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Unbenanntes Kapitel

Kapitel 1 – Ende oder Anfang?

 

Es war ein ganz normaler Tag, wie jeder andere, doch nur ein einzelner Junge machte ihn für mich besonders. Es war eine Abschiedsparty im August und dazu kamen viele andere Leute. Meine beste Freundin organisierte sie, da ihr Freund und sie bald wegziehen würden. Es waren bis zu fünfzig Leute eingeladen worden. Die Uhr schlug zehn und schon der erste Gast klingelte an der Tür.

„Lou, geh mal bitte aufmachen!“, rief Amy aus dem Keller.

Ich lief aus dem Wohnzimmer in den Flur und öffnete gespannt die Tür. Jenna, die beste Freundin von Amys Freund stand mit einen breiten Grinsen in der Tür.

„Hallo Jenna!“, begrüßte ich sie und bat sie hinein.

„Wo ist Amy?“

„Sie wird wahrscheinlich unten noch alles richten.“

„Also in den Keller?“, fragte sie und ging schon einmal auf die Treppe zu.

„Ja.“

In den nächsten paar Minuten waren im Keller über dreißig Leute und erst um elf kamen noch einige. Es lief alles gut, der Raum war prallend voll und an der Decke hing eine riesige Diskokugel. Am Rand befanden sich das Buffet und eine kleine Bar am gegenüberliegenden Ende. An den Wänden hingen Boxen, die alle zu einer einzelnen Stereoanlage zusammenliefen. Hier waren sehr viele Leute die ich nicht einmal kannte, aber einige sprachen mich freundlicherweise an. Besonders bei einem Jungen war ich sehr neugierig.

„Wie heißt du, hübsches Mädchen?“, schmeichelte er freundlich und drückte mir ein Getränk in die Hand. Seine Augen waren hell blau und die Haare pechschwarz kurz. Er hatte sie ordentlich mit Gel gestylt und so sah auch seine Kleidung danach aus. Rotes Shirt, kurze blaue Stoffhosen, worauf rote Streifen zu sehen waren und weiße Sportschuhe.

„Lou Longer, aber nenn mich ruhig Lou.“, grinste ich und konnte meine Augen nicht von ihm wenden.

„Ein schöner Name für ein so bezauberndes Mädchen. Meine Name ist Finley Kingston oder einfach nur Finn.“

„Der Name passt zu dir.“

„Danke.“, sagte er grinsend.

Es vergingen einige Wochen und ich traf mich so oft es ging mit ihm. Seine Art lies mich jedes Mal schmelzen und dann passierte es an einem Abend im Vollmond. Wir zwei saßen am Hafen und ließen auf einem Steg die Beine über dem Wasser baumeln. Es war einfach zu romantisch und da noch jemand hinter uns vor einem Restaurant Geige spielte, kam es mir vor wie ein Traum.

„Ich hatte nachgedacht, Liebes.“

Gespannt schaute ich ihn an.

„Denkst du nicht aus uns könnte etwas werden? Ich meine wir kennen uns schon über einen Monat lang, keine besonders lange Zeit, dennoch empfinde ich starke Gefühle für dich.“

Mein Herz raste. Ich spürte wie der Puls in meinen Andern das Blut pumpte und meine Beine über dem Wasser aufhörten zu schaukeln.

„Das ist sehr schön, denn ich empfinde auch das Gleiche.“, stotterte ich und konnte meine Nervosität nicht abschütteln.

Dann kamen wir uns auf einmal immer näher. Seinen Atem konnte ich auf meinem Gesicht spüren und schloss genussvoll meine Augen. In einem Moment auf den anderen drückte er seine Lippen auf meine und mein Magen zog sich zusammen. Ich schlang meine Arme um ihn und genoss den besten Moment meines Lebens.

Nach einigen Wochen wusste jeder vom meiner neuen Beziehung. Sogar auf der Arbeit ließen meine Freunde mich nicht in Ruhe.

„Lou, du bist tatsächlich mit Finn zusammen? Also nichts gegen euch Turteltäubchen, aber ich habe nichts Gutes von ihm gehört.“, meinte Amy.

„Du hattest ihn doch zur Party eingeladen.“

Ich arbeitete für Amy, da ihr Vater ein reicher Mann war und ihr ein Café eröffnete. Es war ein kleiner Laden mit auch wenigen Leuten, dennoch mochte ich es hier. Der Boden war mit einem roten Teppich überdenkt und es gab immer kleine runde Tische mit vier kleinen Stühlen. Man konnte viele Kaffeesorten hier trinken und auch selbst gebackenen oder eingelieferten Kuchen essen. Wenn es etwas Interessantes im Fernsehen gab, wie zum Beispiel die Weltmeisterschaft im Fußball, kam jeder gerne herein, bestellte sich etwas zu trinken oder essen und schaute dabei fernsehen.

„Ja, aber eigentlich war das nur ein Freund eines Bekannten von mir. Lou, ich weiß wirklich nichts über den Typen, aber du solltest trotzdem vorsichtig sein.“

„Amy, das Thema hatten wir schon immer bei meinen „Freunden“ durchgekaut.“, seufzte ich und legte den fertigen Kaffee auf ein Tablett.

„Ach ja? Dann erzähl mir mal was mit deinen ganzen Ex-Freunden los war, wieso du immer nach einer Beziehung tagelang geheult hast.“, erinnerte sie mich an die vergangenen Bindungen.

Das weckte wieder meine alten Erinnerungen und es stimmte auch was sie sagte. All meine Beziehungen landeten im Eimer. Der eine fing an mich zu betrügen. Der Andere dealte mit Drogen und wollte mir am Schluss selbst welche andrehen. Da gab es auch noch einen der anfing mich zu missbrauchen und das war wirklich das schlimmste Jahr in meinem Leben. Ich hatte immer Pech, doch bei ihm war es anders, das spürte ich.

„Danke, du bringst mich ja heute richtig auf Laune.“, brummte ich und nahm aus dem Buffetschaufenster einen Muffin.

„Tut mir leid, aber ich habe bloß Angst dass dieser Fremde dir wieder wehtut.“

„Aber Amy, irgendwann hat auch alles Mal ein Ende und bei ihm bin ich mir sicher das nicht so seien wird, wie bei den anderen. Er ist nett, fürsorglich und so liebenswert.“

„Waren das die anderen am Anfang nicht auch?“

Ich legte den Muffin auf einen Teller und dann auf das Tablett. Mit einem genervten Seufzer ging ich an ihr vorbei und brachte dem Kunden seine Bestellung. Schnell zog ich die Rechnung noch ab und begab mich wieder hinter die Theke.

„Amy, was bringt mir das denn wenn ich keine Beziehungen mehr anfange, nur weil meine beste Freundin Angst hat, das wieder etwas Schlimmes passieren wird.“

„Wie du meinst, Lou, aber ich werde dich nicht wieder trösten, wenn er dir dein Herz gebrochen hat.“

Ich seufzte und wollte im ersten Moment ihre Worte glauben, doch dann kam Finn ins Kaffee mit einem leidenschaftlichen Rosenstrauß und seine Augen suchten nach mir.

„Finn?“, murmelte ich und schaute verwundert zu ihm.

Mit einem breiten Grinsen und seinen traumhaften Augen kam er auf mich zu. Als er vor mir stand, drückte er seine Lippen auf meine und gab mir dabei den Blumenstrauß.

„Der ist nur für dich.“, schmeichelte er mir und ich bewunderte seinen Geschmack.

„Wow, danke, der ist einfach toll.“, lächelte ich. „Aber ich denke du bist nicht nur deswegen in mein Café gekommen, oder?“

Sein freudiges Lächeln bleichte.

„Nein, es geht um meine Arbeit, denn ich muss für drei Wochen vereisen. Man erwartet mich in München.“

„Drei Wochen?“

„Aber danach komme ich ja wieder und ich verspreche dir dann werde ich auch immer für dich da sein, Lou.“

Ich verstand es nicht. Wir wollten in zwei Wochen in den Urlaub fahren und jetzt kam er mir mit seiner Arbeit in die Quere. Zuerst war ich völlig schockiert und enttäuscht. Darauf hatte ich mich so sehr gefreut und dann kam so etwas.

„Lou, den Urlaub holen wir nach, ich versprech´s.“

Amy ging mit einem Tablett an mir vorbei und mischte sich kurz in das Gespräch ein.

„Wie gesagt, das fängt ja gut an!“

Giftig schaute ich ihr nach.

„Wann musst du fahren?“, fragte ich genervt.

„Jetzt. Das heißt in zwei Stunden geht mein Flug.“

„Seit wann weißt du das schon?“

„Seit gestern.“

Das war mal wieder klar. Sobald er irgendetwas am Machen war oder weggehen musste, bekam ich es immer kurz davor erst mit.

„Wieso erfahre ich das jetzt erst?“, fragte ich und stellte das Tablett auf die Theke.

„Lou, bitte, ich hatte es ja auch erst kurzfristig mitbekommen.“

Ich seufzte und dachte nach.

„Also schön, aber verspreche mir, dass du wirklich in drei Wochen wieder da bist.“

Er küsste mich flüchtig und ging auf die Ladentür zu.

„Ich verspreche es.“, rief er noch und verschwand um die Ecke.

Nach Ladenschluss begab ich mich nach Hause. Meine Wohnung war nicht weit weg und deswegen war es auch sehr praktisch in fünf Minuten zu Hause zu sein. Ich schloss meine Wohnungstür auf und dann sah ich zuerst ein völliges Chaos. Meine Kartons mit wertvollen Büchern waren umgeschmissen, die Schreibtischlampe lag zerstört auf dem Boden, aus meinem Regal wurden die Vasen hinunter geschmissen und zerbrachen auf dem Boden. Alles was einmal eine Ordnung hatte, war etwa kaputt oder zerstreut im Zimmer.

„Oh nein!“, schluchzte ich.

Langsam ließ ich die Tür zufallen und widmete mich zu meinem Schreibtisch. Die Schubladen waren alle aufgerissen und die Blätter lagen alle auf dem Boden. Ich griff zum Telefon und rief Amy an, die auch schon längst zu Hause sein müsste.

„Schuz.“

„Amy?“

„Lou?“

„Es ist etwas Schreckliches passiert. Jemand war in meiner Wohnung und alles ist unordentlich. Anscheinend hatte er hier etwas gesucht.“

„Er?“

„Keine Ahnung. Amy, irgendetwas stimmt hier nicht. Bitte, kannst du nicht mal kurz vorbei kommen?“

„Klar, bis gleich.“

Es dauerte nicht lange und schon klingelte es an der Tür. Ich öffnete sie und Amy sprang in mein chaotisches Zimmer.

„Ach du meine Güte!“, rief sie entsetzt. „Hast du mal nachgeschaut, ob dir etwas fehlt? Vielleicht haben sie auf etwas Wertvolles abgesehen.“

„Nein, das heißt ich weiß es nicht. Dennoch glaube ich nicht dass ich so etwas Wertvolles hätte, sodass sie diesen Saustall hinterlassen würden.“

„Aber es muss einen Grund geben.“

Kurz war es still zwischen uns, doch dann ging Amy in mein Badezimmer, Schlafzimmer und in die Küche.

„Ist es nicht seltsam, das sie dein Badezimmer, dein Schlafzimmer und deine Küche ordentlich ließen und nur dein Wohnzimmer blieb in einer Katastrophe.“

„Ja, aber was sagt mir das?“, brummte ich und hob ein zerbrochenes Bild von mir und meiner Mutter auf.

„Ganz einfach, sie suchten nicht nach irgendwas sondern, nach jemanden. Und da nur du diese Wohnung hast, suchten sie nach dir.“

„Dennoch glaube ich kaum das ich mich in einer Schublade verstecke oder zwischen irgendwelchen Büchern.“, meinte ich und fing an die losen Blätter vom Boden aufzuheben.

„Auch dafür gibt’s eine raffinierte Erklärung.“, strahlte sie.

„Dann lass mal hören, Frau Professor Oberschlau!“, seufzte ich.

„Du solltest denken, sie hätten deine Wohnung durchsucht, weil sie nach etwas suchten, aber dabei suchten sie nur nach dir.“

„Amy, du klingst irgendwie wie ein Detektiv. Ich werde jetzt sofort die Polizei anrufen.“

Nach einigen Minuten erschien die Polizei in meiner Wohnung und einige fragten mich aus. Ein junger Mann in Polizeiuniform, blonden Haaren, braunen Augen, dürren Körper und einem auffallenden Tattoo am Hals kam auf mich zu.

„Wie ist Ihr Name?“

„Lou Longer.“

„Ok Lou, wo waren Sie, als der Einbruch passierte?“

„Auf der Arbeit, im Café Ellness.“

„Hatten Sie irgendwelche Feinde?“

„Nein.“

„Wurde etwas gestohlen?“

„Ich hatte noch nichts vermisst.“

„Gut, vielen Dank. Sobald wir etwas wissen sagen wir ihnen Bescheid.“, verabschiedete er sich von mir und wandte sich zu seinen Kollegen.

Es dauerte ein Weilchen bis die Polizei mit der Spurensuche verschwand. Ich war einfach fertig und furchtbar müde, nur Amy half mir noch mein Zimmer aufzuräumen.

„Mann, die haben hier echt ´nen schweren Saustall hinterlassen.“, seufzte sie und es sah nicht mehr so schlimm aus wie vorher.

„Hast du eigentlich jemanden in Verdacht Lou?“, fragte sie neugierig.

„Nein, wer sollte denn schon hinter mir her sein?“

„Also ich denke es war Finn.“, beschuldigte sie meinen Freund.

„Was?“

„Lou, ich traue diesem Typ nicht. Deinen anderen Ex-Freunden konnte ich am Anfang auch nicht trauen. Bitte, ich habe nur Angst, dass dir wieder etwas passieren könnte. Deswegen werde ich auch die Nacht bei dir bleiben. Wenn wieder ein Einbruch stattfinden sollte, kann ich dich verteidigen.“

„Das ist wirklich nett, danke Amy.“, lächelte ich und meine Angst verflog ein wenig.

Als man schon durch das Wohnzimmer gehen konnte, ohne auf irgendwelche Sachen zu treten, machten wir eine Pause und legten uns schlafen. Amy schlief auf der Couch und ich legte mich auf mein Bett im Schlafzimmer.

Es war zwei Uhr nachts und da klingelte mein Handy plötzlich neben mir.

„Ja?“, nuschelte ich und machte mir die Haare zurück.

„Lou! Lou! Du musst mir helfen ich werde verfolgt, komm bitte so schnell wie möglich in die Gaart-Straße.“

Er legte auf. Es hörte sich so an wie Finn. Er war in Gefahr und ich musste ihm helfen. In der kurzen Zeit durchtrieben mich tausende ängstliche Fragen und mein Puls stieg.

Ich zog mir eine kurze Jeanshose, ein blaues Top und Stoffballerinas an. Ganz leise schlich ich mich an Amy vorbei und stürmte die Treppe hinunter. Ich kannte die Gaart-Straße und wusste dann auch sofort, wo lang ich gehen musste. Es war viel zu still hier und verdammt dunkel. Es war nicht sehr kalt, da es gestern über dreißig Grad waren, dennoch durchfuhr mich eine Gänsehaut. Ich wusste dass man hier in einer Sackgasse landete, aber das brachte mich nicht zum Zögern. Finn brauchte Hilfe und ich war seine einzige Hoffnung. Vielleicht war er verletzt oder versteckte sich, wo er nicht mehr heraus kam.

„Finn!“, rief ich, als ich am Ende ankam.

„Wo bist du?“

Ich bekam keine Antwort. Doch dann merkte ich dass jemand hinter mir stand, ich war wie gelähmt. Ein Schauer lief mir den Rücken hinunter und ich hatte eine solche Angst mich umzudrehen. Plötzlich hörte ich das Klicken von einem Abzug und spürte einen Einstich am meinem Hals. Ich sah alles nur noch verschwommen und eine Person kam auf mich zu. Meine Beine wurden taub und ich fiel fast zu Boden, doch die Person fing mich auf. Er packte mich unter den Beinen und trug mich fort. Nach einigen Sekunden schloss ich meine Augen und dann hörte ich nur eine sehr bekannte Stimme.

„Lou, ich hatte das so nie gewollt.“

Ich verlor zum Schluss das Bewusstsein.

Als ich aufwachte hörte ich vorerst nur Stimmen.

„Name?“, fragte eine Frau.

„Lou Longer, achtzehn Jahre, weiblich.“

„Wie sind die Werte?“

„Normal.“

„Puls?“

„Achtzig.“

„Ginonym filtern!“

„Jawohl!“

Ich merkte wie ich in einer merkwürdigen Substanz schwamm und ein Beatmungsgerät sich an meinem Mund befand. Aber an meinem Kopf, meiner Brust und am Bauch, kribbelte es ein wenig. Oberhalb wurde es mir kalt und ich öffnete meine Augen. Ich war Splitter nackt und dort wo es kribbelte waren schwarze Schläuche befestigt. Dennoch fühlte ich mich schwach und ausgelaugt. Ich konnte nicht einmal stehen und fiel zu Boden als das merkwürdige gelbe Wasser filtriert wurde. Der Boden war weich, er fühlte sich an wie ein Teppich, war aber aus Gummi. Meine Haare waren so lang, das sie mir bis zur Hüfte reichten. Als ich durch das Glasgehäuse schaute, waren dort überall Menschen mit weißen Kitteln. Hinter mir öffnete sich das Glas und zwei Personen mit einem weißen Isolieranzug hoben mich vom Boden auf.

„Wir brauchen eine Trage.“

Eine Frau drückte ihm eine Decke in die Hand, die sie über mich zogen und mich auf die Trage legten. Schnell trugen sie mich in einen anderen Raum und schlossen mich an Geräte an. Ich schlief wieder ein und wachte ein weiteres Mal auf und dann trug ich Unterwäsche und ein blaue Krankenkleidung. Meine Haare hatten sie mir stufig geschnitten bis zu meiner Brust. Auf meinem Mund war eine Sauerstoffmaske und eine Kanüle steckte in meiner Hand, dass mit einem Verband befestigt wurde. Es fühlte sich alles furchtbar an. Meine Beine kamen mir so vor, als hätte ich sie eine Ewigkeit nicht mehr benutzt. Außerdem fiel mir das Atmen unheimlich schwer, so wie auch das Bewegen. Ich lag einige Zeit dort sehr einsam und keiner wollte nach mir schauen. Doch da kam ein etwas überdrehtes Mädchen herein. Ihre Haare waren blau und zu einem kurzen Bob geschnitten. Ihre Augen waren rot und ihre Kleidung war aus schwarzem Leder. Sie kam mir ziemlich schräg vor.

„Morgen! Naja, eigentlich hieß es Schneewittchen wacht aus ihrem ewigen Schlafe auf. Also wie geht’s dir so nach all den langen Jahren?“, fragte sie und setzte sich lässig auf den Stuhl.

„Wer bist du?“, fragte ich drückend.

„Wer ich? Oh Sorry, das kannst du ja nicht wissen. Tja, also ich bin deine Neue VHK! Das heißt so viel wie verbündete Hilfskraft.“

„Bist du meine Krankenschwester?“

„Nein, das ist so viel wie jemand der dir hilft dein neues Leben zu verstehen.“, lächelte sie. Ich wollte etwas sagen, aber sie kam mir zuvor. „Ach vergiss das. Du wirst es später verstehen können. Mein Name ist JC.“

„Du hast Buchstaben, als deinen Namen?“, verkniff ich mir mein Lachen.

„Nein, natürlich nicht. Das ist nur eine Abkürzung für meinen Vor- und Nachnamen. Es steht für Juli Cayn.“

„Also ich hei…“ Sie unterbrach mich, wieder.

„Lass mal deine Akte sehen!“ Sie nahm sie von dem kleinen Tisch neben mir.

In der Zeit versuchte ich mich zu erinnern. Vielleicht hatte der Entführer es nicht geschafft mit mir zu entkommen und die Polizei hatte ihn erwischt. Dann ließe sich erklären warum ich im Krankenhaus gelandet war. Aber trotzdem, was hatte es mit diesem gelben Wasser auf sich und wieso diese seltsam gekleideten Typen.

„Also du heißt Lou Longer. Ab sofort nenn ich dich nur Double L.“

„Okay, damit das mal klar ist. Ich möchte nicht Double L genannt werden.“, hob sich meine Stimme.

„Aber heutzutage spricht keiner mehr nur den vollen Vornamen aus.“ Ich seufzte.

„Aber meine Aufgabe ist es dich aufzuklären, also höre gut zu.“

Ich spitzte die Ohren und fixierte sie.

„Heute haben wir den 22.06.2544. Du wurdest am 30.05.2015 in den Schlaf versetzt und hättest fast über sechshundert Jahre geschlafen. Dennoch war deine Zeit angehalten worden. Wir haben es Ermöglicht einen Menschen seine Entwicklung zu stoppen, sodass er nicht alterte und seine Organe und das Gehirn nicht älter wurden. Das war nur durch Ginonym möglich, es gibt nämlich dem Körper ganz bestimmte Mineralstoffe.“

Ich musste mich zuerst damit abfinden, weil ich kein Wort glauben konnte. Es sind genau 529 Jahre vergangen und ich hatte den Wandel nicht einmal mitbekommen.

„Heißt das auch, dass meine Familie und meine Freunde alle tot sind?“, schluchzte ich und konnte es einfach nicht fassen. Es war wie eine neue Welt für mich, eine neue Zukunft. Mir flossen Tränen hinunter und ich war furchtbar schockiert.

JC schluckte und machte ein bemitleidenswertes Gesicht.

„Soll ich weiter erklären oder möchtest du es erst später hören?“, schaute sie mich schmerzlich an.

Ich nickte und schloss verbittert die Augen. All meine Freunde sind tot, Amy, Mutter, Vater, meine kleine Schwester, die vor kurzem erst die Welt erblickt hatte und Finn.

„Ich komme dann später wieder!“, meinte sie und wollte schon aus der Tür verschwinden, doch ich hielt sie auf.

„JC bleib bitte bei mir.“ Sie schaute mich erschrocken an.

„Bitte! Ich habe alle meine Freunde und Familie verloren. Ich bin allein.“

JC schloss gleich wieder die geöffnete Tür und setzte sich auf den Stuhl. Sie nahm meine Hand und wusch mir die Tränen aus dem Gesicht.

„Wieso ich, JC?“, schluchzte ich.

„Du bist nicht die Einzige. Es gab noch fünf andere Patienten die in einen langen Schlaf fielen, darunter noch zwei Mädchen und drei Jungs. Es ist so…“ Sie schaute zuerst aus dem Fenster in den Flur und stand dann auf. Hastig zog sie die Vorhänge über die kleinen Fenster und schaute das niemand hinein schauen konnte. Es beunruhigte mich ein wenig. Als sie wieder sich setzte, nahm sie noch einmal kurz Luft und schaute flüchtig zur Tür.

„Eigentlich ist es mir verboten dir davon zu erzählen, aber ich finde dass ihr es verdient habt sie zu hören, die Wahrheit. Es mussten sechs Menschen an diesem Projekt teilnehmen und du warst nun eine von ihnen. Hier werdet ihr später ausgebildet, von euren persönlichen VHKs. Denn ihr seid zwar Menschen, aber manipulierte. Jeder von euch hat eine besondere Fähigkeit und sobald ihr zusammen arbeitet, kann euch keiner mehr aufhalten. Man sagte mir das du der Heiler der Truppe bist.“

Ich starrte sie fassungslos an und es war wirklich schwer, alles auf einmal zu verarbeiten.

Doch dann nahm sich JC ein Messer von dem silbernen Tablett und legte es an ihrem Arm an. Sie schaute mich an, als wäre es eine Probe und schnitt sich dann den Arm auf.

„JC!“, rief ich und sprang geschockt vom Bett. Sie griff nach meiner Hand und drückte sie auf ihre Wunde. Ich konnte ein leichtes Kribbeln in meinen Finger spüren und dann auf meiner Innenhandfläche. Die Haut verzog sich straff, wie Gummi, aber die Wunde verschwand. Sie schnappte sich ein Tuch und wusch das Blut weg.

„Ta-da!“, grinste JC wieder.

„War ich das?“, fragte ich und setzte mich wieder beruhigend auf das Bett.

„Ja natürlich!“

Ich schaute meine Hand sprachlos an.

„Ach und die anderen haben auch so ähnliche Fähigkeiten.“

„Welche?“, wurde ich immer neugieriger.

„Nun, die Restlichen haben die Symbole Schild, Stärke, Schnelligkeit, Intelligenz und Manipulation.“

„Du sagtest gerade eben Symbole.“

Sie schaute an mir vorbei und zog dann mein Shirt an der rechten Schulter hinunter. Dort war eine kleine Flamme zu sehen in schwarz.
„Das bedeutet Heilung und die anderen haben auch so eins.“

„Eine Flamme oder das sich ihrer Fähigkeit anpasst?“

„Nun, es gibt ein Schild für die Fähigkeit Schild, einen muskulösen Männerarm für Stärke, flitzende Füße für Schnelligkeit, ein Gehirn für Intelligenz und zwei gefaltete Hände für Manipulation.“

Ich staunte über ihr Wissen.

„Wow, ich bin beeindruckt!“, jauchzte ich.

„Dir scheint es besser zu gehen, das freut mich wirklich.“

„Ja, danke!“, lächelte ich zufrieden.

Doch mich würde interessieren was Intelligenz und Manipulation für genauere Fähigkeiten haben.

„Das ist einfach! Derjenige der Intelligenz benutzt kann hundert Prozent seines Gehirns verwenden, besitzt ein photographisches Gedächtnis, kann Gedankenlesen und baut sich eine einzigartige Strategie in Sekundenschnelle auf. Der Manipulator hingegen, kann Gegenstände mit seinen mentalen Fähigkeiten bewegen und durch Objekte sehen.“, ratterte sie alles hinunter.

Ich schaute sie verwirrt an.

„Kannst du Gedanken lesen?“, fragte ich entgeistert.

„Uppsi!“

Ich musste laut lachen.

Zuerst gefiel es ihr nicht, doch dann beteiligte sie sich daran.

Ich lernte und bekam noch viele andere Sachen in den nächstens Wochen von JC erklärt.

„JC wozu eigentlich all das Ganze?“

„Mann will eine Geheimwaffe aus euch machen, ihr sollt sozusagen ein wenig Ordnung in diese Welt bringen. In den letzten hundert Jahren wurde unserer Heimat Planet in ein schwarzes Loch gezogen und unser Sonnensystem war nicht mehr tätig. Für die Menschen gab es keine Hoffnung mehr, als wir mit einem gigantischen Raumschiff durch das All fuhren. Weit und breit sahen wir nichts, nur die Sterne und es vergingen Monate. Bald wurden alle Essensvorräte knapp und es geschahen einige Todesfälle. Doch am 23.08.2456 flog ein Schiff auf uns zu und es war dreimal so groß wie unseres. Wir versuchten mit ihnen Kontakt aufzunehmen und teilten ihnen mit das wir auf der Suche nach einem neuen Planeten wären. Bald darauf zeigten sie uns ihren Planeten und auf dem leben wir im Moment. Sie nennen sich Eaganer und ihre Heimat nennt sich Eos.“

„Der Planet heißt so wie die griechische Göttin der Morgenröte?“

„Ja, doch hier heißt Eos Ganagalf, das so viel bedeutet wie Quelle des Lebens.“

Mitten im Gespräch platzte einer der Ärzte rein.

„Er ist wach. Der Zweite ist endlich wach geworden!“, rief er und ich blickte zur Tür.

„Wer?“

„Alex Turner.“

„So ist das. Das ist also derjenige mit dem Stärke-Symbole.“

Sie stand auf und wollte mit dem Arzt mitgehen, doch bevor ich mitgehen wollte drückte sie mich zurück und sagte: „Kommt nicht in die Tüte Lou. Du bleibst schön hier.“

Ich brummte. Beleidigt verschränkte ich meine Arme vor der Brust und machte ein muffiges Gesicht.

Ich verbrachte den ganzen Nachmittag allein und JC war immer noch nicht da. Aber als ich mich schon zum Schlafen gehen fertig machen wollte, platzte sie herein.

„Juhu! Jetzt wird trainiert!“, jubelte sie und zog sich blaue Fahrrad ähnliche Handschuhe an.

„Was? Wir haben halb neun.“

„Weißt du, abends kann man immer am besten trainieren.“

Ich lächelte und wollte endlich mal raus aus diesem Zimmer.

„Wohin geht’s?“

„In eine extra gebaute Halle nur für euch.“

Ich staunte und schnell zog ich mir den Sportanzug an den sie mir gab. Er war aus Gummileder und war gelb. Ich bekam auch Handschuhe und band mir die Haare zu einem hohen Zopf zusammen.

Fertig angezogen, gingen wir durch den strahlend weißen Flur. Bald kamen wir an einer Tür an und JC öffnete sie.

„Willkommen GGE-Center! Das steht übrigens für Großes Gymnastik Eigentum.“

Ich traute meinen Augen nicht. Die Decke war wahnsinnig hoch und der Boden ging weit hinunter. Ich hörte starke Luftzüge die von unten kamen und es machte mir ein wenig Angst. An der Decke waren Box Säcke befestigt die hin und her schwangen. Nur ein einziger kleiner Weg führte zur anderen Seite doch man musste erst die Hindernisse überwinden.

„Der Raum ist einfach unglaublich und ziemlich gefährlich wie man sieht.“

„Nein, der ist noch nie so sicher gewesen!“

„Ach nein? Ich weiß nicht was du siehst, aber ich sehe riese Box Säcke und einen tiefen Abgrund.“

„Das ist doch ganz einfach. Pass auf ich zeig‘s dir und du machst es mir nach, alles klar?“

Ich schluckte und nickte leicht.

