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Mein Sommer mit den Schwarzstörchen

 Schwarzstörche im Nest

 

Einen Sommer lang habe ich dem Schwarz Storch Elternpaar Tiit und Tiina nun in ihre Kinderstube geschaut. Die beiden leben in einem Naturschutzgebiet in Estland und dank der modernen Technik läuft dort eine Webcam, über die ich jeden Tag das Leben im Nest beobachten konnte.

Im Frühjahr hat Mutter Tiina 5 Eier in das sorgfältig gebauten Nest auf das weiche Moospolster gelegt. Und den ganzen Monat Mai wartete ich mit allen Beobachtern gespannt auf das Schlüpfen des ersten Kükens. Pfingstmontag, am 27.05.2013 war es dann so weit: Im Absstand von 24 Stunden schlüpften zwei Küken aus den Eiern. Drei Eier waren offenbar nicht befruchtet, wurden aber nicht aus dem Nest entfernt. Sie kugelten die nächsten Wochen zwischen den beiden Küken hin und her wie drei Golfbälle.

Ja, und dann war ich jeden Tag dabei, und habe das Leben der Storchenfamilie beobachten können. Immer war einer der beiden Elternvögel im Nest. Nie ließen sie ihren Nachwuchs aus den Augen.

Es war für mich erstaunlich, wie schnell die beiden Kleinen heranwuchsen. Und wie behutsam und voller Fürsorge sich beide Eltern um ihren Nachwuchs kümmerten!

Und, wie sie auch auf Reinlichkeit achteten. Der Elternvogel, der Nestwache hatte, war ständig damit beschäftigt, den Kot der Jungen zu beseitigen und aus dem Nest zu befördern. Oder pickte am schnell wachsenden Gefieder der Küken herum. Was diesen offenbar nicht immer so ganz angenehm war. Denn, in den ersten Wochen wollten sie offenbar nur zwei Dinge: Schlafen und Fressen, Fressen und Schlafen.

Die Altvögel strecken zum Koten ihr Hinterteil weit über den Nestrand und der Darminhalt fliegt dann im hohen Bogen hinaus durch die Luft. Diese Art der Darmentleerung sieht sehr lustig aus und ich muss jedes Mal schmunzeln.

Ich möchte allerdings nicht wissen, wie es dort unter dem Nest aussieht? Aber, das zeigt die Kamera ja nicht.

Erstaunt war ich, wie schnell die beiden Küken, als sie heranwuchsen, diese Methode der Eltern angenommen haben damit ihr Nest möglichst sauber blieb. Und wenn es doch einmal passierte, dass ein Geschwisterchen in das Nest gemacht hatte, konnte ich beobachten, wie der zweite Jungvogel ganz schnell Nistmaterial vom Nestrand mit seinem Schnabel heranholte und den Schandfleck sorgfältig abdeckte.

Bei starken Regenfällen, war es rührend zu sehen, wie die Eltern ihre Jungen mit ihrem Leib zu schützen versuchten, so gut es ging. Anschließend trugen sie eilig trockenes Moos aus der Umgebung in das Nest, um es wieder warm und trocken aus zu polstern. Die Brutpflege in den ersten Wochen, als die Küken noch sehr klein und hilflos da lagen, war von so viel Fürsorge geprägt, dass ich mir nicht vor stellen kann, dass das nur Instinkt gesteuert ist. Da gibt es auch so etwas wie Elternliebe! Auch wenn ich nicht zu jenen gehöre, die Tiere vermenschlichen. Aber gerade seit diesem Sommer, in dem ich die Gelegenheit hatte drei Vogelpaaren so nah wie nie bei ihrem Brutgeschäft zu schauen zu können, bin ich mir sicher, dass Tiere doch so etwas wie eine Seele haben. Von meinen diversen Hunden wusste ich das schon immer.

Der 04.07. sollte dann für die bis dahin friedlich und ungestört lebende Familie Schwarzstorch einige Aufregung bringen. . Die beiden Jungstörche waren inzwischen schon so weit herangewachsen, dass die Eltern sie für eine kleine Weile allein lassen konnten. Das ist dann die Zeit, in der die Vogelschützer die Gelegenheit nutzen, und die jungen Störche beringen.

