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kapitel 1 ;; gedanken


ich mache es. ich mache es. ich tue es. wirklich. ich mache es. ich will es. ich brauch es. ich muss es machen. ich muss es doch machen. ich brauche das. es ist fast wie die luft zum atmen. ich brauche es um klar zu kommen. ich brauch es um das zu kapieren. ich brauche es um zu atmen. ich brauch es um zu leben. es ist wie eine sucht. wie eine droge. es ist wie ein zog. irgendwas zieht mich an. irgendwas zieht an mir. irgendwas will, dass ich es tue. was ist das? das bin ich.



GEDANKEN

 

;; Ich stand am Fenster. Der Schnee rieselte zu Boden. Es schneite in letzter Zeit oft. Im Radio nannten sie es sibirische Kälte. Ich nannte es einfach nur einen zu späten Winter. An Schnee war ich eigentlich im Dezember oder Januar gewöhnt, nicht im Februar.
Ich sollte mir andere Gedanken machen, wie ich die Tanzschritte für Sport morgen noch in meinen Kopf bekommen sollte oder wie ich die Schnitte an meinen Armen verbergen konnte, anstatt über so etwas wie Schnee nach zu denken. Die kleinen Wunden, die gar nicht schmerzten, ich mir aber dennoch in tiefster Verzweiflung in die Haut geschnitten hatte. Warum sie nicht so tief waren, wusste ich gar nicht. Vielleicht wollte ich in dem Augenblick einfach nur Blut sehen oder ich hatte zu viel Angst, so wie ich immer Angst hatte. Jede Sekunde hatte ich Angst, das etwas passierte, was ich nicht abschätzen konnte. Etwas, was so plötzlich kam, dass ich keine Zeit hatte, um mich daran zu gewöhnen oder wenigstens damit abzufinden.

Aber vermutlich wollte ich wirklich nur Blut sehen. Das kalte, rote Blut. Viele verstanden es nicht. Ich selber verstand es auch nicht, aber das hier war definitiv kein Moment um über das 'Warum' nachzudenken, sondern mehr Einer, um nachzudenken wie ich die Wunden verdecken konnte.
Etwas gedankenverloren strich ich mir über die unkontrolliert gezogenen Wunden, die in einer langen Reihe meinen Arm zierten. Fast wie eine Kette oder ein Armband, dachte ich.

Etwas lächelnd packte ich die letzten Bücher für morgen in der Schultasche. Bald würde ich sie nicht mehr brauchen. Es würde nicht mehr lange dauern und ich würde in eine Ausbildung wechseln. Dann hätte ich Schule hinter mir und vielleicht würden dann auch die Narben verblassen. Dann gab es kein Mathe mehr, bei dem ich versagen konnte. Keine Sechsen mehr, für die ich weinen musste, weil sie meine Zukunft bestimmen würden. Es gab nichts mehr, für das ich mich besonders aufregen würde und selbst wenn, dann würden eben neue Narben dazu kommen. Ein paar Schnitte in die Haut. Was machte das schon? Ein Schmerz, ein viel zu kurzer. Mehr nicht. Das war alles.

Ich hatte immer noch nicht nachgedacht, wie ich sie nun verbergen konnte. Armbänder wären gut. Aber Armbänder waren im Sportunterricht verboten. Ein Schweißband? Ich hatte kein Schweißband und morgen, bis zur ersten Stunde würde ich keines kaufen können. Verdammt. Egal. Es war egal. Mir würde etwas einfallen. Irgendwas. Egal wie dumm es war, mir würde etwas einfallen.

Ich legte mich auf mein Bett und deckte mich zu, fühlte mich zu heiß, deckte mich wieder auf und fühlte mich wieder zu kalt, versuchte meine Narben zu vergessen. Dann seufzte ich leise und starrte an die Decke. Sie war dunkel, nach dem ich das Licht ausgemacht hatte. Trotzdem konnte ich noch die Konturen der Holzlatten erkennen, aus welchen meine Decke bestand. Nach einigen Minuten kam ich mir dumm vor, einfach auf ein gleichbleibendes Motiv nach oben zu sehen. Ich schloss die Augen und drehte mich zur Seite. Schlaf ein. Schlaf ein. Eine innere Stimme befahl es mir in einem viel zu lieblichen Ton. Meine Mutter hatte das damals auch immer bei mir gemacht, bis ich irgendwann alt genug war, um nicht mehr vor ihrer Fernsehzeit ins Bett zu gehen.
Aber die Stimme hatte Wirkung. Ich wurde müde. Ich begann wegzudämmern. Meine Glieder wurden schwerer. Ich spürte die wohltuende Taubheit in meinen Körper eindringen. Die Welt um mich verblasste. Ich schlief.

