Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden. Ähnlichkeiten zu existierenden Personen sind rein zufällig.
Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus.
Alle Rechte vorbehalten.
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Und denkt daran, im REALEN Leben gilt SAVER SEX, also achtet immer darauf. AIDS ist keine Krankheit, die man auf die leichte Schulter nehmen darf. Auch die anderen Geschlechtskrankheiten nicht.
Also schützt euch!!!!
Danke
Bisher erschienen:
Buch 1
Facetten ...
Der Leidenschaft
ISBN: 978-3-7438-6415-3
Ein ganz unerwartetes Treffen in der Kneipe »High Skills« hat für den jungen, sensiblen Sascha ungeahnte Folgen. Hals über Kopf verliebt er sich in den dynamischen Unternehmer Kyel, der von Anfang an Saschas Gefühle teilt.
Doch das Glück währt nicht für lange Zeit. Ein zwielichtiger Typ, der Sascha ganz für sich alleine will, unternimmt alles, um ihn in seine Gewalt zu bringen. Kyel, der es durch Zufall erfährt, setzt alles daran Sascha zu helfen und ihn zu beschützen. Doch wird ihm gelingen, was die Polizei nicht vermag?
Buch 2
Facetten ...
Des Verlangens
ISBN: 978-3-7438-6925-7
Die Polizei und die SP - Agenten haben es nicht geschafft den Stalker zu finden, der nun Sascha in seine Gewalt gebracht hat. Als Sascha aus der Betäubung erwacht, steht er seinem persönlichen Albtraum gegenüber. Von nun an lernt er am eigenen Leib, was es bedeutet, seelisch wie körperlich versklavt zu werden.
Kyel mobilisiert all seine Möglichkeiten, um Sascha wiederzufinden. Wird es ihm mit seinem Freund Anthony und den SP - Agenten gelingen, Sascha zu befreien? Wenn ja, kann Sascha nach dem Erlebten überhaupt wieder ein normales Leben führen?
»Scheiße«, ging es mir ständig durch den Kopf. Als ich fast mit Vollgas durch die Stadt düste. Vollgas war etwas übertrieben, denn mehr als 30 km/h brachte das Ding eh nicht zustande.
Nur noch einmal um die Kurve und ich war bei der Eisdiele angelangt. Eisdiele? Ich schmunzelte. Café. Alessandro bestand darauf, es als ein Café zu bezeichnen, obwohl dort mehr Eis verkauft wurde, als Torte oder sonstiger Süßkram. Selbst in der Winterzeit konnte er einen sehr guten Umsatz vorweisen. Wahrscheinlich auch nur wegen Tim, der, von der Damenwelt, ziemlich angehimmelt wurde. Er und ich, wir amüsierten uns immer, wenn er die Zettel oder die Taschentuchschnipsel mit den Handynummern der Mädchen sehr skeptisch betrachtete und am Ende, die Vorboten der Liebe, im Papiereimer landeten. Er verdrossen seine Augen verdrehte und mit seiner eigenen Manier abwinkte. Ich musste mir immer das Lachen verkneifen. Besonders, wenn er mich mit einem seiner ›ich-will-davon-nichts-hören‹ Blicken ansah.
Hastig bremste ich ab und legte meinen Helm auf den Fahrersitz. Blickte kurz zum Himmel und hoffte, dass sich der Frühling nun wirklich langsam einstellte. Besonders hoffte ich, dass der Frühling in diesem Jahr schöner werden würde, als im letzten Jahr.
Wild gestikulierend kam Tim schon aus dem Café.
»Wo bleibst denn du? Du weißt doch, dass ich mit Pierre shoppen gehen will.«
»Tut mir leid. Ich habe total verschlafen!«
»Tzz!«, machte er nur und bedachte mich wieder mit so einem Blick, der einen wie einen Glasmensch vorkommen ließ. »Verschlafen? Wohl eher die Nacht durchgepoppt. Du siehst richtig erholt und frisch aus.« Ich spürte, wie mir die Röte leicht ins Gesicht stieg. »HA!«, rief er aus. »Ich habe recht!« Er grinste über sein ganzes Gesicht, verabschiedete sich und ließ mich ohne kurze Einweisung für das Café und seine Gäste stehen.
»Na toll!«, dachte ich mir. »Jetzt weiß ich nicht, wer was bestellt hat.« Tief schnaufte ich ein, betrat das Café und sah, dass es noch gar nicht so voll war. Nur wenige Gäste, die sich das hauseigene Frühstück gönnten. Sofort verschwand ich in die Küche und legte mir meine Schürze an. Da ich daheim nichts gegessen hatte und auch nicht meinen Muntermacher Kaffee eingenommen hatte, nahm ich mir eine Tasse aus dem Schrank und schenkte mir das dunkle Gebräu ein. Schon sah ich, dass ein Gast seine Hand hob und stellte meine Tasse, die ich gerade zum Mund führen wollte, wieder ab.
Ich ging zu ihm hin und fragte, was er für einen Wunsch hätte. Er wollte nur bezahlen und ich ging zurück an die Kasse. Dort bemerkte ich einen Zettel, auf dem Tim alles aufgeschrieben hatte. Tja, so viel dazu, dass er mir nichts mitgeteilt hatte. Tim war irgendwie immer auf alles vorbereitet. Und ich las, dass Tisch fünf Standard bestellt hatte. Ich schnappte mir den Geldbeutel und rechnete ab.
In der Regel war Samstag immer viel los, nur heute schien es, als ob die Leute alle nicht aus ihren Betten kamen. Ein Wunder wäre es nicht, immerhin hatte der Frühling eingesetzt und die Gefühle erwachten zum Leben. Ein Grinsen stahl sich in mein Gesicht, als ich an letzter Nacht zurückdachte. Hatte ich es wirklich geschafft? Konnte Kyel mich wieder so anfassen wie früher, ohne dass ich mit einem aufkeimenden Ekelgefühl von ihm zurückwich? Ich hoffte es. Ich wünschte es mir. Es war ein Traum, als ich in seinen Armen aufwachte und in sein verschmitztes Gesicht sah. Auch er schien wie ausgewechselt gewesen zu sein. Und dann sein Kuss. So sanft, fordernd und vor allem für mich sehr erregend.
Schock …
Ich spürte, wie es wieder in mir hochkam, und versuchte dieses Gefühl, dieses schreckliche innerliche kalte Gefühl abzuschütteln. Ignorieren, einfach ignorieren. Immer wieder Kyel… nur Kyel und wie sanft er gewesen war. In seinen Augen, stetig immer die Frage aufloderte, ob er, so weit gehen durfte. Ob er mich dort berühren durfte, mich streicheln, mich küssen.
Kyel war nicht er. War in keiner Hinsicht wie Clancy. Clancy hatte mich benutzt. Meinen Körper zu seinem Eigen gemacht. Meine gewissen Stellen, die mich erregten ausgenutzt, zum Spielen herausgefordert, dass ich ja so richtig für ihn abfuhr. Er war nicht darauf bedacht gewesen, mir Vergnügen zu bereiten. Er wollte mich unterdrücken. Er hatte meinen Körper versklavt, nur um sich selbst damit zu befriedigen. Clancy hatte meinen Körper nur für seine eigene Zwecke der Sexualität schamlos ausgenutzt. Seine Berührungen bestanden für mich nur aus Scham und Ekel.
›Es ist mein Körper. Ich entscheide, wer ihn anfasst und was damit passiert und wenn Kyel ihn anfassen will, dann darf er das. Nein, er soll es sogar. Kyel soll mich anfassen. Mehr als sonst und wenn ich immer die Initiative ergreifen muss. Selbst Kyel hat es zu verstehen, dass ich nur ihm gehöre und er mir. Wir gleichberechtigt sind, wir …‹
»Sascha, ich hätte gerne noch einen Kaffee!«, holte mich ein Gast aus meinen Gedanken und ich atmete tief ein. Ich hatte immer noch dieses Gefühl, welches sich allerdings in Wärme und Verlangen für diesen einen einzigen Mann veränderte.
Ich kicherte. Warum kicherte ich? Ich wusste es. Und es war zu schön. Ich freute mich, nur daran zu denken und ja … ja … es war schön und mir war es egal, wenn irgendjemand die leichte Erregung in der Hose sah. Ich war erregt und vor allem war ich geil. Geil auf ihn und ich wusste, dass ich ihn, wenn ich am Abend heimkam, überfallen würde.
Kurz nickte ich dem Gast zu, damit er wusste, dass ich die Bestellung vernommen hatte, und machte mich daran, die Maschine zu betätigen.
Ich hörte das Windspiel, welches vor der Ladentür angebracht worden war und rief.
»Herzlich Willkommen im Café Alessandro!«, drehte mich um und mir wäre beinahe die Tasse mit dem Kaffee aus der Hand geflogen. Dort stand er … ich musste tief einatmen und die Erregung, die ziemlich angenehm pochte, flatterte meine Wirbelsäule rauf.
War ich froh, dass ich eine Schürze trug, und grinste den neuen Gast an. Er schob seine Sonnenbrille etwas zurecht und setzte sich an den Tresen. Kräftig schluckte ich meinen Kloß runter. Ich fragte mich, warum ich plötzlich so fassungslos war und das Kribbeln verstärkte sich. Eigentlich wusste ich es. Es waren meine eigenen Gedanken, die mir die Antwort schon vorher beschert hatten.
»Ich komme gleich!«, murmelte ich in meinen nicht vorhandenen Bart und sah, wie seine Mundwinkel zuckten.
»Da bin ich mir sogar fast sicher«, erwiderte er und ich ging mit weichen und schlotternden Beinen zu dem Gast, der sich noch einen Kaffee bestellt hatte. Warum reagierte ich so auf ihn? Und das auf einmal so plötzlich? Ich kam wieder zu ihm zurück und war nicht fähig irgendein Wort herauszubringen. »Bekomme ich einen Kaffee und als Eis …« er stockte kurz. »… die Nummer sechs. Bitte!«, bestellte er und ich nickte nur. Dennoch konnte ich mich nicht von der Stelle bewegen und wieder sah ich, dass sich seine Mundwinkel leicht spöttisch noch oben zogen.
»Gott macht mich der Kerl an!«, huschte mir der Gedanken, dorthin, wo ich ihn überhaupt nicht gebrauchen konnte. Und es war ein wahnsinniges Gefühl. »Beruhige dich! Verdammt Sascha beruhige dich!«, betete ich diese beiden Sätze gebetsmühlenartig immer wieder, jedoch funktionierte mein Körper nicht so, wie ich das wollte.
»Kaffee?«, fragte ich. Er nickte. Ich räusperte mich leicht und fuhr mir mit der Hand durch die Haare runter zu meinem Hals und berührte mich selbst an meiner Stelle. Auch wenn ich es nicht sah, denn er hatte immer noch die Sonnenbrille auf, wusste ich, dass seine Augen bestimmt kurzzeitig aufgeblitzt hatten. »Die Nummer sechs, ist uns leider vorhin ausgegangen. Was kann ich stattdessen bringen?«, fragte ich mit klopfenden Herzen, und wenn ich mich nicht am Tresen festgehalten hätte, wären meine Knie zusammengeschmolzen. Ich sah seine Augen immer noch nicht, aber ich wusste, wie intensiv sie nun waren. Und allein diese Vorstellung reichte aus, um aus mir einen dahinschmelzenden, nach seinen Händen sehnsüchtigen, mit totalem Nachholbedarf bestückten Vollpfosten werden zu lassen.
»Gibt es noch den Sommertraum?«, fragte er stattdessen, ich schluckte noch einmal kräftig und sah, wie er mit dem Zeigefinger auf dem Tresen tippte.
Ich nickte. »Ist wieder zu haben«, gab ich darauf. Er setzte seine Sonnenbrille ab, legte sie auf den Tresen und unsere Blicke trafen sich. Sein meeresblauer Blick drang unaufhaltsam in mich ein. Das Schmunzeln auf seinen Lippen, die mich nicht nur verwöhnten und diese Hände, die sehr ruhig auf der Ablage lagen, ließen mich sonst wo hinschweben.
Irgendetwas stieg in mir hoch, etwas Befreiendes, etwas, wie ein Kichern, ein Glucksen und mir stiegen die Tränen in die Augen. Ich fühlte mich frei. Zwinkerte kurz mit meinen Augen und musterte den Mann vor mir, von unten nach oben. »Wie soll der Sommertraum serviert werden?«, brachte ich kaum noch raus und atmete hörbar scharf ein. Er grinste linkisch.
»Zwei Kugeln Eis nach meiner Wahl. Ich nehme …!«, er blickte runter, und mir kam es so vor, als ob er meine Erregung erblickte »… eine von da und eine von dort. Mit viel geschlagener und cremiger Sahne. Oben drauf eine heiße Kirsche, die mir ein Hochgenuss an Gefühlen nicht nur in meinem Mund beschert und sanft auf meiner Zunge streichelt«, raunte er und ich atmete aus. Ich hatte nicht gemerkt, dass ich die Luft anhielt, und meine befreite Seele schrie vor Glück. Wie automatisch nickte ich ihm zu.
Langsam aber stetig umschlich mich ein Gefühl, was ich unbedingt noch loswerden wollte, nur wusste ich nicht, wie ich es ihm mitteilen sollte. Dieser Moment war einfach zu schön, wie ein Déjà-vu.
Innerlich fochten meine Vergangenheit und die Gegenwart einen unerbittlichen Kampf aus. Die Gegenwart mit den meeresblauen Augen gewann, es war so, als ob eine dicke Panzerkette von meinem Herzen gesprengt wurde und ich endlich wieder frei sein konnte, frei für die unendliche Liebe, die ich für meinen Kyel fühlte.
»Kyel … ich habe es … ich kann … Gott ich bin geil und ich ekel mich nicht mehr davor … und …!«, stammelte ich, nicht fähig, ihm dieses Gefühl, was in mir hauste, mitzuteilen. Er lächelte mitfühlend und vor allem sah ich totale Erleichterung.
»Dann wird es Zeit, dass du mir den Sommertraum servierst.« Sein Blick wanderte in Richtung Küche und mir wurde es heiß. Vor allem, schien es, als habe er verstanden, was ich sagen wollte.
»Du meinst …!«, sein Nicken unterbrach mich und mein Herz machte Überstunden. »Aber …!« Er schüttelte mit dem Kopf.
»Psst, kein Rückzieher, mein kleiner Orkan«, murmelte er und schnappte sich seine Sonnenbrille, die er sich in die Hosentasche steckte. »Ach und sag jetzt bloß nicht. Ich sei unverbesserlich. Immerhin hast du damit angefangen.«
»Du bist unverbesserlich!«, murmelte ich.
»Nein, nur unendlich froh. Unendlich in dich verliebt und unendlich scharf auf dich.« Eigentlich verkrampfte ich mich immer, wenn er mit so etwas anfing, aber diesmal schien es, als ob ich die Vorfreude persönlich wäre. Ich konnte es nicht mehr erwarten. Alles von ihm zu spüren und ich ging vor.
Noch bevor sich die Schwenktür hinter mir schloss, hatte Kyel mich schon an die Wand gedrückt. Küsste meinen Hals und leckte mit seiner sanften Zunge über meine Stelle. Ich keuchte auf. Darin bestärkt, befreite er mich von der Schürze und öffnete mit seinen geübten Fingern meine Hose.
»Ich will dich, jetzt!«, hauchte er mir ins Ohr und ich schluckte kräftig. »Ich will dich anfassen, dich küssen, dich lecken, dich beißen, dich in meinen Mund versenken, mich in dich versenken und dich in Ekstase versetzen. Jetzt! Alles auf einmal. Sascha ich habe dich so vermisst. Berühre mich. Bitte berühre mich!«, keuchte er und ich spürte seine Härte, als er sich an mich rieb.
Unsere Blicke trafen sich und ich sah seine Angst mit einem Gemisch an Verzweiflung und lächelte ihn an.
»Kyel, ich habe es überstanden. Du hast mir dabei geholfen. Letzte Nacht ist der restliche Schatten abgefallen und ER wird nicht mehr zwischen uns stehen. Dafür danke ich dir so sehr«, murmelte ich und strich mit meiner Hand über seinen Rücken. Hinauf zu seinem Nacken und streichelte an seinem Haaransatz über seine Stelle. Sofort reagierte er darauf und zog scharf die Luft ein. Er lachte leise auf.
»Ich habe dich wieder. Endlich habe ich dich wieder und ich dachte schon, dass ich mich immer noch zurückhalten muss.« Ich schüttelte den Kopf.
»Nein musst du nicht …!«, weiter kam ich nicht. Seine Zunge drang mit voller Wucht in meinem Mund und keiner wollte dem anderen nachgeben. Mein Shirt zog er mir aus der Hose und streichelte mir über die Brust, zwickte rein und regte meine Warze bis auf das Äußerste an. Ich stöhnte in seinem Mund, meine Hände fuhren wieder seinen Rücken entlang und ich drückte ihn an mich.
Irgendwie gelang es ihm, mich von meiner Hose zu befreien, und er knetete mich. Kurz, aber wirklich nur kurz, zuckte ich zusammen und sofort rief ich mir ins Gedächtnis, dass es Kyel war, der mich dort unten berührte, mich streichelte und nicht Clancy, der nur darauf geschaut hatte, mich mit kneten und zusammendrücken zu bestrafen. Meine Beine stellte ich etwas weiter auseinander, damit Kyel besser hinkam, und schon spürte ich seinen Finger, der an meinem Eingang rieb.
Plötzlich hob er mich hoch und hievte mich auf den Tisch. Die Zettel, die darauf lagen, flogen in hohen Bogen runter. Tief blickten wir uns in die Augen und ich bedeutete ihm mit einem Nicken, das er weitergehen durfte. Er küsste sich runter und umspielte mit seiner Zunge meinen Nabel. Stupste rein und folgte meinem Flaum weiter nach unten. Über meinen Schaft bis zu meiner Mitte. Kurz leckte er über einen von meinen Hoden und zog daran. Mit der Hand hielt ich mir den Mund zu, damit ich nicht zu laut aufstöhnte. Er kicherte und leckte sofort wieder entschuldigend darüber. Noch eine kleine Zeit lang spielte er damit und endlich spürte ich, wie seine warmen und sanften Lippen mich umschlossen. Seine Zunge meine Spitze umspielte und ab und zu seine Zähne meine Haut reizte.
Ich krallte mich in seine Haare und gab den Rhythmus, den er sich gefallen ließ, vor. Doch bevor ich kam, hielt er inne, hob seinen Kopf und schaute mich an. Stumm fragte er mich wieder und ich nickte. Ohne weiteres Zutun hob er meine Beine und wieder sah ich in seinen Augen, wie in der letzten Nacht, die Fragen aufkeimen.
»Mach schon!«, keuchte ich, kaum noch fähig überhaupt an was zu denken, geschweige denn, etwas zu sagen. Ich nahm meine Beine in die Hand und hob meine Hüfte an.
»Du bist so schön!«, hauchte er und ich schloss meine Augen, als ich ihn in mich eindringen spürte. Keuchend biss ich mir auf die Lippen und genoss nur noch das Gefühl, in das ich mich begeben hatte. Was Kyel mir gab. Nicht nur des Sexes wegen, den wir gerade hatten, sondern seiner Selbstwegen, seinem Charakter, seiner Geduld, die er mit mir hatte und seiner Liebe, die er mich jeden Tag spüren ließ.
Kyel! Ich liebte diesen Mann.
Lachend kam ich, der Orgasmus war befreiend, es war kein Zwang, keine Bitte und kein Danke. Es war mehr und nur Kyel war dazu fähig.
Als jemand nach einer Bedienung rief, wurde mir wieder bewusst, wo wir uns befanden. Mehr kichernd als grinsend zogen wir uns wieder an und ich ging ins Café. Kyel folgte mir wenige Minuten später und ich stellte ihm seinen bestellten Kaffee hin. Leider verflog meine gute Laune, als Kyel mir eröffnete, dass ein Brief wegen der bevorstehenden Anhörung gekommen war.
›Jetzt, wo fast alles im Nebel versunken ist. Muss ich mich wieder an alles erinnern. Muss ich mich dem wieder stellen. Die dunklen Schatten lauern irgendwo in einer Ecke. Nur darauf wartend, mit aller Gewalt wieder herauszubrechen.‹
Das war eine totale Überraschung. In der Küche des Eiscafés und ich schüttelte noch leicht überrumpelt meinen Kopf. Sascha ergriff verbal die Initiative, ich konnte nicht anders und stieg darauf ein. Wir hatten Sex, schon wieder. War eigentlich nichts Neues, nur nach knapp fünf Monaten des Wartens und des Zurückweisens vonseiten Saschas, war das ein Quantensprung. Innerhalb von nur 24 Stunden hatte Sascha mich in seine Nähe gelassen, sich in meine Arme begeben und sich vollständig fallen gelassen.
Dennoch hatte ich immer noch das Gefühl, das ich mich zurückhalten musste. Warum? Ich wusste es nicht, es war mehr so eine Ahnung oder die Angst, er würde mich wieder wegstoßen, wenn ich für einen kleinen Moment zu unbedacht war. Zu stürmisch, zu verlangend.
Solch ein Erlebnis überwand man nicht mal auf die Schnelle, besonders nicht, wenn der eigene Körper unfreiwillig und gewaltsam versklavt worden war. Der Wille anhand diverser Praktiken gebrochen wurde und von heute auf Morgen, damit zu leben hatte, dass Schmerzen nicht nur als Bestrafung dienten, sondern auch vonseiten des Handelnden als Lust bringend angesehen wurde. Was wohl tierisch in die Hose ging.
Was würde ich machen, wenn Sascha sich darauf einließ. Wenn er kommen und sagen würde. Ich möchte, dass du mich auspeitscht, oder besorge es mir mit einem Toy oder etwas anderes, was in diese Richtung ging und ich schloss meine Augen.
Ich durfte nicht daran denken. Sascha war mehr, als nur ein Lustobjekt und doch, wäre es gar nicht so abwegig, wenn er so viel Vertrauen in mich setzte und ich ihm anhand diverser Reizströme der besonderen Art zur Ekstase brachte. Er hatte es selbst gesagt, dass er sich immer wieder vorgestellt hatte, dass ich es sei, der ihm diese Schmerzen, die ihm am Ende erregten, zufügte.
Scheiße ich war schon wieder so weit. Wenn Sascha wüsste, an was ich dachte, er würde mich zum Teufel jagen. Ich versuchte krampfhaft, mich mit banalen Dingen abzulenken und fuhr nach Hause.
Noch bevor ich meinen Schlüssel in das Schloss stecken konnte, wurde die Tür geöffnet.
Schock … erst sammeln … mein Gehirn setzte aus … die Spucke verselbstständigte sich und lief einfach den Weg in meine Kehle … blieb dennoch irgendwo hängen, und Wörter wie: »Ich habe dich vermisst. Und es tut mir so unendlich leid«, drangen in mein Ohr. Blieben aber auf der Strecke zum Gehirn irgendwo stecken. Denn die Umarmung dieses Mannes rief tief eingegrabene Erinnerungen zurück.
Ich stand wie angewurzelt da. Nicht fähig mich zu rühren und einen klaren Gedanken zu fassen oder sonst irgendetwas zustande zu bringen. Irgendwann, nach gefühlten Stunden, löste er sich von mir und ich starrte ihm fassungslos ins Gesicht. Dann machte ich auf meinen Absätzen kehrt und wollte wieder ins Auto steigen.
»Kyel …!«, rief er und ich blickte ihm ins Gesicht. Nun sah ich, dass er verheulte Augen hatte und einen flehenden Ausdruck. Ich schüttelte den Kopf und sah nur, wie meine Mom hinter ihm hervorkam.
»Kyel …!«, sprach sie mich an und ich schnaufte tief ein.
»Ich brauche Luft!«, meinte ich nur und bekam nur noch vage mit, wie sie ihm auf die Schulter langte und zurück in die Villa schob.
Ohne recht zu wissen, wohin ich fuhr, überschlugen sich meine Gedanken. »Was sollte der Scheiß? Es ist wirklich eine Riesenscheiße. Das darf doch wohl wirklich nicht wahr sein. Nee … nicht mit mir. Der soll aus meinem Leben verschwinden. Er hat Schluss gemacht, also soll er sich verziehen. Nein … es ist, zum aus der Haut fahren … so eine verfluchte Scheiße!«, fluchte ich die ganze Zeit im Auto und plötzlich wummerte mein Innerstes auf. Ich hatte nicht an Sascha gedacht. »Wie wird er reagieren, wenn mein Ex vor ihm steht? Das geht schon mal gar nicht. Nicht nachdem Sascha sich so weit geöffnet hatte. Nein. Wenn ich wieder zurückkomme, ist er auf jeden Fall aus meiner Villa verschwunden. Und wenn ich ihn eigenhändig hinausbefördern muss. Was erlaubt sich der Typ überhaupt? Steht nach Monaten wieder vor mir und faselt irgendetwas von wegen und es tut ihm leid … ich habe mich wirklich verhört!«, ging es mir durch den Kopf.
Als ich zurückkam, sah ich Saschas Moped schon auf seinem Platz stehen und alles zog sich krampfhaft in mir zusammen. Ich hoffte, Paul wäre verschwunden, sonst würde es eine stark aufgebaute Lawine zum Einsturz bringen.
Tief atmete ich noch einmal ein und stieg aus. Ich schloss die Tür auf und im Innern entledigte ich mich meiner Schuhe.
Sascha kam freudestrahlend aus der Küche und an ihm haftete immer noch der Hauch von heute früh. Er kam auf mich zu und ich ließ ihn nicht aus den Augen. Er kam immer näher und stand vor mir. Wir blickten uns immer noch in die Augen und plötzlich umschlangen mich seine Arme. Fest drückte ich ihn an mich und bekam erst gar nicht mit, wie er mich küsste. Ich war im Himmel. Endlich hatte ich meinen Sascha wirklich wieder. Leider war es zu kurz.
»Wo warst du?«, fragte er mich und ging in die Küche vor.
»Habe nur eine kleine Spritztour gemacht«, gab ich als Antwort.
»Hmm … so lange?«
»Ja … Entschuldige bitte … Ich habe jemanden getroffen, mit dem ich nicht gerechnet hatte.«
»So? Und wen?« Ich schüttelte den Kopf. Sah, wie Sascha den Herd öffnete, reinschaute, wieder schloss und der Geruch von Lasagne die Küche erfüllte. Ich trat an ihn ran und schmiegte mich an seinen Rücken. Er zuckte nicht zusammen, sondern streichelte über meine Arme, die ich um seinen Oberkörper gelegt hatte.
»Tut nichts zur Sache«, murmelte ich und hauchte ihm einen Kuss in seinen Nacken. Er neigte seinen Kopf weiter und ich spürte, wie es ihn durchzuckte, aber er wich nicht aus, sondern schnaufte tief ein. »Sag mal, haben wir ein Fest, oder warum gibt es Lasagne?«, fragte ich ihn, als ich mich genügend von ihm erwärmen lassen hatte. Ich sah, dass er mit dem Zerkleinern des Salates fast fertig war und zu mir hochblickte.
»Warum brauchen wir immer ein Fest, um Lasagne zu machen? - Ach da fällt mir ein …«, weiter kam er nicht, denn eine mir viel zu bekannte Stimme drang zwischen uns.
»Es riecht ja fantastisch!« Ich drehte mich zu diesem Störfaktor um, blickte in dessen Augen, die nicht mehr verheult waren, sondern in einer Art Vorfreude leuchteten. Er trat neben Sascha. »Ich kenne Sie noch gar nicht. Sind Sie der Sohn, der Haushälterin?« WAS? Ich glaubte, mich verhört zu haben. Sascha blickte ihn sprachlos an, hielt aber an sich und ich wunderte mich, dass er nicht lospolterte. »Oh, er versteht kein Englisch, … nun macht nix. Deine Haushälterin hat auch einen fürchterlichen Akzent. Da versteht man überhaupt kein einziges Wort. Sag ihr bitte, sie soll meine Koffer in dein Schlafzimmer stellen und die Wäsche in meinen Schrank einsortieren!« Ich war, wie vor den Kopf gestoßen, so verdattert stand ich da. Nicht fähig irgendetwas zu sagen. »Du solltest mal mit deiner Haushälterin reden …«, der höllische Krach einer aufschlagenden und zersplitternden Porzellanschüssel ließ ihn verstummen, nur um ihn zu einem verdrossenen, kopfschüttelnden, vielsagenden und missmutigen Blick herabzulassen, der mich wieder in die Realität schickte. »Dass auch noch. Kaum bin ich einige Monate nicht hier und schon geht alles drunter und rüber. Kyel schmeiß deine Angestellten raus, die sind so was von ineffizient …«
»Shut up!«, zischte Sascha und ich sah, wie Zornbeladen er war.
»Paul. Halt den Mund!«, fuhr ich ihn endlich, nachdem ich meine Stimme wiedergefunden hatte, an. Er verstummte. »Beruhige dich!«, sagte ich zu Sascha, er atmete tief ein und ich machte mich dran, einen Besen und eine Schaufel zu holen. Kniete mich vor Sascha, der inzwischen, die größeren Scherben aufhob. Blickte ihm in die Augen und sein Zorn schlug buchstäblich auf mich ein.
»Scheiße«, durchzog es mich, »dies ist nicht nur Zorn, sondern die blanke Eifersucht, und wenn ich etwas Falsches tue oder sage, war hier buchstäbliche die Hölle am Erfrieren.« Ich schmunzelte Sascha an und zwinkerte ihm zu. Ich hoffte, dass er diese kleine Mimik von mir erkannte. Sofort veränderten sich seine Gesichtszüge und er richtete sich wieder auf. Widmete seine ganze Aufmerksamkeit wieder seinem Essen.
Und ich widmete mich einem etwas anderen Problem, welches mir an der Backe hing und dieses Problem hieß Paul.
Ich stand auf und schmiss die Scherben in den Müll. War ich froh, dass der Salat noch halb geschnitten auf dem Brett lag und nicht schon in der Schüssel war.
»Paul es ist wirklich nett, dass du mich besuchen kommst. Wie komme ich zu dieser Ehre?«
»Pah, besuchen! Ich wohne hier. Der Lkw mit meinen Sachen kommt morgen.« Vorsichtig schielte ich zu Sascha, der sich wieder dem Salat widmete, nur hielt er meines Erachtens das Messer etwas zu verkrampft.
»So?!«, gab ich drauf.
»Ja, du weißt es doch? Wenn ich mit meinen Vernissagen fertig bin, dann kehre ich immer heim. Kyel ich habe dich vermisst. Dieses Jahr hat sich so ellenlang hingezogen«, sinnierte er und Sascha bedachte ihn wieder sehr sprachlos. Ich hoffte, er hielt sich so lange zurück, bis ich Paul in seine Schranken gewiesen hatte.
»Paul, du weißt schon, dass du nicht mehr hier wohnst?«, versuchte ich, meine Stimme neutral zu halten. Was in diesem Moment wirklich wichtig war.
»Natürlich wohne ich hier noch. Wie kommst du darauf? Bin einmal etwas länger, als normal unterwegs und schon geht hier alles Drunter und Drüber. Wann ist das Essen fertig? Ich esse immer so um sechs Uhr Abend. Mein Therapeut hat es mir geraten. Es soll länger jung halten. Ich hoffe, es ist pünktlich fertig, … kannst du das deinem Koch sagen?« Er war extrem unfreundlich und ich wusste auch warum. Nur wollte ich sie nicht mehr aufleben lassen. Diese Vergangenheit und das musste ich Paul begreiflich machen.
»Paul ich glaube, du verstehst nicht! Du wohnst hier nicht mehr und den Lkw bestellst du bitte gleich ab!«
»Kyel ich erkenne dich gar nicht mehr wieder und außerdem wo ist mein Willkommensgeschenk. Du bist doch extra noch einmal gefahren, um mir etwas zu besorgen …«, Herrgott der Typ reizte es aus und er forderte mich heraus. »Ach Kyel ich habe dir ja so viel zu erzählen, aber erst …«, er kam mir näher und ich kannte diese Bewegung an ihm. Als er nur noch einen Schritt von mir entfernt stand und seine Arme hob, um mich zu umarmen, blickte ich gerade in zwei meeresgleiche blaue Augen, die aus blank poliertem Stahl herausstachen und mich anblickten. Sascha hielt das Messer zwischen uns, lächelte süffisant und sprach mit sehr ruhiger Stimme:»Wenn sich die Herrschaften bitte setzen möchten, das Essen wird gleich serviert.«
Paul schrie entsetzt auf: »Der hätte mir beinahe das Auge ausgestochen!«
»Wohl kaum!« Wow! Saschas Stimme war so was von herablassend. Diese Nuance hatte ich schon lange nicht mehr von ihm gehört und ich räusperte mich.
»Paul, das ist seine Küche und hier herrschen seine Regeln. Und wenn Sascha sagt, dass das Essen fertig ist, dann haben wir uns zu setzen, sonst gibt´s nichts.« Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Sascha leicht in sich hineinschmunzelte. Vor allem war ich dankbar, dass er meine sehr kurze Andeutung, während des Zusammenkehrens verstanden hatte. Vielleicht wusste Sascha auch, wer er war. Immerhin war vorhin meine Mutter hier und hatte ihn sozusagen schon einmal vorgewarnt, wie Paul so war und welches Faible er hatte. Ich fragte mich, wie ich mich in ihn hatte verlieben können, und schüttelte innerlich den Kopf. War ich doof, dass ich mich damals darauf eingelassen hatte. Aber das Unbekannte hatte eben einen ganz besonderen Reiz.
Sascha machte sich auf und deckte den Tisch für sieben Mann.
»Erwartest du Gäste?«, fragte Paul und ich schüttelte den Kopf. Irgendwie musste ich ihn hier rausbekommen. Ich wusste, wie er war, aber ob Sascha damit klarkam, davon hatte ich keine Ahnung. Bis jetzt schlug er sich gut.
Stimmengewirr drang vom Hausflur in die Küche und Lenard war der Erste, der reinkam. Inzwischen fühlte er sich hier auch wie zu Hause. Wenn Loren nicht bei ihm übernachtete, schlief er hier. Nach ihm kam Sarah mit Aiden und am Ende Loren, die Paul mit mehr oder weniger von der Seite anschielendem Blick bedachte. Und dann zu Sascha hinüberschaute, der gerade dabei war, den Salat abzuschmecken. Jeder sagte Hallo und setzte sich auf seinen Platz am Tisch. Keiner beachtete Paul nur Lenard sprach ihn an. »Hallo, ich bin Dr. Lenard Marker und Sie sind?«
»Paul Sinnert, ich bin der Verlobte von Kyel …«, alles verstummte und blickte von Sascha zu mir und wieder zurück. Nur Sarah gluckste etwas lauter auf.
»Ach ja!? Ist ja nicht zu fassen. Kyel du hast uns nie erzählt, dass du verlobt bist.«
»Irgendwie muss mir das abhandengekommen sein«, erwiderte ich.
»Das ist ja mal wieder sehr typisch für dich, Kyel!«, fing Paul, darin bestärkt mich wieder überall bloßzustellen, an. In der Hoffnung, dass es so endete, wie es immer geendet hatte.
»So? Und wann ist denn die Hochzeit der ehrenwerten Herrschaften?«, fragte Sascha und stellte die Lasagne auf den Tisch. Paul zuckte zusammen und schaute mich direkt an.
»Die Hochzeit wäre letztes Jahr im April gewesen«, antwortete ich.
»So! Und warum ist daraus nichts geworden?«, fragte er weiter. Setzte sich auf seinen Platz, schaufelte sich eine reichliche Portion auf seinen Teller und fing zu essen an. Paul schaute ihn sprachlos an und ich konnte mir vorstellen warum. Immerhin war Sascha in seinen Augen mehr oder weniger ein Ausländer, den man behandeln konnte wie Hundescheiße am Schuh und das Gleiche galt irgendwie auch für Loren, außerdem verstand er nicht, warum die ›Haushälterin und der Koch‹ sich einfach mit an den Tisch setzten und aßen.
»Nun ja, ich bekam eine ganz große Vernissage angeboten …«, versuchte er es zu erklären.
»So! Und das war wichtiger als seinen Verlobten zu heiraten?«, schnitt Sascha ihm das Wort ab.
»Für mich hat das meinen Durchbruch bedeutet … und Kyel hat mich gehen lassen«, sagte er und ich wunderte mich, dass er Sascha Antworten gab. Ganz besonders, wenn ich in seiner Nähe war.
»Ich finde, jeder sollte seinen Traum ausleben«, mischte sich Lenard ein. »Deswegen bin ich Arzt geworden und habe die wundervollste Frau an meiner Seite, weil ich meine Träume nicht aufgegeben habe.«
»Ja so sehe ich das auch!«, sagte Loren und küsste ihren Lenard.
»Ist es aber nicht so, dass Sie Kyel in flagranti erwischten und deshalb mit ihm Schluss gemacht hatten?«, fragte Sascha gerade heraus und ich sah, dass Paul rot wurde. »Und Sie erst dann mit Ihrem neuen Freund zu der Vernissage gegangen sind?« Woher wusste Sascha das? Ich mein, ich hatte mit ihm nie über meine Ex gesprochen und überhaupt, war das die Version, die ich meinen Eltern erzählt hatte.
»Dies ist kein Thema bei Tisch!«, schnaufte Paul, stand auf und ich bewunderte Sascha, dass er so schnell die Art von Paul durchschaut hatte. Beziehungsweise einen kleinen Teil seiner vorherrschenden Art und ich hoffte, Sascha würde sie nie ganz zu Gesicht bekommen. Als Paul die Küche verlassen hatte, fragte ich Sascha, woher er es wusste und er meinte nur, Crashkurs von Janet. Erleichtert schnaufte ich ein und grünlich braune Augen blickten mich durchbohrend an, die so viel bedeuteten wie, du gehörst mir und ich werde um dich kämpfen. Ich schmolz bei diesem Ausdruck dahin und streichelte ihm über seine Wange.
»Willst du nichts essen?«, fragte Sascha.
»Mir ist irgendwie das Essen vergangen«, sagte ich und schloss meine Augen.
Ich half Sascha beim Aufräumen der Küche, und als er sich noch einen Tee machen wollte, ging ich in der Zwischenzeit in mein Wohnzimmer. Setzte mich auf die Couch und schaltete den Fernseher ein. Kurz darauf kam Sascha mit seinem heißen Tee, stellte die Tasse auf den Tisch und trat vor mich. Jede Bewegung von ihm beobachtete ich. Ich blickte in sein wunderschönes Gesicht und sah, seine Augen leuchten.
Sofort sprenkelte alles wieder mein Rücken rauf und runter. Ganz besonders, als er seine bestimmte Stelle am Hals anfasste. Er lächelte, denn ich wusste, dass er meine Beule sah und es war eine Erlösung für mich. Bis dato hatte ich damit zu tun gehabt, dass ich alles was auch nur den Hauch einer Erektion aufwies, zu unterdrücken, oder verstecken musste, weil Sascha sich immer angewidert weggedreht hatte. Ich hob meine Arme, umgriff seine Hüften und zog ihn zwischen meine Beine. Küsste seinen Bauch, der leider noch mit seinem Shirt bedeckt war und sein Geruch schlug über mich ein. Als ich Anstalten machte, ihm das Shirt auszuziehen, entzog er sich mir.
Verdrossen schnaufte ich ein, als er sagte, dass er noch schnell unter die Dusche springen möchte. Nur als er sich dann zu mir runterbeugte, mich am Nacken packte, mit seiner Zunge in meinen Mund eindrang und mich anschließend fragte, ob ich seinen Rücken waschen möchte, da packte ich ihn, um ihn in Richtung des Bades zu ziehen.
Vergessen war mein ungebetener Gast, vergessen waren die letzten Monate, vergessen war einfach alles. Die letzte Nacht und dieser Tag sollten niemals enden. Es war einfach viel zu schön, um es mit Schlafen zu vergeuden. Ich nahm mir vor, Sascha heute wirklich zu verwöhnen. Es musste nicht immer Sex sein, aber mir würde bestimmt etwas Wunderbares einfallen.
Sascha schüttelte die Betten auf und ich suchte ein geeignetes Fernsehprogramm. Es war zum Verzweifeln. Nichts, rein gar nichts kam in der Kiste und ich fragte Sascha, auf welchen Film er Lust hätte, den ich dann über Pay-TV bestellen wollte.
»Hmm, Herr der R…!«
»Kyel!«, rief es aus dem Wohnzimmer. »Kyel!« Es kam ins Schlafzimmer.
»Kyel, deine Haushälterin hat die Koffer einfach im Gästezimmer stehen lassen, obwohl ich ihr ausdrücklich gesagt habe, dass sie in dein Schlafzimmer sollen!«, schimpfte er und stockte, als er sah, wie Sascha sich auf das Bett setzte und den Laptop zu sich zog. Sascha ignorierte ihn. »Was macht dein Koch da?« Nun blickte Sascha auf und ich fragte mich, wie er so gelassen bleiben konnte. Als ich aber seinen Blick sah, spürte ich, wie meine Mundwinkel zuckten. Sein typischer ›Ja-nicht-so-viel-Emotionen-zeigen‹ Blick. Er hatte sich selbst runtergefahren.
»Weil ich hier schlafe!«, sagte er fast tonlos und Pauls Augen weiteten sich.
»Aber … aber …«, weiter schaffte er es nicht, denn ich packte ihn am Arm und zerrte ihn Richtung Tür. »Du ziehst einen ausländischen Koch, eine niedere Stufe, mir vor?«
»Ja, tue ich! Paul ich habe dir die Erlaubnis gegeben, dass du heute Nacht mein Gast sein darfst, aber morgen verschwindest du wieder.«
»Ich werde es nicht dulden, dass du diese Nacht mit einem anderen verbringst. Wie oft willst du mir noch wehtun!«
»Raus!«, zischte Sascha nun. »Wie oft soll Kyel Ihnen noch sagen, dass Sie unerwünscht sind? Man oh man, das würde selbst ein Kindergartenkind verstehen.«
»Was erlaubst du dir überhaupt, so mit mir zu reden?«
»Paul, er hat das Recht dazu. Sein Schlafzimmer, seine Regeln. Also verschwinde endlich!«, ermahnt ich ihn.
»Das ist ja wohl die Höhe!«, rief er. »Und wahrscheinlich lässt du den anderen, der mit diesem Mädchen rumgeknutscht hat auch noch ran und den, der angeblich ein Arzt sein soll … «
»Paul ich gebe dir die letzte Warnung oder du kannst heute Nacht im Vorhof schlafen«, durchschnitt ich seinen aufkommenden Wutanfall.
»Du schmeißt mich raus?! Das ist ja was ganz Neues. Frage dich, wem die Villa gehört? Wenn hier schon jemand wen rausschmeißt, dann bin ich es und ich fange mit deiner faulen Haushälterin an und ende mit deinem Koch.« Langsam riss mir der Geduldsfaden, ganz besonders, als er auf Sascha zustürmte und ihn packen wollte.
Scheiße, Saschas Ausdruck veränderte sich wieder und es gab nur eine einzige Möglichkeit dem entgegenzuwirken. Ich wollte es nicht mehr, es erfüllte mich nicht mehr und dennoch war es das Einzige, was hier noch half. Ich straffte meine Schulter, stellte meine Beine etwas auseinander, nahm eine Hand an meine Hüfte und hob mein Kopf etwas an.
»Paul Stopp!«, zischte ich und er stockte mitten in seiner Bewegung. »Drehe dich um!«, herrschte ich ihn an und er tat es. Ich sah, als er mich erblickte, wie er sofort seinen Kopf senkte und mich durch seine herabfallenden Haare anblickte. Ich hielt mit ihm Blickkontakt und vermied es, zu Sascha zu schielen. Hier ging es um etwas anderes und ich durfte mir keinen Fehler erlauben. »Gehe in das Zimmer, welches Loren dir zugewiesen hat und bleibe dort!« Er hob seinen Kopf und schüttelte ihn. »Du wirst tun, was ich dir sage. Du weißt, dass ich keine Widerrede dulde. Du hast wegen Regelverstoß dein Recht verwirkt hier zu sein. Somit ist auch alles, was ich dir geschenkt habe, wieder in meinem Besitz übergegangen. Du hast die Regeln missachtet und mich dadurch enttäuscht. Geh mir aus den Augen!« Er fiel auf seine Knie. Oh nein! Das wurde ja noch schöner. Ich durfte nicht nachgeben, sonst hätte ich verloren. »Steh auf!«, befahl ich ihm und er hob nur sein Kopf an. Man war der stur, aber ich würde seinen Wunsch nicht erfüllen. »Noch einmal bitte ich nicht darum!« Scheiße, ich hatte nicht mehr die Kraft für solche Sachen und anmachen tat es mich auch nicht mehr. Endlich nach gefühlten Jahrhunderten stand er auf und ging sehr langsam in Richtung Tür. Die ganze Zeit über hielt ich mit ihm Blickkontakt, und als er seinen Blick von mir abwandte, konnte ich mich wieder entspannen.
Ich hatte es geschafft.
An der Tür blieb er stehen und drehte sich noch einmal um.
»Also war es das?« Ich nickte.
»Ja, du hast es so gewollt und du kennst die Regeln.« Er nickte.
»Wenn ein Sub sich von seinem Master trennen will, weil er ihn für unwürdig hält, oder der Master seine Regeln nicht einhält, so hat der Sub das Recht, dies mit oder ohne Absprache mit dem Master zu tun. Ist eine Trennung vollzogen, so ist der Master nicht verpflichtet, seinen von ihm getrennten Sub wieder aufzunehmen. Der Sub ist nicht verpflichtet, seinen von ihm getrennten Master mit all seinen Regeln wieder zu akzeptieren!«, rezitierte er die Regel.
»Du hast mich verlassen, weil du mich für unwürdig gehalten hast.« Er schüttelte den Kopf.
»Aber du hast ständig andere …!«
»Der Master hat das Recht, sollte der Sub erkrankt, durch ein anderes Leiden geschwächt oder anderweitig unabkömmlich sein, sodass der Sub seine Pflichten nicht erfüllen kann, seine Bedürfnisse anderweitig auszuleben. - Ich habe nie gegen die Regeln verstoßen.«
»Verstehe. Vielleicht wollte ich mehr!«
»Vielleicht!« War alles, was ich noch dazu sagte und als Paul endlich aus dem Schlafzimmer war und ich die Tür geschlossen hatte, sank ich zu Boden. Ich griff in meine Haare und hatte Angst vor Saschas Reaktion. Ich war ein Dom und er wurde von solch einem entführt und vergewaltigt.
Ich sah seine nackten Füße, als Sascha zu mir trat und langsam hob ich meinen Kopf. Blickte in sein Gesicht und dieser Ausdruck, den ich dort sah, konnte ich nicht einordnen.
Ich saß ziemlich perplex auf dem Bett und verstand in keiner Weise, was da vor sich ging.
Noch einmal ließ ich alles Revue passieren; die kurze Andeutung, dass ich es mir nicht zu stark zu Herzen nehmen sollte, was Paul von sich gab. Die Vorwarnung und kurze Erklärung von Janet, dass Kyel und Paul einen auf Gegenseitigkeit ausgehandelten Vertrag hatten, was wohl so viel bedeutete, wie verlobt zu sein, und nun das!
Ich musste mich wirklich sehr zurückhalten, um nicht auszurasten und Paul in seine Schranken zu weisen. Ihm nicht an seinen Kopf zu werfen, dass Kyel mir gehörte. Oder war es von mir eiskalte Berechnung, um herauszufinden, wie Kyel wirklich für mich empfand? Nein, das glaubte ich nicht. Ich wollte ihm einfach die Chance geben, es selbst mit seinem Exfreund oder was Paul auch war, zu klären. Sicherlich musste Kyel mir darüber Rede und Antwort stehen, aber als sich seine Haltung innerhalb einer Sekunde so drastisch änderte, dass selbst ich Angst vor ihm bekam und der, auf eine gewisse Art in meinen Knochen verankerte Gehorsam aufkeimte, war ich für eine kurze Zeit in meine eigene Dunkelheit versetzt worden.
Nur als dann Paul aus dem Schlafzimmer heraus war, krachte Kyel zusammen und ich sah leichte Spuren von Tränen in seinen Augen aufleuchten und meine innere Anspannung verflog.
Tief schnaufte ich ein, und auch wenn ich nicht wusste, wie Kyel reagieren würde, so schob ich den Laptop, an den ich mich gekrallte hatte, von mir weg und stand auf.
Langsam und jeden Schritt vorher in Gedanken abrufend, ging ich auf ihn zu. Blieb vor ihm stehen und er blickte zu mir hoch.
Was ich dann sah, zerbrach fast mein Herz. So viel Traurigkeit, so viel Schmerz, so viel Hoffnungslosigkeit und dennoch konnte ich nicht anders und kniete mich vor ihn hin. Hob meine Hand und strich ihm eine Strähne aus der Stirn. Fuhr die wundervolle Wölbung seiner Augenbraue nach, hinunter zu seinem Auge. Dort strich ich die Andeutung einer Träne weg, weiter über seine Wange zu seinem Nasenrücken, blieb für einen Augenblick in der Wölbung über seinen Lippen stehen und fuhr anschließend seinen Mund nach. In dieser ganzen Zeit ließen wir uns nicht aus den Augen und sein Ausdruck veränderte sich wieder.
»Es tut mir leid!«, murmelte er in meinen Finger und küsste ihn. Ich schüttelte nur den Kopf, setzte mich neben ihn hin und bettete seinen wundervollen Kopf auf meinen Schoß.
In dem Moment bedurfte es keiner Wörter und ich spürte, wie von ihm eine große Last abfiel. Eine Last, die er die ganze Zeit über mit sich rumgeschleppt hatte. Eine Last, die ihm Freude bereitet hatte und nachdem er diese Last nicht mehr brauchte, nicht wusste, wie er sie bekämpfen konnte.
Nach einer langen Zeit, während ich ihm immer wieder über seinen Rücken oder Kopf strich, löste sich seine Zunge und er fing zu erzählen an.
Ich hörte ihm nur zu und unterbrach ihn nicht. Kyel erzählte alles, wie er in die Dom/Sub Szene gekommen war. Was ihm am meisten bei den Praktiken gefallen hatte; die Kontrolle über einen anderen Körper. Die Gefahr nie zu wissen, wann es zu gefährlich wurde und immer weiter gehen zu können. Die Gefügsamkeit seiner vertraglich ausgehandelten ›Verlobten‹, er benutzte lieber dieses Wort als Sub oder Sklave.
Paul war der Dritte, den er sich auf diese Weise hielt und selbst da, wurde es ihm schon bewusst, dass diese Art zu Leben nicht ewig anhalten würde. Er gab Paul mehr Freiheiten, als seinen Vorgängern und mit der Zeit blieb der Kick aus. Er berief sich vermehrt auf seine Regel. Ging am Ende fast jedes Wochenende fort, nur um Paul irgendwie aus seinen Gedanken zu bekommen. Holte sich ›Twinks‹, den Begriff kannte ich aus einigen von meinen Büchern, um sich zu erleichtern und um Paul weiter von sich wegzujagen.
Irgendwann kam Paul von einer Vernissage nach Hause und fand seinen ›Master‹ mit einem anderen im Bett vor. Wäre ja alles nicht so schlimm gewesen, nur der ausschlaggebende Grund war, er war Pauls Freund, den er sich noch neben seinem ›Master‹, was laut Vertrag verboten war, gehalten hatte.
Kyel wusste davon und hatte es hingenommen.
»Aber ich hatte schon gewusst, dass es vorbei war. Ich hatte die Kontrolle über Paul verloren und nur so, … Ich wusste, dass Paul heimkam, und habe es getan. Ich wollte es, … Sascha verstehst du? Ich habe mir seinen Freund hergeholt, und Paul somit einen Grund gegeben mich zu verlassen. Andererseits wollte ich es auch nicht. Ich wusste einfach nicht, was ich wollte.«
»Ist schon gut!«, murmelte ich und wir blickten uns in die Augen. Er hob seine Hand und strich mir über die Wange.
»Womit habe ich dich verdient?« Ich lächelte ihn an und schmiegte mich in seine Hand.
Ich wusste nicht, wie lange wir an die Tür gelehnt dasaßen und uns, nicht nur über diese Szene unterhielten, sondern auch über seine und meine Vergangenheit. Spaßige Themen und auch wieder Ernste kamen auf und ich musste mir eingestehen, so hatte ich Kyel noch nie erlebt. Kyel gab immer mehr seine Selbstkontrolle ab. Er war, wie ein Kind, dann wieder wie ein verliebter Teenager, der zu einem viel zu ernsten Erwachsenen wechselte und wieder zurück. Und in jeder Minute, die verging, verliebte ich mich aufs Neue in ihn.
»Weißt du, was mir den Rest gegeben hat?«, fing er nach wenigen Minuten des Schweigens wieder zu reden an. Ich schüttelte den Kopf und sah, wie er hart schluckte.
»Als ich dich das erste Mal gesehen habe, du warst so in dich gekehrt, so einsam, so voller Anspannung und doch sehr willensstark. Schon damals habe ich es gewusst, du bist nicht wie die Anderen, die ich hatte. Du hast mich für eine kurze Zeit an dich herangelassen, aber als du es gespürt hast, hast du vollständig zugemacht. Dein Pokerface. Man, hat mich der Ausdruck fasziniert, ich wollte ihn brechen und ich wollte dich. Um jeden Preis, ich konnte es mir nicht erklären. Sicherlich, wenn du dich damals in deinem Zimmer nicht so erschreckt hättest, wären wir nie zusammengekommen. Du hättest wieder vollständig zugemacht und genau darin, hätte ich den Kick gesehen. Wie weit konnte ich gehen, bis ich dich vollständig in der Hand hätte … Verflucht ich wollte dich, … nein ich wollte die Kontrolle über dich! Dennoch konnte ich es nicht. Du hast mir die Möglichkeit genommen, indem du dich mir in vollem Bewusstsein, hingegeben hast.«
»Hmm!«, gab ich nur darauf und schloss meine Augen. Ich hatte mich ihm in vollem Bewusstsein hingegeben? Hatte ich das wirklich? Nein, Kyel hatte von Anfang an Macht über mich, oder etwa doch nicht? War ich es von Anfang an, der Macht über ihn hatte? Wenn ich so zurückdachte. Ich war im Zwiespalt. Auf der einen Seite wollte ich es nicht und auf der anderen? … Ja ich wollte ihn. Er zog mich magisch an und dagegen konnte ich mich nicht wehren. Es stimmte, ich wollte ihn schon, da hatte ich ihn noch gar nicht gekannt. Ich wollte ihn besitzen. Er sollte mein sein. Nun gehörte er mir und ich sollte verdammt sein, wenn jemand daherkam und meinen Besitz in Anspruch nahm. Nein! Dies würde ich ein für alle Mal klarstellen. Kyel gehörte mir und ich teilte nicht. Auch würde ich es Kyel mitteilen. Ich war kein dahergelaufener Twink, der einfach genommen wurde, wenn es zeitlich gerade passte.
