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Organisator



Der Organisator, ein fixer junger Mann mit blaugefärbtem spärlichen Haar, ärgert sich über den Computer und der Computer ärgert sich über den Organisator.
"Die Programme sind noch nicht ausgetestet", hatte der Programmierer gewarnt. Aber keiner scherte sich darum.
Einige Zeit laufen die Programme so einigermaßen, wenn auch nur mit Holpern und Stolpern. Dann verfangen sie sich in einer Endlosschleife, diese vergrößert sich ständig, reißt andere Programmteile mit, erfasst schließlich den Organisator auf seinem Stuhl vor dem Computer und schleudert ihn in den Cyberspace.
Dort erwartet ihn bereits ein Schlägertrupp aus einem Computerspiel und schlägt ihn krankenhausreif. Bevor er die Besinnung verliert, entkommt er zum Glück durch eine virtuelle Schleuse. Er zieht schleunigst das Kabel aus der Steckdose und flieht aus dem Computerraum. Mit erlöschender Stimme ruft der Computer ihm nach:
"Komme du mir nur noch einmal unter meine Lämpchen!"


Der Anonyme



Der Computer ist fast wie ein Mensch, wenn auch meistens ein unsichtbarer, und er legt Wert auf höfliche Manieren. Mit rauhem Umgangston erreicht man überhaupt nichts bei ihm, er quittiert dies mit Abbruch, und läßt einen im eigenen Saft schmoren. Falls man mit seinem Latein am Ende ist und man ihm gut zuredet, kann es sogar sein, daß er aus dem Blechkasten hervorkommt und einem aus der Patsche hilft.
Ich will nicht behaupten, daß ich mit ihm regelrecht befreundet bin. Aber einmal, als ich schier verzweifelt war, stand er unversehens neben mir. Ein kleiner Mann, circa 80 Zentimeter hoch, seine Haut glänzte wie geschliffener Marmor zwischen Hellgrau und Elfenbein. Er verriet mir sein Paßwort und zog sich dann gleich wieder ins Gehäuse zurück. Ich habe hineingeschaut, er lehnt dort an der hinteren Wand und denkt.


PC



Eigentlich wollten wir zu einer ganz anderen Adresse. Aber die war hexadezimal verschlüsselt. Und so haben wir uns verirrt, gerieten unversehens ins Märchenland .
Wer mal hier ist, den lassen sie nicht so leicht wieder fort. Er wird von Schneewittchen und Dornröschen eingeladen, ist bei Königen und Prinzen zu Gast. Der Programmierer des Märchenlandes erklärt stolz, er habe alle Vorkehrungen getroffen, dass keiner an der Grenze ohne seine Erlaubnis ausreisen kann.
"Aber", sage ich, "was ist, wenn ich die Return-Taste drücke."
Der Programmierer schaut betrübt zum Bildschirm heraus:
"Das ist brutal. Dagegen bin ich machtlos."


Konzern



Kleiner Mann, rundes zerquältes Gesicht. Die Menschenwürde soll ihm aberkannt werden. Er leiste nichts, wirft man im vor. Momentan hat er noch seine Haare. Hernach wird er kahlgeschoren. Er fleht den Anstaltsleiter an: Er interessiere sich doch für das Computersystem Alpha. Der Anstaltsleiter ruft die Firma an und erhält die Auskunft, das sei nur eine Finte. Der Zerquälte murmelt: So eine Gemeinheit. Neben ihm steht einer, den er von früher kennt. Ein Großer, elegant gekleidet. Heißt der nicht Edelkobener? Der kleine Zerquälte fragt ihn, wieso er sich hier herinnen befinde. Der Große antwortet:
"Ich bin homo und heiße Hugo. Und Du?"


Der Manager



Er kennt sich in der Welt schon lange nicht mehr aus. Bevor er gegen Nachmittag in seinem Büro eintrifft, irrt er fünf Stunden durch die Straßen, klettert über Feuerleitern auf Dächer und kriecht durch Dachluken, hastet über endlose Gänge, gelangt ins Nervenzentrum seines Konzerns zu den empfindlichen Computern, wo Zutritt für Unbefugte verboten ist und besonders für jemand, dem der Angstschweiß auf der Stirn steht.


Orakel



wir wohnen im 37. Stock
unser Sohn brachte von unten eine Botschaft mit
die Wahrsagerin sagt
bei uns bräche Feuer aus
wir ziehen aus unseren drei PCs
die Stecker raus
die Wahrsagerin sagt
das würde nichts nützen
es sei zu spät

Ruhestand



Ich kann Sie nicht in den Ruhestand schicken, sagt der Chef, Sie würden sich doch nur gehen lassen. Regelmäßiger Lebenswandel und leichte körperliche Betätigung im Büro ist gut für Ihre Gesundheit. Endlich begreift Paul, warum er nach acht Stunden Arbeit am Bildschirm noch die Büroräume schrubben muss. Wenn er abends, den Schrubber geschultert, mit der Straßenbahn nach Hause fährt, geniert er sich vor den Fahrgästen. Paul nimmt sich vor: Nächstes Jahr lässt er sich nicht mehr überreden, dann wird er 85 und will endlich ausschlafen.


