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Kapitel 1

Tjark:


Der Angriff erfolgte kurz nach Sonnenuntergang, doch den bekam ich nicht mit. Meine Frau Rae lag in den Wehen und ich lief neben ihrem Bett auf und ab. Die Hebamme schielte immer wieder streng zu mir oder stieß mich auf die Seite, wenn sie unbedingt an mir vorbei wollte.

»Tjark, Rae bekommt nur ein Kind. Das ist kein Weltuntergang.«

»Das mag schon sein, aber ...!«

»Liebling!«, meine Frau hörte sich schwach an und sie hielt mir ihre Hand entgegen. »Liebling, geh. Geh schon. Ich sehe es dir an, du willst deinen Leuten beistehen.«

»Aber ...!«

»Kein aber! Geh!« Schneidend war ihre Stimme und der Druck ihrer Finger verstärkte sich. Doch dann lächelte sie mich sanft an. Wie ich dieses Lächeln liebte. »Geh schon!« Sie zog mich zu sich runter und unsere Lippen berührten sich.

»Ich liebe dich!«, murmelte ich an ihren Lippen.

»Ich dich auch«

Kaum war ich aus dem Zimmer draußen, hörte ich das erste Schreien meines Kindes. Mein Herz hüpfte vor Freude, doch der Lärm, der draußen unweit zu hören war, holte mich zurück und ich rannte los, aber der lebensverheißende Schrei meines Kindes begleitete mich.
Ich hatte das Korridorende fast erreicht, als mich ein anderer Schrei erfasste. Er kam aus dem Zimmer, in dem meine Frau lag und ich bremste abrupt ab, dass ich strauchelte. Schnell hatte ich mich wieder gefasst und rannte zurück.

Stieß die Tür auf und sah sie. Eine Kreatur über meine Frau beugend und saugt Blut.
Rea hielt unseren Sohn in den Armen und ihr Blick war bereits leer. Mit ganzer Kraft holte ich aus und schlug die Kreatur von ihr weg. Dessen Zähne hatten sich so tief in ihr Fleisch gebohrt, dass ein ganzes Stück mit rausgerissen wurde und ihre Kehle freilag.

Die Kreatur rappelte sich wieder auf und grinste mich hämisch an. Schnell blickte ich um mich, bis ich Raes Dolch auf dem Tisch liegen sah. Nun verfluchte ich mich, dass ich ohne Bewaffnung war. Meine ganzen Waffen lagen noch in der Waffenkammer und ich schnappte mir den Dolch.

Zähnefletschend und ohne Verstand griff mich die Kreatur an, aber ich war schneller und rammte ihr den Dolch in seine Brust. Kurz kreischte die Kreatur auf und ich wich zurück. Ich stolperte über die Hebamme und dann war sie über mir. Zog mich hoch. Ich konnte ihren Atem riechen. Es roch wie fauliger Moos und dann spürte ich den Schmerz. Wie sie ihre Zähne in mich stieß. Wie sie ihre Klauen in meinem Bauch stieß. Atem, ich ring nach Atem. Mir wurde es bereits schwarz vor den Augen, als ich das Gefühl hatte zu fliegen. Doch der Aufprall auf dem Boden hielt mich wach und die Kreatur zerfiel zu Staub.

»Mein Herr! Mein Herr bleibt wach!«

Etienne, ja es war Etienne.

»Etienne. Mein Kind, wo ist mein Kind. Meine Frau, meine Frau ...!«

»Bleibt ruhig mein Herr. Hier! Euer Sohn. Er lebt. Euer Sohn lebt.« Das waren die beruhigenden Worte seit Langem, die ich gehört hatte und Etienne legte mir das Wurstel, ein Sohn in meine Arme. Lange betrachtete ich das Baby und er hatte die Schönheit von meiner Frau. Mein Herz schmerzte, und bei jedem Atemzug wurde es schwerer Luft zu holen. Ich musste Husten, doch wenn ich hustete, würde es mir auf der Stelle die Lunge zerreisen. So versuchte ich, den Reiz zu unterdrücken.

»Etienne nimm meinen Sohn und verschwinde. Bitte ich flehe dich an, mein Freund.«

»Beruhigt Euch. Ich hole euch hier raus.« Doch ich schüttelte nur den Kopf. Meine Zeit war vorbei, das wusste ich und das wusste Etienne, doch er verschloss die Augen davor.

»Nein es ist vorbei. Bitte kümmere dich um Erik. Erziehe ihn, als sei er dein eigener Sohn, bitte Etienne, das ist mein letzter Wunsch. Er schüttelte nur den Kopf, stand auf und ich konnte ihn nur stumm beobachten. Seine Augen bekamen einen Glanz. Um ihn herum flimmerte die Luft auf und ich spürte die Wärme, die von ihm ausging. Kurz hob er seine Arme und ich sah, wie sich die Luft darin bündelte und er kniete sich vor mich hin. Beugte sich über mich und küsste mir und meinen Sohn auf die Stirn.

»Ihr werdet in Sicherheit sein, mein Herr. Ihr beide.«

»Etienne das kannst du nicht machen!«

»Ich werde Euch finden. Lebt wohl.«

»Etienne!«

 

Etienne:

 

»Etienne ...!« Ich schreckte hoch und blickte mich um. Ich war wieder in meine Zeit, doch in letzter Zeit häufte sich die Erinnerung und ich atmete tief ein. Wie viel Zeit war seit damals vergangen? Eine Ewigkeit und seitdem wandelte ich auf Erden ohne Erlaubnis auf Befreiung. Immer auf der Suche nach meinem Herrn oder seinem Sohn Erik.

Nachdem ich die beiden in das Portal geschickt hatte, wurde ich von einer anderen Kreatur angegriffen und nur mit Müh und Not konnte ich sie besiegen, aber ihr Gift hatte sich in meinem Körper eingenistet. Seitdem lebte ich als ›Vampir‹. Ja das Wort hatte sich eingebürgert, aber warum sollte ich mich nicht so nennen? Es war passend. Die Kreaturen hatte mir die Scheu vor der Sonne und den Blutdurst vermacht.

»Etienne schau, das Mädchen ist klasse, also ich würde sie nehmen«, frohlockte Cedric. Ich stand vom Stuhl auf und schaute von meinem Bürofenster aus auf die Tanzfläche runter. Ja in der Tat, das Mädchen konnte tanzen.

»Behalte ihre Bewerbung!«, sagte ich und beobachtete noch eine Zeit lang ihre geschmeidigen Bewegungen. Wie unschuldig sie war und so voll mit Leben. Ich wandte mich von ihr ab und nahm das Weinglas in die Hand, indem kein Wein war und trank. Stellte das Glas auf den Tisch ab und setzte mich vor den Computer.

»Also nimmst du sie?«

»Wen?«

»Na, das Mädchen, sie war bis jetzt die Beste!« Ich blickte zu meinem Stellvertreter auf, der wohl sein Blick nicht mehr von der jungen Frau nehmen konnte. Tief atmete ich ein und suchte mir ihre Bewerbung. Las sie noch einmal durch und legte sie auf die Seite.

»Wenn sie gewillt ist zu arbeiten, soll sie nächsten Samstag anfangen.«

»Natürlich ist sie gewillt. Das sieht man doch!«

»Sie kann tanzen, das steht außer Frage, aber sie ist auch noch Studentin ...!«

»Das ist doch kein Problem, na!« Er drehte sich zu mir um und zwinkerte mir zu. Ich rieb mir über die Augen.

»Wenn du meinst. Du bist für die Schichteinteilung zuständig!«, sagte ich und reichte ihm die Bewerbung. »Sie ist eingestellt.« Er hauchte mir einen Luftkuss zu, schnappte die Bewerbung und verließ mein Büro. Ich schüttelte verdrossen den Kopf und meinte: »Verrückter Gockel!«

Von ihm sah ich an diesem Abend nichts mehr und die Abrechnung für meine Angestellten, spannte mich noch den ganzen Abend ein.

 

Ich blickte auf die Uhr und ließ den Computer runterfahren. Es wurde Zeit, mich auf den Weg zu machen, um noch rechtzeitig in mein Apartment zu sein, bevor die Sonne aufging.

Ich schloss mein Büro ab und lief durch die Tanzkneipe. Nur noch vereinzelte Gäste waren anwesend und ich verabschiedete mich von Barkeeper. Stieg in mein Auto und sehnte bereits mein Bett her.

Als ich die Landstraße durch den Wald einschlug, erfasste mein Herz ein dumpfes Pochen. Schon lange hatte ich davon nichts mehr gespürt, seit, seitdem die Anwendung von reiner Magie eingeschränkt wurde.

Ich wollte schon mein Handy schnappen und dies melden, als mir auch noch der Atem ausblieb. Was war das? So eine starke Magie, und ich parkte mein Auto auf eine Wendeschneise ab. Stieg aus und betrachtete den Nachthimmel. Kurz schweifte mein Blick zum Horizont, der sich allmählich orange färbte. Viel Zeit hatte ich nicht mehr.

Doch dann durchbrach ein Donner gefolgt mit starkem aufkommenden Wind die Stille und ich sah, dass sich ein Portal öffnete.

»Wer zum Teufel kann so ein starkes Portal heraufbeschwören?«, fluchte ich und ich konnte mein Blick nicht mehr davon abwenden. Denn etwas hatte meine Aufmerksamkeit erlangt. Etwas, was schreiend aus dem Portal kam. Nein flog, nein zur Erde hinabstürzte.

Plötzlich pochte mein Herz auf, dass ich es sogar bis ins Gehirn spürte und ich rannte los. Das konnte nicht sein! Ich konnte es nicht fassen und doch, dieses Geschrei, das Babygeschrei. Ich würde es immer wieder und überall erkennen, auch wenn ich es in meinem Leben nur ein einziges Mal gehört hatte, gefolgt mit dem Mann, der meinen Namen rief. ›Etienne‹.

Tjark, Erik. Sie waren es, die aus dem Portal stürzten und ich spürte, wie mich die Freude erfasste. Ja hier waren sie in Sicherheit. Es gab keine Kreaturen mehr. Die hatten wir bis auf den Letzten vernichtet. Auch den Hexenzirkel, der durch diesen gravierenden Fehler fast ausgelöscht worden war, hatten wir anschließend vernichtet und sämtlichen Hexen, die einem anderen Zirkel angehörten, Magier und Zauberer das Anwenden von Magie eingeschränkt oder sogar verboten. Damit sich solch eine Tragödie nie wieder wiederholte. Ich und noch ein paar andere, die den Angriff der Kreaturen überlebt hatten, waren verflucht worden, auf ewig im Schatten zu leben.
Ohne die beiden aus den Augen zu lassen, rannte ich ihnen entgegen. Nahm meine ganze Kraft und sprang. Da ich übermenschliche Fähigkeiten besaß, fing ich meinen Herrn, der seinen Sohn fest umklammert an seiner Brust hielt auf und landete sanft und geschmeidigt wie ein Panther wieder auf dem Boden.

»Etienne ...!« Tjark verlor sein Bewusstsein und ich krachte mit ihm auf meine Knie. Ich wusste nicht, wie ich mich fühlte. Nach über zwölftausend Jahren sah ich mein König und den kleinen Prinzen wieder.

»Mein Herr! Willkommen im 21. Jahrhundert«, sanfte Küsse platzierte ich auf ihre Stirn. Ich holte mein Handy aus der Hosentasche.

»Ich bin es Etienne. König Tjark ist zurück. Helft mir. Er stirbt.«

 

Ankya:

 

Mir flog fast das Handy aus der Hand, als ich den Anruf von Etienne entgegengenommen hatte. Ich konnte es nicht glauben, nach all der langen Zeit, sollte unser König zurück sein. Sicher Etienne war damals ein hervorragender Magier, doch nicht einmal er besaß so viel Macht, um einen Menschen so weit in die Zukunft zu schicken. Jemanden überhaupt in eine andere Zeit zu schicken. An einem anderen Ort, ja, das war drin oder zeitweise in eine andere Dimension, auch, aber in die Zukunft und noch 12 tausend Jahre. Dies war unvorstellbar.

»Bist du dir sicher Etienne?«

»Ja bin ich! Ankya es ist König Tjark, glaube es mir. Hilf mir, ich habe nicht mehr viel Zeit. Die Sonne geht auf. Bitte Ankya im Namen unseres Königs Tjark, seinem Sohn den Thronerben Prinz Erik und an unsere verstorbene Königin Rae deine Schwester. Bitte lege unsere Zwistigkeit auf die Seite und hilf mir. Ankya ich halte nicht nur unseren König in den Armen, sondern deinen Neffen auch. Ankya!«

Das Handy reichte ich an Susan weiter, sie sollte den Kontakt mit Etienne aufrecht halten, während ich alles organisierte.

 

Keuchend und hustend kam Etienne zurück ins Lager. Er war schrecklich verwundet. Die erste Angriffswelle hatten wir mit sehr viel Verluste überstanden.
»Wo ist meine Schwester?« Etienne schüttelte nur den Kopf und hustete wieder. »Ihr Kind ... sie lag in den Wehen.« Wieder schüttelte er den Kopf und hustete Blut. Krämpfe gefolgt von ohrenbetäubendem Schrei. »Etienne und unser König?«, flüsterte ich nur und hatte damit zu tun ihn festzuhalten, während die Heilerin sich um seine Wunden kümmerte.

»Portal!« Brachte er nur heraus und sein Körper wurde von Krämpfen überflutet. In dieser Nacht war er der Erste, der die Verwandlung lebend überstanden hatte. Der Erste unserer Art. Die Magie, die in unserem Inneren wohnte, hatte das Gift der Kreaturen in uns nur abgeschwächt. Wenige hatten die Verwandlung überstanden und viele starben.

In den darauffolgenden Tagen hatte ich eine Suche beordert, denn unser König konnte nicht weit sein. Doch vergebens. Immer wieder wurden wir von den Kreaturen angegriffen, dass wir gezwungen waren, uns ein anderes Versteck zu suchen. Die Jahre zogen ins Land und irgendwie hatten wir es geschafft, dank unserer Veränderung, alle Kreaturen aufzuspüren und zu vernichten. Und unsere Hoffnung auf die Wiederkehr unseres Königs wurde durch Etienne aufrecht gehalten.

Dennoch nach vielen Jahren, Jahrzehnte der Suche zerplatzte die Hoffnung. Der Einzige, der an seine Hoffnung festhielt, war Etienne. Nur konnte er nie die Frage beantworten, wohin er unseren König geschickt hatte.

 

In meinem Büro schritt ich auf und ab und ließ die Jalousien runter. Ich hoffte, meine Männer fanden ihn rechtzeitig, denn die Sonne war bereits über dem Horizont.
›Etienne. Niemand hatte mehr daran geglaubt unseren König lebendig wiederzusehen, nur du hattest nie die Hoffnung aufgegeben‹.

Ich spürte, wie ich erleichtert schmunzelte und mich auch gleich dafür schämte, dass ich Tjark für tot erklärt hatte. Aber nur so konnte ich den Verlust und die Trauer überstehen.

»Wir haben sie. Etienne liegt in der Kiste und wird mit dem Baby hergebracht. Der Mann wird ins Krankenhaus geflogen.«

»Wie schwer sind seine Verletzungen?«

»Unsere Sanitäter vor Ort geben ihm keine so hohe Überlebenschance. Sein Leben hängt am seidenen Faden.«

Wieder schritt ich auf und ab und fing an zu beten. Auch wenn ich als ›Vampir‹ leben musste, hatte ich meinen Glauben nie aufgegeben.

Nach einer Ewigkeit wurde die Tür aufgestoßen und vor mir wurde eine Kiste abgestellt und ein in Decke gehülltes Baby in die Arme gelegt. Wie süß der Kleine doch war. Er hatte die Augen meiner Schwester und er lächelte.

»Hallo mein kleiner Prinz. Deine lange Reise ist zu Ende.«

»Sein Name ist Erik, und wenn König Tjark nicht überlebt, werde ich seine Erziehung übernehmen«, hörte ich Etienne, der aus der Kiste gestiegen war und seinen Körper regenerierte. Er hatte doch etwas von der aufgehenden Sonne abbekommen.

»Das kannst du vergessen. Er ist der Sohn meiner Schwester. Wer ihn aufzieht, das werde wohl ich sein. Du bist nur ein Diener.«

»Nach der Rangfolge hast du das Recht darauf, das stimmt, aber es war König Tjarks letzter Wunsch, das ich, seinen Sohn als den meinen aufziehen soll und das werde ich auch tun.«

»Etienne, wir haben dir viel zu verdanken, aber vergesse deinen Platz nicht. Du bist und bleibst nur ein Diener. Nie wirst du einen Finger an Erik legen. Nie! Verstehst du?«
Kalt wurde sein Blick und ich sah, wie er seine Hände zu Fäusten ballte. Dann wandte er seinen Blick von mir ab, ging zur Tür und sagte mit schneidender Stimme:

»Ich danke für Eure Gastfreundschaft Mylady.«
Ich rieb mir die Augen. Etienne war seinem König noch immer loyal ergeben.

»Was machst du jetzt?«, fragte ich und er drehte sich zu mir um.

»Ich werde für heute deine Gastfreundschaft in Anspruch nehmen und dann werde ich dorthin gehen, wo mein Platz ist. Dennoch danke für deine Hilfe Ankya.«

»Schlaf gut Etienne. Bitte verstehe mich!« Er nickte nur und ging. Ich sah ihn nicht mehr, auch nicht mehr, als ich aufgestanden war und mich um Erik kümmerte.

 

Kapitel 2

Tjark:

 

Wo war ich? Fragte ich mich, als ich meine Augen aufschlug, an die weiße Decke blickte und mich diese längliche Sonne blendete. Piepgeräusche, die ich nicht kannte. Eine Maus vielleicht. Nein dafür wiederholte es sich ständig und ich schaute mich um. Ein Monster! Aber ich spürte von ihm keine Gefahr und von ihm kam dieses komische Geräusch. Verwirrt blickte ich mich um. Überall waren Augen in den Wänden. War ich in der Hölle? Geräusche, fremdartige Geräusche, die nicht zu einer Nacht gehörten. Auch spürte ich etwas an meinen Armen und erschrak. Was war das für Teufelszeug? Sofort wollte ich das stechende Ding aus meinem Arm ziehen ...

»Lasst es! Es hilft Euch gesund zu werden.« Das war die Stimme von Etienne und ich schaute zu ihm. Er hatte meine Hand ergriffen und lächelte mich an. Eine rote Träne lief ihm die Wange runter und er zog mich in seine Arme.

»Endlich habe ich Euch wieder gefunden!«

»Etienne ...« Weiter kam ich nicht und schaute mich noch einmal erschrocken um. »Wo sind wir hier? Wo ist mein Sohn?«

»Wir sind hier in der Zukunft. Um genau zu sein, zwölftausend Jahre in der Zukunft und Euer Sohn ist bei Lady Ankya.«

»Zwölftaus ...end?« Ich glaubte, mich verhört zu haben. Etienne beliebt, wie immer zu Scherzen.

»Ja Herr! Es tut mir so leid.« Etienne blickte zu Boden, also sprach er die Wahrheit.

»Aber wie?«

»Ich weiß es auch nicht, wie das geschehen konnte. Ich wollte Euch nur außer Landes teleportieren.«

»Zwölftausend Jahre. Aber wie konntest du so lange überleben? Und Ankya«

»Wir wurden von den Kreaturen vergiftet. Ankya, ich und noch ein paar, die aber nicht mehr leben. Viele hatten es nicht geschafft und starben, während sie sich verwandelten. Doch diejenigen die einen gewissen Grad an Magie aufweisen konnten, hatten überlebt und wurden gleichzeitig verflucht. Wir sind selbst zu den Bestien geworden«, hörte ich ihn sprechen, doch verstand ich nichts.

 

Die Müdigkeit nahm überhand und Etienne sagte noch, bevor er ging, dass ich, wenn es möglich wäre, mit niemandem reden sollte, da sie unsere Sprache nicht sprachen und er am nächsten Abend wiederkommen würde.
Etienne hielt sein Wort und er kam. Jeden Abend und blieb immer die ganze Nacht. Er erzählte mir von den vergangenen zwölftausend Jahren und wie es ihm in der ganzen Zeit erging. Manchmal waren seine Geschichten traurig aber auch wieder sehr lustig und doch musste ich mir eingestehen, dass vor mir ein sehr einsamer Mann saß.

»Nach allem, was du mir erzählt hast, finde ich, dass Erik als ein normaler Junge aufwachsen soll. Die Menschen verstehen nichts mehr von Magie und wie hast du es genannt? Fantastereien, Fantasie, Hirngespinste.«

»Ja und von uns also meine Art, wissen sie auch nichts. Sie denken auch, dass es Fantastereien sind.«

»Ja und unsere Blutlinie ist vor über zwöftausend Jahre ausgestorben. Ich hätte nicht gedacht das Frasier mein Land für sich beansprucht.«

»Doch das hat er getan.«

»Und Ankya ist wirklich die Königin der Vampire?« Er nickte. »Die Erste ihrer Art.«

»Ihre Art? Ich dachte du und sie ...« Er schüttelte den Kopf.

»Nein, sie hätte es ohne meine Hilfe nicht überlebt.« Kurz überlegte ich und als ich Etienne zusah, wie er aus dem Fenster blickte, wurde mir etwas klar. Um überleben zu können, musste ich mich an die jetzigen Gesetze und Regeln halten.

»Na dann ist es doch klar. Ich lebe einfach als Tjark mit meinem Sohn irgendwo ...« Etienne lachte und legte seinen Kopf schief. »So und nun will ich endlich Erik sehen. Hier in diesem ›Krankenhaus‹ ja, oder?«, fragte ich. Die jetzigen Bezeichnungen waren für mich wirr und Etienne nickte zur Bestätigung, dass ich dieses Gebäude richtig benannt hatte. »Krankenhaus fällt mir die Decke auf den Kopf.«

 

Doch bevor ich das Krankenhaus verlassen konnte, kleidete Etienne mich in Anziehware ein, die ich nicht kannte und unbequem waren sie außerdem. Wo konnte man um Himmelswillen nur die Waffen verstauen?

 

Etienne:

 

Irgendein Chauffeur von Ankya kam, um Tjark abzuholen. Skeptisch blickte er das Auto an und erst, als ich drinnen saß, traute er sich auch.

Verdrossen atmete ich ein. Ich hätte ihn auch zu ihr bringen können, doch sie wies mich vehement auf meinen Platz zurück. In ihren Augen war ich wirklich nur der Diener, der nichts zu sagen hatte, aber ihr kurzweilige Nächte bescheren, dafür war ich gut genug. Wie mich die Frau ankotzte. Hinter Tjark trat ich in ihre Villa und hielt gebührenden Abstand, als sie ihren Schwager überschwänglich begrüßte.

»Liebe Ankya ich hörte, dass es dir sehr gut geht.« Nun gingen die Floskeln los und ich holte mein Handy aus der Tasche. Wir lebten ja nicht mehr hinterm Mond, wo das Feuer noch mit einem Ast und einem Stein entzündet worden war oder aus gegerbtem Lederbeutel Wasser getrunken und Pferde fürs Fortbewegen genutzt wurden.
Ich atmete ein und spielte irgendeine sinnlose App, und als Tjark sich lauthals beschwerte, blickte ich auf.

»Warum willst du mir meinen Sohn vorenthalten? Ankya, Erik ist mein Sohn und ich verlange, ihn zu sehen.«

»Ich halte dir ja deinen Sohn nicht vor, es ist nur,... ich denke, es ist noch zu früh, ihn in deine Obhut zu geben. Er besitzt sehr viel Magie, dass wir eindämmen müssen, bevor es erwacht und wir wissen immer noch nicht, warum du nicht infiziert bist, obwohl du von der Bestie gebissen wurdest.«

»Er ist mein Sohn. Ich will ihn sehen!«

»Nein Tjark, das geht nicht. Ach, verstehe es doch. Es ist doch nur für dein Bestes um euer Willen.«

»Ich verstehe dich nicht. Ankya. Es ist, wie Etienne gesagt hat. Du bist kaltherzig geworden und nicht mehr wiederzuerkennen.«

»Ich denke eher, dass Etienne dir den Kopf verdreht hat. Wie immer hörst du nur auf ihn. Auf dieses Nichts.«
»Etienne hat mir immer weise zu Rat gestanden und selbst in den schwierigsten Momenten mich unterstützt, während du dich mit deinen Blumenmädchen umringen ließest und dich im Wasserspiegel betrachtet hast. Teezeremonien abgehalten und auf deinen Verlobten gewartet hast. Hat er mit mir den Angriff auf die Kreaturen geplant.« Ich spürte etwas. Etwas Dunkles, das von ihr ausging.

»Herr!«, ging ich dazwischen, doch ich bekam keine Reaktion. »Herr ...!«

»Was?«

»Lasst es gut sein. Mit dieser Frau ist im Moment nicht zu reden und glaubt mir, wenn ich sage, dass sie ihre Macht spielen lässt, um selbst Euch zu untergraben. Ihr Blut und ihre Abstammung sind zu stark, um sich mit ihr anzulegen.«

»Aber ich bin der König!«

»Nein, nicht mehr. Ihr seit nur noch ein einfacher Mensch, der Magie in sich trägt. Ihr hättet was gegen sie ausrichten können, wenn Ihr die Verwandlung vollzogen hättet, aber sie trat bei Euch nicht einmal in Kraft. Deshalb.«

»Ja Tjark hör auf ihn, wie du es immer getan hast.« Ich sah, wie ihre Augen zu glühen anfingen und ich schnappte mir Tjark. Zog ihn hinter mir her, raus aus der Villa bis zu einem Auto. Verdattert ließ Tjark es geschehen und schaute immer wieder zurück.

Blickte hinterm Auto vor und ging wieder in Deckung.

»Was hat das zu bedeuten? Etienne!«

»Ich weiß es nicht Herr, aber Ankya war dabei Euch in ihren Bann zu verschlingen.«

»Ist sie eine dunkle Hexe geworden? Ankya?«

»Es hat sich sehr viel verändert, Herr!« Nebenbei versuchte ich ein Auto zu knacken, und als ich es geschafft hatte, forderte ich Tjark auf einzusteigen. Ohne Widerrede tat er dies und ich stieg nach ihm ein. Als Erstes durchsuchte ich das Auto nach einem Schlüssel, denn heutzutage Autos zu knacken und es zu schaffen, dass sie ansprangen, glich ein Wunder. Doch ich hatte Glück. Hinter der Sonnenschutzblende befand sich doch tatsächlich der Schlüssel. Dieses Auto konnte nur einem alten Herrn gehören, der gerade auf Besuch bei Ankya war, um ihr seine Aufwartung zu machen, in seiner eigenen Vergangenheit lebte und ich startete.

»Woher weißt du, wie man so etwas handhabt?« Ich musste kichern.

»Herr! Ich war dabei, als das erste Automobil erfunden wurde. 1879, damals war mein Name Benz.«

»Ah! Was ist Benz?« Ich schaute meinen König nur an und lächelte.

»Bald werdet Ihr einen Crashkurs in allen Lebenslagen bekommen, doch jetzt, schnallt Euch bitte an.«

»Was ist ein Crashkurs?«

War ja klar, dass er mit den neumodischen Wörtern und Ausdrücke nichts anfangen konnte, doch im Moment hatte ich keine Zeit ihn darüber aufzuklären.

 

Ankya war nun zu meiner Feindin geworden, nein zu unserer Feindin und ich wusste nicht, was sie mit Erik vorhatte. Aber eins war mir gewiss, ich musste Erik aus ihren Klauen befreien. Nicht nur wegen Tjarks Willen, sondern schon wegen Eriks Willen und den Willen unserer verstorbenen Königin.
Kurz blickte ich in den Rückspiegel, und als ich keine Verfolger erkennen konnte, fuhr ich gemächlicher. Wahrscheinlich wollte sie uns entkommen lassen, doch ich kannte sie auch anders. Viel anders. Dennoch war es mir schleierhaft, warum unsere Flucht so einfach war.

Ich blickte zu Tjark, der wie schon bei der Hinfahrt sich in den Sitz gekrallt hatte, es nun wieder tat.

»Was ist nur mit den Pferden geworden?«

»Sind zu langsam«, meinte ich beiläufig und fuhr in die Stadt. Auf einem Parkplatz hielt ich an. »Den restlichen Weg laufen wir. Aber zuvor muss der Wageninnenraum desinfiziert werden.«

»Desin ... was?«

»Desinfiziert, damit die Polizei keine Spuren findet.«

»Ahh ...!« Ich beließ es dabei. Irgendwann würde er es verstehen und ich machte mich an die Arbeit. Aus Routine, weil es manchmal öfters vorkam, dass ich mir einen Wagen auslieh, hatte ich immer ein handliches Desinfektionsspray dabei.

Während ich den Wagen einsprühte, klingelte mein Handy. Ich blickte auf das Display, atmete tief ein und ging ran.

»Was willst du?«

»Es tut mir leid, ich mein, es ...«

»Ich kann dich auf eine gewisse Weise verstehen Ankya, aber es gibt dir nicht das recht. Tjark seinen Sohn vorzuenthalten. Mein Gott Ankya, Erik ist doch alles, was er noch hat. Hier hat er nichts mehr. Er ist auf uns angewiesen und du führst dich so auf! Du hättest ihn wenigsten, seinen Sohn mal in die Arme nehme lassen können.«

»Etienne hör auf.«

»Nein! Es ist vorbei. Du wirst von mir kein unterwürfiges Verhalten mehr sehen. Du bist zwar die Königin unserer Art, aber nicht meine. Meine Königin war und ist deine Schwester und mein König ist Tjark und deiner.« Sie wurde still und das Nächste, was sie sagte, ließ mich von den Socken hauen.

»Es tut mir so leid. Ich weiß, dass ich mich falsch verhalten habe. Etienne bitte, als ich gehört habe, dass Tjark wieder da ist, kamen die ganzen Erinnerungen hoch. Alles, verstehst du? Und als ich das Baby im Arm hielt, spürte ich seine Magie. So rein, so unschuldig. Ich war von ihm verzaubert und gleichzeitig machte es mir Angst. Etienne ich wollte Erik töten, doch ich konnte nicht. Meine Schwester hatte sich so auf das Baby gefreut und Tjark protzte vor Stolz. Noch nie hatte ich einen Mann so stolz gesehen. Damals nicht und heute nicht. Er hatte sie geliebt. Wirklich geliebt, und als ich die Wunden gesehen hatte, war mir bewusst, warum Tjark dir die Aufgabe übertragen hat. Du warst bei ihm. Selbst beim Sterben stehst du Tjark bei. Tjark liebt dich auch. Mehr als einen Bruder. Auch Tjark wollte ich töten. Aber auch das konnte ich nicht.«

Ich hörte, wie sie weinte und ich konnte ihr nicht mehr böse sein. Sicherlich ging von Tjark und Erik nun eine sehr große Gefahr aus. Ihre Magie stammte noch aus der alten Zeit und war nicht mit vielen Unreinheiten vermischt, wie man sie heutzutage vorfand.

»Ankya wir müssen uns treffen, aber nicht in der Stadt. Ich werde Tjark in mein Apartment bringen und dann treffen wir uns.«

Als ich mit der Desinfektion fertig war, ging ich auf Tjark zu, der an einer Mauer angelehnt und schwer atmend dastand. Er hielt sich an seinem Bauch, und versuchte zu lächeln.

»Herr, überanstrengt Euch nicht. Die Wunden können jederzeit wieder aufbrechen.«

»Ich frage mich, was das für Zauberei ist. Solche Wunde dürfte nach diesen wenigen Tagen nicht so weit verheilt sein. Die Heiler müssen wahrhaftig große Kräfte besitzen.«

»Nicht wirklich Herr.«
Vorsichtig schob ich mich unter seinem Arm und stützte ihn ab. »Es ist nicht mehr weit, dann könnt Ihr Euch ausruhen.«

»Was ist mit dieser Sänfte?«

»Das brauchen wir nicht mehr. Der eigentliche Besitzer wird sich bestimmt freuen, das Auto wieder zurückzubekommen.«

»Auto?«

»Ja Herr, Auto!«

 

Tjark schlief ein und die letzten Meter trug ich ihn. Als ich in mein Apartment ankam, legte ich ihn in mein Bett und ließ vorsorglich die Jalousien runter. Denn ich konnte mir vorstellen, dass ich am kommenden Tag, wenn Tjark wieder wach wurde keinen Schlaf finden würde und stellte mich auf noch mehr Fragen ein, die ich ihm geduldig beantworten werde.

 

Ankya:

 

Als ich Tjark im Krankenhaus besuchte und ihn betrachtete, spürte ich, wie meine Zähne länger wurden. Ich wusste, dass ich das Richtige tun würde und doch konnte ich es nicht. Mein Verstand schrie ja, aber mein Herz nein.

Vor mir lag Tjark. Unser König. Ich liebte und hasste ihn gleichzeitig. Lieben tat ich ihn, weil er so sanftmütig und gerecht war, hassen tat ich ihn, weil er mir meine Schwester genommen hatte.

Arrangierte Ehen waren damals gang und gäbe. Macht und Macht und immer mehr Macht wollten die Großen haben. Genauso war ich auch. Mein damaliger Verlobter war kein geringerer als Graf Onur. Ein eher in sich selbstverliebter Idiot. Doch gesehen hatte ich das nicht. Für mich besaß er Ländereien, Güter und Macht. Dass was für meinen Stand als Prinzessin wichtig war und er würde mir viele Kinder schenken und mich mit Schmuck überhäufen.

 

Als die Kreaturen über unser Land herfielen, war er am Königshof auf Besuch. Kreischend und quietschend hatte er sich hinter meinem Rock versteckt und immer wieder diese Worte gestammelt. ›Nimm sie, nimm sie. Sie ist eine Jungfrau‹.
Ich wusste nicht, was damals in mir stattfand. Doch ich drehte mich zu dem Kerl um und schaute ihn mit verheulten Augen an.

»Mylord, wofür habt Ihr einen Dolch. Ich bin Eure Verlobte. Ihr müsst mich verteidigen.« Er hatte mich angeschaut, als ob ich plötzlich für ihn eine andere Sprache sprach.

»V-Verlobte. Ihr? Mylady. Nicht mehr. Ihr habt nichts mehr zu bieten, nur Eure Jungfräulichkeit. Seid also so gütig und opfert Euch.«

Ein junges Mädchen im zarten Alter von 16 Jahren, das sich eingebildet hatte, verliebt zu sein, hätte sich mit Freuden in die Klauen der Kreatur gestürzt, um ihren Liebsten zu retten. Doch ich erkannte etwas. Auch bei mir war das arrangiert gewesen und dieser Mann hätte mich nie geliebt. Ich zog den Dolch, den er im Halfter trug, und stürmte auf die Kreatur los. Doch weit kam ich nicht. Etienne kam schreiend und erstach die Bestie. Danach schnappte er meine Hand und zog mich mit sich.

»Und was ist mit mir? Ihr könnt mich doch nicht alleine lassen!«

»Findet Euer Weg selbst raus. Graf Onur. Ich habe nur eine Hand zum Festhalten und die andere gebrauche ich zum Kämpfen. Gehabt Euch wohl!«

 

Lange suchen brauchte ich nicht und nahm seinen Geruch auf. Er wurde gejagt, nein er jagte. Leicht lächelte ich, denn das Opfer hatte absolut keine Ahnung, wer seine Beute war. Ich hatte recht, als ich zum Hügel kam.

Etienne stand auf dem Hügel und blickte zur Stadt. Unmerklich schlich sich ein Lächeln in sein Gesicht. »Was habe ich nur für einen sanftmütigen König«, murmelte Etienne vor sich hin, dann drehte er sich zu dem Mann hin, der neben ihm im Schlamm kniete. »Ist es nicht so?« Sein Geruch der Angst vor dem, was unausweichlich war, stieg mir in die Nase. »Und ich werde dafür sorgen, dass es auch so bleibt.« Seine Hände hatten sich zu Krallen verformt und stieß in den Rachen des Mannes. Röchelnd hing er an den Klauen und Etienne zog ihn zu sich hin. Langsam und genüsslich leckte er über seinen Hals. Hackte seine Zähne in das Fleisch und saugte den Mann bis zu seinem Tod aus.

Danach schleuderte er den Mann von sich weg.

»Ankya, welche Ehre, den weiten Weg hier raus auf dich zu nehmen«, säuselte er und drehte sich zu mir um.

»Etienne, wie lange kannst du Tjark beschützen? Seine Magie ist zu groß. Er zieht bereits die Jäger und Hexen an und Iain ...«

»Iain ist nur ein kleiner Fisch.«

»Schon, aber er hat Beziehungen.«

»Die sind mir egal.«

»Etienne!« Seine Augen funkelten mich an und er fletschte die Zähne.

»Ich habe keine zwölftausend Jahre die Füße stillgehalten, um vor einem daherlaufenden Möchtegern Vampir auf die Knie zu fallen. Das solltest du am besten Wissen Ankya. Du konntest machen, was du wolltest, weil ich dich gelassen habe. Aber, wenn jemand nur einen Schritt zu nah an ihnen herankommt, werde ich jeden vernichten. Egal, ob es Jäger sind, Vampire, Hexen oder ob es du bist. Merk dir das.« Er drehte sich von mir weg und sein Blick verlor sich in den Sternen. »Wie ich es dir bereits gesagt habe. Gehorsam war ich dir nur gegenüber, weil du die einzige Überlebende mit königlichem Blut warst. Aber meine Loyalität gilt nach wie vor König Tjark und seinem Sohn Prinz Erik. Niemanden sonst.«

Ich atmete ein und ja ich wusste es. Ich wusste es schon sehr lange, dass Etienne dies alles nur gespielt hatte. Aus der Laune heraus mir treu ergeben war und ich hatte es blind ausgenutzt. Dachte wirklich, er war mir loyal und hatte ihn wie einen Diener behandelt. Doch und das musste ich mir eingestehen, er hätte uns alle vernichten können. Seine Stärke, seine Anmut, seine Kraft und Eleganz überstieg uns alle, die damals vergiftet worden waren, bei Weitem. Er war unser wahrer König. Er war die leibhaftige Bestie, die seit damals überlebt hatte.

»Das ist mir durchaus bewusst, doch nun stellt sich die Frage, was passiert mit ihnen. Ihre Magie ist so rein. Sie lockt bereits jeden an.« Ich blickte zu dem Mann, den Etienne getötet hatte.

»Ich werde sie versiegeln und ihnen die Möglichkeit geben in Frieden leben zu können. Tjark hat keine andere Wahl, wenn er keine Anlaufstelle für Jäger und den dunklen Hexenzirkel werden will.«

»Und dann willst du sie ihrem eigenen Schicksal überlassen? Du bist selbst ein Wesen mit Magie. Tjark hat keine Ahnung von der heutigen Zeit. Er wird in ihr untergehen.«

»Ankya ich werde ihm, solange unter die Arme greifen, bis er selbst zurechtkommt und dann werde ich verschwinden.«

›Wahrscheinlich wirst du das. Aber du wärst kein guter Diener, wenn du ihn wirklich verlassen würdest. Nein, dafür liebst du ihn viel zu sehr. Ja ich habe euch gesehen, in der Nacht bevor die Verlobung mit meiner Schwester bekannt worden war. Tjark hat geweint wie ein Baby und du standest gefasst an der Mauer. Dann bist du langsam auf deinen Herrn zu gegangen und hast ihn in deine Arme genommen. Danach hattet ihr eure Etikette vergessen. Ich höre noch heute dein Stöhnen Etienne. Und doch hat Tjark meine Schwester geliebt und du hast es akzeptiert. Ab diesem Zeitpunkt blieb deine Liebe ungehört. Nie hatte ich dich mit jemand anderen gesehen. Du warst immer allein.‹

 

Kapitel 3

3.1 Etienne

 

Noch nie hatte ich einen Mann so glücklich gesehen. Tjark hielt Erik in den Armen und bedankte sich bei Ankya.

Ankya hatte so reagiert, weil sie Angst gehabt hatte, dass Tjark mit dem Verbot zur Anwendung der Magie nicht einverstanden wäre und da Erik ein Nachkomme der mächtigsten Magier der damaligen Zeit war, konnte sie es nicht wagen, dass sich so eine Tragödie wiederholte. Doch Tjark war in allen Dingen einsichtig und hatte auch verkündet, dass seine Tage als König vorbei waren. So versiegelte ich ihnen die Magie.
»Warum kannst du Magie anwenden?« Hatte er mich gefragt und ich lächelte leicht.
»Herr ich bin ein Wächter und Magie wende ich nur an, wenn es unbedingt sein muss. Nie wieder darf sich solch eine Tragödie wiederholen. Nie wieder.«

 

Die Jahre zogen ins Land und ich brachte Tjark alles bei, was er zum Leben in der heutigen Zeit zu wissen brauchte. Besorgte für ihn und Erik eine Wohnung, half ihm bei der Jobsuche und lernte ihm, die heutige Sprache, das Lesen und Schreiben. Manchmal half ich ihm bei der Erziehung von Erik, wenn ihm der junge Mann mal wieder über den Kopf wächst.

Doch als Erik das fünfte Jahr erreichte, wusste ich, dass es nun ein Abschied für immer war. Tjark hatte versprochen, Erik in allen magischen Dingen rauszuhalten, ihm darüber nichts zu erzählen und damit war auch ich gemeint. Ich war ein Überbleibsel der Magie, der damaligen Zeit.

»Also ist es so weit?« Ich nickte.

»Ja Herr. Es ist an der Zeit.« Er lächelte mich an und legte sein Kopf auf die Seite.

»Wann hörst du auf, mich Herr zu nennen? Ich bin nicht mehr dein König. Mein Königreich ist vor langer Zeit untergegangen.«

»Ich weiß, aber ...«

»Hör auf Etienne. Bitte nur einmal. Nur einmal will ich von dir als ebenbürtig angesehen werden.« Er kam auf mich zu und nahm mein Kinn in die Hand, zwang mich so, dass ich ihm in die Augen schauen musste.

»Deine Augen sind feucht und wie immer unterdrückst du deine Gefühle.«

»Es steht mir nicht zu, Euch gegenüber meine Gefühle zu offenbaren.«

»Doch das steht dir zu. Damals und auch jetzt. Glaubst du, ich habe es nicht gesehen, wie du gelitten hast. Wie du jetzt leidest. Ich habe deine Eifersucht auf Rae immer gesehen. Wie du dich von mir abgewandt hast und nur noch das Nötigste mit mir geredet hast. Etienne. Ich liebe dich Etienne.«

»Bitte sagt das nicht!« Weiter kam ich nicht. Tjark zog mich zu sich und unsere Lippen berührten sich. Ich konnte nicht anders und ließ ihn gewähren. In den letzten fünf Jahren konnte ich Tjark immer auf Abstand halten, doch nun, ich war ihm verfallen.

Schon immer. Er war meine Liebe, seit dem ersten Augenblick, als sein Vater mich ihm vorgestellt hatte.

»Tjark das ist Etienne, ihn habe ich vor Kurzem auf dem Markt ersteigert.«

»Ein Sklave! Nur für mich ...!«, rief Tjark aus und grinste mich an. Mir wurde es mulmig und wich einen Schritt zurück.

»Er ist kein gewöhnlicher Sklave. Er ist einer von den Aufständischen und braucht deshalb eine strenge Hand.«

»Ein Feind?« Tjarks Augen wurden groß und fing an um mich herum zu schleichen. »Ich habe noch nie einen von den Aufständischen gesehen.« Und ich hatte noch nie einen reichen und verzogenen Prinzen gesehen. Schon gar nicht einer der so aussah, als ob er jede Arbeit aus dem Weg ging und sich von vorne bis hinten bedienen ließ. Überhaupt einen Adligen zu Gesicht bekommen, das glich ein Wunder. Nun befand ich mich auf dem königlichen Hof und das war eine fremde Welt.