Am nächsten Morgen war ich der Erste, der aufwachte und ich konnte mich nicht erinnern, wie ich ins Bett gekommen war. Kyel schlief noch und ich deckte ihn wieder zu. Er hatte die Angewohnheit seine Decken im Schlaf, entweder vom Bett zu schmeißen oder sie so von seinem Körper zu zerren, dass er mit seinen Beinen darin verstrickt war. Als ich aufstehen wollte, besann ich mich und entschied, dass ich den Sonntag mehr oder weniger im Bett zu verbringen gedachte, und legte mich wieder hin. Etwas keimte in mir auf. Etwas, was schon lange in mir schlummerte und endlich ausbrechen wollte …
Sanft drang sein ruhiger Atem zu mir und ich drehte meinen Kopf zu ihm. Betrachtete, seine Schönheit und seine makellosen Züge. So sanft, so ruhig und ich konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Auch wurde es schwer, das elektrische Knistern in meiner Wirbelsäule zu ignorieren und den Drang, die Wölbung seiner Lippen zu liebkosen. Ich rutschte näher an ihn heran, bis nur noch wenige Millimeter Luft zwischen unsere Nasen waren. Hauchte einen Kuss auf seine Spitze und wie von selbst, fand meine Hand seine Hüfte. Strich über die warme und weiche Haut bis zu seinem Nabel und wieder zurück. Seine Atmung hatte sich verändert und ich wusste, dass er wach war. Die Augen hielt er immer noch geschlossen, auch wenn ich in sein Blau blicken wollte. Aber egal, dann stellte ich sie mir einfach vor und schon beschleunigte sich meine Atmung. Allein nur der Gedanke daran versetzte mich in nie da gewesene Höhen und ich fand den Weg zu dem Bund seiner Shorts. Ließ sein Gesicht nicht aus den Augen und bemerkte jede, ach so kleine Regung in ihm. Selbst, wenn er es unterdrücken wollte, zuckten seine Mundwinkel zu seinem süßen süffisanten Lächeln. Aber diesmal war ich dran.
Inzwischen hatte meine Hand den Weg unter den Bund gefunden und spürte seine Leidenschaft.
»Hmm, wie war das mit waagrechtem und senkrechtem Denken?«, murmelte ich und aus seinem Inneren kam ein Glucksen hoch, was sich allerdings zu einem zischenden Einatmen änderte, als ich ihn umgriff und seine Vorhaut bis zum Anschlag nach unten zog. »So, du hast in mir, also als einen Twink gesehen, den du unbedingt flachlegen wolltest?«, murmelte ich weiter und fing an, ihn langsam zu bearbeiten. Zu einer Antwort kam er nicht, denn als er einen Ansatz zum Antworten machte, zog ich wieder die Vorhaut nach unten und sah, wie sich sein Ausdruck veränderte. Lust, Liebe, Verlangen, aber vor allem die pure Herausforderung.
Ich setzte mich auf und er folgte mir mit seinen Augen. Dann schob ich die Decke, die ich vorhin über ihn gelegt hatte, weg und betrachtete seinen ganzen Körper. Wow, es sprenkelte überall in meinen Nervenbahnen. Auch, wenn ich ihn schon so oft nackt gesehen hatte, so wurde ich nicht müde, wieder etwas Neues an ihm zu entdecken, und mein Blick blieb an der Einschusswunde haften. Unbedarft leckte ich mir über die Lippen, was ihn wiederum höllisch erregte. Und schon schob ich wieder seine Vorhaut brutal zurück. Diesmal stöhnte er laut auf.
»Sascha!«
»Psst!«, machte ich nur und rieb ihn wieder sehr sanft. Knetete seine Eier und sah, dass sein Schwanz endlich in die Freiheit wollte. Welche ich ihm nicht gewährte. Noch nicht.
Ich beugte mich über seinen Bauch und küsste seine Narbe. Die Narbe, die er für mich eingefangen hatte und wieder hatte ich das Gefühl, das ich mich aufs Neue in ihn verliebte. Strich mit meinem Finger über sie und umkreiste den feinen Wulst. Ich sah, dass Kyel eine Gänsehaut hatte und sein Körper erzitterte.
Gott machte mich das an und unsere Blicke trafen sich erneut. Wieder ließ ich ihn nicht aus den Augen und fuhr mit meiner Hand seinen Oberkörper ab und umkreiste seine kleine inzwischen schon steif aufgerichtete Warze, bis ich sie leicht brutal zwirbelte.
»Scheiße, was machst du mit mir?«, keuchte er und schrie sogleich wieder auf, als ich nochmals die Vorhaut zurückzog. Ich schmunzelte ihn an und es schien, als ob es bei ihm Klick gemacht hatte. Sein herausfordernder Ausdruck veränderte sich in komplettes Vertrauen und er richtete sich so, dass ich überall besser rankam.
»Du hast es verstanden!«, murmelte ich. »Ich bin kein Twink zum Flachlegen!« Er schüttelte den Kopf.
»Das war mir schon klar, als ich dich das erste Mal gesehen habe«, flüsterte er und schloss seine Augen. Kurzzeitig vermisste ich sein herausforderndes Meeresblau und plötzlich wurde mir bewusst, warum Clancy ständig meine Augen sehen wollte.
»Schaue mich an!«, befahl ich ihm. Langsam öffnete er seine Augen und sie blitzten gefährlich auf. Er war ein schlafender Tiger, den ich herausforderte und es gefiel mir. Auf eine gewisse Art machte es mich total an und ich sah, wie er wieder sehr herablassend schmunzelte. Ich neigte meinen Kopf leicht zur Seite und nahm mein Tun an seinem Schaft wieder auf. Ich spürte schon, wie er zu tropfen anfing und seine Atmung immer flacher wurde. Er seine Lippen zu einem Strich zusammenzog und seine Beine weiter auseinanderlegte. Aber ich würde es ihm nicht so leicht machen und zog seine Shorts runter. Kurz half er mir, indem er seine Hüften hob und ich kniete mich zwischen seine Beine. Sein Schwanz fing heftig zu pulsieren an und ich nahm meine Hand weg. Missmutig sog er scharf die Luft ein, aber er wagte es nicht, sich zu beschweren. Und ab da wusste ich, dass er mir vollkommen vertraute. Er hatte seine Kontrolle abgelegt und überließ mir vollständig die Führung.
Selbst ich war bis zum Zerreißen angespannt und wollte nichts mehr als die Erlösung, aber etwas tief in mir, befahl mir, weiterzumachen. Langsam flachte seine extreme Erregung ab und ich schob mir einen Finger in den Mund. Diese Geste ließ Kyel aufkeuchen und er krallte sich ins Laken. Er wusste, was ich vorhatte und für nur einen kurzen Moment focht der Widerstand in ihm auf, den ich sofort unterdrückte, indem ich meinen Finger sachte in ihn schob. Sein ganzer Körper bäumte sich auf, als ich seine Stelle traf und er nur noch »Fuck« rief. Immer wieder reizte ich die Stelle in ihm und mit der anderen Hand fuhr ich über seine gewissen erogenen Zonen.
Langsam fing ich an, ihn zu dehnen, und wie automatisch stellte er seine Beine auf. Ich spürte, dass sein Muskel weicher wurde und mir immer mehr Freiraum gab. Es folgte mein zweiter Finger und Kyel keuchte nur noch.
»Verflucht Sascha, gib mir eine Pause … scheiße …!« Inzwischen hatte ich den Dritten drin und er war so weit.
Langsam fast schon bedächtig nahm ich zwei meiner Finger wieder raus und beugte mich zu ihm hoch. Suchte seinen Mund und schob ihm meine Zunge rein. Er ließ es zu. Er hatte sich mir ergeben und dies trieb mich weiter an.
Ich küsste ihn vom Hals, zu seiner Brust hinab bis zu seinem Bauchnabel und umschloss kurzzeitig mit meinem Mund seinen Schaft. Sofort entzog ich mich ihm wieder, als er anfing, sich zu bewegen. Abermals zischte er und ich brachte mich in Position. Kurzzeitig blickte er mich geschockt an, doch dann drang sein süffisantes Schmunzeln hervor und ich drückte mich in ihn. Scheiße, war er eng und ich hatte damit zu tun, nicht gleich zu kommen.
Abgehackt schrie er kurz und ich gab ihm einen kurzen Moment. Immer weiter drang ich ein und je mehr ich drückte umso weiter entspannte Kyel sich.
Seine Hände umgriffen meinen Hintern und drückten mich vollständig in ihn. Nun schrie ich kurz auf. Kyel war sehr eng und sein Ausdruck bestand nur noch aus Geilheit. Ich hatte es geschafft. Keine Ahnung, was ich geschafft hatte, aber ich fühle mich frei und Kyel zog mich zu seinem Mund. Unsere Zungen fochten synchron mit meinen Stößen einen heftigen Kampf aus. Unsere Leidenschaft bestand nur noch aus Keuchen und stoßen und ich spürte überall seine Hände auf mir. Er biss mir in den Hals, zerrte an meinen Haaren, wenn ich seine Stelle traf und aus mir kam nur noch ein »Scheiße«, als er sich unter mir aufbäumte. Sein Muskel umschloss mich plötzlich viel zu fest und er ergoss sich über seinen ganzen Körper.
»Mach weiter!«, krächzte er und nahm seine Beine in die Hand. Hielt sie nach oben und gab mir somit mehr Freiraum. Er war immer noch sehr eng und ich hatte das Gefühl, dass sich sein Orgasmus überhaupt nicht abflachte. Ein Zittern durchschoss meinen Körper und ich krachte auf seine Brust.
Minutenlang lagen wir so da. Unfähig uns überhaupt zu rühren und Kyel streichelte beständig über meinen Rücken. Irgendwann blickte ich zu ihm hoch und zog mich aus ihm raus. Seine Augen blitzten auf und er schmunzelte mich sehr gefährlich an.
»Mein kleiner Orkan, du weißt schon, dass es ein Nachspiel gibt?« Und ich nickte ihm kichernd zu.
Den ganzen Sonntag verbrachten wir im Bett. Ich stand nur auf, um mir etwas zu Essen zu holen, oder meine Notdurft zu verrichten. Von Mom hatte ich erfahren, dass Paul noch am Abend zuvor abgereist war und nur für einen kleinen Moment empfand ich so etwas wie Mitleid für ihn. Seine Facette der Hoffnung war zerplatzt.
Ich nannte dem Taxifahrer die Adresse, wohin ich gefahren werden wollte. Dieser bedachte mich mit einem Blick, als ob ich ›Bahnhof‹ mit ihm gesprochen hätte. Außerdem wies ich ihn an, dass er meine Koffer in den Kofferraum zu verstauen hatte. Wieder schaute er mich an, als ob ich eins der Sieben Weltwunder wäre. Ja meine Güte, wusste der Hinterwäldler denn nicht, wer vor ihm stand? Viele Plakate in Frankreich, Deutschland und ja auch in Amerika zierten mein Gesicht. Nur glaubte ich kaum, dass er etwas von meiner Kunst verstand. Mein Name, Paul Sinner, der berühmteste Künstler. Ich hatte schon viele namhafte Persönlichkeiten mit meinem Pinsel auf Leinwände gebracht.
Verdrossen und dennoch mit einem aufkommenden Glücksgefühl schnaufte ich ein. Bald, ja bald, würde ich ihn wiedersehen. Ihn, meinen Freund und stieg ein.
Ich war froh, dass ich so einem wundervollen Menschen begegnet war, der mir alles ermöglichte. Meine Wünsche ohne Murren erfüllte, mich mit offenen Armen begrüßte und in meinen Gedanken immer für mich da war.
Aber bevor ich zu ihm fahren konnte, musste ich noch meine Koffer nach Hause schaffen.
Das Taxi bog in die Auffahrt zu der Villa und hielt vor dem Eingang. Ich stieg aus, weil ich kaum glaubte, dass der Fahrer mir die Tür aufhalten würde. Es war halt eben nur ein Kaff und ich fragte mich immer wieder, warum Kyel gerade hier eine Villa gekauft hatte. Ein paar Meilen weiter war die Großstadt und genau mein Flair. Dort konnte man alles finden und alles kaufen. Dort war ich auch bekannt. Dort hatte ich einen Namen und wurde nicht so behandelt, wie, wie ein räudiger Hund.
Eine mir unbekannte Frau machte die Tür auf, und bevor sie irgendetwas sagen konnte, schob ich mich an ihr vorbei. Wies sie an, meine Koffer, in mein Schlafzimmer zu stellen und den Whirlpool mit meinem Schaumbad zu füllen. Wieder jemand der mich ansah, als ob ich ein Alien wäre und ich gab resigniert auf. Ohne ein weiteres Wort ging ich ins Bad und befüllte meine Wanne selbst. Kyel hatte wohl versäumt, seine Haushälterin darauf hinzuweisen, dass ich kommen würde. Nun ja, er war immer sehr zerstreut, was ich ihm nicht Übel nahm. Aber Ficken konnte er …
Nachdem ich mich gebadet hatte, fand ich keine Zeit, mich im Schlafzimmer umzuschauen. Im Großen und Ganzen sah es wie immer aus, doch wunderte mich, wie ordentlich aufgeräumt es war.
Auch, als ich in die Küche kam, war alles pingelig sauber. Kyel hatte sich also doch ein Herz genommen und eine Haushälterin eingestellt. Die, so wie mir scheint, kein einziges Wort Englisch verstand. Na ja …
Ich sah Janet auf der Eckbank sitzen und sie hatte ein Baby im Arm. WAS? Mir wurde es schlecht. Woher kam das Baby und wem gehörte es? War es Kyels … Kyels Baby? … Nein … er würde nie, und noch dazu … und überhaupt.
»Ach Janet, danke, dass du inzwischen auf John aufgepasst hast.« Ich zuckte leicht zusammen und doch kannte ich diese Stimme. Sie gehörte der Schwester vom besten Freund meines Masters. Tief schnaufte ich ein und schloss meine Augen, um mich zu beruhigen. Es wäre ja zu schön gewesen, wenn Kyel sesshaft geworden wäre und Kinder hätte. Meine Güte, was für eine Vorstellung …
»Ah! Paul!«, sagte Emily und ihrem Blick nach zu urteilen, war sie gar nicht … irgendwie erfreut mich zu sehen und sie verabschiedete sich. Die Frau, also die Haushälterin, die mir aufgemacht hatte, saß bei Janet am Tisch und bedachte mich mit so einem Blick. Ich konnte ihn nicht einordnen. Besonders, warum saß eine Haushälterin am Tisch des Masters mit seiner Mutter??
»Miss …!« Sie machte keine Regung. »Miss …!«, versuchte ich es noch einmal, denn ich hatte einen tierischen Durst. »Miss …!« Ah endlich drehte sie ihren Kopf zu mir.
»Können Sie mir bitte etwas *eau minérale einschenken!«
»Mein Name ist Loren und bitte entschuldigen Sie, was ist eau minérale?«
»Mineralwasser!«, antwortetet Janet. »Und Loren, das ist Paul!«, stellte Kyels Mutter mich der Frau vor. Sie nickte nur und machte ansonsten keine Anstalten mich entsprechend meines höheren Standes zu begrüßen. Sie stand nur auf, holte ein Glas aus dem Schrank und eine Wasserflasche aus dem Kühlschrank. Beides stellte sie vor mich hin. Was zum Geier sollte das? Erstens war das kein Mineralwasserglas, zweitens war das nicht die »Aqua« Marke, drittens fehlte der Untersetzer und viertens hatte sie es nicht bis zur Hälfte, so wie es sich gehörte, eingeschenkt.
Na dann schenkte ich mir eben selbst etwas ein, und als ich getrunken hatte, sah ich, wie diese Frau, Loren, aufstand, einen Schlüssel in die Hand nahm und meinte, sie müsse in die Schicht. War ja ganz was Tolles. Hatte eine Haushälterin sich nicht den ganzen Tag um das Haus zu kümmern und nicht noch einen Job in einem Fast Food Restaurant nachzugehen? Was war das nur für ein Kaff? Das man hier absolut keine anständigen Angestellten fand.
»Ach Loren, bevor Sie gehen, stellen Sie meine Koffer bitte ins Schlafgemach von Mr. Kastner. Und das Glas brauche ich nicht mehr, dass können Sie abwaschen.«
»Paul, das ist doch richtig …?« Oh sie konnte sich meinen Namen merken. Ich lächelte ihr bejahend zu. »Bitte würden Sie sich selbst um Ihre Belange kümmern. Ich habe noch andere Dinge zu erledigen. Danke. Janet wir sehen uns dann heute Abend.« Wie es schien, verstand sie doch unsere Sprache, hatte aber einen fürchterlichen Akzent. Ich konnte raushören, dass sie wahrscheinlich aus Deutschland stammt, aber der Dialekt, der musste tiefste Provinz sein.
»Natürlich Loren. Machs gut.« Sie ging einfach aus der Küche. Ich verstand es nicht und wollte mich schon zu Janet drehen, doch auch sie machte Anstalten zu gehen.
»Paul, das Zimmer neben dem Atelier wurde gestern geputzt. Du kannst es dir dort inzwischen bequem machen. Loren war so freundlich und hat deine Koffer schon hingeschafft und die Fenster gekippt.«
»Aber …«, weiter kam ich nicht, denn sie sprach einfach weiter.
»Sag mir, warum du hier bist. Wir haben dich überhaupt nicht erwartet.«
»Ach Janet, es war ein sehr stressiges Jahr. Viel Arbeit …, aber jetzt bin ich fertig und habe vor, meinen Urlaub mit Kyel zu verbringen.« Warum ich wirklich hier war, brauchte sie nicht zu wissen. Ich brauchte einen ordentlichen Fick und den konnte mir nur Kyel geben. Mein Freund war viel zu sanft, um mich richtig ranzunehmen.
»Ah, du hast Urlaub?«, fragte sie und ich nickte.
»Zwei Monate!«, meinte ich und schnaufte ein. Sie schaute mich an, aber ich wurde aus ihrem Blick nicht schlau. Es sah so aus, als ob ihr etwas auf der Seele lag und sie nicht wusste, wie sie es sagen sollte.
»Ähm Paul, … Kyel wird bestimmt sehr überrascht sein, dich zu sehen.«
›Das wird er in der Tat und ich freue mich schon darauf. Mehr als sich jemand vorstellen kann.‹
»… vor allem, da du Schluss gemacht hast …!«
»Was? Ich sollte Schluss gemacht haben?«, durchschoss mich der Gedanke, aber … aber er hatte mich doch immer wieder so weit gebracht und das gehörte zu unserer Beziehung, dass ich … »Ich verstehe nicht!«
»Paul, Kyel hat, nachdem du nach Frankreich gereist bist, die Verlobung annulliert und den Termin zur Hochzeit abgesagt.« Er hat was? Nein, nein, das würde Kyel nie machen, es sei denn … er hat es herausgefunden. NEIN, aber wenn ich zurückdachte, mit wem er zuletzt in unserem Bett lag, konnte es gut möglich sein. Nein, es war nur ein Zufall.
»Warum hat er das getan? Er weiß doch, dass ich zurückkomme!«
»Das kann ich dir nicht beantworten. Er hat es wahrscheinlich als Ernst aufgefasst, als du gegangen bist. Mit deinem neuen Freund.« Kyel hatte es herausgefunden. Scheiße. Und ich spürte, wie mir die Augen brannten.
›Ich habe ihn erzürnt. Ich habe meinen Master erzürnt. Das ist das Schlimmste, was einem wie mir passieren kann. Schläge und Bestrafungen sind die Folge und vor allem, komplettes Sexverbot. Ich muss alles über mich ergehen lassen und darf nicht geil werden. Aber es ist so schwer …‹, noch während ich mir Gedanken darüber machte und immer wieder mehr oder weniger verstohlen die Tränen abwischte, hörte ich den mir bekannten Motor. Ich sprang auf, in der Hoffnung, wenn ich ihn persönlich an der Tür begrüßte und ihm gleich beteuerte, dass es mir leidtat, dann würde er mir vielleicht erlauben einen harten Schwanz zu bekommen.
Ich riss die Tür auf und umarmte ihn. Wie immer kamen keine Wörter über seine Lippen. Wie immer stand er so autoritär da. Wie immer wartet er, bis ich mich von ihm löste und wie immer drehte er sich um und ging zum Wagen. Ohne ein Wort zu mir zu sagen. Ganz vorsichtig rief ich ihn bei seinem Namen, was mir nur erlaubt war, wenn er es sich wünschte. Er stieg in den Jaguar und seine Mutter schob mich zurück. Mehr bekam ich nicht mehr mit.
Mein Innerstes jodelte auf. Mein Herz pochte mir bis zum Hals und in meinem Kopf kreisten sämtliche Maßnahmen, die ich über mich ergehen lassen musste, bis ich seine Gunst wiedererlangt hatte. Aber zuerst musste ich mich benehmen und ging in das Zimmer, in dem ich immer warten musste, bis er mich rief.
Die Stunden zogen sich ellenlang hin und ich hörte, wie die Tür ging. Wahrscheinlich war Janet gegangen. Irgendwann später hörte ich ein Moped heranfahren und wie die Haustür aufgeschlossen wurde. Ich blieb im Zimmer. Es verging vielleicht noch einmal eine Dreiviertelstunde als ich das mir bekannte und lieb gewonnene Geräusch, welches mich sehr anmachte, hörte. Der Jaguar, den Kyel für mich gekauft hatte, als ich einmal sehr brav war und die Wünsche sehr hervorragend erfüllt hatte. Leider schmerzte danach mehrere Tage mein Rücken, ebenso wie mein Hintern, denn er wurde bestialisch penetriert. Aber es war die Sache wert.
Da ich selbst keinen Führerschein besaß und Kyel mir nicht die Erlaubnis dazu gab, einen zu machen, fuhr Kyel den Jaguar. Er war der Meinung, dass ich keinen bräuchte, weil ich nirgends ohne ihn hindürfte. Dennoch ließ er mich vor zwei Jahren meine erste Vernissage machen und er war sehr stolz auf mich. Was ich allerdings im Nachhinein bereute. Als ich nicht anwesend war, hatte er einen anderen Mann zu sich geholt und so ging es weiter, bis er mich nur noch selten zu sich rief. Ich konnte machen, was ich wollte. Einkaufen gehen, Essen kochen oder die Villa putzen. Er verweigerte meine Dienste oder nahm mich nicht mehr so in Anspruch wie zuvor. Aber das wollte ich nun ändern. Wir hatten alle mal Abstand zueinander gebraucht.
Ich straffte meine Schultern, denn ich wusste, dass es mir verboten war, das Zimmer zu verlassen. Ich tat es trotzdem. Herrlicher Lasagnegeruch schlug mir entgegen und wieder machte mein Herz einen Luftsprung. Es war Kyels Lieblingsgericht. Mein Master hatte gute Laune. Vielleicht freute er sich, genau wie ich, auf unsere baldige gemeinsame Nacht. Ich ging in die Küche und was musste ich da erblicken. Mein Master schmiegt sich an jemand anderen und schon hatte ich etwas gefunden, mit dem ich ihn sehr reizen konnte und das wiederum, bedeutete für mich eine Wahnsinnsnacht.
Ich trat ein und für einen kurzen Augenblick trafen sich unsere Blicke. Shit, mein Master war sauer, aber ich stellte hier meinen Platz klar. Immerhin hatte ich einen Vertrag mit ihm.
Das war doch wohl die Höhe! Was dachte sich der kleine Koch dabei, er könnte dem Master dienen, so wie ich es tat? Was fiel ihm ein, in die Handlung zwischen mir und meinem Master einzugreifen. Noch dazu mit dem Messer … und sein Blick, so etwas hatte ich noch nie gesehen.
Kyel wies mich in die Schranken und ich gehorchte. Setzte mich an den Tisch und was dann kam … war unbeschreiblich. Ich erkannte meinen Master nicht mehr wieder. Er hatte sich in dem letzten Jahr total verändert. Dass manchmal Gäste anwesend waren, war klar. Nur beschränkte sich Kyel auf seinen Vorstand oder auf seine besten Freunde. Nur was gerade abging, war mir unbegreiflich. Es waren Fremde hier und die taten alle so, als ob sie hier zuhause wären.
Hatte Kyel mich früher kaum beachtet, so wanderte sein Blick immer zwischen mir und diesem Koch, der die Frechheit besaß sich einfach zwischen mich und meinen Master zu setzten, hin und her. Vor allem tat er das alles, ohne vorher von Kyel dazu angewiesen worden zu sein. Was war zwischen den beiden? Ich glaubte kaum, dass Kyel sich dazu durchgerungen hatte, eine ›normale‹ Beziehung zu führen. Dafür war er viel zu extrem und vor allem brauchte er es. Er liebte es, Kontrolle über jemand anderen zu haben. Es war seine Natur, sein Wesen. Er brauchte es zu wissen, dass der Partner willenlos war und einen absoluten Gehorsam aufwies. Deswegen hatte er es mit seiner Firma so weit geschafft, weil er sich nichts sagen ließ. Weil er seinen und nur seinen Weg gegangen war und jeder, der ihm im Weg war, den hatte er, ohne mit der Wimper zu zucken, eliminiert.
Das Gespräch, welches mir der Bursche auftischte, wurde mir zu dumm und ich verabschiedete mich. Es war einfach zu viel des Guten und ich deutete Kyel mit einem Blick, das ich auf ihn wartete.
Wieder wartete ich in dem Zimmer, das ich während unserer gemeinsamen Zeit zu hassen gelernt hatte. In mir keimte ein dunkler Verdacht. Was wenn Janet wirklich die Wahrheit gesagt hatte? Was, wenn Kyel wirklich mit mir abgeschlossen hatte? Aber das konnte nicht sein. Ich war immer sein Liebling. Er hatte mir vieles gekauft. Den Jaguar, weil ich total auf dieses Gefährt abfuhr. Ich wurde schon geil, wenn ich nur den Motor hörte. Diese Villa, in die er noch das Atelier anbauen ließ, damit ich meine Berufung ausleben konnte. Alles hier hatte er nur für mich gekauft, und nun hatte ich das Gefühl, als ob ich auf das Abstellgleis gestellt wurde. Als ob ich ein Nichts wäre.
›Nicht mit mir. Kyel Kastner, laut Vertrag bist du mein Master und ich dein Sub, …‹, weiter kam ich mit meinen Gedanken nicht, weil mir eine Klausel aus dem Vertrag einfiel.
»Das kann nicht sein! Das darf einfach nicht sein. Nein! Nicht wenn ich es jetzt so dringend brauche«, murmelte und ich, ging aus dem Zimmer und schlich durch die Villa. Es war ruhig und ich trat, ohne anzuklopfen, in Kyels Wohnzimmer. Duschgelgeruch schlug mir entgegen und mein Herz hüpfte höher. Er hatte sich gewaschen. Ich rief seinen Namen, was mir eigentlich verboten war, aber ich wollte es, denn ich brauchte es. Diese Härte, die nur er mir geben konnte, und fand ihn mit dem Jungen im Schlafzimmer vor.
Der Junge schaute mich an, als ob ich ein Eindringling wäre, obwohl das mein Schlafzimmer war.
Ich sah nur den Jungen und hörte meinen Master kaum. Auch lag der Versuch, mich aus dem Schlafzimmer zu entfernen, im Dunkeln. Ich sah nur noch den Burschen, der sich ohne Erlaubnis meinen Platz gekrallt hatte. Er war ein Störfaktor und musste beseitigt werden. Ich gehörte dem Master und sonst niemand …
»Paul Stopp!« Wie vom Schlag getroffen blieb ich stehen. Da war er, der Ton der Erotik, die Härte in seiner Stimme. Sofort reagierte ich mit all meinen Sinnen auf ihn. Er wollte es und ich sah, die schreckgeweiteten Augen des Jungen, der dachte, er könnte meinem Master ebenbürtig sein. Er kannte meinen Master nicht so, wie ich ihn kannte. Ich sah es ihm an. Ich sah die Angst in seinen Augen aufleuchten und seine ehrfürchtige Haltung. Die jeder annahm, wenn er den Zorn meines Masters zu spüren bekam. Aber ich wusste auch, dass Kyel die dominante Art brauchte, um sich richtig gehen lassen zu können. Vor allem war es nur ich, der ihm die vollste Befriedigung in dieser Sache schenken konnte. Sonst niemand und ganz besonders nicht der Bursche. »Drehe dich um!« Gott seine Stimme machte mich an und meine Atmung schnellte nach oben. Nicht nur sie, auch was anderes drückte mich. Als ich in seine Augen blickte, konnte ich nicht anders und ergab mich ihm. Alles schrie nach ihm und ich lauschte mit jedem Nerv, den ich besaß, seinen Worten.
In meinem Gehirn drehte sich alles, das hatte er nicht gesagt. Er wollte mich wieder nicht, obwohl ich alles getan hatte, was er von mir verlangt hatte. Sachte schüttelte ich den Kopf und seine Tonlage wurde schärfer. Nein … er durfte sich mir nicht verweigern und mir blieb nur noch eine einzige Hoffnung. Ich sank auf die Knie und bot mich ihm mit meinem ganzen Sein an.
»Steh auf!«
»Nein!«, schrie ich innerlich, er hatte mir das nicht befohlen. Das war ein glatter Rauswurf. Die absolute Verweigerung vonseiten eines Masters, der seinen Sub in vollem Bewusstsein wegschmiss.
»Noch einmal bitte ich dich nicht darum!« Kyel gab nicht nach und ich fing unter seinem Blick zu zittern an. Eigentlich bekam ich hier, die erste Bestrafung, aber er tat nichts dergleichen. Er blieb stehen und mir wurde bewusst. Es war das Ende. Ich hatte in seinen Augen ausgedient.
Ich war ein Niemand.
Er brauchte mich nicht mehr und irgendwie hatte ich es das ganze letzte Jahr schon gewusst.
Langsam stand ich auf und ging zur Schlafzimmertür. Er war nicht mehr mein Master, also konnte ich auch mit ihm ›normal‹ reden und ich tat es. Kyel antwortete mir sogar und ich sah etwas in seinen Augen aufblitzen, was so gar nicht typisch für ihn war. Sein harter Ausdruck wich einem gewissen Etwas, das vorher nie da war, und nun sein ganzes Leben bestimmte. Genau das, was ich von ihm wollte und nie bekommen hatte. Dieses Mehr.
Auch wenn es bedeutete, dass ich auf meinen erhofften Sex verzichten musste, so war ich andererseits doch froh. So konnte ich mich aus tiefstem Herzen und ohne schlechtes Gewissen um meinen Freund kümmern.
Ich freute mich für Kyel. Dieser Bursche hatte die Mauer, die stetig um ihm war, eingerissen.
Mit einem mehr lachend, als weinendem Auge stieg ich ins Taxi und fuhr zu meinem Lebensgefährten. Master Kyel war nun komplett aus meinem Leben gestrichen.
Hoffte ich zumindest.
Mein Handywecker klingelte und ich drückte ihn aus. Verschlafen fasste ich auf die andere Seite und fand sie leer vor. Kyel war schon aufgestanden und ich hievte mich noch ziemlich verschlafen aus dem warmen Bett. Wie gerne würde ich wieder Wochenende haben. Aber selbst da stand ich noch, während der Schlafenszeit auf. Seit Wochen war der vorherige Morgen die Ausnahme, ich hatte ausschlafen können. Denn ich musste nicht in die Schule zum Unterricht, den jüngeren Schülern Nachhilfe geben, oder war im Café eingeteilt. Da Tim unter der Woche die Stellung hielt und ich nur abends arbeiten konnte, war es nur verständlich, dass ich alle zwei Wochen am Wochenende in meinem Nebenjob ging. Kyel belächelte meist nur die Situation, wenn ich total übermüdet ins Bett fiel. Sonst hatte er mich in Ruhe gelassen, aber nun konnte ich mich darauf einstellen, dass er es nicht mehr tat. Nicht nachdem ich ihn gestern ziemlich überrumpelte und er totalen Nachholbedarf hatte. Shit, allein der Gedanken daran, ließ bei mir wieder alles Hochkochen. Es war ungewöhnlich geil. Kyel war so eng und er hatte einen Orgasmus, der länger anhielt, als wenn er mit mir schlief. Scheiße, wo war Kyel, wenn man ihn einmal brauchte?
Ich ging ins Bad und wollte mich rasieren, aber irgendwie gefiel mir mein Ebenbild, der schwarze Eintagebart gab etwas Verruchtes her. ›Mal sehen, wie ich in drei Tagen aussehe und wenn es mir gefällt, werde ich Raoul nach einer geeigneten Frisur dazu fragen‹.
Schnell sprang ich unter die Dusche und zog mir danach die Schuluniform an. Ich hasste diesen Dresscode.
Anschließend ging ich in die Küche und Tom, der mich immer fuhr, saß schon da und trank Kaffee. Er ging mit Kyel den Tagesplan durch, stockte dann bei seinen Erzählungen, als Kyel auf mich zukam und mich in die Arme nahm.
»Gut geschlafen!«, murmelte er in mein Ohr und biss sogleich rein. Leicht verlegen entzog ich mich ihm und spürte, wie mir mit voller Wucht die Röte ins Gesicht schlug.
Tom saß mit geöffnetem Mund da, doch kurz darauf fasste er sich wieder und widmete sich seinem Kaffee. So etwas sah er wohl nicht alle Tage.
Ich trat an die Ablage und schenkte mir Kaffee ein. Den Frühstückstisch hatte Mom schon vor ihrer Schicht gedeckt und ich hatte einen Bärenhunger.
Seit zwei Monaten ließ mich Tom, jeden Morgen, auf dem gleichen Parkplatz aussteigen und ich sah Mike, der schon an der Tür auf mich wartete.
»Pünktlich wie immer!«, stänkerte er und kam auf mich zu. Dieses Bild hatte sich in meinem Verstand eingebrannt und gehörte mit zu den wichtigsten Dingen in meinem Leben. Er war auch jemand, der ohne zu Fragen, meinen Ticks standhielt.
Ticks … nun ja, wie sollte ich es sonst nennen. Ich entzog mich Mr. Carter oder hielt gebührenden Abstand. Warf Personen, männlich wie weiblich, strafende Blicke zu, die es gewagt hatten, auch nur einen Hauch meiner Uniform, Haare oder einen Teil der nackten Haut meiner Finger zu berühren. Wich den Gesprächen der Jungs aus, wenn es wieder um Frauen ging. Oder verdrehte die Augen, wenn ich mich daran zurückerinnerte, wie ich mich in den Toiletten eingeschlossen und eben diesen Gesprächen gelauscht hatte. Mike nahm es hin, ohne nachzufragen, und ich war ihm dafür sehr dankbar. Auch sah man es ihm nicht an, dass er aus einer Rockerfamilie stammt. Er war wahrscheinlich der normalste Schüler auf dieser abgehobenen Schule.
»Tja … bei dem Aufpasser …«, ging ich auf die Floskel ein und verabschiedete mich von Tom, der, wie immer sagte, dass er mich um halb drei wieder abholte.
Man war ich froh, wenn ich endlich meinen eigenen Führerschein in der Hand hielt. Aber wie sollte es denn auch anders sein, Mom hatte keine Rücklagen. Mein Taschengeld und das Gehalt von meinem Job reichten nie im Leben aus.
Und wieder hörte ich Kyel reden oder sah seine blauen Augen aufblitzen, wenn ich nur die kleinste Andeutung von mir gab, hielt ich es keine fünf Minuten später in der Hand. Ähm, ich meinte Dinge, die er mir kaufte.
Okay, okay, es hatte etwas nachgelassen. Seitdem ich ihn angeschnauzt hatte, dass er meine Wünsche oder Sehnsüchte nicht immer sofort stillen musste und dass er mir dadurch die Vorfreude nahm, die Spannung oder den Kampf, es selbst zu schaffen.
Mike und ich gingen in die Schule und wie üblich sortierten sich die Schüler. Selbst hier war die soziale Aufgliederung zu spüren und unterschied sich fast nicht von einer öffentlichen Schule. Nur, dass es eben nicht um die Unter-, Mittel- oder Oberschicht, Loser, Genies, Sportler und Machotypen ging, sondern um Schauspieler, politisch Hochangesehene, Rocker und Möchtegernreiche. Nun gut ich gehörte wohl dann zu den Möchtegernreichen. Ach ja, die Stipendiaten nicht zu vergessen. So gingen wir alle in unseren Klassenraum.
Seit Wochen gab es nur ein Thema: »Die Benefizveranstaltung«, und ich verdrehte die Augen. Die Balletttänzer studierten ihre Choreografie ein, die Dressurreiter trainierten mit ihren Pferden und die Sänger übten ihre Stücke mit dem Orchester. Und zu was gehörte ich? Ich gehörte zu denen, die sich gekonnt und in vollem Bewusstsein im Dunkeln aufhielten, um ja nicht für irgendetwas aufgerufen zu werden, und grinste herablassend die Lehrerin an. Das hatte sie nun nicht wirklich gemeint, oder? Was sollte ich oben auf dem Podium und Reden schwingen.
»Mr. Fleischhauer, ich hoffe auf eine gute Moderation von Ihnen.«
»Bitte was?«
»Sie sind eingeteilt, die Willkommensrede für unseren Wohltäter und Sponsor, der an diesem Tag auch der Vater dieser Schule wird, zu halten. Ebenso für das Aufrufen des Rektors und der einzelnen Gruppen, die auftreten werden.«
»Ich weiß, was Sie meinen, aber ich lehne ab. Sollte diese Ehre nicht dem Repräsentanten der Schule zuteilwerden?«
»Ja, eben drum. Sie sind seit heute der Repräsentant.«
»Was? Wie!«
»Mr. Fleischhauer, Sie sollten mal öfters auf das Blackboard blicken. Sie haben den besten Schnitt der letzten zehn Jahren. Herzlichen Glückwunsch«, meinte Mrs. Weller und schon klopfte Mike mir auf die Schulter. Ich hingegen stöhnte verdrossen auf und schüttelte den Kopf. Das war definitiv ein Ding der Unmöglichkeit. Ich konnte nie und nimmer, der Beste der letzten zehn Jahre sein.
Natürlich konnte ich mich darauf einstellen, dass, wenn eine Hiobsbotschaft eintraf, sogleich die Nächste kam. Aus dem Lautsprecher ertönte die Stimme des Rektors, die mich in sein Büro rief.
Ich klopfte an. Die tiefe und wirklich irgendwie sinnliche melodische Stimme von Mr. Harsen rief mich rein. Ich trat ein und schon wummerte mein Herz bis zum Hals. Ich wusste nicht warum und blickte mich um.
Der Rektor saß hinter seinem Schreibtisch und musterte mich mit einem Blick, vor dem ich am liebsten geflüchtet wäre.
»Sascha, schön, dass Sie Zeit gefunden haben. Bitte setzen Sie sich.« Auch wenn ich es nicht wollte, so blieb mir es wegen der Höflichkeit nichts anderes übrig, als mich auf den dargebotenen Stuhl zu setzen.
Unmerklich schnaufte ich ein. Seit meinem ersten Tag hier an dieser Schule war es das zweite Mal, dass ich diesem Mann gegenübersaß. Und mir kroch die Galle in den Magen. Ich spürte, wie sich alles in meinem Inneren zusammenzog und ich nur noch flach atmete. Dieser Mann machte mir Angst. »Kommen wir gleich zum Punkt. Herzlichen Glückwunsch.« Er beglückwünschte mich, nur wusste ich nicht für was.
»Was?«, kam es leise von mir.
»Für den Repräsentanten Posten. Herzlichen Glückwunsch!«
»Ah … ja! Danke.« Nur sagte mir mein Gefühl, dass mit diesem Mann etwas nicht stimmte. War er am ersten Tag kalt zu mir gewesen, so schlug nun die Antarktis über mich ein. Verdammt, was hatte ich diesem Mann getan? Seine braunen Augen musterten mich. Nicht auf normale Art, sondern eher ungewöhnlich … lüstern. Ja sein Blick war lüstern und ich rutschte auf dem Stuhl etwas hin und her. Mir war es in seiner Nähe sehr unbehaglich und ich wollte schneller wieder aus dem Zimmer heraus, als wie ich reingekommen war.
»Da nächste Woche die Benefizveranstaltung ist, will ich mal nicht so sein und gebe Ihnen Ihren gewünschten Auftritt. Ich hoffe, Sie wissen es zu schätzen!«
»Was?« Er grinste und ich war wirklich nahe dran aufzustehen und das Weite zu suchen.
»Nun, es sind mir einige Daten in die Hände gefallen, die … ich sage mal … nicht mit rechten Dingen zugehen.«
»Was?«
»Wie Sie wissen, ist Ihre Punktezahl die Höchste der letzten zehn Jahren und das ist schon sehr ungewöhnlich, für einen Menschen aus niederen Verhältnissen.« Er grinste weiter.
»Was?« Mehr brachte ich nicht zustande. Er zog mich mit seinen braunen Augen förmlich aus.
»Wenn Sie mal einen Blick auf den Monitor werfen? Vielleicht hilft Ihnen das auf die Sprünge!«, meinte er beiläufig und drehte das besagte Ding. Ich las meine Schul-ID Nummer und dass ich mich in den Hauptcomputer eingelockt hatte.
»Was?« In meinem Kopf drehte sich alles. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Alles versank in das dunkle Nichts. »Das kann nicht sein!«, flüsterte ich nur noch und er schaute mich weiter so durchdringend an.
»Wie Sie sehen, ist das so. Auch das am Dokument etwas verändert worden ist. Und als ich dann … das besagte Dokument geöffnet und den Verlauf abgerufen habe, ist mir diese Schüler ID Nummer aufgefallen. Und wie Sie wissen, liegen die Prüfungsdokumente in einem Ordner, auf den nur die Lehrkräfte Zugriff haben. Also stellte sich mir die Frage, wie Sie es geschafft haben.« Innerlich schüttelte ich den Kopf. Warum? Wer hatte mich auf dem Kieker? Ich tat niemanden etwas. Ich hielt mich zurück und auch sonst, hatte ich das Gefühl mich unauffällig zu benehmen.
»Ich habe da nichts verändert. Ich wüsste nicht einmal, wie das funktioniert …«
»Das sagen sie alle. Fakt ist, dass Ihre ID-Nummer gespeichert ist und Sie werden die Konsequenzen tragen müssen. - Sascha, Sie werden ab sofort in die Nachhilfe gehen …«
»Was? Aber das brauche ich nicht. Ich bin im Durchschnitt.«
»Sie verkennen etwas. Wenn Sie so gerne in der Öffentlichkeit treten wollen, dann tun Sie das. Aber es hat seinen Preis. Finden Sie sich nach dem Mittagessen wieder in meinem Büro ein. Das wäre alles.«
»Ich verstehe Sie nicht. Ich mein, ich habe nicht an meinen Test rumgepfuscht und außerdem will ich gar nicht Repräsentant sein. Wie komme ich dazu?«
»Und wie erklären Sie sich das?« Er zeigte mit dem Finger auf die angegebene Nummer, welche wirklich meine Schüler-ID war.
»Ich weiß es nicht!«
»Sehen Sie und um dies zu klären, kommen Sie nach dem Mittagessen in mein Büro, da sprechen wir noch einmal über die ganze Sache.« Wie in Nebel gehüllt stand ich auf. Ich war nicht fähig einen einzigen klaren Gedanken zu fassen.
Mein erster Gang war auf die Toilette. Ich sah den ganzen Prunk nicht, der mich immer wieder faszinierte, wobei ich mir stetig Gedanken darüber machte, wer diesen Schnickschnack auf einer Toilette brauchte.
In die hinterste Kabine schloss ich mich ein und starrte minutenlang auf den Boden.
»Wer macht so was? Vor allem was hat derjenige davon? Ich mein, ich habe nie irgendwelche Signale gegeben, dass ich mich um diesen Posten reiße, geschweige denn der Schulbeste zu sein. Mir reichen meine Noten.« Egal, wie ich mir darüber den Kopf zerbrach, ich kam einfach auf keinen Nenner.
Langsam ging ich ins Klassenzimmer zurück, doch dem Unterricht folgte ich nur noch teilnahmslos. Mrs. Weller blickte unzufrieden zu mir und selbst Mike schien meine Wandlung zu spüren.
Es läutete zur zweiten Pause und ich verzog mich auf eine Bank im Park. Mike, der merkte, dass ich absolut nicht ansprechbar war, ließ mich alleine und ich schnaufte erleichtert ein. Wie sollte ich ihm diese Situation erklären. Würde er mir glauben? Wohl kaum! Er war zwar ein guter Freund, aber als »Blutsbruder« würde ich ihn nicht bezeichnen. Wieder schnaufte ich ein.
Ein Gespräch mit Mrs. Weller, die auch die Vertrauenslehrerin für die Schüler war, wäre in diesem Fall angebracht.
Ich fasste einen Entschluss. Egal, was passieren würde. Ich zog nie wieder den Kopf ein und ließ mich nicht mehr so behandeln. Ich sah doch, was rauskam, wenn ich die Verantwortung abgab und mich nicht selbst darum kümmerte.
Ich stand auf, ging wieder in die Schule und suchte den Flur zu Mrs. Weller Privatbereich. Als ich die Tür gefunden hatte, zögerte ich.
»Was sollte ich ihr denn sagen? Würde sie mir glauben? Immerhin stehe ich wirklich so da, als ob ich mich in das System gehackt habe …« und klopfte mit aufbrüllendem Herzen an.
Ich hörte aus dem Innern Stöckelschuhegeklapper und die Tür wurde geöffnet.
»Sascha?! Was machen Sie hier?«, begrüßte mich Mrs. Weller und ich knetete meine Hände zusammen.
»Ähm, … haben Sie einen Moment Zeit?«
»Haben Sie ein Problem?«, fragte sie und ich nickte. »Gut, dann kommen Sie zu der angegebenen Zeit in meine Sprechstunde. Sie wissen schon, dass das hier der Privatbereich der Lehrer ist?«, wieder nickte ich.
»Bitte entschuldigen Sie die Störung!«, und ich war schon dabei wieder zu gehen, als mich jemand zurückrief.
»Sascha!«, hörte ich jemanden Bekanntes, mich rufen und ich blickte in ihr Gesicht.
»Oh Emily …!« Irgendwie war ich überrascht, sie hier zu sehen.
»Du kannst doch nicht einfach gehen, wenn John dich gehört hat!«, stänkerte sie und schob sich an Mrs. Weller vorbei. Sie drückte mir John in die Arme und schob mich einfach ins Zimmer von Mrs. Weller.
»Emily, du kannst doch nicht …!«
»Ach Ann, das ist Sascha! Schau doch, wie John ihn anhimmelt. Ist das nicht ein Bild für die Götter?«
»Aber Emily, Mr. Fleischhauer ist einer meiner Schüler und es ist strikt gegen die Regeln …«
»Ann, seit wann hast du es mit den Regeln. Sascha willst du was trinken?« Überrumpelt nickte ich ihr zu und küsste nebenbei die kleinen Finger von John.
»Sascha gut, dass du da bist. Könntest du John bitte wickeln, - Ann, John ist total närrisch nach Sascha!« Irgendwie gaben Mrs. Weller und ich resigniert auf. Emily und ihre überaus freundliche und überrumpelnde Art ließen jeglichen Widerspruch in Rauch verpuffen. Mrs. Weller schloss die Tür und beobachtete mich, wie ich mich um John kümmere. Er war einfach mein Schatz. Mein Seelenheil und schon fühlte ich mich um einige Pfunde erleichtert. Nur am Rande bekam ich mit, dass die beiden Frauen miteinander tuschelten, denn ich war total im Bann von John.
Als ich fertig war, nahm ich ihn auf den Arm und es dauerte keine Minute, da war er eingeschlafen.
»Ich frage mich immer noch, wie du das machst?«, belächelte Emily die Situation. »Hast du dich wieder beruhigt?«, fragte sie sogleich und ich musste mir eingestehen, sie durchschaute mich immer wieder. Ich nickte ihr zu.
»Emily meinte, ich sollte mir Ihre Belange anhören. Denn ohne Grund würden Sie die Regeln nicht brechen«, fing Mrs. Weller an und bot mir auf ihrer Couch einen Platz an. Emily hatte mir inzwischen ein Glas Wasser hingestellt.
»Schieß los Sascha. Du hast ausgesehen, als ob du einen Geist gesehen hast!«, forderte Emily mich auf.
»Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll … es ist so, … irgendjemand hat in den Dokumenten … in meinen Dokumenten, was verstellt!«
»In welchen Dokumenten?«, fragte Mrs. Weller.
»Die Testergebnisse.« Mrs. Weller schüttelte den Kopf.
»Das kann unmöglich sein … wie kommen Sie darauf?«
»Meine Noten belaufen sich auf B- bis C, und da kann ich unmöglich der Beste auf der Schule sein. Ich mein … das, was Mr. Harsen mir vorhin gezeigt hat, das war ein Notenschnitt von A und jetzt denkt Mr. Harsen, das ich es war, der die Testergebnisse verändert hat …!« Mrs. Weller unterbrach mich immer wieder und holte so auch jede noch so kleine Information aus mir heraus.
Emilys Augen verdunkelten sich immer mehr. Wenn ich John nicht auf dem Arm gehalten hätte, wäre ich nicht nur einmal ausgerastet und hätte beteuert, dass ich es nicht war.
Am Ende hatte Emily den helfenden Entschluss gefasst.
»Ann, was hältst du davon, wenn du Sascha zum Rektor begleitest. Immerhin bis du die Vertrauenslehrerin der Schüler, für schulische Probleme oder auch Probleme mit den Lehrern.« Mrs. Weller sagte zu. Was mich sehr erleichterte. Immerhin hatten mir die Augen des Rektors ziemlich zugesetzt, und auch wenn ich es nicht wahrhaben wollte, keimten dunkle Erinnerungen in mir hoch, welche noch durch einen galleartigen Geschmack verstärkt wurden.
Die restlichen Stunden waren viel zu schnell vorbei und mein Mittagessen ließ ich auch stehen.
»Kann ich deine Portion auch noch haben?«, fragte Mike mich und ich nickte nur. Mike war eine wirklich willkommene Abwechslung und er schaffte es, mich auf andere Gedanken zu bringen. »Sag mal, wie willst du die Rede gestalten. Mr. Repräsentant!«, sprach er mit vollem Mund und ich wusste, dass er wusste, dass ich absolut keinen Bock darauf hatte. Ich verzog nur meinen Mund und zuckte mit den Schultern.
»Komm mir nicht mit dem Scheiß. Das ist etwas, was ich liebend gerne abgeben möchte.« Er kicherte und zwinkerte mir zu.
Das Mittagessen war vorbei und ich wartete vor der Mensa auf Mrs. Weller.
Ich brauchte nicht hochzuschauen, ich hörte auch so, dass sie auf mich zukam.
»Bereit?«, fragte sie mich und ich nickte. »Kopf hoch. Wir werden es klären. Vielleicht ist da auch nur ein Fehler im System.« Ich nickte ihr nur zu. Dass sein Augenausdruck für mich nicht normal war, hatte ich ihr nicht erzählt. Vor allem wollte ich nicht mit der Tür ins Haus fallen und dem Rektor meine Mutmaßung unterstellen, obwohl es schon sehr offensichtlich war.
Sie klopfte an und ohne auf eine Antwort zu warten, trat sie in das Rektorat. Mir schien es, als ob dem Rektor die Augen aus dem Kopf fielen. Sein Ausdruck war nicht nur überrascht, sondern Zorn funkelte in seinen Augen auf. Automatisch wich ich einen Schritt hinter die Lehrerin.
»Mrs. Weller. Gibt es ein Problem?« Sein Blick drang in mich ein.
»Nun ja, Mr. Fleischhauer hat mich vorhin aufgesucht. Es geht um die Testergebnisse«, sagte sie und legte eine Akte vor ihn. »Hier habe ich die Originale, und selbst mir kam das irgendwie Spanisch vor, dass Mr. Fleischhauer als Repräsentant fungieren soll. Sein Durchschnitt ist mittelmäßig, und wenn Mr. Fleischhauer mich nicht darauf angesprochen hätte, dass da etwas verkehrt läuft, wäre ich nach dem Unterricht selbst zu Ihnen gekommen.«
»Verstehe! - Mr. Fleischhauer würden Sie uns bitte alleine lassen, damit wir diese Angelegenheit klären können. Danke!« Die Art und Weise, wie er es sagte, verhieß nichts Gutes. Aber dass ich das Büro verlassen sollte, das brauchte er mir nicht zweimal sagen.
Sehr erleichtert schloss ich die Tür hinter mir und trat den Rückweg in die Mensa an. Wo ich noch die restlichen Minuten meiner Mittagspause verbrachte.
»Sag mal Alter! Wann hast du mal Zeit?«, fragte mich Mike auf dem Parkplatz, als ich auf Tom wartete.
»Hmm, ist schlecht zu sagen. Nach der Schule gehe ich noch jobben. Und am Wochenende bin ich entweder hier und gebe Nachhilfe oder ich arbeite.«
»Du jobbst doch nicht den ganzen Abend, oder?« Ich schüttelte den Kopf.