Ich habe diese Aktion zwar verfolgen können, weil ich zufälligerweise gerade in diesem Moment die Webcam angeklickt hatte. Leider wurde das Kameraobjektiv aber die meiste Zeit von einem knackigen estnischen Männerhintern in Khakihosen verdeckt, weil nur von dieser Seite der Aufstieg in das Nest möglich war.

Die beiden Küken wurden gewogen, untersucht und beringt. Und sie bekamen auch Namen: der kleine männliche Storch wird nun weltweit im Storchenregister als Miiko bekannt sein und seine Schwester als Liina. Die drei unbefruchteten Eier wurden von den Vogelschützern sorgfältig in einer Schachtel geborgen um sie zu untersuchen.

Nachdem die Männer das Nest verlassen hatten, und wieder Ruhe auf dem Storchenbaum eingekehrt war, haben sich alle dann schnell erholt und schon nach 30 Minuten kamen die Eltern zurück und das ruhige und beschauliche Leben im Storchennest ging weiter.

Von dieser Zeit an hat es dann nicht mehr lange gedauert bis zu den ersten Flugübungen. Es war sehr aufschlussreich, zu sehen, wie die Geschwister in zwistiglicher Eintracht bei einander lebten. So richtig gestritten wurde nur bei der Essensausgabe. Aber da sorgten dann Vater oder Mutter für Ordnung, und dass jeder der beiden Zöglinge zu seinem Recht kam.

Ansonsten waren die beiden richtig nett mit einander. Sie schnäbelten sich gegenseitig das heranwachsende Federkleid, offenbar ist das Wachstum der neuen Federn mit viel Juckreiz verbunden. Und die alten Daunen mussten schließlich auch entfernt werden. Überhaupt, waren die Beiden fast den ganzen Tag mit Gefiederpflege sehr beschäftigt! Und auch die beiden Elternvögel konnte ich meistens bei dieser Beschäftigung beobachten.

Mit der Zeit wuchsen die Schwungfedern, die jungen Störche hüpften durch das Nest, schlugen mit ihren heranwachsenden Schwingen und: eines Tage war es so weit; die kleinere und leichtere Liina wagte als erstes den Flug aus dem Nest! Offenbar sind die Storchenmädchen wohl mutiger als ihre Brüder. Mirko begnügte sich noch eine ganze Weile damit im Nest herum zu hüpfen mit weit ausgebreiteten Schwingen. Aber, dann kam auch für ihn der Moment, das Nest zu verlassen und den ersten Ausflug zu wagen. Von diesem Tag an war das Nest immer häufiger leer, wenn ich im Laufe der Tage dort hereinschaute.

Dann passierte etwas , dass für die Storchenfamilie bestimmt ein tiefgreifendes Unglück war: am 03.08 landete ein Seeadler im Storchennest und einer der beiden Jungstörche, der gerade im Nest war, floh unter lautem Geschrei. Auf dem Video, dass die Vogelwarte gedreht haben, sieht man den aufgeschreckten Jungstorch beinahe aus dem Nest fallen und hört wie die Äste knacken, durch die er wohl in seiner Panik mehr gefallen als geflogen ist. Auch die anderen Störche hörte ich in der Nähe laut schreien, als sie die Eroberung ihrer Heimstätte durch einen Seeadler hilflos mit ansehen mussten.

Ich habe seit diesem Tage nur noch zwei oder drei Mal einen der Altvögel, erkennbar an der tiefroten Farbe der Stelzen und der Kopfhaut rund um den Schnabel und die Augen, auf dem Ast neben dem Nest sitzen sehen. Miiko und Liina habe ich seit diesem Tag nie mehr gesehen. Ich bin mir sicher, sie üben auf den Wiesen der Umgebung fleißig ihre Flügel. Es dauert nicht mehr lange bis zum Abflug nach Afrika und der Weg von Estland dorthin ist weit!

Es ist nicht an zu nehmen, dass ich die Beiden je wieder sehen werde.