Pakt



Nicht mit dem Teufel, sondern mit dem Computer, schloss er einen Pakt. Dieser verlangte seine Seele und sicherte ihm dafür seine Existenz.

Erstes Gebot Glaube an den Computer als deinen Gott, der niemand neben sich duldet.

Als die Computer die Macht übernahmen, gab es keine Zufälle, kein Schicksal mehr, es wurde alles geregelt, geplant von der Wiege bis zur Bahre.

Seit der Computer die Herrschaft angetreten, müssen sich die kleine Grauen strengen Regeln beugen. Gedanken dürfen sich nur im vorgeschriebenen Rechenschritt bewegen, Gedankensprünge sind verboten. Im Hinterkopf aber spuken nächtens Träume herum, die in keine Formeln passen.

Unfehlbarkeit Der Mensch ist fehlbar, aber der Computer ist es nicht. Darum fühlt der Mensch sich unvollkommen, sündig, schuldbeladen und am Ende als Versager. Und er schleicht von Tag zu Tag verzagter um den Computer herum.

Unbelehrbar Wer ist denn der, der wie Mose - grau und alt - nicht mit uns um den Computer tanzen will, wie um ein Goldenes Kalb.

Drei Variationen



Die Kollegin



sie heißt Rosemarie
rotblondes Haar
reicht ihr bis zum Knie
sie wird ferngesteuert
durch Transistoren
hinter den Ohren
seit heute früh

vielleicht hatte Rosemarie
für ihren Job
zu viel Phantasie
denn sie gehört
wie wir alle
zur Computerperipherie


Gehirnsklaven



Wie gewöhnlich saß ich in der Frühstückspause mit Rosi auf dem kleinen Balkon vor unserem Arbeitszimmer. Wir tranken Tee. Ihr rotblondes Haar fiel ihr bis zu den Hüften herab, es leuchtete feurig in der Morgensonne. Aber irgend etwas Undefinierbares gefiel mir nicht an ihr. War es ein Zug von Traurigkeit um ihre Augen. Ich wusste selbst nicht, warum ich sie fragte:
"Geht es Ihnen heute nicht gut, fehlt ihnen etwas".
Sie wandte sich mir zu, griff in ihren Haarschopf und klappte die Hirnschale auf wie den Deckel einer Teekanne.
"Schauen Sie her, seit heute morgen kann ich das", bekannte sie gleichmütig, "es ist mir beim Duschen aufgefallen. Fast wäre Wasser hineingelaufen."
Ihr Gehirn lag vor meinen Augen: Mirkotransistoren, klarer modularer Aufbau, rostfrei, auswechselbar.
"Vorläufig hat man mir die Standardausrüstung zugebilligt, also ohne Zusatzspeicher. Nach erfolgreicher Pilotphase ist virtueller Memory erlaubt."
Sie klappte ihre Errungenschaft wieder zu. Dann erklärt sie weiter:
"Ich bin die Dritte aus unserer Computerabteilung, die optimiert wurde. Das weibliche Gehirn soll angeblich nicht mehr zeitgemäß sein, Frauen besäßen zu viel Phantasie. Es soll ihnen an Logik mangeln."
Der Personalchef, den ich gleich anschließend aufsuchte, meinte gelassen:
"Regen Sie sich nicht auf. Vor der Pensionierung kriegen ja alle ihr Originalgehirn wieder zurück, und dann müssen sie selber sehen, wie sie damit zurecht kommen."


Sachbearbeiter



Nach der Umstellung der Büroorganisation wurden - wie von der Unternehmensberatung vorgeschlagen - die Sachbearbeiter durchrationalisiert. Zuerst versah man ihre Schädel mit Scharnieren. Die Hirnschale lässt sich nun durch einen Ruck am Schopf öffnen wie eine Kaffeekanne. Der Inhalt, also die Gehirne selbst, wurden optimiert, umprogrammiert, überflüssige Assoziationen eliminiert, der Zeitkreis ausgewechselt gegen eine Achse, die Richtschnur angezurrt. Es glitzern die Chips. Im Hintergrund dösen stumm ein paar überflüssige Ganglien herum.


