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My Sister‘s Wings

Kennt ihr das Gefühl, wenn ihr wisst, dass gleich etwas passieren wird, etwas, das euer Leben verändern wird? Nein? Ich kenne es schon. Ziemlich gut sogar.



Glückskekse



Ich sitze mit Freundinnen beim Chinesen, wie jeden Montag, ganz normales Prozedere. Es ist Mittagspause, also gehen wir essen.
„Hey Nicole, willst du auch einen?“ Kate hat mich Eiskalt erwischt. „Ehm… was?“ Die anderen beginnen zu kichern. „Meine Güte Nic, du bist malwieder total neben der Spur, kann das sein?“ Sie hält mir einen Glückskeks hin. „Willst du jetzt einen? Oder nicht?“ Eigentlich mag ich die Dinger nicht, ich meine allen Ernstes, wer glaub schon an das was da drin steht, und schmecken tut das Zeug auch nicht wirklich, aber angesichts der Tatsache das mich alle anstarren und an ihren Glückskeksen knabbern… „Na gut, gib schon her.“ Ich öffne die Verpackung und mir steigt sofort dieser künstliche Keksgeruch in die Nase. Wie ich die Dinger hasse. „Na los mach ihn schon auf!“ drängt eines der anderen Mädchen „Wir wollen wissen was drin steht!“ Kinderkram. Ich breche den Keks auf und nehme den dünnen Streifen Papier in die Hände.
„Zwei sind eine zu viel!“ lese ich laut.
Die anderen machen enttäuschte Gesichter. „Was ist das denn für ein Spruch?“ „Bei mir stand was viel schöneres drin.“ „Na ja den Dingern ist eh nicht zu trauen.“ „Stimmt… Glückskekse sind auch nicht das was sie mal waren.“
„Nic?“ Ich starre auf den Zettel in meiner Hand. Aus irgendeinem Grund beunruhigt mich dieser Satz… nur warum? „Nic? Hey, alles klar?“ „Ja… ja klar…!“ Wie albern ich sitze hier und mache mir Sorgen wegen einem Glückskeks. Ich schaue auf meine Uhr. „Lasst uns zurück in die Schule gehen. Es ist Zeit, in 10 Minute ist die Pause vorbei.“ Allgemeines Seufzen, dann Stühle rücken. Beim Hinausgehen werfe ich dein Keks samt Botschaft in den Mülleimer.

