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Wieder anzügliche Pfiffe.
Sandra verdrehte die Augen und pustete sich eine blonde Strähne aus ihrem Gesicht. Das würde sie noch öfter erleben aber hatte sie es sich anders ausgesucht? Sie nahm einen Lappen und wischte sich das Öl aus den Händen. Sie war nass verschwitzt. 14 Stunden Arbeit waren kein klacks. Aber endlich war sie fertig geworden. Als ihre Hände halbwegs sauber waren – was bedeutete, dass nur noch eingetrockneter Dreck an ihren Fingern klebte und nichts, was sie irgendwo hinschmieren konnte – ging sie zum Telephon. Sie drückte die Kurzwahltaste 1 und wartete. „Hallo“, tönte ein Mann auf der anderen Seite. „Ich bin dann fertig“, erwiderte Sandra. „Oh, gut“, der Mann hörte sich erfreut an. „Ich schick gleich jemanden los, der die Maschine abholt!“ „Ist gut.“ Sandra legte auf. Sie besah sich von oben bis unten. Ein Glück, dass sie diesen Anblick durch ihr Studium gewohnt war. Sie sah das Flugzeug, was sie soeben verarztet hatte an und seufzte zufrieden. Die 14 Stundenschicht hatte sich gelohnt – auf jeden Fall. Sandra lächelte zufrieden. Sie ging zum Waschbecken und versuchte das Öl, und das andere Schmierzeugs von ihrer Hand herunter zu bekommen doch sie merkte gleich, dass hier nur spezielle Scheuermittel helfen würden. Wieder ein anzüglicher Pfiff. Und wieder seufzte Sandra. Sie brauchte sich nicht umzudrehen um zu wissen, dass einer der Mechaniker gerade an ihrer Werkstatt vorbeischlenderte. In einem von Männern übervölkerten Beruf wie ihrem war nichts anderes zu erwarten. Dazu kam, dass Sandra groß, schlank, blond und alles andere als ein Mauerblümchen war. „Hey Sandra“, erklang eine vertraute Stimme hinter ihr. „Sam“ mit einem Lächeln drehte Sandra sich um. „Das ging aber schnell“, sie nickte anerkennend. „Du weißt doch, wenn die Arbeit ruft“, mit diesen Worten musterte er sie von oben bis unten. „Ja, ja, ich weiß. Ich sehe furchtbar aus. Aber nach 14 Stunden kann man das ja wohl auch erwarten, oder?“ Sam musste lächeln. „Du siehst alles andere als furchtbar auch Schätzchen.“ – „Oh“, scherzte sie „wenn du wüsstest… Das ganze Öl und das Schmierzeugs… und dann der Geruch.“ Ihr Ton wurde anzüglich und trat einen Schritt auf ihn zu. „Und wenn du wüstest, wohin mir der Schweiß nur überallhin geflossen ist…“ Sie sah ihn durch ihre langen Wimpern an und er wusste nicht, was er sagen sollte. Ein paar Sekunden später wurde Sandras Grinsen breiter und sie verkniff es sich, laut loszulachen. „Also“, lenkte sie vom Thema ab, „pass mir ja gut auf die Kleine auf.“ Sie deutete auf das Flugzeug. Sam hob eine Augenbraue. „Klein? Naja, wenn du meinst. Also, bis dann!“ Die letzten Worte sprach er schon als er einige Schritte weit war. Er winkte noch und machte sich dann daran die Maschine aus der Werkstatt zu manövrieren. Sandra streckte sich. Eine Massage wäre jetzt genau das Richtige, doch dann sah sie ihre Hände und wollte nur noch duschen. Lange und heiß duschen. Noch länger! Sie marschierte aus ihrem Hangar heraus durch einige andere, wo ihr wieder nachgepfiffen wurde. Hatten die denn alle nichts Besseres zu tun? Oh, scheinbar doch. „Hey Sandra!“ Da war es, das „Bessere“ Sandra seufzte und dann setzte sie ihre fröhlich lächelnde „Es ist alles bestens“-Miene auf. „Tom“, sie klang überrascht – perfektes schauspielerisches Talent. „Was für ein Zufall… Was gibt’s denn?“ Er grinste. Und wieder fiel Sandra die schöne Idee von der langen heißen Dusche ein. „Also“, begann Tom, „du siehst aus als wenn du grad Feierabend machst und ich dachte, wir gehen noch was trinken.“ – „Tom, ich hab grad Dreck von 14 Stunden an mir haften. Ich würde gerne nach Hause gehen, duschen und ab ins Bett hüpfen.“ Als sie seinen Blick dabei sah fügte sie ein vehementes „Allein“ hinzu, wand sich ab und ging weiter in Richtung Ausgang. Glücklich darüber, dass sie ihren kleinen schmutzigen Pick-up nicht noch schmutziger machen konnte fuhr Sandra nach Hause. Dusche, Dusche, Dusche, Dusche... Sie war mehr als erledigt. Zuhause angekommen beseitigte sie den gröbsten Dreck, sodass eine Dusche den Rest abwaschen konnte. Endlich unter der Dusche angekommen und einmal völlig nass klingelte es an der Haustür. Konnte der Tag besser werden? Sie drehte das Wasser aus, schlag sich ein Handtuch um den Oberkörper und tapste zur Tür. Sie öffnete nur einen Spalt weit. „Sam?