»Nö, bin meistens um halb neun draußen.«
»Gut ich komme dann!«, sagte er und war schon aus meinem Blickfeld verschwunden, als Tom vor mir hielt. Der Typ war schlimmer als der Wind.
Ich stieg ein und bekam auf der Heimfahrt von meiner Umgebung nichts mit. Immer wieder kreisten meine Gedanken um den heutigen Vorfall in der Schule.
»Wer zum Teufel hat meine Schüler-ID-Nummer benutzt?« Egal, wie ich mir den Kopf darüber zerbrach, ich kam nie weit.
Die Situation war so verkackt, dass sie in Hoffnungslosigkeit versank.
Ich verabschiedete mich von Tom, der in die Firma zurückfuhr, und schloss die Tür auf. Noch bevor ich sie schließen konnte, wurde ich mit dem Bauch an die Wand gedrückt und sein herber Duft schlug über mich ein.
»Kyel, … das schmerzt!«, stockte ich und keuchte auf, als er sich in meinem Hals verbiss. Wie üblich leckte er entschuldigend darüber, und als ich seine Hand zwischen meinen Beinen spürte, war es aus mit mir.
»So gefällst du mir!«, flüsterte er und zog mir die Uniformjacke bis zu den Armbeugen runter. Knöpfte das Hemd auf, welches er auch bis zu meinen Ellenbogen runterzog und schon spürte ich die weiche Spitze seiner Zunge auf meinem Rücken. Heiß und kalt durchlief es mich von den Stellen aus, die er berührte und mein Herz war dabei die Überstunden wieder aufzunehmen.
»Ich muss zu Alessandro, … Scheiße!« Er zwirbelte meine Brustwarze und im gleichen Atemzug hatte er meine Hose bis zu den Knöcheln gezogen. Immer wieder fragte ich mich, wie er das machte, dass seine Hände überall waren. Ich konnte mich kaum bewegen, weil meine Arme in der Jacke und im Hemd fixiert waren.
»Keine Sorge, du wirst pünktlich sein, aber du wirst dich auch abquälen, das verspreche ich dir. Mein kleiner Orkan, das ist mein Nachspiel«, murmelte er zwischen meinen Pobacken und schon spürte ich, wie er einen Finger rein schob. Ich keuchte auf und sank auf meine Knie. Irgendwie konnte ich mich mit den Händen abstützen und verfiel immer mehr, der Behandlung die Kyel mir gab.
Nicht mehr lange und ich würde kommen … doch so animalisch er mich heißmachte, so abrupt entzog er seine Finger meinem nach Erlösung lechzendem Hintern, klatschte auf meine Backe, küsste kurz die Stelle und richtete sich auf. Ich hörte den absoluten Schelm in seiner Stimme, als er sagte: »Du solltest dich beeilen, sonst kommst du noch zu spät.«
»Fuck!«, zischte ich und er kicherte. »Das ist jetzt absolut nicht witzig.« Ich richtete mich auf und zog die an mir hängenden Klamotten aus. Er trat auf mich zu und schob mir die Zunge in den Mund.
»Hmm, ich würde jetzt auch gerne da weitermachen, wo ich aufgehört habe, aber du musst zur Arbeit.« So gut es ging, versuchte ich, ihn wütend anzustarren, was mir misslang. Denn absolute Hingabe und Liebe drangen aus seinen blauen Augen und ich schüttelte nur den Kopf.
»Du bist einfach unverbesserlich!«
»Hmm, viel Spaß bei der Arbeit!«
Wie geplättet lag ich auf meinem Bett und konnte meine Finger nicht von Sascha lassen. Immer wieder gab ich meinem Drang, seine wunderbare und weiche Haut spüren zu wollen, nach. Mir Küsse, gehauchte wie leidenschaftliche zu klauen oder ihn einfach beim Lesen zu betrachten.
Was hatte der Junge nur an sich, dass ich ihm so verfallen war. Er machte mich wahnsinnig mit seiner Spitzfindigkeit. Machte mich genügsam und dabei genügte nur ein Blick von ihm. Er überrumpelte mich mit seiner Art und es erfreute mich. Ich war in meinem Leben noch nie so glücklich. Kurz gesagt, er stellte mein ganzes Leben auf den Kopf und das hatte noch niemand geschafft.
Selbst an diesem Tag, denn wir nur im Bett verbrachten, verging keine Minute, in der ich nicht was Neues an ihm entdeckte. Allein schon das Betätigen seines Readers war sinnlich, oder wenn er einen kurzen Blick auf den Fernseher warf und sich über die laufende Komödie ausließ. Oder darüber lachte, machte es schon ›wumm‹ und ich würde am liebsten über ihn herfallen. Ich genoss unsere Zweisamkeit und war froh, dass er mir die Sache mit Paul verziehen hatte.
Vielleicht war es das? Vielleicht brauchte ich einfach jemanden, der mich mit all meinen Fehlern sah, nahm und liebte. Dem ich mich öffnen konnte, ohne mir Gedanken darüber zu machen, ob es am nächsten Tag in der Zeitung stand. Ja ich konnte sagen, ich vertraute diesem Menschen zu 100%.
Die ganze Nacht verbrachte ich im Halbschlaf, denn selbst da musste ich ihn spüren. Ich konnte nicht anders. Die letzten Monate waren die Hölle und meine Sucht nach ihm war noch lange nicht gestillt. Ganz besonders nicht, nachdem er mich vorherigen Tag so zärtlich geweckt hatte.
›Das gibt ein Nachspiel und so schnell wirst du nicht mehr die Initiative ergreifen können. Dafür werde ich sorgen‹.
Und doch hatte er mir ein Wahnsinnsgefühl beschert. Es war fantastisch ihn in mir zu spüren. Seine zögerlichen Stöße, sein Keuchen, das mich eh immer anmachte und seine grünlich braunen Augen, die nur so vor Verlangen gestrotzt hatten.
Ich hätte mit Leichtigkeit den Part ändern können, aber ich bezweifelte, dass ich jemals in dem Genuss gekommen wäre, den Sascha mir beschert hatte.
Ich schaute auf meinen Wecker, schaltete ihn aus, damit er nicht mehr klingelte, und stand danach auf. Duschte mich und machte mich für den Tag fertig. Laut Tom war dieser Tag wieder voll mit Meetings, und wenn ich so gekonnt hätte, wie ich wollte, würde ich den vergangenen Tag wieder herbeirufen. Ich band meine Krawatte und erhaschte mir noch einmal einen Blick auf meinen schlafenden Sascha. Hatte er es wirklich überstanden? Oder zwang er sich Dinge zu tun, die er eigentlich nicht wollte?
Sicherlich wollte ich, dass er irgendwann die Initiative ergriff und mich nahm, so wie er es wollte. Aber dennoch hatte ich nicht das Gefühl, das er mit Leib und Seele dabei war. Ich hatte es zugelassen, ja, das schon und es hatte mich auch befriedigt. Trotzdem war das nicht mein Orkan. Oder etwa doch? War er im Moment nur die Brise, die sich erst nach aufgeladener Energie entlud? Was würde passieren, wenn ich mich ihm vollkommen hingab? Würde er mich, während des Sexes beherrschen, mich so dominieren, dass ich nur noch nach Erlösung hechelte und ihn anflehte, mich endlich Kommen zu lassen? Konnte ich das zulassen? Könnte ich es mir, soweit eingestehen, meine Dominanz, meinen Part des Tops für ihn abzulegen? Ja, ich könnte und ich wollte es und deshalb konnte ich mein Leben, so wie ich es bisher gelebt hatte, aufgeben. In der Nacht, als das mit Paul passierte, hatte Sascha mir etwas gegeben, was weit mehr war, als ... ich konnte es nicht mit Worten beschreiben. Dieses Gefühl war wahnsinnig warm und Geborgenheit. Es war für mich nicht nur ein Wort. Es war mehr und Sascha war die Definition dessen.
Tom saß schon in der Küche und schlürfte an seinem Kaffee. Ich brauchte nicht nachzufragen, wer ihn reingelassen hatte. Es war bestimmt wieder Loren. Diese Frau war auch irgendwie zu jeder Tageszeit wach und hatte alles im Griff. Nur manchmal nervte mich ihre Zettelwirtschaft, die sie gerne an die Kühlschranktür klebte. Ganz besonders hasste ich die Zettel, auf denen Kyel stand. Diese Frau spannte jeden immerzu mit ein und am Ende des Tages zauberte sie zum Dank meistens ein festliches Menü. Wenn sie nicht zur Arbeit musste. Eigentlich brauchte sie das nicht. Immerhin besaß sie eine Mastercard von mir und könnte sich das schönste Leben gönnen, aber in dieser Beziehung waren sie und Sascha gleich. Sie wollten einfach alles aus eigener Kraft schaffen und deshalb hatte ich darüber hinweggesehen, als sie den Wagen für Sarah gekauft hatte. Okay, Loren hatte mich gefragt und sie stotterte es auch in Raten wieder ab, was sie eigentlich nicht müsste. Aber was sollte es, Sturköpfe durch und durch.
Kaum hatte ich die Küche betreten, fing Tom sogleich mit dem Tagesplan an. Der, wie es mir schien, überhaupt nicht endete. Ich goss mir einen Kaffee ein und unwillkürlich wanderte mein Blick zum Himmel. Warum konnte es nicht immer noch Sonntag sein und schnaufte resigniert ein. Meine Gedanken schweiften vom Sonntag zum Freitag und ein kalter Schauer durchlief mich. Freitag musste Sascha sich ihm stellen. Ihm, der mir meinen Sascha genommen hatte. Ich kämpfte noch immer um ihn, kämpfte darum, dass ich ihn wieder zurückbekam.
Clancy!
Ich würde diesem Mann nie verzeihen, was er einem Menschen angetan hatte. Einem Menschen, der gerade erst das Leben angefangen hatte, der gerade zu spüren bekommen hatte, was es bedeutete, geliebt zu werden und zu lieben. Er hatte ihm alles genommen. Auch wenn Sascha sich stark zeigte, so war er noch immer innerlich zerbrochen. Und diese Teile fügte ich in schleichenden und ganz kleinen Schritten wieder zusammen. Verborgen, sodass es niemand mitbekam.
Ein leises »Guten Morgen«, riss mich aus meinen Gedanken und ich sah ihn. Verschlafen, geduscht und unrasiert. Wow! Ich konnte nicht anders und ging auf ihn zu. Nahm ihn in meine Arme und suchte seinen Mund. Willig ließ er mich ein und anschließen knabberte ich an seinem Ohr. Haucht ihm selbst ein »Guten Morgen« entgegen und spürte wie diese einfache Umarmung und das Reizen dieser bestimmten Stelle seines Körpers, mir sofort Beachtung schenkte. Es erfreute mich, wie er auf mich reagierte und mir genügte diese kleine Regung, um mir meinen Tag zu versüßen.
Gegen Mittag ereilte mich ein Anruf von Emily, die mir mitteilte, dass Sascha in der Schule auf ein Problem gestoßen sei, aber es noch nicht so nennenswert war.
Dennoch machte ich mir Gedanken darüber. Immerhin kannte ich den Rektor, aber dass er sogleich, nachdem ich Paul wirklich freigegeben hatte, so reagierte, konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Ich überlegte mir, es einfach mal auf sich beruhen zu lassen und erst einzugreifen, wenn Sascha wieder eine ›zwangsneurologische‹ Art an den Tag legte. Und überhaupt würde es mich schon freuen, wenn Sascha der Repräsentant der Schule werden sollte. Aber auch dies verwarf ich, denn ich kannte seinen Notendurchschnitt, der, sagen wir mal, ziemlich zu wünschen übrig ließ. Okay, ich wollte nicht wie ein strenger Vater wirken, denn ich sah es ja, wenn er über ein Thema büffelte. Aber diese Schule hatte eben enorm hohe Ansprüche und ich konnte selbst so schon stolz sein, dass er einen Durchschnitt von B- bis C hatte. Nicht viele hielten dem Druck stand und es war egal, ob der Vater ein Senator oder die Mutter die Operndiva schlechthin war. Fakt war, dass die Schule wirklich forderte und wer da nicht lernte, der konnte noch so reiche Eltern haben, der hatte einfach ›ausgeschissen‹.
Ich zum Beispiel wäre in den ersten zwei Wochen schon geflogen. Ich hatte es nie mit dem Lernen, aber das würde ich nicht so an die große Glocke hängen. Mein Durchbruch war eben die Geschäftsdevise, die ich hatte und glaubt mir, selbst ich, stand öfters vor dem Bankrott und wäre total auf die Fresse gefallen, wenn ich keine Unterstützung von Freim, Hauer oder meinen Eltern gehabt hätte. Und ich bedauerte es immer noch, dass Hauer in Rente gegangen war und Freim sich Ende letzten Jahres auch verabschiedet hatte.
Hier waren sie wieder, meine Probleme. Noch immer hatte ich die freien Plätze zu besetzen. Es fand sich einfach keiner, der dem Druck standhielt. Der sich geschäftsintern schon so viel Wissen aneignen konnte, um die freien Posten belegen zu können.
Sicherlich kreisten mir einige Namen durch den Kopf, aber irgendwie hielten sie meinen Vorstellungen nicht stand.
Aiden? Nein, der hatte erst vor einigen Monaten angefangen und seine Lehrzeit dauert noch. Sarah? Nein. Ihre Noten sind mehr schlecht als recht. Sascha? Oh Gott, der würde mir den Kopf abreisen. Loren? Nein, ihre Aufgabe war kranken Menschen zu helfen. Parker? Um Himmels willen! Nein! Nicole? Sie hatte schon einen Platz in der Führung, nur wuchs ihr allmählich die Arbeit übern Kopf, sodass sie die beiden anderen Posten nicht auch noch mit übernehmen konnte. Tom? Er könnte, aber er wollte nicht. Marion? Tja, leider hatte sie sich auch verabschiedet, obwohl sie eine fähige Nachfolgerin für Freim gewesen wäre. Und alle anderen hatten weder die technischen Fähigkeiten noch die persönlichen Kernkompetenzen, um auf der Führungsebene bestehen zu können. Dennoch blieb ich bei zwei Namen hängen. Denver und Cameron. Sie waren gegenüber den anderen am längsten in der Firma und ich beschloss, dass ich vermehrt ein Auge auf die beiden hielt.
Und dass ich Parker in dieser Beziehung um Rat fragen würde. Ich hoffte nur, dass ich da ohne Kopfschmerzen wieder rauskam. In den zwei Wochen, in denen er bei mir gewohnt hatte, mich mit seiner prägnanten und penetranten Anwesenheit erfreut hatte, während Sascha im Krankenhaus lag und anschließend entführt wurde, reichten immer noch aus, mich aus einem tiefen dunklen Brunnen wieder emporkraxeln zu lassen. Der einzige Lichtblick war Jaydon, ohne ihn hätte ich Parker schon meilenweit zum Pluto geschleudert. Dennoch war ich Parker sehr zum Dank verpflichtet, auch wenn er einem tierisch auf die Nerven gehen konnte.
Ich stand von meinem Schreibtisch auf und streckte mich durch. Schlenderte an das Fenster und blickte zum Himmel. Er war strahlend blau und es war ein herrlicher Frühlingstag. Ich erinnerte mich an das letzte Jahr, da war das Wetter von Januar bis Dezember nur grau und Regen verhangen, doch dieses Jahr meinte das Wetter es gut mit uns. Mein Blick schweifte über den Parkplatz, ich sah den Jaguar, den ich schon seit fast drei Jahren fuhr und die kleine Schrottkarre von Nicole. Ich beschloss, Pause und mir einmal selbst ein Geschenk zu machen. Immerhin hatte ich in zwei Tagen Geburtstag und um Himmelswillen ich wurde schon 33. Ein Schmunzeln zuckte in meine Mundwinkel, als ich daran dachte, wie jung Sascha eigentlich war. In der Regel schaute ich immer darauf, dass meine Partner, kaum fünf Jahre jünger waren, als ich. Doch Sascha … er war die absolute Ausnahme. Er war meine Ausnahme.
Tom erklärte ich, dass ich Pause machte und sofort verschluckte er sich an seinem Lebenselixier – Kaffee.
»Das können Sie nicht. Sie haben um halb sechs noch ein Meeting mit den Verhandlungspartnern von Leskon. Sie sind extra aus …« Keine Ahnung, ob er wusste, wie spät es eigentlich war und ich fuhr ihm über den Mund.
»Bis dahin bin ich wieder da!«, meinte ich und blickte auf meine nichtvorhandene Uhr am Handgelenk. Es waren noch über drei Stunden Zeit bis dahin.
»Aber Mr. Kastner.«
»Aber Tom, Sie sollten langsam losfahren und Sascha von der Schule holen.«
»Sascha soll langsam seinen Führerschein machen, er kann Auto fahren«, murrte er.
»Sicher soll er das, aber er kann sich den Schein nicht leisten, deshalb geht er ja jobben. Also Tom, die Zeit drängt«, leicht fragend blickte er mich an und schüttelte den Kopf.
»Werd einer aus Ihnen schlau. Sie könnten ihm hundert Autos kaufen ….«
»Und Sascha will das nicht … also, beeilen Sie sich. Sie kennen den Verkehr.«
»Tzz, der Kleine hat Sie ganz schön an der Angel«, er lächelte hämisch.
»Werden Sie nicht frech, sonst ziehe ich die Miete an.«
»Ja, ja, Mr. Kastner!«, erwiderte er und verschwand schleunigst aus meinem Blickfeld. Ich hingegen schmunzelte ihm nur hinterher, denn ich wusste, was er mit »Ja, ja« gemeint hatte. Wie schon gesagt. Ich liebte diesen Mann, auf eine Art, die man sich bei mir schwer erarbeiten musste. Und er hatte recht, Sascha hatte mich an der Angel. Und deshalb musste ich mich beeilen.
Ich stieg in meinen Jaguar und meine direkte Fahrt ging zu einem Autohaus. Als der Verkäufer mich sah, kam er schon auf mich zugestöckelt. Anders konnte man das nicht ausdrücken.
»Ah … Mr. Kastner, was für eine Freude!« Das glaubte ich ihm sogar. Immerhin hatte ich schon eine schöne Stange an Geld hier gelassen.
»Die Freude liegt auf meiner Seite«, ging ich auf die Floskel ein und wir reichten uns die Hände.
»Was kann ich für Sie tun?«
»Ich will den Jaguar verkaufen.« Ihm fielen die Augen aus seinen Höhlen und es hatte den Anschein, dass er etwas blass wurde.
»Warum möchten ...?», weiter kam er nicht.
»Und stattdessen habe ich ein Auge auf den neuen Audi Q5 geworfen.« Irgendwie veränderte sich seine Gesichtsfarbe wieder und ein typisches Geschäftslächeln drang in sein Gesicht.
»Was für eine wundervolle Wahl. Haben Sie eine bestimme Vorstellung, Komfort und Innenausstattung betreffend?«, fragte er mich geschäftlich und führte mich in sein Büro.
Nachdem ich das Büro verlassen hatte, war der Jaguar verkauft und ein Ausstellungsstück gekauft. Ein Audi Q5 nach meinen Wünschen war bestellt und ein Golf, dem ich das Firmenlogo verpassen ließ, würde auf den Parkplatz meiner Firma gefahren werden. Ich teilte Nicole mit, dass sie ab sofort mit diesem Wagen zur Arbeit und zu Meetings zu fahren hatte. Das Ausstellungsstück, ein Kia Optima, fuhr ich nach Hause.
Als ich ausstieg, musterte ich das Auto und schüttelte innerlich den Kopf. Warum machte ich von jetzt auf gleich so eine drastische Wandlung durch? Großartig brauchte ich darüber nicht nachzudenken, denn ich kannte die Antwort bereits, schon bevor die Frage in mir aufkeimte.
Meine Füße trugen mich Richtung Atelier und ich schloss die Tür auf. Lange stand ich in der Tür und betrachtete den Raum. Noch bevor ich mir wieder irgendwelche Gedanken darüber machen konnte, hatte ich mein Handy gezückt und eine Renovierungsfirma angerufen. Alles, aber auch wirklich alles, was mich an Paul erinnerte, sollte endgültig aus meinem Leben verschwinden. Und langsam fragte ich mich, warum ich damit so lange gewartet hatte. Selbst diese Frage konnte ich beantworten. Ich sah einfach keinen Sinn mehr darin, auf diese Art zu leben, und der Anstoß war Sascha. Sicherlich würde er sagen, dass ich das nicht zu tun brauchte, aber als er mir das Gefühl gab, ein ganz besonderer Mensch für ihn zu sein, er wirklich mich sah und nicht den Geschäftsmann oder Master, machte ich mit dieser Vergangenheit Schluss. Endgültig.
Wie er schon sagte, er war kein daherlaufender Twink, der genommen wurde, wenn es einem danach war.
Kurz blickte ich auf die Wanduhr in meinem Wohnzimmer und etwas Warmes stieg in mir hoch. Ich hatte alle Hände voll damit zu tun diesem Kribbeln Einhalt zu gebieten. Es gelang mir nicht. Schon gar nicht, als ich den Motor von Toms Audi hörte.
Sascha kam nach Hause und ich wusste, dass sein erster Gang ins Schlafzimmer war, um sich für die Arbeit bei Alessandro umzuziehen. Nur so weit würde er nicht kommen und ein Grinsen stahl sich in mein Gesicht.
Mein Nachspiel begann und es würde sich über einige Stunden hinziehen. Er schloss die Tür auf und sofort drückte ich ihn gegen die Wand. Er keuchte überrascht auf. Eigentlich hätte ich erwartet, dass er mich wegstieß, aber dem war nicht so. Er ließ es zu, dass ich ihm die Uniformjacke und das Hemd bis zu seinen Ellenbogen runterzog, ihn im Nacken küsste und seine warme und weiche Haut mit meiner Zunge liebkoste. Ein Griff zwischen seine Schenkel zeigte mir, dass er es wollte und wieder stahl sich ein Grinsen in mein Gesicht. Im gleichen Atemzug hatte ich ihm die Hose mitsamt seiner Unterhose hinabgezogen. Wieder stöhnte er auf und ich liebte dieses Geräusch. Er konnte nicht mehr an sich halten, als ich seinen wunderbaren Eingang massierte und krachte auf seine Knie. Sein Keuchen und Stöhnen wurde lauter, und kurz bevor er so weit war, entzog ich mich ihm. Scheiße musste ich mich zurückhalten. Es würde nicht nur für ihn eine Qual werden, sondern auch für mich.
Wenn Blicke töten könnten, so wäre ich in seinen Armen zusammengebrochen. Dennoch wusste ich, dass er mir nicht böse war und seine Augen leuchteten erwartungsgemäß gierig auf.
»Du bist einfach unverbesserlich!«, zischte er und ich musste an mich halten, um nicht wirklich noch über ihn herzufallen.
Gott machte mich dieser Junge an. Ob er eine Ahnung davon hatte, wie er auf mich wirkte, welche Macht er über mich besaß.
»Hmm, viel Spaß in der Arbeit«, flötete ich nur und sammelte die Kleidung auf, die er, während er ins Schlafzimmer lief, von sich riss.
Keine fünf Minuten später war er umgezogen, hatte seinen Helm in der Hand und ich sah die leichte Wölbung in seiner Hose. Wieder schmunzelte ich, und bevor ich mich versah, hatte er seine Hand auf mich gelegt und streichelte fast unmerklich über meinen Schritt. Wow, was für ein Gefühl, und die Reaktion kam so schnell, dass ich mich an der Wand abstützen musste. Er kicherte und ließ mich einfach stehen.
Ich lehnte immer noch an der Wand, als ich das Moped starten hörte und er aus der Einfahrt fuhr.
»Scheiße!«, fluchte ich. Sascha hatte es mit nur einem einzigen Griff geschafft, das Spiel umzudrehen, und ich atmete tief ein. Ich musste mich beruhigen, denn so konnte ich nicht zum Meeting gehen. Vor allem wurde es mir bewusst, dass er bereits mehr Macht über mich besaß, als anfänglich geglaubt. ›Kyel reiß dich zusammen!‹
Ganz besonders, weil das Nachspiel erst in seiner anlaufenden Phase war und ich es mir nicht nehmen wollte ihn sehr, sehr heißzumachen.
Ich hatte das Gefühl, nicht zu wissen, was ich zuerst machen sollte. Kaum sprenkelten einige Sonnenstrahlen auf die Landschaft und schon kamen alle aus ihren dunklen Löchern. Besonders, da ich noch damit zu tun hatte, mir meine Hose, im Schritt, zu richten. »Das werde ich Kyel nie verzeihen. Wie konnte er mir das nur antun? Es hätte nicht mehr lange gedauert, aber nein, ...«, dachte ich.
Tim hatte sich bereit erklärt, mit mir die Schicht zu Ende zu bringen. Es war die Hölle, einfach zu viel los. Alle Tische waren belegt und einige Gäste hatten es sich schon bei den Mosaiksteinen bequem gemacht und genossen ihr Eis in der Sonne. Trotz das es erst März war, brannte die Sonne, wie ihm Hochsommer und dies trug auch noch dazu bei, dass mir unglaublich unwohl in der Lendengegend war.
Langsam hielt ich die Spannung nicht mehr aus und blickte auf die Uhr. Wieder ertönte das Windspiel. Ich drehte mich zum Eingang und hieß die neuen Gäste willkommen. Einer war groß mit karamellfarbener Haut und dieser stellte sich als Mr. Leskon vor. Der andere hielt sich im Hintergrund und mir war es, als ob ich den Namen irgendwo gelesen hatte. Schnell blickte ich auf den Terminplaner und las, dass er einen Tisch reserviert hat. Na Bravo, dies fehlte mir echt noch. Reiche Schnösel mit ihrem ach so gentlemanlike Getue.
Ich führte die beiden in die Nische, die für solche Anlässe immer reserviert wurde. Wartete, bis sie sich gesetzt hatten und fragte, was sie gerne trinken möchten, oder ob sie erst in die Karte blicken wollten. Mr. Leskon entschied sich für die Karte und im gleichen Atemzug fragte er nach meinen Namen. Scheiße, ich hatte vergessen, mich vorzustellen. Dies war eins der obersten Gebote bei Alessandro. »Stelle dich immer freundlich dem Gast vor!« Mit anderen Worten, sollte was total schief gehen, oder der Kellner praktizierte nur Scheiße, dann wusste der Gast zumindest schon einmal den Namen und konnte ihn, wenn es hart auf hart kam, gleich vor allen anderen Leuten zur Schnecke machen.
»Oh, bitte entschuldigen Sie. Mein Name ist Sascha!«, stellte ich mich rasch und natürlich höflich vor, obwohl ich am liebsten alle rausgeschmissen hätte.
»Danke, Sascha. Können Sie bitte dafür sorgen, dass wir ungestört bleiben?!«
»Was zum Teufel war das für eine bescheuerte Bitte?«, dachte ich. »Natürlich, … Und was möchten Sie …«, fragte ich den anderen.
»Einen Kaffee, bitte«, sagte er. Mit Schwung drehte ich mich um, prallte gegen eine stahlharte Brust und urplötzlich traf mich sein Duft. Schelmische meeresblaue Augen blickten auf mich herab. Alle meine Sinne, die sowieso schon sehr gereizt und angespannt waren, schlichen unaufhaltsam auf ihn zu und ich räusperte mich. Sofort trat ich einen Schritt zurück, obwohl ich liebend gern in seine Arme versinken wollte.
Meine Emotionen fuhr ich runter und bedachte ihn mit kaltem Blick. Er ging darauf ein und setzte sich, mich ignorierend, Mr. Leskon gegenüber. Allein dafür wollte ich ihn schon erwürgen.
»Mir bringst du bitte einen Kaffee und die Nummer sechs!«, bestellte er und ich glaubte, mich verhört zu haben. Das durfte doch wirklich nicht wahr sein. Die Nummer sechs! Wenigstens war es nicht der Sommertraum.
»Natürlich, kommt sofort«, murmelte ich und sah, wie er einer Frau den Stuhl heranzog. In mir schrie irgendetwas auf. Ich verdrängte dieses Gefühl. Diese Frau war nur mit Kyel hier, weil es ein geschäftliches Meeting war. Ich versuchte, es runterzuschlucken.
Die Leute begrüßten sich und ich nutzte die Zeit, um die Karten zu holen. Nebenbei schaute ich mich im Café um und es sah aus, als ob alle zufrieden wären. Nur meine Geduld ließ langsam zu wünschen übrig und ich versuchte mich, so gut es ging, zusammenzureißen. Kurzzeitig wanderte mein Blick zu Tim, der draußen die Gäste bediente und auch bei ihm sah ich den heutigen Stress in seinem Lächeln hängen. Es war nicht mehr so ungeniert wie sonst.
Den Herrschaften in der Nische überreichte ich die Eiskarte und fragte die Frau, was sie gerne zu trinken haben möchte.
»Eine Weinschorle!«, bestellte sie und ich ging zurück um die zwei bestellten Kaffees, das Eis Nummer sechs und die Weinschorle zu richten.
Als ich zurückkam, traf mich der Schlag. Paul Sinner saß mit am Tisch und er unterhielt sich sehr angeregt mit Mr. Leskon. Nach dem Blick von Kyel zu urteilen, war er auch nicht auf Paul gefasst gewesen und dies wiederum bescherte mir auf irgendeine Art Genugtuung. Dieses Gefühl, ›sich zum Teufel scheren soll‹, weil unser Kampf, wer die Oberhand behielt, dadurch unterbrochen wurde. Ich würde auf jeden Fall nicht klein beigeben. Egal, wie Kyel sich gerade mir gegenüber benahm.
Ich brachte die Bestellung den Gästen und erst, als ich fertig war, richtete ich meine Aufmerksamkeit auf Mr. Leskon. Paul, der was sagen wollte, ignorierte ich gekonnt.
»Haben Sie schon was gefunden, Mr. Leskon?«, fragte ich und der Mann nickte.
»Ja. Ich würde gerne das Bier versuchen, welches Sie im Angebot haben.«
»Möchten Sie auch ein Eis dazu, oder doch lieber etwas Herzhaftes. Heute bieten wir zum Abend belegte Brötchen an!« Er verneinte es und ich richtete meine Aufmerksamkeit auf die Begleitung von Mr. Leskon. Dieser war zufrieden und dann zu der Frau. Sie strahlte mich an, als ob sie mich kennen würde.
»Sie sind Sascha Fleischhauer?«, fragte sie gerade heraus und ich nickte.
»Ja, Ma´am.«
»Sie schauen gar nicht wie Ihr Vater aus!«
»Nun, wenn Sie Markus Fleischhauer meinen, von ihm habe ich nur den Nachnamen. Ansonsten hat er mit mir nichts zu tun.« Kurz zuckte sie zusammen. Vielleicht war ich wohl etwas zu kühl. Es war kein Wunder, allein der Name meines Namensgebers verursachte aufkeimende Wut in mir.
»Oh!«, meinte sie nur und ich nahm ihre restliche Bestellung auf und erst nun richtete ich meine Aufmerksamkeit auf Paul Sinner. Dem es anscheinend überhaupt nicht behagte, dass ich ihn als Letztes bediente. Der große Paul Sinner, der Künstler, der schon viele namhafte Persönlichkeiten auf die Leinwand gebracht hatte. Herr Gott, wen interessierte das denn? Selbst wenn er der Papst persönlich wär, hatte er sich meiner selbst erstellte Reihenfolge zu fügen, die besagte, Paul Sinner wurde als Letzter bedient.
Er sprach irgendetwas auf Französisch.
»Möchten Sie sonst noch etwas? Außer einer Latte und drei Kugeln Eis mit extra viel Sahne«, fragte ich ebenfalls auf Französisch. Ihm fielen die Augen aus den Höhlen und er schüttelte den Kopf. Auch die anderen blickten mich ungläubig an und Kyel räusperte sich.
»Mr. Fleischhauer ist ein Sprachgenie. Er beherrscht neun Sprachen. Also ist es schwer, ihm dumm zu kommen.« Ich glaubte zu wissen, für wen diese versteckte Andeutung war und musste mir ein Grinsen verkneifen.
»Und warum arbeiten Sie dann hier in diesem Café. Sie können Karriere bei Mr. Kastner machen. Wir suchen solche Leute, wie sie. Dolmetscher sind wirklich rar«, fing die Frau an.
»Nicole. Sascha hat mein Angebot bereits vor Monaten abgelehnt!« Ah diese Frau war also Nicole. Die neue Vorstandsvorsitzende, die im Moment alle drei Posten innehatte.
»Sie haben ein Angebot von Mr. Kastner abgelehnt! Ein Angebot? Wissen Sie, wie selten es ist, das wir einfach jemandem ein Angebot unterbreiten?« Ähm, was wollte die Frau überhaupt? Sollte ich allen Ernstes mit der Tür ins Haus fallen und ihr sagen, dass ich mit ihrem Chef liiert war?
»Ähm, …!«
»Nicole. Ich kenne seine Beweggründe und die werden wir hier nicht erörtern.«
»Schöne Beweggründe!«, mischte sich Paul ein. Diesmal benutzte er meine Muttersprache. Ich hielt mich mit einem süffisanten Lächeln zurück, obwohl ich ihm gerne dies an den Kopf geworfen hätte: »Hast du ein Problem damit? Immerhin verdankst du ihm deine Karriere. Mach langsam halblang!« Stattdessen atmete ich tief ein und schüttelte nur den Kopf. Mir war es wirklich langsam zu dumm, mich mit ihm weiter zu unterhalten, und fragte noch einmal in der Runde, ob sie alle zufrieden wären. Als sie es bejahten, ließ ich sie alleine.
Zu meinem Verdruss war Mr. Leskon der Meinung, dass ich die persönliche Bedienung dieses Abends sein sollte. Also blieb mir nichts anderes übrig, als die Nische in meinem Blickfeld zu behalten.
Tim stand schon vor einem Herzinfarkt, ich ging durch die Reihen und sagte allen, dass wir bald schließen würden. Zudem beauftragte ich Tim, dass er die Rechnungen übernehmen sollte und ich kümmerte mich um unsere Ehrengäste. Noch einmal schnaufte ich tief ein, bevor ich dorthin ging. Ich konnte es mir nicht erklären, aber ich empfand eine leichte Abneigung, mich dorthin zu bewegen. Aber es musste sein. Wieder schlitterte ich in ein sehr wichtiges Gespräch.
»Ist alles zu Eurer Zufriedenheit?« Alle bejahten es. Paul ließ es sich nicht nehmen, wieder einen sinnlosen Satz von sich zu geben, aber wie schon zuvor ignorierte ich es einfach, auch wenn ich ihm zu gerne meine Meinung gesagt hätte. Aber hier war ich nicht privat und die Devise lautete, der Kunde ist König.
Ich forderte meine Gäste auf, langsam auszutrinken und zu bezahlen. Und wie sollte es auch anders sein, hatte Paul wieder was zum Nörgeln. Egal, mit welcher Sprache er kam, ich verstand sie alle. Allerdings beherrschte er nur zwei Fremdsprachen, denn Englisch war seine Muttersprache und somit fiel sie weg. Also blieben nur Deutsch und Französisch und Französisch, war die Sprache, mit der er gerne angab.
Auch wenn es mir schwerfiel, mich zurückzuhalten, so gab ich nichts auf seine überhebliche Art.
Wahrscheinlich sollte ich mich in ein Mäuseloch verkriechen, nur, weil er einen ziemlich großen Coup ans Land gezogen hatte, was ich so am Rande mitbekommen hatte. Aber das war mir so was von egal. Ich ging aus der Nische und bat die restlichen Gäste langsam zu bezahlen.
Tim, der schon eine halbe Stunde vorher die Segel gestreckt hatte, überließ mir die restlichen Kunden und das Absperren des Ladens. Irgendwann nach endlosen, mit engen Hosen behafteten, Stunden und einem herausfordernden ignoranten blauäugigen Mr. Kastner, tat ich dies auch.
Geschafft fuhr ich nach Hause und sehnte mich nach meiner Couch oder wohl eher nach einer Dusche und meinem Bett, indem etwas auf mich wartete.
Dennoch und auch wenn es mir nicht gefiel, hatte ich das unbestimmte Gefühl, dass ich beobachtet wurde. Von Paul? - Wohl kaum. Aber trotzdem wurde ich es nicht los. - Es war genauso, wie das eine Mal, als ich meine Gäste bedient hatte. Er war da und auch wieder nicht. Er war wie ein Schatten, der stetig um mich kreiste.
Genau dieses Gefühl schlich sich tiefer in mein Herz.
Wie immer parkte ich das Moped und schloss die Tür auf. Gelächter drang aus der Küche und ich schüttelte leicht übermüdet den Kopf. Aber was sollte es. Ich ging auf direktem Weg durchs Wohnzimmer und Schlafzimmer in das schwimmbadähnliche Bad. Schaltete die Dusche an und entledigte mich meiner Klamotten.
Einige Minuten ließ ich das warme Wasser über meinen Körper hinabprasseln, und als ich mich immer mehr entspannte, der Stress endgültig von mir abfiel, schlug die Aktion von Kyel mit großer Wucht über mich ein.
»Scheiße!« Warum musste ich gerade nun daran denken und meine Spitze begrüßte mich. Den ganzen Abend hatte ich Stress und dadurch überhaupt nicht daran gedacht oder zumindest fast nie, und nun? Ich hoffte, auf eine weite Jogginghose und stieg, nachdem ich mich gewaschen hatte, aus der Dusche. Ich erschrak. Glühende meeresblaue Augen blickten mich an. Er stand an die Tür gelehnt, in seinem teuren Anzug und die Arme vor der Brust verschränkt da. Keine einzige Regung huschte über seine Züge, auch blieb sein süffisantes Lächeln aus. Er musterte mich nur und nach endlosen Sekunden stieß er sich von der Tür ab und ging aus dem Bad.
Fragend blickte ich ihm hinterher und schüttelte sprachlos meinen imaginären Kopf.
»Was hat der denn?«
Aber da ich leider viel zu müde war, um mir weitere Gedanken darüber zu machen oder mir sinnlose Fragen zu stellen, welche Laus über seine Leber gelaufen war, betrachtete ich lieber mein Spiegelbild und mir gefiel der immer dichter werdende Bart immer besser. Vergessen war Kyel und sein untypisches Benehmen. Wobei ich mir dennoch eingestehen musste, es hatte eine unvorhergesehene Wirkung auf mich. Mein Schwanz pochte stärker und ein inneres Gefühl, es ihm auf irgendeiner Weise zurückzahlen zu wollen stieg in mir hoch. Plötzlich grinste mich mein Spiegelbild an. Und ungewollte Wörter flüchteten über meine Lippen.
»Let`s start the Game.«
Selbst im Bad hörte man die ausgefallene Gesellschaft in der Küche und ich wollte nicht so sein und sprang über meinen Schatten. Ich betrat die Küche und stieß sogleich, wie sollte es auch anders sein, an eine stahlharte Brust und mein sowieso schon so gefühlsmäßig emporsteigender Freund, schrie nach ihm auf.
»Auch schon da?«, begrüßte mich Kyel und hauchte mir vor allen fremden Leuten, die ich aus den Augenwinkeln sah, den karamellfarbenen Mann, sein Assistent, Nicole und das versetzte mir einen kleinen Schlag, Mike, einen sehr verlangenden Kuss auf die Lippen. Ich spürte, wie er, während unseres Kusses in sich hineinlächelte und erkannte, dass das vorhin im Bad eiskalte Berechnung von ihm war.
»Dieser Mistkerl!«, dachte ich nur und drückte ihn etwas von mir weg.
Mr. Leskon, seinem Assistenten und Nicole fielen die Kinnladen runter. Mike nahm es, wie schon alles andere von mir, einfach hin.
»Ich dachte, du kommst um halb neun!«, stänkerte Mike und schaute auf die Uhr. »Jetzt haben wir es schon fast Viertel vor zehn!«
»Tut mir sorry, Mann. Es war so viel los, heute.« Wie nicht anders erwartet, winkte er ab.
Kyel der mich wieder an sich herangezogen und seinen Arm um mich gelegt hatte, räusperte sich kurz.
»Samuel, darf ich dir meinen Lebenspartner vorstellen. Sascha. Sascha, das ist ein langjähriger Freund und seit Kurzem ein Geschäftspartner von Kastner Import und Export Samuel Leskon. Der außerdem Paul Sinners Manager ist.« Allein dieser Name reichte schon aus, um ungewollte und eingeschlossene Eifersucht emporsteigen zu lassen. Warum in Herrgottsnamen musste alles verkompliziert werden?
Der karamellfarbene Mann stand auf, trat auf mich zu und reichte mir die Hand.
»Ich hätte nie im Leben gedacht, dass Kyel jemanden findet, der ihm sagt, wo es lang geht!«
»Was? Ich glaube kaum ...!«
»Oh doch, mein Junge. Du siehst es vielleicht nicht, aber er hat sich in den letzten Monaten ganz schön verändert. Und ich wollte unbedingt seine bessere Hälfte kennenlernen. Auch wenn Kyel nicht gerade begeistert darüber war, dass ich ihn einfach damit überfalle. Aber allein schon wegen Paul konnte ich mich nicht mehr zurückhalten.«
»Paul? - Was hat der damit zu tun?«
»Nun, wenn Blicke töten könnten, so wärst du jedes Mal tot umgefallen, sobald du in sein Blickfeld geraten bist.« Ich schüttelte den Kopf. Ich verstand die Situation nicht. Okay, ich hatte Paul seinen Master genommen, aber laut Kyel, war das sowieso nur noch eine Beziehung auf dem Papier. Nicht einmal mehr Sex hatte diese aufrechterhalten, ich schnaufte ein. » Und deshalb wollte ich dich näher kennenlernen. Den jungen Mann, der Kyel den Kopf gewaschen und Paul Sinner die Stirn geboten hat.«
Mike und ich kamen ins Gespräch und ich bemerkte eine neue Seite an ihm. Er war nicht nur normal, er war das Nonplusultra von normal. Und ich fühlte mich viele Monate in die Vergangenheit zurückversetzt, als ich mich noch mit David so unterhalten hatte. Ich musste mir eingestehen, ich hatte so eine zwischenmenschliche Freundschaft vermisst.
»Ey, Alter. Wie lange seid ihr schon zusammen?«, fragte er geradeheraus und ich sah, wie Kyels Augen aufblitzten, der seine Unterhaltung mit Mr. Leskon, oder wie er sich mir vorhin vorgestellt hatte, Samuel, unterbrach.
»Nächste Woche wird es ein halbes Jahr!«, antwortete Kyel, an meiner statt.
»Wow so lange schon!«, meinte Samuel und lachte laut auf. Seid mir nicht böse, aber irgendwie war da eine Harmonie zwischen Kyel und diesem dunkelhäutigen Mann. Etwas Warmes und man fühlte sich auf Anhieb geborgen.
»Ah, ... deswegen lässt du unsere Mädchen ständig abblitzen!« Ich zuckte nur mit den Schultern. Nun hatte ich damit zu tun ... nicht nur ein Geschenk für Kyels Geburtstag zu finden, sondern für unser Halbjähriges auch noch.
»Sascha sag mal, hast du schon was gegessen? Loren hat falschen Hasen gemacht, ... Samuel also das muss ich schon mal sagen, Loren, seine Mutter, ...«, er zeigte zu mir, »... kocht besser, als jeder Sternekoch in Deutschland. Ihre Gerichte sind ein Gedicht!«
»Ach da fällt mir ein! Ist Moms Schicht nicht schon vorbei?«, fragte ich, als ich aufstand, um mir was zu essen zu holen und bot Mike sowie den anderen auch etwas davon an.
»Ich denke schon. Sie wird bei Lenard sein!«, meinte Kyel. Doch mir war so, als ob meine Mutter gesagt hatte, dass Lenard diese Woche die Nachtschicht übernommen hätte, weil er unbedingt am Freitag bei der Verhandlung dabei sein wollte. Schon zog sich mir der Magen zusammen und ich schluckte hart.
Selbst danach verlief der restliche Abend fantastisch. Mr. Leskon, also Samuel und ich, wir fuhren, was Paul anging auf gleicher Wellenlänge. Er bedauerte seinen Charakter, aber als Künstler, hob er ihn in den Himmel. Mit anderen Worten, er konnte ihn genauso wenig leiden, wie ich es tat.
Kyel unterhielt sich vermehrt mit Nicole, die ich gleich nach wenigen Minuten ins Herz geschlossen hatte und sie bot mir auch das Du an. Mike, der etwas zu tief ins Glas geschaut hatte, blieb die Nacht über bei uns und es wurde ausgemacht, dass ich am nächsten Morgen mit ihm zur Schule fuhr.
Ich stand dann erneut im Bad und putzte mir die Zähne. Als ich mich umdrehte, sah ich Kyel, der wieder gegen die Tür gelehnt dastand und mich mit dem gleichen Blick bedachte, wie schon Stunden zuvor. Ich verstand ihn nicht mehr. Erst war er ignorant, dann blickte er mich starr an, als Nächstes konnte ich mich vor Umarmungen und Berührungen nicht mehr retten und als Letztes war er wieder so starr. Dennoch stahl sich ein Grinsen in mein Gesicht und ich sah, wie sofort seine Augen aufblitzten. Leicht hoben sich seine Mundwinkel zu diesem spitzbübischen Lächeln und er fing an, seine Krawatte zu lockern.
Auch wenn ich es nicht wahrhaben wollte, aber dieses Spiel lief nicht erst, seit ich aus der Dusche kam, sondern hatte schon nach der Schule begonnen und ein leichtes Kribbeln huschte in meine Lendengegend. Ganz besonders, als er sich umdrehte und das Bad verließ. Seine Hinterseite kam sehr anregend zur Geltung, vor allem dieser herrliche knackige Po. Tief atmete ich ein und stockend wieder aus.
Wenn ich ihn nicht sofort in mir spürte, würde ich verrückt werden.
Langsam, wenn nicht schon bedächtig, lief ich ihm hinterher und war froh, dass ich diese weite Jogginghose angezogen hatte.
Noch bevor ich mich versah, drängte sich sein ganzer Körper an mich. Mit seinen Beinen schob er die Meinen auseinander und seine Zunge erforschte unentwegt meine Mundhöhle. Ein undefinierter Ton drang aus meiner Kehle und er wurde stürmischer. Nach endlosen Sekunden, die uns den Atem nahm, entzog er sich mir. Schelmisch lächelte er mich an und führte seine Hand unter mein Shirt. Sanft strichen seine Finger meine bestimmten Stellen ab und umkreisten meine inzwischen schon hart gewordenen Warzen.
»Sag es mir, ... sag mir, wie du es willst. Soll ich da weitermachen, wo ich aufgehört habe?«, flüsterte er und knabbert gleichzeitig an meinem Ohr. Mir war egal, wie er es mir besorgte. Ich wollte, ... ich wollte ihn sofort in mir haben. Irgendwie kam mir die Nacht in Erinnerung, als ich das erste Mal bei ihm war und die Orgasmen, die er mir beschert hatte. »Gott Sascha, so wie es aussieht, hast du nicht Hand angelegt. Was ich eigentlich erwartet hätte.«
»Ah, deswegen hast du mich beim Duschen beobachtet.« Er kicherte kurz und wurde schlagartig wieder ernst.
»Jepp!« Ich schnaufte ein, und bevor ich etwas sagen konnte, hauchte er: »Ich weiß, ich bin einfach unverbesserlich«, in meinen Mund und seine Hand hatte inzwischen den Weg zu meinem Hintern gefunden. Fest drückte er mich an sich heran und seine Härte drückte in meinen Bauch. »Du hast meine Frage noch immer nicht beantwortet!«, kräftig schluckte ich und stöhnte auf, als ich ihn zwischen meinen Schenkeln spürte. Wieder waren seine Hände überall und seine Zunge strich über meinen Adamsapfel. Ich machte ihm Platz, dass er besser hinkam. Wuschelte mit meinen Händen durch seine Haare und forderte ihn damit auf, weiterzumachen. Ich war nicht mehr fähig irgendetwas zu sagen und versank in mein Gefühl. Noch bevor ich mich versah, lag ich auf dem Bett und bedeckte Kyels nackte Haut mit meinen Küssen. Wir beide waren ganz in uns gefangen, als ein unbeschreiblich grauenhafter Schrei die ruhige Nacht durchbrach.
Urplötzlich richtete ich mich auf und stieß mit Kyels Kopf zusammen.
»Hast du das gehört?«, fragte ich ihn und er schien in diesem aufgekommenen Schrei gefangen zu sein. Er nickte nur und rutschte von mir runter.
»Hilfe! Wo bin ich?«, schrie es wieder und ich erkannte die verzerrte Stimme.
»Mike!«, rief ich, stieg vom Bett und suchte meine Klamotten, die ich anzog, um dann in Richtung des Gästezimmers zu rennen, in dem er untergebracht war.
Vor einigen Monaten, um genau zu sein, es war irgendwann letztes Jahr im April, bekam ich Besuch von meinem angeblichen Onkel. Mein Vater sollte ihn geschickt haben, um mich wieder auf den rechten Pfad der Tugend zu führen.
Ich musste dazu sagen, ich kannte diesen Mann nicht und überhaupt, warum gab sich ein mir wildfremder Mann als mein Onkel aus? Nun, diese Geschichte war schnell erzählt. Meine Familie war untereinander eh ziemlich zerstritten. Keiner kannte den anderen und anders herum verhielt es sich genauso. Ich kannte aus meiner Familie nur meine Mutter, die die ganze Zeit mit ihren Tourneen und ihrem Drogenkonsum zu tun hatte und mein Vater, der saß irgendwo im Parlament. Also ein hohes Tier, der mehr Zeit mit seiner Hure im Büro verbrachte, als mit mir. Was sollte es. Die Carmen Norm Privatschule war, seit ich eingeschult wurde mein Zuhause. Die Lehrer meine Eltern und die Klassenkameraden meine Freunde.
Also wieder zurück zu dem Mann, der sich als mein Onkel Clancy vorgestellt hatte. Das erste Wochenende war wohl eher ein Kennenlernen. Das zweite Wochenende ging schon etwas lockerer über die Bühne und am dritten Wochenende konnte ich es kaum noch erwarten, dass dieser Mann mich besuchen kam. Der Mann war witzig und ich musste mir eingestehen, er gab mir irgendwie eine innere Wärme, die ich noch nie in mir gespürt hatte. In seiner Gegenwart fühlte ich mich wohl und ich wollte wirklich jedes Wochenende mit ihm verbringen.
Was hatte ich schon? Die Wochenenden verliefen eh alle gleich und dies war eben eine willkommene Abwechslung.
Tja und dann bekam ich meine Abwechslung, ...
In Form von Schlägen, Vergewaltigungen, Erniedrigungen und am Ende kam noch Erpressung dazu. Seit dies anfing, musste ich jedes Wochenende ihm und seinen Szenenkumpels zur Verfügung stehen und niemand interessierte es, ob ich es freiwillig tat oder nicht. Ich hatte mich in dieser Zeit an ziemliche abartige und menschenunwürdige Regeln zu halten und tat ich dies nicht, wurde ich mit einer Gerte fast bis aufs Blut ausgepeitscht. Ihm gefiel es und je mehr Schmerzen ich hatte, umso geiler wurde er. Nur hatte er mich nie genommen. Dies überließ er immer seinen Kumpels und deren ›Sklaven‹.
»Du bist zwar süß und hast einen tollen Knackarsch, aber du bist nicht er. Nein, du bist ganz und gar nicht wie er«, waren immer seine Worte, wenn er es mir mit seinen besonderen Spielsachen besorgte und mich ›sanft‹ bestrafte.
Einmal hatte ich ihn gefragt, wen er mit ›Er‹ meinte. Ich hätte es nicht tun sollen. Er war ausgerastet und hätte mich fast zu Tode geprügelt.
Danach lag ich drei Wochen im Krankenhaus, und als ich wieder rauskam, kam er mich nicht mehr besuchen oder holte mich zu sich ab. Das war irgendwann Ende Oktober gewesen und ich war froh. Froh ihn nicht mehr sehen zu müssen oder seiner Grausamkeit ausgesetzt zu sein.
Wie er mir ständig beteuerte, würde mir eh keiner glauben und damit hatte er recht, redete ich mir immer wieder ein.
In der ganzen Zeit der Prozedur lebte ich isoliert in meiner eigenen Welt. Dem Unterricht folgte ich nur teilweise bis gar nicht und danach schloss ich mich in mein Zimmer, um stundenlang Musik zu hören. Dies änderte sich auch nicht, als ich aus dem Krankenhaus wieder heraus war. Ich lebte nur für mich und meine Freunde nahmen in der Zeit auch Abschied von mir.
Es dauerte einige Monate, um genau zu sein, bis ich ihn das erste Mal sah, damit ich wieder ich war. Wie er vor der Klasse stand und sich vorstellte. Schüchtern sowie dominant. Mit klaren Verstand und doch in sich gekehrt. Seine Augen sahen älter aus, als er war, denn er war jung. Sogar jünger als ich. Seine Haltung war abweisend und doch aufreizend. Ich sah, dass die Hälfte der Mädchen bei ihm dahinfloss. Er aber keine abschätzenden Blicke, was den Umfang der Brüste anging oder welche man als Erstes flachlegte, für die Mädchen übrig hatte. Die waren für ihn gar nicht da. Auch schien es, dass er absolut auf die männliche Konkurrenz pfiff. Dafür gab es nur zwei Optionen. Nein drei. Die Erste; er war in festen Händen und selbst da, checkte man das Angebot ab, die Zweite, er war noch Jungfrau und hatte absolut keine Ahnung, was er mit dem anderen Geschlecht anstellen sollte. Oder und das wäre dann die Dritte; er war schwul, aber selbst da würde man auf die Hinweise achten und schauen, wer vom anderen Ufer war.
Mrs. Weller schickte ihn zum Platz neben mir und er begrüßte mich zögerlich.
»Sascha Fleischhauer«, flüsterte er und ein leichtes Lächeln huschte über seine so abweisenden Züge.