Vorahnung



Nach der Schule gehe ich noch mit zu Kate. Wir schauen die neuste Folge ihrer Lieblingsserie und quatschen ca. 3 Stunden lang. Als ihre Mutter dann zur Tür hereinkommt und meint ich sollte dann doch langsam mal gehen ist ein halb 11. „Machen sich deine Eltern keine Sorgen wenn du so spät nach Hause kommst?“ sie sieht mich besorgt an. „Nein Frau Rietler, das geht schon in Ordnung.“ In Gedanken setze ich hinzu: Meine Eltern sind eh nicht zu Hause.
10 Minuten später gehe ich durch die dunklen Straßen. Verdammt es ist kalt geworden. Ich ziehe den Reißverschluss meiner Jacke zu. In meinen Ohren dröhnt die Musik meines IPods. Vielleicht ist das der Grund, warum ich die Schritte hinter mit nicht höre.
Das nächste was ich mitbekomme ist der Mann, der vor mir in die Gasse tritt und mir den Weg versperrt. Ich bin nicht dumm. Das dieser Kerl nichts Gutes mit mir vor hat ist sofort klar. Betrunkene Schreie dringen durch die Musik. Ich drehe mich um und will loslaufen. Doch hinter mir steht ein zweiter Typ. scheiße. Ich gerate in Panik. Die 2 sind stockbesoffen. Die kriegen nichts mehr mit. Ich suche panisch nach einem Ausweg, als mich plötzlich 2 Hände an den Schultern fassen und gegen die Wand drücken. Grade als ich schreien will, sehe ich etwas Silbernes aufblitzen.
Das nächste was ich spüre… ist nichts. Ich spüre Garnichts. Ich schlage die Augen auf. Um mich herum ist alles weiß. Wo zum Teufel bin ich?
„Also wirklich. Hier an den Teufel zu denken. tztztz.“ ertönt hinter mir eine Stimme. Ich reiße erschrocken den Kopf herum. „Autsch.“ stoße ich hervor. Das war wohl zu schnell für meinen Nacken. „Keine Panik. Ich tu dir nichts. Also mach keine Hektik.“ Jetzt sehe ich den Sprecher. Er steht etwa 2 Meter von mir entfernt in einer blauen Jeans und einem grünen T-Shirt. Er hat dunkelbraune fast schwarze Augen und in alle Richtungen abstehendes rotes Haar. Pumukel. schießt es mir durch den Kopf. „Na na, das ist aber kein sehr netter Spitzname für mich.“ er grinst mich an. Wie zum Gai… kann er Gedanken lesen? „Wer bist du?“ frage ich verwirrt… „und… was noch viel wichtiger ist… wo zum Henker bin ich?“ „Du bist nicht besonders höflich.“ er lässt sich mit einem seufzen nieder. „Es kommt nicht oft vor das ich ein so hübsches Mädchen wie dich zu Besuch habe. Normalerweise kommen nur alte Dame und Herren zu mir. Lass uns also ein bisschen plaudern.“ „für so einen Kinderkram habe ich keine Zeit!“ langsam verliere ich die Geduld. „Doch, doch, ich bin mir ganz sicher. Zeit hast du genug.“ Ich starre ihn wütend an. Für wen hielt der sich bitte? Einen Gott? „Nicht ganz aber schon nah dran. Ich bin Ray, ich bin ein Engel.“ „Hör auf meine Gedanken zu lesen!“ entgegne ich wütend. „Ein Engel? Das ich nicht lache. Von wegen. Ich mag ja heute viele verrückte Sachen erlebt haben, aber an die Existenz von Engeln glaube ich mit Sicherheit nicht!“ „Wie immer…“ murmelt er. „Ich werde dir beweisen, dass ich ein Engel bin! Frag mich etwas, das nur du wissen kannst. Ich kann dir die Antwort geben!“ Ich starre ihn herablassend an. Na gut wenn er es nicht anders haben will. „Gut, also, was ist mein aktuelles größtes Geheimnis?“ „Das ist einfach, Du hast Angst vor der Geburt deiner kleinen Schwester, weil sich damit dein ganzes Leben verändern wird.“ Ich halte den Atem an… „Woher…?“ „Darauf gibt es keine Antwort, ich bin nun mal ein Engel, entweder du akzeptierst es oder du lässt es.“ „Ich… ich…“ ich bin mehr als verwirrt. Woher zum Henker wusste er das… Ich… Ich habe mit niemandem darüber geredet. Nicht mal mit Kate. Also war er wirklich ein… Engel? „Und ehm… warum… warum begegnest du mir? Warum treffe ich einen Engel?“ Er blickt mich überrascht an. „Ist das dein Ernst? Es ist doch Sonnenklar warum du mich triffst, und warum die hier bist auch! Du bist tot!“

