interpretationsvielfalt
entspringen. Sie macht sich sorgfältige Gedankennotizen und googled jede Information die ich ihr zukommen
lasse. Sie kennt mindestens eine Person die in seiner unmittelbaren Nähe wohnt und hat selbige schon zum Tee
eingeladen um Kontakte aufzufrischen. Gewissenhaft,ungefragt und ohne jemals Spuren zu hinterlassen
durchforstet sie sein Leben nach Leichen,Defiziten und Unzulänglichkeiten! Und sie findet welche! Immer!
Die neue Freundin
Während die beste Freundin ungefragt Fäden zieht und im Hintergrund agiert ist die neue Freundin am direkten
Geschehen beteiligt. Mit ihr seziere ich, auf meinem Wohnzimmertisch, Mr. Nice.Was er gesagt hat, wie er es
gemeint hat, was ich meine was er meint wenn er was sagt. Mit ihr kann ich jede einzelne Aussage auf zwanzig
verschiedene Arten interpretieren und mir dann die hübscheste aussuchen. Nicht, das sie nicht versuchen
würde ab und an mal an meinem Wölkchen zu rütteln. Sie ist meine Freundin, sie ist ehrlich und direkt und sagt
wenn sie meint das es stinkt. Aber sie sieht auch meine Herzchen und sie weiß das Vernunft und Wachsamkeit
nicht durchdringen.
Der Freund
Wenn es um Herzensangelegenheiten geht sind männliche Freunde auf zwei Gebieten unschlagbar.
Zum ersten, für das unvermeidbare Schnaps saufen und nach hause tragen nach dem "er liebt mich nicht" und
zum zweiten für denn ultimativen Machoeinblick in den männlichen Denkapparat. Mein Freund sagt, Männer
denken anders als Frauen. Simpler, pragmatischer effizienter. Wenn Männer Durst haben gehen sie zum
Kühlschrank, nehmen sich ein Bier,kramen in der Hosentasche nach einem Feuerzeug und trinken, noch vor
dem Kühlschrank,direkt aus der Flasche.
Frauen überlegen erst einmal ob sie ein Bier wollen,kontrollieren ob das Bier von glücklichem, Freilandhopfen
stammt, wählen von den drei gefundenen Flaschenöffnern den aus der am besten zum Kronkorken passt, und
schmecken letzten Endes 500ml deutsche Brauereikunst mit anderthalb Litern Cola light ab weil das Bier pur
nicht schmeckt.
So, oder so ähnlich erklärt er mir die Welt.
Dieser meinige erlesene, bunte Haufen, so verschieden er auch ist, ist sich in einer Sache völlig einig!
Im Internet findest du keinen Mr. Nice.
Ich bin allerdings, sitzend auf meinem rosa Wölkchen, auf diesem Ohr taub. Ich glaube man nennt es
Beratungsresistenz. Sie wissen das und lassen mich gewähren.
Und trotzdem fühle ich mich bei ihnen sicher und geborgen denn sie werden da sein wenn es anfängt weh zu
tun. Und das ganz ohne "ich hab's doch gleich gesagt"
Er ist unsichtbar für meine Umwelt und für mich. Zu sehen ist er nur im Glanz meiner Augen, er spiegelt sich
nur auf meinem Lächeln wieder. Er begleitet mich in meinen Gedanken durch den Tag, spukt in den
unpassendsten Situationen durch meinen Kopf und zaubert darin bunte Seifenblasen. Zu sehen ist er nicht.
Wir haben uns noch nicht gesehen. Und für den Moment bin ich froh das es so ist. Denn der Gedanke daran
das Kopf und Herz nicht ausreichen, wenn man visuell nicht gefällt macht mir Angst.
Jeder Mensch hat ein Ideal im Kopf und egal wie tolerant und aufgeschlossen wir uns geben unsere
Erwartungen und Wünsche behalten die Oberhand. Ich entspreche keinem Ideal. Und wenn das für irgend
jemanden doch so wäre würde ich das ziemlich befremdlich finden. Wir erinnern uns " ich habe ja keine Figur!"
Nicht dem Ideal zu entsprechen bedeutet nicht, dem Menschen weniger wert zu sein. Aber es bedeutet , das
eben nicht alles passt. Das man sich arrangieren muss wenn man zurecht kommen will.
So weit es meine Persönlichkeit und meine Wertigkeit nicht verletzt kann ich mich wenn ich verliebt bin von
meinen Erwartungen entfernen. Der Zustand der rosaroten Zauberhaftigkeit macht für mich Mr.Normal zu
Mr. Perfekt und ich möchte das es für immer so bleibt. Doch wenn man aus diesem Dunst wieder auftaucht
sieht man Mr. Normal oder wenns ganz kacke läuft Mr.Ugly.
Ich arrangiere mich. Aber ich möchte nicht so gern die sein für die Man(n) sich arrangieren muss. Und wenn es
so ist dann möchte ich es nicht wissen.
Ich will Mrs.Perfekt sein. Nicht weil ich es bin sondern weil er mich mit Herz und Kopf so sieht.
Unperfekt perfekt.
Man sagt, Fähigkeit sich selbst zu lieben ist der Schlüßel zum Glück. Aber ich liebe mich nicht immer. Manchmal
find ich mich nur ganz nett und ein andern mal einfach scheiße. Und je nachdem wie das Selbstempfinden
gerade ausfällt so strahlt man es nach aussen.
In den Momenten wo ich mich mag, will ich ihn sehen. Da will ich ihn zu meinen Eltern zerren, meinen
Geschwistern zum Fraß vorwerfen, meiner ganzen kleinen Welt zeigen wer da in meinem Herz für Wirbel sorgt.