Aber meine Guten Wünsche begleiten sie: „Glück auf, Miiko und Liina! Ich wünsche Euch allezeit guten Wind und satte Wiesen und Bäche voller Fisch. Ihr habt mir in diesem Sommer manche schöne Stunde beschert, weil ich Euch beim Heranwachsen in Eurer Kinderstube zu schauen durfte. Danke dafür!“

 

Nachtrag:

Nun schreiben wir schon den 18.04.2014. Bereits seit März war Tina allein im Nest und wartete wohl auf einen Partner. Inzwischen hat sich jemand gefunden, der sich mit der hübschen Störchin vereinigt hat und ich denke in den nächsten Tagen wird Tina ihr erstes befruchtetes Ei legen und mit dem Brüten beginnen.

Zwei Eier hatte sie in der Wartezeit schon gelegt, die aber wohl nicht befruchtet waren und die sie auch nicht bebrütet hat. Nun liegen die beiden nicht befruchteten Eier am Nestrand. Ich bin mal gespannt, wie es weiter geht. In Estland beginnt die Brutzeit später, als hier bei uns. Das Klima ist rauher, und die Zugvögel treffen dort in ihren Brutgebieten auch einige Zeit später ein, als hier in Mitteleuropa.

 

 

Mein Sommer mit den Fischadlern

Fischadler

Mein Sommer mit den Fischadlern

 

Ilmar heißt der Fischadler, der in Estland seinen Horst auf einem Truppenübungsplatz hat. Er ist gut zu erkennen, weil er einen Sender auf seinem Rücken trägt. Und sein Weibchen heißt Irma.

 

Der Adlerhorst der beiden Greifvögel ist durch die Männer vom estnischen Adlerverein auf einer sehr hohen freistehenden Kiefer künstlich angebracht, weil ihr alter Horst auf einer schon morschen Kiefer ab zu stürzen drohte. Die beiden Greifer haben das neue Nest angenommen und am 9, 13 und 16 Mai 2013 war es so weit, das Weibchen Irma legte drei Eier und nun ging das Brüten los. Dank der neuen Medientechnik können viele Menschen auch außerhalb von Estland teilhaben am Familienleben der Fischadlerfamilie.

 

Am 15 Juni war es dann so weit, es schlüpfte das erste Küken. Nur 2 Tage später, am 17. Juni folgte ein zweites und in der Nacht zum 21 Juni pickte sich dann auch noch ein drittes Küken aus dem zuletzt gelegten Ei.

 

Wieder konnte ich beobachten, mit welcher Hingabe die Vogeleltern sich um ihren Nachwuchs kümmerten. Irma behütete den Nachwuchs und Ilmar sorgte für reichlich Nahrung.

Weil die Kleinen nicht zur gleichen Zeit geschlüpft waren, konnte man sie gut erkennen und auseinander halten, da sie sehr verschieden entwickelt waren.

Das zuerst geschlüpfte Küken, offenbar ein Adler Männchen, dass später den Namen Kaido erhielt, war von Anfang an das größte und kräftigste Junge im Nest. Kenno, das mittlere Adlerjunge, wahrscheinlich ein Weibchen stand ihm nicht all zu viel nach.

Das Nesthäkchen, dass den Namen Kaari erhielt, war von Anfang an recht klein. Aber, da es offenbar genug Fische in den umliegenden Gewässern und Bächen gab, schaffte Ilmar genügend Nahrung für seine Familie herbei. Und es war für mich erstaunlich, zu sehen, wie Irma es immer wieder schaffte, auch das kleine schwächste Küken ausreichend mit Nahrung zu versorgen und es während des Fütterns vor den Übergriffen der beiden älteren Geschwister beschützte.

So konnten die Männer vom Adlerverein denn am 22.07, als sie die jungen Adler beringten, feststellen, dass alle drei Küken wohl auf, gesund und in einem guten Zustand waren.

Wenige Tage nach dem Beringen tobte über der frei stehenden Kiefer mit dem Horst ein sehr starkes Gewitter. Ich konnte mit erleben, als der Regen wie aus Eimer schüttete, das Nest hin und her schwankte und einmal konnte ich sehen, wie direkt neben dem Nest ein Blitz in die Erde einschlug. Ein Wunder, dass es nicht den frei stehenden hohen Bau getroffen hat.

Irma, das Weibchen, hatte die ganze Zeit, während der Regen auf das Nest herunter prasselte, ihre Flügel ausgebreitet, stemmte sich gegen die Regenrichtung und versuchte so gut es ging ihre inzwischen ja schon zu stattlicher Größe heran gewachsenen Kinder vor dem Regen zu schützen.