Plötzlich ging alles ganz schnell. JC rannte auf die Strecke und machte eine Vorwärtsrolle, als der Box Sack auf sie zukam. Als nächstes musste sie über eine Lücke springen, die sie schnell überwand, dann tauchten Stangen auf die auf einen zukamen. JC sprang über sie und über die fünf nächsten auch. Bald war sie auf der anderen Seite, doch dann kam wieder eine Lücke worüber kein normaler Mensch springen könnte und sich schaffte es tatsächlich nicht. JC stürzte den Abhang hinunter.

„JC!“, schrie ich und rannte selbst auf die Strecke. Durch meine steigende Panik überwand ich mit hoher Konzentration alle Hindernisse, bis ich erschrocken den Abhang runter schaute. Doch JC schwebte in der Luft. Am Boden waren riesige Ventilatoren und darüber ein sicheres Gitter.

JC schaute mich zufrieden an.

„Du warst ja ganz schön schnell!“, betonte sie das letzte Wort.

„Ich hatte völlige Panik. Ich dachte du wärst tot. Sag mal wieso hast du mir nichts von den Ventilatoren erzählt?“

„Ich dachte, wenn du es selber herausfindest, kann ich mir die Erklärung sparen.“, grinste sie frech und zog ihren Körper lange. So schwebte sie nach oben und stand auf der anderen Seite.

„Du kommst leichter als ich hier runter, weil du die Einzige bist, die ein Magnetfeld öffnen kann.“

„Ein Magnetfeld?“, fragte ich neugierig.

„Pass auf! Reib beide Hände aneinander und wenn du merkst es wird heiß, dann musst du sie ganz schnell auseinander ziehen.“

Ich tat was sie sagte und tatsächlich wurde es richtig heiß nach einiger Zeit und ich zog meine Hände auseinander.

„Das ist Unmöglich!“

Zwischen meinen Händen war ein blaues durchsichtiges schwebendes Feld. Umso weiter ich es auseinander zog, umso dünner wurde es.

„Was mache ich jetzt?“, nuschelte ich und war immer noch fasziniert von meiner Kraft.

„Wickel es um deinen stärksten Arm, das wäre dann der rechte.“

Es kribbelte ein wenig und ich spürte wie mich winzig kleine Magnetteilchen durch meinen Arm zogen.

„Jetzt war mein ganzer Arm von diesem Etwas umschlungen und ich musste versuchen das Kribbeln zu vergessen.“

„Jetzt kommt etwas Wichtiges. Diese Stadt wird unter der Erde von einem riesigen Magnetfeld kontrolliert, außer hier. Ich muss es erst an machen und dann kannst du rüber springen mit einem Abstoß vom Magnetfeld.“

Auf dem Boden war eine kleine Fliese und darauf trat sie, kurz erleuchtete sie hell und dann öffnete sich eine blaue durchsichtige Schicht unter dem Boden, es sah fast wie Wasser aus, nur das dieser Bestandteil fest war.

„Nun machst du das in der Luft!“

Sie nahm Anlauf, sprang hoch und drückte sich dann mit dem rechten Arm von Boden ab, um weiter voran zu kommen. Sie stand mit zwei Füßen wieder auf dem Boden.

Ich versuchte mich abzudrücken, aber irgendwie war mein Arm zu schwach und ich knickte ab. Aber unter meiner Hand spürte ich wie sich das Magnetfeld zu einem harten Boden formte und ich mich abdrücken konnte. Trotzdem spielte mein Arm nicht mit.

„Also an deiner Kraft müssen wir noch ein bisschen Pfeilen.“, meinte sie und reichte mir ihre Hand. Ich griff zu und sie zog mich hoch.

Am Abend war ich so müde und durchgeschwitzt, das ich erst einmal duschen ging. Sie hatten extra duschen eingerichtet da wir drei Mädchen und drei Jungen waren, natürlich getrennt. Es tat gut wieder kühles Wasser über sich laufen zulassen und ich genoss die Entspannung. Bis ich eine verirrte dunkle Stimme hörte. Sie kam aus der Dusche und ich stellte schnell das Wasser ab. Panisch schnappte ich mir ein Handtuch und band es um mich.

„Wer ist da?“, rief ich zurück.

„Hallo?“, fragte jemand und kam um die Ecke, als ich meinen Kopf dorthin streckte. Ich lief erschrocken einige Schritte zurück, weil ich direkt in sein Gesicht blickte. Doch dabei rutschte ich auf dem glatten Boden aus und fiel auf den Hintern.

„Oh Gott! Das tut mir schrecklich leid! Ich wollte das nicht! Ich suchte eigentlich die Männerdusche.“

Er drehte sich mit dem Rücken zu mir und ich stand wieder auf.

„Ok. Das war jetzt etwas Unangenehm.“

„Ich schwöre Ihnen, es tut mir furchtbar leid.“

„Warte mal, sagtest du gerade du suchst die Männerdusche?“, fragte ich neugierig und fasste an mein Steißbein, weil es schmerzhaft wehtat.

„Ja richtig, beziehungsweise man sagte mir es wäre ab sofort meine Dusche.“

„Dann musst du Alex sein.“

Er staunte und erst jetzt schaute ich ihn mir genauer an. Selbst er hatte nur ein Handtuch um seinen Unterleib gebunden und sein Oberkörper war sehr muskulös aufgebaut. Seine Augen waren blaugrau und seine Haare kurz braun.

„Ja! Woher weißt du das?“

Ich zeigte auf seine Schulter.

„Daran!“

Er betrachtete den tätowierten muskulösen Arm und war für einige Sekunden fassungslos. Ich fuhr mit dem Daumen ein paar Mal drüber, als versuchte er es wegzuwischen, aber vergeblich.

„Ich glaube kaum, dass du es wegbekommen wirst.“, kicherte ich.

Dann starrte er auf meinen Arm und bemerkte mein Tattoo.

„Das ist irgendwie irre!“, schluckte er.

„Wenn du willst kann ich dir mehr darüber erzählen, denn ich finde es sehr ungemütlich mit einem halbnackten Mann in der Damendusche zu stehen.“

Sein Gesicht wurde rot und da drehte er sich beschämend zur Tür um.

„Wie gesagt, es tut mir furchtbar leid.“

„Ist schon in Ordnung.“

Doch bevor er um die Ecke gehen wollte, drehte er sich noch einmal kurz um.

„Wie ist eigentlich dein Name?“

„Ich heiße Lou, aber meine VHK nennt mich Double L.“

„VHK?“

„Bekommst du auch noch erklärt!“

„Ok, dann bis später!“, rief er und dann viel auch schon die Tür zu.

Alex schien ein anständiger Mensch zu sein und er war mir auch irgendwie sympathisch. Obwohl es eine seltsame Begegnung in der Damendusche war, konnte ich mir eine gute Zusammenarbeit mit ihm vorstellen. Aber er war ja nicht der Einzige. Noch vier andere könnten in den nächsten Wochen aufwachen und vielleicht ist sogar einer von denen das Gegenteil von dem was ich erwarte. Eine Person in dieser Arbeit zu haben, wäre wie ein schwarzer Fleck auf einem weißen Tuch. Vielleicht gäbe es dann oft Streit und irgendwann geht alles den Bach runter. Als ich mich in der Kabine umgezogen hatte, packte ich meine Tasche mit den Duschsachen drinnen und begab mich auf den Flur, bis ein sehr bekanntes Parfum in der Luft lag. Ich drehte mich vorsichtig um. Woher kannte ich den bloß? Er ging mir nicht aus der Nase und so folgte ich dem Duft. Ich drehte mich wieder um und lief zurück zur Dusche, doch dieses Mal schaute ich bei der Männerdusche vorbei. Da stand es. Auf der plastikartigen Back. Es war ein einmaliges Parfum. Finn trug es immer auf sich und dann schmiss ich meine Tasche auf den Boden und rannte in die Dusche hinein.

 

Kapitel 2 – Vergangenes

 

 

Ich hörte wie das Wasser in der Dusche lief und schaute direkt hin. Zuerst sah ich nur einen nackten Oberkörper und dann drehte ich mich sofort wieder weg. Anscheinend bemerkte er mich nicht einmal, dennoch passte dieses Bild zu Finn. Ich zitterte am ganzen Körper. Meine Hände wurden feucht und meine Lippen trockneten.

„Finn?“, rief ich noch etwas zurückgezogen. Ich bekam keine Antwort.

„Finn!“, schrie ich dann vor Aufregung.

Das Wasser floss nicht mehr und ich hörte plätschernde Schritte, sie kamen auf mich zu. Irgendwann kam eine freundliche Stimme zu mir hinüber.

„Junge Dame, sie haben sich wohl verlaufen.“

Er war es! Ich war mir absolut sicher. In meinen Augen stauten sich starke Tränen und ich hielt meine Hände ins Gesicht, weil ich nicht wollte dass er mich weinen sah.

„Bist du es wirklich Finn?“, schluchzte ich und ging in die Knie.

„Wie bitte? Natürlich. Hey, tut mir leid wenn ich sie belästigt haben sollte, tatsächlich hängen hier keine Schilder, die darauf hinweisen wo die Damenduschen und Männerduschen sind, da kann man sich eben mal verirren.“ Ich hörte ein Handtuch im Luftzug wehen.

Ich stoppte und drehte mich beim aufhocken um. Sein Gesicht war fassungslos, als er mich sah.

„Lou? Bist du es wirklich?“, staunte er.

Als ich ihm tief ins Gesicht blickte konnte ich schon wenige Falten entdecken, er war älter geworden.

„Was haben sie mit dir gemacht?“, verdrängte ich mein Weinen und tastete ihn im Gesicht ab.

„Lou, das ist noch normal. Ich lebe eben sehr viel länger als du und trotzdem wird jeder irgendwann älter. In Menschenjahren wäre ich jetzt ungefähr vierundvierzig. Dabei lebe ich schon über fünfhundert Jahre.“

Ich nahm ihn in den Arm und wollte ihn nicht mehr loslassen. Auch wenn er wirklich viel älter aussah, war mir das immer noch egal.

„Ich hatte gedacht du wirst tot! Haben sie dich auch hierher verschleppt und in so ein Ding gesteckt?“

Er drückte mich von sich ab und sank nachdenklich den Kopf.

„Es ist besser du weißt darüber nicht Bescheid.“

„Was?“

„Bitte sei mir nicht böse Lou, aber ich war derjenige der dich hierher brachte.“

Ich lief einige Schritte rückwärts und konnte es nicht fassen. Amy hatte absolut Recht. Er war wie die anderen. Wieso hatte ich immer so ein Pech mit Beziehungen. Wieso wird mir immer etwas Schlimmes passieren sobald ich engeren Kontakt mit Männern habe? Ist das ein Fluch? Dieser immer wiederkehrende Schmerz, wenn ich die Wahrheit erfahre, ist für mich irgendwann unerträglich. Etwa ich wurde geschlagen, missbraucht oder in die Zukunft, für Experimente, entführt. Es wird immer schlimmer. Zuerst war nur mein Herz gebrochen, doch jetzt entführte man mich auch noch in die Zukunft. Wer weiß was bei meiner nächsten Beziehung passiert, vielleicht bin ich dort längst tot. Aber soll ich wirklich dann mein ganzes Leben lang alleine bleiben? Irgendwann, wenn die Grenze erreicht ist, muss es immer einen Schlusspunkt geben. Irgendwo da draußen muss es doch jemanden geben, der mich wirklich liebte.

In mir baute sich eine enorme Wut auf. Ich war so sauer zu wissen, dass er mir das alles antat. Ich konnte nie wieder meine Mutter, meinen Vater und Amy sehen. Mir wurde seit einigen Jahren das Leben zur Hölle gemacht und er hat es an die Grenze gebracht. Ich war so kurz davor durchzudrehen, meine ganze Wut auszulassen, aber ich ließ den Dampf an ihm ab. Ich hob meine geballte Faust und starrte ihn mit einem zornigen Blick an. Seine Mimik wurde kalt. Er wusste dass er es verdient hatte, dass er ein genauso dummer Mensch war wie all die anderen. Finn erkannte dass er seine Strafe verdiente und schloss die Augen. Ich zog den Arm weit zurück und lehnte mein Gleichgewicht nach hinten. Dann drückte ich mich schnell nach vorne und konzentrierte meine ganze Kraft auf die geballte Faust. Es traf ihn genau auf der Wange. Durch den enormen Druck fiel er zu Boden und ich glaubte fast ihm nicht nur eine geschwollene Wange verpasst zu haben.

Ich kehrte ihm den Rücken zu und verschwand aus der Dusche. Nach jedem Hass kommt auch dann die Trauer und so überkam mich ein Tränenschuss. Ich weinte immer mehr und doch ging es mir immer besser. Wenn ich alles herauslasse, kann ich schneller vergessen und vielleicht sogar irgendwann verzeihen. Finn hatte es nicht anders verdient. Wenn er sich seiner Strafe nicht gerecht werden kann, dann muss er wohl damit klar kommen. Ich jedenfalls will nie wieder in meinem Leben unter der Liebe leiden müssen. Wenn ich nach vorne sehen könnte und vielleicht endlich meine Augen ganze öffne, dann werde ich schon denjenigen finden.

In meinem Zimmer wartete ich auf JC und als sie dann keuchend in den Raum geschossen kam, stand ich erschrocken auf.

„Alles klar?“, fragte ich nervös.

„Wir haben endlich eure Zimmer fertig.“

„Aber ich dachte, das hier wären unsere Zimmer.“

„Willst du ewig in einem Krankenzimmer verbringen. Nein ich meinte eines mit richtigem Bett und Schreibtisch, Fernseher, Schrank und den anderen Sachen. Komm mit!“

Sie verschwand schon gleich im Flur und ich musste mich schwer beeilen ihr zu folgen.

„Wieso gehst du so schnell?“, fragte ich japsend.

„Tut mir leid, aber ich bin so aufgeregt. Ich meine es ist zwar dein Zimmer, aber ich werde dort auch meine Zeit verbringen.“

„Wie jetzt? Du schläfst auch dort drinnen?“, musste ich mir das Lachen verkneifen.

„Nein! Aber wir werden uns dort immer beraten und Pläne schmieden oder versuchen Strategien aufzubauen.“

Am Ende des Flures war eine blau, metallicartige, große Tür. Neben ihr war ein Fingerabdruckscanner. JC griff nach meiner rechten Hand und drückte sie auf die Glasfläche. Ein schnelles Licht blinkte unter der Platte auf und dann wurde aus dem roten Licht ein grünes. Die Tür schob sich auf. Schon gleich konnte man sechs verschiedene Türen sehen und auf jeder war ein Symbol.

„Moment, die kommen mir vollkommen bekannt vor!“, fielen mir die riesigen Symbole auf. Ich stellte mich vor meine und betrachtete die Flamme. War das Farbe? Das Bild sah ziemlich Dreidimensional aus. Als würde es vor der Tür schweben. Ich wollte es anfassen, doch dann kam wieder ein merkwürdiger Blitz und die Tür öffnete sich.

Eine neutrale Frauenstimme sprach zu mir.

„Willkommen Double L oder sollte ich Sie lieber mit Frau Longer anreden oder darf ich Sie sogar Lou nennen.“

Ich war ein wenig überrascht.

„Lou ist in Ordnung.“, antwortete ich.

„Wie Ihr wünscht.“

Meine Zimmerwand war wirklich sonderbar. Die Wände schienen so also könnte ich auf Berge, auf die Natur und sogar die frische Luft einatmen. Es war so als könnte ich in das Bild hinein laufen. Der Boden war wie, als könnte ich auf Wasser spazieren. Sobald jemand darauf tritt, bewegte sich das Wasser und es machte selbst die Geräusche. Über mir war der endlose blaue Himmel zu sehen. In den abgerundeten Ecken schien die Sonne in mein Gesicht und es wurde warm. Mein Bett schwebte knapp über dem Boden und mein Schrank war aus farblosem Plastik. Selbst mein Schreibtisch war nicht aus Holz, so wie ich ihn von früher kannte. Die Decke war einfach nur atemberaubend. Es flogen Wolken oben durch die Luft. Sie bewegten sich und man könnte meinen das sie gleich auf mich herab stürzten. Ich blickte zu meinem Bett. Die Matratze war aus Wasser. Nur eine leichte dünne Decke bedeckte es und darüber war eine kuschelige Baumwolldecke gelegt.

„Ich dachte ihr hättet nur noch Polyester.“, meinte ich und JC schaute auf den Boden.

„Nun ja, du bist allergisch auf reines Polyester. Wir versuchten deine Allergie zu bekämpfen, aber nichts half und deswegen musste wir dir Baumwolle besorgen. Selbst dein Matratzenbezug ist aus Baumwolle. Die Matratze selbst ist einer der bequemsten und weichsten die wir finden konnten. Wir wollten zuerst eine gefederte Matratze verwenden, aber das wäre nicht sehr gut für deine Wirbelsäule.“

Ich setzte mich darauf und dachte an früher. Meine Matratze war auch immer sehr weich, weil ich auf harten immer Probleme bekam. Amy bot mir eine Neue an, die ich dann zum Geburtstag bekommen sollte.

Mir floss eine kleine Träne hinunter.

„Magst du dein neues Zimmer nicht? Schau mal, du hast sogar einen Fernseher.“, versuchte JC mich auf andere Gedanken zu bringen.

„Nein, ich meine, es ist wirklich total toll, aber es fällt mir so schwer meine ganze Familie zu vergessen und Amy.“

„Ach Süße,…“, seufzte sie und schaltete den Fernseher ein. Auf der Wand erschein plötzlich ein Bild und es kam eine Komödie. Diesen Film kannte ich. Er hieß: „Der Abriss.“ Und war einer der witzigsten Filme überhaupt. Wieder erinnerte mich das an früher und dennoch tröstete es mich. Selbst viele Jahre später hatten sie die Filme noch aufgehoben. Es waren schon beinahe Legenden.

„Damit hast du wenigstens etwas noch von früher!“, lächelte sie herzlich und setzte sich zu mir.

Irgendwie drückte sich Finn durch meine Gedanken. Er hatte alles versaut. Es war seine Schuld, dass ich sie alle verloren hatte. Bestimmt war meine Mutter vor Sorgen krank gewesen und Amy furchtbar traurig. Mein Vater würde nie erfahren was aus mir geworden wäre. Ein verängstigtes kleines Mädchen, das die Fähigkeit besaß Menschen heilen zu können.

Ich brach in vielen Tränen aus. JC fragte erst gar nicht nach, was los sei, denn sie verstand mich und legte die Arme um mich. Mein Kopf sank auf ihre Schulter und am liebsten hätte ich mich dort drinnen vergraben. Dieser endlose Schmerz den ich in meinem ganzen Leben ertragen musste, die ganzen Enttäuschungen und sogar die immer wieder kehrende Angst. All das war in meinen Gefühlen am stärksten und konnte nur durch die Zeit geheilt werden.

JC wusste als ich den Kopf hob und ihr mit verweintem Gesicht in die Augen blickte, das ich alleine sein wollte. Sie zögerte nicht lange und verließ auf der Stelle das Zimmer.

Ich vergrub mich erstmals unter meiner Decke und genoss die warmen Strahlungen der Matratze. Durch längeres Grübeln und vertieften Gedanken schlief ich ein und als ich aufwachte befand sich Alex neben mir. Er starrte auf ein Bild, das ich mir noch gar nicht auffiel. Es stand auf einem kleinen Tischchen das sich der Umgebung anpasste und neben dem Schrank weilte.

„Alex?“, gähnte ich und er drehte sich zu mir. Dann stand er erschrocken auf und fasste sich vor den Mund.

„Das tut mir leid, also eigentlich wollte ich dir nur etwas sagen…“, stammelte er und ich musste mir durch sein undeutliches Gerede die Sätze zusammenreimen.

„Dann schieß mal los!“, gähnte ich und ließ mich wieder ins Kissen fallen.

„Der Dritte ist endlich erwacht.“

„Wieder ein Junge?“

„Nein, es ist ein junges Mädchen, neunzehn Jahre alt, ihr Name ist Nova.“

„Nova? Wie merkwürdig…“, brummte ich.

„Oh! Sie hat das Symbol Schild. Dennoch wird es ein paar Tage dauern bis sie alles versteht und ihre Fähigkeit etwas kontrollieren kann.“

Als ich ihn mir von oben bis unten ansah, merkte ich an seinem Hals eine tiefe Narbe die sich bis unters T-Shirt zog. Meine Augen ließen davon nicht ab.

„Bitte hör auf dahin zu starren, ich kann es nicht leiden!“, nörgelte er und zog das T-Shirt höher zum Hals.

„Was ist passiert? Es scheint als wäre sie vor deinem Schlaf geschehen.“

Zuerst schwieg er und wollte schon gehen, aber ich hielt ihn am Ärmel fest.

„Bitte Alex,…“, zögerte ich am Schluss.

Er seufzte und setzte sich wieder neben mich.

„Es erinnert mich immer wieder an meine Naivität und Blindheit.“, brummte er und wollte sie sich am Hals am liebsten abkratzen. „Bevor ich in den längeren Schlaf fiel, lernte ich davor eine Gruppe meines Alters kennen. Sie alle waren Junkies, aber das machte mir nichts aus, denn ich wollte nicht wie sie enden. Sie waren nette Typen und immer wenn sie eine Rauchten, nahm ich Abstand von ihnen. Wir gingen oft in Discos und ließen so richtig die Sau raus, bis zu jenem Tag…“ Er schluckte kurz und sprach dann weiter. „Ich hatte schon ein Auto und fuhr sie Heim, alle vier waren furchtbar im Rausch. Doch dann merkte ich wie blöd ich war. Wieso gab ich mich mit Leuten ab die Drogen nahmen, rauchten alles, tranken Alkohol bis zum Umfallen, nur weil die cool waren. Erst als es zu spät war entdeckte ich meine dumme Naivität. Doch dann beugte sich einer von ihnen über mich und versperrte mir die Sicht auf die Straße. Ich merkte nur wie die Umgebung dunkler wurde, aber dann rasten wir in einen alten verlassenem Bahnhof hinein. Hier war keine Menschenseele, wir waren einige Meter von der Straße abgekommen, ob uns wohl einer gesehen hätte? Alle Jungs waren nicht angeschnallt. Deswegen glaubte ich schon einer sei tot. Ich blickte mit Mühe nach hinten, weil der Airbag mich zerdrückte. Einer lag mit offenen Augen da und die anderen völlig bewusstlos. Für mich war es ein Schock und ich musste unbedingt Hilfe holen. Doch als ich mich ein wenig beruhigte, trat der Schmerz ein und eine zerbrochene Flasche schnitt mir den Hals auf. Es brannte wie Feuer und trotzdem kam ich nicht an mein Handy ran. Der Airbag musste weg. Also schnappte ich mir die zerbrochene Flasche und rammte sie mit letzter Kraft in das riesigen Luftkissen. Er verlor an Luft. So griff ich nach meinem Handy und rief den Krankenwagen an. Mir wurde nach fünf Minuten geholfen, dennoch fiel ich in Ohnmacht und wachte erst nach Tagen auf. Ich hörte das Zwei gestorben waren. Einer war schon bei der Fahrt ums Leben gekommen, aber der andere starb an seinen schweren Verletzungen. Die Jungs die noch lebten waren frustriert, gaben mir die Schuld für den Tod an ihren Kumpels und dafür, dass sie wegen Drogen ins Gefängnis mussten. Natürlich gab ich mir die Schuld an dem Tod, jedoch wenn ich mich nicht mit ihnen angefreundet hätte, wäre das niemals passiert. Ich sah sie nie wieder und daran erinnerte mich die Narbe.“

Die Geschichte war faszinierend, traurig und mitfühlend. Ich kam aus dem Stauen auch gar nicht mehr heraus.

„Lou, alles okay?“, winkte er vor meinen Augen, als ich zu Träumen begann.

„Ich kann dich heilen, wenn du möchtest.“

„Nein!“, widersprach er gleich und ich war ein wenig schockiert, weil ich auf das Gegenteil gehofft hatte. „Ich möchte das sie für immer da bleibt wo sie ist. Sie soll mich immer wieder daran erinnern, wie dumm ich war.“

In seinen Augen häufte sich Wasser an. Er drückte sie zurück, aber dennoch quoll eine hinaus. Vorsichtig umschlang ich meine Arme um ihn und er legte sein Kinn auf meine Schulter. Er drückte mich feste, um mir seinen Schmerz zu zeigen. Ich verstand ihn wie es ist Schmerzen erleiden zu müssen, seien es körperliche oder psychische. Ich hatte immer nur Amy die mich warnte, beschützte und tröstete. Jetzt wo ich allein stand, wo er alleine war, brauchte er jemanden. Umso länger er in meinen Armen war, umso intensiver spürte ich, als sei ich dabei gewesen. Ich flüsterte ihm beruhigende Worte zu und strich ihm zart über den Rücken. Noch nie zuvor tat es mir so gut jemanden in die Arme zu nehmen. Ich heulte selbst meinen eigenen Schmerz aus. Die Qualen die ich erleiden musste, waren für einen Moment verschwunden. Ich spürte nur seine Wärme, seinen Schmerz und das Gefühl nicht alleine zu sein. Als ich für einen kurzen Augenblick auf meine Hand schaute, bemerkte ich den Ring meiner Mutter. Selbst als ich in dieser merkwürdigen Substanz war und komplett nackt darin schwamm, ließen sie mir meinen Ring an. Er sollte mich beschützen vor Bösem. Bis jetzt hat er es auch getan, aber vor den Niederlagen hat er mich nicht beschützt. Alex hatte ihn nötiger als ich. Er musste schon einen heftigen Unfall durchstehen und ich wollte dass das nicht noch einmal passiert. Ohne Zögerungen nahm ich ihn von meinem Finger, löste mich aus der Umarmung und drückte ihm den Ring in die Hand. Ein wenig schockiert und beunruhigt blickte er mich an.

„Dieser Ring schützt dich vor Unheil, also ein Unfall wird dir nicht noch einmal passieren.“, grinste ich aufmunternd.

Sein silberner Schimmer funkelte in seinen Augen. Plötzlich überkam mich ein vermissendes Gefühl, das sich im Bauch befand. Nein, jetzt durfte es nicht passieren und wieso nochmal das Ganze?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 3 – Erste Mission

 

Ein furchtbar schriller Klang drang in meine Ohren.

„Guten Morgen Lou, Zeit zum Aufstehen!“, rief die Computerstimme.

Ich gähnte kurz und blieb trotzdem noch im Bett liegen.

„Lou ich möchte Sie nicht dazu zwingen.“, wurde die Stimme härter und mit einer winkenden Handbewegung wollte ich sie zum Schweigen bringen.

Da platzte JC in mein Zimmer herein und sah mich noch müde im Bett liegen.

„Aufstehen!“, schrie sie und schaltete das Licht wieder an.

Ich weigerte mich immer noch.

„Na gut, dann muss ich zu härteren Mitteln greifen!“, brummte sie. Nach einigen Minuten kam sie mit einem kleinen Glas mit Wasser ins Zimmer. Mein Gesicht lag ein wenig seitlich und so schüttete sie mir alles über den Kopf.

Völlig erschrocken fuhr ich hoch und eine Gänsehaut breitete sich auf meiner Haut auf, durch die eisige Kälte.

„Was ist das?“, rief ich ohne nachzudenken.

JC grinste. „Salzsäure!“, rief sie.

Ich fasste fassungslos in mein Gesicht, aber sogleich merkte ich dass es nur Wasser war. JC musste laut lachen.

„Du fängst aber spät an zu Denken.“

„Zieh dich bitte an, heute bekommst du deine erste Mission zugeteilt.“ So schnell sie den Satz gesagt hatte, so war sie genauso schnell auch wieder draußen.

Träge und völlig teilnahmelos begab ich mich zum Schrank. Ich konnte zwar hindurch sehen, sah aber anstatt meiner Kleider die Wand. Verwundert öffnete ich den Schrank und sah meine Unmengen an Kleidung.

„Hä?“, grübelte ich und schloss den Schrank wieder, aber da waren wieder die Landschaft und die vielen Berge. Verwirrt öffnete ich ihn wieder. Dann schüttelte ich einfach den Kopf und suchte mir ein paar Kleider aus. An die enge Lederkleidung musste ich mich wirklich noch gewöhnen. Den Reißverschluss zog ich bis zum Dekolleté, worunter ich noch ein schwarzes T-Shirt hatte. Ich spazierte aus der Tür, wurde aber noch aufgehalten von der Computerstimme.

„Lou, Sie treffen sich mit Frau Cayn in Ihrem Trainingsappartement.“

„Ok.“

Ich traf dort schon gleich auch Alex, dem ich versuchte nicht ständig in die Augen zu schauen, da ich sonst in Verlegenheit käme und mir ein Lächeln nicht verkneifen könnte, und auf die Neue, Nova. Mein erster Eindruck war ein beunruhigender Blick. Auf ihr schien Druck zu lasten. Dennoch wusste ich schon gleich dass sie nicht wie Alex und ich aus dem 21. Jahrhundert kam. Sie war schon viel zu neu für uns. Ihre Haare waren lang und silbrig. Sie waren wie Seide und glatt. Ihre Augen waren so blau wie das Meer, wenn die Sonne darauf schien und sie hatte fast den gleichen Anzug an wie ich, nur in schwarz.

Nicht nur JC stand dort sondern auch ihre Kollegen PG und DJ. DJ war männlich und war Alex’ VHK. Novas VHK ähnelte JC sehr, denn ihre gleichen Outfits und Frisuren waren identisch. Bis auf die Haarfarbe, JC hatte blau und PG lila.

JC kam auf mich zu gerannt.

„Das wurde aber auch Zeit!“, flüsterte sie mir energisch zu.

„Das ist Lou, sie hat die Fähigkeit zu Heilen.“, lächelte JC ihnen alle zu.

Nova nickte kurz und ich stellte mich neben sie. Sie war tatsächlich kleiner als ich und kam mir auch viel zierlicher vor.

