"Du bist ja so ein Idioot!" schrie sie und knallte die Tür hinter sich zu. Das wars, für immer, aus und vorbei. Nein, sie würde sich nicht wieder von ihm einwickeln lassen. Sie würde gehen! Und diesmal wirklich, für immer. Sie brauchte ihn nicht. Sie brauchte niemanden, jawoll! Sie war schon immer allein klargekommen, das würde sie nun auch wieder. Sie rannte durchs Treppenhaus bis sie endlich die Tür ins Freie erreichte. Schnell stieß sie sie auf und huschte in die klare Nacht. Sicher würde er bald hinter ihr herkommen, aber dann würde sie schon längst in einer Bar hocken und die Welt unsicher machen. So war sie halt, wenn er das nicht einsehen konnte, dann hatte sie nichts bei ihm verloren. Es war ohnehin dumm von ihr gewesen sich auf ihn einzulassen. Allein schon weil er fast 10 Jahre älter war als sie. Sie war jung, frei und ungebunden. Er hingegen hatte einen Job, war verantwortungsbewusst und behandelte sie mehr als eine kleine Schwester mit der man schlafen durfte. Sie lief durch die Straßen, wohin genau sie gehen würde wusste sie noch nicht. Sie lebte nie nach Plan, überließ den Dingen gerne ihren Lauf und hoffte auf einen Wink des Schicksals, der ihr zeigte was zu tun war. Doch oft interpretierte sie die Dinge falsch, und so war sie dort gelandet wo sie nun war. Nirgendwo. Die Schule hatte sie geschmissen, sie war ganz dem Beispiel ihres Vaters gefolgt und war abgehauen, als es nicht so lief wie sie es gerne gehabt hätte. Ihre Mutter hatte wieder geheiratet, einen ekelhaften Spießer. Sie wollten umziehen, weg aus ihrer Stadt. "Ins Grüne" äffte sie ihren Stiefvater nach, wie er damals vor ihr stand, den Arm um die Taille ihrer Mutter gelegt, und ihr von ihren gemeinsamen Plänen erzählte. "Schwachsinn" murmelte sie und trat wütend gegen einen leeren Mülleimer. "Schwachsinn! Schwachsinn! Schwachsinn!" schrie sie und trat immer weiter gegen den Eimer, bis er sich aus seiner Verankerung löste, umkippte und scheppernd über den Gehweg kullerte. Sie überquerte die Hauptstraße und fand sich im Park wieder. Normalerweise war hier immer etwas los. Normalerweise. Heute war es still, natürlich ausgerechnet heute wo sie Ablenkung gebraucht hätte war tote Hose angesagt. Typisch! Trotzdem beschloss sie den Weg in den Park zu nehmen. Fehler Nummer 1…. Auch nach 200m schien der Park noch wie leergefegt zu sein. Gerade als sie beschloss umzukehren hörte sie die Schritte hinter sich. Schnelle Schritte. Sicher nur ein Jogger. Wer joggt denn bitteschön um 23:00Uhr im Park? "Kazumi!" Er war es. "Scheiße!" nuschelte sie und stürzte sich ins Gebüsch. Wie zum Teufel konnte er sie finden? Was nütze eine so große Stadt, wenn man sich in ihr nichtmal vor einem Trottel wie ihm verstecken konnte? Sie lief durch das Gebüsch und immer tiefer ins Unterholz. Fehler Nummer 2…. Kam er hinter ihr her? Sie konnte es nicht sagen. Alles was sie hörte, war das Rascheln ihrer eigenen Schritte auf dem toten Laub. Dort, wo die Laternen nicht ihr goldenes Licht hinwarfen, war es schwarz. Rabenschwarz. Und genau dort lief sie lang. Die Träger ihres Eastpack Rucksacks scheuerten auf ihren nackten Schultern und mit einem Mal wurde ihr unsagbar kalt. Sie blieb stehen. Holte tief Luft und lauschte, bewegte sich nicht, sah nichts. Fehler Nummer 3…. Sie spürte es kaum. Bevor sie wusste was geschehen war verschwamm die Schwärze um sie herum und sie war in absolutes Licht gehüllt. Es war schrecklich schön. Eine bittere Süße lag in der Luft und ihre Schmerzen taten gut. Das Bild eines Mädchens mit kurzen feuerroten Haaren wurde gezeigt. Danach das Bild eines Mannes. Die Frau drehte den Ton etwas lauter und hörte einem Polizisten zu, der von der Reporterin des Frühstücksfernsehens interviewt wurde. "Jemand hatte dem Mädchen den Unterleib aufgeschnitten und die Gebärmutter entnommen. Wahrscheinlich war sie durch einen Schlag auf den Hinterkopf ohnmächtig geworden und wenn nicht durch den Schlag, dann durch die Schmerzen, die sie gehabt haben musste. Gestorben ist sie dann am zu hohen Blutverlust. Untersuchungen des Blutes ergaben, das das Mädchen im zweiten Monat schwanger gewesen war. "
Tag der Veröffentlichung: 16.07.2013
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