Ein Bild, das wohl mehr bedeutete, als Instinkt gesteuerter Brutpflegetrieb! Das war pure mütterliche Fürsorge und Liebe.

Aber, leider forderte die Nässe dann doch ein Opfer: Kaari, das kleinste der Küken, schwächelte die nächsten Tage und Ende Juli lag es eines Morgen tot im Nest. Ich hatte es noch am Abend zwischen den beiden Geschwistern liegen sehen. Da muss es wohl schon tot gewesen sein.

Erst am anderen Morgen wurde ich von einer PC Bekannten, die ebenfalls das Nest regelmäßig beobachtete, auf den Tod des jüngsten Adlerkükens aufmerksam gemacht. Es ging uns beiden ganz schön nahe! Die Wochen vorher hatten wir immer wieder beobachten können, mit wie viel Fürsorge die Mutter gerade dieses Junge heran gefüttert hatte.

Entgegen meiner offenbar falschen Vorstellung wurde das tote Geschwisterchen NICHT als Futter verspeist von den übrigen Vögeln. Im Gegenteil, man hatte den Eindruck, dass ihnen bewusst war, dass mit dem Kleinen etwas nicht stimmte. Sie rührten es nicht an, schauten anfangs aber immer wieder nach dem Kleinen. Und sie legten sich ohne Scheu neben den Kadaver.

Die Männer vom Adlerverein entschieden dann, das tote Junge nicht aus dem Nest zu entfernen um die Adler nicht zu stören, weil die beiden größeren Küken immer noch auf die Fürsorge der Eltern angewiesen sind.

Es ist immer das Bestreben der Vogelschützer weltweit, so wenig wie möglich in die natürlichen Abläufe ein zu greifen. Und das ist wohl auch gut so. Obwohl es nach unseren menschlichen Maßstäben sehr unhygienisch ist, dass neben den vielen Fischresten, Kotresten nun auch noch ein Kadaver dort oben im Nest vor sich hin duftet und sicher viel Maden und Ungeziefer anlocken! Doch wie ich beobachten konnte, vertilgen Jungadler auch Maden! So dass sich diese in dem toten Jungen nicht vermehren können. Und den Geruch der dem Nest entströmt bekommt man am PC ja nicht mit.

Was das Nest angeht, muss ich sagen, sind die Störche wesentlich ordentlicher bei der Instandhaltung ihrer Wohnung. Obwohl auch die Adler die Kunst beherrschen, ihren Kot in weitem Bogen über den Nestrand zu befördern.

Das Nest, dass ja sehr frei und hoch auf dem Gipfel einer Kiefer angebracht ist, schwankt manchmal so stark, dass ich mich wunderte, das die Adler nicht seekrank wurden! Hier und da hatte ich richtig Sorge, die Jungen könnten über den Nestrand aus dem Nest geschleudert werden Aber, die sind das offenbar gewöhnt und machen selbst dann, wenn der Baum wie ein Schiff im Orkan schwankt, einen ganz ruhigen und entspannten Eindruck. Genau wie bei den beiden Jungstörchen konnte ich voller Erstaunen mit erleben, wie schnell Jungvögel bei der guten Pflege der Eltern heranwachsen! Man kann die Federn förmlich wachsen sehen!

Ende Juli Anfang August war es dann so weit, nachdem die beiden überlebenden Jungadler schon kräftig im Nest hin und hergehüpft waren, mit ausgebreiteten Schwingen, wagte es zuerst Kaido, der Stärkere der beiden, das Nest zu verlassen.

Der Abflug gelang recht gut. Nur bei der Landung klappte es nicht so ganz. Gleich beim ersten Mal landete er nicht im Nest, sondern auf einem Zweig neben der Kamera mit dem Mikrophon. Ich konnte ihn zwar nicht sehen, aber dank Mikrophon konnte ich den Geräuschen entnehmen, dass er dort oben einige Schwierigkeiten hatte, sich zu halten. Und seine jüngere Schwester schaute die ganze Zeit zu ihm rüber. Aber.. irgendwann hat er es denn doch geschafft wieder in das Nest zu gelangen.