In dem Moment wurde mir etwas bewusst. Er hatte ein Geheimnis. Eins, worüber man nicht sprach. Eins welches viel zu tief in der eigenen Seele vergraben war. Eins das viel zu schrecklich war, sodass man es nicht in die Welt hinausposaunte. Ich hatte meinen Seelenbruder gefunden. Seine Augen waren die Gleichen, wie die Meinen. Sie trugen den gleichen Schmerz.
In den kommenden Tagen freundeten wir uns an und ich fand heraus, dass er sich ungern bis gar nicht berühren lassen wollte. Nur ich konnte ihn ab und zu mal in den Schwitzkasten nehmen und er wurde in meiner Gegenwart immer lockerer. Er lachte viel und sein spitzfindiger Sarkasmus, ganz besonders gegenüber Mr. Carter, war er sehr freundlich, steigerte sich von Tag zu Tag. Aus irgendeinem Grund wich er ihm immer aus oder wenn er an Sascha vorbei ging, hielt dieser sich einen Finger unter die Nase. Ich fragte ihn nie danach. Irgendwann würde er es mir schon sagen, dachte ich mir und doch wollte ich es nicht. Dieses Buch mit seinen sieben Siegeln sollte wohl nicht geöffnet werden. Ich war nicht böse darüber. Er war Sascha mit seinen vielen Facetten, welche die durchschaubar waren und welche die im Verborgenen blieben.
Lange dauerte es nicht und ich empfand wirkliche Freundschaft für ihn.
Mit der Zeit lernte ich all seine Macken kennen und akzeptierte sie. So wie er die Meinen akzeptierte und das war mir mehr Wert als ein Frühstück unter den Reichsten der Reichen.
Bis zu dem Tag, an dem mich ein Anruf ereilte.
»Hallo mein kleines Fickstück!« Mir wurde schlecht und ich wollte wieder auflegen, doch er gab mir nicht die Zeit dazu. »Überlege es dir genau, bevor du auflegst. Die Bilder sind schneller im Umlauf, als du bis 1 gezählt hast!«
»Bitte lass mich in Ruhe!«, flehte ich ihn, wie schon so oft an, doch wie immer lachte er nur.
»Du hast nichts zu bitten und jetzt hör mir genau zu. Auf deiner Schule geht ein junger Mann. Sein Name ist Sascha Fleischhauer. Merke dir diesen Namen. Ich sage ihn nur einmal. Er ist mein Eigentum. Er weiß es, aber wie es so ist und wie es bei dir war, will er es nicht wahrhaben. Er gehört mir. - Hier mein Befehl. Observiere ihn. Erzähle mir alles über ihn, was du in Erfahrung bringen kannst. Seine Vorlieben, seinen Tagesablauf. Ich will alles wissen. Erfüllst du mir meinen Wunsch, gebe ich dir die Negativen und du bist frei. Wenn nicht, ... werde ich dich wieder zu einer Session mitnehmen. Und glaube mir, du wirst nicht mehr so unbeschadet davonkommen, wie sonst. Ich werde mich weigern, meine schützende Hand, über dich zu halten. Dann bist du wirklich nur noch Freiwild!« Er legte auf und ließ mich mit hämmernden Herzen zurück.
Seit Wochen hatte er sich nicht mehr gerührt und ich war froh darüber, doch nun? So plötzlich. Ich fasste es nicht und verdammt, mir blieb nichts anderes übrig, als ihm zu gehorchen.
So fing ich an, Sascha zu beobachten und alles was er tat, seine Mimik, seine Gesten und ja seine Stimme prägte ich mir ein. Alles. Es gab nichts, was ich nicht über ihn wusste. Selbst seine Haltung und Gesten, alles wurde für mich durchschaubar. Das undurchdringliche Buch begann Buchstaben zu entwickeln und ich erzählte alles dem Menschen, der mich immer und immer wieder hatte vergewaltigen lassen. Der meinen Körper benutzt hatte, um sich aufzugeilen, für jemand anderen und mit der Zeit wurde es mir bewusst. Dieser Er, denn er stetig gemeint hatte, war Sascha. Der einzige Freund, den ich hatte und den ich seit Wochen verriet. Sein Geheimnis war mir nicht mehr verborgen. Ich bemerkte, nachdem Sascha wieder Carter ausgewichen war, dass der Sekretär, das gleiche Parfüm an sich haften hatte, wie Clancy und da brauchte ich nur noch eins und eins zusammenzählen. Sascha war auch ein Opfer von diesem kranken Mann.
Wie immer rief ich Clancy an und berichtete ihm alles, was Sascha und ich den Tag über erlebt hatten. Und auch, dass er der Repräsentant der Schule geworden ist.
»Das hat er mir zu verdanken! Hör zu! Ich will, dass du mir alles erzählst, was bei ihm daheim los ist. Wie er lebt und wohnt, ...!« Mehr sagte er nicht und legte wieder auf.
Kälte unsagbare Kälte legte sich über mich und ich schloss meine Augen. Wann hörte es endlich auf? Wann lässt er mir meine Ruhe? Wann ... Wann ...? Warum ich? Was hatte ich getan?
Das Ganze half mir nichts. Ich musste ihm gehorchen, schon der Bilder wegen, die er von mir gemacht hatte. Er hatte mir gedroht sie dem besten Blatt zu verkaufen, wenn ich mich weigern sollte. So blieb mir seit Monaten nichts anderes übrig, als alles über mich ergehen zu lassen. Die Sessionen waren die Schlimmsten und allein nur die Erinnerung daran, ließ mich wieder in meine eigene Welt zurücksinken. Aber es half mir nichts und ich richtete mich auf.
Suchte nach Sascha und fand ihn auf dem Flur zum Ausgang. Er hatte es gut. Er durfte um halb drei nach Hause fahren, aber auch nur, weil er einen Job hatte. Sonst müsste er, wie wir alle, bis halb fünf hier versauern. Aber wie sollte es schon anders mit dem Rektor sein, hatte er ihn für alle zwei Wochenenden zur Nachhilfe für die Jüngeren verdonnert. Nun ja, gleiches Recht für alle, war seine Devise und wir Schüler mussten uns dem beugen.
Auf dem direkten Weg lud ich mich zu ihm nach Hause ein und ließ ihm einfach keine Wahl.
Wie angekündigt war ich um halb neun bei ihm. Seine Schwester Sarah, meine Fresse war das ein Gerät, sagte mir, dass er noch in der Arbeit war und sie nicht wüsste, wann er wieder heimkam. Ich solle halt auf ihn warten.
Keine halbe Stunde später kam, und ich war sprachlos, ... Kyel Kastner. Mit einem schwarzen Mann und zwei weiteren mir fremden Menschen in dieses Haus. Kurz fragte er mich, wer ich war und als ich mich vorstellte, meinte er nur, dass Sascha schon einiges von mir erzählt hatte und dass er bald kommen würde. So wartete ich und lauschte der Unterhaltung. Sie war ungezwungen und sehr ausgelassen. Irgendwann hörte ich die Tür und erblickte in Mr. Kastners Augen ein Leuchten. Kurzerhand verabschiedete er sich und kam gleich drauf wieder zurück. Seine Haltung hatte sich verändert. Sie war, wie sollte ich es sagen, aufgekratzt, ja und auch wieder nicht und was dann geschah, löste alles, was ich von Sascha wusste, in Rauch auf. Alles hätte ich geglaubt, aber wirklich alles. Sascha hätte mir die Storys von den wilden Pferden auftischen können, ich hätte sie geglaubt, aber, dass er und Mr. Kastner ein Paar waren, ... das nicht, ich hätte ihn für verrückt erklärt.
Und es war schön anzusehen. Sie harmonierten miteinander. Ihre Körper schmiegten sich im Einklang aneinander, wie Jing und Jang. Die beiden gehörten zusammen, dies würde sogar ein Blinder sehen.
Kyel ließ ihn die ganze Zeit nicht mehr aus den Augen und etwas war zwischen ihnen. Dieses Knistern konntest du sogar in einem schallfreien Raum hören.
Mein Vorhaben oder mein Befehl rückte immer weiter von mir weg. Ich konnte es nicht. Ich würde Clancy dies auf keinem Fall mitteilen. Ich wollte nicht daran schuld sein, wenn er dazwischenfunkte und ich sank hinab in meine innerste Dunkelheit.
Ich unterhielt mich zwar mit Sascha, aber alles so recht mitbekommen, tat ich nicht. Alles um mich herum bestand nur aus Rauch und dichtem Nebel. Vage erkannte ich die Umrisse und mehr auch nicht. Irgendwann war alles dunkel.
Vergebens versuchte ich, meine Augen zu öffnen, doch es ging nicht. Verzweifelt versuchte ich, meine Arme und Beine zu bewegen, auch dies ging nicht. Ich war wieder in dem Raum, ans Bett gefesselt und wartete, dass einer von Clancys Kameraden kam, um sich an mir zu vergehen. Ich hörte die Tür und Schritte, die sich mir näherten.
Es war immer noch Dunkel. Meine Augen waren verbunden und der Knebel in meinem Mund drückte unaufhörlich.
Ich wollte schreien, aber es kam nur ein unterdrückter Ton von Nichts aus meiner Kehle und schon spürte ich, wie ich in Position gezerrt wurde.
Schmerz. Urplötzlicher Schmerz durchschoss meinen Hintern und ich fand meine Stimme wieder.
Erschrocken setzte ich mich auf. Ich war von meinem eigenen Schrei wach geworden und blickte mich in dem fremden Raum um. Angst umhüllte mich. Ich wollte nicht schon wieder dort sein.
»Hilfe! Wo bin ich?«, schrie ich wieder und fummelte mit meinen Händen das Bett ab. In dem Moment wurde die Tür aufgerissen und ich erschrak. Rutsche weiter zum Bettrand und kauerte mich in die Ecke. Schüttelte mit stockendem Atem und rasendem Herzen den Kopf und meine Lippen formten nur wenige Worte, die keinen Klang besaßen. »Nein, bitte nicht!«
Immer wieder wiederholte ich diese paar Wörter und wie aus dem Nebel drang ein Fluchen zu mir.
»Verfluchte Scheiße!« Ich starrte den Mann an. Ich kannte ihn. Ja, ich kannte ihn und ich war in seinen Augen gefangen. Sie waren genauso kalt, wie die von Clancy.
»Bitte nicht!« Immer wieder flüsterte ich die Wörter vor mich hin und schüttelte den Kopf.
»Kyel geh aus dem Zimmer!« Diese Stimme. Ich kannte sie. Sie gehörte Sascha. Aber wie kam er hierher? War er auch einer von denen? Egal ich konnte mir die Fragen stellen, wie ich wollte, ich war in diesem kalten Blau gefangen. Ich bekam nicht mit, wie dieser Mann, den ich kannte und auch wieder nicht, dieses Zimmer verließ. Ich spürte nur, wie sich das Bett bewegte und ich schob mich weiter in die Ecke. »Mike!« Das war mein Name, aber ich wurde nie, während einer Session, mit meinem Namen angesprochen. Ich wurde immer als Fickstück oder Nichtsnutz bezeichnet. »Mike!« Wieder rief mich jemand und wieder war es die Stimme von Sascha. »Hey Mike! Komm wieder zu dir!« Das war definitiv Saschas Stimme und wieder schüttelte ich den Kopf.
»Bist du auch einer von denen?«, fragte ich leise, obwohl mir das Sprechen verboten war.
»Einer wovon?« Ich zuckte zusammen. Es war neu, dass mir jemand auf eine Frage eine Antwort gab. Sonst wurde ich immer geschlagen.
»Sascha!«, flüsterte ich leise und erst da bewegte ich meinen Kopf in seine Richtung.
»Ja. - Was hast damit gemeint, einer von denen?« Ja stimmte. Ich war in keiner Session. Es war nur ein Traum und der Nebel fiel endgültig von mir.
»Ach nichts weiter. Ich habe wohl geträumt«, sagte ich stattdessen. Dennoch, der Blick von Sascha war durchdringend, als ob er wusste, oder ahnte, was in mir vorging. Er lächelte mich an.
»Ist schon gut. Soll ich dir ein Glas Wasser bringen?« Ich nickte und er stand auf. Dann fiel mir auf, er hatte mich nicht berührt. Nicht wie die Lehrer, die von den anderen Schülern gerufen worden waren und mich immer mit ›beruhigenden‹ Streicheleinheiten beruhigen wollten. Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
»Er ist mein Eigentum. Er weiß es genauso wie du!«
»Du gehörst auch Master Clancy, ...!«, mehr brachte ich nicht raus. Saschas Ausdruck änderte sich von einer Sekunde auf die Nächste und Kyel stürmte ins Zimmer.
»Sascha gehört niemanden. Und erwähne nie wieder den Namen von diesem Wichser!«, zischte er. Sascha hob seine Hand, strich über sein Gesicht, schüttelte leicht den Kopf und blickte den Mann, dessen Augen vorhin für mich Angst einflößend waren und nun den Ausdruck totalen Schmerzes in sich hatten, sanft an.
»Ist schon gut, Kyel. Bring uns bitte, etwas zu trinken. Okay?!«
Ich hatte mich verhört, oder? Mike! Warum Mike?
Nachdem Kyel uns etwas zu trinken gebracht hatte, brauchte ich Mike nur einen kleinen Anstoß geben und er redete, was das Zeug hielt. Die ganze Zeit über schwieg ich und ließ ihn nicht aus den Augen. Denn wenn ich meinen Blick von ihm wenden würde, würde er aufhören zu erzählen und alles wieder in sich hineinfressen.
Immer wieder zuckte er zusammen, wenn seine dunklen Schatten die Oberhand gewannen und ich wusste nur zu gut, wie es in ihm aussah. Er war wahrscheinlich zerbrochener, als ich. Mike hatte niemanden, bei dem er sich ausheulen konnte, seinen Schmerz teilen oder einfach eine Schulter, die ihn hielt. Und während des Gespräches fand ich heraus, dass ich diese Schulter war. Ich hatte ihm Halt gegeben, in der Zeit, in der Clancy ihn nicht anrief und ich erzählte ihm auch warum. Seine Augen erstrahlten, als er erfuhr, dass Clancy im Gefängnis saß und seine Lebensgeister kamen zurück.
Nach ewigen weiteren Minuten war er wieder der alte Mike und Kyel konnte auch wieder das Zimmer betreten, ohne das Mike vor ihm zurückwich.
»Scheiß Alkohol!«, meinte Mike irgendwann und grinste mich wie immer an.
»Hör zu! Es ist egal, mit was dich Clancy in der Hand hat!« Wow, ich konnte den Namen aussprechen, ohne dass mir schlecht wurde.
»Lass dich nicht mehr von ihm erpressen, ...!«, warnte Kyel ihn.
»Du bist mir nicht böse?«, fragte er und ich schüttelte den Kopf.
»Warum sollte ich?«, fragte ich zurück und lächelte ihn an.
»Mike, das Wichtigste ist, dass du zur Polizei gehst?«, mischte sich Kyel ein. Wie auch ich damals, schüttelte Mike energisch den Kopf.
»Das geht nicht!«, warf er ein.
»Das geht schon, und zwar gleich morgen. Ich werde in der Schule anrufen und euch beide entschuldigen!«, sagte er und sein Blick traf mich wie ein Schlag. »Ach und Mike, versuch ja nicht abzuhauen!« Röte schoss in mein Gesicht und ich räusperte mich kurz. Diese Reaktion von mir blieb Mike nicht verborgen und er schaute mich fragend an.
»Ähm, ja, ich bin abgehauen. Und es hat mir nichts gebracht. Kyel hat mich trotzdem zur Polizei geschleppt.« In einem Moment erhellten sich seine Augen und im Nächsten verdunkelte sie sich.
»Also das ist ja mal was ganz anderes?«, hörte ich die flötende Stimme von Raoul aus dem Flur zu mir dringen. Der natürlich gleich mit der Tür ins Haus fiel und wie aus dem Ei gepellt aussah. Hatte er das letzte Mal strohblonde Haare, so waren sie nun lila gesträhnt und wie immer passte das Make-up, welches er sich aufgelegt hatte, dazu. Kurz blickte ich auf die Wanduhr, die im Gästezimmer hing, es war halb vier nachts und ich fing an, mich zu fragen, ob er auch einmal wie ein normaler Mensch aussah. Was ich allerdings gleich wieder verwarf, als er auf mich zukam, mich in die Arme nahm und einen Hauch auf meine Wange setzte. Mich sogleich losließ und sich dem überaus sprachlosen Mike widmete. »Ah, du musst also Mike sein? Sascha hat schon sehr viel von dir erzählt. Und es freut mich wirklich, dass mein Schatz einen so liebenswerten Freund gefunden hat.« Mike konnte nicht anders und nickte nur. Ich musste ein Schmunzeln unterdrücken, als er Raoul mit einem fassungslosen Blick hinterherschaute.
»Ja, das ist Raoul. Wie ein Wirbelwind und von null auf Hundert, ...!« Ich untermalte es mit einer Handbewegung, die darauf deuten ließ, dass ich ein Flugzeug nachmachte. Mike nickte nur. Und wie es seine Art war, nahm er es einfach so hin. Langsam verstand ich auch sein Verhalten und es tat mir, ich musste es mir eingestehen, in der Seele weh.
Was musste Mike in den ganzen Monaten durchgemacht haben. Ich konnte mir nur einen Teil dessen ausmalen, was wirklich passiert war. Immerhin war ich ›nur‹ eine Woche sein Gefangener und wurde nicht umhergereicht wie Mike. Mike musste jedes Wochenende die Hölle durchmachen, und als er sich danach einigermaßen erholt hatte, ging alles wieder von vorne los. Und das über Monate. Ich war ziemlich überfordert und bekam nur am Rande mit, das Kyel immer angespannter und zynischer wurde.
Irgendwann, ich hatte keine Ahnung, wie spät es war, traf mich der Schlag, als ich auf die Küchenuhr blickte, es war kurz vor sieben Uhr früh. Kein Wunder, dass ich Hunger bekam, denn um diese Zeit frühstückte ich immer. Da klingelte es an der Haustür. Als Erstes kam Anthony mit Emily, die ihren schlafenden John auf dem Arm hielt, in die Küche. Dann Gerbert, Hilal und Loris, die sich alle an der Kaffeemaschine zu schaffen machten.
»Was macht ihr alle hier?«, fragte Kyel, der nur noch einen einzigen Tropfen benötigte, um zu explodieren.
»Wir haben gewartet, bis Nigel den ersten Schritt tut!«, antwortete Anthony wahrheitsgemäß.
»Was?«, riefen Kyel und ich gleichzeitig aus.
»Jepp! Wir wussten, dass er irgendwann wieder in Aktion tritt«, mischte sich Hilal ein.
»Und jetzt hatte er es getan!«, sagte Loris.
»Nun sind wir hier!«, grinste Anthony.
»Aber warum? Woher?«, fragte Kyel.
»Nun, Nigel ist ein Red Eye und einmal eine Mission angefangen, wird sie bis zum Ende durchgezogen!«, meinte Anthony weiter.
»Aber woher wisst ihr das? Das mit Mike ...?« Anthony deutete leicht zu Raoul, der sich mit Emily über Kindererziehung unterhielt. Kyel verdrehte die Augen und setzte sich an den Tisch.
»Das Atelier kann nicht genutzt werden. Die Renovierungsfirma kommt morgen. Nein heute!«, seufzte Kyel und rieb sich die Stirn.
»Aber wie kann das sein? Er sitzt im Gefängnis!«, fragte ich Anthony und es war mir unbegreiflich.
»Ja er sitzt im Gefängnis. Aber das ist für ihn kein Hindernis. Ich wundere mich sogar, dass er nicht schon längst ausgebrochen ist«, meinte Anthony beiläufig und mich durchzog ein kalter Schauer.
»Ausgebrochen??«
Die Gruppe, die aus Spezialagenten bestand, löcherte Mike bis zu den Grundmauern seiner zerborstenen Seele. Und wieder fragte ich mich, wie er alles erzählen konnte. Keine Regung huschte durch sein Gesicht. Keine Gefühlsschwankung zierte seinen Vortrag. Er erzählte alles monoton, als ob es nur eine Geschichte aus längst vergangener Zeit wäre. Als ob sie zwar da war und doch irgendwo unter vielen Schichten kalter Luft verborgen schien.
Ich hingegen musste sehr oft meinen Kopf in eine andere Richtung drehen oder meine aufkommenden Tränen unterdrücken. Sein Erlebtes war schrecklich und ich fühlte mich klein. Ich zeterte monatelang herum und er tat es ab, als ob dies alles Nichts wäre.
Kurzerhand beschloss ich, dass Mike, bis alles überstanden war, hier einzog. Kyel war damit einverstanden und die Gruppe, die aus den Agenten bestand, nickte allesamt.
Mike war nach dem Frühstück wieder der Alte und nichts zeugte von letzter Nacht. Er bot sich sogar an, mit mir in die Stadt zu fahren. Natürlich begleitete uns Hilal. Allerdings wurde Kyel zu einem Meeting gerufen, bei dem er unbedingt anwesend sein musste. Also fiel der Polizeibesuch ins Wasser und ich musste sagen, ich war nicht böse darüber. Besonders konnte ich mich in dieser Beziehung in Mike hineindenken. Die Gefühle verstehen, die in dieser Situation durcheinanderwirbelten und dafür sorgten, einfach nicht mehr zu wissen, was man wollte. Was richtig oder falsch war. Ich wurde nicht erpresst, aber ich wusste auch, sollte ich einmal in dieser Situation stecken, ich würde mich für meine Liebsten entscheiden. Egal ob ich mir damit selbst Schmerzen und Leid zufügte oder nicht.
Morgen war Kyels Geburtstag und ich musste zu meinem Leidwesen eingestehen, ich hatte immer noch kein Geschenk für ihn. Ich fühlte mich schlecht und je weiter der Tag voranschritt, umso unbehaglicher wurde es mir. Herr Gott, ich hatte absolut keine Ahnung, was man einem Geschäftsguru schenkt, der sich mit einem Fingerschnippen alles leisten konnte. Ja, Kyel war ein Multimilliardär und ich kämpfe immer noch damit. Er könnte, wenn er wollte, die ganze Stadt kaufen und selbst dann würde er noch reich sein. Zur Vorstellung, Reich sein bedeutete für mich schon, im Monat über die Runden zu kommen, und zu wissen, ja, ich habe all meine Rechnungen bezahlt und habe Ende des Monats noch etwas übrig, damit ich unvorhersehbare Rechnungen bezahlen konnte. Das bedeutet für mich Reichtum. Deswegen belächelte Kyel auch immer mein Gehalt. Wenn ich mich mal freute, dass ich 5 $ mehr hatte als sonst.
Aber als ich die Haufen Nullen auf dem Kontoauszug vor der dreistelligen Zahl gesehen hatte, wurde es mir etwas schwummrig. Definitiv konnte ich damit nichts anfangen. Und dass sollte alles mir gehören. Kyel hatte absolut einen Klatscher, auf gut deutsch gesagt.
Jepp ich lebte zwar seit über zehn Jahren in Amerika, aber denken tat ich immer noch deutsch. Und ich war nicht reich. Ah, was machte ich mir eigentlich für Probleme? Keine Ahnung, warum, aber ich wollte Kyel einfach nicht ausnutzen. Dafür liebte ich in viel zu sehr. Er war mein ganzer Halt. Er, der alles über mich wusste. Er, der mir geholfen hatte über dieses Erlebnis hinwegzukommen. Und das, obwohl ich ihn zuerst nur als One-Night-Stand gesehen hatte.
Leicht beschmunzelte ich diese Situation, in der ich mich befand.
Wir schlenderten durch sämtliche Läden und ich fand nichts. Eigentlich wusste ich überhaupt nicht, nach was ich suchen sollte. Kyel war so schwierig und vor allem hatte er schon alles. Nach dem fünften Ramschladen sagte ich, dass ich einen Kaffee bräuchte.
»Was suchst du überhaupt?«, fragte Mike, der genüsslich ein Stück Torte aß. Manchmal fragte ich mich, wohin er das alles hin aß. Kurz zuckte ich mit den Schultern und antwortete gedankenversunken: »Woher soll ich das wissen? Kyel hat morgen Geburtstag und ich habe absolut keine Ahnung, was ich ihn schenken soll. - Der hat doch schon alles.« Hilal, der mit uns am Tisch saß, grinste
»Meine Frau hat mir einmal das schönste Geschenk gemacht!« Er grinste breiter und errötete.
»Und was war das?« Das war ja wieder typisch für Mike. Entweder tat er es ab, so als ob es ihn überhaupt nicht interessierte oder überfiel einen im nächsten Moment mit seiner direkten Art. Hilal schien es ihm nicht böse zu nehmen und seine Augen nahmen einen glasigen Ausdruck an. Leicht zog ich meine linke Augenbraue nach oben und musterte den träumenden Mann. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass dieser Mann, der sehr tief in seiner himmlischen Vergangenheit festsaß, ein Agent sein sollte, der eiskalt auf Befehl Menschen tötete.
»Nun ja, wie soll ich es erklären. Es war in dem Sinne kein Geschenk. Es war mehr, viel mehr. Sie hat mir ihre absolute Liebe und Treue geschenkt.«
»Sie hat Ihnen einen Heiratsantrag gemacht. Ist es aber bei euch Muslimen nicht so, dass ihr versprochen werdet.« Hilal lachte los.
»Bursche ich bin zwar ein Türke, aber ich habe es nicht so mit der Tradition. Und nein, ich habe den Antrag gemacht und meine Christin hat meinen Antrag angenommen. Das war das beste Geschenk, welches ich je bekommen habe. Außer meinen beiden Kindern.«
›Na toll! Soll ich Kyel einen Antrag machen? Zu seinem Geburtstag?‹, nein, das ging nun mal überhaupt nicht. Verdrossen schnaufte ich ein. Und widmete mich meinem inzwischen schon kalt gewordenem Kaffee.
Die beiden unterhielten sich noch über Tradition und anderes belangloses Zeugs und ich ließ meinen Blick durch die Fußgängerzone schweifen. Bei einem Schild blieb mein Blick haften und ich sagte zu den anderen, dass ich gleich wieder da sei. Ich stand auf und schlenderte auf den Laden, mit dem wirklich ›hervorstechenden‹ Schild, zu. So unscheinbar wie anziehend war die verschnörkelte Schrift und ich betrat den Laden. Alter Mann Geruch mit einer Mischung von ozonhaltigen Elektrogeräten schlug mir entgegen. Kurz blickte ich mich um und fühlte mich so fehl, aber auch wieder richtig an diesem Platz.
»Guten Tag. Kann ich Ihnen helfen?«, wurde ich von einem wirklich alten Mann begrüßt. Nun fühlte ich mich fehl am Platz und mein Einfall rutschte in die hinterste Ecke meines, ich musste zugeben, im Moment versauten Gehirns. Der ältere Herr blickte mich immer noch fragend an und ich konnte nicht anders und grinste ihn verlegen an.
»Nun ja!«, fing ich an und strich mir mit der Hand durch meine Haare. »Ich wollte mich fotografieren lassen.« Er blickte mich durchdringend an und irgendwie verwarf ich mein wirkliches Vorhaben.
»Schön. Wollen Sie ein Passfoto oder ein Porträt?«, fragte er und es wirkte nicht geschäftlich, sondern freundlich und zuvorkommend. Nun ja, an Passfoto hatte ich nicht gerade gedacht und an ein Porträt, auf dem ich aussah, wie aus dem Ei gepellt oder auf einer Konfirmation, war auch nicht in meinem Sinn gewesen und ich druckste leicht herum. Wie konnte oder sollte ich einem alten Mann, der schon seit über zwanzig Jahre seine Rente bezog, begreiflich machen, dass ich mich nackt fotografieren lassen wollte.
»Ähm nichts von beidem. Etwas mehr extravagant, für ...!«, wieder druckste ich etwas herum und er zog beide Augenbrauen nach oben.
»So, verstehe. Ein Aktfoto für die Freundin!«, rutschte es aus ihm heraus und ich grinste ihn wirklich sehr verlegen an. Schließlich nickte ich. »Das kommt in letzter Zeit ziemlich selten vor. Schade finde ich das. Früher haben sich die Herrschaften wie die Damen öfters aufreizend fotografieren lassen. Natürlich hinterm Vorhang. Damals war das ja verpönt. Aber Sie wissen es ja, heutzutage kann ja jeder ein Fotograf sein und mit der richtigen Computertechnik geht das alles. Aber aus Nichts etwas machen, das ist Kunst. Kommen Sie.« Mit leichtem Abstand folgte ich dem Mann in sein Kämmerchen und hier war wirklich die Zeit stehen geblieben. So wie man es in den alten Filmen sah, waren Fotos in Reih und Glied an einer Wäscheleine aufgehängt. Er führte mich weiter und zeigte in eine Ecke. »Hier könne Sie sich entkleiden. - Haben Sie eine bestimmte Vorstellung?«, fragte er mich und fing an, bestimmte Einstellungen an einer altmodischen Kamera abzugleichen.
»Nein nicht wirklich!«
»Verstehe.«
Ich war mit dem Ausziehen fertig und behielt nur meine Unterhose an. Kurz musterte er mich und nickte schließlich.
»Sie können die Unterhose anbehalten. Sie ist sehr modisch!«, murmelte er und ich blickte an mir hinab. Ach ja wirklich? War sie das? Nun ich hatte mit Mode absolut nichts im Sinn. Das Zeug musste passen und nirgends zwicken. Als ich wieder aufsah, sah ich ein Glitzern in seinen Augen und wie er immer wieder vor sich hin nickte. »Nun gut. Sind Sie bereit?« Ich belächelte ihn nur, und als ich mit dem ›Shooting‹ fertig war, musste ich wirklich meine Einstellung gegenüber älteren Leuten ändern. Am nächsten Tag würde ich bestimmt Muskelkater haben. Den Laden verließ ich mit einer Schatulle, sie samt Inhalt hatte mich ein Vermögen gekostet.
Als ich an den Tisch zurückkam, waren die beiden immer noch sehr in ihrer Unterhaltung vertieft. Mike lachte, als ob nie was geschehen war und eigentlich wollte ich ihn bewundern, doch ich wusste es besser. Dies war seine Fassade, in der Hoffnung, nicht noch mehr verletzt zu werden.
Im Laufe des Tages bekam Mike von Clancy einen Anruf und erzählte alles wahrheitsgemäß, bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich heimkam. Ab da konnte Mike dem Lügenbaron Münchhausen die Hand reichen. Er log, was das Zeug hielt und er wurde nicht einmal rot. Es ging auf Abend und etwas Drückendes schlich sich in mein Herz.
»Emily hast du Mom heute schon einmal gesehen?« Sie verneinte es und wie am Tag davor, versuchte ich, mich damit zu beruhigen, dass sie höchstwahrscheinlich bei Lenard war. Aber es war sehr untypisch für sie. Erstens fand ich keine Zettel mit unseren jeweiligen Namen darauf und zweitens, soviel ich wusste, hatte sie Nachtschicht. Die gleiche Schicht wie Lenard. Vor allem blieb sie keine zwei Tage von daheim weg. Ich schnappte mir mein Handy und wählte die Nummer meiner Mutter.
Es klingelte am anderen Ende und nach einer Ewigkeit wurde abgehoben.
»Fleischhauer!«, meldete sich meine Mutter.
»Hi! Ich bin’s. Ich wollte dich nur mal fragen, ob ich etwas Abendessen für dich aufheben soll?«
»Nein ich bin bei Lenard und wir gehen dann ins *Marquise Rosi Essen.«
Hä! Marquise Rosi. Was sollte denn der Scheiß. Wollte die mich verarschen? Doch bevor ich weiterreden konnte beziehungsweise nachfragen, verabschiedete sie sich und legte auf. Leicht verdattert blickte ich mein Handy an und Kyel fragte, was los sei.
»Also ich weiß nicht. Wisst ihr etwas, das Mom nach Deutschland gereist ist? Oder gibt es hier, in der Nähe ein Restaurant das Marquise Rosi heißt?«
»Was meinst du?«, wurde ich gefragt und legte mein Handy auf die Seite.
»Nun. Meine Großeltern besitzen einen Süßigkeitenladen der Marquise Rosi heißt. Aber der ist in Deutschland.« Keiner kannte ein Restaurant mit diesem Namen und ich tat es als Scherz vonseiten meiner Mutter ab.
Lange lag ich noch wach und ließ die vergangenen Tage Revue passieren. In den letzten 48 Stunden war eindeutig viel zu viel passiert. Egal ob ich mir darüber Gedanken machte oder nicht, es war eh sinnlos.
Wie automatisch fuhr ich mit meiner Hand auf die andere Seite des Bettes und schnaufte verdrossen ein. Kyel war immer noch nicht nach Hause gekommen und ich fing an, seine Wärme zu vermissen. Kurzerhand schnappte ich mir sein Kissen, drückte meine Nase rein und zog gierig seinen Duft in mich. Scheiße ich reagierte darauf und wünschte mir nichts mehr, als das er bald neben mir lag. Ich zog mich aus. Keine Ahnung warum, aber ich hatte das Gefühl, dass mich die Unterhose einengte.
Irgendwann dämmerte ich weg und wie schon so oft, verfolgten mich starre graue Augen durch meine Träume. Mit einem Gemisch aus meeresblau und unterdrücktem Stöhnen. Feingliedrige Finger strichen mir meine dunklen Strähnen aus der verschwitzten Stirn und beruhigendes Gemurmel drang zu mir hoch. Ein Keuchen wurde meiner Kehle entlockt, welches durch sanftes Penetrieren meines zu engen Eingangs hervorgerufen wurde. Mein Muskel öffnete sich immer weiter und vage drang helles Licht durch meine Lider. Wieder stöhnte ich und unwillkürlich flüsterte ich nach mehr und gleichzeitig, dass es aufhören sollte.
Tränen sammelten sich in meinen Augen und mein Körper erzitterte. Ich ließ meine Augen geschlossen, selbst nachdem ich wach war, wollte ich mein Gegenüber nicht ansehen. Ich hatte Angst und gleichzeitig war ich froh.
»Ich weiß, dass du wach bist!«, hörte ich ihn murmeln und keuchte auf, als er seinen zweiten Finger in mich schob. Ich erkannte die Stimme und mein Seelenheil erhob sich in Höhen, die nicht einmal der Verstand begreifen konnte. »Na, was habe ich gesagt. Du bist wach!« Ich schnaufte tief ein. Nun öffnete ich meine Augen und das starre Graue, das mich verfolgt hatte, verflog in die dunkelste Ecke meines Verstandes und machte Platz für meeresblau. Schelmisch grinste er mich an und musterte meine Haltung. »Also so was habe ich auch noch nicht gesehen!«
»Was?«
»So wie du daliegst. Sabberst mein Kissen voll und hast dich komplett in meine Decke gekuschelt. Nackt.«
»Ich habe eben einen Ersatz gebraucht«, versuchte ich, mich zu verteidigen, aber dass ich so was von geil war, erwähnte ich nicht. Das sah man auch so.
»Sieht man, und es war ziemlich schwer dich daraus zu bekommen!«, hauchte er nur noch und beugte sich zu mir runter. Gierig empfing ich ihn und mein Ersatz landete neben dem Bett. Heftig zog ich Kyel an mich heran und unsere Zungen begrüßten sich freudig.
Ich brauchte Kyel nur in die Augen zu sehen und ich wusste, was er vorhatte. Leicht schüttelte ich den Kopf. Süffisant lächelte er. »Du rennst seit gestern mit einem Dauerständer herum.«
»Du meinst wohl seit vorgestern.«
»Oh, doch schon so lange? Na dann wird es aber Zeit, dass ich es meinem kleinen Orkan so richtig besorge!« Ich konnte nichts mehr darauf erwidern. Seine Hände waren überall und ich ergab mich ihm. Ich wollte ihm endlich in mir spüren und dass er mit seinen Spielen aufhörte.
Ich spürte, wie ein Orgasmus sich anbahnte und Kyel der Meinung war, ihn mir nicht zu gönnen.
»Verfluchte Scheiße, mach es endlich!«, zischte ich ihn an und seine Augen wurden dunkler.
»Nein!«, hämisch grinste er mich an. »Nicht bevor du so richtig heiß bist.« Was hatte er gesagt? Ich glaubte, ich hatte mich verhört? Verfluchte Scheiße ich war so was von geil und ich wollte nichts mehr, als dass er es mir besorgt.
»Hör mit dem Spielen auf!«, murmelte ich und bäumte mich unter ihm auf. Seine Zunge strich sanft über meine Brustwarze.
»Ich fange gerade erst an ,...!« Er küsste sich zu meinem Hals hoch, weiter zu meinem Mund und forderte Einlass. Blickte mich an und ich wurde aus seinem Ausdruck nicht schlau. Es war der Gleiche, mit dem er mich in der Dusche bedacht hatte. Was hatte er vor?
Dunkle Erinnerungen stiegen vor mein geistiges Auge und der starre graue Ausdruck lachte auf mich herab. ›Du gehörst mir Sascha. Du kannst nicht vor mir fliehen. Egal wann, egal wo, egal wie, ich werde immer bei dir sein.‹ Diese Erinnerung schob ich von mir weg. Clancy war kein Bestandteil meines Lebens mehr. Er war vorbei. Ich liebte Kyel. Kyel war mein Leben und meine Seele, ich würde ihn mir nicht mehr wegnehmen lassen.
Kräftig schluckte ich meine zäh angesammelte Spucke runter und drücke Kyel fester an mich heran. ›Warum musste ich gerade jetzt an ihn denken? Ich werde ihm nicht wieder die Oberhand überlassen. Ich werde ihm gegenübertreten. Ich werde meine Aussage machen, damit er für viele Jahre hinter Gittern versauern muss.‹
»Bitte schlafe mit mir!«, flüsterte ich in sein Ohr und ohne ein weiteres Wort hob er meine Beine an und drang in mich ein. Bei jedem Stoß wich die Erinnerung wieder weiter zurück in die Dunkelheit.
Es war Kyel, und bevor ich so weit war, entzog er sich mir. »Was war jetzt schon wieder los?«, huschte es mir durch meine Gedanken. Sah er denn nicht, dass ich total überreizt war, dass ich es brauchte? Verfluchte Scheiße, er sollte endlich mit seinem dämlichen Spiel aufhören. Ich hatte schon lange die Segel gestrichen und wollte nur noch von ihm genommen werden.
»Noch nicht, mein kleiner Orkan. Es ist das Nachspiel und ich werde dich leiden lassen.«
»Du bist verrückt!«, brachte ich kaum noch raus. »Wie, ...« und es war aus. Ich spürte wieder seine Hände und wie sie meine speziellen Stellen reizten. Meine Geilheit bestand nur noch aus Stöhnen, Keuchen und dem Betteln, mich endlich kommen zu lassen. Egal wie ich es drehte und wendete. Es war sein Nachspiel, und wie ich es schon befürchtet hatte, hatte ich haushoch verloren. Ich hatte nicht einmal richtig darum gekämpft und ich musste zugeben, ich wollte auch nicht. Es war nur ein kleiner Funke meines aufbäumenden Selbst, welches ich beiseitegeschoben hatte, weil ich lieber den Part des Verführten innehatte. Kyel hatte viel zu viel Macht über mich. Er war schon zuvor und er war es auch in diesem Moment, durch und durch ein Master. Darauf bedacht, mit seinem Handeln, seinem Partner Vergnügen zu bereiten oder durch seinen Partner sich selbst Vergnügen zu gönnen. Scheiße was dachte ich da nur und wieder spürte ich meinen anbahnenden Orgasmus, den Kyel erfolgreich unterdrückte. Ich fing an, ihn zu hassen ...
Immer und immer wieder verweigerte er mir meinen Orgasmus, bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich selbst Hand anlegen wollte. Nur um ihn einen kleinen Strich durch seine Rechnung zu ziehen. Es war vergebens.
»Tzz, das wirst du schön bleiben lassen!«, keuchte er und schnappte meine Hände. »Ich sage es nur einmal, wenn ich noch einmal sehe, dass du dir einen runterholen willst, werde ich dich fesseln. - Soweit ich mich erinnere, habe ich schon einmal diese Warnung ausgesprochen.« Scheiße! Alles kam aus den Tiefen meiner verborgenen Erinnerung hoch. Ich schloss meine Augen. Clancy hatte ich doch noch nicht überstanden. Kyel ... Verflucht warum war das so?
»Kyel, bitte ,... tu mir das nicht an ...!«, flehte ich ihn an und sofort spürte ich seine Lippen überall auf meiner Brust.
»Ich tue dir gar nichts an. Darüber solltest du dir im Klaren sein. Vertraue mir. Mehr will ich nicht. Vertraue mir!«, flüsterte er mir ins Ohr und ein Lächeln huschte über sein Gesicht, als wir uns ansahen. Wieder. »Vertraue mir!« Und er löste sich von mir. Er stand auf und verließ das Schlafzimmer. Aus dem Wohnzimmer hörte ich ihn herumkramen und nach einem kurzen Augenblick kam er wieder zurück. Ich hatte mich nicht gerührt, meine Arme waren immer noch über meinem Kopf und ich blickte ihn an. Er hatte eine Schüssel in der Hand und mit einem Finger rührte er darin rum. Langsam setzte er sich neben mich aufs Bett, und als ich in die Schüssel schauen wollte, verweigerte er es mir. »Schließ deine Augen! Konzentriere dich einfach auf das Gefühl.« Es war mehr eine Bitte, als ein Befehl und doch kam ich nicht drum rum und versuchte ihm zu gehorchen. Doch meine Neugierde überwog meinen Gehorsam. Warum es so war? Ich fand keine Antwort. Wahrscheinlich war es so, dass ich in den sieben Tagen meiner Gefangenschaft immer wieder Kyel vor mir gesehen hatte, und er es war, der mir diese Schmerzen bereitete. War das ein Wunschdenken oder war es einfach mein innerster, tief in der Seele verwurzelter, Wunsch? Dass Kyel es war, der mir diese Schmerzen zufügte? Dieses Verlangen entfachte?
»Was hast du vor?«
»Psst! Mach deine Augen zu und lass dich fallen!«, raunte er und ich tat es. Ich schloss meine Augen und spürte, wie er mir einen leichten Kuss auf meine Nasenspitze setzte. »So ist es gut. Lass dich führen!«, murmelte er und er platzierte wieder meine Arme über dem Kopf. »Bleib so und versuche, dich nicht zu rühren.« Scheiße leichte Angst durchzog mich, und als ich meine Augen schloss, hatte ich das Gefühl noch mehr wahrzunehmen. Mehr zu hören und ich vernahm ein Geräusch, das sich wie tropfendes Wasser anhörte.
Sofort bestätigte es sich und ich zuckte zusammen, als etwas Kaltes auf meine Haut tropfte. Ich keuchte auf und blickte erschrocken zu Kyel.
Er lächelte mich mit seinem typischen süffisanten Lächeln an und hielt einen Eiswürfel hoch.
»Mach deine Augen zu und genieße!« Wieder tropfte etwas auf meine Haut und mein Herz verdreifachte seine Arbeit. Nicht nur das, es sprenkelte Tausende Funke heißer Lava in meinen schon zum Zerreißen angespannten Schwanz. Wie schaffte er es immer wieder, mich so in seinen Bann zu ziehen.
»Scheiße!«, zischte ich auf, als wieder ein Tropfen auf meine erhitzte Haut tropfte. Und wieder. Kyel kicherte leise.
»Erschrecke jetzt nicht!«, murmelte er und legte einen ganzen Eiswürfel auf meinen Nabel. Scharf sog ich die Luft ein und mein Orgasmus kam unverhofft und brutal. Ich schrie ihn raus. Kyel ließ mir keine Zeit und umkreiste mit einem weiteren Würfel meine Brustwarzen. Die Kälte ließ sie doppelt so hart werden.
Er nahm den einen aus meinem Nabel heraus und leckte mit seiner Zunge das geschmolzene Eis auf. Seine warme Zunge in meinem kalten Nabel ließ mich wieder aufkeuchen und es dauerte nicht lange, bis sich alles aufs Neue einstellte. Wieder kicherte er und umgriff kurz mit seiner kalten Hand meinen Schaft. Langsam und bedächtig bearbeitete er ihn und ich war wirklich in dem Gefühl gefangen, in das mich Kyel gebracht hatte. Ich bestand nur noch aus Reizen, die nicht mehr wussten, wohin sie wollten. Jede Berührung von Kyel brachte mich um den Verstand. Wieder fing ich an, ihn anzubetteln, mir meine Erlösung zu gönnen und wieder verweigerte er es mir. Immer und immer wieder, bis er einen Würfel über meine Hoden führte, bis hinab zu seinem Reich. Dieses Gefühl war sehr intensiv und ich krallte mich in das Laken, als ich noch mal kam.
»Das war der Zweite!«, raunte er und ich spürte seine kalten Fingerspitzen, die um Einlass bettelten.
»Shit, du bist so kalt!«
»Das ist der Sinn!« Und drückte seinen Finger weiter rein. Dann nahm er einen Würfel in seinen Mund, ließ ihn schmelzen und tropfte das Wasser langsam über meinen Körper. Das restliche Eis schob er mit einem Kuss in meinen Mund. Die Kälte explodierte in meinem Gehirn und ich ließ das geschmolzene Wasser über meine Lippen laufen. Sofort leckte Kyel es auf, und als er wieder meinen Mund fand, schob ich ihm den Würfel zurück.
»Gott!«, keuchte ich und kicherte abgehackt auf, als er einen Würfel über meine Arme zu meinen Achseln wandern ließ. Was machte er mit mir? Ich verlor meine Selbstkontrolle. Aber ich musste mir eingestehen, es gefiel mir und ich stand schon wieder Spalier. Mit den Fingern der einen Hand weitete er meinen Muskel und ich spürte, wie er sich immer mehr dehnte. Die Kälte sich in totale Hitze verwandelte und mein Körper nur noch aus erogenen Zonen bestand. Mit der anderen bearbeitete er meine bestimmten Stellen mit dem Eiswürfel. Wie in Trance lag ich vor ihm und genoss seine Penetration.
Irgendwann drehte er mich auf den Bauch und richtete mich so, dass er besser überall hinkam. Ich war inzwischen schon so weit gedehnt worden, dass ich ihn mit Freude willkommen hieß und gleich aufschrie, als er die Stelle in mir, mit seinen sanften und immer heftiger werdenden Stößen, traf. Mein Dritter überflutete mich und ich wollte nicht aufhören. Kyel richtete mich hoch und platzierte mich auf seinem Schoß und wieder schrie ich auf. So tief war er noch nie in mir drinnen, ich schmiegte mich mit den Rücken an seinen Oberkörper und legte meinen Kopf zwischen seinem Hals und der Brust. Er hielt mich mit seinen Armen an sich gedrückt und gab mir den Rhythmus, den er wollte, vor. Ich ritt ihn und bald hatte ich die Führung übernommen, wenn auch unbewusst. Ich spürte ihn pulsieren und seinen Orgasmus quittierte er, indem er mir in den Hals biss und sich anschließend festsaugte.
»Alles Gute zum Geburtstag!«, murmelte ich schläfrig in seinen Armen.
»Danke! Und ich muss sagen, dich als Geschenk auszupacken, war höllisch anstrengend. Du hast die Decke um nichts losgelassen und dabei hast du solch eine wunderbare Aussicht geboten.« Wir blickten uns an und Worte waren einfach fehl am Platz. Sanft streichelte er mir eine Strähne aus der Stirn und ich musste schmunzeln. Eigentlich hatte ich gar nicht vorgehabt, mich als Geschenk darzubieten. Aber was sollte es.
Irgendwann mitten in der Nacht, oder es war kurz vorm Aufstehen, klingelte mein Handy. Als ich abnahm, hörte ich nur, dass die Verbindung unterbrochen war. Noch schläfrig blickte ich auf das Display und erkannte die Nummer meiner Mutter. Drückte die Wahlwiederholung und es kam nur die Nachricht, dass der andere Teilnehmer nicht zu erreichen war.
Ich legte mein Handy auf das Nachtkästchen und hievte mich aus dem Bett. Wegen zehn Minuten brauchte ich die Augen nicht mehr zuzumachen und wieder ertönte mein Handy. Wieder war es meine Mutter und ich nahm ab.
»Mama!«
»Hallo mein Liebling, wir sind bei Oma. Sie lässt dich ganz herzlich grüßen. Marquise Opapa hat dir was geschickt. Du bekommst im Laufe des Tages ein Päckchen. Ah, ich muss weitermachen, Lenard ruft mich. Wir wollen Tretboot auf dem Weiher von Opapa fahren ...« und die Verbindung war weg. Sekundenlang starrte ich das Handy an und war nicht fähig das Gehörte zu verarbeiten. Mein Opa, den ich allzu gerne immer Marquise Opapa nannte, war seit über acht Jahren tot und Oma hatte den Weiher an Kilrian Ford, meinen besten Freund aus Kindertagen, vermietet, weil sie nicht mehr alles alleine schaffte. Den Süßigkeitenladen und den Weiher zu bewirtschaften war zu viel für sie. Adrenalin hatte sich überall in meinen Nervenbahnen eingenistet. Und ich sah nur noch schwarze Punkte vor meinen Augen.
Was in Teufels Namen ging hier vor?
Kurz blickte ich auf meine Armbanduhr und traute meinen Augen kaum. Shit, war ich spät dran. Ich hatte weniger als zehn Minuten, bis meine Schicht begann und drückte aufs Gas.
Vor mir erschien eine Ampel und innerlich verfluchte ich diese. Sie hatte immer die Eigenheit auf Rot zu schalten, wenn ich an sie heranfuhr und es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis sie wieder umschaltete.
Tief schnaufte ich ein und hoppla, nun war ich überrascht, sie blieb Grün und drückte auf das Pedal. Gerade noch huschte ich durch die Ampel durch und blickte sogleich wieder auf meine Armbanduhr. Es waren noch sieben Minuten und ich schüttelte den Kopf. Egal, wie schnell ich durch die Stadt fuhr. Ich würde definitiv zu spät kommen. Also ließ ich das Pedal zurückgleiten und machte es mir in dem Autositz bequemer. Es hatte eh keinen Sinn sich Stress zu machen, wenn ich sowieso zu spät kam.
An der Anmeldung wurde ich wie immer freundlich begrüßt und ich grüßte zurück.
»Mrs. Fleischhauer!«, sprach mich die Kollegin an und ich drehte mich zu ihr. Ihre strahlend blauen Augen waren stark mit einem schwarzen Kajalstift umrundet worden. Dennoch lächelte sie freundlich.
»Ja!«
»Dr. Marker möchte Sie im Personalraum sprechen. Sie sollen sich sofort dort einfinden!« Kurz verzog ich meine Augenbrauen, denn Lenard machte um diese Zeit nie Pause. Außerdem war das sehr ungewöhnlich, dass er mich, während der Arbeit, zu sprechen wünschte. Okay, okay so ungewöhnlich war das auch wieder nicht. Ein paar Mal hatte er mich schon ausrufen lassen und wir versanken dann ... Ich drückte es mal so aus ... Wir versanken in unserer Leidenschaft und da blieb meisten kein Tisch verschont. Auch der Scanner wurde bei solchen Praktiken miteinbezogen. Mir stieg die Röte ins Gesicht.
»Mrs. Fleischhauer?«, holte mich die aufgetakelte Frau aus meinen Gedanken.
»Ja danke ich werde ihn gleich aufsuchen.«
Ich drehte mich von ihr weg und irgendwie hatte ich das Gefühl, das bohrende Blicke meinen Rücken durchstachen. Ich zuckte nur mit den Schultern und kam nicht drum rum mein Grinsen zu verbergen.
Mit hämmernden Herzen griff ich nach der Türklinke und trat in den Raum. Am Fenster stand er. In seinem weißen Kittel. Die Hände in seinen Taschen versteckt und ich verliebte mich wieder in seinen wunderbaren Anblick.
»Lenard du wolltest mich sprechen!«, sagte ich und er drehte sich zu mir um. Sein Blick war trüb und Sorge drang zu mir. Noch vor zwei Stunden war er wie ein Kind und nun zierten tiefe Schatten sein Gesicht. »Lenard, was ist los?«, fragte ich noch einmal und sah, wie ein Zittern durch seinen Körper ging. Langsam trat ich auf ihn zu. Immer wieder schüttelte er den Kopf und Tränen bildeten sich in seinen Augen.
»Loren, ... es tut mir leid!«, sanft strichen seine Finger über meine Wange.
»Was tut dir leid?« Wieder schüttelte er den Kopf und ich sah, dass die andere Hand immer noch in seiner Kitteltasche versteckt war und sie sich um irgendetwas verkrampfte. In mir stieg die Angst hoch. »Lenard rede mit mir!«, forderte ich ihn nun auf.
»Ich kann nicht!« Seine Stimme war zittrig und mir wurde es bange.
»Du kannst schon! Rück mit der Sprache raus!«, forderte ich ihn auf und blickte direkt in sein Gesicht. Sein Ausdruck war voll verzweifelt und ich sah, wie er mit sich selbst rang. Doch letztendlich überwand er irgendetwas, was tief in seinem Innersten lag.
»Clancy ...!«, fing er an und meine Gedanken überschlugen sich. ›Clancy? Was hat der damit zu tun?‹ »Gott Loren, verschwinde von hier! Flieh! Clancys Männer sind hier. Sie wollen dich. Hau ab!«, stammelte er und ich verstand gar nichts.
»Lenard? Was in aller Welt ist nur los?« Tief blickte er mir in die Augen und ich sah einen Entschluss, den er soeben getroffen hatte.
»Loren du musst jetzt sofort von hier verschwinden. Ich werde erpresst!«
»Len...!«, weiter kam ich nicht, denn die Tür zum Büro des Chefarztes wurde geöffnet. Zwei Typen in Arztkitteln betraten den Raum und ein Dritter kam durch die Tür, durch die ich vorhin gekommen war.
»Es tut mir so leid. Verzeih mir bitte! Ich liebe dich. Flieh! Ich versuche, sie aufzuhalten. Ich wollte es nicht, aber Clancy meinte, wenn ich ihm helfen würde, dann würde die Akte aus dem Polizeiarchiv verschwinden!«, murmelte er und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. Verwirrt blickte ich mich in der Runde um und die Kerle kamen mit leicht schelmischem Grinsen auf uns zu.