Mein Leben, das ich bisher gekannt hatte, bestand aus Feldarbeit von früh bis in die Nacht, denn ich stammte aus einer einfachen Bauernfamilie und das bisschen Soll, das wir dabei verdienten, reichte nie. Schon gar nicht, wenn die Eintreiber kamen, uns das Hab und Gut aus der Tasche gezogen hatten oder die Ernte vor unseren Augen verbrannten. Irgendwann wurde es den Bauern zu doof und der Aufstand wurde angezettelt. Tja und meine Familie wurde mit reingezogen.

»Du gefällst mir!«, grinste Tjark mich an und zog mich hinter sich her. Lachend rannte er aus dem Schloss in den naheliegenden Wald und zeigte mir seine Lieblingsstelle.

»Etienne, ich will keinen Sklaven. Ich will einen Freund, mit dem ich Spaß haben kann. Wie alt bist du?« Überrascht blickte ich ihn an.

»Herr?«

»Nicht Herr! Ich heiße Tjark, also wie alt bist du?«

»Ich weiß es nicht«, wieder grinste er mich an und zuckte die Schulter.

»Na egal. Da wir etwa gleichgroß sind, sind wir wahrscheinlich gleichalt. Dieses Jahr habe ich den elften Sommer.« Es war seine Freundlichkeit und seine Lebhaftigkeit, die mir auf Anhieb unter die Haut ging.

Die Jahre zogen ins Land und unsere Freundschaft wurde immer intensiver. Ja, auch wenn ich am Anfang Angst vor ihm hatte, so hatte ich mich doch sofort ihn ihm verliebt. Ich war sein Sklave, sein Freund und sein Konkubinator(*FN* Der weibliche Partner einer Konkubinatsbeziehung heißt Konkubine; der männliche wird im deutschen Sprachgebrauch häufig als Konkubinator benannt, dieser Begriff ist dem Lateinischen concubinus abgeleitet.*FN*).

 

Meine Finger hatten sich in seine Haare gekrallt und ich drückte mich an ihn ran. Stürmisch eroberte jeder den Mund des anderen. Er griff mir in den Nacken und zog mich ins Schlafzimmer. Währendessen entledigten wir uns unseren Klamotten. Kurz betrachtete er mich und sog die Luft ein. Dann fuhr er die Narbe über meiner Brust nach und berührte die Bissstellen. Er schaute mir in die Augen. Automatisch wich ich ihm aus und er drehte meinen Kopf wieder so, dass ich ihn ansehen musste.

»Du musst dich dafür nicht schämen.«

»Tu ich nicht. Es ist die einzige Narbe, die nie verschwand. Alle anderen sind während der Verwandlung verschwunden. Alle Verletzungen, die ich danach bekam, verheilten in sekundenschnelle. Herr, ich bin eine Bestie. Ich ernähre mich von Blut. Ich töte, um nicht selbst getötet zu werden.«

»Ich dachte, du kannst nicht getötet werden.«

»Doch Herr! Ich kann getötet werden. Man muss mir den Kopf abtrennen, dass die sofortige Regeneration aufgehalten wird. Meine Gliedmaßen müssen abgetrennt werden, das Herz rausgerissen und dann muss alles verbrannt werden. So leicht wie die Kreaturen zu töten bin ich nicht und ich zerfallen auch nicht zu Staub, wenn ich tot bin. Oder ich werden der Sonne ausgesetzt. Wir, die von den Kreaturen gebissen wurden, sind nicht wie die gewöhnlichen Vampire, die wir erschaffen haben.« Tjark nahm mich in die Arme und fing an die Narbe zu küssen. Seine Berührung jagte zuckenden Schauer durch meinen ganzen Körper. Noch nie hatte ich jemanden erlaubt, mich dort anzufassen.

Langsam wanderte seine Zunge zum Ansatz des Flaumes, bis er zwischen meinen Beinen war. Leckte über meinen Schaft, küsste die Eichel und spielte mit der kleinen Spalte. Ich schloss meine Augen, unterdrückte den Impuls ihn zu mir hoch zu zerren und meine Zähne in seinem Hals zu jagen. Dann umschlossen seine Lippen meinen Schwanz und ich stöhnte auf. Griff wieder in seine Haare. Fuhr meine Hände zu seinen Ohren und streichelte seine Ohrmuschel. Weiter zu seinem Hals und als er zu saugen begann, warf ich meinen Kopf in den Nacken und zerrte an seinen Haaren. Ich schaute zu ihm runter und sah, wie sich seine Augenbrauen verengten. Er hörte auf, kam zu mir hoch und forderte mit seiner Zunge brutal den Einlass. Zu spät hatte ich bemerkt, dass meine Zähne ausgefahren waren und ich schmeckte Blut. Erschrocken zuckte ich weg und hielt meine Handrückenseite an meinen Mund. Ich schüttelte den Kopf, doch Tjark schubste mich auf das Bett.

»Was ist los Etienne? Der kleine Kratzer bringt mich schon nicht um!«

»Der Kratzer nicht, aber ich!«

»Du tust mir nichts. Ich glaube nämlich nicht, dass du ganze 12 tausend Jahre ohne Sex warst und ständig mit Deinesgleichen zu vögeln, damit du anderen nicht wehtust, wird doch langweilig«
Darauf konnte ich nicht mehr antworten. Seine Zunge hatte das Spiel wieder aufgenommen und ich keuchte ins Kissen. Sanft, wie ich es von ihm kannte, umspielte er meinen Muskelring. Stupste rein, saugte und pustete.

Ich bekam nur noch ›Tjark‹ raus und ich spürte, wie er kicherte.

»Endlich!«

Wie lange hatte ich auf ihn gewartet. Niemand hatte es je geschafft, mich dorthin zu katapultieren wie er. Willig gab ich mich ihm hin und versankt in seine Leidenschaft, in seine Liebe und ich wünschte, es würde nie enden.

Nur die rote Träne auf seinem Kopfkissen war Zeuge meiner innerlichen Leere.

 

 

3.2 Tjark

 

Ich saß im Schneidersitz auf mein Bett und beobachtete Etienne, wie er sich anzog. Den Knutschfleck, dem ich auf seinen Hintern platziert hatte, war kurz darauf verschwunden. Es war schade. So hätte er sich eine Zeit lang daran erfreuen können.

Ich konnte es nicht glauben. Fünf Jahre war er immer wieder da und hatte mir geholfen, mir vieles beigebracht wie man in dieser Zeit zu Leben hatte. Ohne Waffen ohne Schlägerei oder Lauthalse Auseinandersetzungen. Keine Diplomatie, keine Friedensverhandlungen oder Kriegserklärungen, und das alles, sollte nun vorbei sein. Für immer vorbei, vor allem, weil ich es endlich geschafft hatte, ihn ins Bett zu bekommen. Immer wieder war er meinen Annäherungen aus dem Weg gegangen. Hatte plötzlich etwas zu erledigen oder Erik hatte sich bemerkbar gemacht. Manchmal war ich der Verzweiflung echt nahe.
Doch ich verstand ihn auch. Er konnte nicht mehr länger bei mir bleiben, denn Erik durfte von alldem nichts mitbekommen.

»Also ich gehe dann!«, sagte er und nickte mir zu. Leicht lächelte er und doch sah ich, dass er traurig war. Aber er musste dem Nachgehen, dem Gesetz, das erlassen wurde, damit nie wieder so eine Tragödie wiederkam. Für ihn waren es 12 tausend Jahre, für mich gerade mal fünf.

»Kommst du mich manchmal besuchen? Ich mein, wenn Erik nicht hier ist. Nun ja ... er wird ja auch älter und ... zieht mit Freunden um die Häuser.«

»Wird sich zeigen. Die Handynummer habt Ihr.«

»Du Etienne du! Ja ich habe deine Nummer«, wieder lächelte er und nickte kurz.

»Ja du! Leb wohl, He ... Tjark«

Etienne ging und als ich die Tür ins Schloss fallen hörte, ließ ich mich auf das Bett fallen.

 

Die Jahre vergingen und aus Erik wurde ein hübscher junger Mann. Der immer ein Lachen im Gesicht hatte. Er war beliebt, war gut in der Schule und hatte viele Freunde. Hin und wieder brachte er ein Mädchen mit nach Hause, doch es war nie die Richtige dabei. In dieser ganzen Zeit hatte ich Etienne nie wieder gesehen. Doch ich spürte, dass er in der Nähe war.

Erik machte sich ausgehfertig, denn er hatte wieder einmal ein Date. Das Wievielte in diesem Monat? Glaubt mir, wenn ich sage, dass ich bei fünf aufgehört hatte zu zählen. Manchmal machte mich der Junge echt fertig.

»Paps wo ist das Haargel?«, schrie es aus dem Bad.

»Da wo es immer ist!«

»Nein, da ist es nicht!«

»Hast du mal in dein Zimmer nachgeschaut. In diesem Saustall würde ich es auch nicht finden.« Die Badtür ging und Erik, der nur ein Handtuch um die Hüfte hatte, ging in sein Zimmer.

»Habs gefunden!« Na Gott sei Dank, das Haargel war wieder da. Halleluja. Nicht auszumalen, was hätte alles passieren können, wenn die Frisur nicht richtig saß und ich musste mir auf die Zunge beißen. Als ich in seinem Alter war, wurde auf Haarpflege, geschweige denn Körperpflege so gut geachtet wie auf eine Latrine. Fließendes Wasser. Was war das? Strom, gar nicht zu denken, und hier ging schon die Welt unter, weil das Duschgel nicht auf seinem Platz war.

»Na siehst und ich habe es da nicht hingeräumt!«

»Ja, ja!«

Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder dem Fernsehen zu, bis Erik angezogen ins Wohnzimmer kam.

»Und kann ich so gehen!« Ich schaute ihn an, musterte ihn und pustete aus.

»Es muss dir gefallen, nicht mir!«

»Gut dann kann ich so gehen!«

»Warum fragst du mich dann?«

»Weil das was dir nicht gefällt, cool ist und das, was dir gefällt aus dem Mittelalter ist.«

»Aha! Und wie heißt deine Angebetete, die du heute ausführst? Nicht dass ich es wissen muss, weil ich bin, ja alt und verstehe davon nichts.« Grinste ich ihn an und er schaute mich schockiert an.

»Ähm Paps ... nun ja ... ich habe mit keinem Mädchen ausgemacht. Ich ziehe mit Nils, ... du kennst doch Nils um die Häuser. Ich dachte, ich hätte es dir gesagt. Es ist nur ein Männerabend.«

»Ahh Männerabend!« Wenn Erik nur ein Mann wäre. Wieder pustete ich ein und nickte. »Kann schon sein, dass du es erwähnt hast. Um 23 Uhr bist wieder da. Morgen hast du Training.« Und schon ging die Tür.

 

Ich schaute noch eine Weile in den Fernseher und dann fielen mir die Augen zu.
Ein Geräusch weckte mich und öffnete meine Augen. Einen Schatten nahm ich aus dem Augenwinkel wahr und setzte mich auf. Erik war es nicht, denn er würde den Fernseher ausmachen und mich zudecken.

»Die Serie ist nach wie vor langweilig. Kein Wunder, das Ihr da eingeschlafen seid.« Diese Stimme, sie gehörte ...

»Etienne!« Er grinste mich an. »Was machst du hier?«, fragte ich und ich musste mich erst einmal sammeln. Fuhr mir durch die Haare und musterte ihn. Er hatte sich überhaupt nicht verändert.

»Beim nächsten Mond hat Erik seinen 16 Sommer. Das zweite Siegel muss gesetzt werden.«

»Warum das zweite Siegel? Ich verstehe gerade nicht.«

»Herr, er war ein Säugling, als das erste Siegel gesetzt wurde.«

»Aber ...!«

»Die Siegel der Versiegelung, Herr. Ihr könnt es nicht vergessen haben.« Schock was? Etienne hatte die Siegel der Versiegelung an Erik angewandt.

»Du meinst ...?« Er nickte. Also waren es die Hexen der Reinheit, die die Kreaturen heraufbeschworen hatten. Etienne hatte nie mit der Sprache rausgerückt. Immer wurde von einem dunklen Hexenzirkel gesprochen, aber das es die Reinen und Wahrhaftigen waren, das verschlug mir die Sprache.

»Hast du es auch an mir auch angewandt.«

»Ja Herr, alle drei. Ich musste es tun. Eure Magie ist die Reinste außer die von Erik, die ich seit Langem wieder gesehen habe.« Aber warum hatte ich es nicht mitbekommen? Ich wusste, dass er meine Magie versiegelt hatte, aber das er die Siegel der Versiegelung angewandt hatte, war mir unbekannt.

Er wandte sich mir zu.

»In zwei Wochen ist Eriks 16 Sommer, bereitet ihn darauf vor.«

»Wie soll ich das denn machen. Er weiß davon nichts.«

»Haltet ihn einfach daheim. Schickt ihn schlafen oder füllt ihn mit Alkohol ab, das ist mir gleich. Aber an seinem 16. Geburtstag muss das zweite Siegel gesetzt werden. Sonst ist das ruhige Leben, so wie Ihr es kennt vorbei.«

Ohne mich anzuschauen, verschwand er. Aber da fiel mir ein, wenn das dritte Siegel gesetzt wurde, verlor der Versiegelte seine komplette Magie. Hatte ich sie auch verloren? Gleich, nachdem er die Siegel gesetzt hatte. Einem Erwachsenen machte die sofortige Dreifach-Versiegelung nichts aus, aber bei einem Kind oder Säugling konnte das tödlich enden.

 

Sicherlich die Versuchung war oft groß Magie anzuwenden, aber als ich sie anwenden wollte, ging nichts. Und das sollte meinem Sohn passieren? Nie in den Genuss zu kommen? Und ich sank auf die Couch. Was hatte ich getan? Erik, und schloss meine Augen. Waben der Erinnerungen stiegen in mir auf.

»Ihr müsst uns verstehen, Herr! Ich will es auch nicht, aber es muss sein. Eure Magie, Eure und die von Erik muss versiegelt werden. Ich wandle nun schon so lange durch die Zeit, und die Kreaturen waren nicht die einzigen Feinde, die zu besiegen galt.«

»Was ist mit deiner?«

»Sie ist verunreinigt.« Hatte er nur gesagt.

Ich öffnete meine Augen. Was war nur alles in den 12 Tausend Jahren passiert? Dass es ein Mann so verbitterte, dass er sich selbst verleugnete und seine Ideale so arg in den Wind schoss. Ich hatte es gespürt, bevor ich versiegelt wurde. Gespürt, dass seine Magie noch immer rein war. Etienne. Du hattest dich selbst in diesen Käfig gesperrt, den Käfig, der dir sagte, dass reine Magie verwerflich sei und doch war deine Magie rein. So rein, so voller Hoffnung, so voll von Liebe.

Ich stand auf und schaute auf die Uhr. Erik sollte in einer Stunde wieder da sein, schaltete den Fernseher aus und ging ins Bett. Sorgen zu machen, dass er mal zu spät kam, brauchte ich nicht. Erik war immer pünktlich.


 

3.3 Etienne

 

»Cedric?! Cedric! Lass mich nicht zu lange warten!«, rief ich meinen Stellvertreter und er kam aus der Dusche. Er hatte sich einen Turban auf den Kopf gezwirbelt und schaute mich durchdringend an.

»Also echt. Etienne, wenn ich es nicht so gerne habe mit dir zu schlafen, hätte ich schon längst gekündigt. Sag mir, was ich Marlis sagen soll?«

»Wie immer, du hast Überstunden!« Ich fuchtelte etwas theatralisch mit den Händen.

»Ja schon, aber langsam glaubt sie mir das nicht mehr. Zur Info, sie arbeitet auch hier und kennt meine Arbeitszeit.«

»Dann mach halt mal schneller, dass du zu deiner Frau kommst. Ich kann nicht mehr warten und muss den Druck loswerden. Außerdem interessiert es mich nicht, ob du geduscht bist oder nicht. Ich will nur deinen willigen Arsch. Und zwar jetzt.«

»Jaaa, aber ich habe vor einer Woche geheiratet, das geht ... ich mein ...«

»Cedric du weißt, dass ich dich dazu nicht zwinge. Entweder gibst du mir das, was ich will oder du lässt es sein. Deinen Job behältst du, so ist die Abmachung.«

»Etienne, hör auf mir die Pistole auf die Brust zu setzen.«

»Das mach ich gar nicht. Sag mir, willst du jetzt, dich von mir ficken lassen oder nicht, wenn nicht, dann suche ich mir jemand anders. Antwort Cedric.« Tief atmete er ein und verdrehte die Augen. Dann nickte er grinsend.

»Natürlich will ich mich von dir ficken lassen.« Schon breitete ich grinsend meine Arme aus.

Nach dem Sex hatte er wieder geduscht und ging. Ich lag im Bett und starrte an die Decke. Langsam stand ich auf und ging selbst duschen, denn ich hatte noch etwas zu erledigen, und länger konnte ich das nicht mehr vor mir herschieben.

 

Ich stand vor dem Haus und betrachtete den Vorgarten. Er war sehr gepflegt und ein leichtes Lächeln huschte über mein Gesicht. Mein Blick wanderte zu der Garage und musterte das Auto, das drinnen stand. Ein Golf! Na, wenn es sein musste. Ich blickte zu den Fenstern, die allesamt dunkel waren, nur aus einem flimmerte es immer wieder auf und ich hörte ein schnarchendes Geräusch. Ich trat heran und blickte rein. Wieder huschte ein Lächeln über mein Gesicht.

»Ihr seid ganz schön alt geworden, Herr«, murmelte ich und zog den Haustürschlüssel aus der Tasche.
Betrat das Haus, ging rein und roch kurz in die Luft. Er war alleine. Sah so aus, als ob Erik wieder mit irgendeinem Mädchen aus war. Der Junge hatte sich ganz schön gemacht.
Tjark erschrak und setzte sich auf. Es dauerte eine Weile, bis er mich erkannt hatte und wusste nicht, ob er sich freuen sollte oder mich aus seinem Haus raus schmeißen.

 

Nachdem ich ihm die Sache mit der Versiegelung erklärt hatte, verschwand ich wieder. In seiner Nähe zu sein, das schmerzte mich ungemein und die Versuchung ihn in die Arme zu nehmen war zu groß.

Ich war in meiner Tanzkneipe und hatte den Barkeeper abgelöst, weil er diesen Monat bereits viel zu viele Überstunden hatte. Er war single und er sagte immer wieder, dass es ihm nichts ausmachte, wenn er länger da war.

Auf ihn wartete eh niemand und hier hätte er wenigstens etwas Unterhaltung. Aber ich musste auch auf meine Leute schauen, ganz besonders, wenn die Gewerkschaft ihre Finger mit im Spiel hatte.
Ich polierte gerade ein Glas, als Jubelrufe losgingen und ich schaute auf die Tanzfläche. Sarah hatte ihren Auftritt und sofort richtete ich mir einige Gläser und Schnäpse her. Sie konnte die Gäste ganz schön einheizen und den Alkohol fließen lassen. Während ich also die gängigsten Schnäpse aus der Kühlung holte, trat ein Mann an den Tresen. Ich blickte ihm in die Augen und musste mir das Augenverdrehen unterdrücken.

»Hallo Vampir!« Herablassend grinste er mich an.

»Wie nett!«, meinte ich nur und blickte mich sofort um. Eine dunkle Anspannung war zu spüren, da einige meiner Gäste von meiner Art waren, und schaute dann wieder zu ihm. »Hier einfach aufzutauchen ... Sie müssen wirklich Eier in der Hose haben.« Er sagte nichts darauf und ich erkannte, dass er ein noch relativ unerfahrener Jäger war. Auch wenn er unerfahren war, hieß es, vorsichtig zu sein.

»Ich suche jemand und hoffe Sie können mir da weiter helfen!«

»Wenn es mir möglich ist, vielleicht.«

»Es wurde mir auch gesagt, dass man hier alle Informationen über Vampire bekommt.«

»Davon ist mir nichts bekannt!« Nun lächelte er und schob mir ein Foto hin.

»Vielleicht kennen Sie diesen Mann!« Gleich darauf lag unter dem Foto ein Hunderter Schein und ich betrachtete das Foto. Den Mann kannte ich, aber ich war nicht gewillt ihn den Jägern auszuliefern.

»Noch nie gesehen!« Nun lag noch ein Hunderter unter dem Foto. »Wie schon gesagt, diesen Mann habe ich noch nie gesehen, und wenn ich Sie wäre, würde ich das Lokal verlassen.«

»Das mag schon sein. Ach eins noch. Sie sind doch Etienne der Wächter?« Er tippte auf das Foto und lächelte noch breiter. »Die Organisation würde es gut heißen, wenn dieser Mann gefangen wird. Er hält sich nicht gerade an die Regeln.« Ich nickte nur und schob dem Jäger einen Schnaps hin.

»Geht aufs Haus!«

Er trank den Schnaps und verließ mein Lokal. Sofort schaute ich in die Ecke, in die der Gesuchte stand. Ich machte ein kurzes Handzeichen und zwei Türsteher schnappten sich den Mann, bevor er reagieren konnte.
Ein anderer nahm mein Platz an der Bar ein und ich ging in mein Büro. Die zwei Türsteher hielten den Mann am Boden und dieser schaute sich ängstlich um. Als er mich erblickte, versuchte er zu lächeln.

»Etienne ich habe nichts gemacht. Du kennst mich doch, oder?« Nun lächelte ich ihn an und fuhr mir durch die Haare.

»Ja eben, weil ich dich kenne«, sagte ich nur und setzte mich auf meinem Stuhl. Faltete die Hände zusammen und legte meinen Kopf darauf. »Sag mir, was ich mit dir machen soll. Sämtliche Warnungen meinerseits, schlägst du in den Wind.«

»Ich habe wirklich nichts gemacht.« Wieder lächelte er verunglückt und ich blickte ihn streng an.

»Warum ist dann plötzlich ein Jäger in meinem Lokal aufgetaucht, wenn du nichts gemacht hast?«

»I-ich weiß nicht! Ehrlich.«

»So du weißt es nicht! Finn warum leben wir im Schatten? Haben Gesetze an die wir uns halten müssen, nicht nur wir Vampire, sondern auch ihr Hexen, und wenn jemand auch nur einmal, nur eine einzige Regel bricht, steht die Organisation da. Also Finn erkläre es mir. Warum hat mich heute Abend ein Jäger aufgesucht und nach dir gefragt, wenn du nichts gemacht hast?« Er fing das Heulen an und ich atmete tief ein. »Nun, da bleibt mir wohl nichts anderes übrig.« Nickte einem Türsteher zu, der sogleich Finn den Arm brach. Dieser schrie auf und ich hielt mir kurz die Ohren zu.

»Es tut mir leid. Ich - ich ... da ist so etwas Reines. Starkes. So etwas habe ich noch nie gespürt. Es fühlt sich so wundervoll an. Es ist, als ob ein fehlendes Stück hier wäre. Es ruft mich. Diese Magie ...«
Ich verengte die Augenbrauen. ›Erik‹ ging mir durch die Gedanken. Langsam wurde es wirklich Zeit, das zweite Siegel zu setzen.

»Verstehe und dann hast du einen Zauber gewirkt, um die Magie zu finden. Der die Jäger auf den Plan gerufen hat.«

»Ja! Sie ist hier, in dieser Stadt. Ich spüre sie. Ich weiß, wo sie ist, ganz in der Nähe. Sie ist in deinem Lokal. Ich bin ihr gefolgt.« Ich schüttelte den Kopf.

»Finn, Finn.« stand auf und ging auf ihn zu. »Es tut mir für dich leid.« Nickte meinen Männern nur zu und verließ das Büro.

 

 

3.4 Jasper

 

Ich musste mich beruhigen. Ja das musste ich. Ich war dabei in die Höhle des Löwen zu gehen. Okay, das Nachtlokal war wie die Schweiz eine neutrale Zone. In diesem Lokal nahmen sich Vampire, Hexen, Magier und manchmal auch Jäger die Hand. Sicherlich passierte es hin und wieder, dass Menschen verschwanden, doch das gehörte nun Mal in ihre Welt und wir Jäger mussten bis zu einem gewissen Grad die Augen davor verschließen. Die Königin der Vampire, der Wächter Etienne, der Hexenzirkel der oberen Drei, die Druidensöhne und die Organisation der Jäger hatten vor vielen Jahrhunderten ein Abkommen erlassen, das jede Gruppe so leben durfte, das sich kein anderer auf die Füße getreten fühlte und doch das Gesetz bewahrt wurde.

Noch einmal atmete ich tief durch, doch ich konnte mich nicht bewegen. Ich nahm das Foto in die Hand und den Mann hatte ich bis hier her verfolgt. Der Informant hatte recht, dass er das Lokal aufsuchen würde. Nimm Geld mit, hatte er noch gesagt, und überreiche es mit dem Foto dem Barkeeper, wenn er dir einen Schnaps hinstellt, und sagt, das geht aufs Haus, nimm den Schnaps an und verlasse, auf der Stelle das Lokal. Drehe dich nicht um, schau dich nicht um, rede dann mit niemanden mehr, denn du warst nie dort.

Wieder schaute ich auf das Foto. Ein Hexer sollte er sein, der verbotener weise Magie angewandt hatte. Um welche es sich handelte, wusste ich nicht. Mir wurde diesbezüglich nichts gesagt. Nur gesagt, dass ich ihn finden sollte, damit er sich vor der Ambassade verantworten konnte. Doch seitdem ich mit dem Informanten gesprochen hatte, hatte ich ein mulmiges Gefühl.

›Okay Jasper du gehst jetzt darein und fragst nach dem Mann. Was kann schon Schlimmes passieren? Die Vampire müssen sich genauso an das Gesetz halten, wie wir Jäger.‹ versuchte ich mir Mut zuzusprechen und endlich schaffte ich es, ein Fuß nach dem anderen zu setzen.

Schon von draußen hörte man den Bass und ich stellte mich hinter der Menschenschlange an.
Vor dem Eingang standen zwei Türsteher, davon einer mich kurz abtastete. Da mein Körper meine Waffe war, fand er außer meinem Geldbeutel nichts und ließ mich durch. Gleich hinter dem Eingang befand sich die Kasse und ich zahlte den Eintritt.

Kurz blickte ich mich um und war überrascht, dass es eine modern eingerichtete Tanzkneipe war. Ich hatte mir was vollkommen anderes vorgestellt gehabt. Etwas mit mehr exquisit, oder so. Doch diese Kneipe unterschied sich kaum, von denen die von den Menschen bewirtschaftet wurden. Die einzige Abweichung, in der Mitte befand sich eine Estrade, auf dem ein Mädchen an einer Stange tanzte und unterhalb der Estrade war eine große Tanzfläche, auf ihr die Gäste Platz hatten zum Tanzen.

Gegröle ertönte und ich blickte zu der Frau, die dort oben erschien. Kurz stellte ich mir vor, sie tanzte in einem Käfig und würde einen stripp hinlegen, der sich gewaschen hatte. Mal schauen, vielleicht konnte ich mal herkommen, wenn ich nicht im Dienst war.

Doch nun musste ich erst meine Arbeit erledigen und den Hexer zur Ambassade bringen. So ging ich zum Tresen und sprach den Barkeeper an. Aber ich kannte diesen Mann. Sein Gesicht hatte ich schon öfters gesehen. Das war, das war Etienne der Wächter, der jeden zur Strecke brachte, der gegen das Gesetz verstieß. Ausnahmslos jeden. Auch hatte ich ihn schon ein paar Mal in der Ambassade angetroffen, doch er hatte mich nie erblickt. Er war so erhaben, so ... selbst die Königin der Vampire Ankya konnte ihm nicht das Wasser reichen und ich spürte, wie, mir die Knie zu zittern anfingen. ›beruhige dich‹.

Ich war nervös und sog seine Stimme, jeden seiner Worte in mein Innerstes. Er lächelte nicht, seine Worten hatten keine Bedeutung, doch er stellte mir ein Schnaps hin. »Wenn er dir einen Schnaps hinstellt, und sagt, das geht aufs Haus, nimm den Schnaps an und verlasse, auf der Stelle das Lokal. Drehe dich nicht um, schau dich nicht um, rede mit niemanden mehr, denn du warst nie dort.«

»Der geht aufs Haus!« Schock, er hatte es gesagt und wie in Trance nahm ich das Glas und trank. Drehte mich um und ging aus der Kneipe. Doch was hatte es zu bedeuten?

 

Die Nachtluft empfing mich und ich atmete tief ein. Dann viel mir ein, dass ich das Foto liegen lassen hatte und ich hatte auch nicht mitbekommen, das er das Geld angenommen hatte. In Gedanken lief ich auf und ab und kam zum Entschluss, meinen Mentor anzurufen. Das tat ich dann auch und schilderte ihm, was soeben passiert war.

»Jasper, du hast was? Wer hat dir gesagt, dass ...!«

»Ein Informant!«

»Verstehe! Wo bist du?«

»Ich stehe noch vor der Tanzkneipe!«

»Verschwinde von dort. Sofort.«

»Aber ...!«

»Du sollst von dort verschwinden, und zwar schnell.«

»Warum?«

»Weil du ein Jäger bist« Warum zum Teufel sollte ich von dort verschwinden?

»Gnade! Etienne Gnade ...!«, hörte ich und legte auf. Ging zu der Seitengasse, aus der ich die flehende Stimme vernommen hatte und starrte geschockt rein. Da war der Hexer, der von zwei Türsteher gehalten wurde. Ein Arm hing nur an ihm dran und er flehte weiter. Hinter der Dreiergruppe trat Etienne und blickte zum Himmel.

»Etienne bitte ... ich ... Gnade.« Etienne schien ihm nicht zu hören, denn er schien von dem Sternenhimmel sehr fasziniert zu sein.

»30 Minuten!«, sagte er nur ohne seinen Blick vom Nachthimmel zu nehmen.

»Was?«

»Ich gebe dir 30 Minuten Vorsprung.« Langsam drehte er sich zu dem Hexer um. »Wenn ich dich um 23:40 nicht geschnappt habe, bist du frei.«

»Etienne nein. Es tut mir leid. Etienne.«

»29 Minuten.« Hörte ich und schaute auf meine Armbanduhr. Es war 22:51 Uhr. Folglich hatte der Hexer 50 Minuten Zeit. Etienne hatte ihn aber 30 Minuten Vorsprung gegeben. Also würde Etienne um 23:20 Uhr anfangen ihn zu jagen. 30 Minuten Vorsprung, das war sehr viel Zeit. Ganz besonders für einen Hexer, der die Fähigkeiten besaß, sich quasi unsichtbar zu machen. Einen Hexer zu verfolgen forderte sehr viel Feingefühl, ganz besonders durfte er einem nicht bemerken, denn dann war es innerhalb von einer Sekunde vorbei und man fand ihn nie wieder. Also warum sollte Etienne ihm 30 Minuten geben ...! Der Hexer rannte los. Ich hörte sein Keuchen bis zu mir.

»Hey Boss ... geht das klar? Er ist ein Hexer.«

»Mach dir keine Sorgen, Valentine. Er ist nur ein drittklassiger Hexer. Selbst du könntest ihn noch in drei Tagen aufspüren.«

»Tzz echt. Die ganzen Verbote von wegen und keine Magie anwenden. Warum Boss? Den Hexen ist es eh egal. Die machen ihr Ding und dann kommt ein Drittklassiger daher, von dem ja sooo viel Gefahr aus geht und er wird gejagt. Echt das soll einer verstehen.«

»Du brauchst es auch nicht zu verstehen. Magie darf in gewissen Rahmen angewandt werden, aber das, was Finn will ...« Etienne schüttelte den Kopf. »Valentine, es ist absolut verboten, die wahre und reine Magie ausfindig zu machen und das hatte Finn vor. Er war auf der Suche nach mehr Macht.«

»Und ist es so schlimm, wenn so einer mehr Macht haben möchte? Ich verstehe ihn sogar.« Etienne sagte nichts darauf. Er ließ sich auf den Asphalt nieder und streckte die Beine von sich.

»Ach es gibt nichts Langweiligeres als zu warten, bis die Zeit um ist.«
Das war mein Stichwort und ich rannte dem Hexer hinterher. Keine Ahnung, warum mir das durch den Kopf schoss, aber er durfte Etienne nicht in die Hände fallen.

 

 

3.5 Etienne

 

Die ganz Zeit, als ich darauf wartete, bis die halbe Stunde vorbei war, hatte ich den Sternenhimmel betrachten und den Hexer mit meinen feinen Sinnen verfolgt. Er würde mir nicht entkommen, dafür war er zu schwach, und wenn die halbe Stunde vorbei war, befand sich Finn in weniger als fünf Minuten in meiner Hand. Es würde wieder keine Herausforderung werden und ich atmete tief ein. Doch ich vernahm noch etwas anderes.

Der Jäger war ebenfalls hinter Finn her, doch seine Absicht war ... er wollte ihn vor mir schützen und ich musste schmunzeln.

»Du bist wirklich noch grün hinter den Ohren, Jäger. Na was soll´s, dann bekommst du eben etwas Action. Mal ne kurzweilige Abwechslung.«

Langsam stand ich auf und streckte meine Glieder durch. Noch eine Minute. Der Jäger hatte ihn noch nicht ausfindig gemacht, obwohl Finn sich in seiner Nähe befand. Würde wohl doch nicht kurzweilig werden, sondern schnell vorbei sein und der Jäger nur eine Leiche vorfinden. Schade ich dachte, ich hätte etwas mehr Spaß.
Die Zeit war vorbei und ich setzte mich in Bewegung. Keine halbe Minute später war ich bei Finn. Er bemerkte mich nicht und war darauf konzentriert, ein Portal zu öffnen. So schwach. Das Portal würde ihn gerade mal 100 Meter weit befördern können. Eine Zeit lang beobachtete ich ihn aus dem Schatten heraus.

Ich roch seine Angst, sein Schweiß und langsam trat ich näher an ihn heran. Er war auf seinen Knien und spritze mit seinem magischen Wasser in alle Himmelsrichtungen. Dabei murmelte er vor sich hin. Als ich nah genug bei ihm war, sah ich, wie schlecht er das Pentagramm gezeichnet hatte. Selbst in Todesangst musste es perfekt sein und ich rieb mit meinem Fuß die Kreide weg. Er hatte die Unterbrechung des Magieflusses gespürt und blickte auf. Finn erschrak, als er mich sah.

»Wie ... wie ... ich ...!«

»Dein Unsichtsbarkeitszauber wirkt bei mir nicht.« Langsam ging ich auf ihn zu und meine Finger veränderten sich zu Krallen. Kurz erfasste jemand anderes meine Aufmerksamkeit und ich lächelte in mich. ›Du bist zu spät Jäger‹. Dann stieß ich zu. Finn machte seine letzten Zuckungen.

»Im Namen des Gesetzes der Jäger befehle ich dir, lass den Hexer los. Er hat das Recht sich vor der Ambassade zu rechtfertigen.« Trotz seines jungen Alters spürte ich sein Potenzial. Aus ihm konnte, wenn er nicht so hitzig wäre, etwas Großes werden.

»Du bist etwas zu spät, Jäger«, meinte ich und schleuderte ihm den toten Hexer vor die Füße. Erschrocken wich er einen Schritt zurück. »Hier hast du deinen Hexer ...«, und leckte meine Krallen ab. Der junge Jäger schaute mir angewidert zu und ich lächelte.

»Dafür bringe ich dich vor die Ambassade!« Adrenalin stieg in ihm hoch und er zitterte am ganzen Körper. Was für ein herrlicher Geruch. Kaum das er es mitbekommen hatte, stand ich neben ihm und flüsterte:

»Das kannst du gerne versuchen, junger Jäger, aber ich bin die Ambassade.« Ritzte ihm eine kleine Wunde in seinem Hals und als ich mich an ihm verköstigen wollte, ging mein Handy los. Wir beide erschraken und ich trat einen Schritt von ihm weg. Hob meinen Zeigefinger, dass sich der Jäger kurz gedulden sollte, und blickte auf das Display. ›Tjark‹ Ich ging ran.

»Etienne, Erik ist nicht nach Hause gekommen. Das kenne ich von ihm nicht. Er sollte um 23 Uhr daheim sein. Es geht aber schon auf Mitternacht. Etienne, wenn Erik ...«, stürmte Tjark auf mich ein.

»Herr beruhigt Euch. Ich werde Erik finden. Keine Sorge!« Ich legte auf und richtete meine Aufmerksamkeit wieder dem Jäger zu.

»Es tut mir leid junger Jäger, aber ich muss unser Spiel unterbrechen.«

»Was war das für eine Sprache?« Ich grinste ihn an und zuckte die Schulter.

»Gehabt dich wohl junger Jäger und ich hoffe, wenn wir uns das nächste Mal sehen, du an Kraft gewonnen hast.« Somit verschwand ich und der Jäger blickte sich verdattert um.

 

Erik durchschoss es mir und ich roch in die Luft. Erhöhte mein Gehör.
Da ich an dem Jungen die erste Stufe der Versiegelung angewandt hatte, war er, um einiges schwieriger zu finden als meine herkömmliche Beute und doch ... spürte ich ihn. Die reine Magie in ihm nahm an Macht zu. Kein Wunder, das ein drittklassiger Hexer von ihm angezogen wurde, sie führte mich direkt zurück zu meinem Lokal. Das konnte nicht sein. Ein Mensch in meinem Lokal war sozusagen wie Essen frei Haus geliefert. Ich rannte über die Dächer, und als ich die Neonlichter über den Eingang erblickte, sprang ich ab und landete vor meinem Hintereingang. Der Türsteher vergnügte sich gerade mit einer Hure, als ich an den beiden vorbeiging.

»Gott! Erschreck mich nicht so!«, zischte er, unterbrach aber sein Tun nicht.

»Gott? Es reicht, wenn du Boss sagst.«

Ich ging in das Lokal und sofort roch ich ihn. Mir wurde es schwindlig. Sein Geruch raubte mir die Sinne. Es war die Verführung pur, die Leidenschaft. Er war kein Junge mehr, er befand sich an der Grenze zum Mann und er tanzte. Leicht schmunzelte ich. ›Ja du hast schon immer gerne getanzt. Ich habe dich immer beobachtet, doch nun und das scheinst du nicht mitzubekommen, bist du der Mittelpunkt. Alle haben sich um dich gescharrt, nur um dich betrachten zu können.‹ und es war gefährlich. Ich ging in mein Büro. Hier konnte ich in Ruhe telefonieren.

»Hast du ihn?«

»Ja, ich habe Erik gefunden.«

»Und was ist mit ihm? Gehts ihm gut?«

»Ja Herr ihm geht es gut. Wie es aussieht, hat er nur die Zeit vergessen.«

»Wo ist er? Ich hole ihn ab.«

»Herr, das ist keine gute Idee. Bleibt bitte daheim. Ich bringe ihn nach Hause.«

»Etienne, wo ist er?«

»Herr ...!«

»Etienne!«

»Er ist in meinem Nachtlokal.«

»In deinem Nachtlokal?! Wie kommt er denn da hin? Hast du ihn ...!«

»Herr unterstellt mir nicht so was. Nach alldem, was passiert ist, werde ich nicht so unvorsichtig sein und mich selbst in Gefahr begeben. Ihr und Euer Sohn, seit eine Gefahr für die ganze Welt und für Euch selbst.«

»Okay Etienne. Es tut mir leid, dass ich es dir unterstellt habe. Aber er ist mein Sohn und ...«

»Ist schon gut. Ich bringe Erik unversehrt nach Hause. Oder so wie es aussieht, nicht ganz so unversehrt.«

»Was soll das heißen?«

»Eure Hoheit scheint etwas zu tief ins Glas geschaut zu haben.« Nach dem Telefonat ging ich an die Scheibenfront, denn von hier oben aus, hatte ich einen sehr guten Ausblick auf mein Lokal. Erik tanzte mit einem Jungen, den ich als Nils kannte. Er war schon Eriks Freund, da gingen sie in den Kindergarten und doch, ... es schien, als ob sich etwas zwischen den beiden geändert hatte. Nils warf ihm lüsterne Blicke zu und Erik war davon nicht abgeneigt. Nein ganz und gar nicht, er leckte sich immer wieder über die Lippen und ihr Tanzstil glich eines willigen Schwans. Okay, soweit man es mit dem Alkoholpegel noch so nennen konnte.

Doch mehr darüber Gedanken zu machen konnte ich nicht. Ich musste Erik nach Hause schaffen, aber zuerst musste ich ihn, von der Tanzfläche bekomme.

Aber dies wurde für mich schon erledigt. Erik schien genug vom Tanzen zu haben und ging zurück zu seinem Tisch. Er setzt sich hin und nahm einen kräftigen Schluck von seinem Glas, indem keine Cola war. Ich selbst ging aus meinem Büro und hielt mich im Schatten. Beobachtete ihn, wie er nun nach dem Schluck etwas zu heftig zu schwanken anfing. Nils kam und setzte sich neben Erik, auch er nahm von der Flasche einen kräftigen Schluck und kurz darauf zeigte er die gleiche Reaktion.

KO-Tropfen durchschoss es mir und ich bewegte mich auf die beiden zu. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sie von einer Gruppe Vampiren beobachtet wurden und bevor sie von ihren Stühlen kippten, war ich bei ihnen und fing beide auf.

»Keiner bewegt sich!«, zischte ich der Gruppe zu und alle erstarrten nur einer nicht. Er baute sich auf und kam auf mich zu.

»Hey, die gehören mir!«

»Sagt wer?«

»Sage ich. Das sind nur Menschen.«

»So Menschen. Klar sind ›das nur Menschen‹, doch ich will dich erinnern, dass der Soll an Frischfleisch diesen Monat bereits erfüllt worden ist. Noch mehr Probleme mit der Polizei kann und will ich mir nicht mehr leisten. Also halt die Füße still. Ja? Danke.« Somit hievte ich die beiden hoch, ging aus dem Lokal zu meinem Auto.

 

Vor Tjarks Haus hielt ich an, stieg aus und klingelte. Keine Sekunde später riss Tjark die Tür auf und stürmte an mir vorbei.

»Was ist mit ihnen?«

»Sie haben Ko-Tropfen verabreicht bekommen.« Ohne ein weiteres Wort kam er auf mich zu und schlug mir mit der Faust ins Gesicht. Der Schlag war nicht fest und doch rieb ich mir mein Kinn.

»Sie habe es nicht von mir bekommen.«

»Das weiß ich Etienne. Du hast sie bekommen, weil du nicht aufgepasst hast.«

»Tut mir leid, Herr!« Tjark ignorierte mich und beugte sich ins Auto. Zog Erik raus und trug ihn ins Haus.

»Bring Nils mit. So kann er nicht nach Hause.«

»Ja Herr!«

»Verdammt und hör mit dem Herr auf!«

 

Ich nahm Nils auf meine Arme und folgte Tjark ins Haus.

»Wir bringen sie in Eriks Zimmer und dann rufe ich Nils Eltern an.« Ich nickte nur, und als wir in Eriks Zimmer waren, legte ich Nils neben Erik ins Bett. Es war, als ob ihre Körper sich erkannten, denn sie umschlangen sich. Tjark schüttelte nur den Kopf, als er die beiden zudeckte.

»Wären wir in der alten Zeit, so würde ich Erik ermahnen und gleichzeitig ihm auf die Schulter klopfen, doch so ...« Wieder schüttelte er den Kopf. »Jetzt verstehe ich, warum es mit Mädchen nie was geworden ist. Die besten Lehrmeister sind immer die Jungs, nicht wahr Etienne.« Er drehte sich zu mir um und drückte mir in die Schulter. »Doch ich frage mich, wer hier wen, was beibringen will. Die sind so jung!«

»Kaum älter als Ihr es wart!« Er schaute mich an und verzog seine Augenbrauen.

»Also was soll das wieder heißen? Ich habe es dir gezeigt. Wenn ich es nicht getan hätte, wüsstest du heute noch nicht, was du mit deinem Schwanz anzustellen weißt.« Grinsend verließ er das Zimmer und ich schloss die Augen, atmete tief durch.

