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Ich trat ihr gegenüber. Der riesige Saal wurde durch Säulen aus Marmor gestützt. Ich blickte in ihr Gesicht, vergaß die Menge, die zuschaute. Ich wollte den Moment nicht verderben, hielt inne. Ich vernahm ihren Atem. Sie atmete schneller. Ich hörte ihr Herz pochen. Das Geräusch hallte in meinem Schädel nach. Ich blickte in ihre Augen. Ihre perfekten, makellosen Augen. Ich musste unwillkürlich lächeln. Ein Windstoß traf auf ihre Haare. Es war nur eine Brise. Ihr Duft wurde in meine Nase getragen. Es war betörend. Ich lächelte und beugte mich zu ihr hinunter. Ihre Lippen öffneten sich langsam. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um mich zu erreichen. Sie wollte mich, ich wollte sie. Der Moment in dem sich unsere Lippen trafen war nicht zu beschreiben.
„Du darfst die Braut jetzt küssen.“
Ich löste mich wieder von ihren Lippen, unfreiwillig, aber die Dauer machte den Kuss perfekt. Sie machte den Kuss so perfekt, dass ein zweiter hätte folgen müssen. Aber er blieb in meinen Wünschen zurück und wurde nicht zur Realität.
Ich erwachte aus einem langen Schlaf. Ich blickte neben mich auf das Bett. Dort etwas. Eine Frau. Es war nicht die Braut. Ich griff unter mein Kopfkissen und zog den Revolver heraus. Ich hielt ihn an ihre Schläfe. Sie war so zerbrechlich. Eine Träne, die mir die Wange herunterfloss, war für sie. Sie öffnete langsam ihre Augen. Sie lächelte mich an. Ich drückte ab.
Der Schalldämpfer machte den Schuss zu einem Flüstern. Ich stand auf und betrachtete mein Werk. Die Frau lag auf dem Bett niedergestreckt und eine lange Blutspur zog sich durch das Zimmer. Ich zog mich an, küsste sie auf die Stirn und sagte ihr, dass ich sie liebe, doch, dass sie nicht die war, auf die ich warte. Ich verschwand durch die Tür.
Ich ging die Treppe hinunter. Vor der Tür parkte bereits mein Wagen. Ich stieg in den knallroten Porsche ein. Ich lächelte aufgrund der Ironie, die das Auto mit dem Blut der Frau verband. Ich fuhr los. Die ganze Zeit hatte ich ein merkwürdiges Gefühl, als ob mich jemand verfolgte. Doch ich beließ es bei dem Gefühl. Als ich an meinem Ziel angekommen war, stieg ich aus dem Wagen. Ein blauer Cadillac, dessen Lack schon fast ausgeblichen war, erwischte mich. In hohem Bogen wurde ich in einen tiefen See geschleudert. Ich konnte mich nicht bewegen. Ich wollte mich nicht bewegen. Ich wusste, ich würde sterben. Doch ich hatte sie gesehen. Die Braut. Sie war es, die mich getötet hatte. Meine Kriegerin. Meine Braut. Ich verlor das Bewusstsein.
In meinem Kopf hörte ich ein langsames Piepen. Dann setzte es aus. Ich war tot.
…….
Ich erwachte auf einer Lichtung. Es war wunderschön. Bunte Farben spielten mit sich. Ich kam mir vor wie in einem Traum. Der Wald war wunderschön und die Lichtung schien der ganze Wald zu sein. Dort ein Zwerg mit roter Zipfelmütze, der sechs anderen Zwergen folgte. Allesamt trugen sie Zipfelmützen. Sie waren fröhlich und marschierten durch den Wald.
Pilze sprachen miteinander, Bäume flüsterten, Hasen rauften sich um ein Weibchen, Rehe sprangen gemeinsam durch das Dickicht und ich lag alleine im Wald, auf einer Lichtung. Dann bekam ich Besuch. Eine grinsende Person kam zu mir. Sie klopfte ruhig an meine Tür.
„Herein.“
Die Tür öffnete sich. Nun konnte ich die Person genauer betrachten. Es schien ein Mann zu sein. Er war sehr klein und hatte feuerrote Haare. Außerdem hatte er ein dürres Gesicht und war auch vom übrigen Körperbau sehr dünn.
„Hm?“
Ich war völlig aus der Situation gerissen, weil ich ihn beobachtet hatte.
„Wie bitte?“, fragte ich verständnislos zurück.
„Ja nun, ich gehört habe, dass bist du neu. Neu ein Wunsch hat frei und bin ich nicht der Wünscher?!“
Er blickte mich fragend an. Ich fühlte mich überrumpelt. „Ja?“, antwortete ich eher fragend.
„Also? Dein Wunsch mir ist Befehl!“
Ich blickte mich um. Blickte aus meinem kleinen Küchenfenster. Wurde ich jetzt auch schon verrückt? Ich war tot, wollte meine Ruhe. Ich hatte alles was ich brauche. Ich hatte den Moment, den ich gebraucht habe, damit mein Leben sinnvoll war. Daher fiel meine Antwort auch so aus.
„Ich wünsche nichts.“
„Schlaf, Kindchen, schlaf…“, begann der Wünscher zu singen. Kurioserweise wurde ich tatsächlich müde und fiel in einen tiefen Schlaf. Das letzte, an das ich mich erinnerte waren die lächelnden, ja geradezu hämischen, Gesichtsausdrücke des Wünschers. Alles war schwarz. Der perfekte Moment. Ich war alleine… Alleine mit meiner Braut.

Impressum

Texte: ©2009 Johannes Karstens
Tag der Veröffentlichung: 16.08.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Diese Kurzgeschichte widme ich meiner Freundin Nina, die immer für mich da war, obwohl ich sie nie gesehen habe.

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