„Also,…“DJ ging wie in seinen dicken Lederstiefeln, die mich ans Militär erinnerten, den Gang auf und ab. Sie quietschten immer leicht, wenn er sich wendete.

„…ihr seid hier um eine Mission zu erfüllen und wie lautet die Herr Turner?“, fragte er ihn mit einem strengen Blick. Mir verschaffte er nur Respekt vor diesem Typen. Er passte wirklich gut zu Alex. Selbst er hatte eine auffallende Narbe im Gesicht, kurz rasierte Haare, die aussahen wie schwarz, aber im Licht dunkelblau schimmerten. Seine weiten Baumwollhosen und das weiße Hemd waren ihm zu groß.

„Wir werden im Erdgeschoss nach Hinweisen suchen für den Einbruch.“, diktierte Alex ihm schnell auf.

Zuerst wusste ich nicht was er genau meinte. War das eine Prüfung oder ist wirklich unten eingebrochen worden?

Dennoch blieb ich still, weil ich wusste dass beide es mir später erklärten.

„Abtreten!“, schrie er.

Wir drei verschwanden stillschweigend nach unten. Erst dann begann Alex zu erklären.

„Gestern Nacht ist eingebrochen worden, durch diese Tür dort hinten.“ Er zeigte auf eine rot bemalte Tür die halb zerschmettert war.

„Mehr wissen wir nicht?“, fragte ich fassungslos.

„Nein.“

„Ok. Das ist fast so wie ein Krimi!“, schlotterte ich und blieb in Alex‘ Nähe. Hier unten war es wirklich ganz anders, als oben. Dort oben war alles weiß, hell und meistens nur aus Plastik. Doch hier sah es aus wie in einer langbenutzten Tiefgarage. Nur das hier keine Autos standen. Auf dem Boden waren die Plätze mit Zahlen markiert immer von eins bis dreißig und an den Säulen immer die Reihenzahl.

„Seht mal!“, rief Nova entsetzt und zeigte hinter einer Säule auf etwas. Alex und ich rannten zu ihr hin und sahen die kleinen Bluttropfen. Ich griff ich nach Alex‘ Arm und versuchte mein Zittern abzuschütteln.

Er starrte zu mir runter, währenddessen ich immer noch völlig fixiert auf den Boden war. Mit einem zweifelnden Blick ließ er die Augen nicht von mir.

„Du hast doch nicht etwa vor ein paar Bluttropfen Angst, oder?“, fragte er mich aufziehend.

Ich schaute höhnend zu ihm hoch und musste falsch lachen.

„Ich und Angst?“

„Dann kannst du ja ruhig meinen Arm in Ruhe lassen.“, grinste er scharfsinnig.

Ich ließ ihn los, blieb jedoch immer noch dicht bei ihm.

Wir drei suchten weiter und Alex merkte dann ein Wandstück, das wie ein verborgener Eingang aussah. Ich drückte kräftig dagegen, jedoch erfolglos. Dann ging ich ein kleines Stückchen zurück und rannte mit meiner Schultern auf die Mauer zu. Sie bewegte sich ruckartig und schon lag ich plötzlich hinter der Wand. Nur durch zwei Fackeln war der Gang etwas erhellt. Dennoch kamen gerade dort zwei Männer auf mich zu. Beide trugen schwarze Kutten, wie die Mönche sie mal trugen, nur machten die unbekannten Männer es mit Reißverschlüssen fest.

Was soll ich tun? Ich kann mich nicht verteidigen.

Mir stockte mein Atem. Alex und Nova waren dort draußen und ich war machtlos hier drinnen ohne sie. Ich stand erstmals auf, weil ich durch den schnellen Ruck hinfiel. Doch da kam mir eine bemerkenswerte Idee. Reißverschlüsse sind bestimmt aus Eisen, damit die nicht so schnell kaputt gehen wie Plastik. Also rieb ich wieder meine Hände und baute ein Magnetfeld um mich. Sie wollten sich mir nähern, aber durch den magnetischen Schirm konnten sie nicht bis zu mir durchdringen.

„Hilfe! Leute kommt bitte schnell!“, rief ich zur Wand.

Eine stumpfe leise Antwort drang durch den Beton. „Trete zurück!“

Ich ging langsam an der Wand entlang und stellte mich von der Wand weg. Direkt flog Staub durch die Luft, ein riesen Knall und die Typen wurden von den fliegenden Steinen getroffen. Einer lag wahrscheinlich ohnmächtig auf dem Boden, der andere lag unter den Trümmern.

Alex rannte besorgt auf mich zu und packte meine Arme.

„Alles in Ordnung?“, fragte er keuchend.

Ich nickte stumm und sah seine Hände an. Sie waren aufgeschürft von dem Zerschlagen des Betons. Ich griff nach ihnen und schnell waren sie wieder ganz, als Dank strich er mir behutsam über den Kopf.

Nova blieb immer noch still, als hätte sie den Befehl bekommen zu schweigen. Ich ging mit einem besorgten Lächeln auf sie zu.

„Geht´s dir auch gut?“

Sie nickte stumm. Ich hatte wirklich auf eine klanghafte Antwort gehofft.

Wir folgten dem Gang bis runter in eine kleine weitere Kammer. Dort war eine bekannte Frau zusehen, zumindest erkannte Alex sie wieder.

„Sie gehört zum Labor.“, flüsterte er uns zu.

Wir beobachteten weiter das Geschehen. Ein Mann mit schwarzem Haar, Vollbart und dunkler Haut ging auf die Frau zu. Er verpasste ihr eine Ohrfeige und ich schloss die Augen. Ich konnte Misshandlungen noch nie ausstehen. Es ist absurd und krank.

„Wer und wo ist die Geheimwaffe?“, fragte er die Frau immer wieder und sie blieb stur. Dennoch musste sie dafür immer weitere Schläge in Kauf nehmen. Alex wollte was unternehmen, aber Nova zog ihn zurück. Er starrte sie lange an und dann meinte sie: „Es ist zu gefährlich. Außerdem ist das eine Falle. Die wissen dass wir kommen werden, um sie zu retten. Das war mir schon gleich klar. Denn wieso haben sie den Folterstuhl mitten im Raum aufgestellt? Und am Rande so viele Wachen postiert. Bitte, vertrau mir. Wir werden sie schon retten, aber zuerst müssen wir einen Plan schmieden.“, flüsterte sie ihm. Nova war schlau. Sie dachte zuerst nach, bevor sie etwas machte und das ziemlich gut überlegt.

„Ich weiß was wir tun werden.“, rief Nova leise und teilte uns ihren Plan mit.

Als wir begannen, fasste sie mit flachen Händen auf Alex‘ Rücken und fügte ihm ihr Schild zu. Dadurch war er stark und unbesiegbar, solange Nova die Hände ausgestreckt ließ und sich auf das Schild konzentrierte. Meine Aufgabe war es Nova Kraft zu geben, dafür musste ich sie nur berühren und legte meine Hand auf ihre Schulter. Es ging los. Alex rannte raus und packte den schwarzhaarigen Mann am Kragen und schleuderte ihn anschließend gegen die Wand. Die ersten Kugeln flogen durch die Luft, aber prallten an Alex ab. Die Männer hörten auf zu schießen und rannten um ihr Leben. Viele Männer konnte Alex noch ohnmächtig schlagen und aus dem Verkehr ziehen. Sogar wo es still war und niemand mehr da war wollte Nova das Schild nicht loslassen. Sie keuchte schon halber und ich packte dann noch fester ihren Arm. Ihre Atmung wurde langsamer. Alex kam mit dem merkwürdigen Typen wieder und drückte ihn grob gegen die Wand. Er schlug ihm ein paarmal auf die Wange, damit er wieder zu sich kam.

„Wie ist dein Name?“, fragte Alex noch in einem ruhigen Ton.

„Lok.“

„Okay Lok. Was willst du von dieser Frau?“

Ich war schon längst bei ihr und verheilte ihre Wunden. Dann nahm ich sie vom Stuhl und schleppte sie in den Gang.

„Nichts. Das heißt das brauche ich nicht mehr, denn ich hab meine Antwort gefunden. Du bist die Geheimwaffe. Die Professoren haben aus dir einen unbesiegbaren Menschen gemacht. Auch wenn du mich tötest, unser Chef weiß es jetzt schon.“

Alex biss auf die Zähne und drehte seinen Hals ruckartig um. Ich kniff meine Augen zusammen.

„Wir müssen sie hier raus bringen.“, eilte ich und zog sie an den Schultern hoch.

„Gut.“

Alex packte sie unter den Beinen und schleppte sie im Eilmarsch nach oben. Dort wurde sie behandelt.

JC kam von hinten und legte eine Hand auf meine Schulter.

„Das hast du gut gemacht.“, lächelte sie stolz und lief an mir vorbei, um uns etwas sagen zu wollen.

„Der Professor möchte euch sprechen. Wartet bitte dort hinten in dem Raum.“

Im Raum waren Bänke, die mich an das alte Wartezimmer meines Doktors erinnerten. Es blieb einige Minuten still, doch mich quälte eine aufsässige Frage.

„Nova?“

Sie blickte zu mir ohne jeglichen Ton.

„Sag mal, du bist nicht aus dem 21. Jahrhundert oder?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Woher dann?“

Sie senkte ihren Kopf und seufzte.

„Ich bin am 23.02.2477 geboren. Damals war die Erde noch da. Die Städte ähnelten diesen sehr, große Gebäude, schwebende Fahrzeuge und eine leuchtende Stadt. Als ich sechs Jahre war, starb meine Mutter, das war für mich ein tragischer Verlust. Mein Vater nahm mich dann zu sich und zog mich weiter groß. Als ich endlich achtzehn geworden war kam dann die Zerstörung der Erde. Im Westen Amerikas fing es an und zog sich bis nach Europa. Zuerst brannte eine gigantische Feuerwelle die ganzen Städte nieder. Ein Wissenschaftler hatte dies vorhergesehen und deswegen wurden schon aus Sicherheitsgründen Raumschiffe gebaut. Wir hatten schon damals versucht den Mars zu besiedeln, aber pflanzten nur einige Bäume und Blumen ein. Tatsächlich entstand nach Jahren Wasser. Zuerst blieb es unerklärlich. Aber als dann die Erde zu sterben drohte, konnten viele ins Weltall fliehen. Wir entkamen sogar einem schwarzem Loch, der unser Sonnensystem verschluckte. Einige Wochen verbrachten wir dort und als mein Vater an einer Krankheit starb, die im Schiff umher ging. Ich war dann allein. Nach einigen Wochen legte sich diese Seuche und es kehrte Ruhe wieder ein. Da traf ich den Professor. Wir schlossen gemeinsam einen Pakt. Er würde sich immer um mich kümmern, mir ein Zuhause geben, ein Leben und das nötige Geld, wenn ich dafür einwillige. Also wurde ich einer von euch und so ist es auch geblieben.“

Ich war völlig fasziniert von ihrer Lebensgeschichte und das der Professor so ein sorglicher Mensch war. Wenn sie ihn nicht getroffen hätte, wäre sie vermutlich an der Seuche gestorben. Mir fiel dennoch auf, dass jeder von ihnen riesige Probleme im Leben hatte. Alex mit dem Autounfall, Nova mit ihren Eltern und dem Schiff und ich mit meinen ganzen Beziehungen, falls man das als tragisch bezeichnen würde. Ich war ein normales Kind, hatte noch meine Eltern, meine beste Freundin, sowie einen Job und die Wohnung. Mir fehlte nichts. So Schmerzen wie Nova und Alex hatte ich noch nie empfunden. Vielleicht war es doch nur Zufall dass sie uns auswählten.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als es an der Tür klopfte. Ein alter Mann mit grauen Haaren und einer randlosen Brille betrat das Zimmer. Zuerst blickte er uns ernst an, doch dann wurde seine Mimik freundlicher.

„Nun, wenn ich mich vorstellen darf, mein Name ist Professor Elius. Ich arbeite schon seit fast fünfhundert Jahren hier, eine furchtbar lange Zeit.“, stellte er sich vor und gab ein Hüsteln von sich.

„Mein Name ist Alex, das Mädchen neben mir ist Nova und die andere ist Lou.“

„Ah, Lou. Ich habe schon einiges von dir gehört.“

Meine Augen weiteten sich. Was soll das heißen? „JC erzählte eine Menge von dir, wie stolz sie über deine Taten ist. Du warst auch die erste die erwachte oder?“

Ich nickte still.

„Nun, eigentlich wollte ich mich vorstellen, wenn alle da sind, aber anscheinend schlafen sie noch. Aber über euer Dasein, seid ihr euch doch bewusst oder?“

Wir schüttelten alle den Kopf.

„Nun, es geht darum die Katastrophe zu verhindern, die sich hier schon mal abspielte. Es herrscht hier ein Milliardär, der anscheinend versuchte unsere Projekte und die gesamten Wissenschaftler auszulöschen, um eine alleinige Macht da zu stellen. Wenn es keine Wissenschaftler gibt, gibt es auch keine Leute mehr die sich seinen Plänen in den Weg stellen könnten, den Planeten für sich zu gewinnen. Derjenige der hier das Sagen hat, sind nun mal die Wissenschaftler. Insgesamt sind es vierzehn.“

Ich musste ihn kurz unterbrechen.

„Heißt das also sie sind einer von denen?“, fragte ich gespannt.

Er nickte leicht, als schämte er sich ein wenig dafür.

„Wenn alle tot sind, kann er Maschinen, Bomben und Sonstige Sachen verwenden, um die anderen Bewohner dieses Planeten zu vertreiben. Doch setzt er wirklich gewalttätige Waffen ein, kann es passieren das es keinen fruchtbaren Boden mehr gibt, die Natur nicht mehr und so auch die Tiere auch nicht. Wir hätten zwar gewonnen, aber ein Kampf gegen sie wäre unnötig. Denn ein Friedensvertrag besteht. Sie gaben uns aus Höflichkeit und Mitleid eine Hälfte ihres Planeten. Das Gleichgewicht war dadurch hergestellt, dennoch reicht Benett die Hälfte nicht und er würde einen vierten Weltkrieg auslösen.“

Ich unterbrach ihn wieder vorlaut.

„Der Vierte? Also gab es schon den dritten Weltkrieg?“

„Ja leider. Ein einziger Fehler löste eine riesige Katastrophe aus.“

Es kam zu einer Kettenreaktion, sodass die Erde nicht mehr existierte. Dann räusperte er sich und setzte wieder ein Lächeln auf.

„Deswegen seit ihr hier um uns alle zu retten. Ihr seid eine Geheimwaffe, das nichts und niemanden aufhalten kann. Ihr werdet zu Benett durchdringen und ihn töten müssen, aber der Weg wird Hindernisse haben und die könnt ihr nur zu sechst lösen.“

Nach einer langen Pause lächelte er noch kurz und verschwand dann aus der Tür. JC trat ein und winkte uns in unsere Zimmer.

Mir war furchtbar langweilig, ständig zu warten und sich die ganzen Befehle anzuhören. Man könnte uns doch zur Abwechslung mal etwas neues Geben. Wie zum Beispiel anderes Training, Einzelmissionen oder einfach eine Beschäftigung.

Bis zum Abend verbrachte ich in meinem Zimmer und dann kam mir eine Idee. Ich stürzte aus der Tür und lief in den VHK Raum. Ich fand nur PG.

„Lou, du solltest eigentlich in deinem Zimmer sein.“, meckerte sie.

„Tut mir leid, aber ich muss zu JC.“

Sie zog verwundert die Augenbrauen hoch.

„Ist etwas passiert?“, hob sich ihre Stimme.

„Nein, alles in Ordnung.“

„Hmpf. Warte hier kurz.“

Sie ging wieder aus der Tür und kam mit JC einige Minuten später wieder herein.

„Was ist denn los, Lou?“, fragte sie.

„Das hier ist doch eine Stadt, oder? Vielleicht könnten wir, natürlich mit der Einverständnis des Professors, shoppen gehen?“

JC’ Mimik wirkte vorerst überrascht, aber dann bekam sie einen Lachkrampf.

„Lou, du kannst doch nicht einfach shoppen gehen. Außerdem hast du doch Kleidung genug und woher willst du das Geld her bekommen?“

Ich schnaubte wütend.

„Naja du hast ja immer eine Beschäftigung und ich langweile mich den ganzen Tag in meinem Zimmer.“

„Ok. Ich verstehe das, aber das ist nicht mehr wie du es kennst, dieses Shoppen. Die Boutiquen sind etwas anders.“

Ich war immer noch beleidigt, das sie tatsächlich ablehnte.

PG hielt sich aus dem Gespräch bis jetzt raus, aber dann entgegnete sie JC‘ Meinung.

„Also, du willst doch das sie ihr neues Leben richtig kennen lernt, oder? Ich finde den Vorschlag gar nicht mal so schlecht. Außerdem musst du ihr auch noch Autofahren beibringen und wie man von einem Stock zum anderen kommt. Wenn du sie immer hier eingesperrt lässt, dann lernt sie es ja nie kennen.“

JC senkte überlegend den Kopf.

„Wo du Recht hast, hast du Recht.“

„Also gut, es ist zwar schon spät, aber die Stadt leuchtet fast genauso hell wie auch am Tag. Also komm.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 4 – Falle

 

Wir nahmen uns noch eine Genehmigung beim Professor und flitzten hinunter in den neunhundertachtzehn Stock. Es stand eine riesige Menge an Autos da, alle waren ohne Räder. Die meisten waren klein, ohne Dach und die Sitze waren wie Wasserbetten. Das Lenkrad rund und aus Plastik. Neben dem Rad waren hunderte von Knöpfen. Dennoch wären die Autos aus Metall, da sie vom Magneten abgestoßen werden müssten. Wir liefen zu einem schwarzen kleinen Wagen für zwei Personen. JC bemühte sich nicht Mals die Türe zu öffnen, sondern sprang gleich ins offene Auto. Als ich den Hebel zu mir ziehen wollte, um die Tür zu öffnen, fuhr sie schon gleich zur Seite ein. Sobald ich auf dem Sitz saß, ging sie wieder zu und JC startete den Motor. Eine Glaskugel umhüllte uns. Es gab also doch ein Dach. Vor unseren Augen erschien ein Hologramm und es sah wie eine 3D Karte aus.

„Wo hin darf die Reisen gehen?“

„GP6, GP9!“

„Vielen Dank! Wir wünschen ihnen eine gute Fahrt.“

Der Motor wurde heftiger, wie bei einem Flugzeug das anflog. Dann lehnte JC ihren Sitz zurück und machte es sich gemütlich. Das Auto parkte von selber aus.

„Ich würde mich an deiner Stelle anschnallen.“, grinste sie und machte ihren Gurt fest. Das tat ich auch und drückte meinen Kopf gegen die Lehne. Als vor uns alles frei war, wurde der Motor noch heftiger und dann zog er so schnell los, dass ich draußen keine richtigen Bilder mehr zu erkennen konnte. Alles war zu verzogen. Flogen wir mit Überschallgeschwindigkeit? Ich sah nur noch alles grell und JC drückte mir eine Brille in die Hand, die richtig schwarze Gläser hatte. Tatsächlich brannte es in den Augen und als ich sie aufsetzte, konnte ich wieder meine Augen öffnen. Dennoch waren wir schon nach einigen Sekunden da. Wieder landeten wir in einer fünffach großen Tiefgarage. Das Auto suchte automatisch nach einem freien Parkplatz und als es Zeit zum Aussteigen war, verabschiedete sich die Computerstimme höflich.

Noch stand ich ein wenig unter Schock, weil diese Geschwindigkeit ziemlich übel war.

„Fährst du immer so mit Überschallgeschwindigkeit?“, fragte ich nachdem wir ausgestiegen waren.

„Klar. Ist wenigstens besser als ständig draußen im Stau zu stehen.“

„Ach, nicht jeder fährt mit dieser Geschwindigkeit?“

„Ne. Du darfst auch nur dreimal in der Woche mit USG fahren. Sonst bekommst du ziemlich Probleme mit deiner Wirbelsäule. Billy hat’s immer übertrieben und sitzt jetzt gelähmt im Rollstuhl.“

„Warte mal. Ihr könnt die sonderbarsten Krankheiten heilen, aber keine Querschnittsgelähmten?“

Sie seufzte.

„Also, du musst das so sehen. Wenn du Krank bist, gibt es immer gegen diesen Virus eine Heilung. Du musst sie nur finden und das haben wir ermöglicht. Es ist einfacher eine Medizin zu finden, als Nervenzellen wiederherzustellen. Also wir konnten durch künstliche Nervenzellen auch einige wieder heilen, aber bei manchen hang es nicht nur an der Wirbelsäule, sondern auch am Gehirn, das wir selbst noch nicht so richtig erforschen konnten.“

„Aber dir wird so etwas nicht passieren können. Deine Knochen sind fast aus Gummi, sowie deine Nerven und anderen wichtigen Körperteile.“

Als wir die Garage verließen traute ich meinen Augen kaum. Vor mir lag eine leuchtende riesige Stadt. Wenn ich diese Gebäude mit dem Burdsch Chalifa vergleiche, dem höchsten Turm der Welt, dann war der nur ein normales Hochhaus. Diese Gebäude, die ich vor Augen hatte waren mehr als dreitausend Meter. Wenn ich hinunter blickte, sah ich nach einigen Metern die Wolken. Es war einfach unglaublich, noch aufregender als im Flugzeug zu sitzen und aus den kleinen Fenstern zu schauen. Zwar war vor mir auch eine Glasscheibe, aber dennoch war sie viel breiter. Mein Bauch kribbelte ganz furchtbar, wenn ich hinunter schaute. Die Fenster waren alle aus Glas und so bruchfest gebaut. Wenn ich nach oben blickte, sah ich den klaren Sternenhimmel. Noch nie in meinem Leben war er so schön. Selbst von einem anderen Planten sah er wunderschön aus. In meinen Augen funkelte das Licht wider. An einigen Stellen waren sogar tausende von Sternen auf einer Stelle, das sah dann wie Glitzer aus. Außerdem erblickte ich vier Monde, alle gleich groß.

JC bemerkte meine Zerstreuung.

„Als ich den auch das erste Mal erblickte, war ich genauso fasziniert wie du. Er ist anders, als wenn du ihn von der Erde erblickt hättest. Dort waren die Sterne einzeln und man erkannte immer den großen Wagen. Das erzählte mir der Professor, weil ich die Erde nicht kannte. Dennoch wenn hier immer ein klarer Himmel abends war, meinte meine Mutter dass irgendwo in diesem kleinen Sternhaufen, ein genauso kleines Mädchen am Fenster sitzt und die Sterne bestaunt wie ich. Ich glaubte das nie, aber vielleicht stimmte es ja.“

„Wo ist deine Mutter?“, löste ich mich vom Fenster und drehte mich zu ihr um.

„Wahrscheinlich tot.“

Ich senkte den Kopf mitfühlend.

„Das wusste ich nicht.“, entschuldigte ich mich.

„Kein Problem. Damals war ich ja noch klein als sie verschwand.“

„Das heißt, du weißt es nicht einmal?“

Sie zog die Augenbrauen zusammen und schüttelte resigniert den Kopf.

„Ich bin darüber hinweg gekommen und außerdem weiß ich das sie immer bei mir sein wird.“, lächelte sie entschlossen zum Schluss. „Komm, ich würde auch gerne weiter aus dem Fenster schauen, aber die Geschäfte haben nicht sechsundzwanzig Stunden geöffnet.“

„Sechsundzwanzig?“

„Ach ja, hier geht die Zeit langsamer und deswegen muss ich auch sechseinhalb Stunden arbeiten.“

„Nur? Soweit ich mich erinnerte musste man früher acht Stunden arbeiten und ich rede aus Erfahrung.“

„Naja, dann teil mal sechsundzwanzig durch vier. In einer Fabrik müssen ganze sechsundzwanzig Stunden gearbeitet werden, damit die Maschinen nicht ausgeschaltet werden. Naja das meiste machen auch die Maschinen selbst.“

Wir liefen die langen Gänge entlang und als ich in die erste Boutique kam, konnte ich es nicht fassen. Es war nur ein kleiner Raum mit einer Bediensteten an der Kasse. Rechts und links waren noch einige Umkleiden, aber ich sah keine Kleidung. Nur An den Wänden waren sie auf Zeichnungen und daneben standen Nummern.

„Ähm, JC…“, murmelte ich und sie kam ein wenig näher.

„Stimmt was nicht?“

„Nein, aber wieso sehe ich hier nur Bilder von Kleidern und keine echte Kleidung?“

„Oh, naja ich sagte ja bereits das es dort etwas anders sein wird, wie du es noch von früher kennst. Wenn dir ein Outfit gefällt, merk dir die Nummer die neben dran steht und sag der Frau da vorne Bescheid.“

„Gibt es ein Problem, meine Damen?“, fragte die Bedienstete und setzte ein zu extremes Lächeln auf.

„Oh nein, nein!“, stammelte JC auffällig und versuchte mit einem misslungenem Lachen die Frau zu begünstigen.

„Na dann.“, sagte sie und veränderte ihre übertriebene Mimik kein bisschen.

„Bei denen musst du vorsichtig sein, die meisten sind Verbündete von Benett. Also sei bloß vorsichtig, tu so als wärst du hier hinein geboren.“, flüsterte sie mir noch schnell ins Ohr.

„Ich hab Sie hier noch nie gesehen, kleine Lady. Seit ihr neu?“, fragte die absonderliche Frau wieder.

„I-Ich, also…“, stotterte ich los vor Nervosität. Wenn ich der Frau ins Gesicht schaute, merkte ich ihre auffällige Maske. Sie verheimlicht etwas und das machte mir eine Höllenangst.

„Nein, sie ist, meine kleine Schwester.“

Dann wurde alles mehr als nur beunruhigend. Aus der fröhlichen Mimik wurde eine finstere und ernste Frau. Sie starrte JC in die Augen als wolle sie sie hypnotisieren.

„Du warst schon immer eine furchtbar schlechte Lügnerin Juli Cayn!“

JC‘ Augen wurden kleiner und sie ging einige Schritte zurück.

„Und ich hatte gedacht du würdest schon längst unter der Erde weilen, Olivia Star.“, baute sich JC genauso vor ihr auf.

„Der Tod war nur ein Gerücht und offensichtlich hast du tatsächlich daran geglaubt. Naja, du warst schon immer leichtgläubig.“, grinste sie heimtückisch.

„Lou, geh bitte hier raus!“, rief JC zu mir, aber ließ Olivia nicht aus den Augen.

„Zu spät!“, schrie sie lachend und vor mir ging eine Sicherheitsscheibe zu. Ich boxte kräftig dagegen, aber die vorbeigehenden Leute konnten mich weder sehen noch hören. Schnell drehte ich mich wieder zu JC um.

„Was willst du von uns?“, schrie JC zu ihr.

„Von dir will ich gar nichts, aber die Kleine hätte ich gerne.“, lachte sie. Erst jetzt zog sie ihre Maske ab und die affektierte Kleidung. Ihre Haare waren dunkelrot und lockig, die hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden. Ihre Augenumrisse waren mit einem schwarzen Schminkstift nachgezogen.

„Woher wusstest du, dass sie eine von Ihnen ist?“, fragte JC und zog aus ihrem Rücken eine Maschinenpistole. Olivia hatte die Gleiche und beide schossen auf einander los. Die Dekorationen, wie die drei Vasen auf der Theke und vor allem die Glasscheiben rechts und links davon wurden durch die Schüsse getroffen und zerbrochen. JC sprang zur Seite und versteckte sich hinter einem Werbeplakat. Olivia duckte sich unter der Theke. Ich stand dort immer noch wie angewurzelt und wusste nicht was ich machen sollte.

„Lauf weg Lou! Versuche nach draußen zu kommen Nova und Alex sind unterwegs.“

„Ich glaube dafür ist es zu spät, Juli!“, lachte sie wieder und dann ging hinter mir die Tür auf. Ich tat was JC verlangte und rannte hinaus, doch bevor ich ihr „Nein“ hören konnte, lief ich in die Arme von zwei schwarzen Männern. Sie hatten dunkle Masken, enge Hosen und Sonnenbrillen auf. In ihren Händen befanden sich Maschinenpistolen. Ein flachgedrückter Hubschrauber, ohne Propeller flog vor der zerbrochenen Scheibe her. Sie wollten nach mir greifen, dennoch duckte ich mich und glitt unter ihren Händen weg. Schnell lief ich den langen Gang entlang und von der anderen Seite kamen die gleichen Kerle. Mein Herz raste. Es gab keinen Ausweg mehr. Was sollte ich tun? Meine Hände zitterten und ich musste unbedingt einen kühlen Kopf bewahren. Es gab nur einen einzigen Ausweg und ich war mir fast sicher, dass er funktionieren würde. Ich drehte mich in die Richtung des zerbrochenen Fensters, ein wenig weiter flog das Flugfahrzeug. Es ging dreitausend Meter nach unten. Ich atmete tief ein und noch im Lauf, schaute ich zu meiner rechten und sah Alex und Nova angelaufen kommen. Zu spät, mein halber Körper war schon aus dem Fenster. Ich spürte die eiskalte Luft in meinem Gesicht. Noch kurz blickte ich in die entgeisterten Gesichter der schwarzen Männer, die verblüfft ihre Brillen entnahmen. Würde ich diesen Sprung wirklich überleben?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 5 – Kyle

 

Es war eisig. Ich konnte kurz nichts sehen, als ich durch die Wolken flog, aber dann erblickte ich den rasenden Verkehr. Mein Herz pumpte heftiger. Ich musste schneller machen, damit der Magnet mich abstoßen konnte. Ich rieb also wie verrückt in die Hände und ich erschuf ein sehr starkes Magnetfeld. Es umgab mich schnell und stoppte kurz bevor ich auf ein grünes Auto prallte, das an der Ampel wartete. Ein Mann mit Kopftuch, einer dunklen Sonnenbrille, zerrissenen Klamotten und einem auffälligem stoppeligen Bart starrte mich kauend an. Die Glasscheibe öffnete sich.