»Wenn Ihr es nur gewesen wärt, Herr!«

 

»Nein! Lasst mich los! Ich habe nichts gemacht ...!« Der Altkönig beugte sich über mich und streichelte mir über das Gesicht. Vergebens versuchte ich mich strampelnd, aus dem festen Griff der Soldaten zu befreien.

»Bitte Herr, ich habe nichts gemacht.« Und schon landete seine Faust auf meiner Nase und mir wurde es schwindlig.

»Haltet das Stück Dreck endlich fest und stopft ihm das Maul. Das Geschreie ist ja nicht auszuhalten.«

Da ich sowieso nur Luppen dran hatte, hatte er sie schnell von meinem Körper gerissen. Stinkender Atem und Schweißgeruch schlugen über mich ein. Nicht nur das, der Schmerz raubte mir die Sinne, dieses und das Gegröle, der umstehenden Männer verfolgte mich bis zur Bewusstlosigkeit. Das Nächste, an das ich mich erinnerte, als ich wieder erwachte, ich lag angekettet im Schweinestall und wartete darauf, bis die Nacht kam, um dem Altkönig noch weiter dienen zu können. Leider war dies nicht die erste Vergewaltigung, die ich erfahren hatte. Doch diese blieb in meiner Erinnerung haften, denn der Altkönig war der Meinung, mich für seinen Sohn vorbereiten zu müssen.

Drei Winter wurde ich hin und hergereicht, bevor ich zu Tjark kam.

 

Ich schüttelte die Erinnerung ab und folgte Tjark ins Wohnzimmer.

Kapitel 4

4.1 Erik

 

Warm, mir war es warm und übel zugleich. Ich versuchte mich auf die Seite zu drehen, doch etwas hinderte mich daran. Ein Arm über meine Brust und ein Bein über meine. Ich blickte auf die Seite und sah Nils neben mir liegen. Er schlief noch, doch ich musste aufstehen. Mein Magen machte Purzelbäume und in meinem Kopf sah es wohl nicht besser aus. Wie als ob ich in einem verschwommenen Tunnel blickte, versuchte ich mich zu orientieren. Ich war auf jeden Fall in meinem Zimmer und hell war es außerdem. Doch ich musste auf Klo und stürzte aus dem Bett.

Durch das Gepolter wurde wohl Paps aufgeschreckt und er kam in mein Zimmer. Sofort zog er mich auf die Beine und musterte mich ... nicht streng, nein eher besorgt. Doch dann schüttelte er den Kopf.
»Hoffentlich geht´s dir gescheit schlecht. Ich habe deinem Training abgesagt und bei Nils ebenfalls. Ihr beide habt es gestern ganz schön krachen lassen.« Ich konnte ihn nur angrinsen, da ich froh war, weil er nicht mit seiner Standpauke angefangen hatte. »Du bist ja immer noch betrunken!«, murmelte er vor sich hin und keine Sekunde zu spät, beugte ich über die Toilette.

 

Mit einem Kühlakku auf der Stirn behaftet saß ich in der Küche und beobachtete meinen Vater, wie er sein Standardfrühstück vorbereitete. Nun okay, das war wohl eher mein Standardfrühstück. Spiegeleier in Toast und nippte an meinem Tee.

»Danke Paps, das du mich beim Trainer entschuldigt hast.« Grummelig wendete er den Eiertoast und nickte nur.

»Wenn du wieder klar reden kannst, kannst mal nach Niels schauen. Hab nämlich keine Lust ihn den ganzen Tag zu sehen.« Nun grinste ich. Paps konnte Niels nie so richtig leiden. Er sah meinen Freund nicht als ein Jungen an. Wahrscheinlich war Nils so etwas wie ein Alien. Auf jeden Fall, Paps hatte immer eine Abneigung gegen ihn und doch hat er unsere Freundschaft akzeptiert.

»Gott mir dröhnt der Schädel« ich drehte mich zu der Stimme und Nils sah genauso aus, wie ich mich fühlte.

»Hast du noch einen?« Unbeholfen zeigte er auf meinem Akku und ich nickte. Paps deutete mir, dass ich sitzen bleiben sollte, und ging selbst, um einen Akku zu holen.

Nun saßen wir beide am Küchentisch, die Stirn oder den Nacken in Kühlakkus und versuchten das Frühstück runterzubringen.

Mit jeder Mahlzeit konntest du mit Paps reden, es mal ausfallen zu lassen, aber nicht mit dem Frühstück. Möchte zu gerne wissen, was das für Ansichten waren.

»Es heißt nicht umsonst, frühstücke wie ein Kaiser, Mittag wie ein König und abends wie ein Bettler.« Bevor er mit dieser Standardrede wieder daherkam, versuchte ich einige Bissen runterzubringen, dennoch beschwerte sich mein Magen.

»Erinnerst du dich, wie wir heimgekommen sind?«, fragte Nils mich plötzlich und ich schüttelte den Kopf.

»Nicht die Bohne. Vater, wie sind wir heimgekommen?«, rief ich.

»Na, wenn ihr das nicht mehr wisst.«

»Nein, sorry!«

»Mit dem Taxi, das ich bezahlen durfte. Ich frage mich wirklich, für was du Taschengeld bekommst. Das Geld schuldest du mir und ein paar Stunden Schlaf.«

»Schlaf?« Er kam wieder in die Küche und hatte seine Arbeitsklamotten an. »Gehst du arbeiten?« Er nickte.

»Natürlich, oder wie glaubst du, kommt das Essen auf deinem Teller.«

»Es ist Samstag.« Nun schüttelte er den Kopf und verdrehte die Augen.

»Wann hörst du mir eigentlich mal zu? Warum wohl, habe ich die letzte Woche am Telefon verbracht und rumgefragt, wie du und Nils zum Training kommt. Ihr hättet mir gleich sagen können, das ihr eine Halligalli Drecksau Fete veranstaltet, dann hätte ich mir die nervigen Geschichten der Mütter nicht antun müssen.«

»Tut mir leid.«

»Das sollte dir auch. Die Meisterschaft ist in wenigen Wochen und Helens Mutter war nicht gerade begeistert darüber, dass ihre Tochter nun mit einem anderen Trainieren muss.« Ich nickte nur und mein Vater ging in seine Arbeit.

»Du kannst mich für blöd hinstellen oder mich als ein Arsch bezeichnen, aber dein Vater finde ich einfach nur cool.« Ich streckte mich und blickte Nils an.

»Nicht wirklich.«

»Oh, wenn ich daran denke nach Hause zu kommen ...«

»Ach Kopf hoch, so schlimm wird´s bestimmt nicht werden.«

»Glaubst du!« Nun egal wie man es nahm, aber ich fand Nils Vater auch cool. Er hatte nicht so eine versnobte Einstellung wie meiner. Dennoch fragte ich mich, warum Vater das Training abgesagt hatte. Denn seine Devise lautete und die vertrat er. ›Wer saufen kann, der kann auch arbeiten‹

Na egal, so hatte ich mal einen Nachmittag frei und mein Blick wanderte zu Nils. Er schien wohl den gleichen Gedanken zu hegen, so wie er mich angrinste.

 

 

4.2 Nils

 

Stürmisch küssten wir uns und irgendwie waren wir in seinem Bett gelandet. Ich konnte nicht sagen, wie es passiert war, doch wir waren inzwischen schon zwei Monate zusammen. Nach außen hin, verhielten wir uns, als ob wir nur normale Freunde wären, doch wenn wir alleine waren, mussten wir uns gegenseitig erkunden. Immer und überall.

Ich schmunzelte in mich hinein, als ich nach Hause lief. Sein Vater schien etwas bemerkt zu haben und doch sagte er nichts. Immer wenn ich Erik darauf ansprach, ob er es seinem Vater schon ›gebeichtet‹ hatte, schüttelte er den Kopf.

»Ich weiß nicht, wie ich es ihm sagen soll. Er hat manchmal Ansichten, die aus dem tiefsten Mittelalter stammen.«

Meine Eltern waren in dieser Beziehung sehr sozial, ganz besonders meine Mutter. Innerlich verdrehte ich die Augen und sperrte auf.

Weihraugeruch schlug mir entgegen. Minze, Anis, Thymian und was weiß ich noch alles. Als Erik das erste Mal hier war, hatte er sich die Nase zugehalten, doch mit der Zeit hatte er sich wohl an den Geruch gewöhnt, und wenn er mir ganz nah war, meinte er immer, ich rieche nach Weihnachten. Das musste wohl dann der Zimt sein, den Mutter zum trocknen immer an die Tür hing. Ja, meine Eltern waren Hexen. Aber, außer diverse Schönheitscremes herstellen oder Wettervorhersage hatte sie sich nie mit etwas anderem beschäftigt.

»Bin wieder da!«, rief ich.

»Bin in der Küche, Schatz!« Ja wo sollte sie denn sonst sein. Und da stand sie. Rührte in einem Topf und suchte gleichzeitig ihre Brille.

»Auf dem Kopf«, sagte ich und schon fasste sie hin. Mit einem Lächeln bedankte sie sich und plötzlich wurde ihr sanfter Ausdruck ernst. Sie kam auf mich zu und packte mich am Arm. Musterte ihn, nein sie untersuchte ihn und dann beugte sie sich runter zu meinem Bein und dann drehte sie mich.

»Das kann nicht sein!«

»Mama was hast du?« Sie schüttelte nur den Kopf und es schien, als ob sie einen traurigen nein fast schon ängstlichen Ausdruck bekam.

»Wo warst du?«

»Bei Erik!«

»Nein, nein ... du hast, das ist, das ist der unverkennbare natürliche Verlauf der reinen Magie. Wo warst du?«
Scheiße. Ich wich ihren Blick aus, denn ich wusste, dass nun Lügen total unangebracht war.

»Im Creature!« Geschockt wich sie zurück und schüttelte immer wieder ihren Kopf.

»Bist du von allen guten Geistern verlassen! Im Creature?«

»Mama alle meine Freunde gehen ins Creature.«

»Das mag schon sein, aber du bist einer der Wenigen, die wissen, was dass Creature ist und deshalb will ich, dass du dich davon fernhältst.«

»Wir haben nur getanzt und niemand hat Interesse an uns gezeigt.«

»Da bin ich ja froh! Zieh deine Sachen aus, die müssen verbrannt werden. Ich will absolut keine Spuren von ihm in meinem Haus haben.«

»Übertreibst du es nicht einwenig?«

»Nein! Ich habe ihn einmal gesehen, da war ich so alt wie du. Die Magie ist in uns erwacht und die von meiner Zwillingsschwester war rein, so schön, so perfekt, so wie ich mir Magie immer vorstelle. Wie die Magie des Wächters, das Monster.«

»Ja und warum, willst du die Klamotten verbrennen?«

»Weil genau diese Magie verboten ist und wenn du sie an dir haften hast, wird er darauf aufmerksam.« Okay, nun begriff ich gar nichts mehr.

»Aber ich verstehe nicht. Ich hatte zu niemandem Kontakt. Nur zu Erik und er hat keine Magie, das hast du selbst gesagt und meine ist noch nicht erwacht. Und außerdem warum darf der Wächter diese Magie nutzen und wir nicht?« Ich sah, wie meine Mutter tief einatmete und nur mit dem Kopf nickte.

»Okay Nils, ich denke, es wird an der Zeit dir die Legenden der Kreaturen zu erzählen.«

»Die kenne ich schon.« Nun schüttelte sie den Kopf.

»Nicht alles.« Sie schaltete den Herd aus, machte uns einen Tee und wir setzten uns an den Tisch.

»Hör zu Nils. Damals vor vielen Äonen herrschte Frieden. Hin und wieder gab es Bürgerkriege, aber das war normal und nicht nennenswert. In dieser Zeit herrschte ein König, von dem gesprochen wird, dass er gerecht und streng sei und immer stets bemüht war, um den Frieden in seinem Land zu bewahren. Sein Land blühte und Wohlstand herrschte. Das schien einige Neider mit sich gebracht zuhaben, denn ein Hexenzirkel wollte auch etwas von dieser Schönheit, von diesem Reichtum haben. Sie sammelten über einige Jahre so viel an reine Magie, dass sie bald zu den Mächtigsten gehörten. Und irgendwann wollten sie beim König vorsprechen, da bekannt wurde, dass die Königin in guter Hoffnung war. Nun ja Nils, da sie noch mehr Macht haben wollten, unterbreiteten sie dem König ihr Interesse. Dieser Hexenzirkel bestand nur aus Frauen. Wurde eine Frau schwanger und gebar ein Mädchen, so wurde es in ihren Reihen aufgenommen, aber wurde ein Junge geboren, so wurde er irgendeiner Familie gegeben, ausgesetzt oder dem Vater, sofern er das Kind wollte, überreicht. Kannst du dir vorstellen, wie viel Macht, wie viel reine Magie das Kind gehabt hätte? Ein Mädchen aus dem Zirkel und ein Junge vom königlichen magischen Blut.« Sie hielt kurz inne. »Aber der König hatte ihre Anfrage abgelehnt. Wieder zogen viele Jahre ins Land und der Junge wurde selbst König, heiratete ein junges Mädchen vom königlichen Geschlecht. Nun ja, damals wurde untereinander oft geheiratet, damit die Blutlinie nicht verwischt wurde und die Magie rein blieb, du verstehst?« Ich nickte. »Wieder gingen die Hexen mit dem gleichen Anliegen zum neuen König und wurden abermals abgewiesen. Doch diesmal hatten sie es nicht auf sich beruhen lassen und beschworen das Unheil hervor. Kreaturen, die von reiner Magie angelockt wurden. Die schwächeren des Hexenzirkels fielen den Kreaturen sofort zum Opfer, die Stärkeren wurden vom Wächter eiskalt hingerichtet. Er kennt kein Erbarmen. Damals nicht und heute nicht. Er jagt jeden ausnahmslos, der nur ansatzweise ein Hauch an reiner Magie aufweist.«

»Eins verstehe ich nicht, wie konnte er so lange überleben und warum bringt er sich nicht selbst um, wenn ...«

»Er war ein Magier. Ein sehr Starker noch dazu. Sogar noch stärker als die stärkste Hexe im Hexenzirkel. Es wurde sogar gemunkelt, dass er ein Abkömmling einer der Hexen war und eines Königs. Der König ihn aber verweigerte, aber das ist jetzt nicht das, was ich sagen will.« Sie stand auf und schaute in ihren Topf. Danach schenkte sie Tee nach und setzte sich wieder. »In einer Nacht, die Sterne waren so klar, dass du alle Sternzeichen der nördlichen Himmelsfähre sehen konntest, lag die junge Königin in die Wehen. Der Angriff rollte bereits, und eine Kreatur hatte es geschafft durch die Abwehr zu geraten und überfiel die werdende Mutter. Die Königin starb sofort. Der König, der ihr zur Hilfe eilen wollte, ebenfalls und das Baby, das kaum seinen ersten Schrei getan hatte, wurde von der Kreatur verschlungen. Etienne kam zu spät und durch den Schock des Todes seines Königs, war er kurze Zeit abgelenkt. Die Kreatur griff ihn an und verletzte ihn tödlich, doch Etiennes Trauer und Hass war so übermächtig, das die reine Magie in ihm reagierte und das tödliche Gift in ihm abschwächte. Er wurde dadurch selbst zu so einer Kreatur und schwor sich, jeden zu vernichten der nach der reinen Magie giert oder der selbst diese Magie in sich trägt, damit niemals wieder so ein Unheil heraufbeschworen werden kann. Er hat das Leid auf sich genommen, damit wir in Frieden leben können.«

»Dann ist er ja ein Held und warum nennst du ihn Monster?«

»Weil er eins ist. Nils ich hatte eine Zwillingsschwester, und als ihre Magie erwachte, ...« Sie schüttelte sich.

»Sie war so fröhlich und gutherzig. Sie war der liebenswerteste Mensch, den ich je in meinem Leben getroffen habe. Als ihre Magie erwachte, stand Etienne plötzlich vor uns und schlachtete sie ab. Sie hatte keine Chance, sich zu beweisen, dass sie nicht nach Macht gierte. Jeden Vorwurf, den wir ihm entgegengeschleudert hatten, nahm er mit einem Schulterzucken. Als meine Schwester vor mir tot auf den Boden lag, drehte er sich zu mir. Musterte mich und ohne ein weiteres Wort verschwand er. In dieser Nacht ist meine Magie ebenfalls erwacht, aber ich habe Etienne nie wieder gesehen.« Sie nahm einen Schluck von ihrem Tee. »Deshalb Nils will ich, dass du dich da fernhältst. Deine Magie ist noch nicht erwacht, aber das wird sie bald, und wenn du nicht sterben willst, wie meine Schwester, dann halte dich an die Regeln, die wir dir immer predigen. Und gehe verdammt noch mal nicht mehr ins Creature.«
Ihre Warnungen und Regeln zum Trotz. Egal mit wie vielen Talismanen sie das Haus oder mich bestückt hatte. In der darauffolgenden Nacht erwachte meine Magie.

 

Ich saß mit meiner Familie beim Fernsehen, als meine Eltern plötzlich zu mir schauten. Mutters Augen wurden groß und Papa fing zu zittern an.

»Sie ist zu rein. Mutter ...« Weiter kam er nicht. Ein Portal wurde geöffnet und ein junger Mann, kaum älter als 25 betrat unser Wohnzimmer. Der Name des Mannes blieb Mutter im Hals stecken. Er legte seinen Kopf schief und schaute mich durchdringend an.

»Nils, wer hätte das gedacht?« Was hatte er gesagt und er schaute zu meiner Mutter. »Na aber wenn man in einer Hexenfamilie geboren wird, bleibt das Erwachen wohl nicht aus.«

»Wo ... Woher kennen Sie mich?« Er lächelte mich an und es hatte etwas Sanftes an sich.

»Das ist vielleicht sogar dein Glück, das ich dich kenne. Ich kann ihn einfach nicht leiden sehen. - Einfache Versiegelung«, sagte er, war bei mir und legte seine Hand auf meinen Bauch. Wärme durchströmte mich und ich starrte ihn nur in die Augen.

»Wen?« Nun lächelte er etwas breiter.

»Ich habe deinen Magiefluss eingedämmt. Du kannst sie bis zu einem gewissen Grad nutzen. Aber sollte sie stärker werden, werde ich wiederkommen. Gehabt dich wohl Nils.«
Weg war er und ich blickte mich im Wohnzimmer um, warf meinen Eltern einen fragenden Blick zu. Mama liefen die Tränen runter und der Vater starrte geschockt zu mir.

»Nils, wie ist das möglich, dass er dich kennt?« Ich nickte nur.

»Ja und wen kann er nicht leiden sehen?«, stellte ich die für mich ausschlagebenste Frage. Doch diese Frage fiel unterm Tisch, denn meine Eltern fingen an Mutmaßungen aufzustellen und am Ende kamen sie zum Entschluss, dass es wohl unser Glück war, nein das Glück überhaupt, da wir in keinem Hexenzirkel waren. Und ab diesem Tag hatte ich zwei Geburtstage.

Meine Mutter lernte mir, die Tränke und Talismanen herzustellen und Vater, wie ich die Magie gebrauchen konnte.

 

 

4.3 Etienne

 

Ich spürte sie, wie die Magie in Erik immer stärker wurde. Auch spürte ich, wie der Abschaum sich in dieser Stadt versammelte. Wie Motten, die vom Licht angezogen wurden, kamen sie. Nur noch wenige Stunden, dann hatte Erik seinen 16 Sommer.

Jede Nacht ging ich zu Tjarks Haus und bewachte den Magiefluss. Stark, stärker als der meine und ich musste die Bestie in mir zurückhalten. Oh ja, ich wurde von der reinen Magie angezogen, wie die anderen, wie die Kreaturen, die über uns hergefallen waren. Ich spürte sie, in jedem, der Magie anwenden konnte und den Drang dabei, diese Existenz in mich einzusaugen. Ihr Leben zu nehmen und es mein eigenes zu nennen.
Ich saß auf dem Baum und wartete, bis Nils sein Freund endlich ging. Doch so wie es aussah, musste ich noch länger warten und ich blickte zu den Sternen. Nur noch wenige Stunden hatte ich, danach war es mir, unmöglich den Magiefluss zu versiegeln, und das Chaos würde über uns herfallen.

Ich atmete tief ein und hörte, wie die Haustür ging.

»Ich weiß, dass du da bist!«

»Ja bin ich. Herr die Zeit drängt. Schickt Nils nach Hause, wenn Euch das Leben Eures Sohnes wichtig ist.« Tjark nickte nur und schaute auf die Straße.

»Sag mir Etienne, warum kann ich dich spüren? Immer, aber meine Magie nicht anwenden.«

»Weil Ihr vom königlichen Blut seid. Ich konnte Eure Magie nur eindämmen.«

»Mit der Dreifach-Versiegelung?«

»Ja Herr. Ihr seid zu stark. Die Siegel haben Eure Magie nur eingedämmt nicht versiegelt.«

»Und bei Erik willst du sie versiegeln.«

»Wenn es möglich ist, deshalb schickt Nils nach Hause. Uns bleibt nur noch wenig Zeit. Seine Magie ist dabei zu erwachen, und wenn es geschieht, kann ich sie nicht mehr versiegeln.«
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie das Licht aus Eriks Zimmer gelöscht wurde und erregtes Kichern zu meinen Ohren drang. Tief atmete ich ein und blies die Luft stoßweise aus.

»Was ist? Immer wenn du so tust, dann passt dir was nicht.«

»Nichts Herr, es ist alles in Ordnung.« Ich sprang vom Baum und landetet neben Tjark. »Wollen wir ein paar Schritte gehen?« Überrascht schaute er mich an.

»Etienne, was ist los?«

»Nichts Herr!«

»Etienne ... raus mit der Sprache. Ich kann mich erinnern, dass du, als du mich das letzte Mal zum Spazieren eingeladen hast, Ankya mit dem Hauptmann ...!«

»Die beiden vergnügen sich gerade!«

»WAS? Du meinst ... Er ...!«

»Ja! Wollen wir ... Herr?« Leicht grinste ich und Tjark schüttelte den Kopf. Nach seinem Ausdruck zu beurteilen war er darauf wohl doch vorbereitet, dennoch überrascht. »Nun die heutige Jugend, ist nicht viel anders zu früher«, meinte ich und wir liefen los. Er fuhr sich nur durch die Haare.

»Nicht wirklich. Nur um vieles Fauler. Während ich meine Freizeit auf dem Trainingsplatz verbracht hatte, um der beste Kämpfer zu werden. Verbringen sie ihre vor dem Fernseher, zocken, um den besten Highscore zu erreichen. Nein Etienne, nicht viel anders.« Wir lachten auf. Einige Schritte liefen wir stumm nebenher. »Sag mal, wie ergeht es dir?«

»Herr? Wie meint Ihr das?«

»So wie ich es sage. Wie geht´s dir?«

»Das Geschäft läuft!«

»Das mein ich nicht. Hast du eine Frau, einen Mann? Bist du gesund? Das will ich wissen.«

»Nein, nein und ja!« Tjark pustete Luft aus und atmete wieder tief ein.

»Eine normale Konversation kann man immer noch nicht mit dir führen. Wenn es um dich geht, machst du nach wie vor zu.«

»Herr es gibt nichts, was Ihr nicht über mich wisst.«

»Ach Etienne, wann siehst du mich als einen Freund an? Schau dich um! Ist hier irgendwo mein Königreich? Nein. Ich bin kein König mehr und du kein Sklave.« Er drehte sich zu mir hin. »Ich bin glücklich. Ich bin wirklich glücklich in dieses Zeitalter gelandet zu sein. Erik konnte ich ohne Probleme aufziehen. Er ist auch glücklich, hat einen Freund, lernt gerade, seinen Körper und dem des anderen kennen ... was will ich mehr?« Ich sagte nichts darauf. Wie konnte ich. Sicherlich wandelte ich seit nunmehr 12 tausend Jahre auf der Welt, doch ich konnte es drehen und wenden, wie ich es wollte. Die Erziehungsmaßnahmen während meiner Kindheit konnte man nicht so leicht abstreifen.

 

Ich war vielleicht im siebten oder achten Sommer, als ich von Vater auf das Feld geschickt worden war. Ich konnte es mir nicht erklären, doch er war mir gegenüber immer abgeneigt und Schläge hagelten oft über mich ein. Meine anderen Geschwister hob er in den Himmel, doch ich ...

Wie immer arbeitete ich auf dem Feld und die Sonne stand sehr weit oben. Hunger und Durst plagten mich, doch ich wusste, wenn ich meine Arbeit nicht erledigt hatte, ich nichts zu essen bekam und hungrig ins Bett musste. Wie schon sooft oder ich musste draußen schlafen. Sogar im Winter.

Ich war auf dem Nachhauseweg, als ich Geschrei und Kampfgeräusche hörte. Sofort schossen mir meine Mutter und meine Geschwister in den Sinn und ich rannte los. Kaum erreichte ich dass Dorfende, sah ich schon, wie sämtliche Hütten brannten. Die Dorfbewohner zusammengepfercht worden waren, damit sie schön nacheinander abgeschlachtet werden konnten. Angst kam in mir hoch, nicht dass sie mich auch erwischten und mich auch so abschlachteten. Ich riss mich von dem Anblick los, denn ich dachte nur an meine Mutter. Doch als ich zur Hütte kam, lagen Vater und drei meiner Brüder tot auf dem Boden. Sie alle hatten Mistgabeln oder Schaufeln in der Hand. Schnell blickte ich mich um und suchte nach meiner Mutter.

»Halt still Weib!«, hörte ich aus dem gemeinsamen Schlafzimmer. Damals gab es nicht, dass jedes Kind ein Zimmer besaß und die Eltern ihr eigenes Schlafzimmer. Auch kein Wohnzimmer oder eine Küche.

Die Hütte bestand aus zwei abgetrennten Räumen. In dem einem, wurde gekocht und sich bei schlechtem Wetter aufgehalten und in der anderen wurde geschlafen. Wenn man eine Notdurft zu verrichten hatte, ging man in den Wald oder hinter die Hütte. Körperpflege gab es nicht, das Gesicht, wenn es mal gewaschen wurde, reinigte man am Fluss.

Ich schlich in den anderen Raum und starrte geschockt auf das Geschehen. Eine Schwester lag nackt mit leeren tränenverhangenen Augen unter einem Soldaten, der sie wie ein Schwein grunzend behandelte. Ihr Blick galt Mutter, doch wusste ich auch, dass meine Schwester sie nicht mehr sah. Ihr Blick war der gleiche, als wenn ich eine Henne den Hals umgedreht hatte. Meine Mutter schrie Vaters Namen, doch auch das wusste ich, konnte er sie nicht mehr hören. Der Soldat war mit meiner Schwester fertig, und als ein anderer sich über sie beugte, spuckte er auf ihr Gesicht und höhnte. »Die hat es aber nicht lange ausgehalten. Bauerntrampel sollte mehr wegstecken können. Hay wie ist es mit der Aufständischen. Bei so viel Bälgern muss die doch was aushalten.«

Meine Mutter sah mich und ihre Lippen zitterten, als sie mir zuflüsterte.

»Etienne flieh!« Doch ich war zu geschockt, um zu realisieren, was sie wollte. Ich wurde von hinten weiter in den Raum gestoßen und der eine Soldat kam auf mich zu.

»Na, wen haben wir denn da? Wo warst denn du Bursche?« Sofort zerrte er mich neben meine tote Schwester und wollte schon mir die Klamotten vom Körper reißen, als er zurückgezogen wurde.

»Rührt den Burschen nicht an!« Ich kannte diesen Mann nicht, aber ich spürte, dass von ihm sehr viel Macht ausging.

»Hauptmann, aber er ist nur ein Bauernjunge.«

»Du kannst es spüren, nicht wahr?«, fragte mich der riesige Mann. Ich wusste zwar nicht, was er meinte, aber wenn er diese Wärme meinte, die von ihm ausging, ja, die konnte ich spüren. So nickte ich. »Verstehe. Den Burschen nehmen wir mit. Der wird uns viel Geld einbringen. Ein Hexenjunge inmitten der Bauern. Wer hätte das gedacht.«

Harte Arbeit, Hunger und Durst, das waren meine Spielgefährten, während meiner Kindheit und danach meine Gefangenschaft.

 

Die Zeit verflog und plötzlich durchströmte mich die unsagbare Wärme der reinen Magie. Suchen, zu wem sie gehörte, brauchte ich nicht. Diese Magie war zu stark, zu rein, zu mächtig.

»Herr, Eriks Magie erwacht! Schnell.«

 

 

4.4 Nils.

 

Was war das nur für ein Gefühl? So herrlich warm und ich kuschelte mich an den Körper, der neben mir lag. Lauschte seinem regelmäßigen Herzschlag. Erik stöhnte kurz, zuckte auf, doch dann schlief er weiter. Ich schlug die Augen auf. Diese wunderbare Wärme kam von ihm und es erfüllte mich mit Ruhe und Freude. Ja wir gehörten zusammen. Ja es war wirklich, als ob wir eins waren. Mit nichts würde ich ihn jemals wieder verlassen.

Wie von selbst fuhren meine Finger über seinen Körper und Erik drehte sich zu mir. Es sah so aus, als ob er lächelte und ich musste schmunzeln. Im Mondlicht sah er einfach umwerfend aus. Nicht nur das, er hatte sich mir hingegeben. Überrascht hatte er mich, als er das Gleitgel aus seinem Schub geholt hatte und mit ernster und gleichzeitig erregter Stimme sagte. »Lass es uns tun.«

Sicherlich hatten wir vorher uns gegenseitig zum Höhepunkt gebracht, aber so richtigen Sex, hatten wir noch nie. Er war besser, als ich ihn mir jemals vorgestellt hatte.

Ich war dabei wieder einzuschlafen, als Wind im Zimmer aufkam. Wind bei geschlossenem Fenster und ich schreckte hoch. Die Wand verzerrte sich kurz und dann war es windstill. Nein! Durchschoss es mir. Es war ungefähr genauso wie ...

»Beeilt Euch!« Diese Stimme, ich legte mich wieder hin und schloss so weit die Augen, dass ich noch unter den Wimpern hervorschauen konnte. Es war dieser Mann. Mein Herz raste, doch ich wandte einen Spruch an, dass mein Körper so aussah, als ob er schlief und ich dennoch wach war.

Gottlob ich meinen Vater, der mir dies beigebracht hatte. Um ehrlich zu sein, es war das Erste, was ich beherrscht hatte.

Der Mann beugte sich über mich.

»Nils schläft.« Und schon wurde ich aus dem Bett gehoben und auf die Couch gelegt, die mit im Eriks Zimmer stand.

»Etienne ich spüre sie auch. Sie wird von Sekunde zu Sekunde stärker.«

»Geht beiseite Herr.« Er ging wieder zum Bett und beugte sich über Erik. Legte eine Hand auf Eriks Bauch und plötzlich bäumte sich Erik auf. Dann flog der Mann durch das Zimmer gegen die Wand. Ich erschrak, doch dank des Zaubers, den ich über mich gelegt hatte, blieb mein Körper ruhig.

»Fuck!«, rief er.

»Etienne!«

Etienne, ja sein Name war Etienne. Er richtete sich wieder auf, sah seine Zähne und wie er aus dem Bauch blutete.

»Er verwandelt sich. Scheiße. Warum habe ich das Gift nicht gerochen. Herr, haltet ihn an den Füßen fest ...!«

Erik war plötzlich vor Etienne. Seine Finger zu Klauen verzerrten und scharf spitzten seine Zähne über seine Lippen. Eriks Vater lag neben dem Bett. Auch er blutete, aber nicht so stark und er war bei Bewusstsein. Angst kam in mir hoch, doch wusste ich auch, wenn ich mich nicht aus vollem Bewusstsein bewegte, würde mir nichts passieren.

»Weg der Bindung. Handgelenk.« Eriks Hände flogen auf sein Rücken und er konnte sie nicht mehr auseinandernehmen. »Weg der Bindung. Fußgelenk.« Erik stürzte zu Boden.

»Weg der Bindung. Starre.« Nun konnte er sich gar nicht mehr bewegen und er fauchte Etienne nur an.

Etienne atmete schwer und er hielt sich am Bauch fest. Doch das hielt ihn nicht auf und setzte sich auf Erik. Er schloss die Augen und nun sah ich, was die reine Magie, wirklich an Kraft besaß.

»Ich befehle dir, ziehe dich zurück. Ich rufe das zweite Siegel der Versiegelung. Erscheine.« Eriks Vater war auf die beiden zugetreten und Etienne schüttelte den Kopf.

»Ich kann es nicht versiegeln«, sagte er und legte nur seine Hand wieder auf Eriks Bauch. Nach wenigen Sekunden stand er auf. Er schwankte und Eriks Vater fing ihn auf.

»Es tut mir leid Herr. Ich habe nicht gewusst, dass er vergiftet ist. Es tut mir leid.«
Erik hatte sich zurückverwandelt und schien, als ob nichts passiert war.

»Was ist mit ihm?« Etienne richtete sich wieder auf.

»Ich habe die Verwandlung aufgehalten, aber sie wird wieder ausbrechen, wenn er zum Mann wird. Dann ist er wie ich.«

»Gibt´s kein Weg es aufzuhalten!« Etienne schüttelte den Kopf.

»Nein Herr. Den gibt es nicht.«

»Und seine Magie?«

»Ich habe sie eingedämmt, aber es wird ihn und Euch nicht mehr schützen. Sie ist bereits zu stark.« Ich sah, wie Etienne Eriks Vater musterte, der an seinem Sohn herangetreten war und ihn hochhob. Ihn in sein Bett legte und zudeckte. Dann kam er zu mir und brachte mich ebenfalls ins Bett.
Danach drehte er sich zu Etienne, der so schien es mir, sein Blick abwandte und er sich, wie unterwürfig verhielt.

»An was denkst du?«

»Ich kann es mir nicht erklären, warum ich das Gift nicht gerochen habe.«

»Also könnte ich auch infiziert sein?« Etienne zuckte mit den Schultern und atmete schwer. »Aber durch des, dass du an mir die Dreifach-Versiegelung angewandt hast, könnte es sein, dass es erst gar nicht bei mir ausgebrochen ist. Es hatte nicht einmal die Möglichkeit.«

»Das ist absurd! Das Gift tritt in Kraft, wenn reine Magie vorhanden ist. Ist die Magie zu schwach oder man hat gar keine, wird man verschlungen, ist sie zu stark verwandelt man sich. Wenn man von den Kreaturen nicht gefressen wurde. Aber nachdem ich Erik gesehen habe, kann ich nicht mehr behaupten, dass Ihr nicht vergiftet seid. Ich habe das Gift in jedem gerochen, der durch die Kreaturen infiziert worden ist. In jedem«, sagte er und berührte sich an den Stellen, die Erik verwundet hatte.

»Etienne kann es sein, dass du was übersehen hast? Immerhin sind über 12 Tausend Jahre vergangen, seid die Kreaturen über uns hergefallen sind.« Etienne schüttelte den Kopf und Eriks Vater nahm in unter dem Arm. Sie verließen das Zimmer.

 

Tief atmete ich ein, als ich sie nicht mehr hörte und ich drehte mich zu Erik. Er schien, von dem, was eben passiert war, nichts bekommen zu haben. Automatisch und so als ob ich ihn beschützen wollte, legte ich einen Arm um ihn und drückte mich an seinen Körper. Ich wusste nicht warum. Eigentlich war mein erster Impuls, weg von hier und doch ging es nicht. Löste den Zauber und schloss meine Augen. Ich wollte schlafen und darüber nachdenken, doch ich kam nicht weit, denn die Decke wurde von mir weggezogen. Ich wandte mich um und blickte in kalten Augen und gleichzeitig auf scharfen spitzen Zähnen.

»Lass es mich nicht bereuen, dich am Leben gelassen zu haben. Nils.«

»Was?«

»Das du noch lebst, hast du Erik zu verdanken. Nur ihn!«

»Erik?« Er nickte und blickte zu Erik. Es schien, als ob er leicht lächelte, doch dann wandte er sich mir wieder zu.

»Nils. Ich bin beeindruckt! In so kurzer Zeit, den Verbergungszauber so perfekt hinzubekommen.«

»Sie haben es bemerkt?« Nun lächelte er mich an und seine Züge wurden sanfter.

»Natürlich.«

»Und Sie ... haben ...«

»Wieder nichts unternommen. Ja Nils. Also haben wir uns verstanden? Lass es mich nicht bereuen und Nils, es wäre schön, wenn du Erik und überhaupt anderen nichts, was vorhin passiert ist, erzählst. Er weiß davon nichts und es soll auch so bleiben.« Keine Ahnung, warum, aber ich nickte. Es schien, als ob ich in seine Augen gefangen war.

 

 

4.5 Tjark:

 

Ich saß auf der Couch und an Schafen war nicht mehr zu denken. Dass was eben passiert war, ... ich schüttelte den Kopf. Wie oft hatte es Etienne erlebt? Diese Verwandlung. Der Schmerz und das Leid waren ihm im Gesicht geschrieben. Wie viele Freunde und Verbündete musste er dadurch zu Grabe tragen? Es war für mich einfach unvorstellbar.

Der einsame Krieger.

Diese Bezeichnung passte zu ihm. Er war einsam. Ein Zustand, in dem er sich selbst gebracht hatte. Konnte ich ihm daraus helfen? Wohl kaum. Er sah mich nicht als Mann, als Freund oder als ebenbürtig an. Ich war für ihn immer noch sein König. Sein Herr und Gebieter.

Er wandelte seit 12 tausend Jahren und konnte es immer noch nicht ablegen, dass er kein Sklave mehr war. Begriffen hatte er es vielleicht, aber irgendetwas hielt ihn davon ab. Nur was?
Konnte es der Zwang sein, den mein Vater damals über ihn gelegt hatte? War der Zauber noch immer aktive?

 

Ich hätte, wenn der Angriff der Kreaturen vorbei gewesen wäre und der Frieden wieder in mein Königreich Einzug gehalten hätte, ihm seine Freiheit zurückgegeben und ihn in den Stand des Adels gehoben.

Seine Magie war zu stark für einen einfachen Bauernjungen. Seine Eltern oder Großeltern mussten Hexer gewesen sein. Doch selbst dafür war sie zu mächtig. Nachdem sie in ihm erwacht war, hatte er in kürzester Zeit die Stufen der Hexer überschritten und wurde ein Magier, der ohne Hilfsmittel seine Magie anwenden konnte.

Doch nun? Er hielt sich selbst gefesselt. Gebraucht so gut wie gar nichts mehr von seiner Magie. Er hatte sich selbst gegeißelt. Nur hin und wieder, wie hatte er es gesagt?

›Nur im äußersten Notfall wende ich Magie an. Je weniger es von der reinen Magie gibt, umso besser ist es für die Welt und den Menschen. Sie bringt nur Unheil. Leid, Schmerz und Tod.‹

I

n einem der vielen Gespräche, die ich mit Etienne geführt hatte, hatte ich ihn gefragt, was an der reinen Magie so schlimm sei.

»An der Magie selbst ist nichts Schlimmes oder Verwerfliches. Aber sie zieht die Kreaturen an. Wenn die reine Magie in unserer Welt überhandnimmt, kommen sie aus ihrer Dimension und greifen jeden an. Egal, ob dieser nun Magie in sich beherbergt oder nicht.«

»Woher weißt du das?«

»Ich bin selbst zu so einer Kreatur geworden. Die reine Magie zieht mich an. Ich will sie. Ich will sie fressen, mich darin suhlen. Sie voll und ganz verschlingen. Und bevor ich mich nicht mehr zurückhalten kann, vernichte ich sie. Töte jeden, der nur einen Funken davon in sich trägt.«

Blutige Tränen hatte er dabei geweint. Es hatte mich selbst erdrückt und doch, war das nicht das Einzige, was ihn bedrückte. Es gab noch etwas. Worüber er nicht mit der Sprache rausgerückt war. Etwas, was ihn mehr Angst machte als sein eigener Tod. Ich hatte es in seine Augen gesehen, damals, als Erik und ich aus dem Portal kamen und er uns aufgefangen hatte. Diesen Ausdruck hatte er immer noch. Er konnte mir nicht mehr in die Augen schauen. Damals vor dem Angriff kam es öfters vor, dass er seinen Blick nicht mehr gesenkt hatte. Seine ganze Haltung war die, wie die eines freien Mannes und er hatte mich öfters mit meinem Namen angesprochen.

 

Wie gerne würde ich meinen Namen ohne Aufforderung wieder aus seinem Mund hören. Mich in seiner Umarmung und Küssen verlieren, doch er verweigerte sich mir. Nur ein einziges Mal hatte ich es geschafft, ihn so weit zu bringen, dass er sich mir hingab. Nur einmal in den letzten 16 Jahren. Obwohl ich seine Begehrlichkeit, selbst nachdem meine Magie versiegelt worden war, für mich, deutlich sehen konnte.

Doch das ganze Grübeln brachte nichts. Ich würde es wohl nie erfahren und Etienne, es zu befehlen es mir zu sagen lag mir fern. Ich wollte ihm nichts mehr befehligen oder etwas von ihm verlangen, was er nicht wollte. Ich hatte einfach das Recht nicht mehr dazu.

Am Anfang tat ich mir schwer es zu akzeptieren und doch hatte es mir mein Verstand gesagt. Immer wieder hatte ich es mir selbst vorgesagt: »Das ist nicht mehr meine Zeit. Es sind Äonen vergangen und ich bin seit über 12 tausend Jahre eigentlich schon tot.« Wie ein Mantra immer wieder und ich tat mein bestes, Erik nach der heutigen Zeit zu erziehen.

Schwer war es, weil ich kannte, es so nicht.

Von wegen und mein Vater hätte mich erzogen. Der hätte nicht einmal im Traum daran gedacht, überhaupt mich in den Armen zu nehmen. Dafür waren die Ammen zuständig.

Nur für öffentliche Auftritte hatte ich mal mein Vater gesehen. Meine Mutter hatte sich öfters nach mir umgeschaut und mich auf ihren Schoß genommen, aber sonst, waren nur die Ammen meine ständigen Begleiter. Ausgenommen die Männer, die mir was beibringen wollten. Wie ich das Schwert am besten festhielt und damit zustach. Wie ich eine Falle für Eber oder Bären herstellte und aufstellte. Wie ich sie am schnellsten tötete und die Haut abzog. Oder Strategien zu erfinden, um den Feind schnellstmöglich zu besiegen und die Magie zu benutzen. Damals waren es Sachen, die man zum Überleben brauchte. Doch heutzutage war die Benutzung der Technik von Nöten, um überleben zu können.

Wie gerne würde ich Erik etwas von damals beibringen, doch ich durfte es nicht. Ich konnte es nicht. Er würde mir den Vogel zeigen und sagen, das braucht kein Mensch mehr.
Aber etwas mehr Ehrgefühl für die Natur und den Tieren, ... ach ich verwickelte mich in etwas und wusste, das es unnütz war.

Ich konnte Erik nichts bebringen, was ich als wichtig erachte.

Kurzzeitig schloss ich meine Augen und belächelte mich.

»Tjark du bist ein alter Narr geworden. Andere Zeit andere Sitten.«

Somit hievte ich mich von der Couch und ging in die Richtung meines Schlafzimmers. Vor Eriks Zimmer blieb ich stehen, betrat es und betrachtete die beiden umschlungenen Körper.

›Nils wäre ein guter Diener gewesen, der dir die Nächte versüßt hätte. Dir mit all seinem Wissen Rat und Antwort zur Seite stand.‹

Doch wusste ich auch, dass es nun nicht so war.

Nils war Eriks Liebhaber und ich schüttelte den Kopf.

Damals hieß es Konkubinator oder Lustknabe, den man sich halten konnte, neben der Verlobten oder Ehefrau.

