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Katjas Lachkrampf

Lachen soll gesund sein. Hier also der dürre Bericht über Katjas Lachkrampf:
Unsere Freundin Edith war esoterikinfiziert. Was ein Guru behauptete, das glaubte sie. Einmal war einer ihrer Gurus mit ihr zusammen bei uns eingeladen. Sie ließ ihen Blick nicht von seinen Lippen. Als der Guru mit dem Brustton der Überzeugung behauptete, das Licht von der Sonne zur Erde brauche zwei Millionen Jahre, widersprach ich energisch. Aber ich wurde nur abgewinkt: "Sei still, wir wollen zuhören." Sie glaubte einfach an jeden faulen Zauber, sie war eso-hysterisch. Darüber gäbe es eine Menge zu erzählen, aber zum Thema.

Sie lebte in sehr guten Verhältnissen (mit Dienstmädchen, ihr Mann Generaldirektor bei Krupp). Und sie legte wert auf Unabhängigkeit, unterrichtete Hatha-Yoga in der Praxis eines Psychotherapeuten in Schwabing, kannte die ‚wichtigen’ Leute der esoterischen Szene persönlich. Unter anderem auch eine Gräfin, die Kontakte bis nach Indien hatte. Inzwischen war man damals ein wenig misstrauisch gegenüber selbsternannten Gurus. Die Gräfin holte deshalb einen Originalyogi, der noch nie im Ausland gewesen war, nach München.

Der Yogi sollte den Münchnern bei einer Großveranstaltung im Löwenbräu am Stieglmeier Platz vorgestellt werden. Inzwischen war der Yogi schon zwei Wochen in der Stadt und erregte Aufsehen durch seine Übungen, die er mit einem ständig wachsenden Kreis von Anhängern am frühen Morgen im Englischen Garten an dem kleinen See beim Haus der Kunst praktizierte. Die Zeitungen, auch die SZ, berichteten täglich über ihn, und seine spezielle Methode, die anscheinend Wunder wirkte.

Es gab, soweit ich mich erinnere, keinerlei kritische Stimmen. Ich riss mich aber keineswegs darum, den Yogi im Löwenbräu zu erleben. Aber es blieb mir und Katja nichts anderes übrig als hinzugehen, da Edith sonst gekränkt gewesen wäre.

Bei dem Wirbel um den Yogi in der Presse war der Saal schon überfüllt als wir eintrafen. Aber für uns war durch Edits Beziehung ein kleines Tischchen reserviert, mit einem hervorragenden Blick auf die ‚Arena’. Wein und Zigaretten, alles bestens.

Nach einer längeren Vorrede, an die ich mich nicht mehr erinnere, kam endlich der Yogi. Ein kleiner dunkelhäutiger Mann, allert, gelenkig, gekleidet wie ein Fakir, etwa wie auf dem Umschlagbild, gefolgt von einem Bayern in Lederhose und dessen beiden halbwüchsigen Söhnen, ebenfalls in Lederhosen.

Sie begannen sofort mit ihren Übungen. Die Übung sollte durch Lachen alles Negative vertreiben. Die drei und der Yogi beugten sich nach vorne, die Hände berührten fast den Boden und atmeten tief ein oder auch aus. Dann rissen sie die Arme hoch beugten sich dabei nach hinten und lachten aus vollem Halse, mehrmals Hahaha, das klang natürlich äußerst gekünstelt. Die Wirkung auf Katja war, dass auch sie anfing zu lachen, aber bei ihr war das Gelächter echt.

Sie wiederholten die Übungen nach Anweisung des Yogis etwa ein halbe Stunde. Der Gegensatz zwischen tiefernst unten, und hahaha oben war nicht mit anzusehen, es tat weh. Katjas Lachanfälle fielen langsam um uns herum auf, wurden mit strafenden Blicken quittiert. Sie versuchte sich zusammenzunehmen. Aber es gelang ihr nicht. Das lag auch an mir, weil ich sie durchmeine Einwürfe wie "Schau gleich lacht er wieder" anstachelte.

Der Manager kündigte die nächste Attraktion an. Lachen stärke die Bauchmuskulatur, Stichwort Waschbrettbauch. Der Yogi würde nun den Beweis dafür antreten, er werde sich von einem Laster überfahren lassen, ohne den geringsten Schaden zu nehmen. Der Laster fuhr herein. Der Yogi wurde überfahren und stand auf als sei nichts gewesen.
"Traut sich jemand, das nachzumachnen!" Eine rein rethorische Frage. Zum Leidwesen des Veranstalters meldetet sich ein junger Mann mit der Behauptung, das könne er auch. Da sei nichts dabei.

Natürlich traute ihm das keiner zu. Und der Manager sträubte sich, wegen der Veranwortung für die Gesundheit des jungen Mannes. Es entstand ein ziemlicher Tumult im Saal. Das Publikum wollte anscheinend Blut sehen. Es spornte den jungen Mann an. Der ließ sich aber sowieso nicht abbringen. Er legt sich vor den LKW, wurde überfahren und sprang putzmunter auf die Beine. Die Situation war so absurd, dass bei Katja der, soweit mir bekannt ist, einzige Lachkrampf in ihrem Leben einsetzte.

Unter dem Publikum flammten erboste Diskussionen auf. Die eine Partei stand auf der Seite des jungen Mannes, der sich als Sportstudent zu erkennen gab, und beschimpften den Yogi als Scharlatan, die anderen auf der Seite des Yogis, und wollten auf ihn nichts kommen lassen. Es kam fast zu einer Rauferei. (Tatsächlich beobachtete ich hernach unten am Eingang einige Leute, die aufeinander los gingen). Wir mussten raus. So ein Lachkrampf ist nicht ungefährlich. Am nächsten Tag waren die Zeitungen voll von Glossen über den Vorfall.

Aus der Zeitung erfuhren wir außerdem, der Yogi habe gleich am nächsten Tag die Stadt fluchtartig zusammen mit der Gräfin verlassen. Und er sei nach Indien zurückgekehrt. Die Gräfin aber war auf immer und ewig blamiert und man hörte nie mehr von ihr.
Ich hoffe, dies gibt mit meinen schlichten Worten wenigstens einen schwachen Eindruck über die Umstände unter denen Katjas Lachkrampf entstand.

Lachen ist nicht immer gesund.
Wir wünschen Euch hingegen viel Anlass zu gesundem Lachen


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Tag der Veröffentlichung: 14.08.2009

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