„Hey Kleine, was machsten da draußen?“, fragte er und sein Knatschen konnte ich selbst durch den vielen Lärm hören.

„Könnte ich vielleicht zu dir herein kommen? Es ist nicht gerade sehr warm hier draußen.“, rief ich zuteilst erleichtert, dass ich es schaffte und auch teilweise verärgert, das er sich nicht wunderte, wieso ein Kind vor seiner Nase herum schwebte.

„Klar, komm nur rein!“, knatschte er immer noch weiter.

Das Dach öffnete sich und ich setzte mich hinein. Gerade rechtzeitig sprang die Ampel auf Grün um. Das Dach schloss sich wieder.

„Was hat ein kleines Kind wie du, da draußen zu suchen?“, fragte er ungläubig.

Ich hechelte noch vor Aufregung und Anstrengung das Magnetfeld gehalten zu haben. Trotzdem musste ich ihm wenigstens Antworten auch wenn es eine Lüge sein musste.

„Ich bin hinunter gefallen.“, keuchte ich.

„Hast du mit der Axt auf das Bruchsichere Fenster eingeschlagen oder war es doch Selbstmord?“, fragte er und schüttelte unverständlich den Kopf.

„Nun, eigentlich sollte ich das dir nicht erzählen, denn du bist mir fremd.“

„Ich bin Kyle. So jetzt kennst du mich, also bin ich dir nicht mehr fremd.“

„Ich kann dir aber nicht vertrauen.“, trotzte ich.

„Hör mal Mädchen, du sitzt in einem fremden Auto mit einem Kerl von dem du erst seit einigen Sekunden den Namen weißt. Du bist vom Himmel gefallen und schwebst dann vor meiner Nase rum. Also erzähl mir bitte nichts von Vertrauen. Du hast so oder so keine Wahl.“

Ich schluckte. Er hatte Recht. Aber es war wirklich absolute Notwehr. Er könnte alles mit mir anstellen, weil er mich im Moment in seiner Gewalt hatte. Trotzdem fühlte ich mich von ihm nicht bedroht und die Angst spürte ich auch nicht. Vielleicht konnte ich ihm wirklich vertrauen, auch wenn er fremd war.

„Na gut, also ich bin geflohen.“, sprach ich leise, sodass er es vielleicht nicht hörte.

„Ich sollte jetzt lieber nicht fragen von wem. Eigentlich ist es mir auch egal. Also Kleine, wo wohnst du?“

„Sie bringen mich nach Hause?“, fragte ich verwundert und zugleich erfreut, da ich dachte er ließe mich irgendwo wahrscheinlich raus.

„Ja sicher. Was hast du denn gedacht? Ein kleines Mädchen wie du käme hier überhaupt nicht zurecht. Bestimmt sorgen sich deine Eltern auch schon.“, wurde seine noch so raue Stimme freundlicher, als wollte er mich aufmuntern.

„Meine Eltern sind tot.“, murmelte ich.

„Oh, das tut mir leid, meine Tochter ist auch letztes Jahr gestorben, sowie meine Frau.“

„Was ist denn passiert?“, fragte ich verwundert.

„Sie starben an UHK.“

„Was ist das?“

„Hat dir keiner denn erklärt was die tödlichste Krankheit auf Erden ist?“, fragte er verdutzt.

Ich schüttelte wissenslos den Kopf.

„Sie ist unheilbar.“

„Oh, das tut mir leid.“

Ich hätte nie gedacht, dass es selbst nach so vielen Jahren noch unheilbare Krankheiten gibt. Ich dachte wirklich, dass die Medizin schon so weit wäre alles heilen zu können, ob ich sie hätte heilen können? Vielleicht bin ich auch nur eine Apotheke und heile das was man auch heilen kann. Erst jetzt wird mir so langsam klar, dass ich ein Werkzeug geworden bin, etwas das man immer benutzen kann und nur eine einzige Funktion hat. Das ist wirklich deprimierend.

„Also, wo wohnst du?“, fragte er wieder.

Ich überlegte. Braucht er eine Adresse? Woher soll ich denn Wissen, wo das Zentrum des Professors ist? Was soll ich nun sagen?

Kyle seufzte schwer.

„Lass mich raten du weißt nicht einmal wo du wohnst, oder?“

Ich nickte enttäuscht.

„Na gut, dann muss ich dich leider zu der Ordnungsbehörde bringen.“

„Nein!“, schrie ich.

Wenn ich zur Polizei gebracht werde, warteten bestimmt dort die nächsten Gauner auf mich. Ich müsste wieder davon rennen und dann kann ich bestimmt nicht wieder aus dem Fenster springen.

„Hey Kleine, du bist doch nicht vor den Bullen weggerannt, oder?“

„Nein, schlimmer.“

„Du meinst vor Killern? Oh je, wer will denn schon ein Kind töten?“

„Ich bin achtzehn und mich verfolgen keine Killer, sondern Kidnapper.“

Es war wieder für einen Moment still und ich schaute einfach aus dem Fenster. Ob sie sich Alex und Nova geschnappt haben und was ist wenn Olivia JC getötet hatte. Ich schüttelte heftig den Kopf. An so was zu denken brachte Unglück. Nein, ihnen ging es gut, das spürte ich.

„Aber was machen wir jetzt?“, fragte er verzweifelt.

„Ich weiß es nicht, aber ich muss erstmals von zu Hause wegbleiben. Dort werden sie bestimmt wieder einbrechen und uns suchen.“

„Du bist mir echt ein Rätsel, Kind.“, lächelte er kurz und schüttelte ratlos den Kopf.

„Ich bin kein Kind mehr und mein Name ist Lou.“

„Ah, ok.“

„Meine Mutter gab ihn mir, es erinnerte sie immer wieder an eine Blume, sagte sie. Aber welche, das hatte sie mir nie erzählt.“

„Blumen sind wirklich eine Seltenheit.“

„Ja, leider.“, seufzte ich leise und legte meinen Kopf ans Fenster.

„Ich sehe keine andere Möglichkeit, als das du bei einem Fremden übernachtest, es ist auch schon spät.“

Ich gab keinen Ton von mir, es war mir auch recht. Schließlich sprang ich aus dem Fenster und stürzte in die Tiefe. Nach einigen Minuten kamen wir in seiner Wohnung an. Sie war im eintausendsten Stockwerk. Wir parkten wie immer in einer weiteren Tiefgarage und fuhren mit einem Geschwindigkeitsaufzug noch hundert Stockwerke hoch. Im Stock 1100 blieben wir dann stehen und landeten wieder in dem gleichen Flur wie bei der Boutique. Ein Schauer lief mir über den Rücken und ich schaute mich wachsam um. Es war keine Menschenseele zu sehen.

Die Tür ging auf und ich sauste hinein, dass mich ja niemand sah. Doch sobald ich schon drinnen war stand ein übergroßer schwarzer Hund vor mir. Sein Kopf ging mir bis zur Brust und dabei war ich gerade knappe eins einundsechzig. Sein Hundeblick war wütend und ich hatte Angst dass er mich gleich angreifen würde.

„Dieser Hund hat doch Marineren, oder?“, fragte ich entblößt.

„Sicher, er mag nur keine Fremde.“

„Ach, wie schön.“, stotterte ich und stellte mich ängstlich hinter Kyle.

„Du kannst in Kellys Zimmer schlafen.“

„Wer ist Kelly?“

„Meine Tochter.“, sagte er traurig.

Er öffnete die Zimmertür und zuerst sah ich nur ein normales Bett, so wie ich es von zu Hause kannte und dann einen Schrank voller Bücher, ein Plakat das am Zimmer hang und einen Laptop auf dem Schreibtisch. Es war ein gewöhnliches Mädchenzimmer aus meiner Zeit.

„Wow, das Zimmer ist absolut beeindruckend. Nie hätte ich gehofft, so etwas wiederzusehen.“, sagte ich.

„Du hast wohl ein anderes Zimmer, oder? Also muss jemand reiches sich um dich kümmern.“

„Nein, das heißt ja.“

Es blieb zwar der Augenkontakt, aber zwischen uns fiel kein einziger Ton.

Bis Kyle die Stille brach.

„Du erinnerst mich ein wenig an meine Tochter. Sie war genauso verrückt wie gerissen und kam immer auf die tollsten Ideen.“

In seinen Augen stauten sich Tränen, ihn muss es immer noch schwer zu schaffen machen.

„Eigentlich wollte ich dieses Zimmer in seinem jetzigen Zustand lassen, aber jeder muss mal loslassen.“

„Ich kann auch auf der Couch schlafen.“, entgegnete ich ihm.

„Nein, schon in Ordnung. Bleib du ruhig hier.“

„Gute Nacht, Kyle.“, rief ich noch bevor er die Tür schloss.

Die Matratze war sehr weich und ich kuschelte mich müde hinein. Was wohl morgen ist?

Ich wachte auf und es roch schon nach feinem Essen. Im Zentrum bekomme ich immer kaum was zu essen, nicht mal morgens bringt mir jemand Frühstück. Stattdessen muss ich mich dort ewige Stunden vor Langeweile quälen.

Es war zwar ungemütlich in meinen Klamotten aufzuwachen, in denen ich gestern noch durch die Kälte sprang, aber besser als irgendwo auf einem kalten Boden zu übernachten.

Als ich die Tür öffnete, saß Kyle am Tisch, mit denselben Klamotten wie gestern. Kann er denn auch mal was anderes anziehen? Jedenfalls erblickte ich zum ersten Mal sein ganzes Gesicht. Seine Augen waren blau und seine Haare kurz rasiert. Er war zwischen fünfunddreißig und vierzig Jahren ungefähr.

„Morgen!“, grüßte ich ihn.

„Morgen.“, sprach er noch mit vollem Mund.

Als er sein Essen herunter geschluckt hatte, meinte er: „Schon lange her, das mir jemand guten Morgen gesagt hatte.“

„Was ist mit deinen Nachbarn, wenn du sie siehst? Grüßen sie dich nicht?“, fragte ich entgeistert, weil das früher bei uns alltäglich war und auch im Zentrum grüßte jeder freundlich.

„Ich kenne meine Nachbarn nicht einmal und außerdem wird das Wort fast gar nicht mehr verwendet. Ungewöhnlich das du so etwas fragst.“

„Nun, ich bin halt ungewöhnlich.“, stotterte ich halbwegs und zeigte ein kleines Lächeln zum Schluss.

Er stand auf und lief zur Küche, die gleich hinter ihm war. Dort nahm er einen Teller und stellte ihn mir vor die Nase.

„Wenn du mehr willst, dann sag es ruhig.“

Es war orangener Salat mit ingwerförmigen Tomaten und ein schwarzes Brot. Was ich natürlich alles vermutete.

„Hast du noch nie so etwas gegessen?“, fragte er.

„Nein, das heißt ich esse immer andere Sachen.“

„Nun, das Orangene schmeckt wie Salat, das rote wie Tomate und das Brot ist nicht abgebrannt, sondern sollte eigentlich Brot sein, aber das wir früher Roggen nannten, ist hier eben dunkler als damals auf der Erde.“

„Du kennst dich aber gut aus.“

„Kleine, ich arbeite in einer Fabrik wo die Sachen herkommen und deswegen weiß ich auch so gut Bescheid.“

Nachdem Frühstück versuchte Kyle in der Küche Professor Elios zu erreichen. Er rief dauernd an, wurde aber immer wieder versetzt. In der Zeit saß ich auf dem Wassersofa und hoffte dass jemand mich abholte. Obwohl ich nicht unbedingt zurück wollte, weil es mir hier wirklich gut gefiel. Kyle war nett und erinnerte mich manchmal an meinen Vater, der genauso wenig verstand wie er und dennoch nie nachfragte. Deswegen konnte ich ihm auch alles erzählen und er verstand mich auch gut. Ich vermisste ihn.

Als ich so Trübsal blies, ging der eineinhalb Meter großer Hund auf mich zu. Ich starrte ängstlich in seine Augen.

„Liebes Hündchen.“, grinste ich.

Doch dann riss er sein Maul auf und ich schloss meine Augen. Bitte nicht Beißen! Doch stattdessen wurde ich im Gesicht vollgeschlabbert.

„Super…braves Hündchen, hast wirklich toll gemacht.“

Alles war nass und es stank fürchterlich.

Ich stand auf und lief ins Bad um mir mein Gesicht zu waschen. Dann wiederrum klingelte es an der Tür. Ich lief ins Wohnzimmer zu Kyle und der drückte einen Knopf. Ein Hologramm entstand man sah wer vor der Tür stand. Ein übernervöser und fast ängstlicher kleiner Mann stand dort und schaute wartend in die Kamera.

„Ah, das ist Steve.“, meinte Kyle und wollte wieder das Hologramm ausschalten.

„Halt, warte, wieso ist er so nervös?“, fragte ich beunruhigt.

„Keine Ahnung, aber alles okay, er ist ein Freund von mir.“

Das Hologramm verschwand und Kyle ging zur Tür. Mir war das alles nicht so geheuer. Also versteckte ich mich im Bad und dann hörte ich nur noch wie mehrere Fußstapfen in die Wohnung kamen.

„Wo ist die Kleine?“, schrie eine bekannte Frauenstimme.

Olivia.

„Welche Kleine? Ich wohne allein hier Miss und verlassen sie auf der Stelle meine Wohnung.“, rief Kyle energisch.

Ich hatte wieder Angst. Mein Herz pochte und pumpte heftig. In meinen Adern gefror das Blut, ich schwitzte und dennoch war mir kalt. Mir musste unbedingt wieder eine neue Idee einfallen. Hinter mir war wieder ein Fenster. Sollte ich tatsächlich einen weiteren Sprung wagen? Würde ich es wieder überleben? Als ich mich dennoch zu einem großen Schrank wandte und der Hund neben mir stand, kam mir eine Idee. Ich riss von meiner Baumwollbluse einen Fetzen ab und steckte ihm dem Hund ins Maul.

„Durchsucht die Wohnung.“

Ein Mann kam ins Bad gestürmt und blickte auf das offene Fenster und den Hund mit dem Fetzen im Mund. Mit traurigem Hundeblick saß er am Fenster.

„Star! Hierher!“, schrie er und Olivia kam zum Bad gerannt.

„Nein! Nicht schon wieder! Los raus hier und durchsucht die Ostseite des Gebäudes. Schnell!“, schrie sie und schlug wütend die Tür zu. Alle verschwanden und die Tür ging dann langsam auf.

„Ach, da bist du ja mein Großer.“, rief Kyle und streichelte dem Hund über den Kopf.

„Die Kleine war richtig nett, meinst du nicht auch? Sie fehlt mir irgendwie. Sie erinnerte mich immer wieder an meine kleine Kelly. Ich hätte ihr sehr gerne noch „Lebe wohl“ gesagt. Hoffentlich überlebt sie wie gestern den Sturz. Komm mein Großer, wir gehen ins Wohnzimmer.“ Er drehte sich mit einem traurigen und depressiven Gesicht um und torkelte ins Wohnzimmer.

Ich kam langsam und leise aus dem großen Schrank und dachte darüber nach das Kyle so viel von mir hielt. Er muss wirklich sehr an seiner Tochter gehangen haben, wenn man auch so lang wie er alleine lebte. Er tat mir leid.

Ich öffnete behutsam die Tür und schaute ins Wohnzimmer. Kyle saß dort immer noch mit depressiver Mimik.

Ich stellte mich ins Wohnzimmer und blickte zu ihm. Der Hund bemerkte mich zuerst und bellte. Kyle sah mich verwundert an.

„Wie hast du…? Verstehe ich nicht.“, stammelte Kyle und brachte ein Lächeln auf.

„Nun ja, ich hatte die ausgetrickst, eigentlich habe ich mich im Schrank versteckt.“

Kyle erstarrte.

„Im Schrank?“, stotterte er.

„Und ich habe alles mit gehört. Ich wusste gar nicht das ich deiner Tochter so ähnlich bin.“, lachte ich.

„Gut, denn ich wüsste auch nicht was ich deinen Freunden sagen sollte, wenn sie hier her kommen.“

„Du meinst du hast den Professor erreicht?“, fragte ich erfreut.

„Sicher.“

Nach einigen Minuten klingelte es erneut an der Tür und Alex stand da. Er blickte mit einem erleichterten Gesicht zu mir. Meine Augen funkelten. Ich umarmte ihn erleichtert und wollte ihn am liebsten nicht los lassen.

„Komm schnell, JC und Nova warten schon auf dich.“, eilte er.

JC lebte? Ich wusste es, von so einer dummen Anfängerin ließ sie sich nichts bieten. Dass Nova und Alex auch noch da waren erfreute mich auch.

„Moment.“

Kyle stand hinter mir und blickte mich mit tränengefüllten Augen an.

„Mach’s gut, Kleine.“, schniefte er.

„Mach’s auch gut, Kyle und danke für alles.“, unterdrückte ich meine Tränen.

Ich drückte ihn ganz feste und lief dann mit Alex los. Ich winkte ihm noch einmal zu und dann stand da schon das Auto. JC wollte mich gar nicht mehr loslassen und gab sich die Schuld daran, dass sie Olivia nicht aufhalten konnte. Nova war auch sehr froh mich zusehen und gesellte sich der Umarmung dazu. Alex fuhr.

„Du kannst Autofahren?“, fragte ich verwundert.

„Tja, Männerkunst.“, lachte er und strich sich übers Haar mit einem angeberischen Blick im Gesicht.

„Alex du bist auch schon zwanzig und dann ist es ja klar, dass du Autofahren kannst.“, nörgelte ich eifersüchtig.

Im Zentrum kamen wir an und ich vermisste jetzt schon das Zimmer von Kelly. Diese einfache Einrichtung, wie früher. Gut, mein Zimmer war auch nicht übel, aber es passte sich mir einfach nicht an.

Der Professor kam auf mich zu und drückte mich feste.

„Ein Glück ist dir nichts passiert. Ich hätte es mir einfach nicht verzeihen können. Es wäre nicht nur eine Katastrophe für mich auch für die anderen fünf. Das Projekt, an dem wir so lange hingen wäre ewig dahin.“

Ja, wieder kam man zu dem Thema Werkzeug. Es schmerzte daran zu denken, benutzt zu werden, aber ich hatte ja auch keine andere Wahl. Ich verschwand später in meinem Zimmer und nach einigen Minuten schlich sich Alex zu mir. Ich saß mal wieder im Bett, wie fast jeden Tag.

„Hey! Alles klar?“, rief er und schloss die Tür.

„Immer.“, seufzte ich.

„Schon ziemlich langweilig, aber sag mal ich bin recht beeindruckt, als du aus dem Fenster gesprungen bist. Zuerst dachte ich du wärst lebensmüde, aber als ich dann deine fest entschlossene Mimik sah, wusste ich dass du das Richtige tust. Die Männer und vor allen Dingen Olivia sind vollkommen ausgeflippt. Sie denken immer noch nur ich und du wären das Projekt.“, lachte Alex am Schluss.

„Wann wird denn der nächste Erwachen und vor allem wer?“, wechselte ich sofort das Thema.

„Das wissen sie nicht, ich hoffe mal endlich ein männliches Wesen.“

Ich lachte.

„Und ich dachte dir gefällt es unter Mädels zu sein.“

Er musste auch lachen.

„Weißt du dieser Mann, der mich bei sich schlafen ließ, erinnerte mich ein wenig an meinen Vater. Er war genauso cool und gelassen wie er.“

„Damals war immer mein Vater derjenige der mir bei meinen Problemen half oder mir das Leben erklärte. Durch ihn wurde ich eine junge erwachsene Frau. Kyle, dieser Mann, nannte mich immer Kleine, wie mein Vater es auch immer tat.“

Mir liefen Tränen hinunter, weil mir schöne Erinnerungen mit ihm in den Sinn kamen. Alex setzte sich aufs Bett und schlug seine Arme um mich. Mein Kopf lag unter seinem Kinn.

Als ich ruhiger wurde, genoss ich noch den einen Augenblick. Ich mochte Alex, er war anders, ganz anders.

„Ist dir mal aufgefallen, dass wir uns immer bei einem Gespräch gegenseitig trösten?“, schluchzte ich und lachte zugleich.

„Machen das Freunde nicht so?“, fragte er lächelnd und umarmte mich fester.

„Ja, stimmt.“

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 6 – Einmarschiert

 

„Karl, bring mir Terra her! Denn ich habe endlich meine Entscheidung getroffen.”

„Sir?“

„Los!“

Ein kleiner zierlicher Junge lief schnell über sauberen glatten Fliesen, worauf man seine harten Lederschuhe hören konnte. Es war die höchste Ebene des Turmes. Er ging höher als alle anderen, knappe fünftausend Meter hoch. Er war geformt wie der Eifelturm. Die Unterste Etage ist hundert Hektar groß. Die Maße werden jedoch immer kleiner und es trägt sich bis oben zur Spitze des riesigen Hauses.

Ein langer schwarzer Teppich mit goldenen Rändern glitt den Boden entlang vom hohen Thron bis hin zu einem Fahrstuhl. Es sah aus wie ein alter Palast, die Decke mit wunderschönen Engeln, Wolken und einer goldenen Sonne bemalt war. Jedoch ist genau über ihm ein halbkugeliges Fenster, wodurch die Sterne schienen. Rechts und links vom Teppich standen mehrere Säulen in einer geraden Reihe. Sie waren aus gemeißeltem Keramik, der zu den beigen Wänden und Fliesen passte. Unter dem Fenster saß dann er. Sein Gesicht blass, kaltherzig und dennoch sah man in seinen Augen eine gewisse Angst. Sie waren dunkelbraun, schon fast so schwarz wie seine Haare.

Die Haare waren lang und zurückgekämmt, die ihm nun im Nacken lagen. Er stützte sich mit seinem Arm an der Lehne ab und grübelte nach. Es sei sein Sieg, sein Erfolg, er wollte Herrscher werden über diesen Planeten. Seine Besessenheit war unbegrenzt. Wie ein dichter Schleier schwirrte es vor seinen Augen.

Der Fahrstuhl sprang auf.

Eine Frau, Mitte zwanzig, trat heraus und schaute ihn mit einem leicht dürsteten Blick an. Ihr bitteres und herzloses Lächeln verbarg allen Anschein. An ihrer linken Wange war eine sehr deutliche lange Narbe zu sehen.

Sie ging den langen Teppich entlang bis er aus seinen Gedanken gerissen wurde.

„Du hast mich rufen lassen?“, fragte sie und durchfuhr ihr langes glattes silbernes Haar. Ein schwarzes Haarband hielt ihre Haare vor dem Gesicht fern.

Er schaute in derselben Stellung auf und tat sich keine Mühe aufrecht vor ihr zu bleiben.

„Terra, meine Schöne, meine Entscheidung ist gefallen.“

Sie schaute entgeistert auf ihn und kam noch einige Schritte auf ihm zu, wo Terra sein Gesicht hätte berühren können und schaute ihn gespannt an.

„Wie ist eure Entscheidung gefallen, Meister Benett?“

Er schob feinfühlig ihr Kinn hoch, sodass sie in seine Augen schauen musste. Aber Benett blickte auf die Narbe, die in ihrem bezaubernden Gesicht war.

„Ich schwöre dir, das wird deine Schwester bezahlen müssen. Ich werde sie finden und dann foltern lassen. Sie muss genauso leiden müssen wie du es getan hast. Dieses Delikt muss gerächt werden.“, erzürnte er vor Wut.

„Mein Herr, ich weiß wie euch das kränkt, aber bitte, meine Schwester wird ihre gerechte Strafe bekommen, darum werde ich mich persönlich kümmern.“, sagte sie energisch und zog einen Mundwinkel nach oben.

„Deswegen liebe ich dich so Terra, deine Entschlossenheit ist mir sehr wichtig. Deswegen bist du auch meine rechte Hand und wirst die beste Anführerin meines bevorstehenden Krieges.“

„Sir?“, meinte sie erschrocken und mit angsterfüllten Gesicht hoch.

Er streichelte über ihr Haar.

Dann pfiff Benett durch den Saal und Karl kam wieder zum Vorschein.

„Das Schwert bitte.“, rief er.

Schnell rannte er mit einer Art Wasserblase, worin sich ein langes Schwert, befand zu Benett.

„Dies ist etwas woran meine Männer seit Jahren arbeiten. Es ist eine Waffe die sich zu einen Maschinengewehr umwandelt. Ein bestimmter Knopf löst ein Energiefeld um dich, das dich vor Fernschüssen schützt, dennoch nicht vor Nahkampfwaffen.“

Er gab Terra die Wasserblase in die Hand. Dann verneigte sie sich dankend vor ihm und nahm das Schwert aus der Blase.

„Alles ist komplett maschinell und sehr leicht. Durch Gegon, ein stabiles Material der Eaganer, ist diese Waffe unzerstörbar, messerscharf und nur vom Träger verwendbar. Durch deine Gedanken kannst du es umwandeln, wann und wo du möchtest. Es lässt sich sogar so klein machen, dass man es wie ein Taschenmesser in die Hosentasche stecken kann.“

„Wie habt ihr euch das vorgestellt, Meister? Wann sollen wir einmarschieren?“

Er legte seinen Kopf gegen die Rücklehne und seufzte kurz.

„Es stehen im Moment hunderttausend Männer zur Verfügung. Ich denke selbst unsere Feinde haben nicht einmal die Möglichkeit uns zu besiegen, denn das sind nicht alle Männer die ich besitze und bereit sind zu kämpfen. Am besten ihr benutzt den Dedei-Tunnel. Er führt sofort aus der Stadt hinaus zu einem schon erbauten Stützpunkt wo sich die Männer ausruhen können, danach zieht ihr weiter nach Westen und wartet am nächsten Stützpunkt auf einen Befehl.“

„Sehr wohl, Herr!“

Er warf ihr noch einen Blick zu und dann verneigte sie sich zum Abschied.

Wieder war alles still geworden. Der Saal erstickte fast darin. Selbst Benett konnte seinen Atem durch den Raum schallen hören und dann schaute er hinauf zum Himmel. Die Sterne erhellten seine düsteren Augen und erweckten ein anderes Ich in ihm.

„Viel Glück…meine Liebste Terra.“

 

Wieder dieser unerträgliche Ton in meinen Ohren.

„Ja, ja.“, brummte ich und zog mein Kissen über die Ohren.

Es wurde wieder still und jemand platze sogleich ins Zimmer, um mich am weiteren Schlafen zu hindern.

„Aufstehen liebe Lou!“, schrie JC fröhlich durchs Zimmer und ließ wieder in meinem Zimmer Tag werden, die Sterne am dunklen Nachthimmel verschwanden.

„Los, komm, heute trainieren wir gemeinsam.“

Ich fuhr schnell hoch. Bei dieser tollen Neuigkeit wurde ich hell wach.

„Du meinst Alex, ich und Nova.“, hechelte ich vor Aufregung. Ich flitzte zum Schrank und wühlte wie ein hungriger Bär in meinen Kleidern herum. Das was ich anziehen wollte, schmiss ich auf das Bett und schloss eilig den Schrank.

„Wir treffen uns gleich im Trainingsraum und ich werde euch unterrichten.“, grinste sie, als ob es eine Warnung für mich sein sollte, dass das Training hart wird. Ich zog ein violettes Baumwollshirt an, wo die Träger um meinen Hals glitten und eine weiße Hotpants. Ich würde bestimmt viel schwitzen und deswegen müsste ich mich so luftig wie möglich anziehen um schnell abzukühlen. Ich zog noch Turnschuhe an und flitzte in den Trainingsraum und wieder war ich die Letzte.

Wir standen mitten auf einer rechteckigen Matte.

„Eure Aufgabe besteht darin, euch richtig zu kennen und wie lernt man das am besten?“, fragte JC.

„Na durch einen Kampf.“, meldete sich Nova.

„Genau, also zuerst werden Nova und Lou gegeneinander kämpfen, alles ist erlaubt, doch wenn einer von euch von der Matte fällt, verliert.“

JC und Alex sprangen von der Matte runter und landeten auf der anderen Seite.

Ich war ein wenig nervös, aber Nova würde mich doch wohl nicht verletzen, oder? Ich schluckte.

Ich hob die Fäuste vor mein Gesicht um mir Schutz zu geben.

„Und Los!“, rief JC.

Ich schlug auf Nova ein, doch sie stoppte es mit einem schnell Handgriff. Sie umfasste meine geballte Faust, packte mein Gelenk und schleuderte mich von der Matte. Ich schwebte durch meinen rechtzeitiges öffnen des Magnetfeldes.

„Lou, was war denn das?“, fragte JC enttäuschend.

„Okay, das ganze bitte nochmal und diesmal konzentrierst du dich Lou.“, lachte sie.

Als ich wieder mit erhobenen Fäusten auf der Matte stand, wartete ich ab bis Nova mal zuschlug. Ich schaute sie mir genau an und entdeckte an ihrem Hals eine Metallkette und einen Ring an ihrem Finger, das war meine Chance. Nova schlug zu und durch meine abstoßende Magnetkraft, konnte sie mich nicht treffen, dann schlug ich mit aufgeschlagener Hand auf ihre Brust und sie stürzte von der Matte. Ich bejubelte den Sieg.

„Also gut, beide haben gewonnen, es steht 1:1, Lou!“, rief sie.

„Nova wechsle mal mit Alex.“ Sie nickte.

Nun stand Alex vor mir und der hatte eine enorme Kraft, ein Schlag von ihm wird mir wahrscheinlich etwas brechen.

„Findest du das eine gute Idee, JC?“, fragte ich ängstlich.

„Probieren geht über Studieren, wie man so schön sagt.“

Dann hob mich Alex so schnell über die Schulter, dass ich es nicht mal realisierte. Er ging zum Rand und wollte mich von der Matte werfen, doch ich klammerte mich um seinen Hals.