»Was geht hier vor?«
»Mrs. Fleischhauer haben Sie die Güte, ohne Aufsehen zu erregen, mit uns zu kommen?«, wurde ich gefragt und schon spürte ich, wie ich brutal am Arm gepackt wurde. Ich wehrte mich und trat dem ersten Mann, der mindestens eineinhalb Köpfe größer war als ich, in seine Knöllchen. Er krümmte sich und fing zu jammern an. Sofort wurde ich an den Haaren gezogen, dass sich mein Genick krachend beschwerte. Der kurzzeitige Schmerz ließ mich zusammenzucken und aus dem Augenwinkel sah ich, wie Lenard mit dem Dritten kämpfte. Ein Hochgefühl stieg in mir auf und dadurch motiviert, versuchte ich, mich aus dem Griff zu befreien. Zu früh gefreut. Säuerlicher Geruch stieg mir in die Nase und um mich herum wurde es dunkel. Ich hörte nur noch, wie Lenard meinen Namen rief.
Ich wachte auf und sofort erinnerte ich mich daran, was in dem Personalraum vorgefallen war.
»Lenard?«, rief ich in die Dunkelheit.
»Ich bin hier!«, hörte ich ihn.
»Wo sind wir?«
»Keine Ahnung. Sie haben mich kurz nach dir k. o. geschlagen.«
Das hörte sich schon mal gut an. Lenard hatte mich nicht extra in die Falle gelockt und anschließend versucht mir beim Fliehen zu helfen. Dennoch stiegen in mir viele Fragen hoch, die ich unbedingt beantwortet wissen wollte. Vor allem, was wollten die von uns? Dies fragte ich Lenard und die Antwort, die ich erhielt, gefiel mir gar nicht. Lenard erzählte alles. Wie er Clancy das erste Mal begegnet war bis hin zu dem sogenannten Deal.
»Meinst du das wirklich? Ist das echt die Wahrheit?« Ich war fassungslos. Ich konnte nicht glauben, das Clancy seine Finger mit im Spiel hatte und das er Lenard anfänglich mit nur etwas so Banalem wie Geld für sich gewinnen konnte. Als Lenard realisierte, dass er sich in mich verliebt hatte, schoss er den Deal mit Clancy in den Wind.
»Die haben mich schließlich dazu gezwungen. Es tut mir leid, Loren!«, sprach er leise weiter.
»Erkläre es mir bitte genauer! Wie konnte dich Clancy erpressen?« Kurzzeitig schaute er mir in die Augen und nickte anschließend. Ich konnte nicht anders, ich musste weiterbohren, so unglaubwürdig klang dies alles.
»Du hast recht! Es wird Zeit, dass ich mich dem stelle. ... - Clancy hat mich in der Hand. Gott Loren, ich wollte es nicht. Es liegt viele Jahre zurück, ... - Am Anfang dachte ich, was ist schon dabei? Du bist wunderschön und stark und ich habe mir keine Gedanken darüber gemacht, in welcher Beziehung du zu Clancy stehst. Mir war es egal und Geld brauchte man immer. Das mit der Sache war noch nicht einmal im Gespräch, doch irgendwie hatte Clancy es herausgefunden, und erpresst mich seitdem. Mir waren die Hände gebunden und ich hoffte immer wieder, dass diese Sache nicht ans Licht kommt.« Ich verstand nur noch Bahnhof und schüttelte den Kopf. Vor allem was hatte das alles mit Geldsorgen zu tun, wie Lenard mir vorhin versucht hatte zu erklären.
»Was soll nicht ans Licht kommen, was liegt viele Jahre zurück und was hast du mit Clancy zu tun?«, fragte ich ihn, er griff in seine Kitteltasche und überreichte mir einen Zettel. Es war ein alter Zeitungsausschnitt über einen Unfall, bei dem damals zwei Menschen gestorben waren. Schnell überflog ich den Artikel und blieb bei einer Zeile haften. »Der Verursacher dieses Unfalls beging, nach anfänglichen Erste Hilfe Maßnahmen Fahrerflucht.« Noch mehr Unglauben breitete sich in mir aus und noch mehr Fragen, die auf Antworten warteten.
»Das war ich. Ich hatte die Nerven verloren, weil die Fahrerin, also die Mutter des Mädchens, welche noch während des Unfalles verstarb, schwanger war. Ihr Bauch war offen und ich konnte das Baby sehen. Aber es war zu spät. Die Frau hatte einen Beckenbruch und viele diverse innere Verletzungen. Ich war damals mit meinem Latein am Ende ... Scheiße ich war betrunken. Weißt du, was es für mich damals hieß und auch jetzt noch? Wenn das herauskommt? Ich verliere meine Lizenz und kann nie wieder als Arzt praktizieren. Ich hatte solche Angst.« Ich hatte mich verhört. Das war es also. Leider brachte es ihm nichts, Clancy hatte ihn am Ende mit etwas anderem in der Hand und Lenard war daraufhin gezwungen, weiterzumachen.
Egal wie oft ich es vor mich hinsagte oder mir darüber Gedanken machte, ich kam auf keinen Nenner. Es war für mich so was von absurd und irgendwann kam der Typ in das Zimmer, den ich kurzzeitig zum Singen gebracht hatte.
»Hier ist euer Abendessen!«, meinte er und drehte sich zu Lenard um. »Hättest du einfach mitgespielt, würdest du ein ruhiges Leben in Reichtum irgendwo in der Karibik verbringen. Aber so! Ist eigentlich auch egal. So haben wir zwei ...«
»Zwei was?!«, schnitt ich ihm das Wort ab. »Zwei Personen, die für Erpresserzwecke genutzt werden können?« Er grinste und nickte schließlich. »Natürlich! Wenn einer von euch nicht kooperiert so haben wir immer noch jemanden, den wir als Druckmittel verwenden können.«
Ich stürmte auf ihn zu und ging ihm an die Kehle.
»Wenn ihr Lenard nur ein einziges Haar krümmt, werde ich euch umbringen«, weiter kam ich nicht. Der Mann packte meine Arme und drückte mich so vor sich hin.
»Kleine Hausfrauen, die nichts Besseres zu tun haben als in der Welt herumzuficken, sollten ihr Maul halten!« Schon hatte ich eine Ohrfeige im Gesicht.
»Loren ...!«
»Halt dein Liebchen unter Kontrolle, sonst wird ihr noch etwas Schreckliches passieren. - Esst und dann legt euch schlafen. Clancy wird sich morgen mit euch in Verbindung setzen.«
Zum Glück hatte er das Licht angelassen, aber die Tür hinter sich zugeschlossen. Ich schnaufte ein und wagte einen skeptischen Blick auf das Essen. Leicht angewidert verzog ich meine Lippen. Instantsuppe.
»Was sollen wir bloß machen. Ich mein, wie verrückt kann ein Mensch nur sein, dass er selbst aus dem Gefängnis Pläne schmiedet, um ... um ... Sas...!« Ich brachte es nicht raus und vernahm, dass Lenard zu mir rüber kam und sich neben mir auf den Boden setzte.
»Weißt du, was mich verblüfft?!« Ich schüttelte den Kopf und starrte weiter in die wässrige Suppe. »Das du mir nicht böse bist. Ich mein, ich habe darauf hingearbeitet, dass du dich in mich verliebst und ich dich ins Bett bringe. Eigentlich sollte ich Markus damit in den Wahnsinn treiben. Aber in dieser Beziehung hast du Clancy schon einen Strich durch seine Rechnung gezogen.«
»Ich verstehe die ganze Aktion nicht. Was will er nur von uns?«
»Kannst du dir das nicht denken? In drei Tagen ist die Verhandlung. Ich glaube, er spekuliert auf einen Freispruch und da ist ihm jedes Mittel recht.« Mir wurde schlecht und eine sehr dunkle Ahnung schob sich in meinen mütterlichen Instinkt.
»Nein! Er spekuliert nicht nur auf einen Freispruch. Er spekuliert darauf, dass Sascha ... Nein! Lenard, das dürfen wir nicht zulassen. Clancy hat es immer noch auf Sascha abgesehen.«
»Ja, das denke ich auch und deshalb sollten wir uns Gedanken darüber machen, ihm irgendwie einen Hinweis zu geben.«
Die Nacht war sehr kurz. Wahrscheinlich war ich die Hälfte der Nacht betäubt und die andere Hälfte hatte ich mir Gedanken darüber gemacht, warum dies alles geschah. Es brachte mir nichts und mein Blick wanderte zu Lenard, der am Boden lag und die Augen geschlossen hatte. Zurück zu dem unangerührten Essen. Tief schnaufte ich ein und zog die Beine fester an meinem Oberkörper.
Leichte Sonnenstrahlen drangen durch die Jalousien und ich fragte mich, wie spät es war. Auf meine Armbanduhr brauchte ich nicht schauen, denn allen Schmuck, den ich getragen hatte, hatten sie mir abgenommen. Selbst Lenards Piepser wurde weggenommen und die Handys.
Irgendwann rührte sich Lenard und unsere Blicke trafen sich. In ihnen sah ich seine Verzweiflung. Sein unentschuldbares Handeln, seinen keimenden Hass gegen sich selbst.
Trotz, dass ich ihm vergeben hatte, konnte ich die Tatsache nicht einfach ignorieren, dass er sich nur wegen seiner Selbstaufwertung dafür entschieden hatte, ein Leben oder das Leben einer ganzen Familie zu zerstören. Was trieb einen Mann dazu, so zu handeln. Was musste vorgefallen sein, damit man sich für so etwas entschied. War es die Reue, die einen jahrelang verfolgte oder war es die unbekannte Zukunft, in der wir uns in jeder Sekunde weiter bewegten?
Im Laufe des Tages kamen die Männer immer abwechselnd ins Zimmer. Brachten Lenard oder mich auf die Toilette oder stellten essbares Zeug vor uns auf den Boden. Das Zimmer hatte nichts. Keine Tapeten, keinen Teppich. Es war nicht einmal möbliert. Es war einfach leer.
Was ich allerdings herausgefunden hatte, wir befanden uns oberhalb der Einkaufspassage. Ich schätzte, dass wir im 13. oder 14. Stockwerk waren und somit war, aus dem Fenster flüchten sinnlos. Was mir allerdings einfiel, innerhalb der Einkaufspassage befand sich eine Boutique, die fast den gleichen Namen besaß wie der Süßigkeitenladen meiner Eltern. Marquise la Mode. Janet liebte diesen Laden und ich musste sagen, dort fand man nicht nur überteuerte Anziehware, sondern auch etwas, das sich ein Otto-Normalverbraucher, also jemand wie ich, auch leisten konnte.
Okay, okay, manchmal schlug auch ich über die Stränge, aber auch nur, weil die Anziehungskraft der goldenen Mastercard von Kyel mich dazu zwang. Ich konnte es immer noch nicht glauben, dass er mir so einfach, mir nichts dir nichts, diese Karte überlassen hatte und dazu meinte, dass das ganze Geld, das hinterlegt war, meins sei. Manchmal wollte ich wirklich in seine Gedanken lesen können, nur um herauszufinden, wie er tickt. Vor allem, wenn ich einen kleinen Teil des Geldes ausgab, war am Ende des Monats das Doppelte wieder drauf. Irgendwie vermehrte sich das Geld, ohne das Einzahlungen getätigt wurden. Ich hatte nie in meinem Leben daran geglaubt, dass man wirklich nur von den Guthabenzinsen leben konnte. Aber wie es schien, klappte das doch.
Den ganzen Tag über bedauerte Lenard sein falsches Handeln, und ich hatte alle Hände damit zu tun, ihn jedes Mal wieder zu beruhigen. Er verfluchte sich selbst, und auch wenn es mir eigentlich eine gewisse Art der Genugtuung bescheren sollte, so litt ich mit ihm. Ich verstand allmählich seine Beweggründe und je mehr wir darüber redeten, umso einsichtiger wurde ich und Lenard fand zu seinem Seelenheil zurück.
»Du bist das Beste, was mir je passieren konnte«, flüsterte er mir ins Ohr und ich suchte seinen Mund.
»Wir werden das zusammen durchstehen und vor allem weiß ich, wo wir sind. Lass dich nicht mehr von Clancy in die Enge treiben.«
»Kolibri!«, murmelte er nur und ich versank in seine liebenswerten Augen.
Am nächsten Tag kamen zur Abwechslung alle drei Männer in den Raum. Zwei griffen sich Lenard und hielten ihn am Boden, während der Dritte mir mein Handy reichte. Ich sah, dass ein Gespräch offen war, und ging ran.
»Ja!«
»Einen wunderschönen Tag wünsche ich dir Loren.«
»Nigel, was willst du?«, zischte ich in den Hörer und vernahm nur, dass er leicht kicherte.
»Ach Loren. Wie selbstbewusst du geworden bist. Ich kann mich daran erinnern, wie du in meinen Armen lagst. So lieblich, so zerbrechlich, so einsam. Voll von Hoffnungslosigkeit ...«
»Lass das!«
»Wie du willst! Dennoch haben wir eine wunderbare Zeit miteinander verbracht. Leider, und das muss ich zugeben, ging es damals nicht so, wie ich es mir gewünscht hatte. Du bist wieder zu Markus zurückgegangen und das hatte mir das Herz gebrochen.«
»Hör auf damit!« Wieder kicherte er.
»Loren, mein kleiner Hase. Ich möchte, dass du deinen Sohn anrufst und ihm mitteilst, dass er ein Päckchen bekommt. Schaue darauf, dass er es auch wirklich annimmt. Ach ja, ich habe mitbekommen, dass dein Verschwinden nicht ganz unentdeckt blieb. Ich habe mir die Freiheit herausgenommen, dich und Lenard in den Urlaub geschickt. Also sei immer fröhlich und glücklich. Du verbringst mit deinem Liebsten herrliche Urlaubstage. Ich werde mich wieder bei dir melden, wenn alles nach meinen Wünschen erledigt worden ist. Bis dann Hasi und genieße die Zeit.«
»Ich glaube, du spinnst. Warum sollte ich das tun?«
»Oh! Du bist wirklich sehr selbstbewusst geworden, aber sei dir sicher, selbst dafür habe ich vorgesorgt. Ich dachte mir schon, dass du so reagieren würdest. Du siehst doch, dass zwei mannshohe Kerle hinter Lenard stehen und ihn auf eine gewisse aufreizende Art unter Kontrolle halten. Wenn du nicht willst, dass urplötzlich einem dieser wunderbaren Männer die eigene Kraft zu viel wird und sie sich nicht mehr zurückhalten können. Alle drei haben die Eigenheit ihre Vorlieben vor verzweifeltem Publikum auszuleben.« Kurz holte er obligatorisch Luft. »Sadisten! Sie lieben es, anderen erotische Schmerzen zuzufügen, ganz besonders, wenn Damen durch das Gesehene, zu schreien beginnen. Das geilt sie ganz besonders gut auf. Tue, was ich dir gesagt habe und du kommst nicht in den Genuss, dies zu erleben. Erledige alles nach meinen Wünschen und ihr zwei, könnt noch eine wunderbare Zeit miteinander verbringen!« Er legte auf und schon wurde ich aufgefordert, meinen Anweisungen Folge zu leisten. Nur kam ich nicht dazu, mein Handy klingelte und ich sah, dass es Sascha war.
»Es ist Sascha!«, murmelte ich und einer der Männer lachte auf.
»Dann geh ran! Und vergiss nicht, was du zu sagen hast!« Ich ging ran und teilte Sascha mit, dass ich mit Lenard ins Marquise Rosi essen gehe. Legte aber sofort wieder auf. Und schon erhielt ich eine Ohrfeige, die mich ins Land der Träume schickte.
Als ich wieder erwachte, lag ich alleine im Zimmer und es dämmerte. Welche Dämmerung es war, wusste ich nicht und erschrak fürchterlich. Ein greller Schrei durchdrang die verschlossene Tür. Wieder schrie jemand und ich erkannte, dass es Lenard war. Sofort rappelte ich mich auf, ignorierte meine Kopfschmerzen und hämmerte gegen die Tür, während ich gleichzeitig Lenards Namen rief. Die Tür wurde aufgestoßen und einer der Männer blickte hämisch auf mich herab. Brutal packte er mich und zog mich aus dem Raum. Er stieß mich vor sich her in ein anderes Zimmer und alles, was ich bisher erlebt hatte, war nichtig und klein. Die Zeit blieb stehen und ich starrte nur den geschunden an der Decke hängenden Körper an.
»Oh Gott Lenard!«
»Das hat er dir zu verdanken. Du hattest nur eine einfache Aufgabe, aber nein ...!« Übel riechender Atem drang in meine Nase und mein Herz schlug das Doppelte.
»Bindet ihn los!«, schrie ich und alle drei fingen lauthals zu lachen an.
»So einfach ist das nicht. Setzt dich und genieße die Aussicht!«
Was ich dann sah, ließ mich an den Rand der Verzweiflung treten und ich bettelte immer wieder die Männer an, aufzuhören und dass ich alles machen würde, was sie von mir verlangten. Nur sollten sie Lenard endlich verschonen. Und Folter bekam eine neue Definition von mir. Grausamkeit war nicht mehr nur ein Ausdruck.
Lenard hing immer noch an der Decke, als ich aufgefordert wurde, Sascha anzurufen. Ich konnte meinen Tränen verhangenen Blick nicht mehr von ihm wenden und zwang mich zur Ruhe. Auch wenn ich am liebsten alles in Grund und Boden geschrien hätte.
Ich tat wirklich, als ob ich glückliche Urlaubstage hätte, und versuchte, Sascha so viele Informationen zu geben, wie ich konnte. Ich hoffte inständig darauf, dass er die versteckten Hinweise in meiner Lüge realisierte.
Wie vorn Kopf gestoßen saß ich immer noch auf dem Bett und starrte das Handy in meiner Hand an. Was bitte schön war das? War das ein Scherz? Ein leises Klopfen holte mich aus meinen Gedanken heraus. Sofort war Kyel wach und setzte sich auf, als Anthony ohne Aufforderung reinkam.
»Dachte ich es mir doch!«, sagte er und es war wohl für ihn selbst als Bestätigung gedacht. Ich starrte ihn genauso an, wie mein Handy und Kyel blickte immer wieder zwischen mir und Anthony hin und her. Die Stille, die sich über das Zimmer gelegt hatte, war zum Greifen nah.
»Was dachtest du dir?«, unterbrach Kyel die Ruhe und mir glitt das Handy aus der Hand.
»Das ihr schon wach seid. Clancy ist weitergegangen als Anfangs vermutet. Leider wissen wir noch nicht, wie weit er ist, aber alles deutet darauf hin, dass er etwas im Schilde führt. Loris wird ihm heute einen Besuch abstatten. Mal schauen, was dabei rauskommt. Viel Hoffnung habe ich nicht.«
Ich hievte mich aus dem Bett, legte das Handy auf das Nachtkästchen, ging dann ins Bad und betrachtete mich im Spiegel. Kurz entschlossen rasierte ich mir den Dreitagebart ab. Immer wieder huschten mir die Wörter meiner Mutter durch den Kopf und langsam zweifelte ich an meinem Verstand. Mom wird bestimmt nicht so einen makaberen Scherz loslassen. Schon gar nicht, wenn es um ihren Papa ging. Er war ihr Liebstes auf der Welt.
Als ich mit meiner Morgentoilette fertig war, sah ich, dass die beiden sich immer noch unterhielten, und schüttelte innerlich den Kopf. Schnaufte ein und ging in die Küche. Der Anruf meiner Mutter haftet an mir wie schlechte Luft.
»Was ist mit dir?«, stürmte Mike gleich drauflos und ich schüttelte meinen Kopf.
»Nichts!«, murrte ich und er blickte mich an, als ob ich falsch riechen würde. Ja klar tat ich das. Immerhin umgab mich schlechte Luft. Ich ging zur Kaffeemaschine, schenkte mir Kaffee ein und blickte immer wieder zur Uhr, während ich unbedacht den Kopf schüttelte.
»Ist was passiert?«, bohrte er weiter.
»Nein es ist nichts passiert!«, schnauzte ich ihn an und er wich meinem Blick aus.
»Hey, warum so aggressiv?«, umarmte mich Kyel und ich entzog mich ihm. Selbst er verstand mich nicht, beließ es aber dabei. Er musterte mich nur und verzog seine Lippen zu einem Strich.
Ohne mich zu unterhalten, frühstücke ich und wartete am Fenster bis Tom angefahren kam. Knapp verabschiedete ich mich und ließ mich in die Schule fahren. Mike war noch bis Ende der Woche krankgemeldet.
Der Unterricht verlief wie immer. Die Gruppenaufteilung war auch wie immer, nur wurde ich wieder zum Rektor gerufen und er kam mir gerade recht. Ich war so angespannt und innerlich aufgestaut, dass es nur noch ein kleines Ding brauchte, um das Fass zum Überlaufen zu bringen.
Ich trat in das Zimmer und wie schon das letzte Mal, musterte er mich mit diesem Blick. Sofort fuhr ich meine Emotionen runter und kam seiner Bitte, mich auf den Stuhl zu setzen, nach.
»Also ich hoffe, du hast dir Gedanken über die Sache gemacht?«
»Schon!« Sein Blick wurde dunkler.
»Und was gedenkst du, dagegen zu tun?«
»Keine Ahnung!«
»Also ist es dir, ich sage es mal ein eurer Sprache, scheißegal?!«
»Weiß nicht!« Wie lange wollte der mich noch nerven?
»Sascha, so kommen wir nicht weiter. Fakt ist, dass deine ID-Nummer im System gespeichert ist.«
»Und wie ich es schon gesagt habe, war ich das nicht. Wenn es so gewesen wäre, würde ich dann zum Vertrauenslehrer gehen und dies ›beichten‹?!«
»Das ist es ja eben, was mich zum Nachdenken gebracht hat. Mrs. Weller hat die ganzen Dokumente zurückgesetzt und gestern, waren deine Dokumente wieder verändert.«
»Schön, ich war gestern nicht in der Schule und die ID-Nummer kann man außerhalb des Geländes nicht benutzen.«
»Du warst gestern nicht in der Schule?«
Nun blickte er mich an und ich müsste wirklich lügen, wenn da nicht irgendetwas Väterliches zum Vorschein kam. Ich wurde aus dem Rektor nicht schlau. Erst begrüßte er mich mit einer Kälte, bei der du dich am liebsten in ein Mäuseloch verkriechen möchtest. Das nächste Mal stürzte die Antarktis über dich ein und die Libido verzog sich in die hinterste Ecke und nun, ... leicht schüttelte ich den Kopf.
»Nein, mir ging es nicht besonders gut.« Sein Blick wurde wärmer. Konnte ich mich wirklich so arg in ihm täuschen oder war das nur eine Fassade, um mich aus der Reserve zu locken? Oder war es die letzte Alternative? Das ich überall sexbesessene Männer sah, die nichts mehr wollten, als mich unter sich liegen zu haben. Ich hatte keine Ahnung.
»In Ordnung, die Dokumente werde ich wieder zurücksetzen und sperre zudem deine ID. Überreiche mir bitte die Karte.« Leicht überrumpelt und fragend blickte ich ihn an, doch am Ende legte ich die Karte auf seinem Schreibtisch.
»Ich hoffe, du hast Geld dabei, sonst kannst du dir nichts kaufen und hier, ...«, er legte mir eine andere Karte vor die Nase, »das ist eine Ersatzkarte, damit kommst du nur heute und während des Unterrichtes in die Computer. In den Pausen und Freistunden ist sie gesperrt.«
»Was ist mit der Nachhilfe?«, fragte ich etwas kleinlaut.
»Im Moment liegt die auf Eis!« Sichtlich erleichtert schnaufte ich ein und mein Herz veranstalte Purzelbäume. Und ich hoffte, dass sich meine schlimmsten Albträume nie bestätigten. Was den Rektor anging. Ich hoffte wirklich, dass ich mich in ihm getäuscht hatte und er für seinen damaligen ›lüsternen‹ Ausdruck nichts konnte. Ich war eben ein geschlagenes Kind und Vertrauen kam bei mir erst an letzter Stelle.
»Und ich werde nicht als Repräsentant auf die Bühne müssen?« Ich musste es wissen und der Rektor schüttelte den Kopf.
»Gott sei Dank!«, rief ich aus und er zog die Augenbrauen nach oben.
»Du wolltest den Posten wirklich nicht?« Ich schüttelte den Kopf und er nickte nur. Sofort entließ er mich und das Einzige, was ich noch wahrnahm, war, dass er das Telefon in die Hand nahm. Nach einer halben Stunde wurde verkündet, dass sämtliche Karten gesperrt wurden und die Schüler sich in der Pause, bei ihren jeweiligen Lehrern, eine Ersatzkarte holen sollten.
Ansonsten verlief der Tag normal und Tom stand schon da, um mich abzuholen.
Als ich nach Hause kam, war niemand da. Kyel saß in seiner Firma. Er hatte mir eine SMS geschickt, dass es heute wieder länger dauerte. Irgendwelche Ungereimtheiten mit einem Käufer.
Wo Mike war, wusste ich nicht, und da Tim für mich einsprang, hatte ich frei. Ich blickte mich in der Villa um und selbst Sarah war nicht anwesend. Von Mom fehlte seit Montag jegliche Spur. Nein, sie machte mit Lenard Urlaub in Deutschland, soweit ich es mitbekommen hatte. Ich stand verdrossen in der Küche und schaute in die Runde.
»Wirklich toll. Haben die nichts Besseres zu tun, als alles einzusauen und nichts wegzuräumen. Bin ich hier die Putze oder was.« So machte ich mich ran, die Küche zu putzen und als ich fertig war, wollte ich das, was ich extra für heute eingekauft hatte fürs Kochen herausnehmen.
›Alles leer! War ja wieder mal typisch. Kaum ziehen mehr als, keine Ahnung wie viele Leute bei uns ein und schon geht alles Drunter und Drüber.‹
Ich schnappte mein Handy, rief Emily und bat sie vorbeizukommen, um mich zum Einkaufen zu fahren. Sie willigte ein. Noch bevor das Gespräch beendet war, klingelte es an der Tür. Es war der Paketdienst, auf den ich schon mehr oder weniger den ganzen Tag gewartet hatte. Mulmig wurde es mir und ich nahm das Päckchen entgegen. Ich ging damit ins Schlafzimmer und starrte einige Minuten darauf. Es hatte keinen Absender und ich sah auch nicht, dass es aus Deutschland kam.
»Mal sehen, was Opa mir geschickt hat!«, und ich öffnete das Päckchen. Auf dem ganzen Styropor lag ein Brief, den ich erst einmal neben mich auf das Bett legte. Anschließen kramte ich mich durch das ganze Styropor und hielt etwas in der Hand, das in Plastik gehüllt war. Ich nahm es heraus und nun hüpften Fragezeichen durch meinen Verstand.
»Ein Handy?« Sprachlos musterte ich es und musste unwillkürlich grinsen. »Will Opa mit mir aus dem Jenseits reden, oder was? Oder ist das wieder ein vollkommen sinnloser Scherz von Mom. Das kommt mir in letzter Zeit viel zu oft vor!« Ich erinnerte mich, dass da noch ein Brief dabei war, und nahm ihn in die Hand. Öffnete ihn und holte das Blatt raus. Der Brief war handgeschrieben und ich fing zu lesen an.
›Hallo Sascha,
Wenn du diesen Brief in der Hand hältst, dauert es nur noch einen Tag bis zur Verhandlung. Ich freue mich wirklich, dich endlich wiederzusehen, ...‹
Nein! Das konnte nicht sein! Das war doch nicht wirklich wahr. Meine Hand, die das Blatt hielt, fing heftig zu zittern an. Mein Herz pochte bis zum Hals und zähe Spucke sammelte sich literweise in meinem Rachen. Die Buchstaben verschwammen vor meinen Augen und ich musste mich zwingen, diesen Brief weiterzulesen.
›Ich hoffe, du warst, während meiner Abwesenheit artig und hast nichts angestellt. Deswegen will ich dir was schenken. Dieses Handy.
Ich freue mich auf deine Stimme, wenn wir uns wieder unterhalten können, so wie früher.
Nigel Clancy.
P.S. Von deiner Mutter soll ich dir einen schönen Gruß ausrichten. Sie genießt ihren Urlaub.‹
»Nein!«, schrie ich und feuerte das Blatt von mir weg. Nur hatte es keine Ambitionen sich auch noch in Rauch aufzulösen und schwebte einige Zentimeter vor meinen Füßen auf den Boden.
»Was habe ich nur getan? Warum ich?«, wimmerte ich vor mich hin und ließ meine Tränen auf meine Jeans tropfen. Ich besaß nicht einmal ansatzweise den Elan, sie abzuwischen. Wie in Trance schwirrten die Buchstaben vor meinem geistigen Auge und ich erkannte den eigentlichen Befehl dahinter.
»Ruf mich an, oder deiner Mutter wird was zustoßen.«
Noch langsamer griff meine Hand zum Handy und durchsuchte das Telefonbuch. Lange brauchte ich nicht zu suchen. Seine Nummer war die Einzige, die eingespeichert war. Ich klickte die Nummer an und schon wählte sich das Handy ins Netz. Obwohl er gleich abhob, dauerte es mir viel zu lange.
»Hallo Sascha, schön, dass du meiner Bitte nachkommst.«
»Was willst du?«
»Oh Sascha, sei nicht so starrköpfig. Freust du dich nicht, mich zu hören?«
»Nein!«
»Verstehe!« Seine Tonlage wurde kühler. »Hier mein Befehl. Sage zu meinen Gunsten aus. Sage, dass alles was wir erlebt haben, auf deinen Wunsch stattgefunden hat.«
»Du Arschloch!«
»Na, na! Vergiss die Regeln nicht. Und zur Auffrischung deiner Regeln, die du unbedingt zu befolgen hast, gebe ich dir eine kleine Denkstütze. Ließ dir den letzten Satz im Brief noch einmal genau durch. Es könnte sein, dass deine Mutter, nicht gerade unverletzt aus ihrem ›Urlaub‹ zurückkommt.«
»Lass meine Mutter da raus?« Er lachte auf.
»Oh Sascha. Mein kleiner süßer Sascha. Gehorche einfach und niemandem wird was geschehen. Wir sehen uns morgen!« Er legte auf und ich starrte nur noch auf das Handy. Selbst als das Display schon längst erloschen war.
Die Türglocke riss mich aus meiner Starrheit und ich erinnerte mich, dass Emily kam, um mit mir einzukaufen.
Wie automatisch nahm ich ihr John ab und setzte mich mit ihm auf die Eckbank. Emily schnatterte, was das Zeug hielt, doch hörte ich nur mit einem Ohr hin, oder gar nicht. Irgendwann machten wir uns auf, einkaufen zu gehen, weswegen ich sie eigentlich herbestellt hatte. Und alles ging an mir vorbei. Ich wusste zwar, was ich wollte und tat die Zutaten für das Gericht, welches ich kochen wollte, in den Einkaufswagen, aber so recht teilhaben ...
Etwas später waren wir wieder zu Hause und ich machte mich dran, die Lasagne zu machen. War witzig, wie oft ich Lasagne machte, aber ich konnte nicht darüber lachen.
Nachdem die Lasagne im Ofen war, schnippelte ich den Salat und anschließend ging ich unter die Dusche. Rasierte mich vollständig. Meine leichte Brustbehaarung, unter den Achseln und im Intimbereich. Wie es Clancy gerne hatte.
Emily hatte inzwischen schon alles vorbereitet und alle waren anwesend. Nur Mom und Lenard waren nicht da. Ich nahm Kyel in die Arme und wünschte ihm noch einmal alles Gute zu seinem Geburtstag. Blickte in sein Meeresblau und fuhr mit meinen Fingerspitzen seinen Rücken hinab.
Viel bekam ich von der Feier nicht mit, sie huschte an mir vorbei, als sei ich ein ungebetener Gast, der hin und wieder durch das Fenster spitzte, um etwas zu sehen.
Ich konnte mich nur noch daran erinnern, dass ich froh war, als alle gegangen waren und Kyel und ich endlich alleine waren. Er redetet mit mir über seinen Tag und selbst dies verschwand irgendwo in meinem Kopf.
Langsam zog ich mich vor ihm aus und spürte seinen intensiven Blick auf mir. Ich schälte mich aus meinem Shirt und knöpfte meine Jeans auf. Bevor ich sie mir runterzog, schritt ich auf mein Nachtkästchen zu und holte die Schatulle hervor, die ich ihm überreichte.
Er freute sich, nur wie gesagt lag das irgendwo im Nichts. Er nahm mich in die Arme und drückte mir einen leidenschaftlichen Kuss auf meine Lippen. Ich schloss meine Augen. Dieses Gefühl zog ich in mich hinein.
»Danke!«, hauchte er in mein Ohr und ich lächelte ihn an.
»Wenn dir mal langweilig ist oder ich muss länger arbeiten, dann kannst dich ja daran setzen!«, sagte ich und mir wurde schlecht.
»Ein Fotopuzzel von dir.« Ich grinste ihn an und hatte das Gefühl, dass mir das total misslang.
»Das ist das schönste Geschenk, das ich je bekommen habe«, murmelte er noch und schon überhäufte er mich mit seinen Küssen. Alles zog ich in mich hinein. Jede Berührung. Jeden Kuss. Einfach alles und ich ließ mich total in seine Arme fallen.
Musterte seinen Körper. Das Spiel seiner Muskeln. Sein Gesicht und den kleinen Leberfleck. Seine Haare und seine langen feingliedrigen Finger. Vor allem seine Narbe, die er für mich eingefangen hatte, von dem Mann, zu dem ich bald zurückkehren musste.
Freiwillig
Irgendetwas stimmte mit Sascha nicht. Er benahm sich nicht wie immer. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich den Sascha vor mir hatte, den ich damals im High Skills angetroffen hatte. Ein anwesendes körperliches Etwas, mit Gedanken im Nirgendwo. Ich ertappte ihn sehr oft, wie er mich musterte, nur ob er etwas davon auch wahrnahm, war mir schleierhaft. Sein Lachen war gekünstelt, seine Haltung nicht von dieser Welt. Er war einfach nicht er. Nein, er war nicht einmal der Sascha, den ich im High Skills angetroffen hatte. Seine Ausstrahlung war die Traurigkeit in Person und ich zwang mich, ihn nicht danach zu fragen. Er würde schon zu mir kommen, wenn er ein Problem hatte. Dachte ich.
Es war meine Feier und ich versuchte meine Sorgen über Sascha für mich zu behalten, dennoch konnte ich es nicht vor Raoul verheimlichen. Er zog mich zum Fester und fing an, mich in seiner typischen Manier, zu löchern. Typisch, wohl eher seine eiskalte Ignoranz, bis ich endlich mit der Sprache rausrückte.
»Was du nicht sagst. Es ist nicht nur dir aufgefallen. Sascha benimmt sich schon den ganzen Tag merkwürdig. Emily ist es aufgefallen und Anthony genauso. Ich sollte dir eigentlich nichts sagen, aber Hilal hat einen Brief neben eurem Bett gefunden. Eigentlich hätte er ihn ignoriert und einfach liegen gelassen, aber da waren einige Spuren drauf, die seine Neugierde entfachten. Er sagte, sie sahen aus wie Tränen und dann hat er den Brief gelesen. Nun er war von Clancy …«
»Du meinst ...«, mir wurde schlecht und zugleich wurde ich wütend. Nicht auf Clancy, sondern auf Sascha. Hatte er in den letzten Monaten nicht genügend Scheiße durchgemacht? Musste er wieder alles nur in sich hineinfressen und wieder versuchen, alles alleine zu bewältigen. Wofür war ich denn da? Sah er mich wirklich nur als jemanden an, mit dem man seine Freizeit verbrachte, 'ne Runde im Bett rumsprang und es sich besorgen ließ? Ja es genügte nur ein kleiner Wink von ihm und ich fiel über ihn her. Ich wollte es ihm immer und immer wieder so richtig besorgen. Ihn in Ekstase versetzten und seine intimsten Wünsche erfüllen. Ich wollte es und ich machte es. Weil ich ihn liebte. Verstand er das denn nicht? Verstand er es denn nicht, dass er schon lange ein Teil von mir war? Ich ballte meine Hände zu Fäusten und wollte schon auf ihn zugehen, doch Hilal hielt mich zurück und Anthony versperrte mir den Weg und sagte: »Kyel komm runter!«, während er gleichzeitig Raoul vorwurfsvoll anblickte.
»Ich kann nichts dafür. Kyel hat es selbst schon gemerkt, dass mit Sascha etwas nicht stimmt.«
»War mir schon klar. Kyel es ist wichtig, dass du Ruhe bewahrst. Clancy hat Loren und vielleicht auch Lenard. Wir sind schon dabei es zu untersuchen.«
»Aber Sascha, …!« Er schüttelte den Kopf.
»Wir dürfen Sascha nicht zeigen, dass wir darüber Bescheid wissen. Sonst kann es sein, dass er einen riesigen Fehler macht und das dürfen wir nicht zulassen. Komm, feiere noch etwas und überlass Clancy uns. Kümmere dich um Sascha. Er braucht dich jetzt. Mehr als du dir vorstellen kannst.«
»Aber …!«
»Nichts aber …«
»Ich kann aber nicht den Unwissenden spielen, das ist nicht meine Art.« Na toll, nun lächelte mich Anthony auch noch an, als ob er darüber Bescheid wissen konnte.
»Du machst das schon. Sei einfach du selbst.« Der hatte gut reden und ich schnaufte ein. Wieder erwischte ich Sascha, wie er mir einen verstohlenen Blick zuwarf, mit diesem Ausdruck, der mir das Herz zerquetschte. Wie sollte ich das alles ertragen können? Wie gerne würde ich ihm seine Last abnehmen, ihn in die Arme nehmen und sagen alles wird gut. Das könnte ich nicht einmal, weil ich selbst nicht daran glaubte.
Von weit her hörte ich Sascha lachen, nur erfreute es mein Herz nicht. Es war nicht real und ich sah es ihm an. Wenn er könnte, wie er es wollte, würde er sich in eine Ecke verziehen, und wie ein verprügelter Hund losheulen. Es tat mir weh, es tat mir wirklich in der Seele weh.
Zur späteren Stunde, meine Gäste hatten sich schon alle verabschiedet, ging ich in mein Schlafzimmer. Sascha stand neben dem Bett und bedachte mich mit einem Blick, dessen Seelentiefe in dem dunklen Abgrund des Nirgendwo lag. Dennoch zog er alles mit nur diesem in sich ein. Mir kam dieser Blick wie etwas Endgültiges vor und eine leichte Regung der Angst überzog mich. „Was hatte er vor?“, huschte es durch meine Gedanken. Nur wurden sie von seinen sehr lasziven Bewegungen unterbrochen. Sascha. Er wusste, wie er sich zu geben hatte, um meine Aufmerksamkeit zu erregen. Mich zu erregen, um seine intimsten Wünsche zu erfüllen. Er hatte mehr Macht über mich, als ich mir bisher eingestanden hatte. „Gott Sascha, allein dir zuzuschauen, wie du dein Shirt über den Kopf ziehst, ist berauschend.“ Langsam und mit viel Bedacht, er machte es extra, forderte mich heraus, knöpfte er seine Hose auf und blickte mich durch seine dichten wohlgeformten Wimpern an. Er holte etwas aus seinem Nachtkästchen und kam mit diesem aufgesetzten freudestrahlenden Grinsen auf mich zu.
»Ähm, alles Gute zu deinem Geburtstag«, flüsterte er und überreichte mir eine Schatulle. Ich nahm sie entgegen und lächelte, obwohl ich wusste, dass nichts stimmte. Nun sah ich, dass sie handgeschnitzt war und der Verschluss aus reinem Silber bestand. Es war ein Schmuckstück und durch mein geübtes Auge sah ich den eigentlichen Wert. Es war ein Original. Mehrere Millionen wert und ich fragte mich, wie er an diese Schatulle gekommen war. So schnell, wie der Gedanken kam, so schnell verwarf ich ihn wieder und öffnete sie. Im Innern der Schatulle befand sich kein Schmuck, woran ich als Erstes gedacht hatte, aber das würde Sascha nicht ähnlich sehen. Für so etwas Einfaches war er nicht zu haben. Er war extravagant und außergewöhnlich. Gänzlich ein anderer Typ Mensch als die gesamte Gesellschaft. Deswegen schätzte ich ihn so … Nein, ich liebte ihn.
Etwas war in einen weichen bestickten Stoff eingepackt, der leicht durchsichtig war und gelblich schimmerte. Ich griff rein und holte das erste Stück heraus. Es war ein Puzzleteil. Kurz blickte ich zu ihm und sah wirkliche Ungeduld in seinen Augen.
Ich fühlte dieses Stück in der Hand und wandte meinen Blick auf die gedruckte Seite. Es war schwarz und erkannte nichts darauf. Verdrossen, weil ich unbedingt die Art des Puzzles erkennen wollte, nahm ich das Nächste heraus. Es war ein Teil von einem Auge und irgendwie, obwohl es in Schwarz-Weiß war, erkannte ich, dass es Saschas Auge war. Ich blickte ihn einige Sekunden lang an und bedankte mich.
Das, was er danach sagte, ließ mein Innerstes, tief in die dunkelste Ecke fließen.
»Wenn dir mal langweilig ist oder ich muss länger arbeiten, dann kannst dich ja daran setzen!« Was hatte er gesagt? Das war nicht wahr, oder? Ich wollte ihm schon etwas entgegnen, aber die Warnung von Anthony drang herauf und so schluckte ich es runter.
»Ein Fotopuzzle von dir?«, kam nur heraus und ich legte es weg. Schritt auf Sascha zu und nahm ihn in meine Arme. »Das ist das schönste Geschenk, das ich je bekommen habe!«, hauchte ich in sein Ohr und fing an, ihn an seiner bestimmten Stelle am Hals zu küssen. Sofort reagierte er darauf, und auch wenn ich es nicht wollte, so überfluteten mich Gefühle, die vorher noch nie da waren. Ich küsste und streichelte ihn, immer darauf bedacht, meine ganze Liebe, in mein Handeln mit einzubringen. Er ließ sich fallen, mehr, er genoss es mit einer Aufmerksamkeit, die nicht von dieser Welt war. Es war, als ob er alles in sich hineinzog … so, als ob es das letzte Mal wäre.
Ich wollte es nicht, ich wollte, dass er es genoss und beim nächsten Mal verlangender wurde. Ich wollte, dass er mich forderte, mir immer wieder was Neues einfallen zu lassen, womit ich ihn verwöhnen konnte.
›Gott Sascha, du hast keine Ahnung, wie sehr du mich jetzt verletzt. Wie sehr du mich durch dein unbedachtes Handeln von dir wegjagst. Auch wenn du es jetzt so sehr willst, will ich es nicht und doch tue ich es. Ich verwöhne dich, weil du es willst. Ich nehm dich in meinen Mund, weil du es willst. Ich streichle dich an deinen Stellen, weil du es willst. Ich dringe in dich ein und höre dein leises Seufzen, weil du es willst. Ich blicke in deine Augen und sehe nur Traurigkeit. Du bist nicht bei mir, du bist in deiner eigenen Welt gefangen und ich schaffe es nicht, dich wieder zu mir zu ziehen. Ich habe versagt. Du bist nicht mehr bei mir. Sascha ich werde dich wieder retten. Egal wie. Spüre meine Liebe zu dir. Ich hole dich aus deiner Dunkelheit wieder raus.‹ Und während mein Orgasmus mich überflutete, gab ich mir selbst ein Versprechen.
Ich werde Clancy eigenhändig töten. Ich werde ihn sterben lassen. Immer und immer wieder. Selbst wenn nicht einmal mehr ein Fetzen Fleisch an seinen Knochen haftet, werde ich mir wieder etwas einfallen lassen, um ihn noch mal zur Strecke zu bringen. Langsam und grausam. Ich werde es genießen, wenn er um Gnade winselt. Egal wann.
»Clancy du unterschätzt mich in vielen Dingen. Ich bin ein Master und ich werde dich brechen. Seelisch. Körperlich. Deinen Willen und am Ende nehme ich dir das Liebste vor deinen Augen, bis du daran zugrunde gehst. Immer und immer wieder werde ich dich sterben lassen.«
Am nächsten Tag war Sascha nur noch ein Schatten seiner selbst und nicht einmal mehr mein gutes Zureden half ihm. Warum tat ich das? Vielleicht, um mir selbst Mut zuzusprechen. Mut und Geduld denn die Zeit war noch nicht reif. Dennoch frotzelte er mich immer wieder an. Machte sich über den KIA lustig, wie grausam und widerlich das Fahrzeug war. Mir war es egal. Ich frotzelte mit, nur um den Schein zu wahren. In Wirklichkeit war ich aufgewühlter, als ein Hurrikan und wusste nicht, was passieren würde, wenn Clancy vor meine Augen trat.
Der Anwalt erwartete uns bereits und wir reichten uns die Hände. Ich nahm auf der Seite für ›erlaubte Gäste‹ meinen Platz ein und wünschte, ich könnte näher bei Sascha sitzen. Ich sah seinen Blick, seine leeren Augen, die absolut keine Hoffnung zuließen. Sie sahen das Ende und er wandte seinen Blick zu der Nebentür, als diese geöffnet wurde. Er wurde weiß und seine Lippen gaben irgendwelche lautlosen Worte von sich.
Vage vernahm ich, das der Gerichtsdiener: »Erheben Sie sich für die ehrenwerte Vorsitzende, Richterin Simmerly, …!«, von sich gab und wie jeder sich erhob. Nur Sascha hielt seinen Kopf gesenkt und plötzlich krachte er auf die Knie und spie den letzten Rest seiner Seele aus dem Leib. Selbst als sein Körper unkontrolliert zuckte, würgte er immer noch. Ich schrie seinen Namen und stürmte auf ihn zu.
Clancy war vergessen, für mich war nur noch Sascha wichtig. Ich wollte ihn nicht verlieren, nicht wieder in diesen Zustand des Burn-outs erleben. Er sollte nicht wieder ins Krankenhaus, wie schon so oft. Ich wollte ihn in meine Arme nehmen und ihn mit meinem Körper beschützen. Nie wieder loslassen und schon hörte ich einen Schuss.
Chaos brach urplötzlich im Gerichtssaal aus. Hilal und Loris schrien irgendetwas. Die Richterin krachte auf ihrem Stuhl zusammen. Die Gerichtsdiener hatten alle Hände voll zu tun, den Mob zu beruhigen und Sascha auf eine Trage zu hieven. Clancy sah seine Chance und verschwand. Mir war es egal. Mir war Sascha wichtig und ich lief neben der Trage her.
Lange dauerte es, bis Sascha sich wieder beruhigt hatte und noch viel länger, bis sich sein Blick klärte. Erst als er es realisierte, dass schon sämtliche Hebel in Bewegung gesetzt worden waren, um seine Mutter zu befreien, war er wieder er selbst.
Ich konnte nicht mehr an mich halten und zischte ihm meine Meinung entgegen. Dennoch war ich überglücklich ihn wieder voll Enthusiasmus zu sehen.
Das war mein Sascha.
Die ganze Nacht lag ich wach, und als ich aufstand, hatte ich mich so weit im Griff, dass niemand auch nur im Geringsten ahnte, was in mir vorging. Mein Entschluss stand fest und niemand konnte ihn mir nehmen. Ich frühstückte und wenn jemand mich ansprach, so antwortete ich. Ich ließ es zu, dass Kyel mich in die Arme nahm und beruhigende Worte zur kommenden Verhandlung sprach. Traurig blickte ich in sein Antlitz und wusste, dass es das letzte Mal war, dass ich ihn sah. Ihn fühlte und seine wunderbare Stimme hörte. Von tief unten rief ich mir die Erinnerung der letzten Nacht hoch und hielt mich krampfhaft daran fest. Es war das letzte Mal, dass ich mit ihm Sex hatte. Ich hatte ihn genossen und nicht einmal Clancy konnte mir das nehmen. Wenn er mir schon meine Freiheit, meinen Körper und meine Seele nahm, aber meine Erinnerungen würde ich ihm nicht überlassen. Immer wieder rief ich mir die, von Clancy aufgestellten Regeln ins Gedächtnis, die Regeln, die ich monatelang versucht hatte, zu vergessen. Zehn waren es. Genauso viele, wie die Zehn Gebote. ›Welche Ironie‹.
Jeder war anwesend und ich hörte wie Sarah, die auch von der Schule freibekommen hatte, sich mit Aiden unterhielt und sich lauthals über Mom ausließ. Sie konnte es nicht verstehen, warum Mutter gerade nun mit ihrem Macker Urlaub machen musste. Ich schloss meine Augen, und als ich sie wieder öffnete, wanderte mein Blick zur Küchenuhr. Die Zeit verging viel zu schnell und in weniger als zwei Stunden begann die Verhandlung.
»Du schaffst das schon!«, beruhigte mich Kyel, wie schon so oft davor und wie immer nickte ich ihm zu. Er grinste mich an und ich musste stark an mich halten, um nicht in Tränen auszubrechen. Sein Blick, seine meeresblauen Augen, in denen so viel Liebe und Zuneigung standen, brachten mich fast um den Verstand, und ich war gewillt ihm alles zu erzählen. Doch dann, das wusste ich, würde Kyel mich mit allen, ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, davon abbringen wollen. Das konnte ich nicht zu lassen. Zumal das Leben meiner Mutter davon abhing. Ich musste meine Mutter beschützen, retten, das war das Einzige, was wichtig war. Und wieder ertappte ich mich dabei, wie ich verstohlen zur Uhr blickte und sie innerlich verfluchte, weil die Zeit viel zu schnell verging.
Die Zeit zum Losfahren war gekommen und jeder stieg in sein Auto. Ich nahm neben Kyel Platz und schnallte mich an. Obwohl ich mir in diesem Moment einen Unfall herbeiwünschte.
»Der Jaguar hat mir besser gefallen!«, murmelte ich und Kyel grinste mich schelmisch an.
»Tja, der Jaguar ist Vergangenheit, aber vielleicht tut es ein Porsche.«
»Du bist verrückt!«, rief ich aus.
»Ach, diesmal nicht unverbesserlich. Langsam steigere ich mich.« Ich kam nicht darum und kicherte los.
»Auch ein Guru wie du, lernt nicht aus!« Die ganze Fahrt über frotzelten wir uns gegenseitig an und ich bedauerte, dass sie viel zu kurz war.
Wie ein Gigant erhob sich das Gebäude, in dem sich der Gerichtssaal befand, vor meinen Augen und langsam wuchs ein dunkler Druck in meiner Magengegend, der sich unaufhaltsam zu meinem Herzen schlich.
Die Zeit, um Abschied zu nehmen, war da.
Ich nahm neben dem Rechtsanwalt meinen Platz ein und blickte mich in dem Saal um. Es war eine geschlossene Verhandlung. Mit anderen Worten, Außenstehende und Schaulustige hatten hier nichts zu suchen. Die Geschworenen saßen wohl eher gelangweilt auf ihren Plätzen und musterten mich mit argwöhnischen Blicken. Wie sahen sie mich? Als Opfer? Als Täter? Oder irgendetwas das dazwischen lag. Ich wusste es nicht und konnte es anhand ihrer Gesichter auch nicht erkennen. Der Staat hatte wieder sehr gute Arbeit geleistet, betreffend der Geschworenenauswahl aus einer Menge von Normalbürger. Aber eins konnte ich mit Gewissheit sagen, von den 12 Geschworenen waren bestimmt 75% gegen Homosexualität, was die Sache nicht einfacher machte. Nur ging es in meinem Fall nicht um Homosexualität, vielleicht um einen kleinen Teil davon, sondern um Entführung, Vergewaltigung, seelische Unterdrückung und Freiheitsberaubung. Was nun eigentlich eh egal war. Ich musste meine Aussage ändern und zugunsten Clancy aussagen. Und wenn er freikam, musste ich mich in seine Arme begeben, um meine Mutter zu retten. Auch wenn es für mich den Tod bedeutete.
Sarah, als einziges Familienmitglied, durfte sich hinter mich setzen. Kyel und die andern mussten auf der anderen Seite ihre Plätze einnehmen. Ich wünschte, Kyel würde neben mir sitzen und mir so Halt geben. Die Minuten vergingen und nach ewiger Zeit der unheimlichen Ruhe wurde eine Tür geöffnet. Ich blickte in das starre Graue und sofort senkte ich meine Augen. Ich wusste, dass Clancy nun siegessicher vor sich hinlächelte. Der Gerichtsdiener brachte ihn zu seinem Platz neben seinem Anwalt und aus dem Augenwinkel musterte ich dessen Profil. Er hatte sich nicht verändert. Vielleicht war er etwas dünner geworden, mehr auch nicht. Je länger ich ihn betrachtete, umso stetiger stieg der alte gewohnte Geschmack der Galle in mir hoch. Nicht nur das … die Erinnerungen an seine Berührungen stiegen an die Oberfläche, sein Atem, sein Rhythmus, wenn er sich in mir versenkt hatte und vor allem seine raue, kalte und herzlose vor Geilheit strotzende Stimme. Alles brach über mich ein. Jede einzelne erdenkliche Minute und die Angst, dies wieder zu erleben, ließ mich würgen.
»Ich kann nicht!«, war das Einzige, was ich hervorbrachte und kotzte mein Frühstück neben mich auf den Boden. Ich hatte nicht bemerkt, dass die Richterin bereits anwesend war und alle nur darauf gewartet hatten, dass ich mich erhob. Ich hörte nur Kyel, wie er meinen Namen rief und irgendetwas zu der Richterin sagte.
Alles versank in Nebel und das Einzige, was ich noch registrierte, war, dass ich am ganzen Körper zitterte und ich auf einer Trage rausgebracht wurde.
Ich wurde mit Beruhigungsmittel vollgepumpt, weil ich mich überhaupt nicht mehr beruhigen konnte. Der Arzt meinte, dass ich viel zu viel Adrenalin ausgeschüttet hätte und es auf ein posttraumatisches Erlebnis zurückzuführen sei. Oder einfacher ausgedrückt ich hatte eine Heidenscheißangst. Kyel nickte nur.