“ Völlig perplex sah sie ihn an. „Was gibt’s? Ist mit der Kleinen irgendwas faul? Hab ich…“ Doch bevor sie weitersprechen konnte unterbrach er sie. „Nein, nein. Mit der Kleinen ist alles klar. Kann ich reinkommen?“ Weiterhin sah sie ihn verdutzt an. Was wollte er hier? Und noch viel wichtiger: Woher wusste er, wo sie wohnte. „Ich bin mir nicht sicher. Ich wollte eigentlich gerade duschen.“ Zum Beweis hielt sie ihm eine nasse Strähne vor die Nase. „Naja, du hast vorhin davon geredet, was dir da alles wo hinläuft und irgendwie hab ich den Gedanken nicht aus dem Kopf bekommen.“ Sein Blick war mehr als eindeutig und diesmal wusste sie nicht, wie sie reagieren sollte. Das Problem dabei war, dass ein gewisses Prickeln in ihrer Lendengegend ihre Denkfähigkeit behinderte. Sie musterte Sam von oben bis unten und wieder zurück. Er sah wirklich gut aus. Er war groß, hatte kastanienbraune Haare, grüne Augen, Lachfältchen um die Augen und Grübchen um den Mund. Er war gut gebaut – keine Frage. Was also tun? Gemütlich duschen und sich dann ins Bett verkriechen oder… das gleiche tun nur nicht allein und mit einem anderen Schwerpunkt was die Aktivitäten angeht. Sams lächeln wurde noch breiter während er sagte: „Du überlegst schon mal, also wird das kein nein.“ Sie war sich der Wahrheit seiner Aussage bewusst und lächelte ein kleines Lächeln. Sie trat einen Schritt von der Tür weg, sodass sie nicht mehr dahinter stand und die Tür aufschwingen konnte. Dann wurde ihr Lächeln ebenfalls breiter. Sie drehte sich um und ließ – mit einem Blick zurück – ihr Handtuch fallen während sie zurück ins Bad ging.
Ein klingeln weckte sie. Verschlafen öffnete sie die Augen und stöhnte. Sie tastete nach ihrem Handy und als sie es endlich fand stellte sie den Wecker ab. „Hallo? Hallo? Sandra?“ Wie war denn jemand in ihr Telephon gekommen? Ihr Kopf wurde klarer. Das war nicht der Wecker, der da geklingelt hatte, sondern jemand, der sie anrief. Aber hatte sie heute nicht ihren freien Tag? Sie hielt das Handy an ihr Ohr. „Hallo?“ Ein erleichtertes Seufzen auf der anderen Leitung. „Gott sei Dank erwisch ich dich! Sandra, du musst mir unbedingt helfen!“ Jenna auf der anderen Seite schien sehr nervös. Die beiden Frauen kannten sich noch von der High School und seitdem immer zusammen geblieben. Anders Als Sandra hatte sie Wirtschaft studiert und arbeitete als eine von Sandras Bossen. Doch das hat weder Sandra noch Jenna jemals gestört. „Jetzt beruhig dich erst mal Jenna. Was ist denn passiert?“ Doch Jenna weinte nur und bekam keinen Ton raus. „Okay Jenna, bist du zu Hause? Ich zieh mich schnell an und steig dann sofort in den Wagen!“ Zwischen ihrem Schluchzen war ein „Aber nein“ zu hören, doch Sandra ließ sich nicht aufhalten. „Nichts da! Du brauchst mich, als komm ich vorbei! Stell Kaffee an, wenn du dich dann besser fühlst!“ Damit legte Sandra einfach auf. Sie hatte sich inzwischen aufgesetzt und langsam dämmerten die Geschehnisse der letzten Nacht. Sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Warum lächelst du?“ Sandra drehte sich zu Sam um. „Ich muss jetzt los. Notfall in der Familie.“ Er musterte sie. „Und darum lächelst du?“ Er zog eine Augenbraue hoch. Sie schüttelte den Kopf. Dann stand sie auf – nackt wie sie war – und ging zu ihrem Kleiderschrank. „Notfall in der Familie“, hakte Sam weiter nach. „Ich weiß noch nicht, worum es geht, aber ich muss auf jeden Fall gleich los!“ Sie kramte Unterwäsche aus ihrem Stapel, die allzu sehr nach „praktisch“ aussah und suchte sich dann einen schlabber Pulli und eine bequeme Hose heraus. Als sie angezogen war ging sie zu der kleinen Kommode, schnappte sich ein Haarband, surrte damit ihre Haare nach oben und schaute Sam – wie Gott ihn schuf – an. „Gehst du heute Abend mit mir aus?“ Sams Blick war ernst. Sandra lächelte schon wieder und hoffte inständig, dass ihr das Lächeln nicht eines Tages im Gesicht festkleben möge. Es war also keine einmalige Sache. „Mach hinter dir zu, ja?“ War jedoch alles was sie erwiderte. Dann ging sie aus dem Zimmer, kam mit einem Zettel, auf dem ihre Nummer stand wieder, legte sie ihm hin und verließ das Haus. Das würde noch ein interessanter Tag werden.
Und erst der Abend…

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Tag der Veröffentlichung: 30.12.2010

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