Computerspiele



Die Computerspiele sind fast wie das wirkliche Leben, nur sehr viel schneller. Man muss sich blitzschnell entscheiden. Dafür ist Benno viel zu langsam. Selbst für das wirkliche Leben ist er eigentlich zu langsam und kommt nie so richtig mit. Das macht ihm aber nichts aus; denn – so sagt Benno - auch wer auf der Verliererseite steht, erlebt zum Glück so einiges


Drei Variationen



Koryphäe



Der Kollege Hugo ging stets nach vorne gebeugt und mit ernster Miene durchs Büro, als suchte er etwas, das er dringend benötigte. Wer ihn näher kannte, der wusste, dass er die Augen vor seine Vorgesetzten niederschlug, die für ihn zu den höheren Mächten zählten. Seine Lippen bebten stets wie von Gebeten, als bäte er unentwegt um Vergebung, als bedanke er sich für die Gnade, dass man ihn nicht längst entlassen habe. Er arbeitete von uns allen am längsten in der Firma, schon so lange, dass er darüber grauhaarig geworden war, Wenn einer der Manager ihn ansprach, zuckte er zusammen, als erwarte er ein Donnerwetter. Leo, neu in der Firma und immer zu Streichen aufgelegt, hatte im Gegensatz zu Hugo mit Hierarchien nichts im Sinn, und ärgerte sich über Hugo. Und er fragte sich, ob Hugo über ein Bein, das man ihm stelle fallen, oder ob ihn sein gesenkter Blick davor bewahren würde; also stellte er eines Tages Hugo ein Bein. Es ereignete sich während einer Geschäftsreise, bei der es um die Installation eines Computerprojekts bei einem neuen Kunden ging. Hugo irrte den ganzen Abend konfus wie ein verscheuchtes Huhn durch die Hotelhalle, wobei er Computerformeln vor sich hin murmelte und zu Boden sah, und damit Leo ständig herausforderte. Der konnte dem schließlich nicht länger widerstehen und stellte Hugo ein Bein. Hugo machte einen Kniefall und blieb unten. In dieser Pose rutschte er weiter, als sei er am Ende einer Wallfahrt angelangt. Unser Manager stürzte in diesem Augenblick mit einer Schreckensnachricht in die Hotelhalle. Ein Computerfehler sei aufgetreten, stammelte er aufgeregt und starrte bestürzt auf Hugo. Nur einer sei jetzt in der Lage zu helfen, unser Kollege Hugo, Koryphäe für die Fehlerbereinigung in Computersystemen. Hugo fühlte sich stets schuldig, wenn Computerfehler auftraten, weshalb er sich in allen Projekten auskannte wie niemand sonst. Es sah wie Zufall aus, wenn er da und dort eingriff. Und plötzlich funktionierte die Apparatur wieder. Was tun, keiner von uns konnte Hugo ersetzten. Wir berieten uns, sahen keinen Ausweg. Es war fatal, dass Hugo ausgerechnet jetzt, da wir in der Klemme steckten, den Verstand verloren hatte. Einen Sprung hatte er ja schon vorher gehabt. Aber nun hatte er sozusagen wegen eines Knickes einen Knacks bekommen. Was konnten wir tun, um ihm auf die Beine zu helfen. Leo entschuldigte sich bei Hugo, was ihm äußerst schwer fiel. Es täte ihm leid, es sei keine Absicht gewesen, dass er ihm ein Bein gestellt habe. Hugo wies das weit von sich. Er wisse überhaupt nichts davon, er habe sich doch selbst auf den Boden geworfen vor zwei Engeln des Herrn. Ihm sei vergeben. Er fühle sich als ein vor allen Ausgezeichneter.
"Seht ihr sie denn nicht. Sie stehen zu meiner Rechten und zu meiner Linken."


Mobbing



Er war der Beste von uns allen, obwohl er in der hintersten Reihe stand. Er murmelte Formeln wie Gebete, von denen die Firma lebte, und die nur er und der Computer verstand. Wenn wir versagten, nahm er die Schuld auf sich, vielleicht weil er Schuldheiß hieß. Sein Verstand war ein Riese, wir sahen davon nur die Füße. Aber wir küssten sie nie, sondern stellten ihm Fallen und zwangen ihn in die Knie. Doch über das Bein, das wir im stellten, sind wir am Ende selber gefallen; denn nun programmiert er nie wieder.


Götze



als der Herr sah
daß sein Knecht nicht mehr ihm
sondern dem Computer vertraute
und dass er die Gebete seines Knechts
nicht mehr verstand
aber der Computer sie erhörte
verwirrte der Herr den Verstand seines Knechts
nun liegt er da unser Kollege
und behauptet
er knie vor zwei Engeln des Herrn
und fühle sich vor uns erhaben.


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 01.01.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Alex, Gunnar, Johannes und Max und wer sonst noch zum Team gehört, und für Heike, ohne die es bookrix nicht gäbe.

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