 

Meine Gedanken schweiften zu Etienne. Gott hatten wir es getrieben. Er mich, ich ihn. Je nachdem. Aber er gab mir immer das, was ich gebraucht hatte, selbst als ich verheiratet war. Mit Frauen, vor allem mit Rea wusste ich nicht umzugehen.

Immer hatte ich das Gefühl gehabt, Rea würde in meinen Händen zerbrechen. Ich konnte sie nicht so anbacken wie Etienne und es gab mir keine Befriedigung.

Ich deckte die beiden zu und ging nun endgültig in mein Bett.

 

Ich starrte an die Decke.

»Etienne wo bist du? Warum bist du nicht geblieben?«

Umgriff mich und gab es mir, bis ich kam. Immer Etiennes Gesicht vor Augen. Sein lustverhangener Ausdruck, wenn er kurz vorm Orgasmus stand oder das unterdrückte schmerzverzerrte Gesicht, wenn ich in ihm eindrang. Gleitgel gab es damals nicht, doch wenn ich in ihm drin war, konnte Etienne niemand mehr stoppen.

 

 

4.6 Etienne

 

Scheiße ich wollte jemanden ficken, egal wen, nachdem es mit Erik passiert war. Ich musste mich abreagieren, doch Tjark wäre der Falsche gewesen. Ich kam nicht einmal darauf, meinen Herrn zu nehmen. Obwohl die Anzeichen da waren. Er wollte es, selbst nachdem. Ich konnte es nicht verstehen.

So stand ich im Schlafzimmer von Cedric, der neben seiner Frau schlief. Ich überlegte, ob ich ihn nun wecken sollte oder nicht. Doch als ich mich entschieden hatte zu gehen, wachte er auf.

Eine kurze Zeit lang musste er sich sammeln, doch dann erkannte er mich.

»Etienne«, sprach er mich an. »Was ist los?« Ich schaute ihn durchdringend an und meinte: »Ich muss ficken.«

Nun war er schlagartig wach und schaute zu seiner Frau.

»Bist du von allen guten Geistern verlassen?«, fragte er mich leise oder zischend, oder was es auch war und stieg aus dem Bett.

 

Da er nur mit einer wirklich abturnenden Unterhosen geschlafen hatte, wandte ich mich ab und ging in seine Küche. Machte ich das Richtige? Warum kam mir diese Frage? Und ich schüttelte unentwegt den Kopf.
War ich so notgeil? Und ich pustete Luft aus. Gleichzeitig rieb ich mir die Stirn.

»Also was ist los? Was ist passiert, dass du einfach in meine Wohnung gestürmt kommst und mich ficken willst.

Kurz schaute ich ihn an.

»Ich weiß es nicht. Cedric aber ich muss jetzt, unbedingt, sonst mach ich etwas, was ich hinterher bereuen werde.«

»Was ist passiert?« Doch weiter kam er nicht. Nun war es mir egal, ob er diese Unterhose anhatte oder nicht. Ich musste meinen Druck loswerden. Mein Verlangen.
Mein Verlangen nach ...

 

Erik.

 

Lange hatte ich es ignoriert, doch nun kam es hoch. Mit der aller Macht. Cedric gab ich keine Zeit. Ich drückte ihn über den Küchentisch, zog ihm die Unterhose runter und ohne Vorbearbeitung stieß ich in ihm.
Biss in seinem Hals und nahm mir das, was er mir gab. Sein Blut und seine Lust.

 

Erik.

 

Ich wusste, warum ich mich Tjark immer verwehrt hatte. Ich konnte es mit ihm einfach nicht mehr. Erik hatte mich für sich eingenommen. Schon als er noch ein Baby war. Als er aus dem Portal in meinen Armen landete.

 

Erik.

 

Ich war ihm verfallen.

 

Erik.

 

Nils. Ich hätte ihn töten sollen. Ja das hätte ich tun sollen. Doch dann wäre Erik traurig gewesen. Ich mag es nicht, wenn Erik traurig war. Konnte ich nie. Ich konnte ihn noch nie vor Schmerzen schreien hören. Es tat mir weh.
Ich wollte ihn verwöhnen. Mit allem, was ich hatte, was ich ihm geben konnte. Doch konnte ich es nicht.
Er lebte über den Tag. Ich während der Nacht.

Cedric hielt sich am Tischende fest und ließ mich tun. Ich wusste, dass er keine Freude daran hatte, doch es war mir egal. Ich musste den Druck loswerden. Mein aufgewühltes Inneres rausficken und immer und immer wieder meine Zähne in sein Fleisch stoßen.

Endlich kam die Erlösung und ich keuchte auf Cedrics Rücken. Langsam zog ich mich zurück und stützte mich am Tisch ab.

Cedric drehte sich zu mir und nahm mein Gesicht in seine Hände.

»Ich will keine Entschuldigung hören«, sagte er schließlich, nachdem er mir in die Augen geblickt hatte, und nahm meine Hand in seine. Vollführte einige Handzeichen und meine Bisse verschwanden von seiner Haut. Nach dem er verheilt war, lächelte er. »Ich weiß nicht, was passiert war, aber es hat dich ganz schön zugesetzt. Ich hoffe, ich konnte dir etwas helfen.« Ich nickte nur. »Gut, dann kannst du dich ja um ihn kümmern. Er ist etwas zu kurz geraten.«

Cedric drückte mich runter und ich nahm seine ganze Länge in den Mund auf. Das war ich ihm schuldig. So wie ich ihn behandelt hatte.

So wie ich in ihm gestoßen hatte, so stieß er in meinen Mund und stellte mir Erik dabei vor.

 

Wie kam es, das ich mich zu Erik hingezogen fühlte? Während ich Cedrics bestes Stück verwöhnte, versuchte ich mich zurückzuerinnern.

Da war er noch ein Baby. Tjarks hatte mich oft angerufen, das ich ihm mit Erik half. Wenn er vor einer Packung Milchnahrung saß und die Zubereitung nicht verstand oder als Erik das erste Mal in seine Windel gemacht hatte. Als Erik die drei Monatskoliken hatte, war ich derjenige, der ihn zum Einschlafen gebracht hatte. Über seinen Bauch streichelte oder ihm zum Bäuerchen machen gebracht hatte. Ihm etwas vorsang oder Geschichten von seinem Vater erzählte. Da spürte ich bereits mein Verlangen nach ihm und meine Besuche bei Tjarks wurden weniger oder ich kam, wenn Erik bereits tief und fest schlief.

In der Nacht des Abschiedes zeriss es mir fast das Herz. Tjark dachte ich, würde um ihn trauern, aber es war nicht so. Es war wegen Erik, dass sein Lachen nicht mehr mir galt. Dass er mich nicht mehr umarmt und mir einen Schmatzer auf die Wange gab. Dass ich seine Lebensfreude und den unschuldigen Blick von ihm nicht mehr sehen durfte. Dieser unschuldige Blick, der mir die Sinne raubte. Immer und immer wieder.

Eingeredet hatte ich es mir, dass der Abschied leicht fallen würde. Eingeredet, dass ich mich wegen Tjark so schlecht fühlte. Das waren alles Lügen. Ich wusste es. Ich hatte es schon immer gewusst.

Danach fing ich an, ihn aus der Ferne zu beobachten, und selbst da hatte ich es mir nicht eingestehen wollen. Die Ausrede, dass ich ihn im Auge behalten musste, wegen seiner Magie. Sie war zwar richtig, doch tief in mir drinnen, wollte ich nur Erik sehen.

Cedric war gekommen und ich richtete mich auf. Er zog sich die unmögliche Unterhose hoch und verschwand kurz in sein Schlafzimmer. Er hatte sich einen Bademantel übergezogen und setzte sich zu mir an den Küchentisch.

»Nun sag schon, was ist passiert? Haben die Vampire randaliert oder war wieder was mit der Polizei.« Ich schüttelte den Kopf.

»Ich hatte die Versiegelung versemmelt.«

»Die was? Versiegelung? Seit wann versiegelst du? Du tötest, aber nicht versiegeln. Etienne wirst du in den Jahren noch sensibel oder was?« Ich schaute zu ihm und er blickte mir tief in die Augen.
»Cedric?«, rief ihm Marlies und kam auch sogleich in die Küche. Als sie mich sah, atmete sie tief ein. »Etienne, was machst du hier? Es ist unser freies Wochenende.«

»Ich weiß und ich bin eigentlich auch schon weg. Habe Cedric nur den neuen Schichtplan gegeben«, meinte ich und erhob mich. Sie sagte nichts drauf und Cedric ließ mich aus der Wohnung.

»Neuer Schichtplan, dass ich nicht lache. Der will dich doch wieder ins Bett bringen.« Kurze Stille. »Oder treibt ihr es immer noch miteinander?«

»Nein, nein Marlies. Es ist nichts passiert. Ehrlich!« Ich schüttelte den Kopf und stieg die Treppen runter.

»Cedric du hast auch schon mal besser gelogen«, nuschelte ich und grinste. »Du kannst von Glück sagen, das sie nur ein einfacher Mensch ist, aber unterschätze sie nicht.«

Ich fuhr nach Hause und legte mich ins Bett. Da meine Jalousien zeitgesteuert waren, betrachtete ich die Sterne, bis ich einschlief.

 

Kapitel 5

5.1 Erik

 

Ich war noch nie so glücklich. Mit Nils funktionierte es fantastisch. Es war, als ob er jeden Wunsch von meinen Augen oder Lippen ablesen konnte und umgekehrt verhielt es sich genauso. Den Schulabschluss hatte ich hinter mich gebracht und meine Lehre ebenso. Doch leider bekam ich in meinem gelernten Beruf keine Anstellung. So jobbte ich Teilzeit in einem Fast Food Restaurant.

Vor Kurzem hatten Nils und ich den größten Schritt im Leben eines einzelnen gewagt. Wir zogen zusammen.

 

Immer wieder blickte ich auf die Uhr und zählte bereits die Millisekunden, bis meine Schicht zu Ende war. Einkaufen musste ich auch noch und malte mir aus, was ich auf den Tisch zauberte. Nils war zwar der, der immer kochte, aber ich wollte ihn auch mal verwöhnen. Ganz besonders zu unserem Vierjährigen. Wieder blickte ich auf die Uhr.

Bediente die Kunden am Drive Inn und endlich war es soweit. So schnell hatte ich die Schürze noch nie abgelegt und mich umgezogen.

»Na du hast es aber heute eilig, hier wegzukommen«, sprach Jasper ein Arbeitskollege mich an. Er lehnte an der Tür und beobachtete mich.

»Ja, ich muss einkaufen und kochen auch noch.« Er lächelte mich an und nickte nur.

»Ich dachte, wir gehen ...«, meinte Jasper, aber ich unterbrach ihn: »Nee tut mir sorry. Heute geht´s nicht.« Ich hatte keine Lust auf einen erneuten Feierabendkaffee. Manchmal ging er mir damit echt auf die Nerven.

 

Mein nächster Weg ging zum naheliegenden Supermarkt und kaufte für unser gemeinsames Abendessen ein. Ich war schon ganz schön aufgeregt. Es sollte etwas Besonderes werden und stand vor dem Weinregal. Nils trank, seit wir aus der Schule waren, so gut wie keinen Alkohol mehr, außer mal ein Radler und das konnte ich an einer Hand abzählen.

Dennoch griff ich ins Regal und holte eine Flasche raus.
Mit einem Hochgefühl behaftet ging ich nach Hause. Kaum betrat ich das Treppenhaus und schon spürte ich, wie ich zu Grinsen anfing. Ich konnte es nun wirklich nicht mehr erwarten, Nils, wenn er nach Hause kam zu verwöhnen. Ich hatte mir da schon einen Plan zurechtgelegt.

Das Strahlen wurde breiter, als ich mein Vorhaben noch einmal durchging. Unser Vierjähriges sollte etwas Besonderes werden.

›Zuerst richte ich das Essen an. Dann fülle ich die Badewanne voll und gebe sein Lieblingsduft hinein. Danach ...‹

Meine Gedanken wurden unterbrochen, als ich die Haustür aufsperren wollte und bemerkte, dass sie gar nicht abgeschlossen war, obwohl Nils immer darauf bestand, alles doppelt abzuschließen, wegen den Kleinkriminellen, hier in der Straße. Nun ja, es konnte sein, dass er es vergessen hatte. Er war immer notorisch unpünktlich, weil er nie aus dem Bett kam.

Ich betrat unsere Wohnung und mein erster Gang war in die Küche. Ich stellte die Tüte ab und fing an meine Zutaten auszuräumen und zu verstauen. Nachdem ich dies erledigt hatte, wollte ich mir etwas bequemes Anziehen und ging in die Richtung des Schlafzimmers.

Geräusche kamen aus dem Schlafzimmer und ich verdrehte meine Augen. Nils hatte bestimmt wieder den Fernseher vergessen auszuschalten und betätigte die Klinke. Betrat das Zimmer und ich verschlucke mich. Ich spürte den Reiz nicht, denn die Luft blieb mir weg und starrte nur auf die Körper, die sich im Bett rekelten.

»Ahhh Nils ...!«, stöhnte der Kerl, der unter Nils lag.

Nur flüsternd kam mir sein Name über die Lippen. Überrascht sah Nils zu mir, doch stattdessen verlegen zu sein, blickte er mich hämisch an und stieß weiter in den Kerl.

Wie im Nebel, schüttelte ich den Kopf und atmete tief ein. Nun spürte ich den Reiz. Drehte mich um und verließ das Schlafzimmer.

In der Küche musste ich mich am Tisch festhalten. Hustete und krachte zu Boden. Ich spürte, wie sich alles in mir zusammenschnurrte und Tränen wie ein Wasserfall die Wangen unterliefen.

»Was hast denn? Sag mir jetzt nicht, du hast es nicht gewusst, dass ich mir immer mal nen anderen ins Bett hole. So langweilig wie du bist.« Was hatte er gesagt? Ich war langweilig? Warum war er erst mit mir zusammengezogen? Ich verstand die Welt nicht mehr.

Ich schaute zu ihm. Er war nackt. Er hatte wirklich die Nerven, nackt und mit einem halbsteifen Schwanz vor mich zu treten und mich anzugrinsen, als ob nichts gewesen wäre. Als ob er freudig auf mich gewartet hätte.

 

 

5.2 Nils

 

Es Zeriss mir das Herz. Erik so zu sehen, doch ich wusste, es war das Beste. Das Beste für ihn. Lange hatte ich überlegt, wie ich es mit ihm beenden konnte. Einfach Schluss machen? Nein. Erik würde zwar enttäuscht sein, aber mir verzeihen.

Im Streit auseinander, wegen Geld oder was anderem, ging auch nicht. Erik würde es verstehen und mir verzeihen. Es musste etwas sein, was ihn so tief verletzte, dass er ausbrach.

Ich fühlte, dass er sein Mannesalter erreicht hatte und nichts war geschehen. Es konnte nicht einfach durch Etiennes Eindämmung verhindert worden sein. Dafür was seine Magie viel zu rein. Ich fühlte sie und sie sollte mir gehören, doch dafür musste er ausbrechen, dann konnten wir für immer zusammen sein. Alles hatte ich bereits für den Tag vorbereitet.

Seit Wochen wartete ich darauf, dass er mich in flagrant erwischte. Doch immer musste er eine Schicht für jemanden übernehmen oder war mit diesem Jasper, der anscheinend was von ihm wollte noch einen Kaffee trinken. Jasper ich kannte diesen Mann. Er war ein Jäger.

Erik war auf ihn angesprungen, weil er bereits etwas bemerkt hatte und doch ging er blauäugig durchs Leben.

»Was hast denn? Sag mir jetzt nicht, du hast es nicht gewusst, dass ich mir immer mal nen anderen ins Bett hole. So langweilig wie du bist.« Seine Augen, sie veränderten sich. Ja, es war so weit. Erik brach aus. ›Nun komm zu mir, damit wir für immer zusammen sein werden.‹ Ich fühlte sie, seine reine unverdorbene Magie. Ich breitete meine Arme aus und ...

Ich spürte den Aufprall kaum und fühlte scharfe Krallen an meinem Hals.

»Weg der Fesselung. Körper«

Vor mir krachte Erik auf den Boden und ich sah, wie seine Magie aus ihm ausströmte. Sie war wunderschön.
Ich konnte kaum meinen Blick von ihm wenden, doch die Krallen an meinem Hals ließen mich zu dem Mann aufschauen.

»Ich habe dir gesagt, lass es mich nicht bereuen, dich am Leben gelassen zu haben. Was hast du mit Erik gemacht, dass die Eindämmung zurückgedrängt wurde?«

»Nils, ... wann kommst du wieder ins Bett?«, hörte ich und grinste Etienne an. Dieser atmete tief ein und legte seinen Kopf schief.

»Verstehe ...!«, murmelte er nur und ich griff ihn an. Doch er reagierte zu schnell und verpasste mir mit seinen Krallen einen Schnitt am Hals.
Weiter kam er nicht, denn Erik war dabei, sich aus der Fesselung zu befreien. Sein Körper bäumte sich auf. Speichel lief ihm aus dem Mund und er schrie. Ich sah, wie seine Zähne länger wurden. Seine Finger zu Krallen wurden und seine Iris eine andere Farbe annahm.

»Scheiße!«, fluchte Etienne und er beugte sich über Erik. »Die Verwandlung hat eingesetzt.«
Erik schrie schmerzverzerrt auf und Etienne packte ihm am Genick. Zog ihn zu sich hoch und ich sah, wie Erik sich in sein Hals verbiss.

»Durch mein Blut sollst du gestillt sein. Ziehe dich zurück und lasse den Körper frei. Bitte. Ich flehe dich an, zwinge nicht wieder eine unschuldige Seele in die Verdammnis.«

Erik wurde ruhiger und lag nun schlaff in Etiennes Armen. Dieser blickte mich an und schloss kurz seine Augen. Dann legte er Erik zurück auf den Boden und stand auf.

»Es tut mir leid, aber ich kann es nicht weiter verantworten, dass du am Leben bleibst. Hexer.«

Danach ging es schnell. Mein Zirkel erschien und drängten Etienne zurück. Er schnappte sich Erik und verschwand durch ein Portal. Doch zuvor grinste er uns an.
Mein Mentor und Hexenmeister drehte sich zu mir um.

»Der junge Mann, den der Wächter mitgenommen hat, ist die reine Magie.« Ich nickte. »Warum lässt er ihn am Leben?«

»Ich weiß es nicht. Auch mich hat er am leben gelassen.«

»Wir müssen die reine Magie in unserer Hände bekommen und es war deine Aufgabe.«

»Ja ich weiß. Aber Erik ist auch ein Vampir.«

»Nein, er ist kein Vampir. Er ist etwas anderes. Seine Magie und die des Wächters sind identisch.«

 

 

5.3 Etienne

 

Das Portal öffnete sich in Tjarks Wohnzimmer und er stand erschrocken auf. Starrte uns an und kam auf uns zu.

»Was ist passiert?«

»Die Verwandlung hat eingesetzt. Ich konnte sie zurückdrängen, aber es wird nicht für immer bleiben. Nils hat es irgendwie geschafft, die Eindämmung zu zerbrechen. Und er hat sich einem Zirkel angeschlossen.« Ich legte Erik auf die Couch und strich ihm eine Träne vom Gesicht.

»Was hat das zu bedeuten?«

»Es tut mir leid Herr, aber es ist das eingetreten, wovor ich Euch die ganze Zeit, versucht habe zu beschützen. Eriks Magie kann nicht mehr eingedämmt werden. Ihr seit ab sofort Beute. Jeder will sich seine Magie zu Nutzen machen. Ihr müsst von hier verschwinden.«

»Was ist mit dir? Kommst du mit« Ich schüttelte den Kopf.

»Nein Herr. Ich habe es auch auf ihn abgesehen. Noch kann ich mich zurückhalten, doch ich weiß nicht, wie ich reagiere, wenn seine Magie vollständig erwacht ist.«

»Etienne, was ...?«

»Verschwindet von hier. Jetzt ... oder ich werde euch beide töten. Ich bin eine Kreatur, die es auf reine Magie abgesehen hat.«

Es wurde höchste Zeit und ich drehte mich zu Tjark. Legte ihm meine Hand auf seinen Bauch und murmelte:

»Breche«

In sekundenschnelle breitet sich die versiegelte Magie in Tjark aus und ich spürte den Drang, mich auf ihn zu stürzen. Ich fragte mich, warum ich diese Mordlust in mir nicht gespürt hatte, an dem Tag, als die beiden durch das Portal gekommen waren.

»Geht«

»Etienne komm mit uns mit?«

»Nein Herr!« Ich holte mein Geldbeutel aus der Hosentasche und überreichte Tjark eine Kreditkarte. »Hier, nimmt sie. Damit müsstet Ihr ein paar Jahre auskommen. Geht in ein Geldinstitut und hebt das gesamte Geld ab. Danach verschwindet komplett von der Bildfläche. Nimmt zu niemanden Kontakt auf, auch nicht zu mir. Zu niemanden. Vertraut niemanden. Geht! Lebt wohl.«

Ich wandte mich von ihm ab und verließ das Haus. Sofort rannte ich zum nächstliegenden Wald. Suchte mir ein Tier, das ich reißen konnte. Danach sank ich auf die Knie und spürte, wie verloren ich mich fühlte.

 

Mein Handy klingelte und ich dachte schon an das schlimmste, doch ich las Ankya.

»Was willst du?«

»Was war das für eine Erschütterung der reinen Magie? Ich musste mich total zusammenreisen, um nicht zu teleportieren.«

»Das war Tjarks Magie.«

»Wie das?«

»Ein Hexenzirkel hat Erik ausfindig gemacht. Es tut mir leid. Um den beiden willen musste ich die Versiegelung von Tjark lösen.«

»Etienne was hast du gemacht? Nun ist jeder hinter ihnen her.«

»Das sind sie schon seit 20 Jahren. Du hast keine Ahnung, wie viele ich getötet habe.«

»Das ist jetzt nicht wichtig. Wie gehts dir?«

»Seit wann fragst du? Außerdem kannst du es dir vorstellen, wie es mir geht. Ich will töten. Mich im Blut meines Opfers baden.«

»Ich verstehe. Ich warte.« Sie legte auf und ich schloss meine Augen. Obwohl ich es nicht wolle, so war ihr Angebot doch sehr verlockend. Ich öffnete ein Portal und in der nächsten Sekunde stand ich vor Ankya. Sie musterte mich und wich nicht zurück, als sie das ganze Blut sah.

Ohne ein weiteres Wort stürzte ich mich auf sie. Verbiss mich in ihr Hals und riss ihr ihren Designeranzug vom Körper. Krallte meine Klauen in ihr Fleisch. Blut, ich brauchte Blut und leckte es von ihr ab. Ich nahm sie, ohne auf sie rücksicht zu nehmen, und war ihr dankbar, dass ich meinen grausamen Trieb an ihr ausleben durfte.
Sichtlich befriedigt und wieder vollständig verheilt, stand sie auf und blickte auf mich herab.

»Ich frage mich, warum du dich immer so zurückhältst? Sicherlich ist es für mich gut, da komme ich so alle halbe Jahrhundert mal auf meine Kosten, aber für dich ist es nicht gut. Wenn du immer alles unterdrückst.«

»Das ist meine Sache.«

»Natürlich ist sie das. Ich habe dir ein paar frische Anziehsachen besorgen lassen. Du kannst noch duschen, wenn du willst, und das Angebot, dass du hier schläfst, steht auch noch.«

»Danke aber duschen reicht.«

»Schon klar.« Somit wandte sie sich ab und ging. Ich selbst stand auf, duschte mich und verschwand. Betrachtete den Autoschlüssel, den ich von ihr mitgehen lassen hatte und fragte mich, was es wohl für ein Auto war. Ich betätigte den Knopf und grinste. Jackpot.

»Sorry Ankya, aber dein Porsche leihe ich mir mal aus. Noch mehr Magie in dieser Nacht anwenden geht nicht mehr. Sämtliche Hexer, Magier und Vampire sind heute Nacht aufmerksam geworden.«

Bevor ich einstieg, schloss ich meine Augen und schmunzelte. Der Fluss der reinen Magie war wieder schwächer geworden. Tjark hatte wohl um sich und um Erik eine Barriere errichtet. »Gut so. Verschwindet. Es ist nur Euer Tod.«

 

 

5.4 Erik

 

Welches Pferd hatte mich denn geritten, als ich meine Augen öffnete und mich umschaute. Ich saß mit Paps im Auto und er starrte auf die Landstraße.

»Na endlich mal wach?« Ich rieb mir die Stirn, denn irgendwie wollte mein Gehirn noch nicht arbeiten.

»Was ist los? Warum sind wir mit dem Auto unterwegs ...? Scheiße ich habe heute Frühschicht. Pa ...«

»Beruhige dich. Werde erst einmal wach.« Oh man hämmerte mir mein Schädel und ich versuchte, mich zu erinnern. Nils ... wenn ich an ihn dachte, erfüllte es mich mit Traurigkeit und ich erinnerte mich. Nils hatte mich betrogen und schon konnte ich es nicht mehr zurückhalten.

»Hey Erik, was ist los?«

»Nix Papa, alles Okay.«

»So siehst du nicht aus.«

»Ne es passt schon alles.«

»Sicher?«

»Ja, sicher!«, kam es barsch aus mir heraus und ich bereute es auch gleich wieder. Papa konnte nichts dafür und ich atmete tief ein. »Also schieß los. Warum bin ich bei dir und warum sind wir mit dem Auto unterwegs?«

»An was erinnerst du dich noch?« An eine Stimme, die mich lockte und die sich genauso angehört hatte, wie ich.

»Ich weiß nicht. Ich wollte mit Nils unser Vierjähriges feiern und dann ...« Als ich seinen hämischen Ausdruck und den lustverhangene des anderen in meiner Erinnerung sah, blickte ich auf die Straße, denn danach lag alles im Dunkeln »Ich weiß nicht.« Wie automatisch hob ich meine Hand, als ob sie mir eine Antwort geben konnte. Ich konnte mich einfach nicht erinnern.

»Okay Erik. Wenn du nichts erzählen willst, ist das in Ordnung, aber ich werde dir etwas erzählen, was dich betrifft und wer du in Wirklichkeit bist. - Erinnerst du dich an die alten Geschichten, die von vor so langer Zeit, als ein rechtschaffener König mit unvorstellbarer Macht geherrscht hatte?« Schon aber das waren erfundene gute Nacht Geschichten. Denn der König hieß genauso wie er.

»So einigermaßen. König Tjark und Königin Rae.« Er nickte.

»Da waren auch ab und an Lieder mit dabei. Erinnerst du dich an die Lieder.« Irgendwie fing ich das Summen an und mein Vater lächelte. »Genau.« Dann stimmte er mit ein und sang das Lied. »Und jetzt wenn du dich daran erinnerst, wie es geht, sage es auf.« Fragend schaute ich ihn an. »Mach schon!«

»Aufsagen?«

»Ja einfach aufsagen!« Zwar verstand ich ihn nicht, aber ich tat es. Zuerst passierte nichts, doch je weiter ich es aufsagte, umso mehr umhüllte mich eine wunderbare Wärme.

»Was ist das?«

»Weiter aufsagen. Du machst es gut.« Überrascht blickte ich auf mich herab. Es schien, als ob die Luft sich um mich geschlossen hatte, als ich fertig war.

»Was ist das?«

»Das mein Sohn ist deine Barriere und ich kann mich endlich entspannen.«

»Kannst du mir mal bitte erklären, was gerade passiert ist?«

»Wenn du mir sagst, was dich dazu gebracht hat, dass du so verzweifelt warst, damit die Eindämmung zerbrach.«

»Eindämmung? Was?«

»Deine Magie wurde eingedämmt ...!«

»Kannst du mal aufhören in Rätseln zu sprechen.« Kurz schaute er zu mir rüber.

»Warum rede ich in Rätseln? Wenn du dich an die Geschichten erinnerst und das von eben, ist doch alles klar.«

»Du meinst ... die gute Nacht Geschichten ...!«

»Sind wahr. Ja mein Sohn.«

»Du bist der Kö ...!«

»War. Aber ja, ich war der König und deine Mutter war Königin Rae.« Starrte ich ihn geschockt an oder lachte ich?

 

Okay das musste ich erst einmal setzen lassen. Das war wirklich harter Tobak und ich glaubte, mein Vater wurde senil. Eine Zeit lang sprach niemand mehr ein Wort. Bis er auf einem Rastplatz anhielt und meinte, eine Pinkelpause wäre notwendig. Dennoch umspielte stetig nur ein Wort meine Gedanken. ›Eindämmung‹ Was hatte das alles zu bedeuten?

Paps beobachtete ich immer wieder. Wieso, konnte ich nicht beantworten. Er hatte nichts, was an einem König erinnerte. Zumal mir ja auch noch nie ein König über den Weg gelaufen war.

Ja aber, wenn mein Vater König war, und meine Mutter die ich nicht kannte eine Königin, dann, was war dann ich? Der Prinz, der Thronerbe ...? Ich musste mir das aufkommende Lachen unterdrücken und Paps schaute zu mir.

»Machst du dir immer noch Gedanken darüber!« Hoppla wie üblich konnte mein Vater mich durchschauen.

»Ich verstehe das alles nicht.«

»Du wirst es verstehen, wenn die Zeit reif ist. Erik.« Wieder blickte er zu den Sternen und murmelte etwas, was sich anhörte, wie, das die Sternen schon einmal klarer zu sehen waren. Ich schüttelte nur den Kopf und dann meinte mein Vater, dass er hier die restliche Nacht verbringen wollte. Etwas angewidert blickte ich mich auf dem Rastplatz um und er atmete tief ein.

»Nicht hier. Im Wald.«

»Im Wald? Hast du die Zelte eingepackt.«

»Dafür war keine Zeit. Oh man Junge, ich habe eindeutig zu viel Zeit Versteichen lassen. Nein keine Zelte. Ich zeige dir, wie ich in meiner ›Jugend‹ die Nächte verbracht hatte. Und für dich ist es die erste Lektion.« So wie er es gesagt hatte, schwieg ich, obwohl ich immer noch nichts verstanden hatte.

 

Ich folgte meinem Vater durch den Wald und war sprachlos, wie er in der Dunkelheit die hervorragenden Wurzeln sah und wirklich wie ein junger Gott alle Hindernisse umging. Irgendwann mir kam es wie Stunden vor, meinte er, dass er eine Höhle gefunden hatte, die uns Schutz für die Nacht gab. Ich schaute mich um, aber ich fand nichts ansatzweise, was wie eine Höhle aussah. Wie sollte ich auch, in dieser Dunkelheit. Die Sternen konntest durch die Bäume gar nicht sehen. So folgte ich ihm weiter und schon standen wir vor dem Eingang.

»Heute Nacht schlafen wir hier und bevor die Sonne aufgeht, gehen wir weiter.«

»Gehen? Was ist mit deinem Auto.«

»Auto? Brauchen wir nicht, außerdem ist das zu unzuverlässig. Deine Barriere lässt nach.« Er machte kurz ein Handzeichen und ich spürte wieder diese Wärme. »Konzentriere dich, ich kann nicht ständig Magie anwenden und versuchen die Barriere gleichmäßig zu halten.«

Er musste es mir wohl angesehen haben, denn er nahm mich in die Arme und meinte, dass wir erst einmal reingehen sollten. Das taten wir dann auch und irgendwann fing Papa das Sprechen an.

Er setzte mir der gute Nacht Geschichte im Auto wieder an und bald starrte ich ihn nur noch an. Er erzählte und machte Feuer, aber nicht mit einem Anzünder, sondern mit getrocknete Äste und Steinen.

»So landeten wir in der heutigen Zeit. Also wenn du Fragen hast, schieß los. Wir haben eine menge Zeit.«

»Ich bin tatsächlich ein Prinz?« Er nickte und sein Blick war traurig.

»Ja vor 12 tausend Jahren, warst du das, für kaum fünf Minuten.«
In dieser Nacht machte ich kein Auge zu und Papa wohl auch nicht. Ich hörte ihn immer wieder mal tief einatmen und als ich nicht mehr liegen konnte, stand ich auf. Langsam ging ich zum Höhlenausgang und betrachtete wie die Sonne am Horizont erscheinen wollte.

»Noch können wir es betrachten. Aber ich weiß nicht mehr für wie lange. Etienne hatte die Verwandlung irgendwie aufhalten können, aber frage mich nicht, wie er es gemacht hatte.«

»Etienne? Den Namen hast du in letzter Nacht oft gesagt.«

»Ach vergiss den Namen wieder.«

»Du schaust aber immer traurig, wenn du von ihm erzählst.«

»Tu ich das? Nein mein Sohn. Er ist nur ein Sklave.«

Sicher und ich war die Mutter Theresa. Etwas verband die zwei, doch Vater rückte mit der Sprache nicht raus. »So es wird Zeit, dass wir unser Leben ändern. Ab sofort existieren wir nicht mehr und denk daran vertraue niemanden.«

Plötzlich wurde es mir schwummrig und ich sank in Vaters Armen.

 

 

5.5 Tjark

 

Ich hoffe, ich tat das richtige, als Erik in meine Arme sank und ich die Worte des totalen Vergessens sprach.

»Eines Tages wirst du es verstehen. Ich liebe dich«, murmelte ich und trug ihn aus dem Wald.

 

Nachdem ich Erik zum Orden der Jäger gebracht hatte, verschwand ich. Für eine gewisse Zeit war er in Sicherheit. Bis sie seine wahre Identität herausfanden und selbst dann noch, vielleicht eins, zwei Jahre, bis seine Magie meine Versiegelung durchbrechen konnte. Erik war stark, sehr sogar. Ich würde sogar behaupten, dass er mein Vater übertrumpfen konnte und er war ein mächtiger Magier. Er hätte, falls er noch gelebt hätte, die Kreaturen Einhalt gebieten können.

Doch nun musste ich mich um etwas anderes kümmern. Ich schloss meine Augen und als ich sie wieder öffnete, blickte ich zum Sternenhimmel.

 

»Etienne.«

 

 

Ich möchte euch nicht zu nahe treten, aber wie ihr alle wisst, sind Kommentare in letzter Zeit ziemlich rar geworden. Es wäre schön, wenn ihr euch ein paar Minuten Zeit nimmt und unsere Geschichten in wenigen Zeilen bewertet. Darüber schreibt, wie ihr die Geschichte findet oder wie in meinem Fall, da ich die Kapitel immer einzeln on stelle, die Kapitel so kommentiert. Denn eure Kommentare sind es, die uns Autoren antreiben. Unsere Geschichten weiter schreiben oder wenn sich Fehler in welcher Art auch immer eingeschlichen haben, ausradieren.

Wir Autoren/innen möchten einfach Rückantwort bekommen und das ist nicht bei einem Herzchen getan. Also unsere/meine treuen Leser nimmt euch ein Herz und schreibt was ihr meint. Ich bin für jede Kritik offen, egal ob sie positiv ist oder negativ, aber bitte, schreibt was euch gefällt oder nicht gefällt. Denn nur so haben wir die Möglichkeit es für euch passend zu machen.

Nicht nur bei meinen Geschichten, auch bei den vielen anderen, die hier auf BX sind.

LG Conny/Malaike

Kapitel 6

6.1 Erik

 

Ich wachte in einem fremden Zimmer auf. Über mir war die Decke, rechts von mir waren Fenster, eins davon war gekippt. Zu meiner linken befand sich die Tür zum Flur. Schräg gegenüber war die Nasszeile. An die Namen, wie die Dinge hießen, konnte ich mich erinnern, aber nicht an meinen Namen und meine Erinnerungen fingen da an, als ich in diesem Zimmer aufwachte.

Die Tage plätscherten dahin. Anfänglich war ich noch etwas schüchtern, wegen dem neuen Gesichter und weil ich in mir drinnen eine Warnung spürte. »Vertraue niemanden«

Doch warum sollte ich den Menschen nicht vertrauen? Sie waren alle gut zu mir und halfen mir durch die Zeit.
Sicherlich konnte ich mich immer noch nicht vor meinem Unfall erinnern und es drängte mich auch niemand dazu.

 

Jasper trat auf mich zu und blickte mir über die Schulter. Er war ungefähr in meinem Alter. Sie hatten mich auf 18 - 22 geschätzt, doch wie alt ich tatsächlich war. Tja das lag noch weit irgendwo in mir vergraben und ehrlich, es interessierte mich nicht. Ich stand in der Gemeinschaftsküche vor einem Topf und rührte den Inhalt, von dem ich nicht wusste, was das war.

»Sag mal Breandan ...« Alle nannten mich Breandan(*FN* Breandan [BREN-dan] — vom walisischen Wort für„Prinz“. Variante: Breannan [BREN-nan].*FN*), ob das nun mein richtiger Name war, wusste ich auch nicht. Aber ich hatte mich daran gewöhnt.

»Hmm!«

»Was hältst du davon, wenn wir heute Abend mal die Sau rauslassen?«

»Mein Mentor wird es mir nicht erlauben. Ich bin noch nicht soweit, um nachts rauszugehen, meint er.«

»Nicht arbeiten, sondern Party. Du musst auch mal was anderes sehen, als nur diese Wände und das Trainingsgelände. Obwohl ich eigentlich der Meinung bin, dass du gar kein Training mehr benötigst. Immerhin legst du ja schon viele Fortgeschrittene auf die Matte.«

»Japser ich weiß nicht, woher ich das alles kann. Es ist mir ein Rätsel.« Er klopfte mir auf die Schulter, grinste mich an und sagte. »Ich hole dich dann ab. Bin fertig!«

»Aber, was sage ich dann meinem Mentor?«

»Wenn du nichts sagst, wird er es auch nicht erfahren. Komm schon!«, bettelte er weiter und ich atmete verdrossen ein. Dennoch konnte ich mich nicht mit dem Gedanken anfreunden. Zumal mein Mentor es mir ausdrücklich verboten hatte. Er sagte immer, dass ich noch nicht so weit war und ich mich in Geduld üben sollte. »Aber ich sehen schon, du wirst eh nicht fertig sein, also lassen wir es. Es bringt eh nichts, wenn du ständig auf deine Uhr schaust und darauf wartest, bis ich nachgebe und wir heimfahren.« Erleichtert grinste ich ihn an und er klopfte mir auf die Schulter.

 

Am Abend lag ich auf meinem Bett und starrte die Decke an. Wie gerne würde ich mich an mein früheres Leben erinnern und doch musste ich es mir eingestehen, hatte ich Angst davor. Wer war ich vorher? Woher konnte ich Nahkampf? Was hatte ich vor meinem Gedächtnisverlust getan? War ich schon immer ein Jäger? Diese und einige mehr Fragen begleiteten mich in den Schlaf.

 

6.2 Jasper

 

Egal was ich auch versuchte. Erik, ich meinte Breandan, konnte sich an nichts mehr erinnern. Vielleicht war es auch besser so.

In der Nacht, als sein Vater vor der Türschwelle erschien und Erik bewusstlos auf seinem Arm hielt, waren die Hexer und die Magier in heller Aufruhr. Nicht weil sie erschienen waren, sondern, weil die reine Magie kurz zuvor explosionsartig aufkam und wieder versiegte. Ich selbst spürte nichts von der Magie, weil ich ein normaler Mensch war, der unter gewissen Umständen ein Jäger wurde. Nicht durch das Klischee,... Eltern starben durch Vampire, nein, weil ich eine Weise war.

Meine Eltern starben bei einer Auto Karambolage auf der Autobahn. Zum Glück war ich bei meinem Paten und hatte so überlebt. Na ja und mein Pate wurde zu meinem Mentor. Wie er ein Jäger wurde, keine Ahnung und ehrlich, ich hatte keine Lust ihn danach zu fragen.

Das Haus indem die Jäger ihren Unterschlupf hatten, war ein umgebautes Krankenhaus und ging in der Öffentlichkeit als betreutes Wohnen durch.

 

Es klingelte und ich schaute von meinem Buch zur Uhr. Tief atmete ich ein, denn es gab eigentlich keine Nacht, indem Fremde hier ein Bett für die Nacht suchten.

Verdrossen stand ich auf, denn ich wusste nicht, ob mein Mentor die Klingel gehört hatte. Solche Arbeit wie einem Obdachlosen ein Bett zuweisen, überließ er immer gerne mir, doch mein Mentor, der in dieser Nacht die Hauswache übernommen hatte, hatte dem Fremden aufgemacht. Er war wie ich, nur ein normaler Mensch und er wurde von seinem Kamerad, der ein Hexer war, warnend angeschaut.

»Flo sei vorsichtig. Ich spüre reine Magie. Sie ist nicht stark, aber sie ist da!« Florian, der von allen meistens nur Flo genannt wurde, nickte dem Hexer zu und zog seine Waffe.
Er ging an die Sprechanlage und fragte, wer da war.

»Mein Name ist Tjark. Ich erbitte um einlass.«
Tjark murmelte Flo und ich erschrak. Mit hemmenden Herzen machte ich einen Schritt auf den Hexer und meinen Mentor zu. Sie schauten mich an und ich fragte: »Hat er gerade Tjark gesagt?«
Flo nickte, dann drehte er sich der Sprechanlage wieder zu.

»Bist du ein Obdachloser?« Kurze Zeit herrschte stille.

»Nein, nur ein Fremder, der um Hilfe bittet.«

»Du sagtest, dein Name ist Tjark?«

»Ja!« Und gegen die Warnung des Hexers betätigte er den Türöffner.
Es war wirklich Eriks Vater und er hielt seinen Sohn in den Armen.

»Wo kann ich ihn ablegen?«

»Wer ist das?«, fragte Flo und machte sich zum Angriff bereit. »Ich will keinen Ärger.«

»Mit Etienne, dem Wächter?« Stellte Tjark gleich die Gegenfrage und dem beiden entglitten die Gesichtszüge.

»Ich weiß, dass ihr die reine Magie an uns spürt, doch seit beruhigt. Ich unterdrücke sie und von meinem Sohn habe ich sie eingedämmt. Etienne spürt sie auch, aber sie ist nicht stark genug um ihn herzulocken.«

»Bist du auf der Flucht vor dem Wächter? Wenn ja, kann ich euch dann keinen Unterschlupf gewähren.« Tjark schüttelte den Kopf.

»So lange, die reine Magie in uns nicht überhandnimmt, sind wir nicht in gefahr. Wir fliehen, vor einem Hexenzirkel, der es auf Erik abgesehen hat.«

»Flo, das ist Erik, von dem ihr dir erzählt habe!« Nun wurde der Jäger weiß im Gesicht.

»Jasper, du meinst, er ist der Träger der vollkommenen reinen Magie?« Ich nickte. Eriks Vater drehte sich zu mir um.

»Du kennst meinen Sohn?« Wieder nickte ich.

»Ja, ich habe ihn observiert.« Tjark verengte seine Augenbrauen und sogleich hob ich beschwichtigend die Hände.

»Ich bin ein Mensch. Ich kann mit reine Magie nichts anfangen. Nein, um ehrlich zu sein, wollte ich über Erik an den Hexer Nils herankommen und über ihn an den Zirkel.«

»Verstehe!«

»Doch es war immer schwer, weil ich nicht wusste, wie viel Eriks von ...«

»Er hatte nichts gewusst. Ich habe dafür gesorgt, dass er als ein normaler Junge aufwächst. Doch was letzte Nacht passiert ist ...« Tjark schüttelte den Kopf. »Eriks Magie habe ich versiegelt. Meine dämme ich ein.«

»Aber wie konntet ihr zwei, solange vor dem Wächter unentdeckt bleiben?«, fragte Paul der Hexer.

»Gar nicht. Doch das werde ich hier nicht erörtern. Ich will nur, dass ihr meinen Sohn aufnimmt und ihm Schutz gewährt, bis er sich selbst schützen kann. Er wird langsam schwer, wo kann ich ihn ablegen?« Schon vollführte der Hexer eine kurze Handbewegung und Erik schwebte aus den Armen seines Vaters.

»Ich werde mich um ihn kümmern!«, sagte der Hexer und Flo nickte ihm zu. Danach drehte sich mein Mentor zu Tjark.