Und ich weiß sie werden ihn lieben, mir zuliebe. Weil sie mich lieben und ich ihn liebe.
Aber an Tagen an denen ich mit mir selbst hadere da möchte ich nicht das er mich sieht, mich jemals zu
Gesicht bekommt. Dann möchte ich das wir uns unsere Fantasie teilen, zusammen die Welten unserer
Gedanken erobern, Geschichten spinnen und Abenteuer erleben. Ganz leicht, ganz frei, ganz unkompliziert ohne
die Wirren und Verirrungen der Realität.
Doch irgendwann sind alle fantastischen Abenteuer erlebt, alle Szenarien durchgespielt. Wenn man nichts erlebt
an das man sich erinnern kann dann ist es ganz leicht vergessen zu werden. Ich möchte nicht vergessen
werden und so entspringt der Wunsch die Liebe zu leben. Sie an der Hand zu halten,ihr durch sie Haare zu
wuscheln.
Mein Wunsch stemmt das Geröll aus Selbstzweifeln zur Seite. Erst zaghaft, dann immer mutiger und
drängender meisselt er sich den Weg frei um dort anzukommen wo die Liebe verlegen lächelnd auf ihn wartet.
Wenn sie denn wartet!
Vielleicht reicht die Illusion der Liebe? Als Phantom ist man sicher, unantastbar und nur einen Klick vom
verschwinden entfernt. Die virtuelle Welt kann man aussperren. Auslöschen und sich freisprechen von
Verpflichtungen und Versprechungen.
Seifenblasen platzen leise.
Mein Phantom hat mir ein Foto geschickt. Kein anzügliches, versteht sich. Seit Stunden starre ich dieses Foto an
und frage mich, "gefällt er mir, so ganz objektiv?" Ich weiß es nicht.
An der Bushaltestelle des Lebens wäre er mir vermutlich nicht aufgefallen. Er trägt eine Brille, so ein modisches
Ding mit viel zu dickem Rahmen, ist blond, eigentich gar nicht mein Beuteschema.
Vorwitzige Wirbel kräuseln seine Haare an den unmöglichsten Stellen und seine Ohren sind schon ziemlich spitz.
Hübsche, normalgroße, spitze Ohren. Spocki-Ohren. Ich berühre mit der Fingerspitze ganz sachte meinen
Bildschirm und streichle....jaaaaaaaa.....Ohren!! Himmel hilf, was ist nur los mit mir!?
Er ist nicht klassisch schön, vermutlich gerade mal unterer Durchschnitt und doch ist er so wunderhübsch,
für mich.
Ich denke er gefällt mir, oben rum.
Der Rest von ihm ist auch ganz reizend und ziemlich unschwabbelig, eher sportlich.
Während ich meiner gedanklichen Fleischbeschauung fröne fällt mir ein winziges Detail auf.
Winzig, im wahrsten Sinne des Wortes! Das Auto, an dem er da so lässig lehnt,
ist entweder sehr groß oder mein potentieller Lebensabschnittsbevollmächtigter ist ein Zwerg.
Oh nein!! Ist mein Mr. Nice ein Winzling? Bitte, bitte lieber Gott, du weißt ich behellige dich für gewöhnlich nicht
mit solchen....ähm....Kleinigkeiten...aber bitte laß ihn nicht kleiner sein als ich es bin.
Kleine Männer wecken in mir immer den Muttiinstinkt. Da will ich beruhigend über den Kopf streicheln, den
Mund nach dem essen abtupfen, die Jacke zu machen und den Schal ordentlich um den Hals zurren.
Den Kleinen an der Strumpfhose hochziehen, damit sie an den Füßen wieder passt.
Ganz furchtbar! Kommt gleich nach dem, ins Taschentuch spucken und die Eisschnute putzen.
Es soll Männer geben die aufgrund solcher bemuternden Machenschaften in frühester Kindheit,
sexuelle Störungen davon getragen haben.
Um ganz sicher zu gehen brauche ich mehrere Meinungen also lade ich kurzerhand zu einem Umtrunk ein.
Meine liebsten Drei stehen auch fast augenblicklich Gewehr bei Fuß und sind sich nach ausgiebigem
Begutachten einig. Er ist ein Zwerg! Meine beste Freundin fügt noch an, eventuell ein Hobbit, wenn man die
Ohren mit in die Betrachtung einfließen lässt. Betreten starren wir alle auf seine Füße. Keine Abnormalien
zu erkennen. Ein Lichtblick!
Die zweite Dame in unserer Runde ist der Meinung, das wäre alles kein Problem, wenn ich ihn wirklich
liebe werde ich 'darüber hinwegsehen' und prustet ihren Rotwein über meinen, ehemals cremefarbenen,
Tischläufer. Ich hasse sie! Keine Ahnung warum sie hier ist, warum ist sie nochmal meine Freundin?
Ich erinnere mich gerade nicht.
Die einzige nützliche Information dieser Zusammenkunft gibt mein Freund zum besten. Die Formel
geringe Körpergröße = kleines Geschlechtsteil gibt es nicht. Auch wenn das gerade mein kleinstes ....oh wie ich
diese Wortspiele hasse....Problem sein sollte.
Trotzdem ich mir nicht sicher bin wie objektiv mein Freund da ist, immerhin zählt er mit seinen 175cm auch
nicht gerade zu einem Anwärter der Schweizer Garde, finde ich seine Aufmunterungsversuche sehr lieb.
more coming soon
Tag der Veröffentlichung: 28.01.2015
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Widmung:
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