Kenno war noch etwas zurückhaltender. Aber irgendwann wagte auch sie den ersten Flug. Von nun an wurden die Ausflüge immer länger. Nur zum Füttern kamen die Jungen noch zurück. Aber seit einigen Tagen werden die Beiden offenbar auch außerhalb des Nestes gefüttert von den Eltern. Sie sind ja schon lange in der Lage, den Fisch selber in den Krallen zu halten und mit ihren harten Schnäbeln zu zerreißen.

Nur das Fangen, das müssen sie noch lernen. Und ich denke, die Eltern und der Hunger werden ihnen helfen, in den Wäldern Estlands zu überleben.

Noch haben sich die Beiden nicht ganz aus ihrem Nest verabschiedet und eines der Jungen konnte ich noch heute Morgen früh dort antreffen.

Aber die Zeit ist wohl bald da, und auch dieses Nest wird für diesen Sommer leer bleiben. Nur der Kadaver der kleinen Kaari erinnert daran, dass hier eine Adlerbrut aufgezogen wurde.

„Auch Euch Beiden, Kaido und Kemo wünsche ich allezeit guten Wind, reiche Beute und macht es gut! Ich habe in diesem Sommer viel über eure stolze Greifvogelart erfahren und lernen können.“

Schreiadler

Mein Sommer mit den Schreiadlern.

 

Die dritte Vogelfamilie, in deren Kindestube ich in diesem Sommer oft zu Gast war, war das Nest des Schreiadlerpaares Koi und Eha. Auch sie leben in einem estnischen Naturschutzgebiet in einem sehr großen Nest, dass zwischen zwei dicken Stämmen einer Lärche in einer Astgabel gebaut ist.

Mutter Eha legte im Mai zwei Eier in das gut ausgepolsterte Nest und nach knapp 40 Tagen war es dann so weit: Im Abstand von einigen Tagen schlüpften beide Küken.

Und dann musste ich etwas mit ansehen, was mich zu tiefst betroffen gemacht hat. Der Schreiadler gehört zur Gruppe der „Aquila“ und bei diesen Raubvogelarten ist der „Kainismus“ als Verhalten, genetisch festgelegt. Meistens kann man Kainismus bei Vögeln nur in Notzeiten beobachten, wenn es wenig Nahrung gibt und die Eltern nur ein Jungtier ausreichend Versorgen können. Kainismus bedeutet Geschwistermord.. Und im Schreiadlernest heißt das, das von den zwei Küken immer nur das ältere, kräftige überlebt. Das zuletzt geschlüpfte Küken wird von dem Erstgeborenen so lange attakiert und vom Futter verdrängt, bis es verstirbt. Die Mutter, die fast allein das Brutgeschäft und die Betreuung im Nest übernimmt, nahm das ganz teilnahmslos hin. Was für ein Unterschied zu dem Sozialverhalten, dass ich im Nest der sehr sozialen Schwarzstörche und auch der Fischadler sehen konnte.

Es war traurig zu sehen, wie das jüngste Küken von Tag zu Tag schwächer wurde. Am 16.06. d. J. hatte es sich aus dem Ei gequält, das Schlüpfen bedeutet ja für die Vogeljungen eine sehr große Anstrengung. Am Abend des 25.06. konnte ich sehen, wie es verstarb. Und am nächsten Morgen verfütterte die Mutter den kleinen Körper ihres Kükens seelenruhig an das überlebende Küken.

Die Natur kann sehr grausam sein! Aber unsere menschlichen Moralvorstellungen gelten in der Natur eben nicht überall.

Der Vater, der bei dieser Vogelart kleiner ist als das Weibchen, trug eifrig Nahrung herbei und in den ersten Wochen sah man die Mutter ständig im Nest.

Schon nach 4 Wochen war das Junge fast so groß wie die Mutter. Es wurde noch ein paar Tage gefüttert und lernte dann sehr schnell, die Beutetiere, es waren fast nur kleine Nagetiere, so weit ich sehen konnte, selber mit den Krallen zu halten und mit dem Schnabel zu zerkleinern.