»Um ihm wirklich Schutz zu gewähren muss ich Einzelheiten wissen.« Er zeigte in die Richtung, in der sein Büro lag. Tjark atmete tief ein, doch dann nickte er. »Jasper du kommst mit, da du den jungen Mann wohl kennst.«

 

Im Büro angekommen bot er Tjark den Stuhl an und ohne Unterschweif fragte er los:

»Auch wenn Sie mir es nicht beantworten wollen, so muss ich es wissen. Wie konntet ihr so lange vor dem Wächter unentdeckt bleiben?«

»Wie ich schon sagte, gar nicht.«

»Gar nicht? Und warum lebt ihr dann noch? Wenn Sie so wie Sie behaupten, Ihre Magie eindämmen und die des Jungen versiegelt haben, ist es dennoch nicht genug, um den Wächter auf abstand zu halten. Paul hat Sie gespürt.«

»Ist mir bewusst und der Wächter spürt sie auch. Doch sie ist im Rahmen, dass er nicht herkommt. Aber wenn Sie es unbedingt wissen wollen, so kann ich es arrangieren, dass der Wächter herkommt.« Die Augen meines Mentors wurden groß und Tjark zückte sein Handy. Dieses hielt er hoch. »Ich kann ihn anrufen und er wird herkommen oder wenn Sie es gar nicht erwarten können, so hebe ich für einen kurzen Moment meine Eindämmung auf, aber dann laufen wir gefahr, wieder von irgendeinem Zirkel entdeckt zu werden. Was ist Ihnen lieber?« Kurz hielt er inne. »Hexenzirkel haben zur Zeit kein gutes Ansehen.«
Mein Mentor atmete tief ein.

»Wie ich sehe, kennen Sie den Wächter. Aber ohne einen Preis lässt er niemanden laufen. Was war Ihr Preis? Wenn ich das fragen darf?« Nun lachte Tjark auf.

»Ich glaube, Sie geben viel zu viel den Hausmüttergequatsche Beachtung. Aber wie ich sehe, geben Sie uns keine Unterkunft, wenn Sie nicht den Grund dazu kennen. Nun gut!« Tjark stand auf, faltete seine Hände am Rücken zusammen und irgendwie erschien er mir plötzlich majestätisch. Seine Haltung, seine Ausstrahlung hatte sich komplett verändert. Flo schien es auch aufgefallen zu sein. Er betrachtete ihn wie ehrfürchtig. Ja ehrfürchtig war das richtige Wort.
Er schritt ein paar Mal auf und ab und lächelte etwas.

»Wo fange ich an. Am besten ...« Tjark drehte sich zu Flo. »Am besten damit. Was wissen Sie alles über Etienne?«

Mein Mentor zog die Augenbrauen zusammen. »Ich muss es wissen, sonst weiß ich nicht, wo ich anfangen soll.« Flo schwieg und zuckte die Schultern. »Also gut! Wissen Sie, wie alt Etienne ist?« Wieder zuckte mein Mentor die Schulter.

»Sein genaues Alter kenne ich nicht, aber er muss schon ziemlich alt sein. Immerhin gilt er als der erste Vampir und selbst die Königin scheint angst vor ihm zu haben, weil sie ihm machen lässt.« Wieder grinste Tjark.

»Nun das ist so nicht ganz richtig. Etienne lässt Ankya machen, was sie will und er ist nicht der erste Vampir, sondern der erste Magier, der das Gift der Kreaturen überlebt hat. Wie ich sehe, kennen Sie nur die Geschichten, die von Generation zu Generation weitergegeben werden.«

Tjark setzte sich hin und faltete diesmal seine Hände vor dem Bauch.

»Mein Name ist Tjark Carden(*FN* Der Name Carden bedeutet »von der schwarzen Festung«*FN*) und ich herrschte vor sehr langer Zeit über dieses Reich und nein, ich lebe nicht solange. Vor 20 Jahren kam ich durch ein Portal hierher, in das mich Etienne vor über 12 tausend Jahre geschickt hatte. Für mich war es nur ein Bruchteil von einer Sekunde, aber Etienne der Wächter, wartete in der ganzen Zeit auf meine Rückkehr.«

»Moment! Wollen Sie mir weißmachen, das Sie der König waren, der durch den Angriff der Kreaturen ums Leben kam und der treue Gefährte Etienne, in Trauer versank, weil er Sie nicht retten konnte und so zum Vampir wurde, damit er sich an die Kreaturen rächen konnte? Und seitdem auf alles Jagd macht, was nur annähernd an die reine Magie rankommt?«

»Diese Geschichte habe ich schon einmal gehört, aber sie ist falsch. Etienne hatte mich gerettet. Meinen Sohn und mich. Für meine Frau Rae war es zu spät.« Flo schüttelte den Kopf.

»Es tut mir leid. Ich kann Ihnen für eine Nacht Unterschlupf gewähren, aber dann ziehen Sie bitte weiter.« Tjark nickte nur und holte sein Handy aus der Tasche.

»Kann man wohl nichts machen. Er wird sauer sein«, murmelte er. Wählte und legte das Handy auf Flohs Schreibtisch. Ein Mann meldete sich und er sprach eine Sprache, die ich nicht kannte.

»Etienne sei so gut und sprechen in der heutigen Sprache.«

»Wenn es sein muss! Was wollt Ihr. Ich habe gesagt, dass Ihr mich nicht kontaktieren sollt, weil es zu ...«

»Gefährlich ist. Ja ich weiß. Ich habe einige Fragen an dich.« Von der anderen Leitung hörten wir tiefes Einatmen.

»Ja!«

»Wie alt bist du?«

»Herr?«

»Beantworte die Frage.«

»Über 12 tausend. Leidet Ihr an Alzheimer?«

»Wer bin ich?«

»Wollt Ihr mich auf den Arm nehmen?«

»Etienne ...!«

»Verzeiht Herr. König Tjark Carden. Soll ich Euch noch Eure Lebensgeschichte erzählen, dann rate ich, dass Ihr bei einem Arzt einen Termin machen lasst.«

»Kannst du herkommen?«

»Ich glaube, Ihr beliebt, echt zu scherzen. Nehmt Abstand vom Alkohol.«

»Kannst du herkommen?«

»Das ist keine gute Idee Herr!«

»Etienne das war keine Bitte.«

»Ich ...«

»Etienne!« Tjarks Stimme wurde, je länger die Unterhaltung andauerte immer schneidender.

»Jawohl Herr.« Die Unterhaltung war beendet und mein Mentor blickte Tjark skeptisch an. Nur Tjark lächelte und meinte: »Oh ja! Er ist sauer!«

»Sie glauben doch nicht, dass ich dieses Schauspiel glaube!«, zischte Florian.

»Brauchen Sie auch nicht. Er ist schon auf dem Weg.« Kaum hatte Tjark dies ausgesprochen, schon kam leichter Wind auf und die Wand verzerrte sich kurz. Ich konnte es nicht glauben. Tatsächlich trat aus dem Portal der Wächter.

»Ich hoffe, Ihr habt einen guten Grund mich zu rufen.«, knurrte es auf einmal los.

»Habe ich auch Etienne. Dein Erscheinen war von äußerster Wichtigkeit.« Tjark wandte sich nicht zu ihm um und Etienne kam auch nicht näher. »Der Jäger mir gegenüber, kann es sich schwer vorstellen, dass ich dein König bin.«

»Warum ist das so wichtig?«

»Ich frage mich, warum du mir gegenüber so aggressiv bist?«

»Weil Ihr wie immer mein Rat nicht beherzigt. Nicht nur der Hexenzirkel ist gefährlich, ich ebenfalls. Ich stand kurz davor, euch und Erik zu töten, und nun ruft ihr mich. Zeigt mir sogar, wo Ihr Euch aufhaltet. Das ist unverantwortlich. Noch dazu schlagt Ihr meine Warnung, niemanden zu vertrauen in den Wind und kriecht vor die Jäger. Das hättet Ihr vor 12 tausend Jahren nie gemacht!«

»Nein, damals hätte ich meinem Gegenüber den Kopf abgeschlagen und hätte mich nicht versteckt, wie in den letzten 20 Jahren und dir hätte ich die Zunge rausgerissen und den Soldaten zum Spielen vorgeworfen für diese Unverschämtheit, die du mir gerade entgegenbringst.« Ich sah, wie Etienne zusammenzuckte und das kalte Funkeln aus seinen Augen verschwand.

Mein Mentor saß mit offenen Mund da und schüttelte ungläubig den Kopf.

»Ich glaube es nicht. Kann es wahr sein? Ihr seit wirklich der König?«, murmelte er und Tjark nickte. Nur Etienne rieb sich die Stirn und atmetet wohl von seinem König genervt ein.

»Stimmt was nicht Etienne?«

»Es ist alles in Ordnung Herr. Wenn Ihr mich nicht mehr braucht, dann bitte entschuldigt mich.«

»Warum sagt der Wächter Herr zu Ihnen, wenn Sie der König von ihm sind? Sollte es dann nicht Hoheit heißen oder Eure Majestät?« Tjark machte ein Handzeichen und forderte wohl Etienne so zum Reden auf.

»Weil er nicht nur mein König ist, sondern mein Herr und Gebieter ebenfalls. Ich bin sein Diener. Es ziemt sich nicht in meiner Stellung ihn ehrenvoll anzureden.« Doch bevor Flo weitere Fragen stellen konnte, stand Tjark auf. Ich sah, wie der Wächter seinem Blick auswich, sich aber nicht von der Stelle rührte. Nur ein ›nicht‹ kam aus seinem Mund und seine Augen verloren die Farbe.

Tjark flüsterte ihm etwas zu, was ich nicht verstand, dann drehte sich Etienne um, öffnete ein Portal und verschwand.

»Was war das?«, fragte Flo.

»Ich habe Etienne dieses Gespräch vergessen lassen. Wie er schon gesagt hat, kann er Erik und mir gefährlich werden.«

»Das ist Wahnsinn!«, rutschte es aus mir heraus. »So sieht er gar nicht mehr gefährlich aus. Eher wie ein zahmer Hund!«

»Er ist nach wie vor gefährlich. Etienne kennt meine Stärken und Schwächen, doch er kann, solange er mir loyal ist, nicht das Wasser reichen. Also ist das Grund genug und reicht der Beweis meiner Existenz aus, um hier Obdach zu bekommen?« Nun nickte mein Mentor nur und es wurde noch bis tief in die Nacht diskutiert. Viele Sachen hatte ich erfahren, die ich so von Erik nie zu hören bekam. Schon von Kind an hatte Tjark ihn unter Hypnose in Magie, Nachkampf und der Schwertkunst unterrichtet. Noch dazu in der alten vergessenen Sprache.

Am nächsten Morgen, war Tjark verschwunden und Erik, der zuvor von seinem Vater den Zauber des Vergessens bekommen hatte, hier aufgenommen. Von da an lebte Erik unter den Namen Breandon. Manchmal kam es vor, dass ich mich verhaspelte und ich mir auf die Zunge beißen musste. Dann kam so etwas wie Erabrandon raus. Doch nun hatte ich mich an den neuen Namen gewöhnt und auch an seine neuen Charakterzüge, die mir nun ja mehr zusagten. Was so eine Gedächtnislöschung ausmachen konnte. Vielleicht, ich wusste ja, dass er auf sein eigenes Geschlecht stand, hatte ich nun Chancen bei ihm und nicht wieder so ein Nils Verschnitt. Was hatte er nur an diesem Kerl gesehen?

Etwas angewidert schüttelte ich den Kopf und ich schaltete das Licht aus. Es war eh Zeit für die Nachtruhe und Flo konnte in dieser Beziehung schnell sauer werden.


6.3 Tjark:

 

Schnell hatte ich Etienne ausfindig gemacht. Er war in seinem Apartment und unwillkürlich musste ich schmunzeln. Es war das erste Heim in das Erik und ich in dieser Zeitepoche gewohnt hatten, bevor Etienne uns eine Wohnung gesucht hatte. Meine Gedanken schweiften weiter.

Wie alt war Erik damals. Es müsste vier Monate gewesen sein als ich sah, wie Erik Etienne angelächelt hatte. Ja auch wenn ich es nicht zugeben wollte, so herrschte zwischen ihnen ein besonderes Band. Etienne hatte sich in Erik verliebt und um damit klar zu kommen, hielt er permanent Abstand.

Kurz schaute ich zu den Sternen und spürte, wie mir eine Träne unterlief. Erik. Was hatte ich getan? Doch es musste sein. Ich musste ihm das Gedächtnis löschen, denn er hatte es nicht verstanden. Nicht verstehen wollen. Sein ganzes Weltbild wurde durcheinandergebracht und um seine sanfte Seele zu bewahren, musste ich diesen Schritt gehen. Meinen Sohn aufgeben.

Irgendwann würde er sich an alles erinnern und ich hoffte, unsere Welt mit den richtigen Augen sehen. Nicht wie ein Mensch. Ich war zwiegespalten. Auf der einen Seite hieß ich es gut, dass er als ein normaler Mensch aufwuchs, um ihn damit zu schützen, doch auf der anderen, war die Wahrheit und die offenen Karten besser gewesen. So hätte ich nun nicht diesen Schmerz in der Brust. Ich liebte Erik und ich liebte Etienne und von beiden musste ich mich trennen.

 

Etienne hatte es schon früher erkannt, deswegen hielt er Abstand. Er war sich seinen Gefühlen nicht im Klaren. Sofort musste ich über meine Gedanken lachen. Nein! Etienne liebte mich nicht. Er hasste mich und meinen Vater. Das wusste ich schon, seit er zu mir kam, doch durch den Zauber, den mein Vater über ihn gelegt hatte, war es, ihm unmöglich sich ihm oder mir zu verwehren. Ja Etienne auch das wusste ich, dass der Altkönig dich immer zu sich rief und du danach kaum ansprechbar warst. Doch irgendwann hatte ich meinem Vater die Schranken gewiesen und er hatte dich dann in Ruhe gelassen. Aber der Schmerz und die Demütigungen waren in deiner Seele verankert.

Lange hatte es gedauert, bis du dich mir geöffnet hattest. Ich war sogar gewillt, zu sagen, dass du die Zeit mit meinem Vater vergessen hattest, aber das hattest du nicht. Dein Körper erinnerte sich an jeden Schmerz. Sogar wenn du die Initiative ergriffen hattest. Mich genommen hattest, hattest du darunter gelitten.
Nein du hattest mich nie geliebt. Der Zauber hatte es dir immer befohlen. Auf jede Kleinigkeit zu achten und dementsprechen zu handeln.

Ich nahm mein Blick von den Sternen und öffnete ein Portal. Da ich ebenfalls sehr gut in Magie bewandert war, konnte ich sie anwenden, ohne zu viel davon zu beanspruchen. Ohne das es Etienne mitbekam. Und wenn, was konnte er schon dagegen ausrichten? Nichts. Seine Hände waren mir gegenüber gebunden, aber nicht gegenüber von Erik und deshalb, war Etienne für meinen Sohn sehr gefährlich.
Wenn die Kreatur in ihm die Oberhand übernahm, konnte er Freund und Feind nicht mehr unterscheiden. Dann reagierte nur sein Instinkt und der besagte, töte alles was aus reiner Magie bestand.

 

Langsam betrat ich sein Wohnzimmer und blickte mich um. Ich hörte leise Musik laufen und aus dem Augenwinkel nahm ich eine Bewegung wahr. Etienne saß mit dem Rücken zum mir auf einem Sofa, nahm ein Glas von seinem Beistelltisch, trank davon und stellte es wieder hin. Da war definitiv kein Wein drin, so zäh wie die Flüssigkeit zurücklief.

Leise trat ich auf ihn zu und zog meinen Dolch. Doch bevor er reagieren konnte, hielt ich es an seinem Hals.

»Deine Reaktion war schon mal schneller!«

»Sieht so aus!« Er schluckte, doch er rührte sich nicht. Etienne könnte sich leicht daraus befreien.

»Oder hast du dich deshalb nicht bewegt, weil du gewusst hast, dass ich komme?«

»Wohl kaum.«

»Aber du weißt was jetzt mit dir passiert?«

»Wenn es Euer Wunsch ist, dass ich sterbe, so werde ich es tun, Herr!«

»Etienne, ich verstehe dich nicht. Du hattest 12 tausend Jahre Zeit, dich aus diesem Zwang zu befreien. Warum hast du es nicht getan?«

»Ihr wisst es?«

»Natürlich weiß ich das.« Somit nahm ich den Dolch von seinem Hals und trat vor ihm hin. Wie immer wich er meinem Blick aus. »Also warum hast du es nicht getan oder zumindest versucht.«

»Glaubt mir, das habe ich. Doch da ich selbst aus reiner Magie bestehe...«

»Du bestehst aus reiner Magie? Wie soll ich das verstehen?«

»Dieser Körper lebt nicht mehr. Er ist während der Verwandlung gestorben und nur die reine Magie hat mich vor dem Tod bewahrt. Und alles Magische, was dieser Körper im lebenden Zustand hatte, hatte er übernommen, somit auch den Zwang. Einzig und allein die körperlichen Wunden bis auf den Biss sind verheilt. Wie Ihr seht, komme ich gegen die reine Magie nicht an, da ich aus ihr selbst bestehe.«

»Deswegen jagst du alles, was aus reiner Magie besteht, damit du dich am Ende selbst verzehrst.« Er schüttelte den Kopf.

»Nein Herr, ich halte die reine Magie in Schacht, nicht das wieder so eine Tragödie heraufbeschworen wird.«

»Belüge dich nicht selbst, Etienne. Du weißt ganz genau, wer die Kreaturen heraufbeschworen hatte.« Er zuckte zusammen und das erste Mal blickte er mir für einen kurzen Moment tief in die Augen. Dies reichte mir schon um zu verstehen, wie sehr er litt. Wie er in den letzten Jahrtausenden gelitten hatte. »Es war nicht der Hexenzirkel. Die Hexen wurden von allen beschuldigt, bevor du es selbst erkannt hast. Bevor du oder ich es begriffen hatten, dass du es warst, der die Kreaturen aus einer tiefen Verzweiflung heraus gerufen hattest.« Seine Lippen zuckten und in seinen Augen füllten sich rote Tränen. »Und bevor du es richtigstellen konntest, hattest du mich mit Erik in das Portal geschickt. wurdest du verwandelt, der Zirkel vernichtet und alles was aus reiner Magie bestand gejagt. Das hält noch bis heute an. Und bis heute bereust du deine Tat, die du damals unwissendlich heraufbeschworen hattest.«

»Bitte verzeiht mir!«

»Ich habe nichts zu verzeihen. Ich muss dich um Verzeihung bitten, für das, was mein Vater dir angetan hatte, was ich dir angetan habe.«

»Ihr habt mir nie was angetan!«

»Doch das habe ich. Ich habe den Zwang ausgenutzt. Dich mich lieben lassen immer und immer wieder. Dir Befehle gegeben, obwohl ich wusste, dass es nicht deine Loyalität war. Ich wollte von dir Gefühle sehen. Eifersucht, Liebe, Freundschaft, einfach alles, ich habe es von dir bekommen, aber es waren nicht deine wirklichen Gefühle. Sogar jetzt, bist du nicht fähig mir gegenüber deine wahren Gefühle zu zeigen. Du kannst es nicht, weil der Zwang dich daran hindert. Selbst wenn ich es jetzt von dir verlange, zu sagen, was du fühlst, kannst du es nicht sagen, weil du es nicht weißt.«

Etienne atmete schwer. Sein Innerstes war aufgewühlt und ich sah, wie er sich zu beruhigen versuchte. Langsam kniete ich mich vor ihm hin und ließ ihn nicht aus den Augen. Seine Zähne waren länger geworden. Auch hatten sich seine Pupillen verändert.

»Was willst du mir sagen?« Er schüttelte nur den Kopf. »Nichts? Stimmts? Du kannst nichts sagen, weil du nicht weißt, was ich hören will. Genauso kannst du nichts tun, weil du nicht weißt, was ich will. Durch den Dolch am Hals habe ich dich manipuliert. Der Zwang hindert dich daran, irgendetwas zu unternehmen, denn dein erster Gedanken war, durch meine Hand zu sterben. Aber wie du es bereits erwähnt hast, kannst du nicht sterben, nicht einmal wenn ich dich Köpfe, deine Gliedmaßen abschneide, dein Herz rausreiße und dich anschließend im Feuer zu verbrennen, oder dich der Sonne aussetze, denn du bestehst nur aus reine Magie und sie ist körperlos. Den Körper, den du besitzt, ist nur eine Hülle. Ich würde sogar behaupten, ein Geschenk der Kreaturen, damit du weiter existierst. Nein kein Geschenk. Dein Körper ist zu der Kreatur geworden, während sich dein Bewusstsein, deine Seele in reine Magie verändert hatte. Es ist eine verzwickte Situation und verkehrt. Da du weder nickst, noch deinen Kopf schüttelst, gehe ich davon aus, dass ich recht habe. Ich gehe mit meinen Überlegungen mal weiter. Der Pakt, den du geschlossen hattest, diente allein nur den Zweck, die Kreatur in unsere Welt zu bringen. Ich denke, sie brauchen einen Wirt, um zu überleben. Einen der ihren Blutdurst stillen und sie mit reiner Magie versorgt. Deswegen tötest du jeden, der reine Magie in sich beherberg. Denn wenn du darauf reagierst, ist es mit den Kreaturen nicht mehr weit.« Dies alles wurde mir in nur diesen einem Moment bewusst. Oder doch nicht. Ich hatte es gewusst, doch mir war es nie so klar. Etienne hatte, als er ein kleiner Junge war, den Pakt mit der Bestie geschlossen und kam seither nicht mehr daraus.

»Wenn Ihr es schon wisst, dann tut es, wofür Ihr hergekommen seit. Dieser Verrat ist unverzeihlich.« Langsam schüttelte ich den Kopf.

»Nein Etienne. Ich bin nicht hergekommen, um dich zu töten, sondern um dich etwas zu bitten.« Als ich seinen Blick suchte, wich er mir wieder aus. Seine Lippen bebten immer noch, doch sein Körper entspannte sich. Auch flachte seine Atmung etwas ab und als sich unsere Blicke für einen kurzen Moment trafen, waren sie nicht mehr angsterfüllt. Trotz, dass er aus reiner Magie bestand, hatte er dennoch angst zu sterben. Er hätte sich von mir töten lassen, wie es der Zwang ihm auftrug.

»Was wollt Ihr Herr?«

»Liebe mich. Ein letztes Mal.«
Zögerlich hob er seine Hand und streichelte über meine Wange. »Bitte!«

»Wie Ihr möchtet, Herr.« Diesmal schüttelte ich den Kopf, lächelte ihn an und richtete mich auf.

»Nein! Nicht als mein Sklave«, flüsterte ich und hob meine Hand. Etienne erschrak, seine Augen weiteten sich. Er konnte es nicht fassen.

»Nein, nicht Herr!«

»Halt deinen Mund und bleib sitzen.«

»Tut es nicht, es wird Euer Tod sein!« Zu spät mein Geliebter. Mein Entschluss stand fest. Entweder tötete mich Etienne sofort, nachdem der Zauber von ihn genommen wurde oder ... ich ließ es einfach auf mich zukommen.

Warmer Wind kam auf und Etienne saß wie gefesselt auf dem Sofa.

»Breche!« Als der helle Lichtstrahl Etienne traf, warf er seinen Kopf nach hinten. Er riss seinen Mund auf, das seine langen Zähne zum Vorschein kamen, aber es kam kein Ton aus ihm. Das Licht umhüllte ihn, leuchtete kurz auf, bevor es wieder erlosch. Danach sank ich zu Boden und er starrte mich aus großen Augen an.

»Was habt Ihr getan?«

»Ich habe dir deine Freiheit zurückgegeben. Du bist dem königlichen Blut nicht mehr zum gehorsam verpflichtet.«

»Aber das ist Euer Tod, wenn ...«

»Ich weiß es!«

Ich richtete mich auf und beugte mich zu Etienne runter, der es noch immer nicht fassen konnte. »Ich liebe dich«

Nun blickte er mir in die Augen. Rote Tränen rinnen seine Wangen runter und er lächelte mich an. Dieses Lächeln, ohne den Zwang, das hatte ich an Etienne sehr vermisst.

»Ich dich auch Tjark. Ich habe dich immer geliebt.«

»Endlich höre ich es aus dem Mund eines freien Mannes. Das tut gut!« Sanft lächelte er mich an und unsere Münder berührten sich. Obwohl ich seine Lippen schon so oft geküsst hatte, so fühlte es sich an, als ob es das erste Mal war.


6.4 Etienne:

 

Tief im innern hatte ich es immer gespürt. Meine Liebe zu Tjark, doch konnte ich sie nie ausleben, geschweige denn genießen. Am Anfang war es Liebe, doch nun konnte man es in mögen einordnen.

Ich war den vierten oder fünften Sommer bei Tjark und ich fühlte mich immer mehr zu ihm hingezogen. Nun auch wenn ich es nicht wusste, wie alt ich war, ich schätzte, dass ich damals ungefähr sechzehn war, als die Gefühle für Tjark immer intensiver wurden.

Der Altkönig konnte es nicht sehen, wie unbefangen sein Sohn mit mir umging. Wie viel er mir durchließ und als mir unbewusst in seinem Beisein ›Tjark‹ über die Lippen kamen, war es für den Altkönig zu viel und zwang mir den Zauber auf.

 

Tjark zog sich an, auch wenn er nicht mehr so viele Muskeln besaß und sein Bauch etwas fülliger geworden war, so war er dennoch ein ansehnlicher Mann, der in die Jahre kam.
45 müsste er nun sein und ich schloss meine Augen.

»Was wirst du jetzt machen, nachdem du mir nicht mehr zum gehorsam verpflichtet bist?«, fragte er und ich schaute ihn an. Zuckte die Schulter und stellte eine Gegenfrage: »Du hast eine Barriere um dich gelegt, damit ich nicht reagiere.«

»Natürlich. Immerhin will ich noch etwas leben. Auch wenn es eine schöne Aussicht ist, von dir getötet zu werden, so verzichte ich doch gerne darauf.« Er zwinkerte mir lachend zu und ich ging unwillkürlich da mit ein.

»Danke Tjark. Du hast den Zwang von mir genommen, mit dem Wissen, dass ich dich aus Hass getötet hätte.« Er nickte.

»Hast du aber nicht.«

»Nein.« Ich stand auf und nahm das Glas mit dem Blut vom Beistelltisch, das neben meinem Sofa stand, und trank davon. Dann drehte ich mich zu Tjark um, der nun vollständig bekleidet war. »Sag mal, warum hast du den Zauber vom Altkönig von mir genommen? Ich lebe damit schon so lange und die paar Jahrzehnte, bis du einen friedlichen Tod gestoben wärst, hätte ich auch noch überstanden.« Er schaute mich an, dann wanderte sein Blick zu seiner Hand und ich sah, wie sie sich veränderte.

»Auch ich wurde vergiftet, aber es hat mich nicht verwandelt, wie dich. Das Gift übernimmt meinen Körper, wenn ich sterbe und dann habe ich genauso wenig Einfluss mehr auf die reine Magie, wie du. Wie du siehst, habe ich die Kontrolle darüber. Noch, aber wenn mein Körper stirbt, werde ich so wie du werden und dann hätte ich von dir nie mehr den Zwang nehmen können. Sicherlich kann ich die reine Magie dann noch nutzen, aber wie du es gesagt hast, was war, bleibt bestehen. Nun das es mich nicht verwandelt hatte, habe ich der heutigen Medizin zu verdanken.«

»Aber wie? Ich habe das Gift nicht gerochen und was ist mit Erik?« Schoss es aus mir heraus und ich sah, wie der Blick von Tjark traurig wurde.

»Das weiß ich auch nicht. Er wurde nicht von einer Kreatur angegriffen, geschweige denn vergiftet worden, aber er lebt, er altert und ist gleichzeitig eine Bestie.« Tjark log, das sah ich ihm an und ich war gewillt es ihm ins Gesicht zu sagen, doch ich hielt mich zurück. Wahrscheinlich war die Zeit noch nicht reif, dass ich alles erfuhr. Dennoch fragte ich mich, was Tjark alles herausgefunden hatte, trotz, das seine Magie versiegelt gewesen war und plötzlich schwant mir Fürchterliches. Was wenn die Versiegelung an ihm nie richtig funktioniert hatte? Wenn er immer mit einer Barriere vor mir stand? Doch ich kam mit meinen Überlegungen nicht weit, denn er zog mich in seine Arme, suchte meinen Mund und sanft küsste er mich.

 

Nachdem Tjark gegangen war, ging ich wieder ins Bett, denn die Sonne war dabei aufzugehen. Die Jalousien ratterten per Zeitschaltuhr nach unten und ich roch noch immer seinen Geruch. Ich glaubte, ich sollte mich duschen gehen. Auch wenn er sein Sperma tief in mich geschossen hatte, so spürte ich, wie etwas wieder rauslief. So stand ich auf und betrat mein Badezimmer. Drehte das Wasser in der Dusche auf und fragte mich, ob der Zwang wirklich von mir genommen worden war. Noch einmal ließ ich den Abend Revue passieren.

Ja der Zwang war eindeutig von mir und ich atmete tief ein. Eigentlich hatte sich nichts geändert, nur das ich Tjark in die Augen schauen konnte und mir das Du einfacher von den Lippen ging. Loyal ihm gegenüber war ich nach wie vor.

Ich trat unter die Dusche und ließ mir das warme Wasser über den Rücken laufen. Als ich mich gewaschen hatte, ging ich endgültig ins Bett. Nur damit mich wieder Augen verfolgten, die nicht Tjarks seine waren.

Ich hatte mich in Erik verliebt, doch genau wann dies passierte, wusste ich nicht. Vielleicht schon als er noch ein Baby war, oder eines Nachts, als er zu spät dran war, vom Fahrrad stürzte, oder als ich ihn dabei beobachtet hatte, wie er mit Nils den ersten gemeinsamen Höhepunkt erreicht hatte. Sein Gesicht, sah wundervoll erregt aus. Seine Lippen waren leicht geöffnet und er blickte unter seinen langen Wimpern Nils an und als es, soweit war, hatte er seinen Kopf in den Nacken geworfen und ein tiefer Seufzer entkam ihm.

Sicherlich hatte ich im Lauf der Zeit sehr viele Liebschaften gehabt. Doch keine Person hatte mein Herz so tief getroffen, wie Erik.

Es war zum Verzweifeln. Meine Sehnsucht blieb unerhört. Auf eine Art liebte ich Tjark, ja das schon und doch reichte es nicht aus, um Erik zu vergessen. Ihn aus meinen Gedanken zu verbannen. Erik. Meine Liebe zu ihm war echt und nicht aufgezwungen. Sicherlich waren meine Gefühle für Tjark auch nicht aufgezwungen gewesen, doch die Jahre während dem Zwang, war für mich einfach nur die Hölle. Ich wusste echt nicht, wenn Tjark in meiner Nähe war, ob es meine wirklichen Gefühle waren.

Doch nun wusste ich es und ich musste unwillkürlich schmunzeln. Tjark war immer gut zu mir gewesen und deswegen mochte ich ihn auch. Hatte ihn geliebt. Meine letzten Gedanken galten ihn, denn ich wusste, dass dies nun der Abschied für immer war.

»Leb wohl alter Freund. Das nächste Mal, wenn wir uns sehen, werden wir Feinde sein.«

 

6.5 Nils

 

Wo zum Teufel war Erik hinverschwunden. Egal, was ich auch versuchte, er war nirgends aufzufinden.
Inzwischen war ich zu einem Großhexer aufgestiegen und hatte Zugang zu sämtliche Formeln und Zaubersprüche, die im verborgenden Tempel lagen.

Eriks Magie, so rein, so stark, sie konnte sich nicht einfach in Luft aufgelöst haben.
Wieder zog ich eine alte Pergamentrolle aus dem staubigen mit Holzwürmer durchfressenen Regal raus und rollte sie auf. Auch hier war nichts Ersichtliches, wie man eine, mit versiegelter Magie verschwundene Person ausfindig machte.

Sonst hatte ich immer etwas von ihm gespürt. Egal wie weit wir getrennt waren, doch mit einem Schlag, war er komplett verschwunden. Wir ausradiert, wie tot.

Doch das konnte nicht sein. Erik war nicht tot. Denn sein Beschützer war der Wächter.
Meinem Mentor und Zirkelmeister fiel die Kinnlade runter, als ich ihm mitteilte, dass der Träger der reinen Magie den Wächter als Beschützer hatte.

Gerade ihm. Der jeden und alles jagte, was nur ein Fünkchen an reiner Magie aufgewiesen hatte.
Ich rollte das Pergament wieder zusammen und legte es zurück.

»Nils«, wurde ich angesprochen und ich drehte mich zu dem Lehrling um.

»Ja was ist denn?«

»Der Träger wurde nicht in dem Abschnitt des Waldes gefunden. Aber wir haben eine Feuerstelle in einer Höhle entdeckt.«

»Und?«

»Nach dem verbrannten Holz und den Fußspuren im Dreck, haben die Leute, die dort gewesen waren, schon über vier Tage die Höhle verlassen.«

»Gab es Spuren von Anwendung von Magie?«

»Es wird noch untersucht!«

»Okay. Macht bitte weiter. Es ist äußerst wichtig, den Träger ausfindig zu machen. Er ist eine Gefahr für uns alle.«

 

Ich stöberte das Regal weiter nach Hinweisen, wie man die reine Magie vollständig unterdrücken konnte oder versiegeln, denn nach meiner Erfahrung ging das nicht. Es blieb immer ein Rest bestehen.

Tief atmete ich ein und machte Schluss. Den ganzen Tag in dieser staubigen Gruft, war nicht das, was ich mir unter einem Großhexer vorgestellt hatte. Außerdem hatte ich noch ein Leben als Student.

So ging ich in die Wohnung, die ich mit Erik geteilt hatte.
Stellte meinen Rucksack auf den Küchentisch und wie automatisch wanderte mein Blick auf die Stelle auf dem Boden, als Erik seine Magie ausbrach. War das ein herrliches warmes Gefühl. So sanft, so rein und doch so gefährlich. Er hatte sich verwandelt und nun wusste ich auch, warum der Wächter Jagd auf die reine Magie machte.

Wenn jeder sich in so ein Ungeheuer verwandelte, der so viel an reine Magie besaß, war es kein Wunder, das er jeden tötete. Die Gefahr für die Menschen war einfach zu groß und doch musste ich sie besitzen. Eriks Magie, damit ich zum mächtigsten und stärksten Hexer werden konnte.

Mein Zirkel dem ich zugehörte, war zu schwach und doch brauchte ich es. Um zu lernen, die Regeln zu kennen und um mir einen Namen zu machen. Tief atmete ich ein und öffnete den Kühlschrank. Mist, ich hatte schon wieder vergessen einkaufen zu gehen und schloss ihn wieder. Dann nahm ich mein Handy zur Hand und bestellte mir eine Pizza. Die keine halbe Stunde später auf mein Tisch lag.

 

Ich nahm mir ein Stück und Eriks lächeln huschte durch meine Gedanken und, wie als ob er mich beobachtete, biss ich ab. Kaute genüsslich und schaute zu ihm, wie er sich die Lippen ableckte. Sein Blick verfolgte jeden meiner Bewegung. Er hatte vergessen zu essen. Erik war von meinem Tun gefangen und ich sah, wie er schon schwer zu atmen anfing. Sein süßer Mund, der mich des Öfteren ins Nirwana geschickt hatte, war leicht geöffnet und seine Wangen wiesen einen rötlichen Hauch auf. Nachdem ich meinen Bissen runtergeschluckt hatte, schluckte er und ich betrachtete seinen Adamsapfel. Meine Güte war der ausgeprägt, wie alles an Erik. Schon immer. Er riss sich von mir los, blickte mir tief in die Augen.

»Iss weiter!«, kam es stockend aus ihm und ich schmunzelte. Ja, mein Erik war ein Hurrikan.
Ich legte das angefangene Stück zurück, als ich mich an Eriks geschocktem Ausdruck erinnerte. Tränen liefen mir runter und ich legte meinen Kopf auf die Arme.

»Es tut mir leid. Es tut mir so leid, Erik, aber ich konnte nicht anders handeln. Du bist so sanft, so gutmütig. Deine Magie konnte nur vollständig ausbrechen, wenn du aus der Bahn geworfen wirst. Mein Darling. Aber wenn ich es dir erkläre, wirst du es verstehen und dann werden wir für immer zusammen sein. Mein geliebter Erik.«
Was hatte ich getan? Gab es wirklich keinen anderen Weg, als ihn betrügen zu müssen?
Mein Handy klingelte und ich ging ran.

»Es gibt schwache Spuren von Magie. Zeichen eines Portals und noch etwas anderem, doch wir können es nicht erkennen, um welchen Zauber es sich handelt. Dafür ist es schon zu lange her.«

»Findet heraus, wohin das Portal geführt hat!«

»Nils, es ist zu lange her. Es ist schon ein Wunder, das wir überhaupt erkennen konnten, das es sich um ein Portal handelt. Einen halben Tag Später und wir hätten gar nichts mehr erkennen können.«

»Versucht es!«, befahl ich und legte auf. Tief atmete ich ein. Ja es glich wirklich einem Wunder, nach so vielen Tagen, noch Spuren von angewandter Magie zu finden. Also musste es ein sehr starker Magier oder Hexer gewesen sein. Vielleicht war es der Wächter? Nein, das konnte nicht sein. Sämtliche Magie, die er benutzte war gleich darauf verschwunden. Es sei denn, man hatte körperlichen Kontakt, dann haftete sie noch Stunden an einem.

 

 

 

Kapitel 7

7.1 Erik/Breandon

 

»Das geht besser, Breandon. Noch einmal!«, rief Flo mir zu und ich holte mit dem Übungsschwert aus. Schlug in die Luft und ging wieder in die Ausgangsposition zurück. Diese Übung machte ich bereits seit einer Stunde und mir taten die Schulterblätter weh. Noch zwei dreimal vollführte ich die Bewegung, als ich das Schwert sinken ließ.
»Was ist los?«
»Ich brauch eine Pause«
Flo nickte und ich ging zu meinem Platz. Nahm meine Wasserflasche und trank. Schaute auf das Schwert, das ich auf die Holzbank gelegt hatte und schüttelte mit dem Kopf. Mit dem Ding konnte ich mich nicht anfreunden und doch war es, als ob mein Körper sich an einige Übungen erinnerte. Dennoch war es mir fremd und ich setzte mich.
Flo kam auf mich zu und er hatte ein Florett in der Hand.
»Was will ich jetzt mit dem Ding?«, fragte ich mich selbst und atmete tief ein. Am liebsten würde ich auf mein Zimmer gehen und in ein Buch lesen.
»Wenn du mit deiner Pause fertig bist, möchte ich, dass du mit dieser Waffe die Stichübung machst.«
»Was soll das Flo? Willst du wirklich, dass ich heute alle Waffen durchgehe. Ich bin kaputt.«
»Du bist im Nahkampf gut. Sehr gut sogar. Irgendjemand muss dich trainiert haben. Und nun wollen wir herausfinden, welche Waffe dir zusagt.«
Ich gab mich geschlagen und setzte noch einmal meine Wasserflasche an. Danach stand ich auf und nahm das Trainingsflorett.
Ging auf meinem Platz zurück und wie automatisch nahm ich die Ausgangsposition an. Ohne zu überlegen, stach ich in die Luft und Flo pfiff. Ich drehte mich zu ihm um und er zeigte mir, dass ich weiter trainieren sollte.
Irgendwie war das für mich kein Training mehr, sondern es ging ins Blut über. Das Florett, wer hätte das gedacht, das ich in so einer Waffe bewandert war.
Ich wusste nicht, wie lange ich dieses Training machte, aber es kam mir einfach zu kurz vor, als Flo mich ansprach und meinte, dass es genug war.
Noch einmal betrachtete ich das Florett und malte mir vor, wie ich mit einem Echten anstatt einer Übungswaffe zustach und parierte.
Ich räumte alles weg und ging anschließend unter die Dusche. Danach war Mittagessen im Gemeinschaftsraum und ich überlegte wie lange ich schon da war.
Drei Monate. Wie schnell die Zeit verging und Jasper winkte mir zu, als er mich erblickte.
»Hey!«, begrüßte er mich und setzte sich ohne zu Fragen mit an den Tisch.
»Hey!«, gab ich zurück.
»Ich hab gehört, das du das Florett beherrscht.« Ich zuckte nur die Schulter. »Das ist schon Wahnsinn. Echt! An nichts kannst du dich erinnern, aber dein Körper scheint es zu tun.«
»Frag mich nicht, warum das so ist.«
»Tu ich gar nicht, aber bist du nicht neugierig, warum du kämpfen und fechten kannst?«
»Schon, aber es bringt mir nichts, wenn ich mich nicht erinnern kann. Egal was ich auch tu. Da ist einfach nichts.« Zur Bestätigung tippte ich mir an die Stirn. Jasper pustete die Luft aus und nickte nur. Warum hatte ich manchmal das Gefühl, das er mehr wusste, als er zugab. Er legte seinen Kopf in seine Hände und schaute mich an.
»Was ist?«, fragte ich ihn.
»Ich frage mich, ob dir jemand den Vergessenszauber auferlegt hat. Vielleicht hast du was erlebt, was du nicht solltest.«
»So ein Schwachsinn. Paul hat mich deswegen auch schon untersucht und nichts gefunden. Ich denke eher, dass ich mein Kopf irgendwo aufgeschlagen habe und deswegen mich an nichts mehr erinnern kann. Irgendwann wird schon wieder alles zurückkommen und wenn nicht ...« Ich zuckte nur die Schulter, nahm meinen Teller und stand auf.

Innerlich schüttelte ich den Kopf. Warum fragte Jasper mich nicht, was er fragen wollte. Ich wäre nicht abgeneigt, aber immer solche doofen Fragen, wie ... ›gehen wir heute Abend eins trinken. Oder, was hältst du davon, die Sau rauszulassen?‹ war zwar ein und dasselbe, aber warum konnte er nicht einfach fragen ... wieder schüttelte ich den Kopf. Das würde Jasper nie machen. Mich zu fragen, ob ich mit ihm gehen wollte. Das wäre für ihn zu peinlich und sich an mich annähern, tat er auch nicht. Vielleicht sollte ich die Initiative ergreifen? Wieder schüttelte ich den Kopf, aber ich brauchte es langsam mal wieder. Fünf gegen einen wurde echt langweilig.
Ich kratzte meinen Mut zusammen und drehte mich zu Jasper um, der mir mit seinem Tablett gefolgt war.
»Sag mal ...« Nun blieben mir die Worte im Hals stecken, als er mich erwartungsvoll anblickte. Dann lächelte und gab ein ›hmm‹ von sich. Mein Herz pochte und mein Mund war plötzlich staubtrocken.
»... trinken gehen ...«, seine Augen wurden groß. »... heute Abend?« Nun grinste er und nickte. Danach legte er seinen Zeigefinger an den Mund.
»Darfst du überhaupt? Ich mein, hat Flo es dir erlaubt?«
»Mir egal, ich muss raus. Langsam fällt mir echt die Decke auf den Kopf.«
»Vergiss deine Worte nicht und mach ja keinen Rückzieher. Ich kenne da ein Tanzlokal, ganz in der Nähe. Das Creature.«
»Jasper! Das Lokal ist verboten ...«
»Nicht, wenn wir als normale Menschen dort hingehen und nicht als Jäger. Die Tanzfläche ist einfach der Hammer und die Mädchen ...« Ich hörte ihn nicht mehr zu, denn ich sah ihn bereits tanzen. Er trug sein Muskelshirt und diese Jeans, die seine Beine gut betonte, ganz besonders seinen Hintern.
»Breandon? Breandon hallo! Hörst du mir zu?«, riss er mich aus meiner Träumerei.
»Äh, was hast du gesagt?« Er verdrehte seine Augen.
»Ich sagte, das ich um acht bei dir bin.«
»Ahh ja, genau um acht.«
Jasper wandte sich von mir ab, hob seine Hand und verließ den Gemeinschaftsraum. Ich hatte damit zu tun mein Herz zu beruhigen und starrte ihm nur hinterher. Hatte ich ihn wirklich gefragt, ob wir zusammen aus gehen?
Musste wohl so sein, so wie mein Gesicht glühte. Aber eigentlich wollte ich in was anderes fragen und nun musste wohl eine Sonneneruption in meinem Gesicht stattfinden, als ich mich mit ihm im Bett sah. Gott Breandon, du weißt doch nicht einmal ob du überhaupt schon mal ...
Ich schüttelte den Kopf und versuchte so gut es ging, den Weg zu mein Zimmer zu finden.