»Ist nicht ungewöhnlich. Hier im Gericht habe ich öfters mit solchen Fällen zu tun. Aber so eine Reaktion von einem Opfer gibt meistens Zusatzpunkte«, lächelte er mich an und klopfte Kyel auf die Schulter. »Aber Sie haben eine außerordentliche und ungewöhnliche Reaktion gezeigt.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte ich den Arzt, nachdem sich der Nebel etwas gelichtet hatte und ich das Zittern mehr oder weniger unter Kontrolle hatte.
»Sie haben sich übergeben.«
»Und ist das so schlimm?«, fragte Kyel und der Gerichtsmediziner zuckte nur mit den Schultern.
Ein paar Minuten blieb ich noch liegen und schloss meine Augen.
»Sascha ich möchte etwas von dir wissen!«, fing Kyel an und seine Tonlage gefiel mir überhaupt nicht. Ich öffnete meine Augen und betrachtete Kyel, wie er gedankenverloren aus dem Fenster blickte und sich dann zu mir wandte.
»Was willst du wissen?«
»Was mit Loren los ist?!« Ich zuckte zusammen und versuchte mich sofort wieder unter Kontrolle zu bringen. Noch bevor ich zu einer Antwort ansetzten konnte, sprach er weiter: »Es hat keinen Sinn bei mir dein Pokerface aufzusetzen. Seit gestern benimmst du dich etwas eigenartig. - Und der Sex … du gabst mir das Gefühl, als ob es das letzte Mal war.«
»Du spinnst doch!«, versuchte ich mein Ertapptsein, zu verbergen. Er hingegen schüttelte nur den Kopf.
»Sascha ich weiß, dass Clancy Loren hat und Lenard genauso. Ich weiß, dass Loren seit Dienstag in seiner Gewalt ist. Ich weiß auch, das Lenard dies alles eingefädelt hat. Laut Hilal hat Clancy die Sicht für das Wesentliche verloren und macht viel zu viele Fehler. Ganz besonders, wenn er sich mit Leuten anlegt, die genauso extrem drauf sind, wie er selbst. - Also!«
»Was fragst du mich dann noch, wenn du alles schon weißt?«, rutschte es mir raus und ich biss mir sofort auf die Lippe.
»Also stimmt alles, was Hilal gesagt hat. Ich habe es nicht geglaubt!« Scheiße! Kyel hatte mich aus der Reserve gelockt und blöd, wie ich war, hatte ich alles bestätigt. »Clancy erpresst dich. Das lasse ich nicht zu!«, weiter kam er nicht. Hilal kam in das kleine Krankenzimmer und sein Gesichtsausdruck sprach Bände.
»Clancy ist abgehauen und hat die Richterin angeschossen. Scheiße ich hasse es, wenn ich nackt bin!«, zischte er und boxte an den Türrahmen.
»Wenn ich meine Waffe gehabt hätte, dann hätte ich ihn erwischt.« Ich krümmte mich von dem Gehörten und schüttelte immer wieder für mich selbst den Kopf. Es konnte nicht sein. Clancy war geflohen. Nun war es aus. Er würde Mom töten. Er würde meine Mutter töten.
»Er wird Mom töten!«, flüsterte ich diese paar Worte gedanklich sowie mit monotonem Ton vor mich her. Nun endlich konnte ich den Tränen, die seit dem vorherigen Tag in meinen Augen brannten, freien Lauf lassen. Ich wusste nicht wieso, aber das Wissen, dass es noch andere Menschen gab, die über Mom Bescheid wussten, ohne, dass ich was gesagt hatte, beruhigte mich auf eine gewisse Art und Weise.
»Sascha tut mir leid, aber ich muss es wissen!«, zischte Hilal mich an.
»Weißt du, wo Clancy Loren und Lenard festhält?« Ich schüttelte den Kopf.
»Nein! Mom hat nur gesagt, dass sie bei Oma in Deutschland Urlaub macht.« Doch plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
»Sie hat mir einen Hinweis gegeben. Wartet! Es gibt doch eine Boutique, in der Einkaufspassage die Marquise la Mode heißt. Mom hat einmal einen Vergleich aufgestellt. Marquise Rosi der Süßigkeitenladen von Oma, wo du leckeres und herrliches Zeug bekommst und Marquise la Mode, wo du herrliches Zeug bekommst, aber leider nichts Leckeres. Und der Park, in dem der berühmte Schwanenweiher von dem König Dingenskirchen, ich weiß jetzt nicht, wie der geheißen hat, angebaut worden ist, liegt gegenüber.
»König Edward der 17 war das!«, verbesserte mich Kyel. Ich zuckte nur mit den Schultern. Hilal hatte schon sein Handy gezückt und gab die Information den anderen weiter.
»Ja und Mom meinte, dass sie mit Lenard auf dem Weiher Tretboot fahren will. Aber auf dem Weiher von Opapa geht das nicht mehr, weil Oma ihn verkauft hatte. Genauso, wie den Süßigkeitenladen. Warum ich nicht früher darauf gekommen bin?«, rief ich aus und Kyel schmunzelte mich an. Trat langsam auf mich zu und setzte sich neben mich auf die provisorische Liege.
»Wie schnell du an Motivation gewinnst, wenn du einen kleinen Funken Hoffnung ergreifen kannst.« Sanft strich er mir übers Gesicht und hauchte mir einen Kuss auf meine Lippen, den ich etwas stürmischer erwiderte. »Sascha tue mir einen Gefallen. Fresse nicht alles in dich hinein. Es tut mir in der Seele weh, wenn ich dich so sehen muss. Hast du überhaupt die geringste Ahnung gehabt, wie ich mich gefühlt habe? Ich bin nicht aus Stein, und wenn du nicht du bist, dann schmerzt es mich!«
»Ich war ich!«
»Wohl kaum. Vergiss nicht, Menschen zu durchschauen und das Beste für mich herauszupicken ist ein Teil meiner Fähigkeit.«
»Tzz! Du bist einfach unmöglich!« Kurzzeitig verzog er seine Augenbrauen und grinste mich an.
»Das ist jetzt eine Verschlechterung!«, stellte er fest und betrachtete seine Fingernägel. Ich schüttelte nur den Kopf und hievte mich von der Liege.
Laut der Richterin, die mit einem kleinen Streifschuss davon gekommen war, wurde die Verhandlung auf unbestimmte Zeit vertagt. Ein Haftbefehl mit einer hohen Kopfgeldsumme wurde ausgesprochen und Clancy gehörte nun zu den meist gesuchtesten und kriminellsten Verbrechern der Welt. Jedoch fehlte von ihm jegliche Spur.
Keine Stunde später wurde Loren und Lenard in der Einkaufspassage gefunden. Lenard wurde ins Krankenhaus gebracht und die Staatsanwaltschaft erhob wegen Mithilfe zur Entführung Anklage gegen ihn. Mom wurde nach einer gründlichen Untersuchung aus dem Krankenhaus entlassen. Außer einem riesigen blauen Fleck im Gesicht ging es ihr gut. Nun nahm sie sich wirklich für vier Wochen Urlaub, den sie allerdings daheim bei uns oder im Krankenhaus bei Lenard verbrachte. Einige Monate später gewann Lenard durch Moms positive Aussage die Verhandlung, und die Anklage wurde fallen gelassen. Auch durfte er seine Tätigkeit als Chefarzt weiterführen.
Ich stand am Fenster im Schlafzimmer und beobachtete den Sonnenuntergang. Nicht nur ich beobachtete etwas, ich hatte das unbestimmte Gefühl selbst beobachtet zu werden.
Als ich mich von dem herrlichen und warmen Anblick losriss, knallte ich gegen eine stahlharte Brust. Langsam so schien es mir, wurde es wirklich zur Gewohnheit gegen meinen Seelenhalt zu krachen. Es war wie, ich bin immer da, wenn du mich wirklich brauchst und ich blickte in meeresgleiche blaue Augen, die mich zu verschlingen schien.
Kyel.
Die Benefizveranstaltung kam und ich war froh, dass der Repräsentantenposten auf die fiel, die es auch verdient hatte. Die Beste der Carmen Norm Privatschule. Ihre Eltern strotzen nur so vor Stolz, und als sie Kyel auf das Podium rief und ihm den Blumenstrauß überreichte, schmolz sie regelrecht in seine Richtung. Ich hingegen verdrehte nur meine Augen und ballte unbemerkt meine Hände zu Fäusten.
»Tja Alter, das hättest du sein können!«, frotzelte Mike mich an und ich schnalzte mit meiner Zunge.
»Mir reicht schon, was ich von ihm habe. Da muss ich es nicht noch zur Schau stellen.« Er kicherte los.
»Das wäre wohl dann alles. Es gibt sonst ›Niemanden‹ auf der ganzen Welt, der das hat. Du Alter, bist der Einzige.«
»Hör schon auf …!«, und von überall ertönte ein »Psssst«. Wieder verdrehte ich meine Augen und blickte zum Podium. Kurz trafen sich unsere Blicke und mir schien es, als ob er mich auslachte. Mit seinem süffisanten Grinsen und mir fiel unser Gespräch vom Morgen ein.
»Ach wäre das schön gewesen, wenn du mir den Strauß überreichen würdest!«
»Ach ja wirklich und am Ende liege ich unter dir und wir geben für alle ein spektakuläres Schauspiel ab.«
»Das hat was. So etwas würden sie auf jeden Fall nicht jeden Tag sehen …!«
»Mensch du bist einfach unverbesserlich …«
Die Veranstaltung zog sich ellenlang hin und ich war froh, als die letzten Schüler ihre sinnlose Vorführung zeigten. Sicherlich war das ein großer Tag in der Geschichte der Carmen Norm Privatschule. Die Stadt hatte diese Schule, die sowieso schon mehr oder weniger von den Eltern gezahlt wurde, von sich weggeschoben. Nur hier und da ein paar Reparaturen mit übernommen, mehr auch nicht.
Möchte zu gerne wissen, wohin das ganze Geld geflossen war, bestimmt nicht in die Schule. Aber egal, das sollte nicht mein Problem sein. Ich hatte damit zu tun, nicht ständig irgendwo in einer dunklen Ecke Clancy stehen zu sehen und lauschte den letzten Worten des neuen ›Vaters‹ der Carmen Norm Privatschule. Die ich selbst in- und auswendig konnte.
Wie immer waren seine Worte wohlbedacht und mit sachdienlicher Diplomatie. Diesen Teil an ihm oder von ihm konnte ich auf den Tod nicht ausstehen. Ganz besonders, wenn er versuchte, mich damit aus der Reserve zu locken. Leider musste ich zugeben, dass er immer siegreich war. Herrgott! Dieser Mann machte mich wahnsinnig, selbst nun, da er dort oben auf dem Podium stand und sich nur für die ›freundliche Aufnahme‹ bedankte.
Endlich war es so weit und der Rektor entließ uns und machte die anwesenden Eltern darauf aufmerksam, dass das Buffet eröffnet sei und sie sich nach Herzenslust daran bedienen könnten.
Mike und ich gingen zu meiner Mutter und ich war erstaunt, wie Raoul es hingebracht hatte, dass man ihren blauen Fleck so gut wie gar nicht mehr sah.
»Sind deine Eltern jetzt schon da?«, fragte ich Mike, als wir zu dem Buffet liefen. Er schüttelte nur den Kopf.
»Mein Vater hat sich entschuldigen lassen. Er ist auf so einer Nahostreise und Mom, die wird irgendwo in irgendeinem Hotelzimmer in einer Kokslache liegen. - Aber er hat mir die besten Wünsche ausrichten lassen! Ist das nicht super?«
»Na, wenn du meinst. Sag mal, du bist doch schon 18 also warum …!«
»Warum ich noch nicht auf meinen eigenen Füßen stehe? Ganz einfach. Mein Vater hat einmal verlauten lassen, sollte ich nicht den Beruf erlernen, den er wünscht, dann könnte ich mich von meinem Erbe verabschieden. Und du weißt, dass ich mir diese Schule nicht leisten kann. Und die paar Jahre halte ich auch noch aus und so halte ich einfach meine Füße still und tue was Daddy verlangt.«
»Ist ja alles gut und schön, wenn du alles durch ›Sponsored by Dad‹ bekommst, aber hast du nicht selbst einen Berufswunsch?«
»Schon, aber damit kommt Dad nicht klar. Ich will Lehrer werden. - Er meint, das ist was für arme Leute.«
»So?!«
»Japp! Er meinte, ich soll Staatsanwalt werden, damit ich solche Leute wie ihn, die mal in der Klemme sitzen, raushauen kann.« Er zwinkerte mir zu und ich verstand seine lockere Art nicht. Oder war es doch nur eine Fassade, um seine Angst zu verbergen, die genauso um ihn schlich, wie um mich. Verdenken konnte ich es ihm nicht. Immerhin hatte er mich monatelang an Clancy verraten. Und nun hüpfte das Arschloch irgendwo da draußen rum, nur um neue Pläne zu schmieden, wie er mich in seine schmierigen Finger bekommen könnte.
Verstohlen blickte ich mich um und sah Hilal und Loris, die sich unter die Menge gemischt hatten. Gerbert hatte sich komplett aus der Angelegenheit verabschiedet. Er wolle lieber seine restlichen Tage als einfacher Arbeiter verbringen und irgendwann seine gesetzlich zustehende Rente beziehen. Natürlich, sollte Not am Mann sein, ›seine Worte‹, würde er eine hilfreiche unterstützende Hand reichen.
Okay, okay! Ich musste dazu sagen, unter Parker zu arbeiten war nicht ganz leicht. Nicht einmal wenn es ›privat‹ etwas zu erledigen gab. Ich konnte es ihm nicht verdenken. Und vor allem jung war Gerbert auch nicht mehr.
Ich war von ihnen fasziniert. Im Gegensatz zu den anderen Anwesenden wusste ich, wer sie waren, und auch, dass sie ehemalige Kameraden von Nigel Clancy waren. Nur hätte mir das einer vor einem halben Jahr gesagt, dass ich einmal von den Topagenten der Red Eyes bewacht werde, hätte ich ihm höchstwahrscheinlich ins Gesicht gelacht und gemeint, er sollte sich seine Fantastereien sonst wo hinstecken.
Aber zu meinem Leidwesen steckte ich direkt in diesem Drama und ich war die Hauptperson. Was für ein Schicksal.
Kyel konnte sich endlich von den gratulierenden Eltern losreißen und kam direkt auf mich zu.
»Es gibt etwas, das ich dir zeigen will.« Mike verschluckte sich an einem Häppchen und lief rot an.
»Mensch Alter … nicht … so … auffällig!«, hustete er und nun erglomm bei mir die Osram Birne den Berg zur vollkommenen Hitze. Kyel gluckste und zwinkerte ihm zu.
»Hmm, wer weiß!«
Er führte mich durch die Menschenmenge, nickte hier und da jemandem zu und ich bekam nur teilweise die Blicke von den Reichen und Schönen mit. Würde ich nicht schon glühen, nachdem Kyel so spitzfindig mit Mike gesprochen hatte, so würde ich vor Scham, wegen meiner eigenen Gedanken, mit ziemlich rotem Kopf im Erdboden versinken.
»Ah, Mr. Kastner. Auf ein Wort, …!«, kam einer in seinen Weg und die beiden reichten sich die Hände. Ich hingegen hielt gebührenden Abstand. Auch wenn ich diese Zeit nicht vermisste, vielleicht zu einem kleinen Teil schon, wollte ich nicht meine gute Erziehung vergessen und blickte in eine andere Richtung. So bekam ich nur wenig bis gar nichts von dieser sinnlosen Konversation mit.
»Das ist mein Patenkind … Sascha Fleischhauer.« Ich hatte mich wohl verhört. Was sollte denn das? Ich ignorierte dies und blickte mich weiter in der Runde um, auch wenn wirklich nichts Besonderes zu sehen war.
»Sascha … Sascha!«, rief mich Kyel ein paar Mal und irgendwann tat ich so, als ob ich dies mitbekommen hätte.
»Was? Ja?«
»Darf ich dir den Bürgermeister vorstellen?«
»Was? Oh, ja! Bitte entschuldigen Sie, ich war in Gedanken. Sascha Fleischhauer mein Name.«
»Fleischhauer? Diesen Namen habe ich schon irgendwo einmal gehört. Gehen Sie zufällig mit meiner Tochter in die gleiche Klasse?«
»Ich bin mir nicht sicher …!«
»Elena Koi. Meine Tochter. Sie heißt Elena Koi.« Ich frage mich gerade, ob mich das zu interessieren hatte, und machte weiter gute Miene zu diesem langweiligen Spiel. Ich hatte verdammt noch mal Lust auf ein anderes Spiel und nickte ihm zu.
»Ja, Elena geht mit mir in die gleiche Klasse. Sie ist die Klassensprecherin. Nicht wahr?«
»Ja, es würde mich freuen, wenn ich etwas mehr von dir zu hören bekomme. Laut meiner Tochter …«, er nahm die Hand vor seinen Mund, als ob er mir ein sehr großes Geheimnis ins Ohr flüstern wollte. »… bist du nicht wie die anderen Jungs.« Scheiße!
»Ah ja? Schön zu hören!« Mir wurde es unbehaglich und ich blickte verstohlen zu Kyel, der sein typisches neutrales Geschäftsgesicht aufgesetzt hatte. Nur seine meeresgleichen blauen Augen blitzten gemeingefährlich auf. Er war eifersüchtig und nur sein Stand in der Öffentlichkeit hielt ihn davon ab, auszubrechen.
»Sascha, es wäre schön, wenn du mal zu Besuch kommen würdest …«
Irgendwie schaffte Kyel es, mich aus dieser Situation zu befreien und ich lief ihm wie ein vertrottelter Hund hinterher. Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass der Bürgermeister mir eindeutige Angebote mit seiner Tochter unterbreitet hatte und ich schaute auf den Hinterkopf von Kyel.
Dies lag allein nur an der Tatsache, dass Kyel gesagt hatte, dass ich sein Patenkind sei. Dieser unverbesserliche Dorfdepp. Der Bürgermeister hatte in diesem Moment nur noch die Dollarzeichen gesehen und mehr nicht. Verdammt ich war doch keine Ware, die dargeboten wurde. Weiter kam ich mit meinen Gedanken nicht. Kyel drückte mich plötzlich gegen die Wand und erst da registrierte ich, dass wir im Filmstudio der Schule waren.
»Kyel …«
»Halt den Mund!« Schon spürte ich seine Zunge, die brutal Einlass forderte. Seine Härte, die mir auf dem Bauch rieb und seine warme Hand, die den Weg unter mein Shirt gefunden hatte. Seine andere Hand hatte sich in meinem Schopf vergriffen und dehnte meinen Kopf nach hinten.
Nach endlosen Sekunden seines wirklichen brutalen Kusses ließ er von mir ab. Ich leckte mir über die Lippen, um so den reizenden Schmerz wegzubekommen.
»Kyel … was ist los mit dir?« Er lächelte süffisant, aber seine Augen waren kalt.
»Hast du überhaupt eine Ahnung, welche Wirkung du auf deine Mitmenschen hast. Wie sie dich ansehen? Nein! Sie ziehen dich mit ihren Blicken aus. Ganz besonders die alten Knacker, die gerne mal so einen jungen Burschen nehmen wollen, wie du es bist. Oh Sascha, jetzt verstehe ich. Ich verstehe es endlich, warum ich dir verfallen bin.«
»Kyel … ich verstehe es nicht. Was ist l…!«, weiter kam ich nicht. Er fing irgendwie hysterisch zu lachen an.
»Ja genau! Genau, das ist es. Es ist deine jugendliche grausame, abartige und unschuldige Art. Du manipulierst alles um dich herum, ohne dass du es selbst willst. Du ziehst von jedem die intimsten und geheimsten Gedanken aus den dunklen Ecken. Du bist ein Monster mit einem gottesähnlichen Aussehen. Sascha ich bin dir hoffnungslos verfallen. Wie gerne würde ich dich einsperren und nur für mich beanspruchen. Aber ich kann nicht. Du lässt es nicht zu. Du ziehst meine Fäden. Ich bin deine Marionette. Ich mach alles, was du von mir willst. Es genügt nur ein Blick und ich ziehe dich in eine Gasse, nur damit du deinen Willen bekommst. Sascha ich weiß, dass du gerade jetzt von mir gefickt werden willst. Ich weiß es und verdammt ich werde es tun. Ich werde dich ficken. Ich werde dich zum Schreien bringen, zum Weinen und zum Betteln. Nur so kann ich für mich selbst die Oberhand behalten.« Ich hatte die Augen geschlossen und bekam einen kleinen Einblick in seine Farbe der Eifersucht. Sie war giftgrün.
»Kyel!«, murmelte ich an seinem Hals und hatte meine Arme um seinen Oberkörper geschlungen. »Es tut mir leid! Es tut mir wirklich leid. Kyel. Ich liebe dich. Du bist der Einzige für mich.«
»Sascha du bist ein Monster. Du spielst die ganze Zeit mit mir. Forderst mich heraus …«, irgendetwas veränderte sich in seiner Tonlage und ich spürte, dass er ein Glucksen unterdrückte. Dieser Arsch! Erst jagte er mir so einen Schrecken ein und nun das! Kurz blickte ich mich um und erkannte, warum er das abzog.
»Du weißt schon, dass ein Bein von mir, zwischen deinen steht und ich es einfach nur mal so nach oben, …«, er blickte mich erschrocken an.
»Das würdest du nicht wagen.« Ich nickte.
»Doch, vor allem, da ich beinahe darauf reingefallen wäre. Tzz, du bist einfach unverbesserlich!« Er grinste schelmisch. »Sag mal, was sollte diese Aktion überhaupt.«
»Das ist keine Aktion, das ist die Wahrheit. Die meisten Menschen um dich herum würden gerne mal mit dir … Ich habe ein Auge dafür. Und soll ich dir was verraten, es macht mich stolz, stolz, dass du Mein bist.«
»Ach halt die Klappe und mach da weiter, wo du aufgehört hast.« Er trat einen Schritt zurück und verbeugte sich vor mir. Ich kicherte.
»Wie der Herr wünscht!« Nur richtete er sich nicht mehr auf, sondern sank auf seine Knie. Er schaffte es wieder, mir in Windeseile die Hose runterzuziehen und mein bestes Stück zu befreien. Noch bevor ich mich versah, versank ich in seinem warmen Mund und krallte mich in seine Haare. Ich spürte den nahenden Orgasmus und drückte mich weiter rein. Kyel ließ es zu. Er empfing mich und leckte gierig die restlichen Spuren von mir und seinem Mund ab.
Als er sich wieder aufrichtete und ich in seinen Augen blickte, wusste ich, dass das für heute noch nicht alles war. Zumal er nichts tat, um selbst seine Befriedigung zu bekommen. Mein Blick wanderte zu seinem Schritt und ich erkannte seine Beule. Er war erregt und ich bewunderte seine Selbstkontrolle.
Vage kam mir die Erinnerung der schrecklichen Monate hoch, als er geil war und ich ihn nicht rangelassen hatte. Was musste er durchgemacht haben? Was musste er ertragen haben? Dies schob ich beiseite und fing selbst das Glucksen an.
»Warum lachst du?«
»Hmm, ich hätte gerne deine Eifersuchtsszene auf Film. Die hat was!«
»Oh Sascha, du bist so unverbesserlich!« Was hatte er gesagt? Ich lachte los.
Einige Tage zurück. Zu der Nacht in der Mike mit einem Schrei in Kyels Villa erwachte ...
Mitten in der Nacht klingelte mein Handy und ich sog verdrossen die Luft ein. Es konnten nur zwei sein, die die Frechheit besaßen, dies zu tun. Anthony oder Kyel, obwohl Kyels Anrufe um einiges nachgelassen hatten. Dank Sascha. Ich war nicht böse darüber und blickte von meinem Laptop zum Display des Handys.
Dachte ich es mir doch. Anthony.
»Hi Lieblingsschwager, wie kann ich dir heute helfen? Hat Johnny wieder Bauchweh. Mein Lieber, wie oft soll ich es dir noch erklären! Koche ihm etwas Fencheltee, und sein kleiner Bauch wird sich beruhigen …«
»Nein, du musst sofort mit zu Kyel kommen. Clancy …!«, ich legte auf. Allein der Name dieses Mannes ließ sämtliche Warnlichter aufleuchten.
Warf noch einen kurzen Blick in den Spiegel, was natürlich unnötig war, denn ich war nicht geduscht und im Bett war ich auch noch nicht. Auf meine Friseuse konnte ich mich verlassen. Sie erschuf Frisuren, die hielten. Dennoch nahm ich den Kajal und zog meinen Lidstrich nach. Legte mir noch etwas Duft auf und schnappte mein Handy. Ging aus meiner Wohnung und wartete, bis Anthony kam. Lange dauerte es nicht und er parkte neben mir. Wie üblich stieg ich hinten ein und begrüßte meine Schwester.
Wie automatisch nahm ich die Finger von John und streichelte über seine Hand. Er sah so friedlich aus, aber ich wusste auch, dass er ganz anders drauf sein konnte.
Innerlich schüttelte ich den Kopf und ermahnte Kyel gedanklich. Warum war er der Pate, wenn John die meiste Zeit bei mir war. Nein. Sascha nahm ihn immer, wenn Not am Mann war und wenn er Zeit hatte. Der Typ hatte überhaupt keine Ahnung, welches Leben er führen könnte. Kyel öffnete ihm sämtliche Türen. Er brauchte nur danach zu fragen. Einen kleinen Wink geben und schon würden seine Wünsche erfüllt werden.
Ach ja, ich beneide ihn. Er hatte es geschafft, Kyels eingefrorenes Herz zu erwärmen. Ein trauriges Lächeln huschte unerkannt über meine geschminkten Züge. Er hatte meinen Kyel weiter von mir entfernt, sodass ich im Nebel stand und vergebens versuchte, seine Hand zu erreichen. Ich schaffte es nicht mehr. Auch wenn Kyel langsam vor mir herlief, und ich ihm hinterherrannte, so konnte ich ihn dennoch nicht mehr erreichen.
Kyel war mir immer einen Schritt voraus, selbst wenn er sich umdrehen würde, um auf mich zu warten, so könnte ich ihn nicht mehr einholen. Nun blieb mir nichts anderes mehr übrig, als ein guter Freund zu sein. Mehr nicht. Nur ein Freund.
Anthony bog in die Einfahrt zu Kyels Villa und ich versuchte, meine aufgestauten Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Ich nahm John mitsamt dem Autositz aus dem Auto heraus und schnaufte noch einmal durch.
»Na dann, schauen wir mal, in welchem Haufen Scheiße mein Darling wieder sitzt«, jauchzte ich und schlug die Tür zu.
»Die Scheiße ist schon richtig am Dampfen. Ich hätte nicht gedacht, dass es schon so weitgreifend ist!«, murrte Anthony und schloss die Tür der Villa auf. Ich trat ein und die Villa war hell erleuchtet. Also war das nicht nur Scheiße, sondern die nächste Stufe davon. Und dampfen tat sie auch nicht mehr, die zerfloss schon in Richtung Lava.
Ohne mich weiter umzuschauen, denn Kyels Villa war ja schon fast wie mein zweites Zuhause, ging ich in die Küche. Kyel stand am Fenster und hielt eine Tasse in der Hand. Also Tee war das bestimmt nicht und wenn, dann ein Tee mit einem kräftigen Schuss.
»Darling, Liebling, was ist schon wieder los?« Er schüttelte nur den Kopf und nippte an seinem Getränk.
»Ich habe keine Ahnung …!«
»Das sieht Clancy ähnlich, sich an mehr als nur einem zu vergreifen, und Mike hat leichte Ähnlichkeit mit Sascha …!«, schnappte ich auf.
»Wie Mike? Wer ist das?« Wie schon so oft hatte ich das Gefühl nicht nur das fünfte Rad am Wagen zu sein, sondern das Ersatzrad.
»Mike ist ein Schulkamerad von Sascha und irgendwie hat er auch was mit, mit … diesem Wichser zu tun …!« Kyel erzitterte und nur seine angeborene Selbstbeherrschung ließ ihn nicht ausbrechen.
»Ach ja, dieser Mike … ich glaube, mich zu erinnern, dass Sascha ihn schon einmal erwähnt hat.« Eigentlich war mir das egal. Ich hörte tagein und tagaus belangloses Zeug, von irgendwelchen Menschen, die es ach so wichtig nahmen. Selbst bei Sascha hörte ich nur mit dem halben Ohr hin, dies auch nur, weil Kyel ihn viel zu arg lieb gewonnen hatte. Eigentlich hatte ich mich für ihn gefreut, dass er endlich einen Deckel für seinen Topf gefunden hatte, aber für mich bedeutete dies wieder, viel weniger von ihm zu haben. Ich wusste, das Kyel sich nie in mich verlieben würde, dafür schätzte er unsere Freundschaft viel zu sehr. Ich konnte auch damit leben, nie seine Liebe erfahren zu dürfen. Dennoch, diese Spannweite, die entstanden war, seitdem er Sascha kennengelernt hatte, war weit mehr, als die bei seinen vorhergehenden Bekanntschaften. Auch wenn ich es mir wünschte, so konnte ich es nicht. Ich konnte Sascha nicht hassen. Nicht einmal eine Abneigung konnte ich gegen ihn aufbringen. Sascha hatte eine Eigenheit, die die Aufmerksamkeit eines jeden entfachte. Ich musste es mir wirklich eingestehen - Ich liebte Sascha auf die gleiche Art, wie Kyel mich liebte.
Allein schon dieser Gedanke ließ mein Herz aufspringen und ich bekam von der Unterhaltung zwischen Kyel und Anthony alles mit.
»So weit also schon. Ich hätte nie daran geglaubt, wie weit sein Einfluss schon reicht«, meinte Anthony gedankenverloren und ich sah, wie er auf Kyels Schulter klopfte.
»Es ist abartig, wie er die Menschen um sich herum manipuliert, nur um Sascha in seine Schmierfinger zu bekommen. Tony ich weiß nicht, wie lange ich noch standhalten kann.« Scheiße Kyel sprach meinen Schwager mit Toni an. Er war hart an der Grenze. Ich stand auf, straffte meine Schultern und lief zum Gästezimmer, wo sie Mike untergebracht hatten.
Leise Unterhaltung drang aus dem Zimmer und mein Gewissen schlug Alarm. Sollte ich da einfach reinplatzen? Ihre intime und private Konversation stören? Wenn ich es nicht täte, wäre ich nicht Raoul. Wenn ich es tun würde, wie würde ich aufgefasst werden? Egal, allein schon die Aussage von Anthony, dass Mike leichte Ähnlichkeit mit Sascha aufwies, machte mich neugierig. Sascha war eine Schönheit. Äußerlich wie innerlich. Für mein Geschmack zu schön und total naiv. Aber was sollte es und ich trat ein.
Wie eine Wucht erschlug mich sein Blick. Neugierig, ängstlich und eine totale Fassungslosigkeit lag in ihm. Seine Augen waren mehr als tiefbraun und sie verdunkelten sich weiter, je weiter ich in das Zimmer kam. Er musterte mich. Wie gerne würde ich seine Gedanken lesen können. Nein, ich sah sie auch so. Neugierde machte Platz und seine Mundwinkel zuckten leicht. ›Ja ich weiß, wie du mich siehst. Wie jeder mich sieht. Ich bin ein Partyvogel. In deinen Augen bin ich das und doch schimmerte etwas anderes durch. Wieder diese Neugierde, die mich jetzt faszinierte, mich anzog und gleichzeitig nackt dastehen lässt. Du bist Mike und ich bin Raoul eine Konstellation, die nicht sein darf und sich doch zu entwickeln scheint. Du bist die Dunkelheit und ich das Licht. Du bist der brüllende Löwe und ich das schnurrende Kätzchen.‹
Während meiner Umarmung mit Sascha und deiner Begrüßung wich deine Neugierde und machte Platz für diese eine Erkenntnis: »Ich bin es, der deinen Funken entfacht, wodurch du zu Lava wirst. Ich sehe es dir an. Deine Augen schreien mich an, auch wenn du es zu verbergen versuchst.«
Die Stunden zogen sich ellenlang hin und irgendwann lag ich mit John auf der Eckbank, schlummernd, und hin und wieder den Unterhaltungen zwischen den Red Eyes und Kyel lauschend. Ich verstand eh nicht alles und so schloss ich wieder meine Augen. Emily richtetet ein Frühstück, welches sie besorgt hatte, und setzte wieder eine Kanne Kaffee auf.
Kyel war nur noch ein Schatten seiner selbst und ich sah es ihm an, dass er lieber bei seinem Sascha sein wollte. Ich richtete mich auf und nahm einen Schluck Wasser. Fader frühmorgendlicher Geschmack, selbst wenn ich nicht richtig geschlafen hatte, machte sich in meinem Mund breit. Johnny auf meinem Arm regte sich. Schon war Emily da und schaute nach dem Rechten, aber solange er sich nicht beschwerte, ließ sie ihn bei mir. Ich schnaufte ein und griff wieder zu dem Wasserglas. Mein Blick wanderte von dem Fenster, durch das man schon den Morgen erkennen konnte, zu der Uhr. Fünf Stunden waren wir schon da und von Sascha und Mike fehlte bisher jegliche Spur. Langsam fragte ich mich, was die beiden so zu besprechen hatte und doch wollte ich es nicht wissen. Aus den Gesprächsfetzen der Agenten konnte ich es erahnen und ich wollte es nur noch weniger wissen. Ich konnte es mir nicht einmal vorstellen, zu was ein Mensch fähig sein konnte. Seine fanatischen Gelüste auszuleben. Ich selbst hatte einen Fetisch und den trug ich öffentlich zur Schau. Deswegen schämte ich mich nicht. Das war ich und wer damit nicht zurechtkam, der sollte schauen, wo er blieb.
Mike betrat mit Sascha die Küche und er war völlig anders als letzte Nacht. Er nahm mich mit seinen dunklen Augen in den Bann. Sein Lächeln, welches für mich nicht aufgesetzt war, zog mich zu ihm. Seine strubbligen Haare, in denen ich gerne rum wuscheln würde, sie durcheinanderbringen, nur um dann jede einzelne Strähne wieder zu bändigen. Er hatte absolut keine Ähnlichkeit mit Sascha. Seine Züge waren markanter, herber und härter und doch wirkte er auch so feminin, so zerbrechlich, so weich. Dadurch ähnelte er Sascha, nicht vom Äußeren, sondern vom Inneren. Sein Innerstes war zerborsten, wie einst Saschas und ich sah die Teile, die zusammengefügt werden mussten. Es waren meine Teile, die ich finden musste, um die Sternenkonstellation zu vervollständigen. Er war meine *Demeter, mein Kreislauf. Mein Neuanfang.
*Demeter
- Tochter des Kronos und der Rhea, Schwester und Geliebte von Zeus
- Erd- bzw. Fruchtbarkeitsgöttin, für Wachstum und Ackerbau zuständig
- mit ihrem Bruder Zeus hatte sie eine Tochter Persephone
- Persephone wurde von Pluto entführt > auf der Suche nach ihr durchstreifte Demeter die ganze Welt
- beide Göttinnen, Mutter und Tochter stehen für die wiederkehrenden Jahreszeiten, das Wiedererstarken der Natur und Ackerbau
- typ. Merkmal: Ährenkranz
Ich wusste nicht, wo ich zuerst hinschauen sollte. Auf seine gefärbten Haare, sein geschminktes Gesicht oder seine viel zu grellen Klamotten. Er war nicht nur ein Wirbelwind, wie Sascha es gesagt hatte. Ein Düsenjet passte da schon eher. Und schon war er wieder weg, dennoch blieb etwas von ihm bei mir. Ich konnte es mir nicht erklären und schon gar nicht, dass unsere Unterhaltung in Raouls Richtung schwenkte. Sascha erzählte viel über Raoul und dass er anfänglich ziemlich viel Schwierigkeiten gehabt hatte, seinen Aufzug zu verstehen.
Im Laufe der Stunden zeigte ich Sascha mein wahres Ich. Wie ich wirklich war und wer ich sein wollte. Er stieß mich nicht weg. Er verstand mich und wieder sah ich, dass wir mehr waren, so etwas wie Seelenbrüder. Und doch schweiften meine Gedanken zu dem Pfau und immer wieder erwischte ich mich, wie ich unbewusst in mich hineinkicherte.
Raoul der Pfau. Alter ey!
Der Tag verging viel zu schnell. Nachdem wir gefrühstückt hatten, ließen wir uns von Hilal in die Großstadt fahren und schlenderten durch die Fußgängerzone. Ich war noch nie in der Großstadt. Der einzige Ort, an dem ich in den letzten Jahren war, war die Privatschule. Selbst da vermied ich es, meine Freizeit irgendwo anders zu verbringen, als in meinem Zimmer. Oder in dem kleinen Raum mit dem ekeligen Lavendelduft, der den Schweißgeruch der Männer unterdrücken solle, es aber nicht geschafft hatte, da durch die Ekstase der Typen zu viel Testosteron produziert wurde. Allein der Gedanke daran ließ mich zusammenzucken und ich versuchte mit einem extragroßen Stück Torte diesen Geschmack, der in mich geschobenen Schwänze, aus meinen Eingeweiden zu bekommen.
Am kommenden Morgen hörte ich, wie Sascha und die anderen die Villa verließen. Ich drehte mich noch einmal um, da ich noch nicht aufstehen wollte, und versuchte an nichts zu denken. Die letzten Tage hatten mich total aus dem Konzept gebracht und ich schlummerte wieder weg. Träumte von nichts und als ich wieder erwachte, leuchteten hellen Sonnenstrahlen mich an.
Langsam und wirklich nicht überhastet stand ich auf. Erst nun, während der morgendlichen Ruhe, blickte ich mich in dem Zimmer um. Obwohl es nur ein Gästezimmer war, beinhaltete es alles. Couch, Fernseher, Computer, Essecke sowie eine Bar und ein Bad. Dies war kein Gästezimmer, es war ein Apartment innerhalb der Villa. Und von der Villa selbst kannte ich nur die Küche und das Wohnzimmer von Sascha.
Es wurde Zeit, dass ich mich hier ein wenig umschaute. Schon hatte ich das Handy in der Hand und suchte diese eine Nummer. Noch bevor ich auf Wählen drückte, kam mir etwas, tief in mir drinnen hoch. Scheiße ich wollte ›IHN‹ anrufen und sah, wie meine Hände zitterten. Warum war der Drang ihm zu gehorchen so groß?
Er war nicht hier. Er konnte mir nichts anhaben. Wie Kyel schon gesagt hatte: »Lass dich nicht von ihm erpressen!« Dies war seine Schwäche. Seine Schwäche, die er in seine absolute Stärke verwandelt hatte. Menschen zu manipulieren. Ihnen seinen Willen aufzwingen und sie wie Spielzeuge zu behandeln. Er hatte nichts gegen mich in der Hand, und wenn es so wäre, dann wäre das ein unwichtiger Skandal, den meinem Vater nicht im Geringsten schaden würde.
»Was zeigen die Fotos, die er hat? Dich? Wie du Sex mit jemandem hast? Sex ist die natürlichste Sache der Welt!«, hatte Kyel gesagt.
»Schon, ich hatte Sex, aber die Art und Weise des Sexes ist es …« Kyel ging nicht darauf ein. Er tat es ab und somit war die Sache für ihn wieder gegessen. Aber für mich nicht. Der Sex war abartig und pervers. Und die Dinge, die ich machen musste, würde ich meinen schlimmsten Feind nicht wünschen.
Unbewusst war ich aus dem Gästezimmer gegangen und folgte einfach meinen Füßen. Von der Küche bis hin zu Lorens Wohnung, welche sich im obersten Stockwerk befand, inspizierte ich die Villa. Nach der zwanzigsten Tür gab ich auf. Alle Zimmer waren hochmodern eingerichtet und jeder Quadratzentimeter bestens ausgenutzt. Selbst der Dachboden sollte er einmal ausgebaut werden, konnte bis zu fünf Wohneinheiten fassen. Die Villa, obwohl sie im ersten Moment nicht so groß erschien, hatte Platz für mehr als zehn Familien und noch mal das Doppelte an Gästezimmer. Und ich hatte das Gefühl, dass ich noch lange nicht alles gesehen hatte. Irgendwie fand ich die Treppe zum Keller, und als ich diese betrat, kam mir ein leichter Chlorgeruch entgegen. Er hatte doch nicht …, das konnte nicht sein und doch gehörte es einfach dazu. Es wäre eine Schande, wenn diese Villa kein integriertes Schwimmbecken besaß oder eine Sauna oder einen Trainingsraum mit diversen Gerätschaften. Ich öffnete die erste Tür. Mein Herz erlaubte sich, in meiner Brust doppelt so schnell zu schlagen, als mir der feuchte, nasse nach diesem Desinfektionsmittel behafteter Geruch schwer ins Gesicht schlug.
Ich war zu Hause. Ein Schwimmbecken strahlte mir mit all seiner Pracht entgegen, und bevor ich mich versah, stand ich schon an dem Kleiderständer und suchte mir eine Badehose raus. Mir war egal, ob ich es durfte. Ich musste in dieses Nass und ich musste schwimmen, bis all meine Reserven aufgebraucht waren.
Das letzte Jahr hatte ich meine Leidenschaft aufgegeben. Meine Weltmeisterschaft in den Wind geschossen, nur weil er es wollte. Weil er es mir befohlen hatte.
Ich blickte mich nicht um und sprang vom Beckenrand ins Wasser. Sofort, als ob ich nie etwas anderes getan hatte, bewegte sich mein Körper, wie automatisch. Erst langsam, um die Glieder etwas zu lockern, und als ich den aufkommenden Jubel meines Körpers spürte, zog ich die Geschwindigkeit an. Eine Bahn, die Zweite, und nachdem ich meine fünf Kilometer runter geschwommen hatte, fühlte ich mich frei. Meine Sinne waren bis zum Zerreißen angespannt und ich spürte etwas auf mir haften. Etwas Warmes.
Ich blickte mich um und sah ihn. Unbeholfen winkte er mir zu.
»Du hast ja einen ganz schönen Speed drauf!«, rief er mir zu und noch unbeholfener hievte er sich auf den Rand.
Kurz schüttelte er seine nassen Haare und die komische Farbe harmonierte auf besondere Weise mit dem Wasser. ›Eine Fee‹ huschte es mir durch den Kopf und ich musste glucksen. Es fehlten wirklich nur noch die Flügel. Er bot ein wahnsinniges überaus sinnliches Bild. Sein Blick schien mich auf besondere Weise zu durchbohren und doch verbrannte es mich. Der Anblick überrannte mich, mein Herz setzte aus, um nach der Anstrengung noch einmal doppelt so schnell zu schlagen. Sekundenlang starrte ich ihn an, mein Glucksen blieb irgendwo zwischen Herz und Magengegend stecken und machte Platz, für einen Schwarm Schmetterlinge die Achterbahn zu fahren schienen, anstatt zu flattern. Er war ein Anblick, das schafften nicht die besten Models. Elektrisierend und doch sanft wie eine Feder. Unbeschreiblich und nicht in Worte zu fassen.
Ich schwamm auf ihn zu und hievte mich neben ihn aus dem Becken. Darauf bedacht, nicht arg so viel von mir preiszugeben. Auch wenn ich es nicht eingestehen wollte, übte er eine Faszination aus, die nicht verborgen blieb. Ich musste ihn betrachten. Er war nicht geschminkt. Seine Badehose war eng anliegend und stand ihm hervorragend. Mehr als gut.
Vergebens versuchte ich, meine angesammelte Spucke zu schlucken.
Raoul war trotz seiner blassen Haut ansehnlich, obwohl ich immer einen Hang zu sonnengebräunter Haut hatte. Er war genau das Gegenteil davon, dennoch reizte mich dieser Mann bis aufs Äußerste. Falls ich Typen wollte. In letzter Zeit tendierte ich eher zu Frauen, doch ich fand keine Passende.
»Was machst du hier?«, fing ich an und er zuckte mit den Schultern.
»Nichts Besonderes. Und du?« Ich zuckte ebenfalls mit den Schultern.
»Das Gleiche!« Er lächelte und es war ein herrliches Lächeln. Befreiend und ganz ohne Scham. So ganz anders ohne die Maskerade. Nichts Aufgesetztes, einfach nur natürlich. Er selbst. Und er hatte eine merkwürdige Wirkung auf mich.
Mein Körper reagierte auf ihn und meine elektrisierenden Schmetterlinge trieben ziemlichen Schabernack mit mir. Sofort ließ ich mich wieder ins Wasser gleiten und atmete noch einmal tief durch, bevor ich unter Wasser tauchte. »Scheiße! Was zum Geier ist nur los mit mir?«
Mein Schwanz pochte, ich versuchte, mich zu beruhigen und dieses Bild des Feenglanzes aus meinem Gedächtnis zu bekommen. Mein Glucksen anhand dieser Vorstellung zu unterdrücken und seine herausfordernde Art zu ignorieren. Ich war mir ziemlich sicher, dass er meine Reaktion, auf Teufel komm raus, gesehen hatte, bevor ich wieder ins Wasser abgetaucht war.
Und als ich wieder auftauchte, wagte ich einen kurzen Blick zu ihm. Noch immer lächelte er und es schien, als ob er mich nicht mehr aus den Augen ließ. Auch als ich meinen selbst aufgebrummten 20 Bahnen, nachging. Selbst beim Schwimmen konnte ich es nicht lassen, immer wieder einen Blick auf ihn zu erhaschen und es schien, als ob er sich an meinen Bewegungen erfreute. Noch nie hatte sich jemand an Kraulschwimmen so erfreut wie er. Auch wenn es für mich in dem Sinne kein unbekanntes Gefühl war. Meine Emotionen überschlugen sich und ich nahm mir vor, auch wenn es bescheuert klang, mein Training wieder aufzunehmen. Nur um ihn noch mehr Lächeln zu sehen. Sein Lächeln, welches in diesem Moment nur mir galt, ich wollte es nie mehr missen. Es gab mir etwas und ich wusste, ich wollte mehr davon. Und dieses Etwas gehörte nur mir und ich sollte verdammt sein, wenn ich es jemand anderem überließ. Nein!
MEINS!
Ich würde noch verrückt werden. Sascha forderte mich in jeder erdenklichen Situation heraus. Selbst als ich auf dem Podium stand und meine Dankesrede hielt. Allein dieser Blick, seine lässige Haltung, wie er auf dem Stuhl saß und vor allem sein herablassendes Lachen, welches über die Menge hinwegschwebte. Ich musste mich zusammenreißen. Auch nachdem das Mädchen mir den Blumenstrauß überreicht hatte, sah ich, wie er mich ansah. Mich anlachte. Auslachte. Wahrscheinlich genüsslichen Gedanken nachhing, die uns beide, hier oben zeigten. Oh ja Sascha, das wäre eine Aktion gewesen, wenn ich dich einfach in meine Arme genommen hätte und dich vor all dem Publikum geküsst hätte. Ab diesem Zeitpunkt wäre dieses dämliche Versteckspiel dann endgültig vorbei gewesen und die Presse hätte ein gefundenes Fressen gehabt. Ich könnte mich dagegen wehren, aber du! Die Zeitungen würden dich zerreißen, dein Innerstes nach außen kehren und dich in Grund und Bodens stampfen.
Hier und da trug ich zu dem überaus ausschweifenden und arroganten Small Talk bei und war froh, als ich endlich bei Sascha angelangt war. Er unterhielt sich mit Mike und mir fiel auf, dass dieser sich unentwegt umschaute. Erst als ich Raoul erblickte, der sich mit Loris unterhielt, erkannte ich ein verstohlenes Leuchten in Mikes Augen. »Sieh einer an!«, dachte ich. Nur vergaß ich das gleich wieder, als mich etwas anderes streifte. Etwas, dass meine Libido erregte. Saschas Duft. Sein Duft, dieser Duft, der mich einhüllte und mich Geborgenheit fühlen ließ. Dieser bestimmte Duft, den er ausströmte, wenn er es wollte. Es von mir wollte. ›Ja Sascha! Ich springe auf dich an wie ein Motor‹, und lockte ihn von Mike weg.
Wie oft ich das Gleiche zu den Eltern sagte, konnte ich am Ende nicht mehr zählen. Ich schleifte Sascha hinter mir her, beziehungsweise, er lief mir hinterher. Es wäre doch sehr auffällig gewesen, wenn wir Händchen haltend durch die Menge gingen und irgendwo in einer dunklen Ecke verschwanden. Und wieder schob sich jemand in unseren Weg, diesmal war es der Bürgermeister, der meines Erachtens Sascha mit seiner Tochter verkuppeln wollte, was mir absolut nicht gefiel. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass es Sascha genauso wenig gefiel und mein innerer Schweinehund jaulte jauchzend auf. Ja auch für die, die es nicht sahen. Sascha gehörte mir und ich gehörte ihm mit Haut und Haaren.
Endlich hatten wir auch diese Hürde überstanden und in mir brodelte es. Ich wollte ihn, mehr als alles andere. Ich wollte ihn verwöhnen, auch wenn das für mich heißen würde, zurückzustecken. Meine eigene Geilheit zu unterdrücken. Ja, wie schon viele Male zuvor, nicht bei Sascha, aber bei meinen Sklaven, hatte ich mich oft zurückgehalten, weil es mir gefallen hatte, wie sie in meinen Armen, durch mein Handeln ihre komplette Kontrolle, ihre Selbstbeherrschung verloren. Sich mir hingaben und sich vollständig unterwarfen. War das ein wahnsinniges Gefühl. Diese Kontrolle über ihre Körper. Die Kontrolle über meine eigene Selbstbeherrschung. Es geilte mich auf und gerade nun kam dieses Gefühl wieder in mir hoch. Ich wollte mich zurückhalten und Sascha seinen Genuss gönnen. Ihn in meinen Händen schmelzen sehen, ihn weinen und mich anflehen lassen.
Leicht heftig stieß ich ihn gegen die Wand, küsste ihn verlangend und in diesem Moment fiel mir etwas ein. Ich zog seinen Kopf am Schopf nach hinten, da ich wusste, dass er dies gerne hat. Auch, wenn er es sich noch nicht eingestehen wollte, aber er liebte es, wenn ich ihn etwas härter anfasste. Ich blickte in seine Augen und fuhr ihm damit über den Mund, ich wollte nicht, dass er auch nur ein Wort sprach. Sein Blick wurde ängstlich und ich spürte, wie er leicht zu zittern anfing. Shit, war ich vielleicht etwas zu weit gegangen? Aber sein Ausdruck war zu süß und ich hatte Schwierigkeiten mir das im Hals steckende Glucksen zu unterdrücken. Das Glucksen wollte raus und ich fing an, es rauszulassen. Hart und kalt, ich schaffte es wirklich, es herablassend klingen zu lassen. Sascha wurde irgendwie immer kleiner und doch versuchte er, sich mit seinem ganzen Körper bei mir zu entschuldigen. Für was, das wusste nur er und nun war es wirklich aus mit mir.
Er durchschaute mich. Er kannte mich besser, als mir lieb war.
Böse funkelte er mich an und forderte mich auf, da weiterzumachen, wo ich aufgehört hatte. Ja Sascha, ich wollte auch nichts anderes und sank vor ihm auf die Knie. Holte mein Lieblingsstück, welches schon eine beachtliche Erektion aufwies, heraus und verpasste ihm einen Blowjob. Schnell und wirklich unromantisch und ich wusste, dass er wusste, dass das heute noch nicht alles war. Dafür schmeckte er viel zu gut und er verströmte immer noch diesen herrlichen Duft.
›Du hast noch nicht genug und ich werde dich heute so weit treiben, dass du erschöpft in meinen Armen einschläfst. Es dich nicht einmal im Geringsten interessiert, das unsere Flüssigkeit langsam und klebrig auf unseren Körpern eintrocknet. Vielleicht wird es nicht so weit kommen, denn es wäre eine Verschwendung, nur einen einzigen Tropfen zu vergeuden. Ich werde dich danach sauber lecken und dir beim Einschlafen zuschauen. Ich liebe diesen Gesichtsausdruck, wenn du komplett befriedigt bist. Deine Seele zufrieden schnurrt und dein Körper Energie für das nächste Mal tankt.‹
Tief schnaufte er ein, als er seinen Reißverschluss wieder hochzog und wir endlich diese nervende Benefizveranstaltung verließen.
Frischer Wind kam auf und ich zog mein Jackett enger um mich.
»Es fängt zu regnen an!«, murmelte Sascha, als er die Tür vom Auto öffnete und sich über die Nase strich.
»Hmm!«, sagte ich nur und blickte zu den Wolken, die nun rasend schnell auf uns zukamen. Aber das sollte meine Stimmung nicht trüben und stieg ein. Startete den Motor und verließ den Parkplatz der Carmen-Norm-Privatschule. Auch, wenn ich es nicht wollte und dies immer wieder vor mich hergeschoben hatte, war ich doch letztendlich froh, diese Hürde hinter mich gebracht zu haben.
Ich war nie ein Fan von solchen öffentlichen Auftritten, aber manchmal war es unvermeidbar. Ohne Sascha hätte ich es wohl weiterhin vor mich hingeschoben, er war der Anstoß, dass ich mich endlich dazu durchgerungen hatte, diese Schule zu übernehmen, sodass sie nun wirklich wieder eine Privatschule war.
Seit vor einem Jahr, als der alte Rektor, sowie der Vater dieser Schule verstarb, war sie nur noch eine Waise. Von der Stadt von sich geschoben und von dem Schulgeld, das die Eltern der Schüler zahlten, hätte sie sich nicht mehr lange halten können. Diese Schule verschlang Unsummen an Kosten, die meist von meinen Spenden getilgt worden waren.
»Ich hasse dieses Auto!«, riss mich Sascha aus meinen Gedanken. »Warum musstest du den Jaguar verkaufen? Der war um einiges besser …!«, murrte er weiter und ich betätigte die Gangschaltung. »Alleine das schon … boah!« Er zog an seinem Gurt und richtete ihn wieder, legte seinen Kopf auf die Hand und blickte aus dem Fenster. Nun regnete es in Strömen.
