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Die Tagesmutter oder Seelenwanderung

                                                         

Eine Zeitreise, Seelenwanderung?

         Ich habe gerade einen kurzen Besuch im Cafe Kostbar bei Frau Schubbe, gemacht und wir haben vereinbart, dass ich im Herbst an einem Abend eine Lesung meiner Kurzgeschichten machen kann. Ich verabschiede mich und trete auf die Straße in die Fußgängerzone. Es ist eine dieser typischen Fußgängerzonen, die mit Pflastersteinen auf alt gemacht sind.

        Die Sonne scheint, ein wunderschöner Tag ich genieße die Wärme der Sonne und überlege noch ob ich mich für ein paar Minuten ins Straßencafe setze, da zieht eine kleine Karawane an mir vorbei.

       Tagesmütter,  die mit  Ihren Zöglingen einen kleinen Stadtbummel in der Fußgängerzone machen. Einige Kinder sitzen in diesen kleinen Bollerwagen, das sind Handwagen aus Holz mit einer Vorrichtung zum Schieben oder ziehen. Einige Kinder sitzen in Reih und Glied sich gegenüber und manche halten sich an dem Wagen fest. Und so zieht die Karawane durch die Stadt.

       Mir geht jedes Mal das Herz auf wenn ich die Kleinen sehe, wie sie aufmerksam die Gegend betrachten und sich sehr diszipliniert an dem Wagen fest halten.

      Ich spreche eine der Tagesmütter an:  Sagen Sie, ich finde das so toll wenn Sie mit den Kindern „Gassi“ gehen, da geht einem das Herz auf, die Kleinen schauen ganz aufmerksam und interessiert durch die Gegend. Sagen Sie, warum sitzen manche und manche gehen nebenher, gibt es da einen Grund, frage ich die Tagesmutter.

      Nun ja, - sagt sie - der kleine Blonde da vorne der kann noch nicht so gut gehen, deshalb sitzt er und die Kleine hier, die ist schon älter und kann gut gehen, aber wir wechseln auch immer ab, wenn wir sehen, dass ein Kind müde wird.

     Tja, sage ich, manchmal wünscht man sich, es würde „Klick“ machen und man sitzt dort wie der Kleine mit den blonden Locken und kann im Leben nochmal ganz von vorne beginnen, vielleicht sogar mit dem Wissen, das man sich in all den Jahren seines Lebens angehäuft hat.

     Sie lacht und zieht weiter. Ich schaue noch etwas wehmütig hinter dem Wagen her, auch vertieft und konzentriert.

     Und in dem Moment macht es „Klick“ ich bin ein Blonder mit lockigen Haaren wie auf dem alten Foto von mir, das mich als Zweijährigen zeigt.

     Es fühlt sich komisch an, ich sitze in dem Bollerwagen und dreh mich um zu dem Typen mit der Glatze und dem Schnauzbart der dort noch etwas abseits steht, während der Bollerwagen mit mir weiter in die Fußgängerzone geschoben wird. Irgendwie kommt mir der Typ mit dem Schnauzbart noch bekannt vor. (Ich)

      Ach was, denke ich, irgendwie ist das lustig. Ich sitze neben einem kleinen Mädchen mit langen schwarzen Haaren, wahrscheinlich ein Flüchtlingskind, denke ich. Sie lacht mich mit Ihren großen dunklen Augen an und sagt etwas, was ich nicht verstehe.

    Ich schaue mich um, Menschen schieben durch die Fußgängerzone, manche hektisch, nehmen gar nicht den wunderschönen Tag wahr und andere schlendern so dahin und genießen den Tag. Einige Stände mit Waren stehen vor den Geschäften und das macht alles etwas bunter, ich genieße das.

    Mir fallen auch einige hübsche junge Frauen mit Hotpans auf, das ist praktisch, denn ich bin mit dem Gesicht genau auf der Höhe und genieße die Aussicht, während unsere Wagen durch die Fußgängerzone poltern.

     Ein kleiner Jungen mir gegenüber fällt mir auf. Er schaut mich ganz neugierig an und patscht dann mit seinen Händen auf das Tischbänkchen in der Mitte. Ich schau ihn an und versuche auch zu patschen, das fühlt sich komisch an. Ich muss mich wohl noch an meine kleinen Händchen gewöhnen. Na ja, wird schon werden, denke ich.

      Oh, dort drüben gibt es Eis. Ein Eisstand in der Fußgängerzone vor einem Cafe zieht meine Blicke auf sich. Ein schönes Vanilleeis mit Schokostreuseln drauf wäre jetzt großartig. In Gedanken daran läuft mir das Wasser im Munde zusammen und ich mache den Versuch die Frau, die unseren Wagen schiebt, auf mich aufmerksam zu machen. „Eisch Eisch heisch, da da.“ Komisch, ich denke ich sage zu ihr: Ich würde jetzt gerne ein Eis essen, dabei schaut sie mich  sehr genau an, aber es kommt bei mir nur  dieses komische „Eisch, Eisch heisch, da da, raus“

     Sie ist ein etwas strenger Typ mit grauen Haaren und einem schmalen Mund.