JC und Nova mussten lachen. Alex ließ die Arme hängen und es machte ihm anscheinend nichts aus, das eine fünfzig Kilo schwere Frau an seinen Hals baumelte. Dann schwang ich mich hinter ihn und schubste ihn mit einem Stoß hinaus. Wieder bejubelte ich den Sieg. Nova staunte und Alex war leicht enttäuscht von sich.

„Gar nicht mal so übel, Lou.“, lächelte er.

Jetzt kämpften Alex und Nova gegeneinander. Sobald Nova auf ihn einschlagen würde, prallte sie nur an hartem Stahl ab und wenn Alex Nova wegschlagen wollte, benutzte sie ihr Schild. Trotzdem war eine riesige Anspannung da und ich fieberte wild mit.

Immer wieder versuchten sie sich mit Schlägen fertig zu machen, aber es funktionierte einfach nicht. Es vergingen zehn Minuten und beide waren leicht verschnauft. Dreißig Minuten vergingen und der Schweiß tritt heftig ein. Er lief an ihnen nur so hinunter. Vierzig Minuten und JC verlor bald die Geduld. Immer wieder versuchten beide durch Tricks sich von der Matte hinunterzustoßen, aber immer wieder gelang es einem zu entweichen.

Ich ließ meine Beine am Rande hinunterbaumeln und stützte meinen Kopf mit dem Arm.

„So, stopp!“, schrie JC und ich seufzte weil es endlich vorbei war.

„Seht ihr was ich damit zeigen wollte?“, fragte JC.

Alle schüttelten den Kopf.

„Es gibt Gegenteile in diesem späteren Team. Nova und Alex, Lou und Jim und Valerie mit Ryan.“

„Du kennst die Namen der anderen schon?“, fragte ich neugierig.

„Sicher, jeder VHK weiß das schon.“

Valerie würde ich sehr gerne kennenlernen. Hoffentlich ist sie nett. Die anderen Jungs haben bestimmt einen ähnlichen Charakter wie Alex. Nett, jung, talentiert und vielleicht sogar hübsch. Nur bei Valerie hatte ich meine Zweifel, was ist wenn es wirklich eine Zicke ist?

Da platzte jemand stürmisch in die Tür hinein.

„Jim der Manipulator ist wach!“, schrie ein arbeitender Medizinmann durch die riesige Halle.

Ich schaute JC an, die neugierig nachdachte.

„Er ist dein Gegenteil.“, lächelte sie.

„Aber, in wie fern?“, fragte ich unwissend.

„Durch seine mentalen Kräfte kann er deiner Magnetstärke wiederstehen.“

„Wirklich?“

„Ja.“

„Aber was bringt das wenn wir Gegenteile sind?“

„Nun, später werdet ihr in Zweierteams aufgeteilt, ihr müsst nämlich Hinweise finden auf Benetts Vorhaben. Denn zwei gegenteilige Menschen sind zusammen eins. Was der eine nicht kann, kann der andere, verstehst du?“

Ich nickte.

Nach zwei Tagen betrat Jim mein Zimmer um sich vorzustellen. Aber seine Erscheinung raubte mir den Atem.

Kapitel 7 – Die Partnermissionen

 

Ich war immer noch wie erstarrt. Die eine Hälfte seines Gesichtes war mit einer Metallmaske bedeckt, deswegen konnte ich zuerst nur seine andere Gesichtshälfte sehen. Seine Haare überdeckte die Maske nicht, sie verlief nicht mal bis zum Hals herunter, sondern hörte an der Kinnspitze auf. Es sah so aus, als wäre diese Maske mit seinem Gesicht verwachsen. Sein Mund war auch ganz zusehen, aber die Nase nicht und für das Auge wurde ein perfekt anpassendes Loch geschnitten, wodurch er sehen konnte. Aber dieses Auge schien völlig anders zu sein wie das rechte. Der Augapfel des linken Auges war ganz rot, so wie Blut. Die Iris violett. Das andere Auge war blau.

Er wollte etwas sagen, erkannte aber mein erschrockenes Gesicht. Er senkte traurig den Kopf und wollte wieder gehen, aber da wurde ich wieder wach.

„Nein! Bleib bitte hier! Tut mir leid, das war nicht meine Absicht dich so anzustarren.“

Er fuhr sich erleichtert durchs sein dunkelblondes langes Haar, das bis zu den Augenbrauen reichte.

„Die anderen haben auch alle so reagiert, naja was heißt alle, nur Nova. Alex starrte mir in die Augen und nicht auf die Maske.“, sagte er und sprach mit sanfter und netter Jungenstimme.

„Du kannst mich Lou nennen.“, grinste ich ihn an.

„Jim!“

„Jim, kann ich dich etwas fragen?“, fragte ich vorsichtig.

„Klar!“

„Naja, es geht um deine Maske. Ich möchte nicht sagen dass es schlimm aussieht, was es auf keinen Fall tut. Aber warum trägst du sie?“

Er setzte sich zu mir aufs Bett und ich winkelte meine Beine an und meine Arme um sie schlang.

„Es war noch als ich auf der Erde war. Ich war ein Lehrling der Medizin und war oft in einem Labor am Arbeiten. Es wurden Tierversuche gemacht, man versuchte sogar aus Toten lebendige Geschöpfe zu entwickeln. Jedoch musste ich zuerst nur aufräumen und meistens putzen, was mir überhaupt nicht gefiel. Eines Abends war es schon spät und ich musste nur noch ein wichtiges Gefäß mit merkwürdig violettem Wasser in einen Tresor stellen. Das dumme war nur, es war so groß wie eine Tonne. Also versuchte ich es erst mit schieben. Ich griff unter den Rand und schob sie in die Richtung des Tresors. Sie bewegte sich wunderbar bis eine Fliesenspalte sie hemmte. Ich fiel mit meiner rechten Gesichtshälfte ins Wasser und es brannte wie Feuer. Gleich neben mir befand sich ein Waschbecken und ich wusch mein ganzes Gesicht, doch als ich dann in den Spiegel schaute, war ich vollkommen entstellt.“

Er neigte traurig den Kopf und ich legte meine Hand auf seine Schulter.

„Das kann jedem Mal passieren und außerdem war es ein Unfall, wofür du nichts konntest.“

„Nein, der Unfall war nicht das schlimmste, es war das Wasser. Aus mir hat es etwas anderes gemacht, wobei ich mich nicht mehr wie ein Mensch fühlte.“

Er ging unter den Rand der Maske und kurz machte es Klick. Wie ein Deckel hob er ihn langsam ab. Mein Atem wurde immer schneller, sowie mein Puls. Wie würde sein Gesicht aussehen? Wieso denkt er, er sei kein Mensch mehr dadurch? Es ist wirklich so furchtbar? Ich schluckte einmal und dann drehte er sich zu mir. Die Maske hielt er in der Hand und mir stockte der Atem. Ich konnte kaum noch Luft holen, als ich sein Gesicht sah. Es war nicht verschrumpelt wie bei Verbrennungen. Alle Adern drückten sie sich aus der Haut hervor. Wie zerknittert es Papier war die Haut an diesen Stellen. Es sah furchtbar aus. Was hat diese Flüssigkeit bloß mit ihm angestellt?

„Könnte ich das vielleicht, naja, berühren?“

Er nickte leicht.

Ich fuhr ganz zart über seine Wangen und tatsächlich fühlte es sich so an als würde ich über zerknittertes Papier fahren. Nur das es etwas weicher war und man konnte die Adern sogar reindrücken, aber sie gingen wieder in ihre ursprüngliche Form zurück. Das Auge war so furchtbar rot und die Iris violett, so wie die Adern. Ich fühlte mit ihm, als ich sein Gesicht sah. Er tat mir furchtbar leid. Ein Leben lang mit einer Maske zu leben, wäre für mich ein kräftiger Schicksalsschlag und dann noch mit so jungen Jahren.

Er zog sich die Maske wieder an.

„Danach wollte mich keiner mehr einstellen, die Leute lachten mich aus und ich wurde ein Einzelgänger. Bis der Professor mich fand und mir eine neue Chance gab. Er sagte dieses Wasser hätte meine Gehirnwellen verändert. Durch seine Hilfe, würde er mir helfen und mir ein neues Dasein geben. Ich hatte keine andere Wahl und schloss mich ihm an.“

„Das heißt du kannst Dinge manipulieren?“

Er starrte auf das Bild, das auf dem Nachtschränkchen stand und ließ es vor meinen Augen schweben.

„Ich bin total fasziniert!“, blitzte ich auf und griff in der Luft nach dem Bild. Es war eins von JC und mir das einer der Angestellten mal soeben geschossen hatte. Ich lag noch in meinem Krankenzimmer und verschränkte die Arme mit einem beleidigten Blick. JC‘ Grinsen war nicht zu übersehen.

„Was kannst du denn noch alles?“, fragte ich und stellte das Bild wieder zurück.

„Mein VHK meinte sogar ich könnte später Strom kontrollieren, sowie Magnetwellen. Das heißt ich könnte für Stromausfälle sorgen und er kann sogar durch mich fließen ohne das ich sterben müsste.“

„Ich bin echt beeindruckt!“, schwärmte ich.

Meine Fähigkeiten waren zwar auch sehr wichtig, aber sobald ich einen Gegner vor mir habe der kein Metall trägt kann ich mich nicht schützen. Das heißt ich wäre vielleicht sogar die einzige Person die sich nicht wehren könnte. Ich bräuchte immer einen Beschützer und genau das nervte mich.

„Hm. Gib mir mal bitte deine Hand und streck sie aus.“, brach ich die Stille und er tat was ich wollte.

Ich rieb meine Hände aneinander und legte eine davon auf seine, aber ich konnte nicht, denn er manipulierte meine Magnetwellen.

„Ich schaffe es einfach nicht deine Hand zu berühren.“, lachte ich, weil es lustig aussah. Doch als ich meine ganze Kraft darauf konzentrierte sie zu berühren, brach er die Manipulation ab und ich fiel ein wenig auf ihn. Mein Kopf berührte seinen Bauch und ich spürte die harten Muskeln. Meine Hand legte er in seine und die Stellung beunruhigte mich. Was tat ich eigentlich da? Ich wollte nicht unhöflich sein, meine Hand aus seiner zu befreien und mich etwas weiter von ihm wegsetzen. Das könnte ich nicht, denn ich hatte Angst ihn dann zu verletzen. Es müsste nun etwas passieren.

Schon bei dem Gedanken, klopfte es an der Tür. Wir schoben uns schnell voneinander weg.

Nova trat ein.

„Ach da bist du Jim. Komm, PV möchte uns sprechen.“

Er stand auf, drehte sich mit einem kleinen Lächeln zu mir und schloss die Tür.

Jim war vielleicht ein netter Junge und trotz seine Maske dennoch hübsch, aber ich könnte mir mehr als Freundschaft einfach nicht vorstellen. Vielleicht hatte er sogar keine Kraft mehr mich zu halten, aber ich glaube dann hätte er vorher Bescheid gesagt. Wenn ich ihn mit Alex vergleiche, wurde mir klar wie er mir wichtig war. Alex beschützte mich, half mir und tröstete mich in jeder Situation. In meinem Magen kribbelte es und ich konnte mein Lächeln nicht zurückhalten.

„Ich werde mich doch nicht verliebt haben, oder?“, murmelte ich vor mich hin.

Mit einem aufgeregten Gefühl und furchtbarem Kribbeln im Bauch legte ich mich zur Ruhe. Meine Mutter sagte immer: Wenn man mehr über jemanden nachdenkt, als über sich selbst, dann ist man verliebt. Wie Recht sie hatte. Ich musste öfter an Alex denken.

 

„Sir?“
„Ja?“

„Terra verlässt jeden Augenblick die Stadt mit den Männern. Ein Drittel von ihnen reitet, die anderen tragen die Laserlanzen und der Rest Maschinengewehre. Auch gaben wir ihnen Plasmabomben mit. Aber denkt ihr wirklich dies ist der Richtige Weg?“, fragte Karl.

„Natürlich ist er das. Umso mehr wir vernichten, umso mehr bleibt für uns und wir können endlich wieder eine eigene Welt erschaffen mit mir als ihr Herrscher.“

„Aber was ist wenn wir verlieren? Außerdem wohnen einige Bewohner in den Städten der Eaganer. Wir müssten sie dann auch töten.“

Er lachte.

„Nein, lass das mal meine Sorge sein. Mein Ziel ist die Menschheit vor diesen Barbaren zu beschützen und als erfolgreicher Herrscher über diesen Planeten zu regieren.“

Karl schluckte.

„Wie ihr meint, Sir.“

 

Ein nächster Tag begann, so auch mit der nächsten Nachricht.

JC erklärte uns die neuste Aufgabe. Partnermissionen.

„Heute fliegen wir zum ersten Mal nach Naga. Eine Stadt der Eaganer. Aber bittet vergleicht nicht ihre Kultur mit unserer. Denn wir haben hohe Häuser, meist mit viel Glasscheiben und Plastik. Sie leben mit der Natur und verunreinigen sie fast nicht.

Ihre Häuser sind auch nicht so groß wie unsere, nicht mal ein Fünftel. Nun zum Punkt! Jedes Team bekommt einen Vertrag den wir mit ihnen geschlossen haben. Ihr werdet zum jeweiligen Treffpunkt gehen und dort einen bestimmten Gegenstand abholen, den der Professor benötigt. Alles klar?“

Wir nickten.

JC drückte mir und Nova den Vertrag in die Hand und für jedes Team zwei baumwollartige Kapuzenumhänge.

„Das Flugzeug ist auf Ebene neunhundert. Die braunen Umhänge sind nur zum Schutz da. Denn es könnte passieren dass einige Leute von Benett euch wiedererkennen und ein Kampf wäre gar nicht gut. Also viel Glück Leute!“

Ich hing ihn mir um und zog die Kapuze über den Kopf. Man sah nicht einmal meine Kleidung.

Ich wäre wirklich gerne mit Alex in einem Team gewesen, aber ich hätte mir auch denken können dass so etwas passierte. JC hatte schon die Gegenteile erwähnt und von Teams geredet.

Wir nahmen den Aufzug nach unten und stiegen in ein Flugzeug ein. Es ging los und ich war ein wenig aufgeregt, weil es zum Teil unsere erste Mission war und ich endlich die Eaganer kennen lernte. Mein Herz pumpte, ob sie wirklich völlig anders sind als die Menschen?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 8 – Naga

 

Die Fahrt dauerte schon etwas länger, aber dennoch waren wir innerhalb von zwei Stunden um die halbe Welt gereist und ich konnte eine Stadt in der Wüste erkennen. Außerhalb waren Ackerbau und sogar ein kleiner Dschungel. Die Häuser waren nur aus Lehm und Steinen teilweise gebaut. Sie waren nicht einmal hoch. Aber etwas weiter begann dann wahrscheinlich das Stadtinnere. Dort waren die Häuser schon etwas moderner und es flogen auch so ähnliche Fluggeräte rum wie bei uns. Ich war wirklich fasziniert. Am meisten freuten ich mich darauf endlich einen dieser Eaganer zu sehen.

Ich saß im Flugzeug neben Jim und vor mir Nova und Alex. Jim beugte sich über mich um auch aus dem Fenster schauen zu können.

„Geniale Stadt!“, rief er laut und streckte sich noch ein wenig mehr über mich.

„Sollen wir Plätze tauschen?“

„Nein, wir sind sowieso gleich da.“

Es war kurz still zwischen uns, doch dann sprach er weiter.

„Ich hatte gehört Eaganer sehen überhaupt nicht wie Menschen aus. So wie wir uns in unserer Hautfarbe und Gesichtsmerkmalen unterscheiden, so unterscheiden sie sich in ihrer Form. Das heißt es gibt dicke, dünne, lange, kleine und riesengroße. Nur ist ihre Farbe immer die gleiche, blau.“

„Blau?“

„Wenn andere zum Beispiel rot sind, sprechen sie von einer abergläubigen Krankheit. Sie denken diese Eaganer würden früher sterben und man hält sich von ihnen fern.“

„Woher weißt du das alles?“, fragte ich neugierig.

„Ich hab da so meine Quellen.“

„Außer PV kennst du doch gar keinen!“, lachte ich.

„Spielverderber!“, grunzte er.

Als das Flugzeug landete befanden wir uns in einer riesigen Halle, wo links und rechts Rolltreppen waren. Oben ging die Decke auf, wo Flugzeuge landeten und starteten. Ich versteckte mein Gesicht noch tiefer als sonst in der Kapuze und senkte meinen Kopf. Als ich immer noch kein anderes Wesen sah, außer Menschen, trennten sich Nova und Alex von uns. Wir waren endlich in diesem kleinen Dörfchen gelandet. Die Häuser waren alle fast einstöckig. Der Sand auf dem Boden und die Hitze von oben machten mir sehr schwer zu schaffen. Ich schaute immer ob Jim noch neben mir war, denn er hatte die Karte und den Vertrag. Ich hielt es für besser, wenn ich ihm die Sachen überlasse.

Wir liefen geradeaus bis ich den ersten Eaganer sah und verwundert stehen blieb. Er war dick, hatte einen kurzen breiten Echsenschwanz hinten, blaue Hornschuppenhaut und seine Ohren waren so winzig, das ich sie zuerst nicht fand. Die Schnauze ähnelte dem eines Brachiosaurus. Dennoch gingen sie auf zwei Beinen und ihr Rücken war aufrecht. Schon gleich erkannte ich, dass ihre Abstammung von Reptilen war. Die Füße erinnerten mich an einen weiteren Dinosaurier, ein Eoraptor. Das passte zu ihnen, darin steckte auch der Name Eos.

Der Eaganer sprach mit einem Menschen. Verstehen sie sich denn tatsächlich so gut miteinander?

Jim zog an meinem Arm um weiter zu gehen. Und später liefen wir nur an diesen Gestalten vorbei. Genau wie Jim es sagte, alle waren verschieden. Dick, dünn, lang, breit, groß klein in den verschiedensten Größen. Ich versuchte weiter hin auf den Boden zu schauen um bloß nicht aufzufallen. Für einige Minuten waren meine Gedanken nicht bei der Sache. Doch da verschwand Jim!

An mir drängten sich Leute vorbei und mein Körper war starr. Wie sollte ich nun die Mission ohne Jim erfüllen? Meine Hände schwitzten, dann ging ich einfach weiter und verschwand in einer Gasse. Mit raschen Blicken schaute ich in die Gassen und sah dass sie leer waren. Jedoch folgten mir zwei Eaganer. Verkrampft hielt ich meine Kapuze fest. Der eine war fett und der andere lang und dünn. Der eine hatte einen Strick in der Hand. Hoffentlich ließen sie mich in Ruhe und wollten nur an mir vorbei gehen.

„Na du Hübsche, hast dich wohl verlaufen?“, rief der eine mit einem spöttischen Lachen.

Sie konnten unsere Sprache? JC meinte auch fast alle müssten unsere Sprache können, sowie wir ihre.

„Würde mich mal interessieren wie du ohne die Kapuze aussiehst?“, sprach eine raue bösartige Stimme.

Sie kamen auf mich zu und ich ging einige Schritte rückwärts. Der eine Griff mit seiner Drei-Finger-Hand nach meinem Handgelenk. Ich wollte mich wehren, aber der Griff war zu stark. Ich hatte JC enttäuscht. Sie hatte ausdrücklich gesagt dass wir diese unbedingt tragen müssten. Die Zwei dürfen meine Identität einfach nicht sehen. Ich wollte meine Hände am liebsten aneinander reiben, aber wenn der eine mich festhielt. Also griff ich nach meiner Kapuze und zog sie nach unten. Doch der Dünne griff nach meinem noch verbliebenen Gelenk. Ich war geliefert. Wenn jetzt kein Wunder geschah, dann war es das für mich. Plötzlich tauchte ein Dritter vor mir auf. Es war ein Mensch. Ich sah bloß seine dunkelbraunen Stiefel und eine schwarze Jeanshose und trug einen Gürtel der etwas schräg um seine Hüfte verlief. Weiter hoch traute ich mich nicht zu schauen.

„Du schon wieder! Hau ab!“, brüllte der Dicke grimmig.

„Lasst sie los.“, sprach eine nette zugleich aber auch wütende Jungenstimme. Er blieb absolut ruhig und gelassen. An seiner Stimme konnte man überhaupt kein Gefühl heraus hören.

Doch als sie sich weigerten auf ihn zu hören. Aus meinem Blickfeld verschwand er und plötzlich waren meine Gelenke frei. Ich hörte keinen Ton mehr von ihnen. Dann stand der Junge wieder vor mir, der mindestens eineinhalb Köpfe größer war als ich. Die anderen beiden lagen bewusstlos auf dem Boden.

„Du kannst deine Kapuze ruhig anlassen und danken brauchst du mir auch nicht, aber sag mir bitte was du hier machst.“

Ich schaute zum ersten Mal wieder vom Boden hoch und spiegelte mich in grauen Augen wieder. Sein Gesicht war wunderschön. Seine Haare waren blond und fast so ähnlich wie Jim seine nur das er kein Gel benutzte. Dann lächelte er.

„Komm ich werde dich erstmals hier raus bringen. Aber wir müssen unauffällig bleiben.“

Ich hatte ein wahnsinniges Glück. Wäre er nicht rechtzeitig gekommen, dann wäre ich wahrscheinlich entführt worden oder schlimmeres. Als wir wieder auf der Straße waren wo viele andere Eaganer und Menschen herumliefen, hatte ich Angst ihn vielleicht wieder zu verlieren sowie Jim. Um das zu verhindern, klammerte ich mich an seinen Arm. Er schaute verwirrt zu mir herunter.

„Alles in Ordnung?“, sprach er beim Gehen.

Zum ersten Mal brachte ich ein Wort zustande.

„Ich…Ich will dich nicht verlieren. Ich hatte mich verlaufen, weil ein Freund von mir verschwunden war, er war eigentlich immer neben mir, doch dann als ich mich nach ihm umdrehte war er weg und so irrte ich in der Gegend herum.“

„Ich verstehe.“

Er verspürte anscheinend meine Angst.

Nach einiger Zeit gingen wir in ein kleines Haus rein, wo keine Menschenseele zu sehen, bis auf einen Mann der an einem Tisch in der Ecke saß. Er starrte ihn grimmig an.

„Ich bin wieder da!“, rief er.

Zuerst sah ich hinter der Theke nur einen abstehenden geflochtenen Zopf entlang laufen, doch dann trat eine kleine dicke Eaganerin zum Vorschein. Ihre Mimik war grimmig.

„Sag mal spinnst du?“, schrie sie und stemmte die Hände in die Hüfte. „Du bist schon den ganzen Morgen weg und dein Vater und ich machten uns furchtbare Sorgen. Jungchen wenn das wieder passiert dann…OH!“, verstummte sie am Schluss.

Das sollen seine Eltern sein? Adoptiveltern wohl eher.

Die kleine Eaganerin kam auf mich zu und betrachtete mich von unten. Ich klammerte mich noch fester an ihn, weil mir ihr Blick Angst bereitete.

Doch dann setzte sie ein völlig freudiges Lächeln auf.

„Ach Junge, das hättest du mir doch ruhig sagen sollen. Das du heute Morgen verschwunden bist um dich mit deiner Freundin zu treffen. Ich werde gleich etwas kochen, das muss unbedingt dein Vater erfahren!“, rief sie glücklich und rannte in die Küche.

„Nein, warte! Zu spät.“, seufzte er.

Ich starrte ihn an und war ein wenig verwirrt was seine Mutter angeht. Sie konnte ziemlich schnell ihre Mimik ändern.

„Komm, ich werde dir erstmals ein Zimmer geben, wir sind nämlich hier ein Gasthaus.“

Als wir die Treppe hochgehen wollten, rief der alte Mann aus der Ecke uns zu.

„Dieses Mädchen ist hat ein Geheimnis, das spüre ich nämlich in meinen Adern. Von solchen halte ich mich lieber fern.“, lachte er, wobei man den Alkohol in ihm bemerkte.

Ich war wie angewurzelt. Woher konnte er das wissen? Vielleicht hat er Fähigkeiten sie zu spüren oder es war nur reiner Zufall. Trotzdem merkte ich dass er sich bei der Sache absolut sicher war. Ich verspürte eine Gänsehaut.

„Hör nicht auf ihn!“, flüsterte er mir zu.

Wir gingen weiter hoch und er zeigte mir ein Zimmer mit Holzboden und Lehmwänden. Das Bett sah wie das von früher aus. Es gab noch einen kleinen Schrank und ein Tisch mit Stuhl.

Er wollte wieder gehen, aber ich hielt ihn auf.

„Bitte bleib!“, rief ich.

Er schloss hinter sich die Tür und setzte sich neben mich aufs Bett.

„Sag mal, woher kommst du?“, fragte er.

„Nicht von hier.“

„Das hatte ich mir schon gedacht. Du sagtest du suchst einen Freund, oder? Ich kann ihn dir ganz schnell wieder beschaffen, denn ich habe so meine Quellen, die Tag und Nacht auffällige Leute beobachten und wenn das zwei Menschen kommen die Umhänge tragen, das ist mehr als auffällig.“

Ich schaute ihn mit tränengefüllten Augen an, wobei meine Kapuze hinunter rutschte. Er blickte verblüfft zu mir.

„Das würdest du tun?“, fragte ich.

„Sicher. Einer Frau in Not helfe ich gerne.“, grinste er und ich zeigte auch wieder ein Lächeln.

„Aber könnte ich deinen Namen vielleicht wissen?“

„Lou.“

„Was für ein schöner Name. Ich heiße Nikita. Aber alle nennen mich Nik.“

„Das ist russisch.“, platzte es aus mir heraus.

„Du kanntest Russland?“, fragte er und wunderte sich über mein Wissen.

„Ich hatte mal davon gehört.“, brachte ich mich aus der ungewöhnlichen Lage heraus.

Dann wechselte ich das Thema.

„Sag mal das sind doch nicht wirklich deine Eltern?“

Er musste lachen.

„Nein, ich bin als kleiner Junge vor ihrer Gaststätte abgelegt worden. Niemand weiß wer meine Eltern sind und außerdem bin ich auch so glücklich.“

„Ich habe auch keine Eltern.“

„Überhaupt keine?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Also gut, Lou, am besten wir fahren erstmals in das Stadtinnere von Naga. Dort treffen wir dann jemanden den wir fragen könnten und vielleicht finden wir dadurch deinen Freund.“

Ich umarmte ihn überraschend feste und dankte ihm mehrmals. Mir war es wirklich ungeheuer wichtig, diese Aufgabe zu erfüllen. Ich möchte nicht das JC und der Professor enttäuscht von mir sind. Er streichelte über meine Haare.

„Gern geschehen! Aber jetzt komm wir müssen uns beeilen.“

Er nahm meine Hand und zog mich aus der Gaststätte. Wir liefen wieder einige Gassen entlang und nahmen Abkürzungen, aber dennoch war ich wie ein Magnet und zog das Böse hinter mir her. Wieder verfolgten uns Banditen. Nik blieb stehen.

„Warte hier!“, flüsterte er und drückte mich an die Wand. Die Banditen kamen auf ihn zugelaufen und blieben einige Meter vor ihm.

„Vorsicht Jungs! Schaut ihm nicht in die Augen, das wäre euer Tod.“, warnte ein dünner Eaganer seine Truppe, die Menschen waren. Sie starrten alle auf seine Brust.

„Nicht schlecht!“, grinste er. Dann liefen sie alle auf ihn gleichzeitig zu und Nik machte sich bereit. Doch die hängenden Metallketten, die schon teilweise verrostet waren, drängten mich dazu meine Kräfte einzusetzen. Denn ich glaube gegen sieben Leute hatte Nik keine Chance. Zwei hatte er platt machen können aber die sind schon mehr als das Dreifache. Ich ging langsam vor Nik und streckte meine Hand aus. Eine Magnetwand bildete sich vor uns und alle prallten dagegen. Nik kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Mir gefiel es wie ich mich endlich mal wehren konnte und keine Hilfe mehr bräuchte. Dann stieß ich sie mit einer kräftigen Handbewegung zurück und die Magnetwand trieb sie bis hinten gegen die steinerne Wand. Noch eine kleine Weile würde es dauern bis es sich auflöste, aber dann sind wir längst über alle Berge. Wir verschwanden um die nächsten Ecken.

„Was hast du eigentlich dort gemacht. Du strecktest deine Hand aus und sie konnten plötzlich nicht mehr in deine Nähe kommen. Du hast anscheinend Kräfte, gut, denn dann bin ich nicht mehr allein.“ Ich blieb stehen und blickte ihn an.

„Was hast du denn für Fähigkeiten?“, fragte ich erstaunt, weil ich dachte dazu müsste man irgendwie experimentiert haben.

„Meine Mutter meinte ich wäre ein Noma-Kind gewesen.“

„Was heißt Noma? Auf eaganisch heißt es ungewollt. Es bedeutet das Kinder aus Familien gestohlen, für Experimente gebraucht und danach ausgesetzt werden. Noma-Kinder werden meistens gemieden, deswegen fürchten mich auch die Banditen. Du musst auch eins sein.“

Ich konnte ihm nicht die Wahrheit erzählen, also schwieg ich lieber und wir gingen einfach weiter. Bald kamen wir in der Innenstadt an und trafen auf Etage zehn einen alten Eaganer. Er war groß und breit und saß den ganzen Tag auf einer gemütlichen Decke, neben ihm zwei junge hübsche Frauen.

„Du wollten mich sprechen?“, knarrte eine raue Stimme.

„Ja, ich suche nämlich eine bestimmte Person und wollte fragen ob du mir vielleicht Auskunft geben könntest. Sie tragen diese Mäntel.“ Nik warf meinen Mantel dem Alten zu und wartete auf eine Antwort.

„Ja, von denen ich habe schon gehört, mehrmals heute.“

„Kannst du uns sagen wo sie sind?“

Ein Spion kam zu ihm und flüsterte ihm etwas ins Ohr.

„Sicher, aber du haben noch Schulden bei Patschi.“

„Ich weiß und ich habe dir auch gesagt, dass du das Geld bekommen wirst.“

Er räusperte sich und fing dann an zu lachen.