Dort angekommen blickte ich mich um. Ich müsste dringend mal Staubwischen, doch so wie der Gedanke aufkam, war er wieder verschwunden. Ich ging in mein kleines Bedezimmer und fragte mich, was ich da wollte. Duschen. Ja das schon, aber um diese Zeit noch nicht, also ging ich zurück und setzte mich auf das Bett. Blickte mich um und konnte es immer noch nicht fassen, dass ich ihn gefragt hatte. So eine bescheuerte Idee. Trinken gehen und doch konnte ich nicht mehr zurück. Ich musst da durch, ob ich wollte oder nicht.

Pünktlich um acht stand Jasper vor meiner Zimmertür und klopfte an. Gott sei Dank wurde ich gerade fertig mit herzurichten und blickte noch schnell in meinem Zimmer um. Viele T-Shirts lagen auf dem Boden, genauso wie Jeans und Schuhe. Lange hatte es gedauert, bis ich was Passendes gefunden hatte und als es noch einmal klopfte, öffnete ich die Tür. Trat raus und begrüßte Jasper.
Als ich ihn anblickte, blieb mir wieder die Spucke im Hals stecken. Man sah der gut aus und er zwinkerte mir zu.
»Wollen wir?«
Ich nickte nur und folgte ihm, als er vor mir herging.

Wir stiegen in sein Wagen und nach einer kurzen Fahrt, parkte er auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Ich blickte zu dem Lokal, dessen Neonlicht ›Creature‹ hell durch den Nachthimmel leuchtete.
Ich stieg aus und Jasper sperrte das Auto zu. Gemeinsam gingen wir über die Straße und reihten uns in die wartende Schlange ein. Der dröhnende Bass erreichte meinen Körper und ich konnte es kaum noch erwarten, in das Lokal zu kommen.
Es ging recht schnell voran und als der Türsteher mich durchcheckte, nichts fand, ließ er mich durch. An der Kasse bezahlte ich den Eintritt und ich schaute mich im Lokal um. Es war das erste Mal, das ich in einem Tanzlokal war und die Musik schmeichelte mein Ohr. Mein Körper reagierte darauf und ich wollte sofort auf die wirklich große Tanzfläche, doch ich hielt mich zurück und drehte mich zur Kasse, an der Jasper seinen Eintritt zahlte.
Er ging wieder voraus, bahnte seinen Weg zum Tresen und ich lief ihm hinterher. Das hier war das Creature, bei dem es hieß, dass sich hier jeder die Hand gab, sich freundlich zulächelte und respektablen Small-Talk betrieb. Wie die Schweiz. Neutral, doch sollten sich die Parteien draußen auf der Straße begegnen, gab es Mord und Totschlag.
Jasper bestellte sich eine Cola und fragte, was ich wollte. Ich sagte, dass ich das gleiche wollte und kurze Zeit später standen unsere Getränke vor uns.
»Breandon, du kannst ruhig was trinken.« Etwas sprachlos blickte ich ihn an, denn ich hatte noch nie Alkoholisches getrunken. Nun zumindest in den letzten drei Monaten nicht. »Mach ruhig. Ich bringe dich schon nach Hause.« Er zwinkerte mir zu und ich nickte nur. Ob ich mir was Alkoholisches bestellte, wusste ich im Moment noch nicht. Ich wollte nur auf die Tanzfläche und abtanzen.
So nahm ich einen kleinen Schluck und stellte die Cola ab.
»Ich gehe tanzen!« Jasper nickte. Er nahm mein Glas an sich und suchte sich eine Sitzmöglichkeit in der Nähe der Tanzfläche. Als er sie gefunden hatte, setzte er sich hin und ich sah, wie er mich beobachtete.

Kaum das ich die Tanzfläche betreten hatte, machte mein Körper, was er wollte. Wie automatisch und nie was anderes getan, tanzte ich. Also konnte ich tanzen. Nicht nur etwas mit der Hüfte schwingen, sondern richtig tanzen.
Es war herrlich und bald befand sich Jasper bei mir und tanzte mit mir.

 

7.2 Etienne

 

Ich saß am Schreibtisch und ging meine Rechnungen durch. Eigentlich war das Cedrics Aufgabe, doch der wollte mit seiner Frau einen romantischen Abend verbringen. Wieder einmal und ich atmete ein.
Etwas Langweiligeres gab es nicht, als Rechnungen durchzugehen, und ich schloss meine Augen. Streckte mich durch und dann stand ich auf. Trat an das Fenster, das mir ein Blick über mein Lokal preisgab und ich schaute auf die Tanzfläche. Da es Wochenende war, war mein Lokal natürlich gerammelt voll und doch war es diesmal etwas anders.
Die Stimmung war ziemlich ausgelassen und den Pol fand ich gleich. In mitten von Vampiren tanzte ein junger Mensch, dessen Bewegungen mich einnahmen. Sie waren wundervoll geschmeidig, erotisch und verführerisch. Er hatte sie alle in seinem Bann gezogen und es war, als ob nur jeder der umstehenden darauf wartete, eine Spalte zu erhaschen um an ihn ranzukommen. Cedric hätte sich bestimmt sofort in seine Bewegungen verliebt und ihm ein Arbeitsvertrag unter die Nase gehalten. Als ich wieder zu meinen Rechnungen gehen wollte, drehte er sich in meine Richtung und ich sah sein Gesicht.
Geschockt starrte ich auf die Tanzfläche. Das konnte nicht sein. Die Sekunden standen still und es dauerte lange, bis ich wieder einen normalen Gedanken fassen konnte.
»Was macht Erik hier?«; fragte ich mich und noch immer konnte ich mich von ihm nicht losreisen. Ich musste ihn beobachten, nein betrachten. Erik konnte schon immer gut tanzen und oft hatte ich mir vorgestellt sein Tanzpartner zu sein, als er auf seiner Schule Auftritte hatte oder bei Meisterschaften antrat. Ab und zu konnte ihm dabei zuschauen. Beim Training, wenn er die Schritte bei lateinamerikanisch verwechselt hatte oder seine Tanzpartnerin den Halt bei Lampada verlor.
»Was zum Teufel ...!«, zischte ich, als ich sah, das sich nun einige Vampire zu ihm drängten und den anderen versuchten, der mit Erik tanzte wegzuschieben.
Ich nahm mein Handy in die Hand und wählte. Lange dauerte es nicht, bis abgenommen wurde.
»Jo Boss!«
»Valentin, auf Tanzfläche, zwei Menschen!«, mehr brauchte ich nicht zusagen und ich sah, wie sich meine Security in ihre Richtung bewegten, unauffällig und bestimmend die Vampire auf ihre Plätze zu verweisen.
Der Vampir der sich Erik ausgesucht hatte, blickte zu dem Fenster, das vom Lokal her abgetönt war und fletschte herausfordernd die Zähne. Danach grinste er und ich schloss meine Augen. Ja ich wusste, was dies bedeutete. Hier im Lokal habe ich das Sagen, aber draußen auf der Straße nicht.
Als ich meine Augen wieder geöffnet hatte, sah ich, wie der andere Mensch zu mir hochblickte. Das war doch ... Moment, der Jäger oder täuschte ich mich. Nein, das war er. Er hatte sich gemacht und auch seine Haltung war nicht mehr so unreif. Jaa... er hatte sich wirklich gemacht und seine Augen waren wachsam. Er hatte dies, mit dem Zurechtweisen der Vampire mitbekommen.
Wahrscheinlich hätte ich gar nicht eingreifen brauchen. Und doch, war es das Beste, wenn Erik aus meinem Lokal verschwand.
Die beiden verließen die Tanzfläche und setzten sich an den Tisch der etwas unweit neben der Fläche stand. Der junge Jäger nahm die Gläser mit der Cola und ging zum Tresen.
Ich selbst ging schnell aus meinem Büro und bevor der Jäger dort ankam, stand ich da und er stellte mir die halb vollen Gläser hin.
»Zwei mal das Gleiche bitte«, bestellte er und er drehte sich sogleich zu Erik um.
»Ist es nicht etwas zu gefährlich, einen Menschen hierher zu bringen, junger Jäger?«
»Oh Sie wissen, was ich bin?« Ich nickte.
»Natürlich, wenn ich ein Gesicht einmal sehe, dann vergesse ich es nicht so schnell. Schon gar nicht, wenn derjenige noch eine Narbe von mir bekommen hat.« Der Jäger fasste sich an seinem Hals und schmunzelte leicht.
»Ach die, ja ich erinnere mich.« Ich nahm die zwei halb volle Gläser und schüttete den Inhalt aus. »Vorsichtig genug kann man nicht sein,« säuselte er und nickte zu den Gläsern. Nun schmunzelte ich und nickte ebenfalls. Stellte die Gläser zum Aufwaschen hin und nahm neue. Füllte sie wieder mit Cola und tat etwas Eis dazu. Stellte sie vor ihm hin und er nahm sie sich.
»Danke!«
»Für was?«
»Das Sie die Typen ...« Ich winkte ab.
»Ich habe es nicht für dich gemacht.«
»Natürlich nicht. Breandon ...« Breandon? Huschte es mir durch, als ich sah, wie er zu Erik nickte. »Ist noch etwas unbeholfen. Ich hätte nicht gewusst, wie ich uns unbemerkt hätte daraus ziehen können.«
»So?« Der Jäger nahm die Gläser. »Das habe ich gesehen und wohl etwas Mitleid gehabt.« Er lachte los.
»Sicher.«
»Du magst zwar ein Jäger sein, aber bist dennoch ein Mensch. Für dich und für deinem Freund ist es gefährlich hierher zu kommen.«
»Das Creature ist neutral.«
»Im Lokal ja, aber außerhalb. Jetzt wurde auf euch ein Auge geworfen und euer nach Hauseweg, steht noch bevor. Das, Jäger hättest du bedenken müssen.« Ich sah, wie er tief einatmete und sein Blick von mir zu Erik wanderte. Dann nickte er wieder und lächelte los, als Erik auf uns zukam. Er grinste und als er am Tresen war, reichte er mir seine Hand.
»Hi! Ich bin Breandon. Das ist ja ein toller Club.«
»Hi! Etienne. Danke!« Kurz zuckte er zusammen und sein Ausdruck wurde etwas nervös.
»Ähm. Der Etienne? Etienne der Wächter.«
»Oh du kennst mich?«
»Ähm `Tschuldige. Eigentlich nicht. Jasper, Paul und mein Mentor haben mir die Legende der Entstehung den Vampiren erzählt und da kamen Sie mit vor.«
»So! Wenn Sie einen Mentor haben, dann sind Sie wohl auch ein Hexer.« Sofort schüttelte er den Kopf. »Nein kein Hexer. Sie besitzen keine Magie. Dann wohl ein Jäger.« Erik nickte und Jasper atmete tief ein, rieb sich die Augen und meinte, dass er mal wohin musste.
»Oh habe ich mich falsch verhalten?«, fragte Erik Jasper, doch der war schon auf den Weg zu den Toiletten. Dann drehte er sich zu mir und blickte verlegen zu seinem Glas.
»Entschuldigung!«
»Nicht der Rede wert!«, meinte ich und stellte ihm ein Gläschen mit Schnaps hin.
»Ich habe das nicht bestellt!«
»Macht nichts, das geht auf mich. Ihr Freund möchte wohl, dass Sie heute ausgiebig feiern.«
»Nein eigentlich war das meine Idee und für mich ist es das erste Mal, das ich in ein Tanzlokal bin. Ich mein, mein Leben hat erst vor drei Monaten begonnen. Alles davor, einfach weg.« Er machte dazu eine wegwerfende Handbewegung. Ich blickte ihn an und seine Augen schienen mich gefangen zu nehmen.
»Verstehe.« Ich musste kräftig schlucken. Erik hatte sein Gedächtnis verloren und ich suchte nach Hinweisen. Ich fand keine an ihm angewandte Magie und Tjark huschte mir durch. Konnte er es gewesen sein? Er? Hatte er es über sein Herz gebracht, seinen Sohn alles Vergessen zu lassen? So abwegig war es nicht. Immerhin gab er mir die Freiheit zurück und seitdem hatte ich ihn nicht mehr gesehen. Obwohl es öfters vorkam, dass wir uns nicht sahen. Die letzte große Spanne waren über zehn Jahre und doch wusste ich immer, wo er oder Erik sich befanden. Doch nun, nun konnte ich gar nichts mehr spüren. Nicht einmal etwas von Erik, obwohl er genau vor mir stand.
»Nein tun Sie nicht. Ich weiß nicht einmal, ob ich wirklich Breandon heiße. Aber was rede ich da. Bitte entschuldigen Sie mich. Ich will Sie nicht langweilen.«
»Das tun Sie nicht. Wissen Sie was Breandon bedeutet?«, fragte ich und er schüttelte den Kopf. »Das ist walisisch und bedeutet Prinz.«
»So? Ne wusste ich nicht«, meinte er, und es schien ihm auch nicht zu interessieren. Aber seine Augen. Er riss sich von mir los, trank seinen Schnaps, spülte ihn mit Cola runter und ging wieder auf die Tanzfläche.
Kurz darauf kam der Jäger zurück und lächelte, als er Erik auf der Tanzfläche sah.
»Erik tanzt einfach wunderbar, nicht wahr?«, verhaspelte sich der Jäger, ohne das er es mitbekommen hatte.
»Erik?!«, zischte ich und packte seinen Arm. Drehte ihn so um, dass es in seiner Schulter kurz knackte und sich nicht mehr bewegen konnte.
»Scheiße, ...«
»Was meinst du mit ›Erik‹?« Seine Augen wurden groß.
»Ich kenne keinen Erik! Au!«
»Lüge mich nicht an Jäger. Was habt ihr beschissenen Jäger mit ihm gemacht?« Ich spürte, wie ich mich veränderte und meine Krallen sich langsam in sein Handgelenk bohrten.
»Wir haben nichts mit ihm gemacht. Es war sein Vater ...«, dachte ich mir. »Ich würde ihn nicht herbringen, wenn ich nicht gewusst hätte, dass er hier in Sicherheit wär, Wächter!«
»Was weißt du über ihn?« Nun zog ich ihn in meinen Bann. Er konnte sich mir nicht mehr wehren.
»Nicht viel.« Ich drehte das Armgelenk weiter. »Alles, ich weiß alles. Er ist der Sohn von König Tjark, der vor über 12 tausend Jahre über das Land geherrscht hatte. Und du bist die rechte Hand des Königs ...«
»Warum kann ich seine Magie nicht spüren? Das war noch nie der Fall.«
»Sie wurde mit der 21. Versiegelung versiegelt.«
»Dafür braucht man mindestens drei Hexer.«
»Ein Magier, zwei Hexer und ein Zeuge.«
»Verstehe.« Ich ließ ihn los und entließ ihn aus meiner Kontrolle. »Warum kann er sich an sein altes Leben nicht mehr erinnern.«
»Sein Vater hat an ihm den Vergessenszauber angewandt. Scheiße.« Er schüttelte sich das Handgelenk und drückte auf die kleinen Wunden, die ich ihm zugefügt hatte. Die sich langsam in Luft auflösten. Er schaute fragend zu mir hoch.
»Wie willst du es erklären, dass du plötzlich fünf Wunden am Handgelenk hast, wenn er wiederkommt.«
»Danke!« Ich winkte ab.
»Wo ist Tjark jetzt?«
»Das wissen wir nicht. Als er uns seinen Sohn überlassen hatte, hatten wir ihn nicht mehr gesehen. Das war vor drei Monaten.«
Doch weiter konnten wir uns nicht mehr unterhalten, weil Erik strahlend lächelnd zurückkam. Der Jäger nahm die Gläser und passte Erik auf halben Weg ab und dann gingen sie zu ihrem Tisch.

Ich stieg die Treppen zu meinem Büro hoch und mir war es, als ob mir Blicke folgten. Ich drehte mich um und für einen kurzen Moment trafen sich unsere Blicke. Erik huschte es mir durch die Gedanken und ich hatte gar nicht gemerkt, dass mein Herz dabei war, mir über die Schädeldecke zu springen. So pochte es in meiner Brust.


7.3 Erik/Breandon

 

»Mein Name ist Breandon. Ich bin zwischen 18 und 22 Jahre alt ...« Ja, noch immer kam mir der Name fremd vor, den mir Flo gab und bei einer Vorstellung, dieses Alter angeben, ich schüttelte den Kopf.
»Wissen Sie was Breandon bedeutet?« Hatte mich der Typ gefragt und ich antwortete nur, dass ich es nicht wusste, dennoch beschäftigte es mich. Warum hatte er mir seine Bedeutung gesagt? Breandon war ein gängiger Name und wie er entstanden war, hatte mich noch nie interessiert.
Ich drehte mich auf die andere Seite und blickte zum Fenster raus. Drei Monate Erinnerung, waren nicht viel und doch wusste ich alles. Ich wusste, wie die Gegenstände hießen. Monate und Jahre bedeuten. Ich konnte rechnen und schreiben und mein Körper erinnerte sich an die Abläufe der Kata. Ich konnte Autofahren, fechten und tanzen
»Wer bin ich?«, fragte ich die Sterne, die wie üblich stumm blieben.


»Erik. Heute passt Etienne auf dich auf. Papa muss in die Arbeit«, sprach mein Vater mich an, doch ich hörte ihn nicht, weil der Cartoon von der schnellsten Maus von Mexiko mir gefiel. »Erik! Hörst du mich?« Ich nickte mit dem Kopf und lachte über die Maus, als sie wie immer ihren Spruch losließ. ›Arriba, Arriba! Andale, andale!‹
Mein Vater stellte sich vor mich hin und ich blickte zu ihm hoch, drückte meinen Hasi an mich ran und versuchte, um meinem Papa herumzuschauen.
»Erik!« Er kniete sich vor mich hin und richtete die Decke, in die ich mich gekuschelt hatte. »Etienne passt auf dich auf!« Ich nickte und richtete mich so, dass ich wieder in den Fernseher gucken konnte. »Ärger ihn nicht und bin brav.«
»Liest Onkel Eti mir wieder eine Geschichte vor?« Mein Vater lächelte mich an.
»Ganz bestimmt«, dann beugte er sich zu mir und küsste mich auf die Stirn. »Morgen früh bin ich wieder da und bringe dir Croissants mit. Dann frühstücken wir gemeinsam.« Mein Vater drehte sich um und grüßte Etienne.
»Erik schau, Etienne ist schon da!« Ich sprang von der Couch, rannte auf ihn zu und er nahm mich hoch. Umschlang meine Arme um seinen Hals und die schnellste Maus von Mexiko war vergessen.

Ich schreckte hoch und rieb mir die Augen. Mein Herz pochte aufgeregt und ich fühlte mich behaglich, doch was ich geträumt hatte, hatte ich bereits wieder vergessen. Es blieb nur das Gefühl zurück, das ich etwas sehr Wichtiges vergessen hatte.


Am nächsten Morgen wachte ich etwas gerädert auf. Das musste wohl der letzte Abend gewesen sein, denn ich war es nicht gewöhnt so lange wach zu bleiben und außerdem hatte ich mich wohl etwas zu verausgabt.
Dennoch hatte mir das Tanzen gutgetan, obwohl ich eigentlich was anderes vor gehabt hatte, aber als wir im Auto saßen und zurückfuhren, fielen mir die Augen zu. Jasper war so gütig und hatte mich noch in mein Zimmer gebracht, bevor er sich verabschiedet hatte.

Ich ging unter die Dusche, zog mich an und dann war mein Weg zum Gemeinschaftsraum.
Jasper saß schon da und gönnte sich seinen typischen Hallo-Wach-Kaffee. Oder wie er es immer nannte. Ich selbst machte mir einen Tee, schnappte mir eine Schüssel, tat Flakes rein und Milch dazu und setzte mich zu ihm. Wie immer rümpfte er die Nase, als er mein Frühstück betrachtete, sagte aber nichts dazu. Diesmal zumindest nicht.
»Und hast du gut geschlafen?«
»Schon!«
»Nun, du siehst nicht so aus!«
»Müssen wohl die Stunden sein, die mir fehlen.«
»Darauf kommen wir gleich. Wenn ihr beide fertig mit Frühstück seit, will ich euch in meinem Büro sehen!«, polterte es hinter mir los und ich drehte mich um. Schluck, Flo stand mit funkelten Augen da und musterte uns beide. Dann machte er kehrt und mir war der Hunger vergangen.
»Er hat Wind bekommen!«, murmelte ich und Jasper grinste.
»Natürlich hat er das. Er ist nicht umsonst ein Großmeister.« Echt toll und für Jasper witzig. Mir ging der Arsch auf Grundeis und er lachte nur darüber.

Als wir unser Geschirr weggeräumt hatten, gingen wir zu Flohs Büro, klopften an und ohne Weiteres ging die Tür auf.
Das Zimmer war leer und doch wussten wir, das er nicht weit weg war.
Es dauerte auch keine fünf Minuten, da kam er von einer Seitentür rein und setzte sich an sein Schreibtisch.
Wieder musterte er uns und mir wurde es unbehaglich.
»Jungs, ich habe nichts dagegen, wenn ihr mal die Sau rauslässt, aber musste es gerade im Creatures sein? Wie oft soll ich es dir eigentlich noch sagen Jasper?« Mein Nebenmann machte keine Anstalten darauf etwas zu erwidern. Noch zuckte er mir seiner Schulter, er hatte nur damit zu tun, sein Grinsen zu unterdrücken. Flo atmete tief ein. »Jasper nie wieder gehst du mit Breandon dort hin!« Nun nickte er und auch wenn ich bereits einen Schweißausbruch zu verzeichnen hatte, nahm ich meinen Mut zusammen.
»Was ist an dem Creature so schlimm? Es ist genauso ein Lokal, wie jedes andere.«
»Täusche dich da mal nicht Breandon. Das Creature kannst du als Supermarkt bezeichnen. Jeder fünfte Mensch, der dort einkehrt, ist entweder spurlos verschwunden oder am nächsten Tag tot. Menschen haben da nichts verloren und ihr zwei seit Menschen. Ihr habt keine Magie, die euch davor schützt.«
»Aber wir sind Jäger!«
»Genug jetzt Breandon. Ihr beide seit noch gar keine Jäger, denn wenn ihr es wärt, dann würdet ihr euch nicht selbst in Gefahr begeben. Das Creature ist tabu ein für alle mal. Verstanden!«
Flo atmete ein und rieb sich die Stirn. »Jetzt was anderes. Heute Abend ist eine Krisensitzung im Rat einberufen worden. Ich möchte, dass ihr beide mich dorthin begleitet.« Jasper fielen die Augen raus und sein Mund stand offen.
»Wir? Was ist mit Paul?«
»Paul hat was anderes zu erledigen.« Durchdringend schaute er uns an.
»Das war´s. Ihr könnt gehen!«


Vor der Tür sprang Jasper in die Luft und machte die Siegesbewegung mit seinem Arm.
»Yeah! Endlich!«, rief er und ich schaute ihn fragend an. Doch zu fragen kam ich nicht dazu. »Weißt du, was das bedeutet?«
»Ähm, nein!«
»Flo sieht uns langsam als richtige Jäger an. Geduld und hartes Training hat sich endlich ausgezahlt.«
»Aber hat er vorhin nicht gesagt, dass wir ...«
»Das hat er gar nicht so gemeint. Er war nur wütend. Aber wie du siehst, ist das schon wieder vergeben und vergessen. Ich darf die heiligen Hallen der Ratsmitglieder sehen und gehe als Stellvertreter mit ...«
»Ist Flo wohl ein Ratmitglied?«
»Ja ist er. Breandon ich bin so aufgeregt!« Nun ja ich ließ ihn in seiner Euphorie und schüttelte innerlich den Kopf. Mich interessierte der Rat nicht und atmete ein.


Mit Flohs Auto fuhren wir zum Rathaus und stiegen aus. Nur vereinzelte Menschen liefen mit Einkaufstüten an uns vorbei und ich schaute auf meine Uhr. Es war kurz vor 20 Uhr und die Leute schauten, dass sie nach Hause kamen.
Verdenken konnte ich es nicht, denn ich spürte eine drückende Unruhe, die in der Umgebung herrschte und es packte mich die Angst. Es war das erste Mal, das ich so derartiges spürte und ich schaute um mich.
»Ist was?«, fragte mich Jasper und ich schüttelte den Kopf.
»Nichts! Wahrscheinlich hängt mir die letzte Nacht noch nach«, sagte ich und Flo mustertet mich auf eine komische Art, die sogleich auch wie wissend aussah.

 

7.4 Florian

 

»Verdammte Kinder! Verdammte leichtsinnige Kinder!«, fluchte ich ständig vor mich hin, als es klar wurde, wohin sie wollten. »Wie oft soll ich es dem Nichtsnutz noch sagen? Und dann auch noch Breandon! Vom ihm hätte ich es nicht erwartet, dass er da mit macht!«
Und doch rief ich mich zur Reason. Vielleicht war es gar nicht mal so schlecht, wenn Breandon das Leben außerhalb dieser Gemäuer kennenlernte.
Vor allem, wenn ich glauben schenken konnte, was damals passiert war, dann würde der Wächter seine Hand über ihn halten.
»Beruhige dich Florian. Jasper ist schon erfahren genug«, versuchte, ich mich zu beruhigen. »Ja, aber Breandon nicht. Sein Leben hatte erst vor drei Monaten begonnen.«
Egal, wie viele Gedanke ich mir über die zwei machte, nun brachte es nichts. Sie waren auf dem Weg. Auf dem Weg in die Hölle. Oder doch nicht? Etienne der Wächter hielt seine Hand über das Lokal und Tjark hatte über ihn mehr Einfluss als Etienne über sich selbst. Ich musste abwarten. Abwarten, ja das war gut.
Mein Telefon klingelte. Noch so ein altes Modell, das an einem Kabel gebunden war. Ich schaute es an und setzte mich auf meinen Stuhl. Vielleicht konnte ich mich so beruhigen und nahm ab.
»Hier ist Joah, sitzen Sie?« Da ich schon saß, bejahte ich es. Wäre ich nicht bereits gesessen, so hätte ich dies getan. Joah und so sprechen, bedeutete meistens nichts Gutes. »Wir müssen Annehmen, das Königin Ankya tot ist«
Mir fiel die Kinnlade runter und ja ich wäre wohl auch ins Schwanken geraten und forderte auf, das er mit Einzelheiten rausrückte.
»Einzelheiten sind uns bisweilen nicht bekannt. Daher nur die Mutmaßung. Die Untersuchungen laufen bereits.«
»Dann warum kommen Sie mit Mutmaßungen daher?«
»Königin Ankya wollte sich zurückziehen, aber ihr Kammermädchen fand sie nirgends. Ihre unterstellten Magier hatten sie nirgends gefunden und mich darauf hin kontaktiert.«
Wenn ihre Magier sie nicht ausfindig machen konnten, dann mussten wir mit dem schlimmsten rechnen. Ankya sah vielleicht wie ein junger Teenager aus, war aber eine reife und weise Frau, die nichts dem Zufall überlies.
»Verstehe! Wenn Königin Ankyas Verbleib bis Ende der Nacht nicht geklärt ist, müssen wir morgen Nacht eine Sitzung einberufen«, sagte ich und legte auf. Rieb mir die Stirn und nahm die Karaffe, die auf meinem Tisch stand. Ich stellte sie vor mich hin und griff nach einem Glas. Eigentlich war der Inhalt nur für spezielle Gäste gedacht, doch ich brauchte nun was Starkes und so schüttete ich mir etwas ins Glas. Setzte an und trank. Der Schnaps lag fein auf meiner Zunge und schmeichelte meinen Gaumen.
Was für ein Ding. Etwas schlimmeres wie der Tod der Vampirkönigin konnte es nicht geben.
Ich lehnte mich zurück und schloss meine Augen.


»Stehen bleiben!« Doch das Mädchen sprang kichernd weiter. »Bleib stehen, Vampir!« Ich war bereits am Ende meiner Kräfte. Die Verfolgung des Mädchens schlauchte mich ziemlich stark. Kurz holte ich Atem und dann rannte ich wieder los. Ich ignorierte mein Seitenstechen und plötzlich war sie verschwunden.
Auf einmal war das Kichern hinter mir und ich drehte mich um. Sie lehnte an einem Baum und lächelte mich an. Was für ein wunderschönes Mädchen, doch sie war zu jung und ich verfluchte den Vampir, der ihr das angetan hatte.
»Du bist gar nicht mal schlecht, Jäger.«
»Lach mich nicht aus Vampir.«
»Tue ich gar nicht. Ich bewundere dich. Du hast es geschafft, meine Verteidigung zu durchbrechen und hast an mir den Verfolgungszauber gelegt.« Sie lächelte weiter und legte ihren Kopf schief. »Verstehe, du bist ein Hexer. So eine Kombination habe ich noch nicht gesehen. Jäger und Hexer.« Anerkennend nickte sie und machte einen Schritt auf mich zu. Sofort zog ich meine Waffe, doch dies interessierte ihr nicht. Unerwartet war sie wieder verschwunden und ich spürte etwas Scharfes an meiner Kehle.
»Auf der ganzen Verfolgung hätte ich dich mindestens hundert Mal töten können. Genauso wie jetzt. Einfach so«, sagte sie und zog ihre Krallen zurück.


Ich musste schmunzeln, als ich mich an unsere erste Begegnung erinnerte und hob mein Glas an meine Lippen.


Sie trat vor mich und lächelte mich sanft an.
»Wie ist dein Name Jäger?«, fragte sie geradeaus und sie machte keine Anstalten mich in ihr Bann zu ziehen.
»Warum soll ich ihn dir sagen?« Sie zuckte nur die Schulter und machte einen Schmollmund.
»Musst du nicht, aber er interessiert mich einfach. Na dann Jäger, vielleicht sehen wir uns wieder« Sie drehte sich um und wollte gehen. Keine Ahnung was dann passierte, doch ich wollte auf einmal ihren Namen wissen.
»Warte! Wie ist dein Name?« Das Mädchen schaute zurück und ihr Lächeln, es war so schön, so befreit.
»Warum soll ich dir meinen Namen nennen, wenn du mir deinen nicht verrätst?« Irgendwie musste ich auch lächeln. Sie strahlte eine Fröhlichkeit aus, die ich noch nie bei einem Vampir gesehen hatte und ich steckte meine Waffe weg.
»Florian. Mein Name ist Florian!« Dann stand sie aus heiterem Himmel vor mir und reichte mir ihre Hand.
»Ankya. Sehr erfreut!«

Damals hatte ich noch nicht gewusst, dass sie die Königin war und wir fingen an uns ab und zu immer wieder mal zu treffen. Wieder schmunzelte ich, als ich mich an ihren makelosen Körper erinnerte. Ja, wir hatten uns geliebt. Oft, und keine Frau hatte mehr Platz in meinem Herzen gehabt. Auch wenn ich bereits die fünfzig überschritten hatte, so hatten wir uns immer wieder getroffen. Gott ich liebte diese Frau und mehrmals hatte sie mir angeboten, mich zu ihresgleichen zu machen. Und immer wieder hatte ich abgelehnt.

Mein Telefon riss mich aus meiner Vergangenheit und ich ging ran.
»Joah hier. Der Wächter hat ihren Tod bestätigt. Die Königin der Vampire ist tot.« Nun nippte ich nicht mehr, sondern trank den Inhalt komplett aus, damit ich das Glas erneut befüllen konnte. Dreißig Jahre waren einfach in Luft aufgelöst worden und ich lehnte mich zurück. Schloss meine Augen und ließ den Tränen freien lauf.

 

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Kapitel 8

8.1 Etienne

 

Endlich hatte ich die bescheuerten Rechnungen fertig. War nicht mehr so leicht, nachdem mich ständig diese hellblauen Augen verfolgten. Valentine hatte ich auf Jasper und Erik angesetzt, dass er darauf achten sollte, damit sie heil nach Hause kamen, und schon klopfte es an der Tür. Ohne ein Wort von mir kam Valentin rein.
»Paket ist ordentlich geliefert worden!« Ich atmete ein und nickte.
»Wie ich dich kenne, hat der andere nicht überlebt.«
»Jupp.«
»Gut! Danke.«
»Nichts zu danken Boss. Der Kleine ist ja auch eine Sahneschnitte. Aber leider auch ein Jäger.« Ich nickte abwesend und stand auf. Nebenbei sagte ich noch, dass er zusperren sollte.

Ich war auf dem Weg zu meinem Auto, als ich plötzlich stark aufkommende reine Magie spürte und ich musste mich an der Hauswand festhalten. »Ankya«, durchschoss es mir in Gedanken. »Was ist denn jetzt schon wieder mit dir?«, fragte ich mich kopfschüttelnd und als die Welle der Magie versiegt war, ging ich weiter zu meinem Auto. »Sie muss auch immer übertreiben«, dachte ich und startete den Wagen. »Die Zeiten sind vorbei, dass ich darauf reagiert habe, meine Liebe. Wenn ich dich ficken soll, dann ruf gefälligst an. Weiber!« Und wenn sie anrufen würde, würde ich ihr absagen.


Als ich die Tür zu meinem Apartment schloss, freute ich mich auf die Dusche. Eine Dusche war genau. Eine kalte Dusche wohl gemerkt, um meinen erhitzten Körper zu löschen. Eriks Augen verfolgten mich. Sein Tanz verfolgte mich und seine Stimme hatte sich in meinem Innern festgesetzt. Keine fünf Minuten Konversation und er hatte mich in seinen Bann genommen. Wieder.
»Eti liest du mir Bob der Baumerster vor? Eti ich will noch Kaba ...!« Unwillkürlich musste ich schmunzeln.
Bis Erik fünf wurde, war ich oft bei ihm, doch dann war es Zeit, dass ich auf Abstand ging. Sein Gehirn hätte ihn mich sonst nicht vergessen lassen und meine Welt wäre für ihn gefährlich geworden.
Doch nun? War er in meine Welt. Er war ein Jäger. Wie dies passierte, darüber konnte ich nur spekulieren.
Vor einem viertel Jahr, war er noch in einem Fast Food Restaurant tätig und lebte mit dem Hexer Nils zusammen.
Ich schüttelte den Kopf. Die menschliche Zeit verging viel zu schnell, da hatte ich manchmal wirklich Schwierigkeiten mitzukommen. Was waren für mich drei Monate? Nicht einmal ein Wimpernaufschlag.

Kaum wollte ich mich meinen Klamotten entledigen, klingelte mein Handy. Tief atmete ich ein, denn es konnte nur eine sein. Da ich nicht auf ihren Ruf reagiert hatte, versuchte sie es nun so, und ohne auf das Display zu schauen, wer mich anrief, ging ich ran.
»Spreche ich mit Etienne dem Wächter?« Kurz blickte ich auf das Handy, doch die Nummer wurde nicht mehr angezeigt.
»Wer will das wissen?«
»Bitte verzeihen Sie. Mein Name ist Joffrey und ich bin der Großmagier der Vampirkönigin Ankya«, stellte er sich vor und ich atmete tief ein. Na toll, nun ließ sie schon anrufen.
»Was wollen Sie?«
»Ich bitte noch einmal um Verzeihung, aber wir benötigen Sie auf dem Anwesen der Königin.«
»Die Sonne geht bald auf. Der Königin ihr Anliegen kann doch bestimmt noch bis morgen Nacht warten.«
»Nun ähm, ja, wie soll ich mich ausdrücken. Ich bitte noch einmal um Verzeihung, aber wir gehen der Annahme, dass unserer Königin verstorben ist.«
»WAS? Soll das ein Scherz sein?« Doch bevor er was erwidern konnte, hatte ich ein Portal geöffnet und im nächsten Moment stand ich im Eingangsbereich auf ihrem Anwesen.
»... unauffindbar«, hörte ich nur und legte auf.
Ihre Wachen stürmten auf mich zu, doch mit nur einer Handbewegung schleuderte ich sie weg. Auf einem ging ich zu, der sich schmerzverzehrt krümmte und wieder aufstehen wollte. Diesen packte ich am Kragen und zog ihn hoch.
»Wo finde ich diesen Mann, der sich Joffrey nennt?« Er zeigte zu der Treppe und keuchte ›Privatgemächer‹. Ich ließ ihn los und machte mich auf dem Weg.

Zu suchen wo sich ihre Privaträume befanden, brauchte ich nicht. Dieses Anwesen kannte ich besser, als meine rechte Hosentasche. Ich war mit dabei, als es erbaut wurde. Oben angekommen und ohne anzuklopfen, ging ich rein. Sofort drehten sich viele mir unbekannten Hexer und Magier um.
»Wer ist der Mann, der Joffrey heißt?«
»Und Sie sind?« Einer trat vor und ich musterte ihn.
»Etienne!« Seine Züge entglitten ihm und blass wurde er auch.
»Ähm, ich bin Joffrey. Es freut mich Ihre Bekanntschaft zu machen«, stotterte er und wollte mir die Hand reichen.
»Werden wir sehen«, sagte ich nur und blickte mich in ihrem Zimmer um. Das Bett war benutzt worden und so wie es aussah, heftig benutzt.
»Mit wem hat Ankya die Nacht verbracht!«
»Das wissen wir nicht. Es ist nicht unsere Angelegenheit, ...«
»Ach, kommen Sie mir nicht damit! Ankya hat nie einen Hehl daraus gemacht, mit wem sie die Nacht verbringt. Wenn sie es nötig hatte, hatte sie es auch unten oder im Garten getrieben. Sogar vor euren Augen. Also raus mit der Sprache.«
»Das wissen wir wirklich nicht.« Nun war er nicht nur blass, er wurde bleich. Wahrscheinlich hatte ich sein Bild über Ankya zerstört.
»Okay, dann eine andere Frage. Wer hat sie zuletzt lebend gesehen?«
»Das Zimmermädchen Lisa.«
»Holt sie her und ihr verschwindet aus dem Zimmer.«
»Aber?«
»Tut es.«
Nachdem sie draußen waren, fing ich an, mich zu konzentrieren. Schloss meine Augen, suchte und sammelte jedes Fünkchen ihrer, nun, vom Körper freigelassene Magie und versuchte herauszufiltern, was passiert sein könnte.
Alles nahm ich in mich auf, bis nichts mehr von ihr übrig war. Ja, Ankya war tot. Sie hatte keine Magie angewandt. So viel war sicher. Der Tod musste überraschend gekommen sein und der Mörder hatte ebenfalls keine Magie angewandt.
Sie und ich waren auf einer Ebene gleich. Nur, hatte sie die Verwandlung nicht alleine überstanden, sondern mit meiner Hilfe. Sie war der wirkliche erste Vampir, von mir verwandelt worden und somit konnte sie auch vernichtet werden, wie ein normaler Vampir.

Ich drückte schmutzigen Stoff auf ihre Wunde und ich weinte rote Tränen. Mir war es bewusst, dass sie es nicht überleben würde. Ihre Schreie hallten durch die Höhle, in der wir unseren Unterschlupf errichtet hatten. Sie griff in meine Arme und drückte ihre Nägel in meine Haut.
»Etienne ich will nicht sterben!« Wieder schrie sie und ihr Körper bäumte sich auf. Krämpfe durchschüttelten sie und ich fragte mich, was ich tun konnte. »Bitte! Ich will nicht sterben. Hilf mir«, flehte sie mich an, doch was konnte ich schon ausrichten? Ich konnte keine Hilfe holen, weil die Sonne am Horizont stand und der Geruch ihres Blutes raubte mir die Sinne. Ja ich war da bereits schon eine Bestie und musste verachtende Blicke ertragen. Auch von Ankya, die es nicht verstanden hatte. »Nicht Sterben, nicht ... bevor ... die Kreaturen ... vernichtet sind!« Schrie sie keuchend und wieder drückte sie mir ihre Nägel in mein Arm.
Als der Krampf vorbei war, stand ich auf um den Stoff in der Pfütze, die sich auf dem Boden gebildet hatte auszuwaschen. Dann kniete ich mich wieder zu Ankya und drückte es wieder auf die Wunde. Sie war tief und ich konnte sie nicht mit meiner Magie heilen. Das Gift war zu weit in ihrem Körper eingedrungen und ich flehte. Doch niemand erhörte mich und als ihre Atemzüge tiefer wurden und die Luft nur noch keuchend aus ihr rauskam, hörte ich eine Stimme. Eine Stimme in meinem Innern. Es war ein Flüstern. Ein verführerisches Flüstern oder war es der Duft ihres Blutes, ich wusste es nicht. Aber aus einem inneren Impuls heraus, riss ich sie auf meine Beine und hackte meine Zähne in ihr Fleisch, saugte, bis ihre Atmung vollständig zum erliegen kam. Sie war tot und doch war noch etwas Leben in ihr. Ich biss mir selbst in das Handgelenk und drückte dieses an ihren Mund. Mein Blut floss in ihren Mund. Ich konnte es sehen, wie es sich seinen Weg über die Zunge, durch ihren Rachen hinab zu ihrem Magen machte. Plötzlich konnte ich ihr Innenleben sehen und in dem Moment als der Magen es aufgenommen hatte, fing ihr Herz stark zu Pochen an.
Ihr Herz schlug, durch die Nase holte sie Luft und dann fing sie zu saugen an. Die Augen hatte sie aufgerissen und ich sah, wie sich ihre Iris in bernsteingolden veränderten.


»Ruhe in Frieden, Mylady«, murmelte ich und schwankte. Ihre Magie war königlich, vollkommen rein und für mich zu viel.
Auch wenn sie mir immer auf die Nerven ging, spürte ich ihren Verlust überdeutlich. Ich musste es mir eingestehen, dass ich sie geliebt hatte. 12 tausend Jahre gemeinsames Leid, blieben nicht emotionslos und ich sank weinend auf die Knie.
Als ich mich wieder erholt hatte, trat ich aus dem Zimmer und diesmal wurde ich von vielen Augenpaaren erwartungsvoll angeschaut.
»Vampirkönigin Ankya ist tot. Sie wurde ermordet.«
Plötzlich hagelten Fragen über mich ein, die ich abblockte und fragte stattdessen, wo das Zimmermädchen war.
Ein zierliches Mädchen trat schüchtern auf mich zu und wich meinem Blick aus. Ich konnte sie verstehen, denn meine Augen schimmerten nun bernsteingoldig und die, die es noch nicht gesehen hatte, bekamen davon Angst.
»Dein Name ist Lisa?« Sie nickte. »Okay, darf ich dir ein paar Fragen stellen?« Wieder nickte sie. »Mit wem hat Ankya die Nacht verbracht?« Sie zuckte die Schultern und ich sog scharf die Luft ein.
»Ich weiß es nicht. Lady Ankya hat mich fortgeschickt, weil sie Besuch erwartet hat. Ich sollte dann warten, bis sie mich ruft. Aber als es dann Zeit für das zeremonielle Nähren war, hatte ich an ihre Tür geklopft, aber keine Antwort bekommen.«
»Und dann bist du reingegangen?« Sie schüttelte den Kopf.
»Nein, ich bin zu Joffrey und habe gesagt, das Lady Ankya noch ihren Besuch empfängt. Es kommt schon mal vor, dass Lady Ankya sich später nährt oder gar nicht.«
»Verstehe und weißt du, ab wann, ihr verschwinden bemerkt wurde?« Nun drehte sie sich zu Joffrey.
»Lady Ankya wollte mit Joffrey noch etwas besprechen. Das ist alles, was ich weiß.«
»Danke Lisa.« Lisa ging und ich trat auf Joffrey zu, der sichtlich damit zutun hatte, seine Tränen zu unterdrücken. Auch roch ich, dass er wirklich um Ankya trauerte, also schied er als Täter aus, obwohl das eine von meinen Vermutungen war. Lisa hatte ich als Erstes verdächtig und dann Joffrey, aber beide hatten die Wahrheit gesagt.
Wie gesagt, hatte Ankya mit Joffrey etwas zu besprechen und im Gegensatz zu Lisa, hatte er ihre Gemächer einfach betreten und als er sie nicht aufgefunden hatte, wurde auf dem ganzen Anwesen gesucht auch Zauber ausgesprochen zum Auffinden, doch Ankya blieb verschwunden. Zum Ende hin blieb ihnen keine andere Wahl, als mich zu rufen, und ich hatte dann ihre schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet.

