Jeder Mensch hat halt so ein paar Träume, was er noch einmal im Leben tun möchte. Auch ich. Einer davon ist der Traum, nochmal eine größere Pilgerwanderung zu machen. Jakobsweg? Nein, dazu bin ich doch wohl zu alt. Aber, es gibt ja auch noch Wege hier in Deutschland, die ich wandern könnte. Gesagt, getan.
Erst einmal informierte ich mich im Pilgerbüro des Klosters Loccum und plane meine Route sehr sorgfältig. Etwa 10 Tage würde ich für die Wanderung benötigen. Dachte ich....
Und so machte ich mich eines schönen Tages auf, mit meinem Rucksack auf dem Rücken, der Sonne entgegen durch die Mai grünen Wiesen meiner Heimat.
Aus den Wiesen leuchten mir die ersten Wiesenblumen des Jahres entgegen: Der gelbe Löwenzahn und das violette Wiesenschaumkraut.
Meine Nachbarin hat sich erboten während meiner Abwesenheit den Gummibaum zu gießen und mein Fernsehsessel würde bestimmt mal einige Tage ohne mich auskommen.
Das Wetter ist gerade richtig, sonnig mit einem leichten Wind, der verhindert dass ich allzu sehr in´s Schwitzen komme.
Beim ersten Halt hole ich meinen Proviant für den ersten Tag aus meinem Rucksack: Eine Tafel Schokolade, 80% und breche mir ein kleines Stück ab. Schokolade ist ein guter Energiespender. Und den kann ich gebrauchen. Die Stunden schreiten voran, ich auch, und ich merke, wie meine Energie doch sehr rapide nachlässt. Trotz der hochprozentigen Schokolade! Meine Beine fühlen sich von Viertelstunde zu Viertelstunde schwerer an. Zuletzt kommt es mir vor, als ob sie aus Blei gegossen wären.
Nach dreißig KM mit Gepäckmarsch gebe ich auf, ich muss einsehen, ich bin keine 50 mehr. Damals habe ich noch eine Rucksack Tour durch das Heilige Land ausgehalten. Aber, heute? Immerhin lag diese "Pilgerreise" schon ein Viertel Jahrhundert zurück. Meine Hände und Füße sind angeschwollen, jeder Schritt wird zur Qual und in meiner rechten Wade kündigt sich ein Krampf an.
Völlig erschöpft erreiche ich den ersten kleinen Ort an der Weser, der auf meiner Pilgerroute liegt. Dort gibt es zwar keine Gasststätte, aber glücklicherweise ein Pflegeheim der Diakonie wo ich anklopfen kann und fragen, ob ich die Toilette benutzen darf. Ich darf, und bekomme auch sofort eine Tasse Kaffee angeboten. Müde und ausgelaugt nehme auf den gemütlichen Bänken vorm Heim Platz, nachdem ich meine Kinder angerufen habe, mit der Bitte, mich dort ab zu holen. Die junge Helferin im Heim hatte gleich bemerkt, wie erschöpft ich war. Da meine Kinder ein wenig auf sich warten ließen, spendierte sie mir noch ein Eis, das vom Nachtisch der Heimbewohner übrig geblieben war. Und das ich dankbar angenommen habe. Die Sonne war inzwischen höher gestiegen und es war ein sehr warmer Frühsommertag.
Als meine Tochter nebst Schwiegersohn und Enkelin endlich ankamen, um mich abzuholen, meinte mein Schwiegersohn lachend, "na, dann wissen wir ja, womit wir dich die nächste Zeit aufziehen können"!
So ist das halt, wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen! Aber, ich kenne ihn ja, er meint es nicht böse. Meiner Tochter war es aber wohl lieber, dass ich meine Pilgerwanderung freiwillig abgebrochen habe, statt dass sie mich irgendwo in einem Krankenhaus abholen müsste, wie sie mir zu verstehen gab.
"Hätte ich vorher was gesagt, hättest Du ja nicht auf mich gehört, jetzt weißt Du selber, was Du noch kannst und was nicht"
So ist das im Leben, erst hören die Kinder nicht auf den Rat der Eltern, später wenn die Kinder vernünftig werden und die Eltern "älter" ist es umgekehrt!
Mit einer Spende bedankte ich mich bei der Pflegerin für die freundliche Aufnahme und fuhr mit den Kindern nach Hause. Einerseits, war ich froh darüber.
Aber andererseits bedauere ich es doch, dass ich mir den Wunsch eine Pilgerreise zu machen, doch nicht mehr erfüllen kann. Ich wäre den Weg bis Volkenroda im Thüringer Wald gerne zu ende gelaufen!
Texte: © bei der Autorin
Bildmaterialien: © Privatfoto von der Wanderung
Tag der Veröffentlichung: 06.01.2014
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