Sie schaut mich an und während sie meinen Kopf mit den blonden Locken tätschelt, meint sie: Ja, ja, Kleiner ich weiß es ist heiß aber wir sind gleich zuhause, dann gibt’s was zu trinken.

     Ich bin etwas verzweifelt, gestehe ich, entweder sie versteht mich nicht, oder sie will mich nicht verstehen. Na ja, es geht weiter, ich habe mir vorerst mal das Eis abgeschminkt.

      Aber es ärgert mich, ich komme mir wie behindert vor. Die Sache mit der sprachlichen Kommunikation scheint ein Problem zu sein.

      Dann geht es an einem kleinen Flüsschen entlang, weiter auf einem Gehweg, dicht voll geparkt mit Autos. Ich nehme nur dreckige Räder, dann wieder blankpolierte Wagentüren wahr. Dann fährt so ein Idiot aus der Parklücke raus und der Dreck aus dem Auspuff bläst mir direkt voll ins Gesicht. Das ist ja eine Sauerei denke ich, ist mir früher nie aufgefallen.  Dann - ein paar Schritte weiter - schwingt noch eine Autotür auf und knallt uns fast auf den Bollerwagen. Die Dame sagt nur „huch“, aber entschuldigen tut sie sich nicht. Ich war nahe dran ihr in den dicken Hintern zu zwicken, aber ich war nicht schnell genug in der Bewegung. So langsam nervt mich das, so tief unten zu sitzen und nichts tun zu können.

     Schließlich kommen wir an ein älteres Haus, vorne eine großes Schild „Tagesmutter Gisela“. Aha, wir scheinen da zu sein.

     Die graue Schmallippige packt mich auf einmal unter den Armen und stellt mich auf den Boden. Ich verliere etwas das Gleichgewicht und kippe fast um, aber sie schnappt mich am Arm und zieht mich in das Haus rein.

Dann brüllt irgendjemand Mittagessen. Ich werde mit den anderen an einen kleinen Tisch gesetzt und die grauhaarige Schmallippige setzt sich zwischen mich und einem kleinen Mädchen. Sie sitzt auch auf einem kleinen Stuhl der ganz von ihrem Hintern         ausgefüllt ist.

     Ich habe Hunger allmählich. Im Einkaufscenter, das in der Nähe des Cafes liegt, wo ich kurz zuvor noch war,  esse ich immer gerne einen Kartoffelsalat und einen Pizzafleischkäse, das wäre jetzt das Richtige. In Gedanken daran nimmt mein Hunger zu.

    Die andere Tagesmutter, sie wird Hanne gerufen, eine fröhliche vollbusige Frau, stellt einen Topf und Teller für die Kinder auf den Tisch, die mit mir um den Tisch herum sitzen. Die Schmallippige neben mir hat plötzlich einen Löffel in der Hand, taucht ihn in eine grüne Pampe, ich vermute, das ist Spinat, was ich hasse und ich sehe diesen Löffel mit der grünen Pampe auf mich zukommen, und sie sagt hammi, hammi schmeckt gut. Ich presse meine Lippen zusammen, da läuft nichts, lieber hungere ich. Aber sie schafft es tatsächlich, drückt mir die Pampe in den Mund und man kann es kaum glauben, wischt mit dem Löffel an meinen Lippen und dem Kinn entlang und drückt  mir diese  Rest-Pampe nochmal in den Mund. Brrr, ich bring sie um. Gegenwehr bringt nichts, sie ist stärker. Warum versuchen Menschen immer mit Kraft und Druck andere von etwas zu überzeugen, und das gerade bei Spinat.

      Ich bin komplett geschafft. Schließlich siegt der Hunger und ich gebe nach. Ich habe das Gefühl ich bin in einem Lager wie Guantanamo  gelandet, mit Zwangsernährung.

     Nachdem alle Kinder reihum abgefüttert sind, wird wieder ein Lied gesungen.

Irgendwas mit Trallala, trallala und alle klatschen in die Hände. Ich weigere mich mit zu klatschen, so wie ich behandelt wurde, behandelt man „Erwachsene“ nicht. Aber es sollte noch schlimmer kommen.

Dann höre ich Geklapper, was ist das denn wieder? Es werden irgendwelche flache Schüsseln verteilt.

      Schwupp, nimmt mich die Schmallippige wieder unter den Armen, stellt mich hin, zieht mir die Hose und irgendetwas nimmt sie weg, was zwischen meinen Beinen  runterhängt und setzt mich auf einen kalten „Tellerrand“ und dann sagt sie im Befehlston: Pippi machen!

      Gott im Himmel, Pippi machen, ich soll anscheinend in diesen komischen Topf pinkeln. Das kann ich nicht mal wenn auf der Herrentoilette ein Typ neben mir steht und seine Strahl plätschern lässt, und jetzt soll ich hier mit 6  oder 7 anderen Kindern zusammen Pinkeln.  Die anderen quitschen lustig vor sich hin, finden das anscheinend ganz toll, und ich sitze und  bekomm kein Tröpfchen raus.

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 14.02.2021
ISBN: 978-3-7487-7452-5

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