Wenn ich schlief war ich ruhig. Ich musste nicht denken, nicht fühlen und nicht Dinge tun, über die ich zu lange nachdenken musste. Ich musste einfach nur einatmen und dann wieder ausatmen. Schlafen war leicht, so unfassbar leicht. Es war nichts gegen den Alltag, der in genau sieben Stunden und zweiundzwanzig Minuten wieder beginnen würde...

kapitel 2 ;; tomorrow

hier hält meine maske. sie muss halten. nur fünf stunden, fast sechs, dann habe ich pause. dann kann ich mich ausruhen. dann kann ich wieder normal sein. nur die paar stunden. sie gehen vorbei. qualvoll. aber sie gehen vorbei. alles geht vorbei. auch schmerzen. sie gehen weg. irgendwann. irgendwie..

TOMORROW ;; Am nächsten Tag in der Schule hatte ich Glück. Mein weiblicher Zyklus meine es gut mit mir und verlieh mir stechende Bauchschmerzen. Ich brach noch am Anfang des Aufwärmtrainings zusammen und wurde auf die Bank befördert und zu Beginn der fünften Stunde nach Hause geschickt. Damit entging ich einer Stunde Biologie und einer Stunde Mathe, in der wir ohnehin nichts Neues durchnahmen, weil unser Mathelehrer durch eine Vertretung ausgetauscht wurde. Genau dann, wenn wir eine Vertretung in Mathe hatten, wurde ich vom Unterricht befreit. 

 Während ich vor dem Sekreteriat saß und auf jemanden wartete, der mich abholen und nach Hause fahren würde, starrte ich auf das Bild direkt gegenüber von mir. 'Werk des Monats' stand in großen Buchstaben darüber. Ich lächelte leicht. Vor genau drei Monaten hing dort noch ein Bild von mir. Ich musste mich selber zeichnen, so wie ich mich sah. Einige hatten die Aufgabe verfehlt, indem sie sich alles Mögliche an den Kopf gemalt hatten, aber ich hatte mich gezeichnet und nur einige Sachen ausgetauscht. Mit einem Bleistift hatte ich Staub und Schmutz auf meine Wangen gemalt und eine enge Kette mit der Aufschrift 'Tomorrow' gezeichnet. Meine Haare waren auf dem Bild wilder und ich starrte den Betrachter direkt an. Keine Angst, keine Anzeichen von Schwäche und keine Andeutung darauf, dass ich mich ritze. Stark, etwas beschmutzt von der Welt, aber entschlossen und selbstbewusst. 

Das Bild war eine Lüge. Aber wenn ich 'Lost' auf die Kette geschrieben und lange Schnitte in mein Gesicht gezeichnet hätte, hätte jeder gefragt und jeder hätte es erahnt. Aber das wollte ich nicht.  Ich starrte auf das Bild. Ein Gemisch aus vielen, verschiedenen Farben. Rot, braun, Dunkelrot, Rosa, Orange und Blau. Die blauen Töne passten nicht in das Bild, aber Kunst musste nicht immer passen. Sie konnte abstrakt sein oder einfach oder so, dass niemand sie verstand, außer der Künstler selber. Kunst war völlige Freiheit. Darum liebte ich Kunst. Ich hörte die Autoschlüssel klirren, ehe ich meine Mutter sah. Ich war zu tief in dieser Kunst versunken, als dass ich sie bemerkt hätte. Sie wechselte ein paar Wörter mit der Sekräterin, nickte ein paar mal, lächelte und wendete sich ab. Ich folgte ihr.

 

kapitel 3 ;;uu

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Impressum

Texte: confusingworld
Bildmaterialien: confusingworld
Lektorat: confusingworld
Übersetzung: keine übersetzung
Tag der Veröffentlichung: 20.10.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
ich widme dieses buch jedem jugendlichen, der mal eine schwere zeit durchmachen musste und für den 'malen' der einzige ausweg war..

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