Je selbständiger das Küken seine Nahrung alleine zu sich nahm, um so seltener sah man die Mutter im Nest. Immer häufiger, wenn ich die Webcam anklickte und nach dem Küken schaute, fiel mir auf, wie einsam es dort in seinem Nest saß! Das ist wohl der Preis für das völlig andere Sozialverhalten dieser Raubvogelart. Sie sind von klein an Eigenbrödler und kleine Eremiten. So wie die Mutter das Küken über eine Zeit allein im Nest ließ, konnten die Männer vom Adlerverein es mit dem üblichen Ring versehen, es wiegen und untersuchen und ihm einen Namen geben: Es fliegt nun als Kai durch die Welt bis nach Afrika zum Überwintern.

Am 6.8. konnte man ihn im Nest oft nicht mehr entdecken. Er kletterte viel zwischen den Ästen der großen Lärche herum. Die Tage vorher hatte ich ihn schon oft mit ausgebreiteten Flügeln durch das Nest hüpfen sehen. Und nicht lange, da war auch für ihn die Kinderstube zu klein und er machte seinen ersten Abflug vom Nest. Am 10.08 wurde er das letzte Mal  dort gesehen.

Inzwischen ist die Kamera nicht mehr in Betrieb. Aber ich denke mal, auch im nächsten Jahr wird man wieder Gelegenheit bekommen, den Schreiadlern beim Brüten und bei der Aufzucht ihres Nachwuchses in das Nest zu schauen.

„Auch Dir kleiner Schreiadler Kai, wünsche ich alles Gute und immer genug Wind unter Deinen Flügeln!“ 

Mein Sommer am Uhu-Nest

Das ist Lotte, die Uhu Mutter aus der Eifel

der kleine Uhu

Ein Waisenkind soll adoptiert werden

 

Meine letzte Vogelgeschichte dieses Sommers handelt von einem kleinen Uhu, der in einem Nest irgendwo in Deutschland zur Welt kam, und seine beiden Eltern durch einen Unfall verloren hat.

Die ehrenamtlichen Helfer vom Verein zum Schutz der Eulen e.V. haben den verwaisten Jungvogel aus dem Nest geholt, in einer Voliere hoch gepäppelt, bis er seine Nahrung alleine halten und zerreißen konnte und dann beschlossen, sie dem Uhu Weibchen Lotte unter zu schieben. In der Hoffnung, dass sie das verwaiste Junge annehmen und groß ziehen würde um ihn auf das Leben in der freien Wildbahn vor zu bereiten.

Lotte hält schon seit einigen Jahren eine Bruthöhle in einer steilen Wand in einem Steinbruch in der Eifel besetzt. Dort ist schon seit mehreren Sommern eine Webcam installiert und im vergangenen Jahr konnte ich beobachten, wie drei Junge von dem Uhu Paar groß gezogen wurden.

Der lange Winter und die schlechte Witterung in diesem Frühjahr haben leider viele Uhu Brutpaare daran gehindert, Eier zu legen. Und diejenigen, die Junge im Nest hatten, konnten diese oft nicht ausreichend füttern weil das Nahrungsangebot nicht ausreichend war und die Witterung für die Jungen sehr schlecht. 2013 ist ein schlechtes Brutjahr für die Uhus hier in Deutschland gewesen.

Und auch Lotte, der Webcam Uhu aus dem Ahrtal, ein sehr erfahrenes Uhu Weibchen,blieb in diesem Jahr kinderlos.

Am 14.05., abends, kletterte dann ein Vogelkundler mit dem verwaisten Uhu Kind im Rucksack zu der Bruthöhle auf und setzte es dort ab. Es war wohl genährt und die Rundum Beobachtung war ja gewährleistet, so dass die Männer sofort eingreifen konnten, falls dem Jungen etwas geschehen sollte. Dazu kommt, dass das Nest dort in der Steinwand sehr sicher ist, und unter einem wettergeschützten Steinüberhang liegt. Alle Bedingungen waren optimal.

Jeden Tag schauten mehrere 100 Besucher nun dank der installierten Webcam gespannt auf das Geschehen und hofften, dass Lotte das fremde Küken adoptieren würde.

Bei der Vogel Webcam im Ahrtal kann man verfolgen, wie viele Besucher täglich anwesend sind. Die Kamera läuft Tag und Nacht, rund um die Uhr, und selbst in der Nacht konnte ich oft noch an die 200 Besucher zählen! Das Interesse an diesem Experiment war also recht groß.

Aber... leider es scheiterte.