„Deine Versprechungen haben ich schon oft gehört.“

Doch dann betrachtete er mich genauer und es war mir furchtbar unangenehm.

„Du können Schulden aber durch Mädchen bezahlen.“, meinte er und zeigte mit einem seiner drei Finger auf mich.

„Nein, sie hat mit der Sache überhaupt nichts zu tun.“, wurde Nik etwas aggressiver.

„Seit wann setzen du dich für Mädchen ein? Du bringen mir doch immer meine Geschenke die ich haben will. Und du sein dabei gelassen, aber diese Mädchen muss besonders sein. Sein sie deine Freundin?“, lachte er und wollte schon einer seiner Verbündeten losschicken um mich zu schnappen.

Nik schlang seinen Arm um mich.

„Ich sagte nein!“, schrie er.

Die Diener gingen einige Schritte wieder zurück.

„Gut, wie du meinen, aber dieses Mädchen ich beobachten will, wieso so besonders sein für dich. Deine Person gesichtet in Südwest der Stadt und ich will bald Kohle sehen.“, warnte er ihn. Nik nahm den Mantel und ging mit mir wieder hinunter.

„Nik, wieso hast du dich für mich so eingesetzt?“, fragte ich neugierig.

„Ich…“, murmelte er und hatte einfach keinen Mut dazu mir die Wahrheit zu sagen. Aber ich wollte ihn auf keinen Fall weiter drängen, immerhin war er mein Retter.

„Schon in Ordnung.“, lächelte ich ihm zu und er schwieg gelassen.

Etwas später kamen wir im Südwestlichen Teil der Stadt an. Es war auch ungefähr die Stelle wo ich Jim verlor.

„Ich glaube hier verlief ich mich.“

„Hm, okay dann kann es ja nicht weit sein.“

Bald darauf sah ich denselben Umhang. Ich rannte los und packte ihn von hinten.

„Endlich!“, rief ich erfreut.

„Lou?“, rief eine bekannte Stimme und drehte sich zu mir um. Jim schaute mir besorgt in die Augen. Dann umarmten wir uns und meinte: „Weißt du überhaupt was ich mir für Sorgen gemacht hatte?“

„Tut mir leid, aber du warst plötzlich nicht mehr hinter mir.“

„Ja und du nicht mehr vor mir.“

Als ich dann Jim Nik vorstellen wollte, sah ich ihn weggehen und dabei bedankte ich mich nicht einmal bei ihm. Ich schämte mich. Dann ließ ich Jim los und rannte Nik hinterher. Ich sprang ihm in die Arme und dankte ihm für alles.

„Kein Problem, Kleine.“, lächelte er.

Doch dann sank er sein Lächeln und ich wusste auch warum.

„Wir sehen uns bestimmt wieder. Das verspreche ich dir.“

Dann lächelte er wieder und drückte mich noch feste zum Abschied. Ich war ihm wirklich überaus dankbar. Er hatte mein Leben gerettet, sich bei dem alten Eaganer Patschi durchgesetzt und mir sein Haus gezeigt, worin ich mich erstmals sicher fühlte. Er war für mich einfach ein Held gewesen. Ich zog ihn an seinem Halstuch nach unten und küsste ihn zart auf seine Wange. Doch dann verspürte ich eine seltsame Kraft. Wie eine starke Strömung durchfuhr es mich bis in die Zehenspitzen. Was war denn das? Zuerst machte ich mir nichts draus und lächelte ihm noch zum Abschied zu und verschwand mit Jim im Gedränge.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte ich vorsichtig.

„Ja, ja.“, nörgelte er.

Er war sauer auf mich. Wir nahmen das Päckchen entgegen und gaben den Vertrag ab.

Bald darauf trafen wir uns alle am Flugzeug wieder. Nova und Alex warteten schon eine ganze Weile.

„Was hat denn so lange gedauert?“, fragte er.

„Tut mir leid, wir hatten den Ort nicht so schnell gefunden.“, log ich und wollte unbedingt alles was passierte geheim halten.

„Nun dann schaut lieber genauer auf die Karte.“, seufzte Nova zum Schluss.

Solche Angeber.

Als wir wieder in unserer Stadt landeten, war es bereits abends. Ich war hundemüde und legte mich einfach nur ins Bett. JC und der Professor waren stolz auf uns und hatten vollstes Vertrauen.

Irgendwie vermisste ich Nik. Diese merkwürdige Energie die mich durchflossen hatte, als ich ihn küsste. War das Zufall oder hatte es eine besondere Bedeutung? Ich war mir nicht sicher, aber bei dem Gedanken erfreute sich mein Herz und schlief mit einem Lächeln ein.

 

 

 

 

Kapitel 9 – Valerie und Ryan

 

 

Eine Woche später wachte endlich die Fünfte auf, Valerie. Nun fehlte nur noch einer und das würde wohl wiederrum einige Tage dauern. Valerie war eine sehr hübsche Frau, die Älteste von uns, sie war vierundzwanzig. Ihre Haare waren lang und blond, ihre Lippen malte sie sich meistens rot oder leicht rosa. Sie trug Makeup auf und eine wenig Rouge. Sowie ihre Lippen und ihre Haut waren auch die Augen stark schwarz geschminkt. Auch wenn sie ein Stratege, Taktiker und Gedankenleserin war, hatte sie ihre Seiten. Der erste Eindruck von ihr war nett, dennoch wusste ich das das nicht die echte Valerie war. Dennoch stand ihr die Lederkleidung ziemlich gut. Nur mich beunruhigte das sie Gedankenlesen konnte. Was ist wenn sie von meinen Gefühlen erfährt oder meiner Vergangenheit. Darüber hatte ich Angst.

Mit dieser Angst lief ich am nächsten Morgen zum Professor und erzählte ihm alles. Er nickte nur kurz und legte auf seinem Schreibtisch den Stift beiseite.

„Ich verstehe dich gut, aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen, da sie eure Gedanken nicht lesen kann. Denn genau das was du mir erzählt hattest, hatte ich mir damals auch gedacht. Eure Gedanken sind nämlich das wichtigste Eigentum und die möchte ich euch nicht auch noch von Valerie rauben lassen. Deshalb baute ich in eure Köpfe einen Mikrochip ein, dass diese Gehirnwellen abschirmt. Also besteht auch keine Panik.“, lächelte er am Schluss und ich war wirklich erleichtert. Ich ging zufrieden wieder hinunter und setzte mich auf mein Bett. JC kam seit langem wieder rein.

„Valerie wird im Moment noch trainiert. Wir versuchen sie so gut wie möglich zu machen. Sag mal, Jim erzählte mir von einem gewissen Jungen den du kennen gelernt hast in Naga.“

Ich erstarrte. Jim! Ich wusste dass er nichts für sich behalten konnte. Aber was ist wenn er ihm auch von dem Kuss erzählte, was würde JC von mir halten. Ich hatte schon sehr lange keine Mädchengespräch mehr über Jungen und ich hatte auch nicht vor eins zu führen. Ich blickte sie mit einem breiten Grinsen an.

„Ach, der… Der hat mir nur geholfen. Mehr nicht!“, stotterte ich.

„Ach und der Kuss?“, drängte sie.

Jim! In mir kochte alles. Wieso erzählt dieser Idiot es ausgerechnet JC. Ich versuchte unbedingt nicht die Beherrschung zu verlieren, aber alles sprudelte hinaus.

„Ah! Jim, wenn ich den in die Finger bekommen, dann kann der ganz schön was erleben. Diese miese Petze, alles muss er weiter erzählen. Dieser Idiot!“

JC hatte mich noch nie vorher ausflippen gesehen. Deswegen wurde auch aus ihrer neugierigen Mimik ein ängstlicher Gesichtsausdruck.

„Beruhig dich! Ich sehe schon du redest nicht gerne über das Thema, kein Problem. Ich habe sowieso noch andere Themen zur Verfügung.“

Ich seufzte und war immer noch sauer auf Jim.

„Er hat mir das Leben gerettet und alles getan das ich Jim wieder finde. So etwas nennt man einen Helden und außerdem mochte er mich irgendwie und es waren meine Gefühle die mich dazu antrieben.“

„Aber du magst ihn doch, oder?“, fragte sie.

„Ja natürlich, sogar sehr.“

Doch da machte es bei JC plötzlich Klick.

„Hey warte mal! Wie meinst du dein Leben gerettet und wieso musstest du Jim suchen? Du bist mir eine Erklärung schuldig.“

Ich lachte schämend. Es dauerte etwas länger bis ich JC alles erzählte aber sie verstand es und meinte ich könne nichts dafür.

Später ging sie und Valerie betrat das Zimmer.

„Ah! Da bist du ja! Ich suchte nämlich die Schachkönigin.“

Ich war etwas angeschlagen. Die Schachkönigin?

„Also, ich hatte nur mal gesagt dass ich gerne Schach spiele und meistens immer gewinne.“

„Also gut. Los wir spielen eine Runde, alles klar?“, fragte sie mit einem siegessicheren Lachen.

Ich nickte und hinter ihrem Rücken zog sie ein weißes Brett heraus. Sie stellte es auf den Boden und ein Hologramm mit fertig gestellten Schachfiguren war vor meiner Nase. Ich hatte weiß und durfte anfangen.

Mit meinen Gedanken konnte ich die Figuren lenken und dann passierte etwas völlig Unglaubliches. Valerie beendete nach vier Zügen das Spiel. Ich war total entsetzt. Noch nie hatte jemand mich in vier Zügen Schachmatt gesetzt. Hatte das etwas mit ihrem Können zu tun?

„Valerie, ich bin wirklich beeindruckt.“

„Tja, das war heute der sechste Sieg, ich habe gegen JC, Alex, Nova, Jim und gegen den Professor gewonnen.“

Ich war immer noch geschockt. Wenn ich starke Gegner hatte, gingen die manchmal bis zu dreißig Züge hinauf, aber dann gewann ich trotzdem meistens. Aber das ich schon nach dem vierten Zug geschlagen worden war, war wirklich schockierend. Valerie hat wirklich eine sehr besondere Fähigkeit, denn wenn ein Krieg ausbrechen würde, müsste Valerie eine super Strategie entwickeln können. Ein meisterhafter Stratege kann jegliche Eventualitäten vorausplanen. Durch ihre Hilfe können wir wirklich nicht besiegt werden, denn sie sieht alle Möglichkeiten die es geben könnte und durch ihr Gedankenlesen, könnte sie einem Feind seine Gedanken rauben, damit würde es noch besser gehen. Ich bin wirklich beeindruckt, was der Professor alles geplant hat die ganzen Jahre lang.

Es war wieder ein weiterer Tag vergangen und dann wurde ich mitten in der Nacht durch einen heftigen Knall geweckt. Ich fuhr schnell hoch und rannte in meinem Nachthemd ins Labor. Ich sah Blut auf dem Boden und JC die sich zum Boden kniete.

Schnell rannte ich hin und sah einen jungen Forscher verletzt am Boden liegen.

„Perfektes Timing, Lou! Los hilf ihm bitte!“, rief sie.

Ich beugte mich zu ihm runter und heilte ihn unterhalb von Schlüsselbein, anscheinend wurde ihm etwas dort durchgestochen.

„Was ist passiert?“, fragte ich hastig.

JC schaute verzweifelt zum Professor. Dann senkte er seinen Kopf, als hätten wir ein richtiges Problem am Hals.

„Ryan ist ausgebrochen. Ich dachte wirklich er hätte all das vergessen, aber anscheinend leidet er doch noch sehr darunter.“

Ich schüttelte den Kopf, als könne ich das nicht verstehen.

„Ryans Familie wurde ermordet und als einer meiner Leute bei dem Mord zufälliger Weise dabei war, gab er uns die Schuld. Er hasste uns so sehr und litt unter diesem Schmerz Jahre lang, bis ich eines Tages mit ihm redete. Ich machte ihm einen Vorschlag all den Schmerz vergessen zu können und ein neues Leben anfangen zu dürfen. Es dauerte sehr lange bis er tatsächlich einwilligte und kam mit zu uns. Dennoch war er durch diesen Kummer und den Schmerz zu einem anderen Menschen geworden. Er war gefühlslos. Durch dieses Experiment versprachen wir ihm den Schmerz zu vergessen, doch es hatte anscheinend nicht funktioniert. Als er vor einigen Stunden aufwachte und merkte dass er sich noch an alles erinnerte, wurde er richtig wütend und brach aus. Wir müssen ihn unbedingt finden, er kennt sich hier nicht aus. Deswegen startet ihr alle fünf zu einer Suchaktion. Wecke den Rest bitte auf, JC!“, schaute er am Schluss zu ihr. Sie stand schnell auf und lief hinaus. Wenigen Minuten später standen alle hellwach, aufgeklärt und bereit vor dem Labor.

„Es sind allerdings Einzelmissionen. JC wird euch kleine Mikrostöpsel geben, mit denen ihr uns kontaktieren könnt. Alles soweit verstanden?“

Wir nickten alle und begaben uns zum Aufzug. JC fuhr noch mit uns.

„Die Empfangsdaten sind ziemlich schwach, aber er befindet sich im Westside-Park. Er ist wirklich enorm groß, fast wie ein großer Wald, also verlauft euch nicht.“

Wir liefen alle auf Autos zu und ich konnte ein automatisiertes Auto fahren, weil ich nicht lenken musste. Also gab ich Koordinaten ein und war in wenigen Minuten auch schon dort. Es war dunkel und ein wenig kalt und es war wirklich ein Wald. Der Boden war aus richtigem Gras, sehr gepflegt. Die Bäume waren riesen groß und dicht.

Ich lief erstmals durch und schaute immer rechts, wie links. In meinem Ohr drückte ich auf den Mikrostöpsel und fragte ob sie noch genauere Daten wissen, wo er sich möglicherweise befinden könnte. Die Antwort war negativ.

Irgendwann war ich sehr erschöpft vom ganzen Laufen und lehnte mich an den Baum. Ich sah fast nichts, aber verspürte dauernd ein merkwürdiges Gefühl. Ich schaute hoch, nach vorne, rechts, links und versuchte auf Geräusche zu achten. Doch dann tauchte wie aus dem Nichts jemand hinter mir auf. Ich spürte seine Anwesenheit deutlich und mich durchstieß eine eisige Gänsehaut. Mein Körper bebte und mein Atem wurde immer langsamer. Ich hörte ihn atmen und als er auf einen Ast trat, wollte ich mich in diesem Augenblick umdrehen, aber er hielt ein Messer an meine Kehle. Ich müsste nur meine Hände aneinander reiben und dann könnte ich ein Magnetfeld aufbauen, aber meine Arme weigerten sich. Ich wartete gespannt auf ein Wort von ihm.

„Wer bist du?“

Seine Stimme war so kalt und gefühlslos. Es war Ryan.

„Du kannst mich nicht töten, also leg am besten gleich das Messer weg.“, fauchte ich. Dann hielt er es noch fester an meinen Hals und ich rieb meine Hände aneinander. Das Magnetfeld war aktiviert und stärker denn je. Sein Messer flog ihm aus der Hand durch die abstoßende Kraft. Blitzschnell drehte ich mich um, doch er war weg. Wie war das möglich? Es war innerhalb von einer Sekunde passiert, als ich noch seine Anwesenheit spürte. Dennoch fühlte ich, dass er noch in meiner Nähe war.

„Ryan, bitte, ich will dir nichts tun, ich schwöre es. Bitte lass uns nur reden.“, rief ich.

„Was willst du? Hat dich der Professor geschickt? Sag ihm ich werde nicht mehr zurückkommen. Er hat sein Versprechen nicht halten können und so werde ich auch nicht meins halten.“

Ich hörte ihn sehr deutlich und suchte nach ihm auf Bodenlänge, aber er stand auf den Bäumen. Gelassen und ruhig lehnte er seinen Rücken gegen den Baumstamm und seine Füße standen auf einem Ast. Wie war er dort hochgekommen?

„Er hat alles versucht, aber er schaffte es einfach nicht. Er hat sein Versprechen nicht gebrochen, sondern alles gegeben um es erfüllen zu können. Ich verstehe ja deinen Zorn, aber bitte komm mit mir.“

Er sah dass ich ihn entdeckt hatte und im nächsten Moment war er wieder weg.

„Ryan, bitte bleib doch mal stehen.“, rief ich.

Es kam keine Antwort zurück. Als ich mich dann umdrehen wollte, um weiter zu gehen, stand er vor mir. Wir blickten uns direkt in die Augen und ich konnte wiedermal keine Gefühle entdecken. Er war kalt und leer.

Seine Haare waren schwarz-silbrig und etwas lang, sodass er vorne einen kleinen Pony hatte und sie hinten kurz geschnitten waren. Die Augen waren dunkelgrau. Sein Oberkörper war komplett nackt und ich sah seine detaillierten Bauchmuskeln. Er hatte nur eine schwarze Jeanshose an und schwarze Basketballschuhe aus Stoff. Es erinnerte mich noch ein wenig an früher, sind es vielleicht noch seine damaligen Sachen?

„Wo ist dein Oberteil?“, dachte ich laut.

„Das sind meine alten Sachen und was ich an habe, hat dich nicht zu interessieren.“

Er ging an mir vorbei und wollte einfach dreist weitergehen.

„Ryan?“, rief ich entgeistert.

Es kam keine Antwort zurück. Ich lief ihm nach und hielt seinen Arm fest, damit er nicht weglief, doch plötzlich spürte ich nichts mehr und das nur von einer Sekunde in die andere. Dann stand ich auf einem Ast und er war sehr dünn. Ryan blickte auf mich und ich merkte wie der Ast zu brechen begann. Ich verlor das Gleichgewicht und fiel hinunter. Ryan sprang mir nach und ich wusste dass es trotzdem zu spät war. Dennoch griff er nach meiner Hand und wieder landete ich heil auf dem Boden. Was war denn das? Ich hatte wieder dasselbe Gefühl wie gerade eben. Es schien mir, als könne er teleportieren. Deswegen entkam er auch so schnell aus dem Gebäude. Aber wie machte er das?

Mein Herz fing an sich zu beruhigen, sowie auch mein starker Puls.

„Alles in Ordnung?“, fragte er. Seine Stimme war zwar nicht mehr so gelassen, sondern besorgter, aber an seiner Mimik änderte sich nichts.

„Ja, danke.“, seufzte ich.

Sobald ich ihn also berührte teleportierte ich mit ihm. In meiner Tasche hatte ich ein Seil dabei, das sich automatisch schließt, wenn es in Berührung mit einem Gelenk kommt. In schnellen Bewegungen zog ich heraus und schlag es um sein Gelenk. Dann machte ich es an meiner Hand fest.

„Tja, jetzt hast du wohl keine andere Wahl, als mit mir mitzukommen.“

Er teleportierte sich wieder und nahm mich mit. Wir landeten auf einem weiteren Baum, aber dieses Mal klammerte ich mich an ihm fest vor Angst wieder in die Tiefe zu stürzen.

„Wenn du mich wieder losbindest, dann lasse ich dich runter.“

Ich hatte ein wenig Höhenangst, aber nur dann wenn ich wusste dass ich runter fallen könnte.

„Nein!“, erwiderte ich trotz der schwierigen Lage.

„Dann bleiben wir hier oben.“

So ein Dickkopf! Er muss doch wissen dass er ohne den Professor nicht zurecht kommen wird. Er ist in der Zukunft gelandet, genau wie ich und eine Wahl hatte niemand. Etwa man verhungert hier draußen oder man bleibt im Zentrum um als Werkzeug benutzt zu werden.

Mir taten die Beine sehr weh, weil ich ziemlich verkrampft stand. Ryan lehnte sich gemütlich gegen den Baum und wartete geduldig bis ich aufgab. Hätte er ein T-Shirt angehabt, hätte ich mich daran festgehalten, aber ich hatte keine andere Wahl als mich um seinen Bauch zu klammern. Der Ast war schon dünn genug und würde brechen sobald ich mich nach vorne bewegen würde.

Dennoch fragte er nach fünfzehn Minuten wieder: „Gibst du auf?“

Ich warf ihm einen trotzigen Blick zu.

Er schloss seine Augen und versuchte im Stehen zu Dösen. Ich konnte es nicht fassen. Ich stand völlig verkrampft und mit voller Angst auf einem dünnen Ast und er versuchte bei so einer Situation zu dösen.

Doch dann hörte ich Stimmen und tupfte Ryan an. Zwei maskierte bewaffnete Männer kamen auf uns zu. Sie unterhielten sich kurz über Männerthemen und als ich mich dann an einem etwas weiterliegenden kleinen Ast festhalten wollte, brach er ab und fiel hinunter. Die Geräusche hatten ihre Sinne geweckt.

„Hast du das auch gehört?“, fragte der Linke, dem seine Stimme mir piepsig vorkam.

Sie schauten sich konzentriert um und blickten ein Glück nicht nach oben. Dennoch wollte Ryan es wagen nach unten zu springen. Ich hielt ihn zurück.

„Diese Männer verfolgen mich.“, flüsterte ich ihm zu.

„Ich weiß, dass hier einer ist, ich kann dich schon fast spüren.“, lachte der Rechte mit einer spöttischen Stimme.

Sie schauten sich immer wieder um und ich hatte solche Angst dass sie uns entdeckten. Als sie dann genau an dem Baum waren, wo wir oben standen, zog sich mein Magen zusammen.

Aber dann passierte der Fehler. Ryan wollte mir ein wenig Platz machen und dabei riss er ein Stück Baumrinde ab, die auf den Kopf einer der Männer fiel. Beide schauten hoch und erblickten uns. Als sie schossen, standen wir schon längst hinter ihnen und Ryan trat ihnen mit einem geschickten Tritt die Waffen aus der Hand. Das sah gar nicht mal so übel aus, also verteidigen kann er sich offensichtlich. Dann versuchten sie ihn mit bloßen Händen anzugreifen, aber wieder wehrte er ihre Schläge mit begabten Zügen ab. Nach ein paar Sekunden lagen sie schon bewusstlos auf dem Boden. Einfach faszinierend.

„Jetzt hab ich dir schon das zweite Mal das Leben gerettet.“, dröhnte er. Ich schaute verärgert ihn an.

„Das heißt dass du mir einen Gefallen schuldest.“, grinste er und ich wusste schon gleich was er verlangte.

„Auf keinen Fall, du kannst mir auch zehnmal das Leben retten und ich werde meine Aufgabe erfüllen. Ich will nicht scheitern.“

„Wieso willst du unbedingt bei ihm die Sklavin spielen, wo du doch frei sein kannst?“, wechselte er das Thema.

„Weil ich sonst sterben würde.“

„Wie meinst du das?“

„Na, ich kenne mich hier überhaupt nicht aus, ich kenne nichts und niemanden und wie soll ich dort überleben?“

Er dachte kurz nach.

„Manche Dinge muss man eben lernen.“, entgegnete er. „Bitte lass mich frei. Du weißt nicht wie das ist. Ich bin so verärgert, dass ich nicht zurück kann. Es fällt mir sehr schwer ihm in die Augen schauen zu können, bitte.“, drängte er und ich konnte ihn nicht überreden. Er würde solange den Dickkopf machen bis ich endlich losließ. Es brachte nichts, denn dafür war sein Zorn zu groß. Vielleicht finden ihn die anderen und machten sie es besser als ich. Ich konnte ihn einfach nicht festhalten, dafür war ich zu schwach.

Ich nahm sein Handgelenk und machte es los.

„Danke.“, lächelte er zum ersten Mal. Dann blickte er mich noch kurz an und schon war er wieder verschwunden. Ich seufzte.

„Oh ja, ich habe alles nur noch schlimmer gemacht. Ich bin wirklich nicht zu gebrauchen. Das liegt wohl an meiner Schwäche.“

Ich setzte mich auf einen Baumstamm. Wieso kann ich nicht so mutig und stark sein wie die anderen? Ich denke selbst Nova hätte ihn dazu zwingen können.

Als ich in Gedanken war, drückte jemand seine Hand von hinten auf meinen Mund. Ich gab einen Schrei von mir, der leider nicht zu hören war.

„Du bist doch einer von Professors kleinen Lieblingen, oder? Wo ist denn der andere Gauner? Egal, du kommst mit mir, Kleine!“, lachte einer der zwei Männer, die Ryan zusammenschlug. Ich griff nach den herausstehenden Wurzeln und der Mann zog an mir. Als er die Hand von meinem Mund lösen musste, um mich loszureißen, schrie ich los. Ich hoffte das Ryan mich vielleicht noch hören könnte, aber dann müsste er doch nach einigen Sekunden hier sein, oder? Als er mich ohrfeigte gab ich Ruhe, weil mir zunächst meine Wange wehtat. Hinter ihm war sein Partner und sie banden mir meine Hände hinten zusammen. Der Eine griff nach meinem Kinn und drückte es zu sich nach oben. Sein Auge war blau von Ryans Schlag.

„Also Puppe, wo sind deine anderen Freunde?“, wollte er aus mir alles herausquetschen. Ich riss mich von seiner Kinnklammer los und senkte den Kopf. Einige Sekunden schwieg ich und er holte die Hand zum Schlagen aus, doch da griff jemand nach seinem Handgelenk.

„Was zum…?“, stammelte er als er sich umdrehte.

„Der da schon wieder!“, rief der andere.

Ich petzte die Augen zu und hielt den Kopf nach unten. Nur einige Schreie und Wehklagen waren zu hören und das Raufen der Drei.

Plötzlich war es still und jemand band mich los. Als ich wieder die Augen öffnete war es Ryan der vor mir stand.

„Alles klar?“, fragte er.

Ich seufzte schwer und ließ mich dann zu Boden fallen. Ich hatte wirklich gedacht es wäre aus. Immer wenn man mich gerettet hatte, sah ich noch Auswege und Hoffnung, aber hier hatte ich keine.

Erstmals blieb ich einige Minuten dort liegen, um mich beruhigen zu können. Ryan hockte sich zu mir runter und schaute mich an, wie immer mit demselben Ausdruck.

Ich stand auf und fegte den Dreck von meinen Kleidern herunter.

„Das ist jetzt schon das dritte Mal und das in einer halben Stunde.“, fing er an, aber ich versuchte seine Worte zu ignorieren. Da sich mich nicht selbst beschützen konnte wusste ich, deswegen muss er mir das auch nicht noch sagen. „Ich habe mich entschieden doch mitzukommen.“, meinte er und endlich hörte ich mal eine gute Nachricht.

„Grund?“

„Ich hatte über deine Worte nachgedacht, dass ich nicht überleben würde, wenn der Professor nicht wäre.“

„Wieso sagst du das nicht gleich? Nein, zuerst musste ich ja von einem Baum stürzen und dann noch fast von Männern entführt werden.“

Er kratzte sich schämend am Kopf.

„Nun ja, ich komme ja jetzt mit.“

Ich schaute ihn grimmig an.

Dann fasste ich an meinen Mikrostöpsel und verband mich mit dem Professor.

„Ich habe ihn!“

„Gut gemacht, Lou.“, kam eine unbekannte Stimme zurück.

Gemütlich gingen wir aus dem Wald hinaus, stumm. Aber schon bald unterbrach ich die Stille.

„Das tut mir wirklich sehr Leid mit deinen Eltern.“, sprach ich ihm mein Beileid zu.

„Das muss es nicht.“, entgegnete er.

Als wir schon die riesigen Häuser sahen, teleportierte er uns in den Fahrstuhl. Er fuhr gerade in das richtige Stockwerk hoch.

„Was wirst du sagen?“, fragte ich neugierig.

„Keine Ahnung, am liebsten würde ich schweigen, aber ich glaube kaum, dass das möglich sein wird.“

Irgendwie spürte ich dass er Angst hatte dem Professor gegenüber zu stehen, da er einen Angestellten verletzte, als er weglief. Ich denke, wenn mir so etwas zustoßen würde, wäre ich bestimmt auch froh, wenn mir jemand beistehen könnte. Ryan fiel es um einiges leichter, wenn ich ihn unterstütze, denn immerhin kann ich seinen Schmerz verstehen.

Ich tupfte ihn vorsichtig an und er schaute zu mir runter.

„Keine Sorge, ich bin bei dir. Außerdem bin ich dir noch etwas schuldig.“, grinste ich.

Er drehte den Kopf von mir weg und verschränkte die Arme vor sich.

„Nein danke. Ich glaube ich stehe das schon allein durch. Ich brauche keine Hilfe.“

In mir baute sich Wut auf. So ein Trottel, natürlich bräuchte er meine Hilfe, aber anscheinend gab er es nur ungern zu. Ob er es will oder nicht, ich helfe ihm trotzdem. Der Fahrstuhl ging auf und tatsächlich stand der Professor vor uns mit einigen seiner Leute. Wütend und enttäuscht starrte er Ryan an. Ryan blieb immer noch gelassen und ruhig, dieses Mal fand ich es gut, dass er so bedachtsam blieb, denn das unterdrückte seine Gefühle und vielleicht käme es dann auch nicht zum Streit.

„Sag mal spinnst du? Der Tod deiner Eltern war nicht unsere Schuld und das weißt du. Ich habe dir damals ein Versprechen gegeben, aber ich hatte auch wirklich das Gefühl, das es funktionieren würde deine Erinnerungen zu löschen. Aber als du dann aufwachtest und gleich schon den Schmerz wieder in dir spürtest, wüsste ich es dass ich versagt habe, was mir sehr Leid tat. Dennoch habe ich dir einen Auftrag gegeben und ein neues Leben und du bist auch nicht der einzige der in seiner Vergangenheit Schmerzen erleiden musste. Alex zum Beispiel kommt wahrscheinlich nie über den Unfall hinweg, Nova niemals über den Tod ihres Vaters und der Mutter, Jim sein Gesicht ist furchtbar entstellt worden durch ein Unfall, Valerie hatte ihren Geliebten verloren und Lou…“

Ich wusste dass das irgendwann kommen würde. Ich war die Einzige die nie wirklich etwas bereute oder sodass es sich wirklich für immer in mein Herz brannte. Schon als der Professor über Schmerzen sprach und alle Namen aufzählte, fiele ihm nichts bei mir ein. Er dachte nach für einige Minuten und dann seufzte er nur.