Daheim angekommen ging ich unter die Dusche und sie tat gut. Vollkommen fertig und ausgelaugt, obwohl ich eine Menge an reiner Magie in mir aufgenommen hatte und mit trauerndem Herzen ging ich in mein Bett. Ich konnte es nicht glauben, wie sehr mich ihr Verlust schmerzte.

 

8.2 Erik/Breandon

 

Mein Herr pfiff, dachte ich, als ich den Hubschrauber sah und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.
»Mit dem Ding fliegen wir?«, fragte ich und Flo nickte. »Aber warum öffnest du nicht ein Portal ...«
»Breandon, wie oft soll ich es dir noch erklären? Sicherlich kann ich ein Portal öffnen und dann sind wir in weniger als einer Sekunde dort, aber wenn das jeder machen würde, was meinst du, wer dann auf den Plan tritt? Dies gilt zu vermeiden.« Ich nickte und doch verstand ich es nicht. Warum sollte die Anwendung von Magie schlimm sein? Ich mein, wofür hatte man diese Fähigkeit, wenn man sie nicht nutzen durfte, zumindest nur in einem gewissen Rahmen nutzen durfte.
Jasper, der den ganzen Tag bereits aufgekratzt war, stieg als erstes ein.
»Und wer fliegt dieses Ding?« Flo schaute mich an und verdrehte die Augen.
»Ich natürlich!«, meinte er und setzte sich auf den Pilotensessel.
»Na dann, bin ich ja beruhigt!«, murmelte ich.
»Keine Sorge Breandon. Runter kommen sie alle«, kicherte Jasper, dem das wohl nichts ausmachte. Hey ehrlich. Mir ging der Arsch sonst wohin und ich stieg mit einem mulmigen Gefühl ein.
»Echt witzig du Arsch!«

Nun wie ich den Flug unbeschadet überstanden hatte, darüber wollte ich nicht sprechen. Ich wusste nur noch, dass ich sämtliche Gottheiten, die mir in diesem Moment in den Sinn kamen, angebetet hatte.
Die Landung war auch anders als sanft, aber ich war froh, das ich wieder Boden unter den Füßen hatte und mir wurde klar, das Fliegen absolut und unausweichlich nichts für mich war.
Danach stiegen wir in eine Limousine, die auf uns gewartet hatte und wir fuhren zur Ambassade. Als wir ausstiegen, fielen mir nun zum zweiten Mal die Augen aus dem Kopf. Dies sollte die Ambassade sein? Das war, das war die Weltbibliothek und wie sollten wir da nun reinkommen? Immerhin hatte sie ja schon geschlossen. Doch ich vermied es zu fragen, denn ich wollte nicht wieder wie ein unwissendes Kind dastehen, was ich wohl auch war.
Während ich noch mit offenem Mund dastand, setzten sich Floh und Jasper in Bewegung. Jasper rief mich und ich riss mich von dem Anblick los und doch schwirrten unausgesprochene Fragen in meinem Kopf rum.
Die mir auch langsam beantwortet wurden. Der Eingang zur Ambassade lag etwas unterhalb des Haupteinganges der Bibliothek und Treppen führten in den Keller. Es musste der Keller sein, denn der Modergeruch und die alten Steine zierten unseren Weg.
Danach ging es einen langen Weg zu ein offenstehendes Holztor, das wir durchschritten und einen großen Saal betraten. In mitten stand ein großer ovaler Tisch, der bereits von einigen Anwesenden besetzt war.
Flo wurde herzlich begrüßt und er machte keine Anstalten uns vorzustellen. Nun warum sollte er es auch tun, wir waren eben nur normale Menschen, doch Jasper ließ sich nicht beirren. Aufmerksam blickte er sich mit leuchtenden Augen um und flüsterte mir sämtliche Namen zu, von den Personen, die er kannte. Nun mich interessierte es in dem Sinne nicht, da ich mit ihnen noch nichts zu tun hatte.
Flo drehte sich zu uns um und meinte, dass wir uns einen Platz suchen sollten. Zuhören und nicht dazwischenquatschen, weil dies wäre eine einmalige Angelegenheit, um so eine Sitzung mitzuerleben.
Etwas unweit von dem ovalen Tisch befanden sich kleinere Tische, die wohl für Gäste wie mir gedacht waren und Jasper und ich setzten uns hin.
Da mir alle Menschen fremd waren, fokussierte ich mein Augenmerkmal Flo zu, der sich mit einem attraktiven Mann unterhielt. Danach kam wieder einer und irgendwann wurde es mir langweilig, da ich eh von ihrem Gesprächen nichts mitbekam, oder so gut wir nichts. Nur vereinzelte Fetzen wie, ›... er ist nicht da, oder er kommt nicht, typisch Wächter, der lebt nach seinem eigenen Gesetz ...‹
Als jeder Anwesende mit seiner Begrüßungen fertig war und sich auf seinem Stuhl gesetzt hatte, stand der, der am Kopf des Tisches saß auf und räusperte sich.
»Wie schön, dass wir alle versammelt sind. Leider ist der Anlass ein Trauriger, da uns Königin Ankya verlassen hat.« Er blickte sich um und sprach weiter, wie toll sie war und das sie die Ambassade ins Leben gerufen hatte und das sie alles getan hatte, was in ihrer Macht stand um den Frieden zwischen Hexer, Magier und Vampiren zu erhalten. »Königin Ankya wurde ermordet, dies bestätigte auch der Wächter. Nun spreche ich die heutigen Tagespunkte an. A: Den Mörder zu finden und B: Wer ihren Platz hier in der Ambassade einnimmt.« Die Suche nach dem Mörder wurde einstimmig Etienne dem Wächter übertragen und nun wurde Punkt B angesprochen.
»Was ist mit dem Wächter?«, rief einer rein und dies wurde recht mickrig befürwortet. »Warum nicht? Ich finde, dass er durchaus die Kompetenz dazu hat.«
»Das mag schon sein, das er die Kompetenz aufweist die dazu benötigt werden, doch bedenkt, das er sich selbst in Konfliktsituationen bringt, ›siehe die Jagd nach dem Mörder und wenn die verbotene reine Magie überhandnimmt‹. Ihm haben wir es zu verdanken, dass wir so leben können, wie wir es tun«, mischte sich Flo ein und es wurde ein reges Thema. Sie kamen auf keinen Nenner und ich musste nun ständig gähnen. Nebenbei blickte ich auf mein Handy. Inzwischen diskutierten sie schon über drei Stunden, über die Nachfolge.
»Man ist das langweilig«, murrte ich und Jasper stieß mich an.
»Absolut nicht. Flo hat uns mitgenommen, damit wir mehr über die Mimiken und Körpersprachen der Anwesenden lernen. Siehst du den etwas Dickeren? Er ist ein Vampir und er war ein Gegner von Ankya. Ich glaube, er heißt Iain. Für ihn kann es nichts Besseres geben, als das seine Nebenbuhlerin tot ist. Und hier ...« Er zeigte am anderen Ende des Tisches, »das ist der Großhexenmeister Ottokar der 3. Kaste. Ein Zirkel, der oft und gerne das Gesetz in ihre eigenen Hände nimmt, aber bisweilen noch nie mit dem Wächter in Konflikt geraten ist. Er ist listig und hinterhältig. Der daneben ist sein Stellvertreter, der Großhexer Nils. Er hat es geschafft, in weniger als drei Jahren so weit zu kommen, obwohl er gerade mal 20 ist.« Erklärte er mir und kaum hat er den Namen Nils ausgesprochen, schon blickte dieser mich an.
»Aber weißt du Breandon ...« Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder Jasper zu. »Egal, wer nun der Nachfolger von Ankya wird, keiner wird ihr jemals das Wasser reichen können. Ich hoffe nur, dass es jemand ist, der ihre Ideale weiterführen kann.«
»Meinst du, dass sie heute zu einem Ergebnis kommen?« Jasper nickte.
»Ja das müssen sie, sonst gibts Mord und Totschlag unter den eigenen Reihen, denn jeder will die Machtposition haben, die Ankya hatte.«
»Aber wäre dann ein Vampir nicht besser dazu geeignet?«
»Schon und die Diskussion beläuft sich auch darauf, doch es sind nur zwei oder drei dazu geeignet. Wie du siehst, sind zwei Vampire im Rat mit tätig und einer hält sich im Hintergrund auf. Iain ist der Älteste hier im Raum und somit hält er bereits die Siegesflagge in der Hand, doch solange die restlichen Ratsmitglieder nicht ihr Okay geben, wird wohl weiterdiskutiert, bis er am ende dort oben auf dem Stuhl sitzt und der neue König wird.«
»Du meinst, es ist schon König!«
»Natürlich ist er das schon. Diese Sitzung dient nur dazu, es offiziell gelten zu machen. Und das ist schlecht.«
»Warum wenn er seine Sache gut macht?«
»Um das geht es nicht. Er ist machtgierig und nur Ankya konnte ihm Einhalt gebieten. Nun ist nichts mehr da, was ihn aufhalten kann. Er ist gefährlich. Ich hoffe nur, dass sich die Diskussion noch dreht.«
Schande über mein Haupt. Ich hatte so gut wie nichts von der Diskussion mitbekommen und ich bewunderte Jasper, der trotz seiner rotzlöffigen Art so aufmerksam war. Während ich nur ständig auf mein Handy schaute, um die Minuten zu zählen.

Am Ende sah es dann so aus, wie Jasper gesagt hatte. Iain wurde vom Rat als der neue Vampirkönig anerkannt und ich sah noch, bevor wir die Sitzung verließen, wie der Großhexenmeister Ottokar ihm die Hand gab.

 

8.3 Etienne

 

Aus einem Schatten heraus, hatte ich die Versammlung beobachtet und keiner der Anwesenden hatte mich bemerkt. Wie sollten sie auch, so gering wie ihre Magie auch war. Nur allein Ankya hätte meine Anwesenheit bemerkt, doch sie wurde ermordet und der Mörder oder zumindest der Auftraggeber saß mit am Tisch. Nur wusste ich nicht, wer es sein könnte, denn sie wurde nicht durch Magie getötet, sondern mit einem Gegenstand, einem scharfen wohl gemerkt. Denn man musste ihr entweder das Herz durchstoßen oder sie Köpfen, damit sie starb und da es mitten in der Nacht war, konnte ich das Sonnenlicht ausschließen.


Wie ich es schon geahnt hatte, riss Iain sich die Position als König unter den Nagel und ich atmete tief ein. Doch meine Aufmerksamkeit galt Nils, der hin und wieder verstohlene Blicke zu Erik warf. Ich hätte ihn doch töten sollen. Verdammt. Nun war Erik nicht mehr sicher. Florian du hattest dein Hirn nicht eingeschalten, wenn Tjark dir seinen Sohn in deine Obhut übergab, dann hatte es seinen Sinn.
»Bringt mir Etienne!«, hörte ich Iain seinen Leuten befehligen und ich schüttelte innerlich den Kopf. Der konnte mich mal, wenn er glaubte, dass ich mein Haupt vor ihm neigte.


Ich war in meinem Lokal, als mein Handy klingelte und ging ran. Der am anderen Ende stellte sich als einer der Männer von König Iain vor.
»Sag deinem vermeintlichen König, dass ich kein Interesse habe!«, und legte auf. Darauf hin klingelte es noch ein paar Mal, aber ich hob nicht ab, als es immer die gleiche Nummer war. Ich trat an die große Fensterfront und blickte auf die Tanzfläche, als es wieder klingelte. Wieder war es die Nummer. Nun sperrte ich sie und ging zurück an meinem Tisch. In dem Moment, in dem ich mich auf meinen Stuhl setzen wollte, verzerrte sich die Luft. Automatisch verwandelte ich mich und bevor der erste seinen Fuß in mein Büro setzen konnte, landete er auf dem Boden und ich hielt ihm die Krallen an die Kehle. Der zweite hatte plötzlich einen Dolch in seinem Bein stecken und krachte ebenfalls auf dem Boden.
»Kommen noch mehr, wenn ja, dann tut es mir für sie leid.« Ich machte eine Handbewegung und das Portal schloss sich. »Ups! Jetzt hat´s sie´s zerrissen«, säuselte ich zähnefletschend.
»Was soll das? Sind Sie komplett wahnsinnig!« Nickend funkelte ich sie an.
»Ja! Wenn ihr unerlaubt in mein Büro erscheint. Was wollt ihr?«
»Was ist das? Ich kann mein Bein nicht mehr bewegen!« Nun legte ich mein Kopf schief und schaute zu dem, der den Dolch abbekommen hatte.
»Oh! Das war wohl der Vergiftete gewesen. Sorry, ich wollte eigentlich den mit der UV-Flüssigkeit. Wäre schneller gegangen, aber der tut´s auch, ist nur schmerzhafter. Also was wollt ihr?« Meine Krallen wurden länger und schnitten bereits in das Fleisch des Vampirs. »Redet schon, ich habe nicht ewig Geduld.«
»Wir sind hier, auf Geheiß von König Iain. Er möchte sich mit Ihnen unterhalten.«
»Nun, da er schon Begleitung geschickt hat, die mich wohl ›bitten‹ sollten, der Audienz zuzustimmen, sehe ich nun noch weniger einen Grund, dieses Folge zu leisen.« Röchelnde Geräusche drangen zu meine Ohren und ich schaute dort hin. Kurz lächelte ich. »Ist es nicht schön, höllische Schmerzen zu haben und nicht schreien zu können, weil der ganze Körper gelähmt ist?«, fragte ich den Mann, der meine Kralle bereits an seinem Kehlkopf spürte.
»Der König wird dich töten, wenn wir nicht zurückkehren.« Ich zuckte nur die Schulter, als ob mich das interessieren könnte. »Du hast keine Chance gegen ihn.«
»Vielleicht nicht, vielleicht doch, aber das wirst du nicht mehr erleben.« Ohne Kraftanstrengung trennte ich seinen Kopf vom Rumpf und er zerfiel zu Staub. Wie ich normale Vampire hasste. Die konnten so überheblich sein. Wurde ihnen das ›ewige Leben‹ geschenkt, dachten sie, sie reagierten gleich über die Welt und ihre Magie, war nicht einmal diese Anstrengung wert. Ich hätte mich von ihm nähren sollen, dann wäre er seiner Aufgabe, halbwegs gerecht geworden. So blieben mir nur die wenigen Tropfen an meinen Krallen, die ich ableckte.
Ich richtete mich auf und betrachtete meine Krallen, die wieder zu Fingern wurden. Na egal, vielleicht sollte ich die Bitte des Königs doch nachgehen, wenn er schon so darauf bestand.


»Ein Portal wird geöffnet!«, hörte ich und trat durch das Portal. Gleich darauf stand ich lässig vor gesammelter Mannschaft. Die anderen ignorierend ging ich auf Iain zu und jeder der nur versuchte, mich anzugreifen, war sofort tot. Iain rief seine Leute zurück und ich blieb vor ihm stehen.
»Hallo Iain, lange nicht gesehen.« Dieser grinste mich an und bot mir einen Platz an, den ich abschlug.
»Hallo Etienne, schön das du meine Einladung gefolgt bist.«
»Nun, wenn ich schon so lieb darum gebeten werde, kann ich wohl kaum Nein sagen.«
»Wo sind meine Männer?«
»Wer weiß!« Er war wirklich von sich eingenommen, da er absolut keine Angst zeigte. Er lachte immer noch. »Verstehe, du hast sie absichtlich zu mir geschickt, obwohl du gewusst hast, das sie das nicht überleben.«
»Nun Etienne, dein Ruf eilt dir voraus und wie ich sehe, hatte ich recht. Nur so konnte ich deine Neugierde wecken.«
»Woher willst du das wissen?«
»Du bist hier, oder nicht« nun lächelte ich und sagte nichts mehr darauf.
»Also Iain, da dies nicht gerade nach einem gemütlichen Abend aussieht und ich ehrlich gesagt, müde bin, will ich doch gerne Wissen, was so dringend ist, was du mit mir besprechen willst.«
»Wie immer kommst du schnell zum Punkt. Also gut. Wie du weißt, bin ich jetzt der König der Vampire und ich möchte dich an meiner Seite haben.« Ich lachte auf und schüttelte den Kopf. »Dir bleibt keine andere Wahl«, nun lachte ich lauter.
»Das war gut, das war wirklich gut. Also wenn du sonst nichts zu sagen hast, dann gehe ich wieder.« Kaum das ich mich umgedreht hatte, spürte ich reine Magie aufkommen. »Oh Iain ist das dein Ernst?«
»Ein dutzend Hexer und genauso viele Magier haben um dich einen Bann gewebt. Du entkommst mir nicht.« Wenn er meinte, dachte ich und drehte mich wieder zu ihm um.
»Also was willst du wirklich?«, fragte ich und musste mich stark zurückhalten, die Bestie in mir lechzte es nach der Magie.
»Wie ich es schon sagte. Ich will, dass du mir jetzt die Treue schwörst.«
»Ach ich soll jetzt auf die Knie gehen und dir meine Treue schwören?«
»Ja, dann lasse ich dich am Leben. Wenn nicht, sehe ich mich gezwungen, dich zu töten.«
»Ah wie nette Aussichten«, sagte ich und ich sah, wie seine Augen siegessicher aufleuchteten und die Magie um mich herum immer dichter wurde. »Glaubst du das wirklich? Hast du wirklich geglaubt, dass mich das bisschen Magie auf die Knie zwingt, dass ich dir die Treue schwöre? Meinst du, ich lebe 12 tausend Jahre nur um auf diesen einen Moment zu warten um dir, DIR, der nicht einmal die 500 ankratzt die Treue zu schwören. Sag mal, in welchem Jahrhundert lebst du denn?« Ich drehte mich zu einer Tür, hob meine Hand. Ein Schrei ertönte, die Tür öffnete sich und der Großhexenmeister Ottokar kam keuchend auf mich zu.
»Lass mich los!« Ich lächelte abwechselnd von ihm zu Iain.
»Es reichen nicht einmal hundert Hexer und Magier, um mich besiegen zu können.« Packte den Großhexenmeister am Kragen und zog ihn an mich heran. Stieß ihm meine Zähne in den Hals und in wenigen Sekunden hing er schlaff an mir dran.«
»Ottokar!«, schrie Nils und ich schaute ihn an.
»Hallo Nils, wie ich sehe, hast du meine Warnung nicht ernst genommen« danach ließ ich den Hexer fallen und er krachte tot auf den Boden.
»Ottokar! Das wirst du büßen.« Kaum hatte er es ausgesprochen, so feuerte er eine rote Salve auf mich ab, die ich gekonnt auswich.
»Dies ist nun die dritte Warnung. Nils. Das nächste Mal, werde ich dich töten.« Somit verschwand ich und befand mich wieder in meinem Büro.

 

8.4 Nils

 

Da ich den Lauschzauber über den Saal gelegt hatte, nahm ich alle Gespräche und wenn sie noch so leise waren, wahr. Viele Gespräche waren uninteressant und ich klickte mich raus. Doch dann als der Vorsitzende zu reden anfing, nahm ich sie wieder auf. Nun hieß es genau hinhören, vielleicht wusste einer etwas über den Träger und ich hoffte, das das Gespräch auf ihn aufkam.
Aber die alten Knacker fuhren sich bei dem Nachfolger fest und ich war schon gewillt mich wieder zurückzuziehen, als mir eine bekannte Stimme zu Ohren kam. Ich suchte sie und wurde auch fündig. Ich glaubte, ich spinne, das war doch Erik und ich konzentrierte mich auf ihre Unterhaltung.
Der eine hatte kein gutes Wort für meinen Zirkel übrig und ich blickte zu ihnen. Kurz hatten Erik und ich Blickkontakt, doch er zeigte nicht, dass er mich kannte. Seine ganze Körperhaltung sprach für jemand, der rein zufällig in meine Richtung geblickt hatte, aber so recht wahrgenommen, nicht. Er kannte mich nicht mehr. »Aber weißt du Breandon ...«, wurde er von dem anderen angesprochen und drehte seinen Kopf in dessen Richtung.
»Breandon?«, fragte ich mich. Konnte es sein, dass er nicht mehr wusste, wer er war? Hatte der Ausbruch der Magie bei ihm ein Gedächtnisverlust geführt? Wenn das so war, dann hieß es Schwierigkeiten für uns. Wohl eher für mich, denn ich hatte versprochen, den Träger zu bringen. Das war die Option, damit ich im Zirkel aufgenommen wurde.

Ziemlich am Anfang, fuhr ich immer Gefahr wieder aus dem Zirkel geworfen zu werden, weil mir niemand geglaubt hatte, doch vor drei Monaten, als Großhexenmeister und Mentor Erik den Träger der reinen Magie selbst zu Gesicht bekam, wurde ich seine rechte Hand.
Seit diesem Tag wich mein Mentor mir kaum noch von der Seite, es sei denn ich hatte mich im Tempel eingeschlossen und studierte die alten Pergamentrollen.
Doch in ihnen wurde auch nichts beschrieben, was mit dem Träger zu tun hatte.

Nach der Sitzung lud der neue König Iain meinen Mentor und mich zu sich in seine Villa ein. Nun war es wohl soweit. Damit die Vampire ihn als König akzeptieren, denn vorangegangene 12 tausend Jahre, waren sehr schwer zu überbieten, musste er alle Vampire überzeugen und dies ging nur, wenn Etienne der Wächter ihn als solchen ansah.
Ich hatte ein schlechtes Gefühl bei dieser Sache. Mein Mentor hatte alle seine besten Hexer und Hexen mitgebracht und der Magierclan, der auf Iains Seite war genauso viele.
Sollte Etienne sich weigern, würden sie ihn durch Zwang dazu bringen.

Ich hatte recht. Die ganzen Zaubersprüche und Formeln, die angewandt wurden, brachten nichts. In Normalfall, hätte er sofort auf die Knie gehen müssen, doch Etienne belächelte es nur. Wie stark war er nur? Dies überstieg meine Vorstellungskraft.
Etienne holte Ottokar mit nur einer einzigen Handbewegung, ohne einen Spruch oder Formel aufzusagen aus dem inneren Kreis.
Die Zuversicht Etienne besiegen zu können schwand aus Ottokars Gesicht und schrecken machte sich breit. Wir hatten ihn unterschätzt. Gewaltig unterschätzt.
Denn ich spürte nur ein wenig von seiner angewandten Magie und doch besaß sie so viel Macht.
Da unser innerer Kreis, der die Magie um Etienne gewoben hatte noch immer bestand, spürten wir alle, die Schmerzen, die Ottokar empfand.
Ich rannte zu ihm, doch es war zu spät. Mein Mentor war tot und Etienne blickte mich an. Sein Ausdruck war traurig aber seine Stimme schneidend. Ich hörte nicht, was er sagte. Ich sah nur, wie der leblose Körper auf dem Boden fiel. Dann ging alles schnell. Ich wusste nicht, was ich Etienne zu schrie, aber ich feuerte mit allem, was ich hatte und es schien, dass er mich nur auslachte, mit mir spielte.
Kurzzeitig leuchteten seine Augen bernsteingoldig auf, dann verschwand er.
Ich spürte, wie die Tränen mir den Wangen hinab liefen und feuerte noch einmal dorthin, wo er gestanden war. Doch ich traf nur die Wand, die zersplitterte.
Danach sank ich zu Boden zu Ottokar und nahm seinen Kopf auf mein Schoß. Wie mich sein Verlust schmerzte und ich schwor Rache.
Rache an dem Mann auszuüben, der so abfällig über andere Leben entschied. Aber dazu brauchte ich Erik, den Träger der reinen Magie. Leider wusste ich immer noch nicht, wo er sich aufhielt. Er war zwar mit jemanden bei der Ratsversammlung, aber den kannte ich nicht. Und verdammt ich hatte mir seinen Namen nicht gemerkt.

Kapitel 9

9. kapi 9

9.1 Iain

Wie konnte er nur? Mich so bloßzustellen? Das war eine Frechheit und überhaupt, warum konnten die Besten der Besten ihm keinen Einhalt gebieten? Was war das für ein Monster? Niemand konnte so stark sein. Nicht einmal Ankya, wies so eine Kraft auf und die Schlampe konnte leicht getötet werden. Ich brauchte nicht einmal meinen besten Attentäter zu ihr zu schicken. Der Typ hatte ihr einfach nur den Kopf verdreht, ne Runde Bettsport betrieben und schon hörte sie die Engelchen singen. Wenn ich es früher gewusst hätte, wie leicht sie zu killen war, hätte ich nicht so lange gewartet.

»Schafft mir den Dreck aus den Augen!«, befahl ich meinen Männern, denn ich konnte dieses elendige Trauergetue von dem Hexer nicht mit ansehen. Was für ein Waschlappen. Ein Hexer wollte der sein? Eine Memme war der.

»Hey Hexer, sei froh, jetzt bist du der Großhexenmeister. Wie es aussieht, hat der Wächter einen Narren an dir gefressen, sonst wärst du jetzt genauso tot wie der Alte da.« Ging mir sein Geheule auf die Nerven. Plötzlich blickte mich der junge Hexer mit hasserfüllten Augen an, die mich nicht gerade kalt ließen.
»Der Wächter hat mich nur am Leben gelassen, weil ich den Träger kenne. Und nicht einmal der Wächter wagt es, sich gegen den Träger zu stellen. Bedenke das, Vampir. Außerdem solltest du dich selbst glücklich schätzen, denn wenn der Wächter ernst gemacht hätte, wärst du nur noch Staub!«
Was für eine Aura! Der Junge fing an, mich zu interessieren, und ich lächelte ihn an. Dann nickte ich und trat auf ihn zu. Wenn ich es geschickt anstellte, dann könnte ich ...
Meine Gedanken machten freudige Sprünge und ich sah, den Wächter zu meinen Füßen knien. Mit gebrochenem Blick und wie ein hechelnder Hund all meine Befehle befolgend.
Was für ein Anblick.
9.2 Tjark

Langsam spitzte sich die Lage zu. Ich spürte Etienne, doch sehen konnte ich ihn nicht. Ob er mich auch spürte? Nun diese Frage bleib wohl unbeantwortet.
Mein Augenmerkmal richtete ich auf die Anwesenden und suchte nach Anhaltspunkte, die belegten, wer Ankya getötet haben könnte.
Leider fand ich keine und ich fragte mich, ob ich mich Etienne zu erkennen geben sollte. Dies verwarf ich sogleich. Es wäre nicht gut, wenn ich mich ihm zeigte, denn dann würde er wohl mich als neuen König vorschlagen. Auch wenn der Gedanke verlockend war, so wusste ich, dass ich noch warten musste.
Meine Zeit als König war zu ende und noch einmal, nein danke, denn ich wüsste nicht, in welche Zukunft ich das Land führen würde. Dies war mir einfach zu gefährlich.

Die Sitzung war zu Ende und ich folgte Florian, der mit Jasper und Erik in eine Limousine stieg. Nun da ich nicht wusste, wohin sie wollten, öffnete ich ein Portal und wartete in Flohs Büro auf ihn. Ich musste mich mit ihm unterhalten, zumal er Erik mit auf die Versammlung mitgenommen hatte und ich es wollte, dass er eine Zeit lang unentdeckt blieb.
Schon wegen Nils, der mir mit der Zeit, als er noch mit Erik zusammen war, schon unsympathisch wurde.
Obwohl ich anfänglich nicht von Nils abgeneigt war. Nun damals gab es noch Methoden um dies zu unterbinden, doch heutzutage ... ich atmete ein und schaute aus dem Fenster von Flohs Büro. Viele Schwierigkeiten musste ich in den letzten Jahren bewältigen und vor allem die Mentalitäten verstehen. War selten einfach, doch Etienne hatte mir dabei sehr geholfen, nun in den ersten fünf Jahren.

Als Erik eines Tages zu mir kam und mir sagte, dass er mit Nils zusammenzog, flog ich erst aus allen Wolken und dann versuchte ich ihn von Gegenteil zu überzeugen.
Aber was konnte ich schon als Vater dazu sagen? Kaum hatte Erik die gesetzliche Volljährigkeit erreicht, dachte er, er konnte tun und lassen, was er wollte. Sämtliche Argumente, die für diese Zeit gerecht waren und die mir in den Sinn kamen, schlug er in den Wind.
Damals zu meiner Zeit hätte ich ihm gesagt: »Halte Nils wie du willst, aber du wirst dich mit der Prinzessin soundso oder der Herzogin dieundas vermählen, damit unser Blut fortbesteht.« Punkt und wenn dies nichts half, hätte ich Nils in den Kerker werfen lassen, bis Erik zur Einsicht kam.


Die Tür wurde geöffnet und Flo schaute mich geschockt an.
»Wie kommen Sie hier rein?« Ich winkte ab.
»Dies ist keine Barriere für mich. Zu meiner Zeit konnten Jünglinge, bei dennen die Magie erwacht ist, so eine sofort durchbrechen.«
»Aber der Wächter?«
»Hat nichts gespürt. Sie müssen verstehen, dass ich sie unterdrücke und nur einen kleinen Teil davon anwende. Gerade soviel, dass die Natur sich nicht daran erfreuen kann und der Wächter darauf nicht aufmerksam wird.«
»Wie meinen Sie, die Natur sich nicht daran erfreuen?«
»Ganz einfach, die Magie wurde uns von der Natur geliehen, wie die Luft zum Atmen und wenn wir die Magie anwenden, kehrt ein kleiner Teil zu ihr zurück um sie ins neue Leben zu speisen. Wenn wir sterben, kehrt die ganze Magie zur Natur zurück.«
»Aber dann müssen wir doch wieder die ganze Magie für uns beanspruchen können.«
»Nein! Etienne unterbricht den Prozess. Er nimmt die ganze Magie in sich auf und deswegen kann die Natur auch nichts zurückgeben. Es ist wie mit der Luft. Je mehr Bäume gefällt werden umso weniger Sauerstoff wird produziert. Vor 12 tausend Jahren, war sie so rein, so erfrischend, doch heute? Heute kann ich nicht einmal mehr die Sterne richtig sehen, so verdreckt ist die Luft. Aber ich bin nicht hier, um Ihnen eine Lehrstunde zu geben. Ich bin hier um Sie zu warnen. Ich habe Ihnen Erik nicht überlassen, dass er als Jäger an einer Krisensitzung mit teilnimmt, oder als solcher lebt. Er sollte unentdeckt bleiben, bis über das Gerücht des Trägers Gras gewachsen ist. Es gibt kein Träger der reinen Magie. Dies ist die normale Stärke eines vom königlichen Blut Geborenen.«
»So stark?«
»Nun stark ist das noch nicht. Im Gegenteil, ich hätte mich für so eine schwache Magie geschämt und ihn nicht mehr angeschaut. Damals. Aber er hatte eben in der jetzigen Zeit keine Möglichkeit sich zu trainieren, weil heute die Magie als böse angesehen wird.« Flo nickte nur und wir verfielen in eine tiefe und lange Unterhaltung.
Bei einem Thema blieben wir hängen, und zwar, dass Erik von hier verschwinden musste. Die Frage lautete aber dann, wohin?
»Etienne«, meinte ich und Flo schaute mich durchdringend an.
»Etienne, sind Sie sich sicher? Aber ja, er ist Ihnen loyal.«
Nun schüttelte ich den Kopf.
»Nein nicht deswegen«, sagte ich. Nein Etienne liebte Erik. Das wurde mir bewusst, wie er mit ihm sprach, als er noch ein Kind war. Sein eifersüchtiger Blick, als er vom Baum sprang und mich zu einem Spaziergang einlud. Sein verzweifelter Gesichtsausdruck, als Erik ihn durch sein Zimmer geschleudert hatte. Ja Etienne, ich hatte dich durchschaut und deswegen war Erik in deinen Händen sicher. Du würdest ihm nichts tun, nicht einmal wenn die Bestie, sich in dir regte und du nach seinem Blut lechzte.

9.3 Etienne

Oh Mann, dachte ich nur, als ich in mein Apartment zurückkam und die Jalousien runterließ, weil ich nur noch in mein Bett wollte.
Was sollte dieser Iain nur von mir? Mir war es doch scheißegal, wer der Vampirkönig oder Königin wurde und wenn sich der Papst dazu entschließen würde, war es mir so was von ...
Doch ich spürte, dass sich aufregen nichts brachte und so versuchte ich mich zu beruhigen.
Als ich im Bett lag, war anfänglich an schlafen nicht zu denken. Immer wieder wälzte ich mich von einer Seite auf die andere. Doch irgendwann übermannte mich der Schlaf und ich schlief traumlos.
Nun ganz so traumlos wohl doch nicht. Niemand schlief traumlos. Denn hellblaue Augen folgten mir. Mal lachten sie, mal waren sie traurig, dann starrten sie ins Nichts, das nächste Mal war der Ausdruck konzentriert. Erik. Sein Gesicht, seine Augen seine Mimik. Ich kannte alles auswendig.
Kaum das die Sonne untergegangen war, erwachte ich wieder. Manchmal verabscheute ich meinen biologischen Rhythmus. Doch schon oft hatte dieser mir das Leben gerettet. Ich setzte mich auf und rieb mir die Augen.
»Das du endlich erwachst.« Schock! Was und ich drehte mich zu der Stimme um. Selten, eigentlich nie, konnte sich jemand ein mein Apartment schleichen, ohne das ich es nicht bemerkt hätte.
»Tjark! Meine Fresse, jag mir nicht so einen Schrecken ein!« Er gluckste.
»War nicht meine Absicht. Ach! So wie du schläfst, bist du ein leichtes Opfer für die Assassinen.«
»Wohl kaum.«
»Wirklich? Wenn ich es gewollt hätte, dann hätte ich dich in den Letzten drei Stunden, keine Ahnung wie oft töten können.«
»Tja, es kommt wohl daher, weil ich keine Mordlust von dir aus gespürt habe«, sagte ich, doch sicher war ich mir deswegen nun nicht mehr. Warum hatte ich ihn nicht gespürt? Es reichte schon, wenn einer leise atmete, wurde ich wach. Wieder gluckste er und zuckte gleichzeitig mit der Schulter. Für ihn war die Sache gegessen. Nur für mich nicht. Ich spürte ihn immer noch nicht. Es schien, als ob er gar nicht da wäre. Wie Luft.
»Würdest du mir eine Bitte erfüllen.« Nun horchte ich auf. Sicherlich hatte er mich immer für irgendetwas gebeten, aber er wusste auch, dass ich nie Nein sagen konnte. Seine Bitten waren immer für meinen Körper und Verstand Befehle.
»Was soll ich für dich tun?« Sein vorangegangenes Lächeln erstarb.
»Was du vor zwanzig Jahren angefangen hast. Ich will das du auf Erik aufpasst.«
Das war nicht sein ernst, oder? Langsam und unwillkürlich schüttelte ich den Kopf. »Etienne bitte. Ich hätte dich damit schon früher betrauen sollen. Meine Entscheidung ihn bei den Jägern unterzubringen war falsch ... aber ...«
»Du hast auf Ankya gehört!« Tjark nickte gedankenverloren.
»Ja, sie meinte, Florian wäre der Richtige dafür!«
»Und damit hast du ihn zum Schuss freigegeben. Selbst nach ihrem Tod hält sie die Fäden in der Hand. Sie hat schon vor hundert Jahren gesagt, sollte sie mal nicht mehr sein, dass Iain sich zum nächsten König krönen lassen will. Sie hat es sogar darauf ankommen lassen. Ankya war eine hinterhältige Schlange und genauso, wie alle anderen, hinter der reinen Magie her.«
»Du meinst, sie hat das so geplant?« Nun nickte ich.
»Natürlich hat sie das oder hast du echt geglaubt, dass Florian anders sei. Er ist ein Jäger und mit Erik an seiner Seite, hätte nicht einmal ich was zum Lachen. Wer oder was ist der größte Feind aller?«
Tjark schaute mich an. Nein er starrte mich an.
»Du!«
»Genau ich und das falscheste was du machen konntest, war deinem Sohn das Gedächtnis zu löschen.«

Ich schwang mich aus dem Bett und bemerkte, wie Tjark mich mit seinen Blicken verfolgte.
»Also, würdest du einen Blick auf Erik werfen?«, fragte er mich und wie aus der Konenkugel geschossen antwortete ich mit Nein. »Warum nicht?« Nun drehte ich mich zu ihm um und stieg dabei in meine Jeans.
»Weil es nicht geht!«
»Etienne du bist der Einzige auf der Welt dem ich vertraue.«
»Nein Tjark, gerade mir darfst du nicht trauen.«
»Dann sag mir warum? Oder habe ich das immer falsch gesehen, wie du Erik angeschaut hast ...«
»Worauf willst du hinaus?« Erst blickte er mich durch meine schneidende Stimme geschockt an, doch dann lächelt er.
»Deine Reaktion hat dir deine Antwort schon gegeben. Etienne ich bin dir nicht böse. Nein ganz im Gegenteil. Du liebst Erik und deshalb bist du der Richtige, um ihn zu beschützen.«
Als ich dies gehört hatte, blieb mir die Spucke im Hals stecken und wieder schüttelte ich den Kopf. Doch bevor ich etwas erwidern konnte, verschwand Tjark.
Er verschwand einfach so. Ohne Handzeichen oder einer Beschwörung, um ein Portal zu öffnen. Ich spürte nicht einmal, wie er die Magie benutzte.
Verdammt war er überhaupt wirklich da oder träumte ich?
Diese Frage konnte ich mir leicht selbst beantworten, als mein Handy losging und ich immer noch wie angewurzelt dastand.
Ich war definitiv wach und das Gespräch mit Tjark hatte ich nicht geträumt, doch verdammt, warum spürte ich ihn nicht. Hatte er immer noch die Macht über mich? War die Aufhebung des Zwangs vielleicht nur eine Täuschung, doch warum konnte ich ›Nein‹ zu ihm sagen?
Sprachlos, ja das war ich. Selbst nach den tausenden Jahren erfuhr ich, wie es war, etwas nicht zu verstehen, und ich war in diesem Moment hoffnungslos überfordert.
Doch eins hatte ich verstanden, Tjark hatte mich durchschaut. Er wusste, dass ich Erik liebte. Das ich mich nach ihm verzehrte und ihn lieber gestern als morgen in mein Bett wissen wollte.
Mein Handy das ich vergessen hatte, ging wieder los und diesmal ging ich ran.
»Schieb dein Hintern ins Creature. Hier ist der Teufel los!«, polterte Cedric und ich schaute auf die Uhr. Es war noch gar nicht Zeit um zu öffnen.

9.4 Erik/Breandon

»Eti, wo gehen wir denn hin?«, fragte ich und Etienne schmunzelte mich nur an.
»Es ist ein Geheimnis, mein Kleiner«, murmelte er in mein Ohr und lief weiter. Das Eti schnell rennen konnte, das wusste ich schon, aber so schnell, nein! Der Wind blies mir ins Gesicht und die Häuser rauschten nur an uns vorbei. Aber auf Eti´s Arm fühlte ich mich geborgen. Bei ihm war es anders, wärmer, als auf Papas Arm und er hatte immer einen Scherz auf Lager. Oder hatte immer etwas Geheimnisvolles mit mir vor. Das machte er immer, bevor er mich ins Bett brachte und immer wenn er auf mich aufpassen sollte, konnte ich es kaum noch erwarten.
Fest schmiegte ich meinen Kopf an seinen Hals und die ›Reise‹ hatte ihr Ende. Vor einem Wald blieb er stehen und ging um einiges langsamer rein. Eine Weile lief er noch, doch dann setzte er mich ab. Schloss seine Augen und die Gegend änderte sich. Der dunkle Wald erhellte sich und viele Schmetterlinge flatterten. Vögel saßen am Boden und schnappten sich Regenwürmer. Bienen flogen von einer Blume zur nächsten. Die Bäume erstrahlten in dem sattesten Grün, das ich je gesehen hatte und die Luft war erfüllt mit frischen Pilzduft.
»Wo sind wir hier? Eti?«, fragte ich und Etienne öffnete schmunzelnd seine Augen.
»Das Erik ist unser Geheimnis und auch gleichzeitig mein Abschiedsgeschenk an dich.«
»Warum? Ziehst du weg?«, fragte ich weiter und er nickte gedankenverloren. »Aber warum? Ich war doch nicht böse, ich hab dich doch lieb!« Weinte ich und krallte mich an sein Bein. Etienne hob mich wieder hoch und blickte mir tief in die Augen.
»Warum solltest du denn böse sein?«
»Weil ... weil Papa immer sagt, wenn ich böse bin, dann darfst du nimmer zu mir!«
»Das hat Papa gesagt?« Ich nickte und wischte mir die Nase an meinem Ärmel ab. Etienne strich mir über den Kopf und küsste mich auf der Stirn. »Papa meint es bestimmt nicht so, aber Erik, ich muss wirklich fort. Verstehst du mich?« Er wischte mit seinen sanften Händen meine Tränen ab und lächelte mich gütig an, dann nickte ich.
»Ist das so ein Erwachsenenzeug, weil du weg musst?«, fragte ich in meiner kindlichen Neugierde und er nickte. »Kommst du auch mich besuchen?«
Etienne drückte mich an sich und flüsterte: »Wenn es die Zeit zulässt, werde ich dich sooft besuchen, wie ich kann. Aber versprechen kann ich es dir nicht. Weißt du, ich bin sehr weit weg, am anderen Ende der Welt«, erklärte er mir und wir setzten uns in das weiche Gras. Als ich spürte, dass ich müde wurde, legte ich mich auf seinen Schoß und schloss meine Augen.
Am nächsten Tag wachte ich auf und schaute aus dem Fenster. Das war ein schöner Traum, doch hallte Eti´s Stimme nach. »Dieser Ort ist unser Geheimnis und wenn ich dich besuchen komme, dann kommen wir hier wieder zurück«


Ich schreckte hoch, als der Wecker losging und im selben Moment riss Jason mir die Decke weg.
»Sag mal, spinnst du? Was machst du überhaupt in meinem Zimmer?«, fluchte ich und der Traum war vergessen. Vielleicht waren noch einige verblasste Bilder da, doch Jason tat sein übriges, dass ich daran nicht mehr denken konnte.

 

Wir wünschen, Conny und Ich, Euch allen einen guten Rutsch ins Jahr 2017. Bleibt Gesund, fröhlich und wir wünschen Euch alles erdenklich Gute. Bleibt geschmeidigt.

Und vor allem *Ein großes Danke für Eure Treue, Kommentare und Herzchen* Sie helfen uns, immer weiter zu machen, auch wenn mal die Luft raus ist und die Muse ihren aufgebrummten Selbsturlaub nicht aufgeben will. DANKE *kiss*

Wir sehen uns im Jahr 2017 oder hier, bei den verrückten Autorinnen. https://buecher-bilder.jimdo.com/

schaut doch mal vorbei.