Obwohl es am 15., 16 und 17.05. so schien, als ob Lotte das Junge annehmen würde, mussten die Betreuer doch feststellen, dass sie bei ihren Besuchen keine Beute für das Küken mit brachte. Ob sie nichts gefangen hat weil es zu wenig Beutetiere gab in diesem Jahr, oder ob sie nicht wollte, ließ sich nicht klären.

Die Betreuer warfen dem Küken hin und wieder Ratten als Nahrung zu, wenn es nötig schien, damit es bei Kräften blieb. Aber als Lotte bis zum 21.05 immer noch keine Anstalten machte, für das fremde Küken Beute zu machen, entschlossen sich die Helfer das Experiment ab zu brechen.

Die ganzen Tage machte der kleine Kerl einen recht ruhigen und zufriedenen Eindruck. Und die Betreuer wollten ihn nicht unbedingt unnötig in Aufregung versetzen.

Am 23.05 wurde er aus der Bruthöhle geholt und lebt nun in einer Vogelvoliere bei einem Brutpaar das in Gefangenschaft geboren und aufgezogen wurde und das dort schon öfter für die Aufzucht von verwaisten Jung Uhus mit Erfolg eingesetzt wurde. Wenn er groß genug ist, wird er zusammen mit anderen Pflegekindern für die Freiheit trainiert und ausgewildert.

Nur durch solche Programme, die zum größten Teil durch ehrenamtliche Helfer und von Spendengeldern getragen werden, ist der Uhu, der schon fast aus gestorben war hier in Deutschland, in den letzten Jahren im Lande wieder vermehrt heimisch geworden.

Hoffentlich wird auch aus unserem kleinen Waisenkind aus diesem Jahr ein starker ausgewachsener Uhu. Wenn er die ersten gefährlichen Jahre seiner Jugend überlebt, und nicht in die Rotoren eines Windrades gerät, hat er alle Chancen ein stattliches Alter von ca 20 Jahren zu erreichen!

Unsere Wälder und Landschaft wären ärmer ohne diesen größten europäischen Eulenvogel und Nachtjäger!

 

Nachtrag:

Inzwischen schreiben wir den 18.04.2014 und Lotte hat wieder Nachwuchs. Drei kleine Schnäbelchen wollen jeden Tag von ihr gefüttert werden. Am 8.März hatte Lotte das erste Ei in ihrer Bruthöhle in dem alten Steinbruch in der Eifel gelegt. Am 8.April schlüpfte dann das erste Junge. Und ihm folgten noch zwei Geschwisterchen. Mutter Lotte bewacht die Eier sorgfältig und es ist immer wieder interessant zu beobachten, wie sorgsam sie das Futter an die drei kleinen Flaumbällchen verteilt, die sie mütterlich mit ihrem Brustgefieder wärmt und behütet.

Der Vater schleppt unentwegt Beute heran. Aber. wehe wenn er sich seinem Nachwuchs zu sehr nähert! Dann wird er von Mutter Lotte heftig mit einem Schnabelhieb weg gebissen!

Heute habe ich noch etwas Interessantes beobachten können:  Die jungen Uhuküken sind inzwischen 8 bis 10 Tage alt. Bisher hat Lotte sie mit kleinen vorgekauten Bissen gefüttert, die sie in die kleinen Schnäbelchen verteilte. Eben konnte ich sehen, wie einen erlegten Vogel als ganzes Stück vor die Küken legte, und es vorher vor ihren Schnäblen hin und her schwenkte. Dann flog sie wieder davon. Offenbar will sie die Jungen dazu bringen, ihre Nahrung selber aus dem Kadaver heraus zu reißen.  Auch kleine Uhus müssen erzogen werden, für das Leben!

Nach dem schlechten Brutjahr für Uhus im vergangenen Jahr wollen wir hoffen, dass die drei Küken in der Obhut ihrer Eltern gesund heranwachsen und im Herbst ihren eigenen Weg finden und eine neue Familie gründen. Damit diese interessanten Großeulen nicht aus unserer Landschaft verschwinden!  

 

Impressum

Texte: © bei der Autorin
Bildmaterialien: Alle Bilder sind den Webseiten der jeweiligen Webcams entnommen.
Tag der Veröffentlichung: 18.04.2014

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