„Lou hatte anscheinend noch nie wirkliche Schmerzen gespürt. Ihr Leben verlief ohne einen verbleibenden Kratzer.

„Ja Professor ich habe es verstanden, könnte ich vielleicht in meinem Zimmer allein sein?“

„Du wirst für dein Benehmen aber Konsequenzen tragen müssen und das wird nicht leicht.“

„Nehmen Sie ihn nicht so hart ran, er musste erstmals alles verstehen und vielleicht ist er deshalb weggerannt. Seien sie nicht so böse mit ihm.“, setzte ich mein bravstes Lächeln auf.

Der Professor lächelte dann und meinte: „Na wenn das schon von dir kommt Lou…Ich werde mal darüber nachdenken.“

Er drehte sich um und ließ uns allein.

„Das hättest du nicht tun müssen.“

„Soll ich das so verstehen, dass du mir danken möchtest dafür?“, fragte ich und stichelte ihn mit meinem Ellenboden in seine Seite.

„Ganz und gar nicht. Ich wäre auch ohne dich zurecht gekommen.“

„So was Undankbares muss ich mir wirklich nicht anhören!“, schrie ich und kehrte ihm den Rücken zu.

„Gut.“, entgegnete er und ging auf den Flur zu indem alle Zimmern waren.

Wie kann man wirklich nur so undankbar sein? Dieser egozentrische Trottel denkt nur an sich, Hauptsache ihm geht´s gut. Am liebsten hätte ich meine Klappe gehalten und ihm die härtere Strafe machen lassen. Ich überholte ihn und ging wütend in mein Zimmer. Dort legte ich mich weiter schlafen und wachte erst um ein Uhr nachmittags auf. Die lange Nacht hatte mich wirklich müde gemacht.

Als ich aufwachte zog ich mich an und wartete bis JC ins Zimmer sprang. Nach einigen Minuten geschah es dann auch. Sie schmiss mir Kleidung auf den Schoß.

„Das sind eure neuen Uniformen.“

„Jetzt haben wir auch noch eigene Anzüge, ich hoffe meine Kleidung ist nichts Weites oder Dickes.“

Aber als ich die schwarze Hose in der Hand hatte, merkte ich dass das Linke Hosenbein kurz war. Das andere ging bis zum Fußknöchel hinunter. Es war noch eine kurze schwarze Hotpants aus Baumwolle dabei.

„Haben die da etwas vergessen?“, verkniff ich mir das Lachen.

„Nein, glaub mir, die Hose ist wirklich sehr bequem.“

Ihr Stoff war auch sehr angenehm und bestand aus ähnlichem Material wie Nylon. Es war absolut reißfest, etwas dehnbar und fühlte sich auch teilweise an wie Baumwolle. Dennoch probierte ich sie an mit einer grauen Hotpants zum Überziehen. und JC wartete draußen. Das Oberteil bestand aus mehreren Teilen. Zuerst zog ich ein weißes, etwas längeres Top mit Spagetti-Trägern an. Dann noch rote Weste, wo ich nur einen Knopf zuknöpfte. Nur hatte ich noch keine Schuhe an und bat JC noch einmal kurz wieder herein. Als sie merkte dass sie wieder etwas vergessen hatte, rannte sie gleich los und brachte mir hohe Stiefel, die mir noch bis über die Knie gingen und dieselben Schuhe wie Ryan nur in Weiß.

„Also sagen wir mal die Schuhe die ich dir geben wollte, hatte sich schon Nova geschnappt. Sorry.“

„In den hohen Absätzen hier werde ich mir noch ein Bein brechen. Also nehme ich lieber die Flachen, ich denke die werden mir sowieso besser stehen.“ Ich zog sie an und eigentlich gefiel mir die neue Uniform ganz gut.

„Muss ich die jeden Tag tragen?“, fragte ich und dachte an einen widerartigen Gedanken. Denn irgendwann muss ich andere tragen, damit die dreckige Wäsche gewaschen werden kann.

JC ging zum Schrank und dort lag jedes Teil zehn oder fünfzehn Mal drinnen.

„Und die Schuhe?“

„Die geben wir dir noch. Ach ja, dreh dich mal um.“

Ein Spiegel schob sich vor die Schranktür. Als ich im Spiegel versuchte meinen Rücken zu betrachten, sah ich ein handgroßes Zeichen unter dem Nackenbereich auf der Weste. Es war kreisförmig und innendrinn teilten drei Striche den Kreis in sechs Stücke. In jedem war dann eines unserer Symbole drinnen. Es war bunt und eingenäht.

„Man das ist echt der Hammer!“, jubelte ich.

„Ist das dem Professor seine Idee gewesen?“

„Nein, meine.“, zwinkerte sie mir zu.

„Was machen wir heute?“, fragte ich und wollte unbedingt mit den neuen Kleidern nach draußen gehen.

„Du und Ryan müssen nach Naga. Es gibt Aufträge zu erfüllen, der Professor möchte wieder einige Gegenstände haben.“

„Ryan?“, erschrak ich.

„Ja ich!“, platzte er ins Zimmer rein.

Er trug ein blaues T-Shirt mit einer blauen Weste, die er bis zur Elle hoch krempelte und demselben Zeichen hinten drauf. Die Hose war tatsächlich die gleiche wie gestern, sowie die Schuhe.

„Also mein Zimmer ist im Schnee.“

„Passt zu dir, du bist ja auch eiskalt.“, gab ich zu.

Er schaute mich mit seinem gefühlslosen Blick an, der mir auch ein wenig Angst einjagte.

„Was ist mit Jim und Valerie?“, fragte ich.

„Die müssen dem Professor beim Ausräumen helfen, dabei werden ihre Kräfte beansprucht. Außerdem meinte der Professor ihr würdet euch so gut verstehen, dass er es für das Beste hielt, wenn ihr zusammen arbeitet, weil er dachte das Ryan dir eher vertraut, als den anderen.“

So hatte ich die Sache noch gar nicht gesehen. Es stimmte schon, das Ryan mir zwei Mal das Leben gerettet hatte und sogar auf mich hörte, aber das er mir vielleicht wirklich mehr vertraute, als den anderen war mir nicht bewusst. Vielleicht lag es auch daran, dass er die anderen noch nicht kannte.

„Los, geht! Ihr braucht dafür mindestens einen ganzen Tag.“

 

 

 

 

Kapitel 10 – Wiedersehen in Naga

 

Wir machten uns gleich auf den Weg und ich betrachtete die ganze Zeit sein Gesicht. Es veränderte sich nie.

„Was starrst du mich denn so an?“, fragte er als wir im Flugzeug saßen.

„Ich warte bis sich deine Mimik endlich mal verändert, jeder Mensch kann weinen, lachen, wütend sein oder vielleicht sogar mal seine Mundwickel einfach nur senken.“, protzte ich los.

„Sagen wir mal ich lache einmal, lässt du mich dann in Ruhe, sagen wir mal für immer?“, fragte er und hoffte auf ein Ja.

„Nein, das wäre ja langweilig. Weißt du mit Jim kann man besser reden, weil der auch mal anfängt zu reden, aber du schweigst ja immer wie ein Grab.“

Nach zwei Stunden waren wir in Naga angekommen und ich hatte den Drang Nik wieder zu sehen. Denn immerhin hatte ich es ihm versprochen.

Heute war Sonntag. Es herrschte ein enges Gedränge auf den Straßen, da Markttag war, wie früher. Viele Eaganer und Menschen gingen an mir vorbei. Dennoch drängte ich mich durch sie hindurch. Aber Ryan fasste an meine Schulter.

„Mach mal langsam.“, stoppte er mich.

Jetzt war ich schon teilweise froh, dass er mitkam. Ich ging langsamer und als wir endlich in ruhigere Straßen kamen, erinnerte ich mich an das erste Zusammentreffen mit Nik. Er rettete mich vor den Banditen.

Ich kam endlich an Niks Haus an und wollte am liebsten die Tür aufreißen, aber Ryan hielt mich zurück.

„Hey, was willst du denn machen?“, fragte er.

„Ich hatte jemanden versprochen ihn wieder zu besuchen, das mach ich jetzt auch, warte am besten draußen.“

Er nickte und lehnte sich an der Tür an. Ich klopfte an und schaute ob jemand da war. Es war mal wieder keine Menschenseele zu sehen. Ich schaute hinter die Theke und sah etwas kochen, dennoch keine Eaganer. Nicht einmal seine Mutter sah ich.

Ich würde sehr gerne hoch gehen um zu schauen ob er oben war, aber ich traute mich nicht. Was war wenn sie mich für eine Einbrecherin hielten? Ich drehte mich enttäuscht um und dann hörte ich eine bekannte Stimme.

„Lou?“, rief jemand von oben.

Ich drehte mich blitzartig um und sah Nik auf der Treppe stehen. Ich rannte in seine Arme und wollte ihn am liebsten nicht loslassen.

„Nicht so stürmisch.“, lachte er.

„Mann hab ich dich vermisst.“, sagte ich laut.

„Du hast mir auch gefehlt, aber sag mal bist du allein hier?“, fragte er neugierig und sah nach draußen, wo er auch gleich Ryan entdeckte.

„Ist das dein Begleiter?“

„Ja, er heißt Ryan, aber sprich ihn lieber nicht an.“

„Wieso nicht?“

„Er ist etwas schwierig.“

„Ach Quatsch. Jeder Mensch kann einen Begrüßen.“

Er ließ mich los und öffnete die Tür. Ryan schaute ihn wieder mit seinem gefühlslosen Blick an, wobei Nik ihn höflich anlächelte.

„Hey, möchtest du nicht reinkommen?“, fragte er netterweise. Dennoch hatte ich solche Angst, das Ryan seine Einladung ablehnte, das wäre so unhöflich. Aber ich glaubte Ryan sah in meinen Augen, das ich ausflippen würde, wenn er ablehnte, also ging er mit uns rein.

„Wir sind keine reiche Familie, sowie ich das an Lou und dir sehe, weil die Kleider sehr viel wert sind, aber dennoch fühlen wir uns hier wohl.“

Ich schaute ihn mit einem wütenden Blick an, weil er wieder wie ein Grab schwieg. Er machte sich nichts daraus und blieb weiter stumm.

„Also wir sind hier um weitere Aufträge zu erfüllen und leider muss ich auch schon heute Abend gehen.“, unterbrach ich die angehende Stille.

„Ich verstehe.“

„Möchtest du uns begleiten?“, fragte ich und lächelte ihn liebevoll an.

„Gern, das heißt, wenn er nichts dagegen hat.“

Ryan seufzte genervt und ging zur Tür.

„Solange wir es schnell hinter uns bringen.“

„So ein Muffel.“, brummte ich hinter ihm.

Ich lief neben Nik her und wir erzählten uns alles. Sogar verriet ich ihm ein wenig über meine Arbeit und Ryan gefiel das ganz und gar nicht, denn er hörte von hinten alles mit. Manchmal schaute er mich sogar noch unheimlicher an, wenn ich mich nach hinten zu ihm umdrehte. Deswegen erzählte ich lieber über meine Stärken, Lieblingssachen und wir alberten manchmal etwas rum. Ich fühlte mich bei ihm ganz anders. Sein Lächeln ließ meinen Magen kribbeln, seine Anmut verführte mich regelrecht. Was mir ein fröhliches Gefühl gab. Ich wollte diesen Tag ewig anhalten, ewig mit ihm lachen und einfach immer nur bei ihm sein. Doch dadurch dass ich gebraucht werde und Pflichten habe, konnte ich das nicht tun und wir sahen uns wahrscheinlich erst alle vier oder fünf Wochen. In Naga war es auch sehr angenehm, weil mich die Natur noch ein wenig begeisterte. Die Bäume und Pflanzen waren anders aufgebaut. Ein Tier auf diesem Planeten hatte ich noch nicht gesehen, außer den Hund von Kyle.

Mein Lächeln verblasste, als ich sah dass die Sonne unterging. Wieso musste der Tag auch so schnell schon enden? Es war so toll mit ihm und ich glaubte tatsächlich mich in ihn verliebt zu haben. Er war nett und anders. Wir konnten beide offen über unsere Fähigkeiten reden und auch über die Gefühle. Ich traute mich fast nie so schnell mit einem Jungen darüber zu reden. Dennoch wurde es immer dunkler, unsere Aufgaben waren getan und wir brachten Nik nach Hause. Ich begleitete ihn noch rein und Ryan wartete wieder einmal draußen. Es war keiner da, wir waren allein. Ich schaute in seine Augen und wusste dass er den Abschied genauso schwer fand wie ich.

Doch dann wurde ich regelrecht verführt. Ich spürte wie er meine Hand nahm und sich langsam auf mich zu bewegte. Mein Herz schlug neunmal so schnell wie vorher und mein ganzer Körper kribbelte vor Aufregung. Aber dann spürte ich seinen Atem und schließlich seine Lippen. Sie berührten meine ganze zart und leidenschaftlich. Ich wollte sie nie mehr los lassen, aber als ich merkte das Ryan unruhiger wurde, unterbrach es dieses schöne Gefühl.

„Ich muss los und ich verspreche dir dass ich wieder kommen werde.“, lächelte ich zum Abschied noch und es fiel ihm schwer meine Hand loszulassen. Ich war mit einem roten Gesicht wieder draußen, aber anscheinend hatte Ryan es nicht einmal bemerkt. Wir gingen zügig wieder zum Flughafen und flogen wieder zurück. Ich hatte nichts anderes mehr im Kopf als Nik. Ich starrte träumerisch aus dem Fenster und freute mich schon auf die nächste Begegnung. Aber dann fiel mir Amy ein. Sie war immer die Erste die davon erfuhr. Aber sie gab es nicht mehr. Wie sehr es wieder schmerzte an sie zu denken. Jetzt wo ich wieder das Glück auf Erden spürte, kam auch mit ihr die Trauer. Mir kullerte eine Träne hinunter auf mein Bein.

Ryan bemerkte es und schaute mich zum ersten Mal mit besorgter Mimik an. Mich erstaunte es zugleich, dass er mich so anschaute.

„Wieso…weinst du?“, fiel ihm das zweite Wort schwer.

„Ich denke an meine beste Freundin, sie ist tot.“

„Das wusste ich nicht. Was ist denn passiert?“

„Sie ist gealtert und ich nicht.“

„Verstehe.“

Ich wusch mir die restlichen Tränen aus den Augen und schaute wieder aus dem Fenster.

„Sag mal Ryan, wieso fragst du mich das? Ist es dir denn nicht egal?“

Er senkte den Kopf, wieder mit seiner beliebten Mimik.

„Ich habe früher sehr viel geweint wegen meinen Eltern und ich möchte nicht das auch andere weinen, denn es erinnerte mich immer an damals.“

Manchmal waren seine Augen kalt und undurchdringlich, aber in Momenten wie diesen sah man seinen Schmerz mehr als deutlich. Wie muss es sein zu zusehen wie seine eigene Familie stirbt? Es ist für mich schon schlimm genug, das ich meine Familie nicht mehr sah und weiß sie sind alt gestorben. Aber zu sehen wie sie leiden müssen und dann auch nicht überleben. Ich schüttelte mich heftig, denn an diesen Gedanken möchte ich mich nicht noch einmal erwägen.

Die Fröhlichkeit verflog und ich trauerte nun. Dabei hatte ich mich so sehr darauf vorbereit Nik wiederzusehen, als mir dann Amy in den Sinn kam.

Nach ein paar Stunden landeten wir und ich legte mich müde ins Bett. In den nächsten Wochen konnte ich es kaum erwarten endlich wieder nach Naga zu fliegen, am liebsten wäre ich allein. Vielleicht durfte ich es sogar auch. Dennoch erledigte ich in meiner Stadt noch einige Aufgaben und Pflichten. Es dauerte einige Wochen, doch dann durfte ich wieder nach Naga, allein. Ich konnte in dieser Nacht kein Auge zudrücken, weil ich dazu zu aufgewühlt war. Immer nur war Nik in meinen Gedanken und ich hatte es bis jetzt keinem erzählt, es sei denn Ryan bekam es mit. Ich wollte seine Nähe wieder spüren, sein Lachen hören und seine Lippen fühlen. Ich schaute auf einen eingebauten Wecker in der Wand. Es war erst fünfundzwanzig Uhr drei und in neun Stunden würde es losgehen. Ich zwang mich zum Schlaf, aber wälzte mich nur noch mehr herum. Es war warm und ich deckte mich auf. Wieder blickte ich auf die Uhr: 00:23 Uhr. Es dauerte ewig. Doch als ich mir dann immer wieder Vorstellungen hervor rief und sein traumhaft schönes Gesicht sah, war es so als zählte ich Schäfchen, worauf ich dann auch die Augen schloss und einschlief.

Wieder dieser schrille Klang in meinen Ohren und ich wusste direkt was heute für ein Tag war. Noch bevor JC ins Zimmer gestürmt kam, stand ich fix und fertig vor ihr.

„Was ist denn mit dir passiert? Hast du in der Nacht Energieschübe bekommen?“, lachte sie und begleitete mich noch bis zum Flughafen.

Mein Bauch kribbelte als ich alleine im Flugzeug saß und dauernd an Naga dachte. Endlich sehe ich nach all den Wochen wieder Nik. Wir landeten und ich stürmte durch die ganze Menschenmenge durch. Manchmal wurde ich angeschnauzt, weil ich sie alle zur Seite stieß. Aber als ich endlich das Gasthäuschen wieder sah, schlug mein Herz immer schneller. Als ich den Türgriff anfasste, musste ich kurz durchatmen und stieg dann in die Stube.

Zuerst hörte ich eine weinende Stimme und machte mir Sorgen, weil es sich wie Niks Mutter anhörte. Ich lief hinter die Theke und entdeckte auch zum ersten Mal den glatzköpfigen Vater. Er tröstete seine Frau und schaute dann zu mir hoch, als ich um die Theke schaute.

„Was ist passiert?“, fragte ich mit einem schlimmen Gedanken im Hintergrund.

„Nik ist tot krank.“, schluchzte sie.

„Er hat ein großes Geschwür im Magen und wir können die Arztkosten nicht bezahlen. Er wird sterben, wenn ihm keiner hilft.“, sprach der Vater weiter.

„Nein! Auf keinen Fall, das werde ich verhindern. Wo ist er?“

Er zeigte mit dem Finger die Treppe hinauf. Ich raste die Treppe nach oben und übersprang sogar einige Stufen. Dann platzte ich ins Zimmer hinein und sah ihn auf dem Bett liegen, schon von weitem konnte ich ein hohes Fieber erkennen. Fieber ist kein Problem und das Magengeschwür werde ich auch entfernen. Zuerst lief ich in das kleine einfache Bad und machte einen Lappen nass. Seine Stirn war wirklich sehr heiß und er war anscheinend nicht bei Bewusstsein. Schnell legte ich es ihm auf die Stirn und fuhr mit der Hand über seinen Bauch. Ich fühlte es. Tatsächlich war es ungeheuer groß. Das würde schwer werden, aber ich gebe nicht auf. Nik wird wieder gesund werden, das schwöre ich.

„Ich werde dich nicht aufgeben, hörst du? Niemals werde ich das tun.“, gab ich ihm ein Versprechen.

Ich musste dennoch warten bis das Fieber ein wenig sank, da die Chance besteht das Geschwür besser heilen zu können. Ich atmete tief durch und blieb hoch konzentriert. Als ich merkte dass sein Atem ruhiger wurde, wusste ich, dass jetzt meine Chance gekommen war. Schnell legte ich meine Hände auf seinen nackten Oberkörper, da es mit T-Shirt sonst nicht funktionieren würde. Ich nahm meine ganze Kraft mit dem Glauben ihn heilen zu können. Auch spürte ich eine seltsame Kraft in mir die es tatsächlich schaffte das Magengeschwür kleiner zu bekommen. Manchmal wusste ich dass es ihn schmerzte, wenn ich das Geschwür auflösen wollte, doch er musste durchhalten. Als ich mir immer wieder im Kopf sagte, ihn retten zu können, umso stärker wurde meine Kraft. Das stützte mein Selbstbewusstsein. Nach einer knappen halben Stunde hatte ich es wirklich geschafft ihn zu retten. Ich hatte richtig geschwitzt und meine komplette Kraft war ausgelaugt. Meine Beine waren fast taub und mir fiel es schwer zu atmen. Kleine Wunden zu heilen war für mich kein Problem, aber dieses riesige Magengeschwür zu lösen, war eine echte Herausforderung. Ich sank auf den Boden und konnte nichts mehr bewegen. Alles war taub und geschwächt. Niks Eltern kamen herein, weil sie mein lautes Keuchen hörten.

„Ich…hab´s geschafft.“, stöhnte ich. Doch nachdem Aufwand wurde ich bewusstlos.

Später wachte ich auf und sah als erstes Niks Gesicht. Ich fuhr hoch und starrte ihn an.

„Nik!“, rief ich.

Er nahm mich gleich in den Arm und ich merkte wie sehr er besorgt um mich war. Aber seine Nähe ließ mich alles vergessen.

„Du hast drei Tage geschlafen!“

Was? Drei Tage? Ich sollte doch schon längst am Abend zurückkehren. Der Professor wird furchtbar sauer sein. Ich hatte nicht mal meinen Auftrag erfüllt.

„Oh nein! Ich muss weg hier! Der Professor! Er wird stocksauer sein.“, rief ich nervös.

„Beruhig dich. Dein Freund war schon hier und hatte nach dir gefragt, er hatte einen Tag hier übernachtete, als du dann nicht mehr auftauchtest.“

„Ryan?“

„Genau, der Typ vom letzten Mal.“

Es ist unglaublich. Er kam tatsächlich her, um mich zu suchen, aber vielleicht hatte auch der Professor ihn geschickt. Ich seufzte.

„Weißt du eigentlich dass du mir das Leben gerettet hast?“, meinte Nik und drückte mich noch fester.

„Tut man das nicht so?“

Er lächelte mich liebevoll an und küsste mich wieder genauso wie beim ersten Mal. Dann hörte ich Schritte die nach oben kamen. Ich löste mich von Nik. Ryan platzte rein.

„Mann hast du uns Sorgen bereitet. Der Professor ist ziemlich außer Rand und Band.“, erzählte er etwas neckend.

„Hey, hör mal ich habe drei Tage geschlafen und dazu noch ein Leben gerettet, könntest du bitte etwas freundlicher sein?“, schrie ich los und Ryan schrak nicht einmal zurück, sondern drehte sich einfach um und ging die Treppe wieder hinunter.

Später ging ich mit Nik hinunter und Ryan saß auf einem Stuhl und machte es sich wie immer vollkommen bequem.

„Können wir gehen?“, fragte er lässig.

„Sei nicht so unhöflich!“, versuchte ich meine Wut zu beherrschen. Dennoch wollte ich nicht gehen, da wir nicht einmal etwas unternommen hatten. Es war traurig.

„Wieso unhöflich? Nik kommt doch mit.“, knurrte er.

Ich drehte mich fassungslos zu ihm um.

„Du kommst mit?“, fragte ich immer noch entgeistert.

„Genau!“, grinste er.

„Ryan wer hat das den erlaubt?“, fragte ich.

„Na ich!“

Jetzt verstand ich überhaupt nichts mehr. In meinem Kopf war alles verwirrt und wieso durfte Ryan plötzlich alles bestimmen?

„Pass auf, du hast mir einmal aus der Patsche geholfen und ich finde das müsste ich irgendwie begleichen. Ich werde mir eben eine gute Ausrede suchen, das er für ein paar Tage bleiben kann.“

Ich konnte es einfach nicht fassen was er da sagte. Hatte Nik ihm etwas eingeflößt oder ihn dazu überreden können? Ich war völlig baff. Ryan half mir und das auch noch freiwillig.

Als er aufstand nahm ich ihn in den Arm und drückte ihn feste.

„Vielen Dank, Ryan!“, lächelte ich. Er war zuerst selbst ein wenig schockiert und zog deshalb eine Augenbraue hoch.

„Ähm, Lou, also ich…“, stammelte er nervös, weil er wahrscheinlich sehr lange keinen so engen Körperkontakt hatte sowie eine Umarmung. Ich ließ ihn los als mir es in den Sinn kam, fasste mir schämend an den Kopf mit einem nervösen Lächeln im Gesicht.

„Ach ja, tut mir leid.“

Als wir gehen wollten, kamen mir noch Niks Eltern entgegen.

„Ich danke dir Lou, dass du unseren Sohn gerettet hast. Du hast bei uns etwas gut und bist hier jederzeit willkommen.“, lächelte die alte Eaganerin mir zu.

„Gern geschehen.“, grinste ich.

Wir verabschiedeten uns noch und kehrten umgehend ins Flugzeug zurück. Drinnen saß ich neben Nik und wir schauten zusammen dauernd aus dem Fenster. Immer zeigte er mir Orte von denen er mal gehört hatte oder sogar gesehen.

Ryan saß dagegen auf der anderen Seite und döste während der Fahrt. In zwei Stunden kamen wir an. Als der Professor wieder wütend vor dem Fahrstuhl wartete und dann Nik betrachtete, fiel ihm etwas auf. Es war dieses kleine freundliche Lächeln im Gesicht. Ich merkte wie sein Ausdruck nachließ.

Ryan und ich gingen mit dem Professor in einen Raum und sprachen unter sechs Augen.

„Wieso ist dieser Junge hier? Lou, du weißt doch das nur Angestellte und Vertrauenspersonen hier Zutritt haben und du bringst einfach einen fremden Menschen hierher.“, motzte er los.

„Tut mir leid, aber ihm kann man völlig vertrauen.“

„Er hat uns sehr geholfen, außerdem konnte Lou sein Leben retten und er ist auch ein Noma-Kind.“, trug Ryan dazu bei.

„Ein Noma-Kind? Sehr selten…Aber was hat er dann für eine Fähigkeit?“, fragte der Professor und setzte sich auf seinen Stuhl.

„Nun er kann in allen Knochen und Geweben Schmerzen verursachen, durch Gehirnwellen, außerdem hat eine gute Kampftechnik, so in etwa wie Ryan.“

„Er hat mich gerettet und mir bei meiner Suche nach Jim geholfen.“

„Ach ja, JC erzählte mir davon.“

„Nun gut, aber die streng geheimen Sachen wird er nicht zu Gesicht bekommen, wie zum Beispiel unseren Trainingsraum.“, stellte er Bedingungen auf.

„Vielen Dank, Professor.“, jubelte ich und wollte schon aus der Tür verschwinden, als er mich mit einer Frage zurück hielt.

„Wieso liegt dir so viel an ihm?“

Was sollte ich antworten? Ihm die Wahrheit sagen? Das ich ihn liebte? Nein, wahrscheinlich durften sich Werkzeuge nicht einmal in Menschen verlieben. Sie sind nur dazu da benutzt zu werden und nicht um zu lieben. Der Professor würde sauer sein und wahrscheinlich seine Meinung ändern. Aber was sollte ich ihm sagen? Das er mir das Gefühl gibt, doch ein freier Mensch zu sein? Nein, ich brauchte etwas Besseres.

„Nun, immerhin rettete er mein Leben und half mir aus einer schwierigen Situation zu entkommen.“

„Nur deswegen?“

„Ja.“, log ich und ging aus der Tür.

Ich zeigte Nik mein Zimmer und nacheinander kamen Valerie, Alex, Nova und Jim herein.

Wir sprachen viel miteinander und ich wollte unbedingt Nik auf eine Mission mitnehmen, immerhin besaß er auch Fähigkeiten. Alex mochte Nik anscheinend sehr, weil er ihm ein wenig ähnelte, Jim zog sich zurück und redete kaum, Valerie war absolut beeindruckt von seinen Fähigkeiten und Nova meinte, wenn ich ihn mochte, mochte sie ihn auch. Am Abend war ich vollkommen müde und wir schauten zusammen auf dem Bett fern. Manchmal fielen mir die Augen zu und ich war sogar für einen kurzen Moment eingeschlafen, aber als Nik hustete, bebte unter meinem Kopf seine Brust. Sein Fieber war zwar verschwunden, sowie sein Geschwür, aber trotzdem hatte es noch Nachwirkungen. Seine Kraft war schwach und ausgelaugt. Ich wusste dass es ihm noch schlecht ging, aber er unterdrückte es durch sein Lächeln und die gute Laune. Manchmal wünschte ich mir mehr für ihn tun zu können, immer bei ihm zu sein, wenn er krank war, das ich Tag und Nacht ihn beschützte. Er gab mir wieder Gefühle und durch ihn fühlte ich mich auch wie ein freier Mensch. Es war wie früher, das glückliche Gefühl alles zu haben was man brauchte. Er war mein Leben geworden und er besaß mein Herz. Mehr wollte ich auch nicht.

Als ich viel darüber nachdachte, merkte ich erst gar nicht dass ich morgens auf Niks Brust aufwachte. Ich musste eingeschlafen sein. Doch schon gleich nachdem ich gefrühstückt hatte, ging eine weitere Mission los und der Professor wollte sehen, was Nik so alles drauf hatte. Es gaben zwei dreier Teams Nik, ich und Jim und Valerie mit Nova und Ryan. Alex blieb zu Hause und arbeitete lieber an seinem Training weiter. Endlich fingen wir auch damit an Projekt Benett zu arbeiten, wovon aber nur wir wussten. Nik war es nicht erlaubt darüber Bescheid zu wissen und ich musste leider auch schweigen. Wir fingen unten an und mussten achtzehn Wanzen ab dem ersten Stock bis hoch zum neunten unauffällig platzieren. Ich beschloss dass wir uns aufteilten und jeder drei Stöcke bekam. Das Haus war in jedem Stockwerk gleich, spiegelnde Fliesen, beige Keramiksäulen mit einem roten Teppich der zwischen den Säulen den Flur entlang lief. Wenn wir doch schon mal hier sind, wieso gehen wir dann eigentlich nicht gleich hoch zu Benett? Alle Wanzen waren gelegt worden und ich kehrte vorsichtig wieder nach unten zurück. Die anderen warteten schon. Aber dann bekam Jim ein Notsignal vom Professor durch ein Funkgerät im Ohr.

