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Trudes Lachkrampf!

Wie versprochen, will ich dir kurz ein Erlebnis mit den Anthroposophen schildern. Aktuell ist die Geschichte allerdings nicht. Seit 1959 sind schließlich ein paar Jährchen vergangen. Damals lebte Trude noch, mit der meine Frau und ich befreundet waren. Trude war Malerin, gehörte zu der Künstlergruppe "Junges Rheinland" und sie hatte ein überaus bewegtes Leben. Aber darüber will ich mich jetzt nicht auslassen.

Nach dem Krieg lernte sie alte Bilder zu restaurieren. Und in ihrem Atelier, in dem ich sie oft besuchte, stand mancher Rubens, mancher Tintoretto oder Velasquez aus der Staatsgemäldesammlung, der durch ihre Arbeit wie neu aussah. Sie hatte engen Kontakt mit dem Generaldirektor der Staatsgemäldesammlung und war befreundet mit einer Restauratorin der Staatsgemäldesammlung. Ich habe vergessen wie sie hieß. Jedenfalls restaurierte diese in mühevoller Detailarbeit den Höllensturz von Rubens, auf den kürzlich ein Salzsäureattentat verübt worden war. Erst ihr Nachfolger aber wurde mit dieser schwierigen Arbeit fertig.

Trudes Freundin war nicht nur Restauratorin, sie war auch Anthroposophin und gab Trude zwei Eintrittskarten für einen Vortrag im Anthroposophen-Zentrum in der Leopoldstraße, den sie eigentlich mit Trude besuchen wollte. Doch der "Höllensturz" hatte Vorrang, so kam ich zu der Ehre. Und Trude versprach ihrer Freundin, sie würde sich alles merken, es hernach haarklein berichten. Und so würde sie gewiss nichts versäumen.

Trude hatte sich verspätet. Ich wartete vor dem großen Saaltor. Die Kassiererin räumte schon ihre Sachen zusammen, als Trude endlich eintraf. Die Kassiererin wollte uns zuerst nicht reinlassen, da der Vortrag schon angefangen habe. Wir versprachen ganz leise und unauffällig hineinzugehen, die Eingangstür nur einen Spalt aufzumachen.

Die letzten drei Reihen waren nicht voll besetzt. Wir setzten uns in die vorletzte Reihe. Das Thema des Vortrags kannten wir nicht. Aber es war leicht zu erraten. Der hagere Redner erging sich gerade über die natürliche Düngung. Er schwärmte davon, wie wunderbar das sei, was in den Mägen der Kuh passiere, im Pansen, im Blättermagen, und besonders im Labmagen, es gibt aber noch einen. Der fällt mir jetzt gerade nicht ein. Und wie wertvoll dann erst das Ergebnis sei, das der Dünndarm und der Dickdarm aufbereite und das schließlich hinten herauskäme.

Das alles brachte der hagere Mann da vorne mit einem solchen Pathos in Stimme und Gestik, dass ich Trude einen amüsierten Seitenblick zuwarf. Das Publikum lauschte gebannt. Nur in der Reihe vor uns flözte ein Mann, der eingenickt war, die Arme rechts und links auf die Lehnen der unbesetzten Stühle gelegt. Sein Kopf war auf die linke Schulterseite gefallen und er röchelte leise. Trude erwiderte meinen Blick und fing an zu kichern. Worauf der Mann vor uns aufschreckte und sich entrüstet nach uns umschaute. Der Mann trug einen Salontrachtenanzug. "Aha, ein Münchner", flüsterte ich Trude zu, "was macht der denn hier." Trude nahm sich zusammen. Der Mann schlief wieder ein.

Das Geschehen im Kuhmagen und der emphatischen Vortrag darüber, dieses Missverhältnis erschien mir immer absurder, und das höchst aufmerksame Publikum ebenso, abgesehen von dem Mann direkt vor uns. Es befremdete mich. Trude hingegen konnte ihr Kichern nicht mehr unterdrücken. Der Mann wachte wieder auf, drehte sich erbost um, Trude legte die Hand vor den Mund, der Mann schlief wieder ein. So ging das ein paar Mal.

Ich gestehe, obwohl mich der Vortrag zuerst gelangweilt hatte, allmählich machte mir Trudes Zustand und die ganze Situation Spaß. Sicher war es fast ein wenig gemein von mir, aber ich konnte schließlich nicht mehr umhin, ich imitierte durch meine Mimik das Pathos des Redners.

Trude wusste nun nicht mehr wo sie hinschauen sollte, um sich noch zu beherrschen. Das unterdrückte Lachen platzte einfach heraus. Sie bekam einen Lachkrampf, stürzte, wie vor Entsetzen vor irgendwas, los und eilte zum Tor, ich hinterher. Das Tor fiel mit einem gewaltigen Kracher ins Schloss.

Draußen stand noch immer die Kassiererin, die anscheinend auch für die Garderobe zuständig war. Sie rief uns was zu, wie "ich hab doch gesagt, bitte leise sein". Worauf ich nichts zu entgegnen wusste, da mir die Situation inzwischen peinlich war. Ich schaute, dass wir wegkamen. Erst als ich Trude daran erinnerte, dass die Restauratorin sie gebeten hatte, ihr von dem Vortrag zu berichten, beruhigte sie sich. "Was tun?"

Übrigens will ich nichts gegen die Anthroposophie gesagt haben. Was sich in den vier Kuhmägen abspielt, ist ja wirklich ein wahres Wunder.

Es gibt noch so eine Geschichte über einen Lachkrampf. Bei dem hat es Katja erwischt. Von der schreibe ich dir in der nächsten Mail.

Dies auf die Schnelle


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Tag der Veröffentlichung: 11.08.2009

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