„ICH BIN WAS? WILLST DU MICH VERARSCHEN? TOT? ICH? WIE WAS? WIE KANNST DU ES WAGEN DAS ZU BEHAUPTEN. ICH BIN NICHT TOT, DAS KANN GARNICHT SEIN!!“ „Meine Güte reg dich nicht so auf. Du bist tot, sieh es ein. Versuch dich mal eben an das zu erinnern was vor dem hier passiert ist. Dann wirst du es einsehen.“ Ich soll mich nicht aufregen? Hat der sie noch alle? Aber gut… was ist vor dem weißen Raum samt Engel passiert… ich… verdammt… ich kann mich nicht erinnern… doch… doch genau… ich war bei Kate… und dann war da… diese Gasse… und… ab da weiß ich nichts mehr. „Ich kann mich nicht erinnern! Aber ich würde mich doch an meinen Tod erinnern! Ich bin nicht tot!“ „Oh man… gut dann zeige ich es dir eben, wenn du es nicht anders begreifen willst. Aber ich warne dich, das geschieht auf eigene Gefahr!“ er steht auf und… was zum… er… ihm… ihm wachsen doch tatsächlich Flügel. Echte… Flügel… Meine Augen werden riesig. „Komm her… und nimm meine Hand.“ Ich bin zu perplex um zu wiedersprechen, langsam, und ganz vorsichtig stehe ich auf, ich schwanke zu ihm und ergreife seine Hand. Als ich seine glatte Haut berühre, spüre ich plötzlich wie ich mitgerissen werde. Ich schließe erschrocken die Augen. „Du kannst jetzt wieder hingucken.“ informiert Ray mich. Ich öffne vorsichtig die Augen. Es ist dunkel. Ich blicke mich um und stoße erschrocken einen Schrei aus. Was zum… wir schweben ca. 30 Meter über eben der Gasse, in der ich noch vor ein paar Augenblicken gegangen bin. „Wie…?“ setze ich an. Doch er unterbricht mich. „Da kommst du!“ Ich starre entsetzt auf … mich… wie ich dort unten entlanggehe. Die 2 Männer vor und hinter mir… wie der eine mich gegen die Mauer drückt und der andere… ein Messer zieht… er… „NEIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIN!“ Ich schließe entsetzt die Augen. Als ich sie wieder öffne sind die Männer verschwunden, und ich… liege Blutüberströmt auf dem Boden. Ich atme nicht. „Siehst du? Ich lüge niemals. Ich wünschte ich hätte dir das ersparen können.“ Der Engel nimmt meine Hand und wir fliegen zurück in diesen weißen Raum, ohne Fenster und ohne Tür.
Tränen laufen meine Wangen hinunter. „Und was jetzt? Wie geht es weiter?“ Ray legt einen Arm um mich. „Du musst weiter gehen. Und dich endgültig von der Erde lösen. Deine Seele wird weiterleben. In dem was man Himmel nennt.“ „Aber… Aber… ich… ich will noch nicht gehen. Ich will nicht. Ich will doch noch erleben wie meine Schwester erwachsen wird. Wie sie erstmal geboren wird. Auf sie aufpassen. Ihr eine gute Schwester sein.“ Mir stockt der Atem. Ich… ich hatte grade meinen sehnlichsten Wunsch ausgeplaudert. Ja ich hatte Angst, dass sich alles durch meine Schwester verändern würde… aber… ich hatte mich auch auf sie gefreut. „Ist das wirklich dein Wunsch?“ Ray klang überrascht. „Du willst nicht deinen ewigen Frieden?“ „Ewiger Frieden? Ich bin 16, ich will noch nicht sterben oder… oder… in den Himmel. Es… es ist noch zu früh für mich… ich… ich bin noch nicht so weit.“ ER betrachtet mich vorsichtig, forschend. „Es… es gäbe noch eine Möglichkeit. Eine einzige… Aber… ich weiß nicht…“ „WELCHE?“ stoße ich hervor. „Egal was es ist… Hauptsache ich muss noch nicht gehen.“ „Na ja, okay, es gibt eine Besondere Regel. Eine, die nur sehr selten genutzt werden kann, da die Bedingung an die sie geknüpft ist so gut wie nie in Erfüllung geht. Wenn in der Sekunde in der ein Mensch stirbt, ein anderer Mensch in seinem Umfeld geboren wird, kann der verstorbene ein Engel werden. Ein Beschützer.“ „Ich… ich kann ein Schutzengel werden?“ „Ja… denn… deine Schwester wurde in exakt der Sekunde geboren in der dein Herz aufhörte zu schlagen!“ „Dann mach mich zu ihrem Schutzengel! Bitte!“ „Bist du dir sicher? Du darfst dich ihr niemals zeigen! Niemals! Und nicht zu ihr sprechen! Für sie darfst du nicht existieren!“ Ich schlucke. „Ja ich habe verstanden. ich werde mich an diese Regeln halten. Ich werde der Schutzengel meiner Schwester sein!“ Ray sieht mich besorgt an, doch dann beugt er sich zu mir und küsst mich auf die Stirn. Um mich herum wird es schwarz.

Zwei sind eine zu viel!



Das nächste was ich höre ist der schrei eines Babys. Ich öffne die Augen. Ich bin im Krankenhaus. Neben mir liegt meine Mutter in einem weißen Bett. Mein Vater hält ihre Hand. Und in ihrem Arm… Da liegt sie… meine kleine Schwester. „Rose!“ sagt mein Vater und seine Augen glühen vor Zuneigung für dieses kleine Wesen im Arm meiner Mutter. Ob er mich auch so angesehen hat?
In diesem Moment öffnet sich die Türe und ein Mann tritt ein. Ich starre ihn entsetzt an. Der Mann ist von der örtlichen Polizei. Hat man meine Leiche gefunden? Bitte nicht, flehe ich. Bitte, nicht jetzt!