»Hmm, ein Jaguar kommt nicht mehr in die Tüte. Wie wäre es mit einem Porsche?«
»Porsche!« Okay, das war verächtlich. »Ein Angeberauto. Kauf halt gleich einen Ferrari.« Das war ein Schlag unter die Gürtellinie.
»Kann ich machen, wenn du einen willst!«, machte ich weiter und amüsierte mich.
»Bloß nicht!« Ich kicherte und er verdrehte seine Augen. »Jedes Auto ist mir recht, nur dieses hier ist doch unter deinem Niveau!«
»So? Ich habe eher das Gefühl, dass du KIA im Allgemeinen nicht leiden kannst.« Er widersprach mir nicht, also hatte ich recht. »Okay. Ich verkaufe das Auto und lege mir stattdessen den Aston Martin V12 Vantage S 2013 zu. Ich denke, das sportliche Design, dreitürig, 573 PS und von Null auf Hundert in nur 3,9 Sekunden passt besser zu mir. Du hast recht, so etwas Langsames steht mir nicht!«
»Ah ja und was soll der Wagen dann kosten?«
»Nicht viel, ist nur etwas Taschengeld!« Er lachte auf.
»Dein Taschengeld kenne ich. Wahrscheinlich ist es mehr, als ein normaler Bürger im Jahr verdient!« Ich grinste ihn an.
»Nun, wenn du es wissen willst. Ab 170 000 € aufwärts.«
»Boah, manche kaufen davon ein Haus und du …«
»Und du musst dich langsam mal daran gewöhnen, dass auch du ein Multimilliardär bist!«
»Nein Danke, das ist dein Geld und ich will damit nichts zu tun haben!« Nun hatten wir wieder dieses Thema und ich fand es einfach lästig, dass er diese Tatsache immer wieder von sich wegschob.
»Tzzz, mal davon abgesehen, dass es mein Geld ist, mein kleiner Orkan. Lebst du seit einem halben Jahr davon!« Er wurde wütend und das gefiel mir umso mehr.
»Ist ja schon gut! Ich weiß, dass ich unter deinem Dach lebe und keine Miete zahle. Ich kann ja auch ausziehen, wenn du es willst!« Es war so weit. Er war wütend, unmissverständlich und wollte auf provokative Art verletzend sein. Nicht mit mir! »Verdammt ich fühle mich schlecht, wenn ich es … wenn ich …!«, stotterte er und seine Wut war verpufft. Wahrscheinlich machte er sich darüber mehr Gedanken, als ich geahnt hatte. Und doch ...
»... Wenn du nicht alles alleine schaffst! Ich habe mal eine kleine Frage an dich.« Ich ging in die Offensive. Sonst schwieg ich immer, doch ich konnte mich nicht mehr zurückhalten. Dieses Thema wurde immer und immer wieder auf wundersame Weise untern Tisch gekehrt. »Meinst du, dass Ehepaare, die sich für ein Leben miteinander entscheiden, getrennt vor sich hinleben? Oder Familien? Das Babys von alleine aufwachsen und lernen, wie das Leben funktioniert? Wie denkst du, funktioniert das Leben. Meinst du wirklich allen Ernstes, dass ich es ›ALLEIN‹ geschafft habe, meine Firma dahin zu bringen, wo sie jetzt ist? Dass ich es ›ALLEIN‹ so weit geschafft habe? Ich verrate dir was! NEIN!! Ich hatte Hilfe. Helfende Hände, überall Unterstützung, finanzielle wie materielle und beim Lebensunterhalt genauso. Noch vor zehn Jahren war ich am Boden. Hatte keine Wohnung, kein Geld, ich war pleite und ich soll in der Hölle schmoren, wenn ich diese Tatsache jemals vergessen werde. Ich habe jede Hilfe angenommen, die ich bekommen habe. Und ich verrate dir noch etwas. Selbst heute, wo ich mir alles kaufen kann, nehme ich immer noch Hilfe an, denn, wenn ich es nicht tue, werde ich vielleicht arrogant und vergesse höchstwahrscheinlich meine Freunde und habe kein Interesse mehr an einem gemeinsamen Leben mit ihnen.« Wieder betätigte ich die Gangschaltung, setzte meinen Blinker und fuhr auf einen Feldweg. Nun goss es in Strömen und nicht einmal der Scheibenwischer bewältigte das ganze Wasser. Langsam hatte ich das Gefühl, das Wetter spielte jedes Mal verrückt, wenn es Sascha emotional nicht so gut ging.
Die Sonne erstrahlt, wenn Sascha aus vollem Herzen lachte. Es war neblig, wenn Sascha leicht deprimiert auf der Couch saß und es regnete, wenn er seine Gefühle, wie soeben in sich verschloss. Ich schnaufte ein, schnallte mich ab und wollte aussteigen.
»Es regnet!«, kam nur aus ihm heraus und ich sah, dass er immer noch aus dem Fenster blickte. Emotionslos sowie absolut ohne Gesichtsmimik. Ich hasste es, wenn er das tat.
»Ich weiß!«, gab ich nur zur Antwort und stieg endgültig aus. Blieb ein paar Sekunden im Regen stehen und ging anschließend um das Auto. Sascha hatte recht. Der KIA war eindeutig nicht mein Stil und ich schmunzelte in mich hinein. Nun hielt mich niemand mehr zurück, und auch wenn es mir für eine kurze Zeit leidtun würde, so musste Sascha, ebenso wie ich, da durch. Ich öffnete die Tür und blickte in ein überaus verdutztes Gesicht.
»Steig aus!«
»Was …?«
»Mach einfach!«, und reichte ihm meine Hand. Noch etwas zögerlich ergriff er sie und ich zog ihn aus dem Wagen. Verdrehte seinen Arm auf dem Rücken und drückte ihn bäuchlings auf die Motorhaube.
»Kyel, …!«
»Halt den Mund!«, zischte ich und spürte, wie er sich zu wehren versuchte. Je mehr er sich wehrte, umso fester wurde mein Griff.
»Das tut weh. Lass mich los, du Arsch!« Ich ignorierte ihn und öffnete mit meinen geübten Händen seinen Gürtel, seinen Knopf und den Reißverschluss. Wie automatisch sank seine Jeans zu Boden und ich zog ihm die Unterhose runter. Nebenbei hatte ich mich von allem befreit. »Kyel hör auf!«, hörte ich ihn, doch ich bemerkte auch, dass seine Abwehr nachließ, und fing an mich an ihm zu reiben. Langsam beugte ich mich zu ihm runter.
»Ich höre erst auf, wenn du es verstanden hast. Und ich gebe dir noch einen guten Rat. Entspanne dich etwas, denn mir steht jetzt echt nicht der Sinn danach, dich darauf vorzubereiten.«
»K…!«
»Sei leise. Das Einzige was ich von dir hören will, ist dein Stöhnen!«, flüsterte ich in sein Ohr und schon drückte ich mich in ihn rein. Ich spürte, wie er sich verkrampfte und durch den Regen sah ich nicht, ob er weinte.
»Tut weh!«, keuchte er.
»Ertrage es, denn das ist der Schmerz, den du mir immer und immer wieder zufügst, wenn du mich von dir wegschiebst. Wenn du der Meinung bist, alles alleine bewältigen zu müssen, und meine Hand wegschlägst. Sascha du bist Mein. Ich liebe dich und ich will mein Leben mit dir teilen!« Ich war ganz in ihm drin und selbst er drückte sich mir nun entgegen. Er hatte die Augen geschlossen, leckte sich kurz über seine Lippen und überraschte mich damit. Nie im Leben hätte ich damit gerechnet, dass Sascha sich einfach so vögeln ließ und es geilte mich mehr als alles andere auf. Und als ich den ersten kräftigen Stoß tat, stöhnte er laut auf. Er richtete sich mehr in Position und ich konnte tiefer in ihn stoßen. Er war so einnehmend, selbst in diesem Moment. Obwohl ich ihn fickte, hatte er Kontrolle über mich, weil es ihm gefiel. Weil er stöhnte und sich in meinem Rhythmus schmiegte und weil er mich mehr als zuvor in sich willkommen hieß.
»Ja, ich will auch mein Leben mit dir teilen. Hilf mir, hilf mir dabei.« Mehr brauchte ich nicht hören und wir kamen fast zeitgleich.
Keiner von uns hatte mitbekommen, dass ein Van uns gefolgt war.
Brutal drückte er mich auf die Motorhaube und der Regen prasselte, kalt über mein Gesicht. Viel zu hart hielt er mich fest, und bevor ich mich versah, spürte ich, wie meine Hose runterrutschte und er sich in mich drückte.
Ich biss auf meine Lippe und unterdrückte den Schmerzensschrei. Ich kannte diese Art von Schmerz. In meiner dunkelsten Erinnerung verbarg er sich. Immer und immer wieder hatte ich ihn gespürt, von ihm, von dem Mann, der mich bis an mein Lebensende verfolgte. Selbst dann, wenn er schon lange unter der Erde vor sich hin rotten. Und doch, auch wenn es absurd klingen mochte, war es mein Wunsch. Mein tiefster und innigster Wunsch, von Kyel so genommen zu werden. Kyel war es auch, der mir in dieser Woche beigestanden hatte. Ich hatte mir immer wieder vorgestellt, dass er es war, der mir diese fürchterlichen und gleichzeitig, erregenden Schmerzen zufügte. Kurzzeitig schob sich Scham in mir hoch, die ich unterdrückte und als Kyel vollständig in mir war und den ersten kräftigen Stoß tat, stöhnte ich mein Verlangen raus. Immer heftiger wurde er, und als ich ihn wirklich um Hilfe bat, konnte ihn niemand mehr aufhalten. Er vögelt mich und ich hatte das Gefühl, als wäre ich befreit. Es war geil und ich wusste nicht wieso.
Im Wagen vermieden wir es, uns anzuschauen. Um ehrlich zu sein, ich wollte auch nicht. Der Sex, den wir hatten, war anders. Für mich anders. Ich hatte mich ihm hingegeben und hatte es auch nicht anders gewollt.
Kyels Villa schob sich in den Vordergrund. Dieses Haus, in welchem ich seit über einem halben Jahr lebte, machte mir Angst und ich wusste nicht warum. Es war absurd und doch konnte ich mir denken, warum.
Mein Innerstes, das den Wunsch hegte, Schmerzen, Erniedrigungen und vollkommene sexuelle Unterordnung auszuleben, übernahm langsam die Oberhand. Mir hatte es gefallen, wie Kyel mich einfach genommen hatte. Nach seinem Willen den Sex aufzwang und auch, wenn ich mich dagegen sträubte, fing ich an, Paul zu verstehen.
Noch ein paar Tagen vor der Veranstaltung hätte ich es nicht verstanden, doch nun … dieses Gefühl, danach diese Befriedigung, die nach mehr lechzte … ich wollte mehr und ich wusste Kyel, würde es mir gebe. Ich wusste, dass er nicht eher ruhen würde, bis ich meine Gelüste vollständig ausgelebt hatte, meine Liebe bezeugt und wirklich und ohne Umschweif befriedigt worden war. Dies war Kyels Weg. Das war Kyels Liebe und ich würde sie ihm geben. Irgendwann, wenn ich wirklich dafür bereit wäre.
Es war meine Facette der Hoffnung, endlich so leben zu können, wie ich es wollte. Niemandem Rechenschaft ablegen zu müssen. Dass alle es akzeptierten, wie ich war und vor allem das Kyel die dunklen Schatten in mir vertrieb. Mehr wollte ich nicht und ich war auf dem Weg dahin.
»Sascha!«, riss mich Kyel aus meinen Gedanken und ich riss mich von dem Anblick des Hauses los, welches mir in den letzten Monaten viel Geborgenheit gegeben hatte.
Ich stieg aus dem Auto und rannte zur Tür, damit ich nicht noch nasser wurde, als es ich schon war. Nein, wie wir schon waren und unsere Blicke trafen sich. Nun grinste ich ihn an und sah in seinen Augen einen gewissen Triumph oder war es doch nur meine Einbildung. Auch, wenn es mein innigster Wunsch war, so würde Kyel mich nie behandeln. Mir den Sex aufzwingen, wenn ich es nicht wollte. Er hatte es getan, weil er wusste, wie ich darauf reagieren würde. Er wusste, dass ich es zulassen würde und eine Erkenntnis traf mich. Er kannte mich. Er erkannte die unsichtbaren Zeichen, die nur für Liebende sichtbar waren. Meine Haltung, meine Regungen, einfach alles. Er durchschaute meine Fassade. Meine verschiedenen Facetten, die ich um mich herum aufgebaut hatte. Einfach alles.
Nein es war kein Triumph, es war Wissen. Das süffisante Lächeln, das er mir schenkte und die Art, wie er mir die Tür in seine Villa aufhielt, seine blitzenden Augen, die tiefer als das Meer so blau erstrahlten, zeigten, dass alles, was er besaß, auch mir gehörte.
Ich wandte meinen Blick von ihm ab und sagte, während ich in die Villa ging und mir die regendurchtränkte Jacke auszog: »Ich mache nächste Woche den Führerschein und das Auto, ein Audi, oder, den Tom fährt, finde ich echt genial, …!«
»Hmm, weiß ich und das Auto ist bereits bestellt, mit allem Komfort, den ich für dich angemessen halte.«
Warum überraschte mich das nicht und ich schluckte meinen aufkommenden Ärger runter. »Alleine schaffst du nichts …!«, hörte ich ihn in meinen Gedanken fluchen.
»Mit anderen Worten, das Auto hat alles!« Er nickte und zog sein nasses Jackett aus.
»Leider musst du dich noch etwas gedulden … Der Audi ist erst in ein paar Wochen lieferbar, … - aber es ist kein Problem, du hast ja noch dein Moped!«, meinte er und schaute mich herausfordernd an. »Oder, und es wäre absolut kein Problem, du würdest dir einen Wagen aus der Garage nehmen. Immerhin habe ich noch einige zur Verfügung, die in der Garage so vor sich hinstauben.« Irgendwie sah ich das alles kommen. Ich gab meine Prinzipien auf, nur um einen Schritt schneller voranzukommen. »Einen Moment … hast du gerade gesagt, du willst nächste Woche den Führerschein machen? Wie willst du ihn bezahlen? Soweit ich weiß, musst du die Zulassungsgebühr bezahlen und einige Fahrstunden sind auch noch offen!« Ich drehte mich zu ihm um und schaute auch gleich verlegen weg.
»Wenn es dir Recht ist, so würde ich gerne deine Hilfe annehmen«, murmelte ich und auch, wenn ich ihn nicht sah, oder zumindest nur aus dem Augenwinkel überflutete mich sein süffisantes Grinsen.
»Warum meine Hilfe. Du hast doch selbst ein Konto sowie die dazugehörige Kreditkarte und alles, was auf dem Konto ist, kannst du nach Belieben verwenden.« Zuerst schnaufte ich tief ein und dann nickte ich. Langsam kam Kyel auf mich zu und ich sah seine, vom Regen und der Kälte gereizten Nippel durch sein Hemd.
Alles, aber auch wirklich alles rutschte in meine unterste Region und so heftig habe ich schon lange nicht mehr darauf reagiert. Sofort schoss Röte in mein Gesicht und die pochenden, elektrisierenden Schläge ließen mich plötzlich zusammenzucken. Mein Atem schnellte in die Höhe und mein Herz hatte damit zu tun nachzukommen.
»Scheiße!«, zischte ich und vernahm nur ein Glucksen. Noch bevor ich mich versah, nahm Kyel mich in seine Arme und bearbeitete meine besondere Stelle am Hals. Sein warmer Atem streifte die von seiner Zunge befeuchtete Stelle und ich keuchte auf.
»Hmm, irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich jetzt wirklich gebraucht werde.« Seine Lippen wanderten von meinem Hals zu meinem Mund. Er schmeckte so gut und es gierte mich nach ihm.
Wie automatisch fuhren meine Hände zu der Stelle, die mich plötzlich so verrückt werden ließ. Seine Nippel waren steinhart und ich ließ meine Handfläche immer wieder über sie streichen. Streichelte mit meinen Fingerspitzen über seinen ganzen Bauch, aber irgendwie war mir das nicht genug. Das Hemd störte und ich wusste, dass es mir zu lange dauern würde, jeden einzelnen Knopf zu öffnen. Mit einem Ruck riss ich sein Hemd auf und mir war egal, wie viel es gekostet hatte und wohin die Knöpfe flogen. Ich wollte ihn nur noch spüren. Über seine Brust lecken, seinen Duft inhalieren und ihn schmecken.
Kyel keuchte auf und ich sah seinen Adamsapfel hüpfen, ein Anzeichen, dass er kräftig schlucken musste. Sofort biss ich ihn dort leicht, dann wanderte meine Zunge über seine nackte Brust, umkreiste seine Nippel, und weiter bis zu seinem Nabel. Ich ging auf die Knie, blickte kurz zu ihm hoch und sah seine Augen aufblitzten. Während ich langsam Gürtel, Knopf und Reißverschluss öffnete, hörte ich, dass sich seine Atmung beschleunigte. Er schloss seine Augen und umgriff mit einer Hand meinen Nacken.
»Noch nicht!«, hauchte er und wieder schluckte er kräftig. Danach zog er mich etwas zu heftig am Schopf zu sich hoch. Noch bevor ich mich beschweren konnte, fochten unsere Zungen einen Kampf aus. »Komm!« Seine Hand umgriff immer noch meinen Nacken und er zog mich durch das Schlafzimmer ins Bad. »Zieh dich aus!« Seine Stimme war rau vor Verlangen und er schaltete die Dusche an. Er musterte mich und sein süffisantes Lächeln zog beachtlich in meinen Lenden. »Du siehst so verdammt geil aus. Ganz besonders dort!« Ich sah, wie er sich über die Lippen leckte und sein bohrender Blick in meinen unteren Regionen haften blieb. Dann zog er mich mit einem Ruck unter den warmen Wasserstrahl. Warum wehrte ich mich nicht? Warum ließ ich seine sanfte Grobheit zu, obwohl ich ihn verwöhnen wollte? Ich spürte, wie er anfing, meine Haare zu waschen, meinen Rücken, meinen Bauch, meine Arme einfach alles. Als er zu meiner unteren Region kam, blickte er mir tief in die Augen. »Es gefällt mir, dass du da unten so nackt bist, wie Gott dich schuf. Dennoch liebe ich den Duft deiner Schamhaare. Lass sie wieder wachsen.« Er umgriff meinen Schwanz und zog meine Vorhaut zurück. Sofort krallte ich mich an seiner Schulter fest. »Du bist heute so ganz anders. Ich kann es mir nicht erklären und irgendwie gefällt es mir. Schon die ganze Zeit war da ein Wechsel bei dir. Im Filmstudio warst du dominant. Auf der Motorhaube eher unterwürfig und jetzt so ein Zwischending. Sag mir, was du willst!«
»Ich will dich verwöhnen, aber du lässt es nicht zu.«
»Hmm, mein kleiner Orkan … - ich gehöre ganz dir.« Fordernd schob er wieder seine Zunge in meinen Mund und massierte nebenbei meinen Schaft. »Mach mit mir, was du willst«, hauchte er mir ins Ohr und ging einen Schritt zurück. Scheiße, er forderte mich heraus und das erste Mal in meinem Leben wünschte ich mir ein Mäuseloch. Verlegen blickte ich auf die Seite und schloss kurzzeitig meine Augen. Warum war das nun so schwer? Vorhin war ich gerade dabei und nun, …
Kyel spürte meine Zurückhaltung und übernahm wie immer die Führung. Er verlor kein Wort darüber und ich war wirklich froh, dass er mich in jeder erdenklichen Situation verstand.
Zwei Tage später an einem Sonntag.
Meine Mutter war wie üblich als Erste wach. Ich hörte sie, wie sie in die ›Gemeinschaftsküche‹ ging, obwohl sie oben auf ihrer Etage eine eigene Küche besaß, und Kaffee aufsetzte. Den Frühstückstisch herrichtete und ihre allmorgendliche Arbeit aufnahm. Was wiederum für mich hieß, den Aufgabenzettel zu studieren und ohne Fragen oder Widerworte meine Aufgaben zu erledigen.
Manchmal wünschte ich mir, Sarah wäre öfters daheim, um uns mehr unter die Arme zu greifen.
»Oh je! Heute wird wieder ein arbeitsreicher Sonntag. Loren überhäuft uns mit Arbeiten, die nach ihrer Meinung einfach zu lange liegen bleiben!«, murmelte Kyel schläfrig und ich gluckste.
Tja zwei Dumme ein Gedanke.
»Hmm, so was nennt man einen freien Tag!«, meinte ich und kuschelte mich näher an Kyel heran. »Aber solange Mom nicht schreit, bleibe ich liegen.« Ich hatte es verschrien, denn schon ertönte ein kreischender durch Mark und Bein dringender, wütender Schrei: »Sascha! Kyel!«, und die Tür wurde aufgestoßen. »Seid ihr beide von Gott verlassen? Habt ihr noch alle Tassen im Schrank? Oder wie soll ich das verstehen?«, schrie sie in schriller Tonlage auf Deutsch und ich wusste nicht, was sie hatte. Kyel fragte mich, was sie sagte und ich übersetzte es für ihn. Noch bevor ich fertig war, schmiss sie die Tageszeitung auf unser Bett und ich hörte Kyel, »Fuck« zischen.
»Das kannst du laut sagen. Und ich frage mich schon, warum draußen auf dem Hof so viele Leute stehen. - Jetzt weiß ich es!« Kyel überreichte mir die Zeitung und ich las die Überschrift.
»Namhafter Geschäftsmann treibt es auf der Motorhaube«, mehr brauchte ich nicht zu wissen, denn das Bild sagte alles.
Ich schloss meine Augen, und als ich sie wieder öffnete, hatte sich nichts an der Überschrift oder dem Bild geändert. Nun war es raus. Ich stand auf, ging ans Fenster und erblickte über zehn Reporter, die es sich nicht nehmen ließen, von der Villa diverse Fotos zu machen. Das Einzige, was ich mitbekam, war, dass Kyel die Polizei anrief.
Ich wusste nicht, wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte. Raoul war wie ausgewechselt, wenn er mit Kyel und den anderen zusammen war. Dennoch kam ich nicht drum rum und suchte ihn in der Menge. Ich sah, dass er sich mit Loris unterhielt und auch, dass ihm die pikierten Blicke der anwesenden Eltern nichts ausmachten. Er lebte seinen Stil und trug ihn in der Öffentlichkeit zur Schau. Dieser Pfau. Selbst dafür könnte ich ihm an die Gurgel gehen.
Meins!
Unsere Blicke trafen sich. Er lächelte mir zu. Sofort wurde mir siedendheiß. Warum? Wusste ich nicht. Ich konnte nichts anderes tun, als mich postwendend zu Sascha zu drehen, der wie gebannt auf Kyel stierte.
Scheiße, das Herz pochte in meiner Brust, so heftig, dass es schon wieder wehtat. Die Atmung kam nur noch stoßweise und ich musste mich ablenken. Da kam mir die leichte Andeutung von Kyel ganz recht und ich stänkerte ihn an. Irgendwie sprang er darauf an und verschleppte Sascha buchstäblich durch die Menge der Eltern, Schüler und Lehrer.
Kurz schüttelte ich den Kopf und bemerkte, dass ich wieder nach Raoul suchte. Verdammt! So etwas tat ich nicht, ich schmachtete niemandem hinterher, man schmachtete mir hinterher und wenn mich diese Person interessierte, konnte eventuell etwas daraus werden.
Dennoch kam es einfach über mich. Ich musste ihn sehen. Ihn betrachten. Seinen Körper mustern und abschätzen, so wie ich es bei jedem tat. Da traf mich ein leichter Hauch von Süße und doch wieder herb. Er. Sein Duft und bevor ich mich versah, blickte ich in seine perfekt geschminkten Augen. Ich konnte es nicht glauben, dass mir tuntenhaftes Schminken gefiel, oder war es doch eher seine Einzigartigkeit. So jemandem wie ihm war ich noch nie begegnet.
Meins!
Warum verzauberte er mich? Ich verstand es nicht und hieß es dennoch willkommen.
Feenglanz! Ich konnte an nichts anderes mehr denken, als an den Tag, an dem er am Beckenrand saß, dezent seinen Kopf schüttelte, und damit sein Haar auf eine perfekt chaotische Art durcheinanderwirbelte.
»Hi!«, begrüßte er mich, und wenn ich vorhin gedacht hatte, die Eltern sähen ihn pikiert an, so wurde ich schlagartig eines Besseren belehrt. Sie sahen nicht Raoul an, sie sahen Loris an. Der als Mann zu weiblich wirkte, obwohl er nicht geschminkt war und auch keine Damenkleidung trug. Es war sein Fluch in zwei Geschlechtern gleichzeitig zu leben. Er war weder ein Mann, noch war er eine Frau. Manchmal frage ich mich, wie er das alles verkraftete.
Raoul hingegen schienen die Meisten akzeptiert zu haben. Sein Äußeres, welches an einen Pfau erinnerte. Mich an einen Pfau erinnerte. Fehlten wirklich nur noch die langen, bunten Augenfedern, die hinten aus seiner Hose stehen würden. Welch ein Vergleich, aber anders kam er nicht rüber.
»Und wird dir es nicht langsam langweilig, hier auf diesem Schulfest?«, fragte mich Raoul.
»Eine Benefizveranstaltung ist das und kein Schulfest. Obwohl ich das Wort Benefiz für total sinnlos halte. Es ist nur eine offizielle Veranstaltung, um den neuen Besitzer zu begrüßen und bekannt zu geben.« Er grinste mich an.
»Nun, egal was es ist, mir ist langweilig. Hast du Lust noch irgendwo einen Kaffee zu trinken?«
»Nee lass mal. Kaffee habe ich genug. Ich wollte eigentlich, wenn dieses ganze Trara vorbei ist, meine Runden schwimmen, obwohl ich glaube, dass das keine so gute Idee ist«, sagte ich und konnte mir nicht erklären, warum ich das tat. Nebenbei strich ich über meinen Bauch und tat so, als ob ich von dem vielen Essen zum Kotzen vollgefressen war.
»So?! - Okay. Ich muss auch wieder in den Laden. Nun ja, wir sehen uns!« Er drehte sich um und ging.
Nein! Meins.
Er war angesprungen, so wie jeder, der was von mir wollte und sollte mich der Teufel reiten, wenn ich ihn gehen ließ. Ich rief ihn zurück: »Ach Raoul … also … einen Kaffee würde ich gerne schon noch trinken!« Er blieb stehen, blickte mich an und seine Augen fingen zu funkeln an. Wäre ich im Schwimmbecken, so würde ich regelrecht auf ihn zu schwimmen. Und viele Dinge zogen sich durch meinen Kopf, was ich gerne mit ihm anstellen würde.
Als Erstes würde ich ihn anweisen, diese farbauffälligen Klamotten gefälligst auszuziehen und eine Badehose, die nichts verbarg, aber alles verhüllte, anzog. Dann sollte er sich mit dem Rücken zu mir stellen, damit ich ihn in vollen Zügen betrachten konnte. Seinen Hintern mit meinen Händen abtasten, …
»Gut! Aber wir müssen warten, bis Loris oder Hilal Zeit hat.« Shit! Dieser Pfau! Hatte er tatsächlich mich eiskalt erwischt? Ich hoffe nur, dass mein Blick nicht zu arg verklärt war.
Ich räusperte mich und fragte ihn: »Warum müssen wir auf einen von den beiden warten? Mein Auto steht auf dem Schulparkplatz, gleich dahinten.« Er schaute mich leicht verdattert an. Scheiße, was tat ich da?
»Du hast einen Führerschein?« Er war irgendwie sprachlos und ich nickte. Es war zu schön, um wahr zu sein. Raoul und sprachlos. Er war ein Mann, das wurde mir plötzlich klar. Dieses tuntenhafte Getue, welches er stets an den Tag legte, war nur Schauspielerei. Und diese würde ich ihm austreiben. Ich wollte ihn als Mann, der sich mir unterordnete, der mir verfallen war. Doch auch dieses Feminine war genau das, worauf ich ansprang. Beides in einem Körper stand genau vor mir und belauerte mich.
Meins!
»Ja, habe ich.«
»Gut! Und wo soll es hingehen?« Ehrlich?! Ich hatte keinen blassen Schimmer. Am liebsten wäre es mir, wenn er mir, wie vor ein paar Tagen einfach beim Schwimmen zusah und ich ihn einfach nur betrachten konnte.
Irgendwie versank ich in diesen lila und gelb geschminkten Augen. Seine Augenfarbe konnte ich nicht einordnen. Sie waren dunkel und dennoch sprenkelte etwas blau, grau und grün in seinen Pupillen rum. Ich musste mich zusammenreißen und zur Abwechslung mal einen Kaffee trinken zu gehen, war doch keine so schlechte Idee, wie ich mir nun eingestehen musste. »Danach, naja mal schauen, was der Tag noch mit sich brachte«, dachte ich.
»Ähm! Wenn es dir nichts ausmacht. Nicht ganz so weit ist ein kleines Café. Die haben den perfekten Cappuccino.« Er grinste. Nein es war kein Grinsen. Es war was anderes. Etwas zwischen Grinsen und einem zurückhaltenden Lächeln. Langsam verfluchte ich seine Schminke. Ich wollte wieder dieses Lächeln sehen, mit dem er mich in Kyels Schwimmbad bedacht hatte.
Meins!
»Wir könnten eigentlich hinlaufen!«, murmelte ich und hatte keine Ahnung, warum ich ausgerechnet das Laufen angeboten hatte, obwohl sich der Himmel auftat und vereinzelte Regentropfen mich im Gesicht trafen. Vielleicht war es, weil die Wassertropfen auf seiner nackten Haut in den verschiedenen Facetten des Regenbogens aufgeleuchtet hatten. Er nickte und ich hatte das Gefühl, stetig immer mehr in diesem unmöglichen Feenglanz zu versinken.
Dieses Bild von ihm, wollte sich einfach nicht verschließen lassen.
»Wir sollten uns beeilen, sonst sind wir ganz durchnässt, noch bevor wir aus dem Schulgelände heraus sind«, holte Raoul mich aus meinen Gedanken. Welche Gedanken? Ich hatte keine. Das Denken fiel mir schwer. Mein Gehirn schwebte irgendwo zwischen dem Hier und dem Niemandsland. Das Einzige, das mir durch meinen Kopf huschte, war die Vorstellung, wie seine Haut auf die vereinzelten Wassertropfen reagieren würde. Gänsehaut, die seinen ganzen Körper überzog und seine rosigen Brustwarzen, die sich mir entgegenstreckten. Und vor allem, wie er aussehen würde, wenn er mit nasser Haut, nackt im Zentrum der vereinzelten gebrochenen Sonnenstrahlen stand. »Scheiße! Alter! Gib mir 'ne Auszeit. Alter ich halte das nicht aus«, fluchte ich gedanklich. Ich musste ihn haben.
Meins!
Scheiße. Ich brauchte ganz dringend eine Abkühlung und der Regen war mir nun wirklich willkommen. Eigentlich nicht. Gerade der Regen verursachte in mir solche Gedanken und ich räusperte mich leise: »Na dann, gehen wir mal los, sonst lassen sie uns nicht mehr rein, wenn wir durchnässt sind!«
Den kurzen Weg zum Café schwiegen wir und mir fiel auf, dass er gänzlich gelassen wirkte. Keine pikierten Äußerungen wie, von wegen und ›meine Frisur wird zerstört oder meine Schminke zerläuft‹, so wie Sascha mal erzählt hatte. Und immer wieder ertappte ich mich dabei, wie ich ihn verstohlen von der Seite betrachtete. In der gelben Jeans und seinem roséfarbenen Hemd, sah er wirklich wie ein Pfau aus, dennoch faszinierte mich das Erscheinungsbild. Ich fragte mich, wie viele Klamotten er in diesen Farben besaß. Ich wollte es wissen. Irgendwie wollte ich alles von ihm wissen und mir reichte das Gelaber von Sascha nicht mehr. Er sah Raoul ganz anders, als ich und ich hatte das Gefühl, während unseres kleinen Spaziergangs mehr in Erfahrung gebracht zu haben, als sonst ein anderer. Wie schon vorhin, war er mehr Mann, als seine leicht transvestitische Erscheinung vermuten ließ. Ich glaubte sogar, das Kyel diese Seite von Raoul noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Und es erfüllte mich mit einem unsagbar warmen Gefühl. Ich war stolz, als Einziger diese ruhige und doch stark männliche Art mitzuerleben.
Meins!
Kaum, dass wir den Laden betreten hatten, öffneten sich die Himmelsschleusen und es goss aus allen Rohren.
»Noch mal Glück gehabt!«, meinte Raoul, fuhr sich kurz durch seine Haare, die einige Regentropfen abbekommen hatten, und ging schnurstracks an einen Tisch, an dem welche mit hohem Rang saßen, vorbei. Ich erkannte die Gesichter einiger Eltern und Lehrer, die wie mir schien, den gleichen Gedanken hatten wie wir und es passte mir nicht. Plötzlich blieb er bei einem anderen Tisch stehen und ergriff die Hand einer Frau.
»Ahh, Mrs. ...« Keine Ahnung, welchen Namen er sagte, war mir Schnuppe, aber er war wieder sehr überschwänglich und ich rollte mit den Augen. Diese Art war einfach abturnend und so krass, das einem allein schon des Wandels wegen schlecht werden konnte. Raoul der Pfau und Raoul der Ruhige. Zwei Charaktere in einem Körper und doch gehörten sie zusammen. ›Scheiße! Alter mach mich nicht so fertig!‹
Wie sagte Sascha einst, ›von Null auf Hundert‹. Dennoch schlich sich ein Ziehen in meinen Magen, als er nach fünf Sekunden die Hand dieser Frau immer noch nicht losgelassen hatte.
Ein starker innerer Impuls stieg in mir hoch. Der Impuls, ihn von dieser Tusse wegzureißen und ihr ins Gesicht zu brüllen: »Ey Alte, der gehört mir. Du musst schon früher aufstehen, um es dir von ihm besorgen zu lassen.« Boah! War das denn zu fassen? Die Alte zog ihn ja förmlich mit ihren Blicken aus und die tätschelten immer noch.
»Da haben Sie vollkommen recht. Ein scheußliches Wetter. Aber für meine Petunien ist der Regen einfach himmlisch«, hielt er weiter Small Talk und ich stand brodelnd neben ihm. Beobachtete sein Getätschel auf dem Handrücken dieser mir unbekannten und notgeilen Frau. »Hey Alte, wenn du ihn nicht sofort loslässt, dann zeige ich dir, was es bedeutet durchgevögelt zu werden!«, dachte ich und wartete ungeduldig.
Endlich nach endlosen Sekunden verabschiedete er sich von dieser Frau und ihr Begleiter fragte sie, wer dieser Mann war. »Oh wer wird denn hier gleich einen auf großem Macker machen?«, dachte ich nun wirklich hibbelig.
»Ach Liebling, das ist mein Friseur. Raoul. Ein Gott von einem Friseur.« ›Nur nicht zu hoch in den Himmel loben, da könnte man glatt eifersüchtig werden. Tja, Liebes. Raoul wird dir nie einen besorgen, dafür werde ich sorgen. Nimm deinen Alten, aber ich glaube kaum, dass der noch einen hochbekommt.‹
Meins!
Shit! Hatte ich dies eben gedacht und ja, dieses Ziehen in meinem Magen breitete sich weiter aus.
»Ist das der Starfriseur Raoul?«, hörte ich eine andere Frau die sich zu dem Tisch, an dem Raoul gestanden hatte, umdrehte.
›Noch so eine. Ist denn dieses Café nur von ausgetrockneten, der Sahara entkommenen, Frauen belagert. Ich muss hier weg.‹
»Ja, …!«, mehr verstand ich nicht, denn Raoul hatte einen Tisch ausgesucht, der etwas abseits von all den anderen stand.
Kaum das wir uns gesetzt hatten, kam auch schon die Bedienung. Adeline. Eine kleine Persönlichkeit. Die, wenn sie zu labern anfing, nicht mehr aufhören konnte. Ihre Themen so langweilig, als wenn in Afrika ein durchgerostetes Fahrrad umfiel, aber selbst darüber konnte sie sich stundenlang unterhalten und fand kein Ende. Und die Zeit, die ich mit ihr verbracht hatte, war Grottenöde und die Einzige, die Spaß im Bett hatte, war sie.
»Hi Mike!«, begrüßte sie mich und es sollte mich sofort der Blitz treffen, wenn da nicht ein dunkles Funkeln in Raouls Augen auftrat. Es gefiel mir. »Hallo Sir. Mein Name ist Adeline. Ich werde Sie heute bedienen. Also, wenn was ist, einfach rufen!«, stellte sie sich Raoul höflich vor und irgendwie, verschwand dieses Funkeln nicht aus seinen Augen.
»Danke Adeline«, bedankte sich Raoul knapp. Sie nickte und ging ihre übliche Routine durch. Sie fragte, ob wir schon wüssten, was wir wollten, oder ob wir die Karte haben möchten. Ich sagte, dass ich das Gleiche wie immer haben möchte und Raoul verlangte die Karte.
»Kennst du sie?«, fragte er mich geradeheraus und nun traf mich der Blitz. Auf alles war ich vorbereitet, aber auf diese Frage und auf diesen besitzergreifenden Ausdruck in seinen Augen in seiner ganzen Haltung, nicht. Tief schnaufte ich ein. Was sollte ich ihm antworten? Was wollte er hören? Eine Lüge oder sollte ich ihm die Wahrheit sagen. Kurz blickte ich auf meine Hände, und als ich wieder hochschaute, schlug der Donner über mich ein. Ich erkannte, dass er mich durchschauen würde, sollte ich es wagen, ihn anzulügen. Shit, der Typ machte mich fertig. Besonders als der machomäßige Ton in seiner Stimme, sich in meinen Verstand bohrte. So viel Sarkasmus in einer einzigen Frage schaffte selbst ich nicht.
Meins!
»Ähm, … nun ja, … wir waren mal zusammen«, murmelte ich und sein dunkler Funken sprühender Ausdruck wich einem Nebelverhangenen. Es sah so aus, als ob er überlegen würde, wie er sich weiter gab. Während ich mich fragte, warum ich es als peinlich oder als ein großes Geheimnis ansah, mit wem ich zusammen war und mit wem nicht.
»So?!«, meinte er nur und ich spürte, dass die Luft um uns deutlich kühler wurde.
»Ja!«, nickte ich und versuchte, diese Situation mit einem Lächeln abzutun. Ich wollte nicht mehr darüber reden. Adeline war Vergangenheit und den Grund, warum es auseinanderging, wollte ich Raoul nicht unbedingt auf die Nase binden. Und sofort wurde ich eines Besseren belehrt.
»Und warum ging es auseinander?« Das war nicht wahr! Er hatte mich das nicht wirklich gefragt? Warum fragte er mich das? Das sollte ihn eigentlich nicht interessieren und dennoch hatte ich das Gefühl, es ihm erklären zu müssen. Nur wusste ich nicht, wie er darauf reagieren würde, wenn ich ihm alles erzählte. Von Clancy, von den Männern, dass ich mich tagelang ins Zimmer eingeschlossen hatte und mit diversen Mädchenficks, die total in die Hose gingen, versucht hatte, die ganze Scheiße, die ganzen Schmerzen zu vergessen.
Adeline kam mit der Karte zurück und legte sie vor Raoul. Er bedankte sich wieder sehr freundlich, nur ich sah etwas. Ich konnte es nicht einordnen. Wieder waren seine Augen dunkel und er würdigte sie keines Blickes, als sie uns wieder verließ. War es Provokation von seiner Seite? Wollte er mich aus der Reserve locken? Das konnte mir eigentlich egal sein. Ich wollte ihn. Vor allem wollte ich seine verfluchte Kaltschnäuzigkeit aus ihm rausvögeln. Scheiße nur durch seine kokette Haltung und den machomäßigen Ton in seiner Stimme war ich so weit, ihn an die Wand zu nageln.
Meins!
Auch ich blickte ihr kaum hinterher und fragte mich, welchen Reiz sie vor Kurzem noch auf mich ausgeübt haben könnte. Sie besaß nichts, was auch nur annähernd erotisch wirkte. Ihre Haare hatte sie zu einem Zopf zusammengebunden und ihre Klamotten, schlechter, als bei einer grauen Maus. Ich schnaufte ein und bekam nicht mit, dass Raoul mich die ganze Zeit beobachtete.
Adeline kam mit unserer Bestellung zurück und verließ uns auch sogleich wieder. War es mein kurz Angebunden sein oder war es Raouls Blick, der sie veranlasste wieder zu gehen, anstatt, wie es bei ihr üblich war, sich für einen kurzen Moment mit an den Tisch zu setzten und sinnlosen Small Talk zu betreiben.
Wieder schnaufte ich ein und schüttelte unmerklich den Kopf. Erst als mir klar wurde, dass vor mir mein Kaffee stand und Raoul bedächtig von seinem Cappuccino trank, während sich unsere Blicke wieder einmal trafen, wurde es mir bewusst, wo ich mich eigentlich befand. Diesmal saß ich nicht alleine im Café, wartete nicht auf irgendjemanden, der sich als mein Onkel ausgab oder auf eine kurze Liebschaft. Ich saß mit jemandem im Café, der mich mit seinem Schweigen langsam total fertigmachte. Wo war meine Schlagfertigkeit? Meine Selbstbeherrschung und vor allem, wo war ich? Der, der hier gegenüber von diesem Mann saß, war nicht ich. Ich verlor nie meine Sprache. Ich musste nie um Worte ringen und warum, fand ich kein Thema, über das wir uns unterhalten konnten. Alter ey, … Der Pfau machte mich fertig. Seine arrogante Körperhaltung und dieses ›mir ist alles egal‹, schlug über mich ein.
Meins!
»Raoul ist sehr eigen. Wenn er unbedingt was wissen will, dann schafft er es, es einem aus der Nase zu kitzeln, … so richtig nervtötend«, waren Saschas Worte. Ob er auch mal in dieser Situation war? Ich glaubte kaum. Und langsam hatte ich das Gefühl, von ihm nicht nur beobachtet zu werden. Sein Blick verfolgte jede meiner Bewegungen und er selbst war regungslos. Nur hin und wieder nippte er an seinem Cappuccino, oder betrachtete seine lackierten Fingernägel. Boah! Ich wollte ihn an die Wand nageln und ihm zeigen, wo es lang ging. Dieses mädchenhafte Getue schlug mir tierisch auf den Magen.
Nachdem ich wieder einen Schluck von meinem Kaffee getrunken hatte, stellte ich die Tasse zurück.
»Du willst wissen, warum es auseinandergegangen ist?« Er nickte. Ich lehnte mich zurück, faltete meine Hände hinter meinen Kopf und kippelte etwas mit dem Stuhl.
»Schon, immerhin schaut sie noch so aus, als ob sie die Hoffnung noch nicht aufgegeben hat.«
›Sieht er das wirklich so? Hoffnung? Mache ich ihr noch Hoffnung? Ich glaube es nicht. Ich habe es ihr offen und ehrlich ins Gesicht gesagt, dass es zwischen uns nicht klappen kann.‹
Natürlich vermied ich es, ihr den eigentlichen Grund zu nennen. Dass ich eigentlich homosexuell war und Frauen mich nicht im Geringsten anmachten. Sicherlich hatten wir auch Sex, aber er erfüllte mich nicht. Kein Sex, den ich bisher hatte, hatte mich jemals erfüllt. Immer sah ich diese Männer, die mich nur als Wichsvorlage benutzt hatten oder meinen Körper mit einer Gummipuppe verwechselten.
»Es war die Tatsache, dass ich schwul bin. Deswegen habe ich mit ihr Schluss gemacht.«
»Wohl kaum!« Was? Was hatte er gesagt? Ich blickte ihn fragend an. Er bewegte kaum seine Augen von mir weg und ich sah, wie er seine Lippen fest aufeinanderpresste, um seinen Lippenstift auf ihnen zu verteilen. Er sie dann wieder öffnete und seine Zunge sanft darüber strich. Gott alles zog sich in nur eine bestimmte Region und wenn wir alleine in diesem Café wären. Ich wüsste, was ich mit ihm anstellen würde.
»Bitte? Das kannst du doch nicht wissen!«, meinte ich und wieder blitzten seine Augen auf.
»Ich weiß einiges. Sag mir, wie lange ist es zwischen euch schon vorbei?« Also diese Frage überraschte mich, und doch wieder nicht. Und als ich darüber nachdachte, fiel mir etwas auf. Konnte es sein, dass Raoul es durchschaut hatte?
»Ungefähr seit fast …!«
»Einem viertel Jahr. Seit Clancy dir den Befehl gegeben hat, Sascha zu beobachten!« Nun war ich sprachlos und konnte nicht anderes tun, als zu nicken. Wie hatte er es? … Ich mein, …
»Woher …?«
»Ich das weiß? - Nun … Sascha und Kyel … kämpfen schon seit fast einem Dreivierteljahr gegen Clancy und glaube mir, ich habe da so einiges mitbekommen. Viele unschöne Dinge. Grausame und menschenunwürdige Dinge. Clancy ist ein Teufel. Ein Krimineller, der in die Geschlossene gehört.« Mir gefiel die leichte rötliche Farbe, die Raoul annahm. Wie er sich da rein steigerte und total seine Manier vergaß. Ich kam nicht drum rum und musste schmunzeln. Hier war wieder der Mann. Nicht der Ruhige, sondern der, der sich in Rage sprach. ›Yeah, genau das ist es!‹
Meins!
Seine Augen nahmen wieder dieses Funkeln an und in meiner Magengegend rumorte es.
»Okay, du hast recht. Es war in dem Sinne nicht, wegen meiner Homosexualität, denn ich bin bisexuell. Und Adeline war damals irgendwie, wie, … ach ich weiß auch nicht.«
»Eine Abwechslung?!« Ich schüttelte den Kopf.
»Wenn es keine Abwechslung war, dann war es auch keine Ablenkung. Ich denke eher, dass du jemanden gesucht hast, der dir Geborgenheit gibt. Mike! Ich kann nicht in dein Innerstes blicken ...«, den Rest, den er sagen wollte, behielt er für sich.
Auch, wenn ich es nicht verstand, aber eins begriff ich. Raoul wollte irgendwie für mich da sein. Sein Blick. Seine starre Haltung. Ich konnte dies alles nicht einordnen. Aber ich kannte diesen Ausdruck in seinem Blick. Dies war der Gleiche, wie der Blick den Kyel Sascha zuwarf. Und ich wollte ihn. Diesen Blick. Diesen Ausdruck. Seine Haltung. Nur für mich und mir war es in diesem Moment egal, ob mir gegenüber ein Partyvogel saß oder nicht. Ob derjenige seine Schwulität konstant in der Öffentlichkeit auslebte oder nicht. Ob er sich kleidete, wie der letzte Arsch oder einen Nadelstreifenanzug trug. Ob er zickig oder total nervtötend war. War mir alles egal. Er besaß etwas, auf das ich total ansprang und dieses Etwas gehörte mir.
Meins!
So als ob er etwas ahnen würde, stand er auf und ging in Richtung der Toiletten. Ich schnaufte ein und folgte ihm mit meinen Augen. Stellte mir seinen nackten Hintern vor. Seine blasse Haut und wie sie in den verschiedenen Facetten des Regenbogens geleuchtet hatte.
Mit einem Ruck, ich konnte mich nicht mehr zurückhalten, stand ich auf und lief ebenfalls auf die Toilette. Als sich die Tür hinter mir schloss, vergewisserte ich mich, dass wir alleine waren. Raoul war gerade dabei seinen Reißverschluss zu schließen, als ich ihn am Arm packte und in eine Kabine schob.
Noch bevor er etwas erwidern konnte, drückte ich ihn gegen die Wand und wir blickten uns in die Augen. Er schwieg und ich beugte mich etwas zu ihm runter. Mir war es noch gar nicht aufgefallen, dass er etwas kleiner war als ich. Umso besser. So hatte ich besseren Halt und fing an meine Zunge über seinen Hals gleiten zu lassen. Seine Atmung beschleunigte sich. Ich spürte das Herz in seiner Brust pochen und als sich unsere Lippen trafen, kam ein kleines enthaltsames Stöhnen aus seiner Kehle.
Meins!
Ich reagierte darauf und forderte daraufhin, mit meiner Zunge Einlass in seinen Mund. Er gewährte ihn mir, wenn auch etwas widerwillig. Er wollte unbedingt die Oberhand behalten. »Nicht mit mir Freundchen«, dachte ich. Ich hatte mich lange genug ficken lassen. Nun war ich der, der seinen Schwanz in ein dunkles Loch stoßen würde und ihn dazu bringen, die Engelchen singen zu hören.
Nach endlosen Sekunden ließ ich von ihm ab und wäre beinahe wieder über ihn hergefallen, als ich sah, wie er mit seiner Zunge über seine Lippen leckte.
»Wir sollten …« fing ich an.
»... ein anderes Plätzchen suchen«, hauchte er leicht stotternd. Ich nickte nur und lächelte ihn an, weil er den gleichen Gedanken hatte wie ich. Dennoch hatte ich das unbestimmte Gefühl, dass er sich von mir nicht so leicht Topen lassen würde. Diesen Kuss hatte er auch nur zugelassen, weil er es genauso sehr wollte, wie ich. Aber wie sollte ich ihm erklären, dass ich keinen Schwanz mehr in meinem Arsch haben wollte.
Nie wieder.
»Mike!«, sprach er mich an und tippte auf meine Schulter. Mit dem Zeigefinger zeigte er auf meinen Mund.
»Du hast Lippenstift …!« Mehr brauchte er nicht zu sagen, denn ich zog ihn wieder an mich heran. Sein leicht verstörter Ausdruck, welcher besagte, dass er seine Schminke total vergessen hatte, war einfach zu köstlich.
»Raoul, wen interessiert es? Schau dich selbst einmal an. Dein Kajal ist durch den Regen leicht verschwommen.«
»Was? Meine Schminke ist total zerlaufen!« Hier war er wieder. Das nervtötende Etwas.
Der Pfau.
Nun war es aus! Mehr konnte ich nicht mehr denken, als ich Sascha vom Bett aufstehen sah und wie er zum Fenster lief. Seine leicht von der Sonne gebräunte Haut nahm eine fahle Farbe an und ich sah es ihm an, dass er kurz vor einem Zusammenbruch stand.
Von der schimpfenden Loren bekam ich nichts mehr mit. Ich sah nur ihn. Er drehte sich um und schüttelte leicht den Kopf. »Nein!«, durchschoss es mich. Immer und immer wieder nein. Nicht das. Wehe, wenn er mir das antat. ›Ich verspreche, dass ich dich eigenhändig ans Bett fessel. Ich lasse dich nicht mehr gehen. Nie wieder. Nicht einmal wenn du anfängst, mich zu hassen.‹
Leicht formulierte ich mit meinen Lippen seinen Namen, doch er starrte mich nur verloren an. Er war woanders. Nicht hier und der Schock stand ihm buchstäblich ins Gesicht geschrieben.
Langsam kam ich wieder in die Realität zurück, suchte mein Handy, rief Ltd. Shmitz an und schilderte ihr die Situation.
»Das ist Hausfriedensbruch, … - Keine Sorge Mr. Kastner, wir kümmern uns darum!«, beruhigte sie mich und ich legte auf. Nun hievte ich mich aus dem Bett und ging ans Fenster. Vor meinem Haus war die Hölle los und es trudelten immer mehr Paparazzi ein. Sanft schob ich Sascha vom Fenster weg und nahm ihn in meine Arme. Er rührte sich nicht und ich vernahm seine Atmung nicht, sie war ziemlich flach, nur sein Herzschlag pochte viel zu stark in seiner Brust.
»Es wird wieder alles gut. Bei denen da unten ist so was normal.«
»Normal?!« Oh Sascha erwachte aus seiner Starre. »Was ist daran normal? Schau dir doch einfach mal das Bild an. Es ist überhaupt nicht normal. - Das ist ein gefundenes Fressen für die. Wie lange wird es dauern und es kommt im Fernsehen dran. Kyel deine Reputation, …!« Das war doch wohl wirklich ein Scherz. Er machte sich immer noch Sorgen über meine Reputation?! Ich küsste ihn auf die Stirn.
»Ist es das, was dir Sorgen bereitet? Meine Reputation? Sascha, ich habe so viel Geld, das ich damit fünfmal auf die Welt kommen und wieder sterben kann und selbst dann hätte ich noch genügend.«
»Rede nicht so ein Stuss, … Schau dir das Bild an!!« Nun verstand ich, was er meinte. Dieses Bild zeigte uns, mich, wie ich Sascha auf die Motorhaube gedrückt hielt und ihn nahm. Mich, mit runtergelassener Hose und genau dies machte Sascha zu schaffen. Wie ich ihn in aller Öffentlichkeit fickte.
»Es tut mir leid! Ich habe nicht darauf geachtet.« Er blickte mich an und wieder schüttelte er seinen Kopf.
»Kyel, lass mich bitte alleine.«
Kaum war ich aus dem Schlafzimmer, hörte ich, wie Sascha den Schlüssel umdrehte und sich selbst einsperrte. Jedes Klicken des Schlüssels jagte mich weiter von ihm weg. Er hatte mich ausgeschlossen. Wieder! Ich lehnte mich an die Tür, schloss meine Augen und sank auf den Boden. Wie lange würde es nun wieder dauern? Wie lange? Und das nur, weil ich unvorsichtig war. Das war mir schon lange nicht mehr passiert, dass ich die Reporter vergessen hatte. Eigentlich war mir das noch nie passiert. Immer hatte ich alles im Blick und kontrollierte meine Umgebung, nur Sascha schaffte es, dass ich nachlässig wurde.