Kapitel 10

10. Kapi 10:

10.1 Tjark

Wieder zogen ungefähr zwei Jahre ins Land und Erik entpuppte sich als einer der besten Jäger, obwohl ich Etienne gebeten hatte, ihn von dort wegzubringen.
Das Tanzlokal und neutrale Zone, das Creatures fiel einer Brandstiftung zum Opfer, woraufhin Etienne gezwungen war, von der Bildfläche zu verschwinden, weil einige Hexenzirkel sich mit dem neuen Vampirkönig verbündet hatten und auf ihn Jagd machten.
Sicherlich wäre es für Etienne kein Problem gewesen, sich gegen sie zu wehren. Auch wenn er der Wächter war, er blieb seinen Prinzipien treu. Er tötete niemanden, der nicht das gewisse Maß an reiner Magie aufwies und das taten die meisten Hexer eben nicht. Aber alle zusammen, konnten schon gefährlich werden.
Ich selbst verbrachte die meiste Zeit im Schatten und kämpfte gegen die Kreatur in meinem Innern an. Sie war hungrig, aber nicht grausam. Kein Lebewesen war grausam, nur deren Handlungen. Dennoch hatte ich es geschafft ihr Einhalt zu gebieten. Ich hatte mich nicht so verändert wie Etienne, sondern behielt mein Menschsein. Natürlich kam hin und wieder der Drang nach Blut auf, aber solange ich dem nicht verfiel, war ich auf der sicheren Seite und verwandelte mich nicht. Auch konnte ich mich in der Sonne bewegen. Ich fragte mich nur, wie lange es bei Erik noch dauern würde, bis die vollständige Verwandlung bei ihm durchbrach. Deswegen hatte ich auch Etienne gebeten auf ihn aufzupassen, denn ich war mir nicht sicher, wie lange die Versiegelung noch halten würde. Aber Etienne hatte meinen Wunsch abgeschlagen und war seither verschwunden.

10.2 Erik/Breandon

»Breandon wo bist du?«, hörte ich Jasper und ich trocknete mein Gesicht ab.
»Im Bad!«, gab ich zurück und schon stand Jasper hinter mir und umarmte mich. Sanft hauchte er mir Küsse auf meinem Nacken und wie automatisch drückte ich mich an seinen Schritt.
»Hungrig wie eh und je, aber wir müssen los. Es wurde wieder eine Spur ausfindig gemacht, die zum Wächter führen soll.«
»Och nö! Muss das sein?«
»Ja, also mach dich fertig. In einer Stunde geht´s los.«
Verdrossen atmete ich ein. Immer wenn ich dachte, ich hätte einen ruhigen Abend wurde wieder eine Jagd befohlen, wo dann die Spur sich als Fehlschlag erwies. Meine Fresse und dabei wollte ich mit Jasper ...
Das musste ich wohl dann auf später verschieben, wenn es ein Später gab, denn so eine Jagd dauerte meistens die ganze Nacht und darauf hatte ich absolut keine Lust. Denn der Wächter bewegte sich nur während der Nacht. Schon oft hatte ich den Vorschlag unterbreitet, bei Tag zuzuschlagen, weil Sonnenlicht für ihn tödlich war. Aber es wurde jedes mal abgewehrt und übergangen.

Ich drehte mich zu Jasper um und schaute ihm tief in die Augen.
»Heute gehe ich nicht mit!« Etwas geschockt zuckte Jasper zusammen.
»Warum?«, fragte er schließlich und ich lächelte ich sanft an.
»Weil es nichts bringt, deshalb. Der Wächter ist schneller, stärker und um ein vielfaches mächtiger, als wir.«
»Also, um dich zu verstehen ... Du würdest die Jagd auf ihn ablasen und ihn entkommen lassen.« Sofort schüttelte ich den Kopf.
»Nein, das mein ich nicht. Ich denke eher, dass er es bereits schon immer vorher weiß, wann wir zuschlagen wollen.«
»Du meinst, wir haben einen Maulwurf in unseren Reihen? Das muss Flo sofort erfahren.« Sofort wandte er sich um und wollte gehen, doch ich hielt ihn fest.
»Auch das mein ich nicht.«
»Aber Flo muss es erfahren, warum willst du ihm das nicht sagen?«
»Weil ich es so nicht gemeint haben. Ich hab nie etwas gesagt, das wir einen Maulwurf haben.« Fragend schaute er mich an. »Es ist immer so. Wenn ich etwas vorbringe, dann wird es entweder übergangen oder komplett falsch verstanden. Warum sollte ich wollen, das die Jagd abgeblasen wird oder wie sollte ich darauf kommen, das ein Maulwurf in unseren Reihen ist. Das ist kompletter Schwachsinn. Was ich sagen will, ist, dass nachts angreifen nichts bringt, weil der Wächter zu dieser Zeit wach und aufmerksam ist.«
»Aber tagsüber sind die Vampire aggressiver und nicht bei Sinnen. Da herrscht ihr Blutdurst hervor und sind um einiges stärker, als wenn sie eben wach sind. Das solltest du langsam wissen, Breandon. Wir können sie nur nachts angreifen, da wir in gewisser Hinsicht in etwa gleichstand haben, was unsere Stärke anbelangt«, meinte Jasper, trat auf mich zu und gab mir einen Kuss auf die Lippen.
War ja klar, dass dieser Vorschlag wieder in den Wind geschlagen wurde, aber ich blieb bei meiner Meinung.
Warum sollten wir nicht tagsüber angreifen? Es wäre so einfach. In das Nest eindringen, die Vampire oder den Wächter ausfindig machen und bevor sie irgendetwas mitbekamen, weil sie ziemlich fest schliefen, es glich einem Komazustande, sie vernichten. Sie würden nicht einmal bemerken, dass sie nicht mehr existierten. Aber Nein!

Angepisst zog ich meine Montur an und verstaute die Waffen. Kontrollierte ob alles richtig saß, und ging auf meine Kameraden zu. Jasper nickte mir lächelnd zu und ich zwang mich zurückzulächeln, was wohl etwas misslang, weil er leicht verdrossen den Kopf schüttelte.
Die Strategie, die durchgegangen wurde, war wie üblich immer die Gleiche. Die Magier, von denen es nicht mehr all zu viele gab, gingen vor und vernichteten die Barrieren. Die Hexer sicherten die Umgebung und wir Jäger erledigten den Rest. War wie überall, die Schwächsten oder die, die keine Magie aufweisen konnten, wurden vorgeschickt um den Müll zu beseitigen.

Nach der Lagebesprechung waren wir auf dem Weg, wo der Wächter vermutet wurde oder wo er angeblich gesichtet worden war. Natürlich stellte es sich wieder als ein nicht registriertes Vampirnest heraus und vom Wächter fehlte jegliche Spur.
Seit zwei Jahren war er wie vom Erdboden verschwunden und wieder hatte ich das Gefühl, das hier etwas nicht passte.
Warum griffen wir immer wieder Vampirnester an, die entweder nicht registriert waren oder noch völlig unbekannt, obwohl das Gesetz erlassen worden war, nur diejenigen zu jagen und zu töten, die es auf die Rote Liste geschafft hatten. Unser Ruf als Jäger litt langsam aber sicher darunter.
Aber warum regte ich mich eigentlich auf? Es brachte eh nichts und wenn ich dies hinterfragte, hieß es: »So ist das Gesetz und wir müssen uns daran halten.«
Aber vor ein paar Jahren wurden nicht so viele Nester angegriffen oder Vampire hingemetzelt. Dennoch wusste ich aber auch, das der hiesige Vampirkönig seine Art im Akkord auf dem Fließband produzierte und einige Hexenzirkel, die sich gegen die Ambassade gestellt hatten, ihm anschlossen.
Und wir Jäger? Wir standen mittendrin und konnten manchmal wirklich nur noch zusehen. Es hatte sich ein Krieg entfacht. Ein Krieg, der Macht über die reine Magie.

Wir waren auf dem Weg nach Hause, als der Fahrer plötzlich abbremste, es nicht mehr schaffte und gegen einen Körper knallte. Ein kratzendes Geräusch zu hören war und wie in einem schlecht gedrehten Zombiefilm, eine Klaue an der Fahrerseite erschien und das Fenster zertrümmerte.
»Hinterhalt«, wurde geschrien und Jasper zischte in sein Headset. Dann ging alles schnell, bevor wir richtig reagieren konnten, wurde das Auto von der Straße geschleudert und wir landeten im Graben.
»Schnell, wir müssen hier raus.!«
»Raus hier! Verdammt.«
»Raus!«, doch weiter kamen wir nicht. Wir hörten ein Poltern auf dem Dach und im selben Moment wurde das Blech heruntergerissen. Hämisch grinsend schaute ein wirklich wunderschöner Mann uns an. Mir verschlug es die Sprache. Mit einem Mal wurde es mir ganz anders und ich wollte dieser Schönheit alles geben, was ich besaß. Selbst mich.
»Nicht hinschauen, Breandon. Er bezirzt dich.« Schon hatte ich von Jasper eine Ohrfeige bekommen und ich kam wieder zu mir. Zog meinen Dolch, denn damit konnte ich am besten neben dem Florett umgehen, und griff den Vampir an, der nun nicht mehr so anziehend auf mich wirkte.
Ich rappelte, während ich mit dem Vampir kämpfte auf und versuchte aus dem Auto zu kommen. Ein paar Mal schaffte es, der Vampir mich zurückzudrängen, doch ich holte bei dem entscheidendsten Moment aus und stach in sein Herz. Silberklinge, das überstand nicht einmal ein Alter und Staub rieselte auf uns hinab. Nun sprang ich aus dem Autor, gefolgt von Jasper und als ich mich umdrehte, sah ich, dass unser Fahrer bereits tot war.
Auch einige Kameraden, die den Verfrühungskünsten der Vampire verfallen waren.
»Wo sind die Hexer? Die Hexer! Wir brauchen Hilfe!«, schrie ich nun.
»Sie sind alle tot!«, kam es von Jasper und bevor er einen Angriff starten konnte, erlag er einem Vampir. Langsam und mit triefendem Mund, sank er auf die Knie. Shit! Wir waren verloren, dachte ich, als ich um mich blickte, lagen einige Jäger bereits tot auf dem Boden.
Danach ging es schnell, die Gedanken die so nur über mich eintrudelten, erlagen. Ich stand einer Überzahl gegenüber und ich hielt nur einen Silberdolch in der Hand. Verzweiflung kam auf und ich fing an, Gott innerlich anzubeten.
Doch wer war Gott? War er überhaupt noch da? Auch wenn ich gerne daran glauben würde, aber noch nie, also seit zwei Jahren hatte ich noch nie etwas von seiner Güte erlebt.
Überall wo ich hingeschaut hatte, war Mord, Hass, Gewalt und so vieles mehr.
Grinsend lachend und jodeln schlichen die Vampire auf mich zu. Ich war in die Enge getrieben worden und schon packte mich einer von hinten. Zog mich an sich heran und ich spürte nur noch den Schmerz seiner Zähne, die sich tief in mein Hals bohrten.
Wo kam der denn plötzlich her. Aber ich hatte keine Zeit überrascht zu sein, denn die Vampire griffen meistens hinterhältig an. Verzweifelt versuchte ich mich zu wehren, doch je mehr ich mich wehrte, umso schmerzhafter wurde der Biss, den der Vampir mir zufügte. Ich spürte bereits mein Bewusstsein schwinden, als ich aus halb geschlossenen Augen etwas aufblitzen, sah. Fast zeitgleich zerfielen die umstehenden Vampire zu staub und auch ließ der Schmerz an meinem Hals nach. Ich sank ...
»Ich hab dich!«, hört ich nur noch und dann wurde es schwarz.


Mein Kopf dröhnte, mein Hals schmerzte und schlucken konnte ich auch nicht. Mein Speichel floss mir aus dem Mund, noch dazu taten die Röstaromen ihr übriges, dass ich meine Speichelproduktion nicht zurückhalten konnte. Nicht nur das, mein Magen knurrte und ich öffnete langsam meine Augen.
»Bewege dich nicht all zu sehr. Dein Körper hat das fehlende Blut noch nicht ersetzt.«
Erschrocken setzte ich mich auf und sofort wurde es mir schwindlig. Automatisch fasste ich mir an den Kopf und ein Stöhnen entwich mir. »Ich sagte doch, bewege dich nicht.«
Ich sank mit geschlossenen Augen zurück, in der Hoffnung das Karussell würde in meinem Kopf aufhören sich zu drehen. Brachte nichts, und ich startete einen neuen Versuch meine Augen zu öffnen. Danach drehte ich meinen Kopf in die Richtung der fremden Stimme und angst durchflutete mich, als ich Etienne den Wächter sah, wie er vor einer Feuerstelle, die wie ein Grill aussah, stand und ein Stück Fleisch wendete. »Wenn du deinen Waffen suchst, sie liegen neben dir.«
Sofort griff ich danach und nun drehte er sich zu mir um. Sanft lächelte er mich an und ich konnte nichts Belustigendes darin erkennen, denn sonst, grinsten die Bösewichte immer um ihre Überlegenheit zu demonstrieren, doch bei ihm war diesbezüglich nichts zu sehen.
»Das Steak ist gleich fertig. Neben dir steht eine Wasserflasche. Bediene dich.«
»Warum?«
»Was warum?«
»Warum lebe ich noch?«
»Weil ich dich gerettet habe.«
»Warum?«
»Warum was?«
»Warum tun Sie das?«
»Ich brauche dazu keinen bestimmten Grund, Breandon.«
»Aber warum?« Nun sah ich, wie er doch leicht belustigt einatmete.
»Warum was?«
»Das waren Ihre Leute, die uns angegriffen haben.«
»Ich habe keine Leute.«
»Waru ...?«
»Kannst du jetzt mal bitte aufhören, diese Warum Fragerei nervt etwas. Das Steak ist fertig und will einer Bauchbestattung zugefügt werden. Ketchup, Semmel?«
Langsam richtete ich mich auf, aber ohne meinen Dolch aus der Hand zu nehmen. Etienne trat auf mich zu und reichte mir einen Teller mit dem Steak. Ich weigerte mich den Teller anzunehmen und sofort beschwerte sich mein Magen. Er knurrte auf und Etienne stellte den Teller vor mich hin.
»Du kannst das Steak ruhig essen. Ich habe nicht vor dich zu vergiften, ganz besonders nicht, weil ich dein Leben gerettet habe. Also was habe ich davon? Iss!«
»Und Sie? Haben Sie keinen Hunger?« Nun kicherte er leicht und entblößte seine Zähne.
»Ich habe bereits gegessen.« Seine Zähne blitzten teuflisch auf und ich wandte meinen Blick von ihnen.
»So?«, meinte ich nur, denn ich wollte nicht wissen, was er gegessen oder wohl eher getrunken hatte.
»Ja und es war sehr lecker!« Sofort schoss mir die Röte ins Gesicht. Nicht weil es für ihn lecker war, sondern wie er es gesagt hatte.
»Heute Nacht bleibst du noch hier. Das Gift ist noch nicht komplett aus dir draußen. Morgen nach der Dämmerung solltest du wieder kräftig genug sein, da bringe ich dich zurück. Iss auf und ruh dich aus.«
Etienne hatte sich wieder von mir abgewandt und stochert in dem Feuer. Warum hatte er mir das Leben gerettet und warum machte er mir ein so köstliches Steak? Mein Gott war das gut! Also wenn das nun meine Henkersmahlzeit wäre, da würde ich mit Freuden sterben wollen. Okay wohl doch nicht. Aber das Steak ... einfach himmlisch.
»Wenn du mehr möchtest, kann ich dir noch eins auflegen!«, beantwortete er irgendwie meine nicht ausgesprochene Frage und ich nickte. Ich fühlte mich wie ausgehungert. Er lächelte nur und legte noch eins auf.
Während ich auf das zweite Steak wartete, denn das erste hatte nicht lange überlebt, blickte ich mich um.
Wir befanden uns in einem Wald und es schien, als ob er hier sein Lager hatte. Doch weit und breit, sah ich nichts, wo er sich tagsüber vor der Sonne in Sicherheit bringen konnte.
Vielleicht sollte ich meine Fluchtgedanken, die langsam hochkamen, beiseiteschieben und einfach abwarten. Es konnte gut möglich sein, dass ich etwas von seinem Lebensstil in Erfahrung brachte. Immerhin galt er als der Feind und die Ambassade wollte ihn verhaftet sehen. Warum also nicht gleich zwei Fliegen mit einer Klatsche schlagen.

10.3 Etienne

Das war ja wieder einmal typisch vom Vampirkönig und die Jäger fallen wie üblich darauf rein. Wie oft, war das nun schon passiert? Ich hatte in den letzten zwei Jahren bei zehn oder zwanzig Angriffe auf Nester das Zählen aufgehört und verdrehte verdrossen meine Augen.
Die Jäger befolgen nur stur ihren Befehlen und hinterfragen nicht das Geringste. Bei den Mengen an Angriffen auf harmlose Nester, sollten sie sich wirklich langsam Gedanken darüber machen. Aber sie kamen einfach nicht hinter die Strategie des Königs, die eigentlich sehr leicht zu durchschauen war.
Er produziert oder lässt Vampire machen. Natürlich gegen den Willen des Menschen, was bei Ankya nie der Fall war und auf das Äußerste bestraft wurde, um sie einige Tage später von den Jägern ausradieren zu lassen. Es starben nicht nur die Vampirneulinge, sondern auch die Jäger.
Nur solange es Menschen gab, können Vampire immer wieder gemacht werden, während die Zahl der Jäger dezimiert wurden. Und auf welchen Kopf ging das alles aus? Auf meinem. Ich verwandelte einfach so Menschen in Vampire, weil ich eine Armee aufstellen wollte, um selbst König zu werden. Wie lachhaft. Wenn ich König über die Vampire sein wollte, hätte ich vor so vielen Jahrtausenden Ankya nicht den Vortritt gelassen und hätte den Thron vor zwei Jahren Iain vor der Nase weggeschnappt.
Okay mir war das eigentlich egal, denn diese Zeitepoche konnte ich locker und leicht unentdeckt bleiben, doch was mich langsam wurmte, war, dass Erik ständig bei diesen Einsätzen mit dabei war und ich es nicht übers Herz brachte, ihn Sterben zusehen. Vor allem aber, weil Tjark dann stinksauer wäre und wenn er davon nur ein bisschen von seinem Vater geerbt hatte, wollte ich ganz bestimmt nicht in seinem Fokus stehen. Auch wenn er mich von dem Zwang befreit hatte, so konnte ich mich dennoch nicht gegen ihn wehren. Er war und er ist immer noch mein König und Erik der Sohn meines Königs. Nein die Priorität lag ganz anders. Ich liebte Erik und deshalb wollte ich nicht, dass er starb. Verdammt und es zog mich immer wieder in seine Nähe, so wie letzte Nacht. Ich brauchte nur in die Luft riechen und schon hatte ich ihn ausfindig gemacht. Leider roch ich nicht nur seinen wunderbaren Geruch, sondern auch seine Angst und wie er dabei war sein Leben zu verlieren.

Noch bevor das geöffnete Portal sich hinter mir schloss, hatte ich die Vampirneulinge besiegt. Sie waren nichts im Vergleich zu mir. Ich könnte wenn ich wollte mit nur einem einzigen Spruch alle im Umkreis von mehreren Kilometern vernichten und keiner würde davon etwas bemerken. Doch tat ich es nicht. Ich war nur ein Wächter, der darauf achtete, dass die reine Magie nicht überhandnahm. Nur allein diese Aufgabe hatte mich immer davon abgehalten in die Sonne zu gehen. Die Kreaturen waren einmal beschworen worden, das konnte immer wieder passieren. Doch es konnte nur jemand der genügend, wenn nicht gar sehr viel reine Magie besaß, so wie ich.
Ja es stimmte, was Tjark gesagt hatte. Ich war es, der die Kreaturen heraufbeschworen hatte und nicht der Hexenzirkel, der an Macht gewonnen hatte. Und seither lebte ich mit dieser Schande. Ich hatte es auf mich genommen, unschuldige Menschen, deren reine Magie, die so wundervoll und so voller Leben war, zu töten, dass dieses Unheil nie wieder passieren würde.


Brutal zogen mich die Soldaten durch die mit Ratten verseuchten Gänge. Ich kannte diesen Weg und ich flehte, mich nicht zu ihm zu bringen. Doch sie ignorierten mich, stießen, schubberten und schlugen mich weiter.
Einer schob die schwere Tür auf und ich zitterte am ganzen Körper. Nicht weil ich fror, sondern weil ich höllische Angst vor dem Mann hatte. Vor dem Altkönig und schon landete ich vor seinen Füßen. Kaum das ich mich halbwegs aufrappeln konnte, bekam ich einen Fußtritt von ihm ins Gesicht.
»Schrei nicht! Du solltest dich glücklich schätzen, denn nicht vielen ist es gestattet bei mir zu Nächtigen.«
Nun auf diesen Glückszustand hätte ich liebend gerne verzichtet. Was dann folgte, waren Schmerzen, Ekel und Demütigung. Tagelang konnte ich mich nicht bewegen. Die Notdurft nicht verrichten, weil mein Hintern fast bis zu Unkenntlichkeit aufgerissen war. Meine Arme verstaucht und einige Rippen gebrochen waren. Doch meine Verletzungen, die ich von diesem Glückszustand davongetragen hatte, durfte ich nicht lecken. Arbeiten, arbeiten und arbeiten, durfte ich.
Aber wie gesagt, nachdem ich vom Altkönig benutzt worden war, schleppte ich mich in den Schweinestall und weinte mir die Seele aus dem Leib. Fragte mich immer wieder, warum ich, warum passierte mir das? Doch ich bekam keine Antwort, dafür Wärme und ich hörte ein Flüstern, das mir versprach, alles Böse zu vernichten, damit ich nie wieder so ein Leid erfahren sollte. Nun das es selbst das Böse war, wusste ich nicht und ich hatte mich verleiten lassen. Wie hätte ich als Junge dem nicht widerstehen können? Ich war zu jung, zu verängstigt und allein und der Samen der Kreatur war gepflanzt. Ab da musste sie nur abwarten, bis die Zeit reif war. Ihre Zeit, um in unsere Welt eindringen zu können.
Als es mir bewusst wurde, dass ich der Auslöser war, war es zu spät und ich war bereits der Wächter. Selbst ich hatte geglaubt, dass es der Hexenzirkel war, der sich an der Königsfamilie rächen wollte.
Doch so fragte ich mich, woher oder wie hatte es Tjark herausgefunden und warum verwandelten er und Erik sich nicht. Was war ihr Geheimnis?

Doch Grübeln brachte mir nichts, ich musste Erik retten. Sein Geruch sagte mir, dass er vergiftet worden war. Aber wie konnte das sein? Neulinge konnten in ihrer ersten Zeit niemanden verwandeln. Das Gift entwickelte sich erst nach ein paar Jahrzehnten.
In einem einzigen Augenaufschlag hatte ich die Vampire vernichtet und bevor Erik auf dem Boden krachte, hatte ich ihn aufgefangen.
Eile war geboten, denn es kamen noch mehr von ihnen und ich öffnete ein Portal, um in mein Lager zu kommen.
Sanft legte ich Erik, der nun zuckend in meinem Armen lag auf den Boden. Riss seine Lederjacke auf und befreite seinen Oberkörper von den Klamotten.
Das Gift war dabei in sein Herz einzudringen und ich setzte mich auf ihn rauf. Drehte seinen Kopf auf die Seite und suchte die Bissstelle. Ohne zu überlegen, beugte ich mich über ihn und legte meine Lippen an seinem Hals.
Kaum das sich meine Lippen auf seine Haut legten, überkam mich ein berauschendes Gefühl, das ich fast vergaß zu saugen. Meine Lende reagierte brutal auf seine samtige Haut und als ich den Geschmack seines Blutes auf meiner Zunge schmeckte, war es um mich geschehen.
Meine Hände fuhren wie selbstständig über seinen Körper. Seine Wärme überrannte mich und ich streichelte seine Brustwarzen. Doch dann als ich den Geschmack des Giftes schmeckte, erschrak ich.
Denn Bilder sprudelten über mich ein. Bilder aus der Vergangenheit. Sein erster Schrei und das erste Gesicht, das er sah, beziehungsweise etwas verschwommen sah, aber ich erkannte die alte Hebamme. Mit ihr war nicht gut Kirschen essen, aber eine gutmütige Frau. Danach den glücklichen Ausdruck von Königin Rae als sie ihren Sohn im Arm hielt. Anschließend zuckte der Körper von Rae auf und ich sah eine Kralle, die ihre Kehle aufgeschlitzt hatte. Doch kurz darauf wurde Erik hochgehoben und ich sah mich selbst. Meine Haare hingen strähnig über meine Schultern und mein Gesicht war unrasiert und verdreckt.
»Keine Angst mein kleiner Prinz!«, und ich spürte, wie er ruhiger wurde. Damals konnte ich es nicht sehen, aber nun fühlte ich, dass er sich geborgen und sicher gefühlt hatte. Doch dann wurde er aus der Geborgenheit gerissen und in andere Arme gelegt. Nein! Kälte und Einsamkeit überkam ihm und dann eine lange Zeit, obwohl es nur kurz war, leere und Verlust. Dennoch spürte ich noch etwas anderes, etwas was ich selbst in mir trug. Die Kreatur, sie war seit seiner Geburt in Erik und schlagartig wurde es mir bewusst, warum Erik vergiftet worden war. Über die Mutter durch die Nabelschnur. Denn nachdem ich die Kreatur vernichtet hatte, schnitt ich den Mutterkuchen aus dem Leib der toten Königin, band die Nabelschnur ab, packte es in Laken ein und überreichte das Baby mit dem Kuchen seinem Vater.
Damals war das noch so, von wegen und die Nabelschnur durchtrennen. Die Plazenta blieb solange an dem Baby, bis die Nabelschnur von selbst abfiel.
Das war es. Während der menschliche Körper starb, erwachte die Kreatur in einem und so war es nun bei Erik.
Solange er lebte, blieb er von der Kreatur verschont, zumindest halbwegs verschont, denn es kam schon ein paar mal vor, dass er sich verwandeln wollte, doch sobald er starb, übernahm die Kreatur die Kontrolle und er konnte sich nicht mehr dagegen wehren.
Doch nicht alle schafften die Verwandlung. Es hatte keiner geschafft, bis auf ich. Ich war der Einzige, der ohne fremde Hilfe überlebt hatte. Doch ich wusste es nicht mehr, wie ich es geschafft hatte.
Ich erinnerte mich nur noch an die Schmerzen. Es fühlte sich an, als ob tausende Dolche auf mich niedersausten, ob die heißeste Lava mich verbrannte und als ob alles in mir zerrissen und rausgerissen wurde.
Bei Ankya hatte ich es gespürt, das sie die Verwandlung nicht überlebt hätte, deshalb gab ich ihr mein Blut zu Unterstützung. Und bei Erik spürte ich es, dass ich es aufhalten konnte und dies tat ich. Ich saugte das Gift aus ihm heraus, wohlwissend, das es immer wieder in ihm ausbrechen konnte. Aber ich gab nicht auf. Während ich saugte, heilte ich ihn durch meine Magie. Die Kreatur schien aufzugeben und das Gift verringerte sich. Erst als ich auch den letzten Tropfen aus ihm raus gesaugt hatte, ließ ich von ihm ab und leckte über die Wunde. Sofort verschloss sie sich und nichts blieb zurück.
Erleichtert stieg ich von ihm runter, aber nicht, um vorher ihm noch einen Kuss auf die Stirn zu geben.


Erik hatte es überstanden. Er zeigte kein Fieber und unruhig schlafen tat er auch nicht. Somit machte ich mich auf dem Weg in die nächste Stadt.
Da ich nichts zu Essen brauchte, war meine Küche, die ich nicht mehr hatte, leer. Was für eine Aussage, aber das war so. Warum bräuchte ich eine Küche, wenn mein Essen überall rumlief. Sicherlich war eine Wohnung angenehm. Ein Dach übern Kopf, fließendes Wasser, einen Fernseher um die Langeweile zu vertreiben und noch all das ganze Schnickschnack, um annehmlich Leben zu können, aber ich konnte auch sehr gut in freier Wildbahn leben. Jahrtausende hatte ich so gelebt. Aber auch ich musste lernen, das man sich nicht alles nehmen konnte so machte ich erst einen Abstecher zu Cedric.

»Meine Fresse, tauche hier nicht einfach so auf!«, fluchte Cedric, als ich hinter ihm in seiner Küche stand.
»Sorry habe kein Auto und zu Fuß hätte ich Stunden gebraucht.«
»Ja schon, aber das nächste Mal, teleportierst du dich vor die Tür und klingelst wie es sich für einen anständigen Menschen gehört.«
»Mensch? Anständig? Ich?«, fragte ich belustigt und er verdrehte die Augen. Machte eine abwehrende Bewegung und setzte sich an den Tisch.
»Sag, wie kann ich dir helfen? Denn ohne Grund kommst du nicht her.«
»Ich brauche ungefähr hundert.« Wieder verdrehte er die Augen und stand auf. Ging in ein anderes Zimmer und kam mit meinem kleinen Safekästchen wieder raus.
»Ich frage mich, warum ich auf dein Geld aufpassen soll?«
»Weil ich es nicht gerne mit mir Rumschleppe!«, meinte ich und öffnete es. Blickte kurz rein und nahm einige Geldscheine raus. »Du hast nichts rausgenommen!«, stellte ich fest, obwohl ich ihm gesagt hatte, wenn es bei ihm knapp wurde, könnte er sich bedienen.
»Warum sollte ich? Ich komme auch so gut um die Runde. Sicherlich das erste halbe Jahr ohne Job hat mir ganz schön die Füße weggerissen, doch jetzt habe ich einen neuen und verdiene nicht schlecht.« Ich nickte kurz, verabschiedete mich und verschwand aus seiner Wohnung. Gleich drauf machte ich mich auf dem Weg in dem naheliegenden Supermarkt. Kaufte für Erik zu Essen ein und befand mich wieder in meinem Lager.
Kurz blickte ich zum Himmel und errechnete die Zeit, bis zum Tagesanbruch. Es war noch genügend Zeit, da es noch nicht einmal Mitternacht war. Erik rührte sich, wachte aber nicht auf und ich machte mich daran, das Essen vorzubereiten.
Nachdem mein provisorischer Grill endlich brannte, legte ich das Steak auf, denn Erik rührte sich immer mehr und es würde nicht mehr lange dauern, bis er aufwachte.

 

10.4 Erik/Breandon

Selbst nachdem ich das zweite Steak gegessen hatte, fühlte ich mich noch immer nicht satt.
»Haben Sie noch eins?«, fragte ich den Wächter und er schaute mich mit etwas zu starrem Blick an. Dann nickte er, stand auf und packte das rohe Stück Fleisch aus.
Plötzlich roch ich das Blut und mein Atem ging schneller. Schweiß brach aus und wie in Trance erhob ich mich. Ich wusste nicht, was ich tat und vorstellen konnte ich es mir auch nicht, warum ich auf einmal hinter dem Wächter stand. Wie in Zeitlupe oder kam es mir nur so vor, drehte er sich um. Sein Ausdruck war geschockt und im gleichen Moment änderten sich seine Augenfarben von Blau in bernsteingoldig. Doch das registrierte ich nur am Rande, denn ich roch nicht nur das Blut von dem Fleisch, sondern auch seines.
Seines roch verführerisch. Es verhieß Gutes, schmackhaftes, Leidenschaft, Geilheit. Er war geil auf mich. Er wollte mich, er liebte mich und ich riss seinen Kopf nach hinten. Biss in seinem Hals und ich hörte nur sein Stöhnen und als sein Blut meine Zunge schmeichelte, bohrte ich meine Zähne weiter in sein Fleisch.
»Nicht!« Doch ich hörte ihn nicht und riss ihm seine Klamotten vom Leib. Ich wollte ihn. In dem Moment als meine Hand zwischen seine Beine fuhren, konnte ich mich nicht mehr bewegen und auch wenn sich alles in mir wehrte, so zog ich meine Zähne aus seinem Fleisch. Der Wächter trat einen Schritt zurück und mit nur einer einzigen Handbewegung schleuderte er mich von sich weg.
»Bleib liegen!« Das war ein magischer Befehl und ich war gefesselt und etwas löste sich. Mein gefangenes Bewusstsein, das mein Vater eingesperrt hatte, war frei. Ich erkannte den Mann, der vor mir stand. Das war Etienne. Mein Onkel Eti. Okay er war nicht mein richtiger Onkel, aber er hatte immer, als ich klein war auf mich aufgepasst. Geschichten von sehr langen vergangenen Tagen erzählt, bis ich erfahren hatte, dass alle wahr waren. Mein Vater war damals der König und Etienne sein Leibsklave. »Eti, ich bin es Erik. Mach das es aufhört. Ich habe so einen Hunger.«
»Erik? Nein, dein Name ist Breandon!«, heftig schüttelte ich den Kopf. Wie konnte ich es ihm erklären und ich wusste, dass ich nicht mehr viel Zeit hatte. Die Kreatur in mir, zog sich zurück und somit auch ich und dann war mein Bewusstsein wieder in diese Dunkelheit eingesperrt.
»Nein, Eti. Ich habe dich immer Eti genannt. Weißt du noch?« Langsam formten seine Lippen meinen Namen. Flüsternd sprach er ihn aus. »Ja, bitte hilf mir. Ich weiß das Paps meine Erinnerungen versiegelt hat. Eti, bitte. Ich lüge dich nicht an.«
»Ich weiß, dass du mich nicht anlügst, aber ich lasse dich auch nicht frei. Nicht solange ...!« Ruhig trat er auf mich zu. Fasste sich an seinem Hals und in sekundenschnelle verheilte die Bisswunde.
»Die Kreatur sich vollständig zurückgezogen hat. Sie ist fast weg. Ich spüre sie, aber ich will, dass dieser Hunger aufhört.«
»Das ist kein Hunger. Das ist Blutdurst. Erik wenn du schon weißt, was in dir drinnen ist, dann erkläre mir, warum Tjark sich noch nicht richtig verwandelt hat und du auch nicht.«
»Das bin ich. Ich habe die Fähigkeit, die Kreaturen bei anderen zu besänftigen, zurückzudrängen.«
»Aber woher weißt du das? Dein Vater hat immer darauf geschaut, dass du so wenig wie möglich ...«
»Ich bin seit zwei Jahren in diese Dunkelheit eingesperrt und ich bin nicht allein ... dort. Die Kreatur ist auch da. Eti ich spüre, wie ich wieder zurückgezogen werde. Bitte hilf mir daraus!«, flehte ich.
»Ich kann die Magie deines Vaters nicht durchbrechen. Sie ist für mich viel zu stark. Das musst du selbst schaffen.« Er kniete sich neben mich hin und nahm meine Hand.
»Eti, ich habe dich nie vergessen. Warum bist du nie wieder zu mir zurückgekommen. Ich wollte doch so gerne noch einmal mit dir zu der leuchtenden Lichtung. Etienne.«
»Erik, mein Erik, nein! Erik sag mir, wie ich dir helfen kann!«
»Geh zu Papa. Er hat ihn mir auferlegt.« Nun schüttelte er den Kopf.
»Ich kann nicht. Er ist mein König. Sein Wunsch ist mir Befehl.«
»Hör auf. Wir sind nicht mehr im tiefsten Mittelalter.«
»Dennoch kann ich das nicht von ihm verlangen.«
»Doch du kannst. Du bist der Einzige auf den er hören wird.« Etienne lachte auf und schüttelte mit schmerzverzerrtem Gesicht den Kopf.
»Nein! Er ist und bleibt mein König. Ich nehme mir jetzt schon zu viel heraus und nenne Euch bei Euren Namen, obwohl es mir nicht gestattet ist. Eure Hoheit.« Kurz atmete er tief ein. »Erik, ich will deinen Vater auf den Thron setzen, denn dort gehört er hin. Er ist ein König.«
»Schon aber ohne Land.«
»Nicht Land. Volk. Er soll der König der Vampire werden. Ankya hatte den Platz für ihn geräumt. Sie ist für ihn gestorben.«
»Du meinst ...!«
»Ja! Genau das, doch muss es nur noch dein Vater begreifen und das tut er nicht. Wir drei. Dein Vater, du und ich, sind die letzten unserer Art. Ich werde dir, wenn es, soweit ist, bei der Verwandlung helfen. Wie weit Tjark ist, weiß ich nicht. Seine Magie ist zu stark, als das ich sie ausfindig machen kann. Er ist für mich unsichtbar.« Etienne hielt inne und starrte mich eine Zeit lang an. »Ich hätte bei dir das Gift nicht aufhalten sollen, du warst dabei dich zu verwandeln. Du und die Bestie, ihr seit eins. So wie ich mit der Bestie eins bin. Gott Erik es tut mir leid.« Ich drückte seine Hand, die mir Wärme verhieß und lächelte ihn an.
»Dann beiß mich. Gib mir das Gift, was ich brauche.«
»Nein, so geht das nicht. Denn wenn ich das tue, wirst du nur zu einem gewöhnlichen Vampir werden und ich weiß nicht wer, dann von deinem Bewusstsein die Oberhand hat. Erik oder Breandon.«
»Die beiden bin ich. Erik sowie Breandon.«
»Hör auf mit mir zu philosophieren, dafür bist du 12 tausend Jahre zu jung.«
»Stimmt nicht. Ich bin 12 tausend Jahre. War nur eine Zeit lang in einem Portal eingeschlossen«, widersprach ich und grinste ihn an.

Etienne lächelte mich an und ich versank in dieses Lächeln. Das Bernsteingold war aus seinen Augen verschwunden und nun wurde mir bewusst, was dieser Mann durchmachen musste.
Ich war gerade mal 22 Jahre, doch er hatte Götter, Könige und Völker untergehen sehen. Diesem Mann konnte niemanden mehr etwas weiß machen. Er war erhaben. Weisheit und Wissen umkreisten ihn. Er war allmächtig mit einer unausgesprochenen Kraft gesegnet und doch so genügsam.
Was für mich wichtig war, war für ihn nichtig und ich verliebte mich in ihn. Er legte seinen Kopf etwas schief und lächelte mich einfach weiter an.
»Ich warte auf dich«, murmelte er und küsste meine Finger. Ich wollte ihm noch etwas sagen, doch es blieb mir verwehrt, denn es wurde dunkel um mich.

»Ach! Auch wieder da?«
»Ach! Du bist es, Dersmik.«
»Ja, kann man nichts machen. Die Welt ist immer noch nicht bereit für uns.«
»Sieht so aus!«
»Wie macht sich der Junge?«
»Welcher Junge?«
»Dem ich mein Versprechen gegeben habe.«
»Etienne?«
»Ja ihm.«
»Es scheint, das er die Bedeutung eures Vertrages langsam kapiert.«
»Der Vertrag ist egal. Er hat ihn mehr als nur einmal zurückgezahlt. Ich möchte wissen, ob die Menschen für uns bereit sind.«
»Die Menschen? Sei mir nicht böse, aber die Menschen sind ein hoffnungsloser Fall. Was sie nicht kennen, wird gnadenlos vernichtet.«
»Immer noch?«
»Ja immer noch.«
»Ich sehe, das es die falsche Dimension ist. Erik es tut mir leid.«
»Was tut dir leid?«
»Nichts, ich dachte, ich könnte durch Etienne, uns einen Planeten finden, der uns aufnimmt. Doch meine Gene werden nur einfach weitergegeben und niemand verändert sich in die Richtung, die wir zum Überleben brauchen. Wir sind nicht böse. Ich will nur ein Ort finden, an dem ich und mein Volk in Frieden Leben können.«
»Das weiß ich, aber Menschen sind egoistische Zeitgenossen und sehen sich nicht gerne als Teil einer Nahrungskette.«
»Wir wollen sie nicht als ein Teil der Nahrungskette ansehen. ...«
»Dafür ist es zu spät. Deine Soldaten ...«
»Mitbürger.«
»Oder das ... haben Menschen angefallen und sie getötet. Euer Gift haben sie nicht überlebt.«
»Ja ich weiß und es tut mir unendlich leid. Ich konnte es nicht ahnen, dass Menschen so verletzlich sind. Ich mein, Etienne hat es auch überlebt ...«
»Und zu welchem Preis? Er hat als Junge gelitten. Seine Magie war so stark, dass ihr sie erhört habt, oder wie du immer sagst. Das ist es nicht. Er war verzweifelt. Lebte in einer Zeit aus Angst und schrecken. Er war ein Sklave. Er lebte in einer Zeit, wo Menschen anderen Menschen wehtaten, um an Macht zu gewinnen. Ob es sich nun um reinen Magie handelt oder um Land war scheißegal. Er war in dieser Zeit ein nichts. Verstehst du es. Er war ein nichts. Etienne trägt inzwischen ein Wissen in sich, das sich um die 12 tausend Jahre befasst. Und doch ist er für euch nicht bereit, denn er hat angst. Angst, dass wieder so viele Menschen durch euch sterben. Eure Gunst, ist absolut tödlich für uns Menschen, wenn niemand da ist, um es halbwegs aufhalten zu können.«
»Unser Geschenk an die Menschen ist ihr Tod. Ja das weiß ich bereits. Es tut mir unendlich leid, dass es so ist. Und es tut mir weh, als Monster angesehen zu werden. Ich wollte euch nur Gutes tun.«
»Das weiß ich. - und was machen wir jetzt? Ich weiß nicht, wann ich, ich wieder ich bin.«
»Was hältst du von Schattenschach?«
»Okay, da verlier ich sowieso noch. Warum nicht etwas auffrischen? Revanche?« Dersmik grinste, das seine Zähne Freilagen. Ich grinste zurück.
»Revanche!«


10.5 Iain

Der Kleine roch aber gut und wie er sich an die Wand drückte. Seine Angst stimulierte meine Lende und langsam trat ich auf ihn zu.
»Schau mich an, mein Hübscher!«, flüsterte ich und als sich unsere Blicke trafen, hatte ich ihn in meinem Bann. Seine Abwehr gegen mich schwand und er stand willenlos da. »Ja so ist es gut. Zieh deine Hose runter.« Oh ja, das war eine Aussicht. Da lief mir doch glatt das Wasser im Mund zusammen. »Ja, nun drehe dich um und stemme dich gegen die Wand.« Er tat es. Ich richtete ihn noch etwas in Position, damit ich besser in ihn eindringen konnte. Er stöhnte seinen Schmerz aus, doch bewegen konnte er sich nicht. Solange ich es nicht wollte, und fickte ihn. Er ergoss sich, in diesem Moment zog ich ihn zu mir hoch und biss in seinen Hals. Explosionsartig kam ich und der Kleine sank tot vor meine Füße. Ich richtete meine Klamotten und schnappte das Handy, während ich die Gasse verließ. Vor der Einfahrt stand meine Limousine und ich stieg ein. Endlich ging der Anrufende ran.
»Der Jäger Flo. Was ist mit ihm? Hat überlebt!« Ich legte auf und atmetet tief ein. »Der Alte ist einfach, nicht Tod zu kriegen«, murmelte ich und gab meinem Chauffeur die Anweisung mich zu Ankya Schloss zu fahren. Seit über zwei Jahren versuchte ich, die Barriere die der Wächter um das Schloss gelegt hatte zu durchbrechen. Vergebens.
Dadrin war was etwas versteckt. Nur was? Sonst hätte er nie diese Barriere angelegt. Außerdem wollte ich das Schloss. Es gehörte mir. Es wurde für Könige gemacht. Für einen König wie mich.
Als wir vor dem Schloss parkten, stieg ich aus und betrachtete das Bauwerk. Ein fantastischer Baustil, den es auf der Welt nur einmal gab. Noch immer konnte ich es nicht in Erfahrung bringen, wie der Architekt hieß.

 

Impressum

Texte: (c) 2016 Malaike Lucas
Bildmaterialien: (c) 2016 Anna Lena
Lektorat: Keines
Tag der Veröffentlichung: 09.08.2016

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