„Glaubst du sie packt das?“ Während ich mich zu der Stimme umdrehe überspiele ich den besorgten Ausdruck auf meinem Gesicht mit einem zuversichtlichen Lächeln. „Warum sollte sie nicht?“ der unbekümmerte, heitere Ton in meiner Stimme klingt so falsch wie Pizza zum Frühstück. „Es überrascht mich übrigens nicht dich zu sehen, Daniel. Du musstest dich wahrscheinlich überzeugen, dass dein kleiner Bruder keine Scheiße baut. Nicht?“ Ich sehe zu meinem Bruder auf. Seine, meiner Meinung nach, viel zu langen, roten Haare, wehen leicht als er sich mir gegenüber auf den Boden setzt. „Ray… ist dir klar das…“ „Ja!“ fahre ich ihn an. „Ja verdammt es ist mir klar. Ich weiß was es für Konsequenzen nach sich ziehen kann okay? Glaubst du wirklich ich wüsste nicht was ich tue?“ Dan sieht mich erschrocken an. Na super, dieser Gefühlsausbruch hat jetzt dafür gesorgt, das er mich jetzt für 100% verrückt hält. Vorher waren zumindest noch 18% Vernunft übrig. Scheiße! Aber wem sollte ich auch was vormachen? Mal ehrlich… die kleine von eben hat mich verdammt mitgenommen. Stimmt schon. Aber ich bin schon ne halbe Ewigkeit nicht mehr richtig auf dem Damm. „Ray…“ Daniel, schaut mich verständnisvoll an. „Ich weiß wie du dich…“ „NEIN! Das weißt du nicht. Du hast dich doch nie für mich interessiert Dan! Du weißt nichts über mich… du… du… du geht jetzt besser!“ ich schließe die Augen und versuche die Tränen zurückzuhalten. Man… Ein Engel der weint, wo gibt’s denn sowas. Ein leiser Windhauch, wie eine Brise im Frühling, umspielt meine Schultern. Das sichere Zeichen das Daniel gegangen ist. Ich gebe mich meinen Tränen hin. Warum musste das alles auf einmal wieder hoch kommen. Jetzt wo ich grade drüber weg war. Verdammt. „Mister? Kann ich ihnen behilflich sein?“ fragte eine zittrige zögernde Stimme hinter mir. Ich muss mich zusammenreißen. Jetzt habe ich keine Zeit mich um die Vergangenheit zu kümmern. Nicht jetzt wo wieder jemand eingetroffen ist, der seine Vergangenheit für immer hinter sich lassen wird. „Nein,“ sage ich und blicke den alten Herrn vor mir freundlich an, „alles in Ordnung.“



Der Officer bleibt unschlüssig an der Tür stehen, seine Augen wandern über die glücklichen Eltern mit ihrem neugeborenen Mädchen. Ob er ihnen wirklich sagen soll dass ihre ältere Tochter erstochen wurde. Das waren die Nachteile des Polizeiberufs. Aber drücken konnte er sich auch nicht. denn auch wenn es ihnen einen Schlag versetzen würde, war es ihr gutes Recht es zu erfahren. Er atmete tief ein.
Und ich… ich stehe wie erstarrt hinter meiner Mutter. Für jeden unsichtbar. Ich beobachte das Gesicht des Mannes und lese seine Gedanken davon ab. Ich kann nichts tun und selbst wenn ich könnte wüsste ich nicht was. Meine Eltern blicken den Mann erstaunt an. „Wollen sie unsere Süße wegen ihrer Schönheit verhaften?“ Fragt mein Vater in belustigtem Ton. Der Officer ringt sich ein Lächeln ab. „Ja ehm… herzlichen Glückwunsch… zu ihrer kleinen…“ er schluckt. „Vielen Dank!“ meldet sich jetzt auch meine Mutter zu Wort. Sie klingt erschöpft aber in ihrem Gesicht spiegelt sich die pure Liebe wieder. Mein stilles Herz fühlt sich merkwürdig schwer an. Gleich… gleich werden die Worte des Inspektors das Lächeln von ihren Gesichtern wischen. Sie werden entsetzte Mienen machen. Das Gesicht verziehen. Meine Mutter wird sicherlich weinen. Und das alles… nur wegen mir. Ich will nicht diejenige sein, wegen der ihr Glück zerstört wird. Das war nie meine Absicht. Sei still flehe ich den Mann mir gegenüber in Gedanken an. Sag es ihnen nicht! Noch nicht! Doch es ist unvermeidbar. Und ich weiß das.
„Herr und Frau Lidre ich bin wegen ihrer Tochter Nicole hier.“ ich schließe entsetzt die Augen. Nein. „Wegen Nic?“ mein Vater wird sofort ernst. „Was ist passiert, hat sie irgendwas angestellt? Ist sie verhaftet worden?“ „Nein… nichts dergleichen…“ der Officer ringt noch immer mit sich. „Bestohlen? Entführt? Was…“ die Besorgtheit meiner Mutter steigert sich mit jeder Sekunde. Plötzlich werden ihre Augen riesengroß vor Entsetzen. Ich wende meinen Blick ab. „Ne..in..!“ schluchzt meine Mutter auf. Und selbst wenn ich ihr Gesicht nicht sehen kann ist mir doch klar, dass es Tränenüberströmt ist. Ihre Schluchzer gehen mir durch Mark und Bein. „Es… es tut mir leid.“ Die Stimme des Officers klingt belegt. Ich höre eine Tür gehen und weiß das der Mann das Krankenzimmer verlassen hat.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 06.10.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieses Buch ist meiner besten Freundin Marry gewidmet

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