»Was willst du jetzt tun?«, hörte ich Loren, doch ihr nun in die Augen zu blicken, und ihr Rede und Antwort zu stehen, war mir im Moment wirklich zuwider. Ich richtete mich auf und schob mich an ihr vorbei. »Kyel?!« Ich drehte mich zu ihr um.
»Ich weiß es nicht!«
»Oh du weißt es nicht! Aber du solltest wissen, wie man sich in so einer Situation verhält. Immerhin bist du nicht gerade unbekannt. - Aber Sascha, ihm kann es sein Genick brechen.«
»Loren, verdammt, das weiß ich selbst!« Ja, scheiße, das wusste ich selbst, denn es hatte Sascha bereits sein Genick gebrochen.
»Und was gedenkst du dagegen zu tun?«
»Loren, bitte. Ich bin jetzt etwas überfordert. - Sascha hat sich eingeschlossen und, scheiße … Fuck … ich habe Angst. Loren ich habe Angst, Sascha, deinen Sohn, zu verlieren. Ich weiß nicht, was ich machen soll, …!«, kam es aus mir heraus und ich spürte nicht einmal, dass ich weinte. Erst als Loren auf mich zutrat, mein Gesicht mit ihren Händen umfasste und mir mit den Daumen die Tränen wegwischte, wurde es mir bewusst.
»Dir wird schon was einfallen und um Sascha brauchst du dich nicht zu sorgen. So schnell wird er dich nicht zum Mond jagen. Er wird dich durch die Hölle jagen, ja, einmal um die Erde, auch und dann das Ganze wieder zurück.« Ich musste schmunzeln allein schon diese Vorstellung.
»Du schaffst es einfach immer wieder, jemanden aufzumuntern.«
»War nicht meine Absicht.«
»Woher habe ich genau dieses Gefühl gehabt.« Sie hakte sich bei mir ein und wir gingen in die Küche.
Von weit her, hörte ich die Polizeisirenen und es dauerte wirklich nicht lange und die ganzen Paparazzi waren von meinem Grundstück verschwunden.
War ich froh, dass ich das Haus nicht mehr verlassen musste. Dennoch wusste ich, dass es am nächsten Tag, wenn die Schule wieder losging und ich zur Arbeit musste, ein Spießrutenlauf mit den Reportern werden würde. Und auf genau dies musste ich Sascha noch vorbereiten, sonst lief er von mir weg. Er musste es verstehen, dass er genauso wie ich in der Öffentlichkeit stand. Und so wahr ich hier stand und mit Loren einen Drink nahm, würde ich es durchziehen.
Jeder sollte es erfahren, dass Sascha zu mir gehörte und dieses Bild, dieses Foto einfach ein Teil meines Lebens war. Meines privaten Lebens. Schon echt lachhaft! Viele Paare trieben es in der freien Natur, aber bei Prominenten wurde so ein Aufheben gemacht. Da konnte man wirklich nur den Kopf schütteln.
Nachdem ich meinen Drink hatte, wählte ich die Nummer meines Rechtsanwaltes, der, wie gehofft, schon auf meinen Anruf gewartet hatte.
»Danke für Ihr Vertrauen Mr. Kastner. Ich werde unverzüglich alles in die Wege leiten.« Tja, die Reporter, würde ich bald überzeugt haben, aber bei Sascha war das nicht so leicht. Es würde für mich noch eine sehr große Herausforderung werden. Vor allem musste ich es sehr geschickt anstellen, nicht das er es als Flucht oder Ausweg von mir ansah.
Sicherlich war das dann für die Öffentlichkeit ein großes gefundenes Fressen, aber damit werden sie sich höchst zufriedengeben. Zumal ich ihnen dann selbst ein Ei ins Nest gelegt hätte, woran sie einige Wochen zu knabbern hätten. Und Sascha wäre aus dem Schneider. Mehr oder weniger. Mehr wollte ich nicht.
Der Sonntag verlief monoton und ich kam vor Langeweile um. Sicherlich hätte ich viel Arbeit und mein Laptop schrie danach aufgeklappt zu werden, nur meine Motivation war irgendwo in der Karibik und ich wartete auf ihre Postkarte.
Am nächsten Morgen klopfte ich an die Schlafzimmertür, denn ich durfte diese Nacht wieder auf der Couch schlafen. Sascha hatte sich geweigert, mir die Tür aufzumachen.
»Lass mich alleine!«, rief er und ich schnaufte tief ein.
»Was ist mit deiner Schule? Tom ist auch schon da!«
»Mir egal!«
»Sascha! … - Sascha!« Diesmal bekam ich keine Antwort und ich gab resigniert auf. Dieser Sturkopf. Gott, wenn ich ihn die Finger bekam, würde er meine Meinung zu spüren bekommen.
Zu Loren schüttelte ich den Kopf, sie verdrehte die Augen und trat selbst an die Tür.
»Sascha, wenn du jetzt bei 3 nicht die Tür aufmachst, schlage ich sie ein. 1 ... 2 ...!« Oh siehe da, der Schlüssel wurde gedreht und die Tür ging auf. Mütterliche Liebe. War einfach unbezahlbar.
»Was ist?«, zischte er und sah total übernächtigt aus. Er hatte wahrscheinlich genauso wenig geschlafen, wie ich.
»Wie lange willst du dich noch in dein Schneckenhaus verkriechen?« Es wäre wirklich schön, wenn ich alles verstehen würde, was sie zu ihrem Sohn sagte. Ich musste unbedingt die deutsche Sprache lernen. Er zuckte mit den Schultern. »Es ist jetzt nun mal passiert. Und niemand kann das rückgängig machen.«
»Das weiß ich selbst. Aber stell dir nur einfach mal vor, wie ich jetzt angesehen werde. Geschweige denn, wie Kyel angesehen wird. Er, … er, … ach lasst mir doch alle meine Ruhe!« Sascha wollte die Tür wieder zuschmeißen, doch Loren hatte ihn bereits an der Angel.
»Du gehst jetzt Frühstücken und mit vollem Magen lässt sich besser überlegen.«
»Kein Hunger!«
»Ab Marsch …!« Shit war Loren sauer, aber es hatte Wirkung auf Sascha. Er zog seinen Kopf ein und kam aus dem Schlafzimmer.
Ich musste mich verabschieden und zur Arbeit, obwohl ich lieber Daheim geblieben wäre. Nur würden es meine Arbeiter mir übel nehmen und mich als feige einstufen. Dies konnte ich nicht zulassen, denn ich würde ihren Respekt verlieren und das wäre für mich als Chef untragbar.
Wie ich es geahnt hatte, waren sämtliche Reporter vor meiner Firma. Nun gut. Tom hatte mir davon berichtet, dass das Firmengeländer belagert wurde. Ich ignorierte ihre Fragen und das Blitzlichtgewitter.
Die Stimmung in der Firma war noch kühler als bei mir Daheim. Viele Augenpaare blickten mich angewidert und voller Abscheu an, aber ich ließ mir nichts anmerken. Die Einzige, die nun lauthals in der Firma aufschrie, war Nicole.
»Wenn ihr mit der Situation nicht klarkommt, dann reicht einfach eure Kündigung ein!«, vernahm ich und schon rief sie mich zu sich. Dies tat sie extra, damit ich an den die vielen Augenpaare vorbeilaufen musste.
»Nicole, wegen so etwas, wird mit keiner Kündigung gedroht.«
»Ich habe ihnen nicht gedroht. Ich sagte, sie können kündigen, wenn ihnen etwas nicht passt. Ach ja, … Mr. Cameron hat sich in den letzten Wochen gut geschlagen. Ich denke, dass er bereit für die Führungsebene ist«, sprach sie laut aus und einige Köpfe wurden eingezogen.
»Was sagt Parker dazu?«
»Er ist mit ihm einverstanden!«
»Gut, dann gib ihm die Beförderung.«
»Nun ja, er ist einer von denen die …!«, druckste sie um einiges leiser herum und ich verstand.
»Dann stelle ihn vor die Wahl. Entweder nimmt er den Posten an oder er bleibt ein einfacher Schreibkraft. Seine Entscheidung. Mir ist es auch egal, wenn er sich jedes Wochenende eine Prostituierte ins Haus holt.« Nicole schluckte und nickte schließlich. Sicherlich hatte sie nicht damit gerechnet, dass ich mit meinen eigenen Waffen zurückschlagen würde.
Okay, ich hätte es vielleicht nicht erwähnen sollen, denn Cameron klopfte kurze Zeit später an meine Bürotür. So war es halt in der Firma. Es wurde was aufgeschnappt und es dauerte keine fünf Minuten, dann machte es die Runde. Als er eintrat, glühte er wie eine Hundertwatt-Osrambirne und ich bot ihm einen Stuhl an.
»Gibt es ein Problem Mr. Cameron!«
»Ja, Sie sind das Problem!« Hatte ich mir schon gedacht und blickte in seinen hochroten Kopf.
»Schießen Sie los!« Wie eine Furie schoss er vom Stuhl hoch und fing zu poltern an.
»Ich kann unter diesen Umständen nicht mehr bei Ihnen arbeiten. Diese Mundpropaganda ist einfach das Letzte. Woher wollen Sie wissen, ob ich mit Huren ins Bett steige?« Dachte ich mir doch, dass der Hase so laufen würde. »Und wenn das so ist, geht das Sie einen Scheißdreck an. Immerhin bin nicht ich es, der in der Öffentlichkeit einen Kerl auf der Motorhaube vögelt, …!« Nun reichte es und ich rieb mir die Augen.
»So sehen Sie das also. Nun gut, dann habe ich auch keinen Anlass mehr, einige Negative, die schon seit geraumer Zeit im Umlauf sind zurückzuhalten.«
»Was? Was hat das zu bedeuten?« Ich schüttelte den Kopf.
»Ich habe damit nichts zu tun. Es war der Wunsch Ihres Vaters diese Negative einer Zeitung abzukaufen. Ich bin lediglich seiner Bitte nachgekommen. Und zu Ihrer Information, wenn die Negative Ihrer letzten Ausschweifung in Umlauf kommen, so schadet es Ihnen und Ihrer Familie, nicht mir. Mr. Cameron, wissen Sie eigentlich, was Sie ihren Vater monatlich kosten? Sie haben das Glück, dass Ihr Vater ein sehr hohes Tier in der Gesellschaft war. Der sein ganzes Leben eine reine Weste vorweisen konnte und selbst jetzt noch alles tut, damit das so bleibt. - das wäre ein gefundenes Fressen für die Presse. Ehemaliger Senator unterhält Ausschweifungen seines Sohnes, … usw.!«
»Sie wollen mich also erpressen!«
»Nein! Was hätte ich davon? Nichts! Es ist Ihre Entscheidung, was Sie mit Ihrem Leben anstellen und welche Neigung Sie ausleben. Die Tatsache bleibt bestehen, dass ich es nicht dulde, dass Sie mich in meiner Firma als Schwuchtel hinstellen und es bei Ihnen selbst für schändlich halten, wenn etwas von Ihren Neigungen ans Tageslicht kommt. Denken Sie darüber nach. Mr. Cameron. Bitte auch über Ihre mündliche Kündigung. Es wäre schade, wenn Kastner Import Export einen sehr fähigen Mann verlieren würde.« Als er mein Büro verlassen hatte, grinste ich in mich hinein. Mr. Cameron hatte ich in der Hand und ich wusste, sowie das Amen in der Kirche kam, dass er nicht kündigen würde. Den Posten in der Führungsebene nahm jeder mit einem Handkuss an. Ganz besonders, wenn der Vorschlag vom Chef höchstpersönlich kam. Auch konnte ich mich darauf einstellen, dass Mr. Cameron mir in der Zukunft noch viele Kopfschmerzen bereiten würde. Kopfschmerzen hoffentlich im positiven Sinne. Sonst müsste ich mich wirklich von so einem fähigen Mann verabschieden.
Somit blieb nur noch ein Posten in der Führungsebene übrig, der besetzt werden musste. Aber darüber machte ich mir im Moment keine Gedanken. Meine Gedanken schweiften zu Sascha und wie ich mein Vorhaben durchsetzen konnte, ohne dass er es als Flucht vor der Öffentlichkeit ansah.
Meine angehäufte Arbeit hatte ich erledigt und saß nun im KIA auf dem Weg zu Raouls Laden. Ich brauchte wirklich seine Meinung dazu und nur er konnte, ab und zu, Licht in meine trüben Gedanken bringen.
Ich betrat den Laden und es dauerte keine Minute, da sollte ich Raoul in seine Privaträume folgen. Kaum als er die Tür geschlossen hatte, polterte er sogleich los. Ich hörte nur mit einem Ohr hin. Einen Raoul, der die Fassung verlor, sollte man auf irgendeiner Weise aus dem Weg gehen und ihn tunlichst meiden.
»… du musst ein Statement abgeben und ich denke, dass du dich öffentlich bekennen solltest«, bekam ich mit. Meine Antwort kam schnell und selbst für mich überraschend über die Lippen: »Das habe ich eh vor, …« Er blickte mich wie eines der Sieben Weltwunder an und hatte sich alsbald wieder im Griff. Auch seine Tonlage wurde wieder tiefer und um einiges ruhiger.
»Was dich beschäftigt ist Sascha!« Ich konnte seine starre Haltung nicht ab. Es fehlte wirklich nur noch, dass er an seinem Cappuccino nuckelte, um mich dadurch aus der Reserve zu locken.
»Ja! Wenn ich an die Öffentlichkeit trete, dann mit ihm. Nur weiß ich nicht, wie er es aufnimmt. Schon gar nicht, nach dem ganzen Stress, den wir … - haben. - Verdammt ich weiß nicht, wie ich es anstellen soll.« Was ich vorhatte, das wusste ich, aber ich hatte keinen blassen Schimmer, wie ich es anstellen sollte. Ich wusste wirklich nicht mehr ein noch aus. Sascha war in dieser Beziehung etwas schwer zu handhaben. Unsere Gespräche verliefen im Kreis und es blieb wirklich nur noch dieser einzige Weg, als Raoul mich nach diesem Weg fragte, blockte ich ab.
Nun gut, zu guter Letzt ließ ich mir noch die Haare schneiden. Schon wegen der Paparazzi, die draußen vor dem Laden lauerten. Wenn schon, dann wollte ich ihnen was bieten und wenn es nur so etwas Banales, wie ein Friseurbesuch war.
Nicht nur das! Raoul kam mir etwas anders vor. Nicht wie sonst, wenn er seine Manier auslebte, sondern mehr. Sein Getue mit nichts zu beschreiben und ziemlich nervend flatterhaft. Vage erinnerte ich mich an einen Blick, ein Knistern, welches aufgetreten war, als Mike bei uns übernachtet hatte. Ich schmunzelte etwas und schon wurde ich mit einem »WAS IST?«, ausgefragt. Dies beantworte ich mit einem »Nichts!«
Nee nee du! Sollte mich der Teufel holen. Von wegen und das ich ihm das auf die Nase band. Raoul sollte gefälligst selbst zu mir kommen und mir seine heimliche Liebe gestehen. Seine heimliche Liebe, die eigentlich gar nicht mehr so heimlich war. Zumindest für mich nicht mehr heimlich.
Ich hoffte nur, Mike war für ihn offen genug. Ein eifersüchtiger oder verletzter Raoul war nun wirklich sehr schwer zu ertragen. Ich sprach da aus Erfahrung. Diese kleine Erkenntnis hob meine Stimmung etwas an und ich ging mit einem Schmunzeln aus dem Laden zu meinem KIA.
Selbst hier in dieser Stadt hagelte ein Blitzlichtgewitter auf mich ein und ich ging, wie schon den ganzen Tag, der Presse aus dem Weg und gab kein Statement ab. Okay, ich konnte kein Statement abgeben, Hilal und Loris hielten sämtliche Reporter auf Abstand.
Im Auto zückte ich mein Handy und rief die ›*Old Times‹ an. Ein renommiertes Blatt, dessen Inhaber ich persönlich kannte. Zuerst machte ich den Typen am Telefon zur Schnecke und dann den Inhaber, weil er solch eine Lüge verbreitet hatte. Dieser entschuldigte sich mehrmals und versprach, alles zu berichtigen. Woraufhin, ich ihm ein Exklusivinterview versprach.
Loris fuhr mich zur Firma zurück. Einige Meetings standen noch an. Ich wollte nur noch diesen Tag hinter mich bringen und am Abend einige gemütliche Stunden mit Sascha verbringen. Ich hoffte nur, sein Gemüt hatte sich etwas beruhigt. Er war immer so hitzig und störrisch. Und schon klingelte mein Handy. Als ich anhand der Nummer sah, wer mich anrief, war das der Startschuss, alle heimgehen zu lassen.
Es war Sascha und er eröffnete mir, dass was ich schon längst wusste. Aber ich musste auch zugeben, die Information, dass es einen anonymen Anruf bei einem Sender gegeben hatte, mich doch etwas schockiert hatte.
Die Sache konnte ja nur noch besser werden.
*Old Time: ein von mir erfundener Zeitungsnamen.
Selbst nachdem Kyel zur Arbeit gefahren war, konnte mein Innerstes sich nicht beruhigen. Nicht einmal Mom schaffte es. Alles, aber auch wirklich alles, was geschehen war, konnte ich nicht verstehen. Vor allem, dass die Presse überhaupt über solche Dinge schrieb. Wo verdammt war die Moral? Natürlich nicht da, wo sie hingehörte.
Tief schnaufte ich ein und fragte mich langsam, wo Mike blieb, und schaute auf die Uhr. Inzwischen war es schon nach zehn Uhr am Vormittag. Ich stand vom Tisch auf, machte mich auf den Weg zum Gästezimmer und klopfte an. Nichts rührte sich. Noch einmal klopfte ich an und wieder vernahm ich nichts. Schließlich drückte ich die Klinke nach unten und öffnete die Tür. Trat in das Zimmer und fand es verlassen vor. Nun verdenken konnte ich es ihm nicht. Immerhin hatte Mike von mir ein gänzlich anderes Bild und ich schloss die Tür wieder. Was sollte es, er war nicht der erste Freund, den ich verlor und er würde bestimmt auch nicht der Letzte sein.
Ich ging wieder in die Küche zurück und setzte neuen Kaffee auf. Mom war inzwischen auch zur Arbeit gefahren und ich saß nun alleine in der großen Villa rum. Was sollte ich mit meiner ganzen freien Zeit anstellen? Ich wusste es nicht. Wieder blickte ich auf die Uhr und es war nur eine Viertelstunde vergangen. Also, wenn mir in meinem zukünftigen Leben einmal langweilig würde, hätte ich eine neue Definition dafür. Vor Langeweile zerfließen. Nachdem ich meinen x-ten Kaffee getrunken hatte, ging ich ins Wohnzimmer zurück.
Fernsehen juckte mich nicht. Es kam eh nur Schrott, dennoch überwog die Neugierde auf die Nachrichten. Noch ein paar Minuten und die halb elf Short-News kamen. Die waren da, um Prominente in ihren privatesten und peinlichsten Momenten zu zeigen. So wie zum Beispiel ein gewisser Prinz der zu seinem Unglück nackt fotografiert worden war. Oder eine Musikdiva, der man ihren Alkohol- und Drogenkonsum ansehen konnte, sowie ein Popsänger, der gerne wegen Kindesmissbrauch in die Schlagzeilen kam. Die Presse hatte nichts Besseres zu tun und holte aus den Tiefen des Kellers ungewaschene Unterhosen hervor. Ich schaltete den Fernseher ein und es dauerte nicht lange, bis die Short-News anfingen. Auf jeden Fall fingen sie schon gut an. Ein Abgeordneter wurde in seinem Hotelzimmer halb tot aufgefunden. Ein Schauspieler hatte sich mit einer Zahnärztin verlobt und zu guter Letzt wurde von der Auslandsreise einer renommierten Reporterin berichtet. Aber nichts von uns kam dran. Keine Bilder, keine Mutmaßungen. Ich schnaufte etwas erleichtert ein, schaltete den Fernseher aus und lehnte mich an die Couch. Noch einmal gut gegangen, aber dennoch wage ich es nicht, den Tag vor dem Abend zu loben. Vor allem, da ich nicht wusste, wie ich mich morgen, falls ich wieder in die Schule ging, verhalten sollte. Was sollte ich sagen? »Hey Leute, ich lebe seit fast einem Jahr mit dem großen Geschäftsguru zusammen«, oder, »nun ja, dass ihr das noch nicht wusstet, aber es in der Zeitung gelesen habt. Ich ficke mit ihm«, oder so ähnlich. Okay, okay, das würde bestimmt gut rüberkommen und sie würden es einfach abtun, als ob es die normalste Sache auf der ganzen Welt sei. Ganz besonders, wenn man die Stellung betrachtet in der wir gezeigt wurden.
Allein der Gedanken daran, ließ mich aufhorchen und mein Freund sagte »Hallo erst mal!« ›Gott Sascha du bist einfach unverbesserlich. Bist in so einer Lage und du denkst an nichts anderes. Meine Fresse hast du es nötig. Und wo war er, wenn er gebraucht wurde? Nicht hier!‹
Lange Rede kurzer Sinn! Ich machte mich auf und holte aus dem Schlafzimmer meinen Mopedhelm. Die Zeitung, die immer noch auf dem Bett lag, ignorierte ich gewissenhaft und machte mich auf den Weg in die Garage. Dort gab ich den Sicherheitscode auf dem Tastenfeld ein, schwang mich auf mein Moped, wartete, bis sich das Garagentor öffnete und trat auf das Pedal. Leider kam der erhoffte Sound nicht und ich schnaufte tief ein. Auf jeden Fall würde ich nach dem Führerschein fürs Auto den Motorradschein machen. So eine Hajabusa, wäre im Moment wirklich das Richtige für mich. Ich war schwul, aber keine Memme und Motorräder hatten es mir schon immer angetan. Ich war kein Handtaschenfreak a la, … und ich fing zu schmunzeln an, - a la Raoul. Obwohl ich ihn noch nie mit einer Handtasche gesehen hatte. Dennoch würde es ihm sicherlich stehen. So mit seinem geschminktem Gesicht, seiner auffälligen Haarfarbe und seinem Bekleidungsstil. Warum ich gerade an ihn dachte, wusste ich nicht und dieser Gedanke verschwand, während ich mir den Fahrtwind um das Gesicht wehen ließ.
Ich bekam nichts mit. Nicht einmal, wie ein Helikopter über mir kreiste oder ein Wagen mich mit einer schleichenden Geschwindigkeit überholen wollte. Meine Gedanken waren woanders. Waren im Nirgendwo. Und am Abend wurde ich es eines Besseren belehrt. Wie ich schon sagte, sollte man den Tag nicht vor dem Abend loben.
Mir haute es die Fragezeichen raus. Und ich konnte nicht einmal mehr essen oder etwas trinken. Ich hatte vergessen, wie es funktionierte. Und ich fragte mich ständig, - warum ich, auf meinem Moped im Fernsehen zu sehen war? Besonders mit dem Hinweis, dass ich ein unbekannter männlicher Prostituierter sein sollte, der irrational mit einem Moped unterwegs war.
Mom starrte auch minutenlang auf den Bildschirm des Fernsehers. Und sie war es, die schneller die Fassung wieder erlangte, als ich. Sie schaltete das Ding aus und schaute mich sehr unbeholfen an. Sarah, die mal wieder bei uns zu Abend aß, starrte abwechselnd von Aiden zu mir und wieder zurück.
»Ich, … ich … gehe ins Bett!«, brachte ich nur raus und stand vom Tisch auf. Ich bekam nur noch mit, wie Sarah doch wieder den Fernseher einschaltete und irgendetwas über Kyel von sich gab. Dies weckte meine Neugierde und ich ging in die Küche zurück. Kyels Firma wurde von den Reportern belagert und ich war froh, dass ich nicht zu ihm gefahren war, sondern aus dem Bauchgefühl einen riesengroßen Bogen um seine Firma gemacht hatte.
Loris und Hilal fungierten als Bodyguards und hielten die Presse auf Abstand.
Die Fragen, die auf Kyel einstürmten, gingen wirklich unter die Gürtellinie. »Wie lange bezahlen Sie schon für Ihre Lust. - Wer ist dieser junge Mann, der in Ihrer Villa ein- und ausgeht. - Wie wirkt sich das in der Zukunft auf Ihr Geschäft aus? - Hat ein Mann, wie Sie es sind, es nötig dafür Geld zu zahlen? - Wir haben von einem anonymen Anrufer erfahren, dass der junge Mann, anscheinend schon eine längere sexuelle Beziehung zu Mr. Kastner hegt. Dieses Telefonat wird exklusiv in dem Nachtspezial wiedergegeben. Wir sind schon sehr gespannt, was es mit dem unbekannten Prostituierten, der anscheinend, doch nicht für Geld eine sexuelle Beziehung mit Mr. Kastner unterhält, auf sich hat«, rasselte die Reporterin ihren Text runter, während im unteren Bildschirm die Uhrzeit für das Spezialinterview mit dem anonymen Anrufer aufblinkte.
Ich holte mein Handy aus meiner Hosentasche und wählte die Nummer von Kyel. Lange dauerte es nicht und er ging ran.
»Hey Kleiner!«
»Ich bin im Fernsehen …!«, sagte ich und hörte, wie er tief einatmete.
»Das wollte ich vermeiden. Es tut mir leid. Sind noch irgendwelche Reporter auf dem Anwesen?«
»Nein, aber Helis kreisen ständig über uns!« Wieder atmete er ein.
»Verstehe. Dagegen kann ich leider nichts machen. Ich kann sie nur von meinem Privatgelände vertreiben.«
»Ach ja ich bin eine Hure, …!«
»Davon habe ich gehört.«
»Und irgendjemand hat das Fernsehen angerufen und das Telefonat wird heute Abend übertragen.«
»Ein Telefonat?«
»Ja!«
»Scheiße!«
»Das kannst du laut sagen. Noch mehr erfundene Geschichten und ich kann mich gar nicht mehr in der Öffentlichkeit zeigen.«
»Es tut mir wirklich leid. Ich komme gleich heim. Auch hier ist die Kacke total am Dampfen!« Kyel legte auf und ich blickte aufs Display, welches nach wenigen Sekunden erlosch.
Wieder setzte ich mich an den Tisch und schloss die Augen. Wohin sollte das alles führen? Hatte ich nicht schon genug Scheiße durchgemacht und nun das?! Verflucht ich wollte nicht in der Öffentlichkeit stehen. Ich wollte ein normales Leben führen in Abgeschiedenheit, unbekannt bleiben, mehr nicht. War das denn zu viel verlangt? Ich war kein Prominenter der in jeder Sekunde des Tages, wie aus dem Ei gepellt auszusehen hatte, der darauf gefasst war, ständig abgelichtet zu werden, ohne sich auch nur den kleinsten Fehltritt zu erlauben, oder es kam in den News. Sich mit Schauspielerei natürlich zu geben und immer glücklich und zufrieden auszusehen. Das war absolut nicht mein Ding. Ich wollte morgens zerknautscht ausschauen und mich bewegen können, ohne irgendwelche Paparazzi am Hals zu haben. Mein Leben sollte mir gehören und nicht der Öffentlichkeit. Es ging niemanden was an.
Als ich meine Augen wieder öffnete, lief die Wiederholung einer wiederholten Wiederholung und rechts oben im Bild, in einer Slideshow, Kyel, wie er von Loris und Hilal in seine Firma flankiert wurde und zu keiner Frage eine Antwort gab. Wie schaffte er es immer wieder, so gut auszusehen. Sein Face komplett unter Kontrolle zu halten und sich nichts anmerken zu lassen. Ich wusste, dass er innerlich ziemlich kochte und es nur noch einen kleinen Tropfen benötigte, um das Fass zum Überlaufen zu bringen.
Das Programm wurde unterbrochen und zeigte nun eine Liveaufnahme von den Paparazzi, die wie Idioten Bilder von Kyel schossen. Er kam aus seiner Firma und wurde von Hilal zum KIA geführt. Loris saß schon mit laufendem Motor im Auto und hätte beinahe beim Rückwärtsstoßen einen von den Reportern mitgerissen. Eine leichte Genugtuung stieg in mir hoch, die sich in Wut verwandelte, als ich sah, wie das Auto von einem Helikopter aus verfolgt wurde. Ein Schnitt und nun war Nicole die Anlaufperson und ihr sah man es an, dass sie sehr sauer war.
»Wie ist es unter einem Mann zu arbeiten, der seine Gelüste so offen auslebt?«, schrie irgendein Reporter ihr entgegen.
»Kein Kommentar!«, war das Einzige, was sie von sich gab, bevor sie in ihren Golf einstieg, auf dem das Logo der Firma war und vom Firmengelände fuhr. Schnell war das Interesse an Nicole verloren und die Verfolgung des KIA's wurde wieder aufgenommen.
Keine zehn Minuten später hörte ich, das die Tür der Villa aufgeschlossen wurde. Ich brauchte nicht nachzusehen, wer kam. Ich hatte seine Heimfahrt im Fernsehen gesehen und betrachte nun die Villa von oben. Die Kommentare des Reporters im Helikopter wurden abgewürgt, weil die Macher nun wieder der Meinung waren, das reguläre Programm weiterlaufen zu lassen. Natürlich blieben rechts oben im Bild die Aufnahmen, die über den Tag verteilt aufgenommen worden waren und schon sah ich mich wieder auf dem Moped.
Ich hätte es mir denken können, dass sich das Fernsehen nicht nur mit den Short-News zufriedengab. Nein, es musste ein ganzer Tagesablauf sein. Mich wunderte es nur, dass sie uns nicht noch auf die Toilette folgten. Aber die würden es machen, wenn sie es dürften. Die Spannersendung BB war ein kleines Licht dagegen.
»Hi!«, hörte ich Kyel und drehte mich zu ihm um. Er rieb sich seine Augen und nun sah man ihm die ganze Last an. »Was für ein beschissener Tag.«
»Wem sagst du das?«, murrte ich und zeigte auf den kleinen Fernseher, der seelenruhig sein überaus informatives Programm von sich gab.
»Seit den Abendnachrichten wird dies ununterbrochen gebracht.«
»Jaha, … der Sender unterbricht sogar das laufende Programm. Sascha jetzt bist du berühmt!«, stimmte Sarah, mehr, als für sie guttat, mit ein. Ihr überaus hoch motiviertes überschwängliches und nicht vorhandenes Mitgefühl spie in alle Richtungen.
»Ach halt die Klappe. Du hast absolut keine Ahnung. Wahrscheinlich würdest du noch einen Freudentanz aufführen, wenn eine Kamera auf dich zeigt.«
»Tschuldige, ich wollte die Situation nur etwas auflockern.«
»Fehlgeschlagen.«
»Jetzt seid mal ruhig. Das Spezial kommt gleich dran!«, ermahnte Mom uns und ich verdrehte die Augen. Sie wollte doch nicht wirklich? Doch sie wollte und sie sah nicht zufrieden aus. Im Gegenteil, neben ihr lag das Telefon und sie hatte sich schon die Nummer des Senders aufgeschrieben. ›Oh je, … Mom wird doch nicht?‹ Ich schüttelte den Kopf. Also mehr Aufsehen, als ich schon hatte, wollte ich nicht haben.
Hilal und Loris saßen alle beide sehr schweigsam am Tisch und schoben sich das Besteck, vollgeladen mit Essen unter die Nase. Selbst diese alltägliche Handlung, fing an, mich zu nerven, und ich blickte, wie schon fast den ganzen Abend, auf den Fernseher. Es war Werbung, aber diesmal wurde sie sehr kurz gehalten und dann schwenkte die Kamera auf eine Frau und einen Mann.
Ein paar Floskeln wurden untereinander ausgetauscht, dann mokierten sie sich darüber, wie ein, in der Gesellschaft sehr hoch angesehener Geschäftsmann sich so schamlos verhalten konnte. Danach wurde die Leitung freigeschaltet und die Stimme einer Frau, die anscheinend eine Reporterin war und eine durch Elektronik verzerrte Stimme waren zu hören.
»Wer sind Sie, wenn ich das fragen darf?«
»Das tut nichts zur Sache. Ich möchte unbekannt bleiben.« Und das Frage- und Antwortspiel begann. Der Unbekannte war auf jeden Fall jemand, der mich kannte.
»Sein Name ist Sascha Fleischhauer. Er und Mr. Kastner haben eine intime Beziehung, die schon über mehrere Monate geht.«
»Sie meinen, der junge Mann ist kein Prostituierter?« Der Anrufer lachte.
»Sascha und sich prostituieren? Nie im Leben! Der würde, wenn er Mr. Kastner nicht getroffen hätte, immer noch von Bienchen und Blümchen träumen.«
»Wie meinen Sie das?«
»So wie ich es sage!«
»In Ordnung! Können Sie uns noch etwas über den mysteriösen geheimnisvollen Liebhaber von Mr. Kastner erzählen?«
»Was möchten Sie hören. Ich kenne Sascha, schon seit er klein war.«
»Wie war er als Junge? Wie ist sein häusliches Verhalten?«
»Als Junge würde ich sagen, war er wie alle Kids. Er hat eine Affinität zu Sprachen. Schon als Kind lagen ihm Sprachen. Nun sein häusliches Umfeld würde ich als spröde und sehr konservativ beschreiben.«
»Nun es scheint mir aber nicht so, das Sascha Fleischhauer, sehr konservativ erzogen worden ist.« Schon wurde wieder das Bild von der Motorhaube eingeblendet.
»Oh glauben Sie mir. Seine Eltern, das Nonplusultra von erzkonservativ. Alles, was nicht in ihre Weltanschauung gepasst hat, war sogleich verpönt. Besonders sein Vater, …!«
»Wer ist sein Vater?«
»Markus Fleischhauer. Er hat für Mr. Kyel Kastner gearbeitet. Jetzt sitzt er im Gefängnis und büßt seine Strafe wegen versuchten Mordes ab.«
»Versuchter Mord? Ist bekannt, wen er töten wollte?
»Seine Frau.«
»Seine Frau? Also die Mutter von Sascha Fleischhauer?«
»Ja!« Hier wurde die Aufzeichnung unterbrochen und ein Psychiater wurde zurate gezogen, der nur irgendwelchen Mist von sich gab.
Der Sender hatte sich wirklich total ins Zeug gelegt und ich fühlte mich schlecht. Ich war es nicht gewohnt, für die Öffentlichkeit ein offenes Buch zu sein. Jede Seite lesbar. Dass sie alles umdrehten und von nichts eine Ahnung hatten. Vor allem wurde auf jede Antwort, die der anonyme Anrufer gab, eine neue Frage gestellt. Noch dazu wurde ein Passfoto, sowie Bilder, wie ich als Kind mit einem Laserschwert spielte und einige andere Kindheitsfotos von mir, eingeblendet. Die Fotos und die verzerrte Stimme, deren Redensart mir nun sehr bekannt vorkam, konnten nur eins bedeuten. Mein ehemaliger bester Freund hatte sein Tun mich fertigzumachen, wieder aufgenommen.
»Der Anrufer ist David! Mir langt es. Ich gehe ins Bett.« Das durfte doch alles nicht wahr sein.
»Beruhige dich Sascha, …!«
»Warum soll ich mich beruhigen? Die bringen Fotos von mir, … ist das, … ist das nicht verboten? Wegen Verletzung der Privatsphäre, oder so?!«
»Du kannst im Moment nichts dagegen tun, …!«, meinte Kyel entschuldigend und dies stachelte meine Wut noch mehr an. Ich stampfte in Richtung unseres Wohnzimmers und wollte schon die Tür hinter mir zuschlagen, als Kyel hinter mir auftauchte und sie noch auffing.
»Sascha! Hab Geduld. In ein paar Tagen kräht kein Vogel mehr danach.«
»Ach lass mich doch! Du bist es nicht, den sie durch die Mangel drehen. Das bin ich, …!«
»Ja, aber auch nur, weil die unbedingt wissen möchten, wer der geheimnisvolle junge Mann ist, …«
»Den du ohne Rücksicht auf Verluste auf der Motorhaube gerammelt hast. Du hättest wissen müssen, dass du unter journalistischer Dauerbeobachtung stehst und jetzt ziehst du mich damit rein. Vielen Dank, aber auch.«
»Sascha es tut mir leid. Das alles wollte ich nicht. - Aber die Presse ist eben ein Teil meines Lebens. Ich stehe ziemlich weit oben und es ist ungemein schwer, immer den Saubermann zu spielen.«
»Oh den Saubermann spielen, … warum bist du zur Abwechslung nicht einfach mal ein Saubermann und musst es nicht immer spielen. Ich habe genug. Von dir und deinem Geld. Wie du siehst, bekommt man nicht alles mit Geld.«
»Was verdammt hat das jetzt mit Geld zu tun? Bist du jetzt mit der Zeitung einer Meinung? Dass ich dich halte, nur wegen meines Geldes, dass ich dich gekauft habe? Sag mal, spinnst du langsam? Meinst du etwa, ich habe es aus purer Berechnung getan? Dich auf der Motorhaube zu vögeln. Dir dadurch das Leben noch schwerer zu machen, als es vorher schon war?«
»Oh, seit ich dich kenne, ist mein Leben schwer. Falls du es noch nicht mitbekommen hast, tue ich alles, was nach deiner Meinung das Beste für mich ist. Du schickst mich auf die Privatschule. Ich gehe zu den Psychiatern, die du für angemessen hältst. Und zu guter Letzt bringst du mich, durch diese blöde Aktion dazu, dein Geld zu akzeptieren. Also bitte!«
»Ich will dir nur helfen!«
»Helfen?! Das nennst du Helfen? Schieb dir deine Hilfe in den Arsch und lass mich in Ruhe. Du bist der größte Fehler meines Lebens.«
»Sa…!«
»Halt deine Fresse! Ich ziehe zu Mom …!« Scheiße in mir brodelte es und dieser Ausbruch war schon viel zu lange überfällig. Was glaubte das Überwesen eines Multimilliardärs überhaupt, so mit mir rum zu springen? Wenn er in der Presse sein wollte, dann sollte er es. Ich auf jeden Fall nicht. Sein Geld konnte er auch da hinschieben, wohin die Sonne nie schien.
Als ich die Treppe zu Moms Etage hinaufging, fiel mir bei jedem Schritt das Laufen schwerer. Tränen liefen mir wie ein Wasserfall die Wangen herunter und ich hörte nur noch, wie die Haustür ins Schloss geschmissen wurde.
Es war vorbei.
Aus.
Und es war die einzige richtige Entscheidung gewesen. Aber warum fühlte ich mich so leer?
Ich schmiss mich im ehemaligen Zimmer von Sarah aufs Bett und heulte wie ein Schlosshund. An Schlafen war überhaupt nicht zu denken. Ich wälzte mich von einer Seite auf die andere und selbst mein Reader bot mir keine willkommene Abwechslung.
War ich froh, dass die Nacht sich langsam dem Ende neigte und ich aufstehen konnte. Laut der Wanduhr hatte ich ungefähr Null Stunden geschlafen, aber dafür die ganze Zeit verschiedene Geschichte auf meinem Reader angelesen. Nichts konnte mich fesseln.
Ich stand auf und zog die Klamotten von gestern noch einmal an. Mir war es egal, ob die nach Schweiß stanken oder nach dem Parfüm von Kyel. Ich schob es beiseite und ging in Moms Küche. Erschrocken blickte sie auf und ihr wäre beinahe die Tasse aus der Hand geglitten.
»Was machst du denn hier?« Verblüfft blickte sie auf ihre Uhr und dann wieder zu mir. Ich zuckte nur mit den Schultern und nahm mir aus der Kanne einen Kaffee. Ohne ein weiteres Wort darüber zu verlieren, warum ich nun bei ihr oben geschlafen hatte, faltete sie die Zeitung auf. »Du und Kyel, ihr hab es auf die Titelseite geschafft!« Wieder zuckte ich mit den Schultern.
»Interessiert mich nicht!«, meinte ich und suchte ihren Kühlschrank nach etwas Essbaren ab. Der war gähnend leer und ich schloss ihn wieder. Musste ich wohl oder übel mit knurrendem Magen in die Schule gehen und diverse, beschämende und herabwürdigende Blicke ertragen.
Ich straffte meine Schulter, zum ersten Mal in meinem Leben, und machte mich auf das Kommende gefasst. Wieder einmal. Wieder würden sie mit den Fingern auf mich zeigen. Wieder würde hinter meinem Rücken schamlos getuschelt werden und wieder ging die Scheiße von vorne los. Ich hüpfte gelenkig die Treppen runter und ging schnurstracks an der Küche vorbei zur Garderobe. Dort nahm ich die Uniformjacke, die meines Erachtens verboten galt, und zog sie an. Tom lugte aus der Küche heraus und blickte leicht verdattert auf seine Armbanduhr.
»Hey, es ist noch eine Viertelstunde Zeit.« Ich drehte mich zu ihm um und erblickte Kyel hinter ihm. Ich würdigte den Mann, der alles für mich war, keines Blickes. Tja wie sollte es auch anders sein. Ich fixierte irgendeinen Punkt an der Wand, der mir gerade ins Auge stach, und meinte monoton: »Trink deinen Kaffee ruhig aus, ich steige inzwischen ins Auto und warte auf dich.« Mehr sagte ich nicht und ging aus der Villa.
Warum hatte ich dabei so ein schlechtes Gefühl, als ob ich, dieses Monument der Geborgenheit, auf längere Zeit nicht mehr zu spüren bekam.
Ich saß also im Auto und wartete auf Tom, der auch nicht all zu lange auf sich warten ließ. Als er einstieg, musterte er mich etwas schräg von der Seite und mir war es, als ob seine Mundwinkel zuckten.
»Lass es gut sein. Ich will nichts davon hören!«, murrte ich und es tat mir im nächsten Moment leid. Tom war mir in den letzten Monaten sehr ans Herz gewachsen und es tat mir in der Seele weh, zu wissen, dass ich ihn bald nicht mehr sehen würde.
»Was meinst du?«, fragte er mich und starrte auf die Straße. Über uns hörte ich, wie schon die ganze letzte Nacht, einen Helikopter. Kurz blickte ich zur Autodecke.
»Das hier!«
»Ach das! Nun, wenn man zu der Prominenz gehört, gehört das einfach dazu.«
»Du nicht auch noch!«
»Es ist aber so. Ich sehe die ganzen Reporter schon gar nicht mehr.«
»Du stehst ja nicht im Mittelpunkt.«
»1:0 für dich! So wir sind da!« Was schon? Dauerte die Fahrt zu Schule nicht immer eine Ewigkeit? Ich stieg resigniert aus. Fuhr auf die Schnelle, natürlich ging das nicht mehr so schnell, wie vor Kyels …, …., er kreiste, wie ein dunkler Schatten um mich herum, ... Bekanntschaft, … meine Emotionen runter und versuchte vergebens diesen Grad beizubehalten.
Es war wirklich vergebens, schon als Mike freudestrahlend auf mich zutrat und mich, wie immer, an die Oberarme boxte, waren meine Emotionen wieder da.
»Hey Alter, du siehst aus, als ob du einen Geist gesehen hättest?« Ach nee! Echt jetzt! Vor allem stellte sich mir die Frage, warum er sich mir gegenüber, wie immer verhielt? Hatte er sich denn nicht von mir abgewandt?
»Als ob du davon nichts wüsstest!«, zischte ich ihn an und er grinste über seine vier Backen. Warum in Herrgottsnamen war der so fröhlich?
»Ach du meinst den Zeitungsartikel? - Mensch Alter! Mach dir darüber keine Gedanken.« ›Hää! Wie jetzt?‹ Doch ich kam mit meinen Gedanken nicht sehr weit. Mike schleppte mich durch das geisterhausähnliche Schulgebäude in unser Klassenzimmer. Schon auf dem Weg dorthin fiel mir etwas auf. Jeder verhielt sich so wie immer. Die Gruppen waren aufgeteilt wie immer und wie immer zogen mich die Mädchen mit ihren Blicken aus. Aber und das verunsicherte mich noch mehr.
Ganz besonders verdattert stand ich vor meinem Platz, als die Klassensprecherin zu mir kam und »Herzlichen Glückwunsch« zu mir sagte, mich sogleich darauf umarmte und wieder zu ihrem Platz ging. Sich hinsetzte und ohne mich weiter zur Kenntnis zu nehmen mit ihren Freundinnen tratschte.
Irgendetwas lief hier ganz gewaltig schief. Ich glaubte sogar, ich schliefe noch seelenruhig in meinem Bett, und wenn ich dann aufwachte, war von all dem Ganzen nichts mehr da.
Dies war auf jeden Fall nicht das Verhalten, das Menschen im Normalfall an den Tag legten. Mehr als sprachlos setzte ich mich auf meinen Platz.
»Du ich muss dir was erzählen«, hörte ich Mike mit mir reden, dennoch war er irgendwo und nirgends. Mich machte im Moment diese Allgemeinsituation fertig. Und der falsche Glaube, das Mike mich wegen dieses Artikels abgeschrieben hatte, rutschte in die hinterste Ecke meines noch so kleinen Verstandes, denn der war ziemlich überfordert. Ganz besonders, das Verhalten der Schüler, ihre »Ich bin ja so cool« Ignoranz verwirrte mich. Sie verhielten sich wie an jedem anderen Tag.
Mrs. Weller trat ins Klassenzimmer und der Lautstärkepegel sank sehr langsam ab.
»Guten Morgen. Bitte nehmt die Hefte und übertragt den letzten Stoff. Dies kommt auf jeden Fall in der Klausur dran. Also, wenn es den edlen Herrschaften nichts ausmacht, einfach mal einen kleinen Blick darauf zu werfen. Einige von euch brauchen dringend noch eine gute Note,…!«, damit fing der Tag ja schon super an. Ich sah den neuen Unterrichtsstoff. »Medien«.
Ach war das nicht einfach toll, vom Regen in die Traufe. Medien. Also davon hatte ich in den letzten Tagen genug gehabt und nun verfolgte mich das Thema auch noch in den Unterricht. ›Herrgott hast du denn überhaupt kein Einsehen?‹, dachte ich und schrieb das unwürdige Thema in mein Heft.
Mrs. Weller rasselte ihren Stoff runter und ich blickte abwechselnd aus dem Fenster und zu Mike, den der Unterricht genauso interessierte wie mich. Er schien mit seinen Gedanken auch ganz woanders zu sein und kritzelte inzwischen schon die siebte oder achte Pfauenfeder auf sein Blatt.
Mir war schon früher aufgefallen, dass er sehr gut zeichnen konnte, nur damals waren es Lavendelblüten, die er nach Vervollständigung einfach überkritzelte und dann das Blatt zusammenknüllte, um es wegzuwerfen.
»Nun zu den heutigen Tagesnachrichten! Wer von euch hat heute schon in die Zeitung geblickt!« Wie auf Abruf hoben, über drei Viertel der Schüler ihre Hände. Nur zur Information, wir waren 16 Schüler in der Klasse und es waren gerade mal drei, die die Zeitung an diesem Tag noch nicht zu Gesicht bekommen hatten. Natürlich mich eingeschlossen, weil ich absolut keinen Sinn darin sah, hineinzublicken. Sollte es mir vergeben werden. »Nun, das ist schon einmal eine gute Resonanz. Besser als letzte Woche. Marie, warum haben Sie heute in die Zeitung geblickt?« Jeder blickte sie an und sie wurde plötzlich feuerrot.
»Ähm! Ja!«, murmelte sie und blickte leicht verstohlen zu mir. Ich verdrehte nur meine Augen. »Ich denke, dass das die Neugierde wegen gewisser Menschen ist, …!«, stotterte sie. Toll!
»Gibt es sonst noch einen Grund?«, fragte sie in die Runde und es schien, dass dies der einzige Grund war, warum fast jeder hier in der Klasse, wahrscheinlich in der Schule, in die Zeitung geschaut hatte. Um Lügen über andere Menschen zu lesen und sie in die Welt rauszuposaunen. Darüber zu lästern und den Menschen schon gleich im Vorfeld zu verurteilen. »Verstehe! Also jeder von Euch hat heute in die Zeitung geschaut, um mehr über einen Menschen zu erfahren, der entweder schon sehr berühmt ist, oder seit ein paar Tagen, in den Schlagzeilen steht. Was ist mit dem Krieg? Oder dem Wirtschaftsteil? Hat da jemand reingeschaut?« Keine Regung von niemandem und Mike zeichnete einfach an seiner Pfauenfeder weiter. Ich wusste langsam nicht mehr, wie ich mich weiter verhalten sollte. Es war zu offensichtlich, dass der Unterricht auf unserem Fehltritt aufgebaut worden war und ich wünschte mich weg. Ich verteufelte mich, dass ich überhaupt in die Schule gegangen war, und schloss meine Augen. »Okay, Steffen würden Sie bitte so freundlich sein, und diese Exemplare austeilen. - Die heutige Hausaufgabe besteht darin. Zwei Zeitungen zu studieren, sie zu vergleichen und für euch selbst abzuwägen, welche der beiden, ihr als gute Zeitung eingliedert und welche als ein Schundblatt.« Supi, für mich waren alle beide ein Schundblatt, und als Steffen, mir die beiden Zeitungen vor die Nase legte, … starrte ich erst sekundenlang die Überschriften an.
»Kyel Kastners Geständnis - Ja! Ich bin homosexuell« und »Reporter entschuldigt sich öffentlich bei Kyel Kastner« ich las da weiter. - Und las ein Exklusivinterview mit dem mächtigsten Geschäftsmann der Welt. »Ich bin verlobt und es ist kein Geringerer als Sascha Fleischhauer, der zu Unrecht der Prostitution bezichtigt worden ist.«
»Wie, was?«, schrie ich und Mike sah mich wie die anderen erschrocken an.
Verlobt!!!! Seit wann?
»- Leider, kam ich an dem besagten Tag nicht dazu, ihn zu fragen, ob er mich heiraten will … - Deswegen will ich es hier und heute nachholen … - Es gab in den letzten Tagen viele Meinungsverschiedenheiten, die wir erst ausmerzen müssen.« Die Wörter, die ich las, stürmten über mich ein. Ich verstand die Hälfte nicht, denn »Ich bin verlobt!« kreiste stetig in meinen Gedanken und nicht einmal da konnte ich Ordnung schaffen.
Die Zeitung zitterte in meiner Hand und die Buchstaben verschwammen vor meinen Augen. Ich wusste nicht, ob sich Tränen in ihnen gesammelt hatten, oder nicht. Ruckartig stand ich auf und stürmte aus dem Klassenzimmer.
Frei. Ich fühlte mich auf ungewöhnliche Weise frei. Kyel Kastner, der Inbegriff eines Idioten, hatte mir einen Heiratsantrag gemacht. War der noch bei Trost? Ich konnte es nicht glauben, meine Gedanken schwebten irgendwo und nirgends und ich suchte den Parkplatz nach Toms Auto ab. Vergebens.
Natürlich war Tom nicht da. Es war ja noch Unterrichtszeit.
»Hey!« Ich zuckte zusammen. »Wo willst du hin?« Ich schaute Mike an, der mich süffisant angrinste.
»Du hast es gewusst!« Er nickte.
»Dachte, du weißt es auch, aber nachdem du, von alledem nichts verstanden hast, wusste ich, dass du von seinem Antrag nichts gewusst hast. - Komm, ich fahre dich. Du siehst aus, als ob du zu ihm willst.« Ich nickte nur und folgte ihm wie ein treudoofer Hund. Zu was anderem war ich nicht fähig. Und vor allem wusste ich nicht, ob ich lauthals Lachen oder Freudetränen heulen sollte.
Ich ignorierte die Reporter, die wohl ihr Lager vor Kyels Firma aufgeschlagen hatten, und rannte ins Gebäude.
»Ist er in seinem Büro?«, rief ich Tom zu. Er blickte mich verdattert an und legte den Hörer auf seine Schulter.
»Nein! Im großen Konferenzraum, aber du kannst jetzt nicht rein. Er hat ein Meeting.« Scheiß drauf, wenn er es öffentlich bekundete, warum sollte ich mich dann zurückhalten. Ich stieß die Tür auf und viele Augenpaare starrten mich an, aber ich hatte nur Augen für ihn. Meeresblau, tiefer als der Ozean und sie wurden dunkler, als er mich erblickte.
»Sascha! Wa…!«
»Ja!«, keuchte ich, schrie ich, dachte ich. Wie oft ich in meinem Leben schon ja gesagt hatte, … tja, darauf hatte ich keine Antwort. Aber dieses »Ja«, würde mir für ewig in Erinnerung bleiben.
Gedankenverloren stand ich in der Küche am Fenster und nippte an meinem heißen Kaffee. In der Hand hielt ich die Vorladung für die nächste Verhandlung und schnaufte tief ein.
Fünf Monate war Clancy auf der Flucht und mit der Zeit musste er es sich selbst eingestehen, dass die hohe Belohnung für seine Ergreifung, selbst seine sogenannten Freunde zu Feinden werden ließ. Angst keimte auf. Tiefliegende dunkle Angst. Ich konnte und wollte es mir nicht vorstellen, ihm noch einmal ins Gesicht zu blicken.
»Bist du jetzt endlich fertig? Der Sommer wartet nicht auf dich!«, rief Kyel von der Tür zu mir und ich drehte mich um. Meine Gedanken verflogen.
Da stand er. In seinem Muskelshirt und in der 7/8 Cargohose. Er sah einfach umwerfend aus und ich trat auf ihn zu. Er schob die Sonnenbrille auf seiner Nase zurecht und ich schnappte mir die Autoschlüssel.
»Ich fahre!«, flötete ich und er grinste mich, wie immer, süffisant an. Ich schlenderte an ihm vorbei und spürte seinen Blick, auf meinem Hintern haften.
»Habe auch nichts anderes erwartet. Es macht mich heiß, wie du den Knubbel betätigst …!«
»Du bist einfach unverbesserlich!«
»Nein nur total geil auf dich!«
»Sag ich doch … unverbesserlich …
ENDE ???
Comming soon
Band 4
Facetten ... Der Liebe
Texte: (c) Conny J. Gross 2018
Bildmaterialien: Mit freundlicher Genehmigung E.R.Thaler
Cover: E.R. Thaler, Anna Lena
Lektorat: Angelita Panther
Tag der Veröffentlichung: 03.05.2013
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