„Wir müssen schleunigst zurück! Der Professor braucht Hilfe, schnell!“, eilte er und ich geriet leicht in Panik. Was war denn passiert? War jemand wieder eingebrochen? Mein Herz raste immer schneller, als wir uns dem Zentrum näherten. Wir fuhren schon den Fahrstuhl hoch und als sich die Tür öffnete stand dort der Professor mit einem traurigen Gesicht.

 

 

 

 

Kapitel 11 – Zerstörung

 

„Professor, was ist passiert?“, rief Jim panisch. Der Professor winkte uns ohne ein Wort in sein Büro, doch Nik musste leider draußen bleiben.

Noch nie hatte ich den Professor so nieder geschlagen gesehen. Seine Augen waren mit winzigen Tränen gefüllt, als sei etwas Wichtiges gestorben. Er stützte frustriert den Kopf mit dem Arm und schaute uns dann an.

„Ihr müsst sofort nach Naga aufbrechen. Ich kann es euch einfach nicht sagen, es fehlt mir der Mut dazu. Außerdem ist es besser wenn ihr selbst hingeht und die Sache auskundschaftet. Ihr müsst den Fall aufklären und nimmt Nik mit. Für ihn wird es wahrscheinlich am schwersten, aber er muss unbedingt davon erfahren.“

Seine Sätze, die er in Rätseln sprach, machten mir eine enorme Angst. Was kann denn so schlimm sein, das sogar der Professor die Nerven verliert?

Noch mitten in der Nacht flogen wir nach Naga und wir konnten keine Lichter unter uns finden. Hatten sie einen Stromausfall? Es war einfach zu dunkel, als das ich etwas erkennen könnte. Nach einigen Minuten landeten wir, aber nicht im Flughafen, sondern mitten in Naga. Zuerst sah ich nur Umrisse, aber Jim schmiss drei Leuchtpatronen und dann sah ich das Furchterregendste in meinem Leben. Die komplette Stadt war dem Erdboden gleich gemacht worden. Häuser, Fahrzeuge und sogar Menschen lagen in Trümmern oder tot auf dem Boden. Als ich Nik anschaute, waren seine Augen mit dicken Tränen gefüllt. Er schaute auf die Menschen und sogar Eaganer die reglos auf dem Boden lagen. Sie alle waren hilflos, ausgeliefert und hatten keine Chance zu entkommen. Als wir durch die einst kleine Stadt gingen sah ich sogar Menschen die noch aus ihrem Haus flüchten wollten, wobei aber die Trümmer sie aber zuerst erwischten. Wenn ich in die Auge der Kreaturen blickte, waren sie leer, auch voller Angst und waren ungewollt getötet worden. Mir brach es fast das Herz bei diesem Anblick und Nik sagte kein Wort. Niemand tat es. Jeder war so furchtbar erschrocken von diesem Chaos und der Zerstörung, dass sie nur mit einem tränengefüllten Gesicht die Ruinen betrachteten. Dieser Anblick war einfach nur grauenvoll. Ich hatte am liebsten losgeweint, aber der Schock hinderte mich daran. Doch dann lief Nik plötzlich rasend schnell los und verschwand um die nächste Ecke. Ich wusste was er vorhatte und ich betete dass sie noch lebten. Ich rannte ihm nach und dann stand er da vor seinem Haus. Das einst mal friedliche und gastfreundliche Gebäude war komplett zerstört. Nik versuchte die Trümmern wegzuräumen und konnte sich ein wenig hineingraben, aber dennoch gelang er nicht mal zu seinen Eltern. Er wusste nicht einmal ob sie wirklich tot waren oder noch lebten. Als ich dann sah wie er aufgab und einige Tränen auf den Boden tropften, hockte ich mich zu ihm und nahm ihn in den Arm. Ich fühlte mit ihm. Ich weiß noch wie er sagte, dass er sich hier wohlfühlte und es ihm egal wäre, wer seine Eltern gewesen waren. Es machte ihn auch so glücklich Adoptiveltern zu haben. Die anderen kamen dann endlich auch und Ryan und Jim wussten welches Haus das hier war. Nik wühlte noch einige Steine zur Seite, als dann unter den Trümmern ein kleiner blauer Arm hervorschaute. Mein Atem stockte sowie mein Herz auch langsamer schlug. Es war seine Mutter. Sie war wirklich sehr freundlich zu mir gewesen und wollte uns etwas zu essen kochen, aber wir verschwanden dann einige Minuten wieder. Sie bat mich sogar Nik zu heilen und bedankte sich für meine Großzügigkeit. Aber als Nik erst realisierte wer da unter den Trümmern lag, stieß er einen lauten und mit voller Wut gefülltes „Nein“ heraus. Noch nie zuvor hatte ich jemand so Wütenden gesehen. Ich sah schon in seinen Augen dass er nach der Rache strebte, er wollte Gleichberechtigung für den Tod seiner Eltern. Als ich erst merkte wie traurig er dann wurde, fühlte ich mit ihm. Es kam mir so vor als wusste ich alles was in seinem Kopf vorging. Seine Wut, Erinnerungen, Rachedurst und auf der Suche nach Vergeltung. Am liebsten hätte er alles herausgelassen, aber wüsste genau, dass sich an dem Tod nichts ändern würde. Ich küsste ihn auf dem Kopf und wollte den Anblick einfach nicht länger ertragen. Ich stand auf und blickte jeden mit meinem verweintem Gesicht an. Sie alle verzogen mitfühlende Gesichter, sogar Ryan senkte den Kopf.

 

 

 

 

Hinter ihnen war eine zerbrochene Platte die auf zwei zertrümmerte Steine fiel. Ich setzte mich darauf und versuchte den Schock abzuschütteln, aber selbst das ging nicht einmal. Die Erinnerungen hinderten mich daran. Dadurch liefen mir auch weitere Tränen die Wange herunter und Ryan schaute mich mit einem trostlosen Gesicht an. Er setzte sich neben mich und ich starrte immer noch befangen auf den Boden. Ich mochte es nicht wenn Nik traurig war und dann noch darunter so sehr leiden musste. Dadurch war ich selbst benommen und gelähmt. Ich wollte am liebsten die Zeit zurück drehen und diese furchtbare Katastrophe verhindern, aber leider hatte ich die Macht nicht dazu. Ich besaß die Fähigkeit heilen, aber ein Leben wieder zu beleben konnte ich nicht. Wieso ist das so ein furchtbar schlimmes Gefühl, wenn man die Macht nicht dazu hat alles rückgängig zu machen? Wieso musste auch die ganze Stadt zerstört werden und wieso kam niemand zur Hilfe? Alles war still und jeder fühlte mit. Ich hörte nichts mehr, keinen Hilfeschrei, kein Weinen, kein Rauschen, einfach nichts. Es kam mir vor, als wäre die Zeit stehen geblieben. Aber ich musste mich einfach zusammenreißen. Schon einmal hatte ich geweint wegen meinen Eltern und hatte es überwunden.

Aber dieses Schlachtfeld war ganz bestimmt von einer arrangierten Armee. Da war ich mir sicher. Es konnte nur Benett gewesen sein. Am liebsten würde ich den Mann gleich anzeigen lassen, aber ich hatte keine Beweise und ohne sie, kann ich auch nichts ausrichten. Trotzdem musste derjenige sterben, der dafür verantwortlich war. Er hatte über tausend Menschen getötet, wenn ich nicht noch mehr. Ich wollte auch Rache für die ganzen unschuldigen Menschen die gestorben sind. Benett muss bezahlen und zwar mit seinem eigenen Leben. Ich ballte die Fäuste und stand wieder auf. Mit einer entschlossenen Mimik ging ich rüber zu Nik und flüsterte ihm beruhigende Worte ins Ohr. Dann küsste ich ihn wieder auf die Stirn und drehte mich zu den anderen um. Ich nahm meine Mut zusammen und gab zum ersten Mal Befehle bekannt.

„Ihr habt gesehen was dieser Stadt passiert ist und in was für einer Katastrophe es geraten ist. Es sind über tausend Menschen gestorben und ich denke, jeder weiß wer dafür verantwortlich sein könnte. Der Professor befahl uns dieses Gebiet zu auskundschaften. Deswegen schlage ich vor, dass wir in Teams das Gebiet durchforsten. Nova und Valerie nehmen den östlichen Teil, Ryan und ich werden den westlichen Teil auskundschaften und…“ Ich drehte mich zu Nik um, weil ich mir nicht sicher war ob er mit uns kam. Doch dann kniete er sich endlich auf und drehte sich mit entschlossener Mimik um. Ich wusste dass er helfen wollte.

„…Nik und Jim durchsuchen den südlichen Teil. Soweit noch Fragen?“, sprach ich mit einer toternsten Stimme.

Ich wollte nicht mit Nik in einem Team sein, da ich es nicht aushalten würde ihm in die Augen zu sehen. Ich müsste dann seine Wut ertragen und den Schmerz in seinem Herzen, außerdem könnte ich mich dann nicht auf meine Arbeit konzentrieren.

Wir liefen alle gleichzeitig los und durchsuchten alle möglichen Gebiete. Doch dann entdeckte Ryan ein kleines Mädchen, das in einer Gasse saß und vor Angst zitterte. Sie weinte und hielt sich einen Hasen ins Gesicht. Wir gingen langsam auf sie zu und ich kniete mich zu ihr runter. Sie drückte sich noch mehr gegen die Wand und fing an lauter zu weinen.

„Nein, hab keine Angst wir wollen dir nichts tun.“

Aber sie drehte den Kopf von uns weg und bebte immer noch. Ich sah an ihrem Bein eine Kratzwunde und die musste unbedingt geheilt werden, aber ich hatte Angst, dass sie wegliefe, sobald ich sie berührte. Ich nickte Ryan zu und er kniete sich dann auch nach unten, damit das Mädchen nicht so viel Angst hatte. Sie hörte auf zu weinen, als ich versuchte sie zu heilen ohne meine Hand auf ihr Bein legen zu müssen. Es war anstrengend, aber die Wunde war nicht mehr zu sehen. Sie schaute mich mit großen Kulleraugen an und stand dann auf. Wir mussten sie umgehend hier wegbringen und vielleicht war sie sogar eine Zeugin. Ich verhörte nicht gerne Kinder, die außerdem noch selbst Opfer dieses gewaltigen Attentats waren. Dennoch war jede Aussage Goldwert. Ich streichelte zart über ihr schwarzes Haar und sie hatte keine Angst mehr. Dann nahm ich sie auf den Arm und wir liefen schnell zum Flugzeug zurück. Das Mädchen stand noch ein bisschen unter Schock und wir flogen von diesem Schlachtfeld wieder weg. Valerie und Nova fanden eine Maschinenpistole und einen toten Soldaten, der leider keinen Ausweis oder sonstiges bei sich trug. Jim und Nik fanden heraus woher sie kamen und es sah ganz so aus, als wüssten sie auch ungefähr wo ein Stützpunkt wäre.

Wir kamen wieder daheim an, völlig fertig und müde. Jim berichtete alles dem Professor und morgen würden wir dann mehr erfahren was wir nun als nächstes tun würden. Das Mädchen wurde gesäubert und bekam ein kleines Zimmer in der es sich erstmals ausruhte. Ich war völlig fertig von den ganzen Leichen die am Boden lagen, dem Schock, der Wut und mit der Vorstellung das Niks Eltern unter den Trümmern lagen. Nik bekam ein Bett in meinem Zimmer und schlief auch gleich ein. Er war so fertig und traumatisiert von den schlimmen Bildern, dass er am liebsten einfach nur einschlief. Um drei Uhr nachts hatte er einen Albtraum und ich wachte durch die Geschreie auf. Schnell lief ich zu ihm und nahm seine Hand. Er beruhigte sich und ich konnte nicht gehen, sonst fing er wieder an schlecht zu träumen. Also nahm ich mir einen Stuhl und setzte mich neben ihn. Irgendwann nickte ich ein und er hatte keine Albträume mehr. Aber als ich aufwachte, befand ich mich in seinem Bett. Was war passiert? In meinem Rücken hatte ich furchtbare Schmerzen, weil ich wahrscheinlich die ganze Nacht ungemütlich gelegen hatte. Ich war trotzdem immer noch müde und wollte weiterschlafen als dann die Computerstimme sich meldete: „Lou, Nik ist schon hinaus gegangen und hat Sie in sein Bett gelegt, außerdem ist es schon zwei Uhr nachmittags. Möchten Sie aufstehen?“ Ich brummte zuerst, aber dann willigte ich ein und wieder erschienen die hellen Berge und die Wiesen an der Wand. Ich stand auf und zog mich an. Danach setzte ich mich noch ein wenig aufs Bett und wartete bis der erste in die Tür geschossen kam.

JC platzte nach wenigen Minuten hinein und aber diesmal mit einem mitfühlenden Gesicht.

„Ich hab gestern erfahren was mit Naga passierte. Das tut mir so leid, Lou.“

Ich senkte schmerzhaft mein Gesicht.

„Ich meine, wie kommt Nik damit klar? Ich hörte das auch seine Eltern es nicht geschafft hätten.“

„Er hatte Albträume und war ziemlich frustriert. Um so etwas zu überwinden braucht man Zeit und die möchte ich ihm unbedingt geben. Außerdem hat er nun kein Zuhause mehr und ich möchte dass der Professor ihn bei uns aufnimmt. Seine Kräfte sind nützlich.“

Sie überlegte kurz und nickte mir zustimmend zu.

„Lass mich das am besten machen. Ich werde zum Professor gehen und ihn darum bitten. Ich denke kaum, das er es abstreiten wird.“

Sie lächelte mir zu und verschwand schließlich aus der Tür. Nik machte wirklich eine enorm schwere Phase durch. Wenn er weiter so viele Albträume bekommt und später vielleicht auch wieder krank wird, würde ich das einfach nicht länger ertragen. Allein schon der Gedanke an die vielen Toten gestern und dieses stille Schlachtfeld, wo man meinte der Tod würde durch die Straßen spazieren. Benett muss unbedingt aufgehalten werden und er muss für diese Untaten bezahlen.

Einige Stunden später rief mich JC in den Trainingsraum und ich kam so schnell ich konnte. Wir waren allein und wir stellten uns auf eine große Fläche mit weichen Matten.

„Also, zeig mir bitte wie du dein Magnetfeld aktivierst!“, fing JC an und schaute konzentriert auf meine Bewegungen.

Ich rieb die Hände aneinander und direkt umschloss mich ein Magnetfeld.

„Weißt du noch, als am Anfang nur deine Hände magnetisiert waren und du nur durch berühren deiner restlichen Körperteile erst dann ein kompletter Magnet aus dir wurde?“

„Ja.“

„Nun wie viel Zeit kostete das für dich?“

„Ziemlich viel und es dauerte lang bis ich endlich komplett magnetisiert war.“, antwortete ich.

„Wie ist es jetzt?“

„Ich reibe sie aneinander und ich bin dann ein kompletter Magnet.“

„Wie hast du das erreicht?“

„Training?“

„Nein, eher durch häufigere Anwendung und hoher Konzentration. Dadurch dass du in Gefahr schwebtest, war deine Angst riesengroß und du hast dich absolut konzentriert. Auch hat das Training etwas damit zu tun, weil du es dort meistens anwenden musstest. Aber jetzt wollen wir deine Zeit verkürzen. Ich möchte das du nur eine Hand benutzt und innerhalb von wenigen Sekunden ein Feld um dich ist, verstanden?“

Ich nickte leicht. JC setzte sich auf eine aus der Wand herausgeschobene Platte und schaute mir beim überlegen zu. Ich dachte erst nach. Ich darf nur eine Hand benutzen? Wie soll denn das gehen? Erstmals rieb ich meine Hand an allen Körperteilen, Hüfte, Bauch, Bein und noch an anderen Stellen. Nichts funktionierte. Es musste auf nackter Haut passieren. Ich überlegte konzentriert nach. Aber nach langen Überlegungen gab ich schließlich auf und sackte zu Boden.

„JC, das funktioniert doch nie.“, seufzte ich und schnippte ärgerlich in die Hand, als ich einen kleinen Funke in meiner Fingerspitze spürte. Ich fasste mir enttäuschend an den Kopf.

„Natürlich!“ Ich schnipste immer fester und konzentrierter, als ich es schließlich schaffte ein Magnetfeld um mich zu schließen.

JC seufzte erschöpft und kam auf mich zu.

„Du hast ja lange gegrübelt.“, lachte sie erleichtert.

„Trotzdem muss ich öfters schnipsen, damit es funktioniert. Denkst du später wird es einfacher sein?“, fragte ich.

„Bestimmt.“, lächelte sie und entließ mich aus dem Unterricht.

Drei weitere Tage vergingen und Nik hatte immer noch diese Albträume. Ich wollte schon zum Professor gehen und fragen, ob man diese Albträume stoppen könnte, aber schon JC meinte, Gedanken sie eines Menschen Eigentum. Dazu gehören auch Träume. Sie entstehen auch im Kopf und ich denke dass kein Medikament sie aufhalten könnte.

In weiteren Tagen schlief ich immer schlechter, durch Niks Albträume. Ich sagte natürlich keinem dass ich schlecht schlief, denn sonst müsste Nik verlegt werden und das wollte ich nicht zulassen. Er würde weiter schlimm träumen und keiner wäre dann bei ihm. Ich durfte jetzt nicht schlapp machen, sondern ich musste bei Nik bleiben und ihm beistehen, denn das ist das mindeste was ich für ihn tun kann. Vielleicht hören die träume bald auf, wenn er sich beruhigte, aber den Tod seiner eigenen Eltern zu sehen, ist ein Schock fürs Leben. Ich kann nicht unbedingt aus Erfahrung reden, da meine Eltern alt starben und ihnen auch nichts Schlimmes passierte. Dennoch weiß ich wie es ist sie zu verlieren, ohne sie zu sein.

Eines Abends fragte ich behutsam nach Niks Albträumen.

„Sag mal, deine Träume, sind sie schlimm? Ich meine, du schreist manchmal nachts und wälzt dich hin und her. Du schwitzt so sehr, dass ich dir manchmal mit einem kühlen Lappen über das Gesicht fahren muss. Du beruhigst dich nur, wenn ich deine Hand nehme und sie festhalte. Dann schlaf ich meistens mit dem Kopf auf deinem Bett ein.“

Er wirkte ein wenig schockiert, als ich ihm von meinen Qualen nachts erzählte. Sein Körper war angespannt und er schaute mich entblößt an.

„Deswegen sitzt du fast jeden Morgen neben mir und bist völlig fertig. Aber wieso tust du das? Ich meine, wenn ich dir keinen Schlaf gönne, kann ich mich auch in ein Zimmer verlegen lassen. Ich möchte nur das du auch deine Ruhe hast.“

„Nein! Bleib bei mir! Mir geht es gut. Ich wollte eigentlich mehr über deinen Traum wissen.“

Er senkte überlegend den Kopf und schloss konzentriert die Augen.

„Ich habe im Traum furchtbare Kopfschmerzen und es kam mir so vor als würde er platzen. Mein Herz schlug immer schneller und dann hörte ich deine Stimme. Dennoch konnte ich dich nicht sehen und indem Moment ist meistens alles dunkel. In meinem Traum wache ich in einem Krankenzimmer auf und erinnere mich an nichts. Dieser Traum kam immer wieder, aber in der Nacht ging er weiter.“

Er biss sich auf die Lippe und weigerte sich weiter zu erzählen. Er zögerte die Spannung hinaus.

„Erzähl doch weiter!“, drängte ich und schaute ihn liebenswürdig an.

„Eine Ärztin kam zu mir und sagte meine Eltern wären Tod und mir schossen tausend schreckliche Bilder durch den Kopf von Naga und meinen Eltern. Das Schlimmste jedoch war, du standst vor mir, mit einem wunderschönen Lächeln und weißt du was ich sagte?“

„Nein, was denn?“

„Es tut mir leid, aber ich kenne dich nicht.“

Ich wich zurück und war wie gefesselt. Was das vielleicht nur eine Zusammensetzung der Erinnerungen oder träumte er wirklichen von Dingen die vielleicht passieren werden? Nik sagte, dass er immer dasselbe sah. Dann muss es eine Bedeutung gehabt haben, man kann nie sechsmal hintereinander dasselbe träumen. Ich verstand es einfach nicht.

„Weißt du was mich wirklich traurig machte? Dass es sich tatsächlich auch so anfühlte. Ich kannte dich einfach nicht mehr, du warst mir völlig fremd.“

Ich schluckte.

„Die Angst die ich verspürte dich zu vergessen und dann zu verlieren, machte mich nicht nur ängstlich, sondern auch wütend.“

„Dein Traum macht mir Angst.“, murmelte ich.

 

„Sir? Olivia möchte sie sprechen.“, flüsterte der kleine Mann Benett ins Ohr.

„Lass sie rein, Karl.“, bat er ihn.

Der Aufzug ging auf und Olivia kam zum Vorschein. Mit einem stolzen Gang und einem finsteren Lächeln ging sie auf ihn zu.

„Olivia, du wolltest mich sprechen?“, fragte er.

„Oh ja, Herr, es gibt da nämlich ein Ungezieferproblem.“

„Welches?“

„Nun, eine kleine dumme Göre namens Lou, stellt sich in unsere Pläne. Sie konnte zweimal entkommen und JC half ihr zu Flucht.“

„Du meinst die Kleine, die auch in Naga gesichtet wurde und zum Professor gehört?“

„Genau!“

Benett senkte nachdenklich den Kopf und suchte nach einer Lösung.

„Sie ist auch einer der sechs, nicht?“, fragte er.

„Ja. JC wollte sie um jeden Preis beschützen. Außerdem gehört Nova auch zu ihnen.“

„Du meinst…“

„Ja, so ist es. Wir müssen diese kleine Göre unbedingt beseitigen, denn sie ist am wichtigsten. Ihre Fähigkeit zu heilen ist enorm, außerdem habe ich gehört, dass sie sogar ihre mächtige Energie anderen übertragen kann. Einer meiner Männer hatte beobachtet, wie sie auf Nova ihrer Schulter ihre Hand legte und Nova ihr Schild noch stärker wurde. Sobald dieses Mädchen tot ist, hat die Gruppe keine Chance zu gewinnen. Nova wird ihr Schild nicht lange halten können, höchstens einige Minuten und dann ist es vorbei mit den restlichen fünf.“

„Es ist einfach unglaublich, dass nur ein kleines Mädchen zwischen all dem steht. Muss ich mir sonst noch irgendwelche Gedanken machen?“

„Nun, sie haben Nikita und seine Kräfte könnten uns auch behindern.“

Er beugte sich erschrocken nach vorne.

„Du meinst, der Nikita aus Naga?“

„Ja.“

Er fasste sich an sein Kinn und grübelte weiter nach.

„Nun, das könnte ernst werden. Nikita muss auch sterben, denn er stellt eine große Bedrohung da. Außerdem starben auch seine Eltern, denn so viel ich gehört hatte, gab es keine Überlebenden dort. Und das er noch lebte, war wohl Glück.“

„Wie soll ich vorgehen?“

„Nun, lassen wir den Jungen vorerst weg. Konzentrieren wir uns einfach auf das Mädchen. Am besten wir stellen eine Falle auf. Und ich weiß auch schon wie.“, grinste er siegessicher.

„Ich wusste dass Ihr einen Plan habt, Herr.“, lachte Olivia spöttisch.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 12 – Entführung

 

 

Ich schlief die Nacht wieder schlecht, weil Nik wieder träumte und mir am nächsten Morgen, erzählte das es wieder der gleiche gewesen sei. Ich hatte Angst, denn solche Träume sind einfach nicht normal. Vielleicht hat es auch etwas mit seiner Kraft zu tun, aber das glaubte ich weniger, denn wir ähnelten uns in dieser Beziehung und ich hatte nie Albträume.

Seit Tagen gab es einfach keine weiteren Anzeichen von Benett, Neuigkeiten von Naga oder den Männern die es zerstört hatten. Ich wurde ungeduldig und versuchte es zur unterdrücken durch stundenlanges Training. Manchmal verbrachte ich sogar bis zu neun Stunden. Zwischendrin döste ich ab und zu auch oder schaute im Zimmer fern, aber sonst war ich immer am Trainieren. Meine Konzentration wurde stärker und besser und konnte nun nur mit einem festen Schnippen ein komplettes Magnetfeld um mich schließen. Nachdem endlich etwas passiert, rief der Professor alle zusammen, auch Nik.

„Wir haben einen Hilferuf erhalten aus einem Krankenhaus.“, erklärte der Professor.

„Du meinst jemand ist so schwer verletzt, das er Lous Fähigkeit braucht?“

„Nun ja, nicht nur ihrer. Sie brauchen alle. Ihr seid schon seit Tagen hier und hattet nichts tun können, also begebt euch einfach dort hin, ich denke jeder wird seine Aufgabe erhalten. Das Krankenhaus ist wirklich sehr wichtig und deswegen wäre selbst die kleinste oder leichteste Aufgabe von Nutzen. Gebt einfach euer Bestes.

Wir fuhren gleich los und waren auch schon wieder durch USG schnell dort. Hier war einiges los. Eine schwarzhaarige und junge Frau kam auf mich zu.

„Du musst Lou sein.“, lächelte sie mich freundlich an.

„Ja, genau.“

„Gut, für dich haben wir schon gleich eine Aufgabe. Am besten du gehst einfach in das siebte Stockwerk, dort triffst du in Zimmer dreitausendsiebzig einen Mann der an der Tür steht, er hilft dir weiter.“

Ich ging die Treppen hoch und die junge Frau führte den Rest woanders hin. Mit einem Aufzug landete ich schnell oben und tatsächlich wartete ein Mann oben auf mich. Er hatte leichte Stoppeln um den Mund, war zwischen vierzig und fünfzig Jahren und trug eine runde Brille.

„Lou?“

„Ja?“

„Mitkommen!“, bat er und wir gingen durch einige Gänge. Irgendwann nahm das Gedränge ab und mir kamen viel weniger Menschen entgegen. Ich fühlte mich unsicher. Mein Magen kribbelte etwas, als dann nur noch ich und der alte Mann durch stille Gänge gingen.

„Wann sind wir denn da?“, fragte ich und mir war das alles nicht ganz geheuer.

„Gleich da vorne.“

Ich sah eine massive Tür aus Stahl und er öffnete sie, als er einen Hebel hinunter drückte. Mit schweren quietschen öffnete sie sich und ich schaute erstmals vorsichtig hinein. Doch dort war nichts. Kein Patient oder wo ich hier etwas tun könnte. Der Raum war leer, aber als ich die Sitzbank entdeckte, wusste ich was hier los war. Doch leider war es schon zu spät. Der alte Mann schubste mich hinein und prallte die Tür zu. Ich stand nun in einem kleinen Raum, als ich über mir eine Kamera entdeckte. Na toll, ich werde sogar beobachtet. Ich setzte mich hin und versuchte gelassen zu bleiben. Wieso bin ich einfach nicht hinter ihm stehen geblieben und hätte einfach Nick mitnehmen sollen. Vielleicht wurden sie auch eingesperrt. Ich seufzte traurig und wartete bis jemand ins Zimmer herein kam.

Nach einigen Stunden hörte ich das Quietschen einer Tür und eine Frau betrat den Raum. Das glaubte ich jetzt nicht! Wieso ausgerechnet Olivia!

„Na? Hast du mich vermisst?“, lachte sie finster.

Ich blickte sie wütend an. Zuerst wurde die Tür hinter ihr zu gemacht und dann stellte sie sich vor mich. Mit meinen Augen suchte ich überall nach etwas metallischen, aber sie trug nichts davon. Ich konnte mich wieder einmal nicht wehren.

„Du brauchst dich nicht zu bemühen, Lou. Ich habe extra wegen dir nur Sachen angezogen, gegen die du deine Kräfte nicht einsetzen kannst. Aber erstmals müssen wir dich aus diesem Krankenhaus befördern. Auf einem Landeplatz wartete ein Flugfahrzeug auf uns, komm, folge mir.“

Sie dachte tatsächlich, dass ich mit ihr gehen würde, aber ich blieb regungslos auf der Bank sitzen und verschränkte trotzig meine Arme vor der Brust.

„Ach so, das war mir gleich klar. Naja, dann muss ich dich eben zwingen!“, rief sie und band mir merkwürdige Fesseln um, die sich um meine zwei Handgelenke banden. Ich konnte meine Hände weder berühren, noch auseinander ziehen.

Am Arm trug Olivia ein merkwürdiges Armband, das die Fesseln kontrollieren konnte und die sich dann davon anziehen ließen. Ich schnipste ein paarmal, aber nichts funktionierte. Als wir aus der Zelle waren, fand ich eine stählende Tür und schnipste wieder mehrmals.

„Merkst du nicht, dass dir diese Fesseln deine Magnetkraft entzieht? Du hast keine Chance dich irgendwie zu wehren.

Ich fing an zu schreien, aber es hörte mich niemand. Aber ich versuchte es immer weiter und hab einfach nicht auf.

„Dich wird auch niemand hören!“, rief sie genervt und ging ruhig weiter.

„Doch irgendjemand wird mich schon hören!“, trotzte ich, obwohl ich schon wusste, dass die Hoffnung verloren war.

Irgendwann schrie ich mir die Stimme aus dem Leib und wurde immer heiser. Mir brannte es furchtbar im Hals, aber ich gab einfach nicht auf. Wenn Olivia es schaffte mich hier wegzubringen, dann war alles verloren. Ich musste einfach alles geben, denn dann musste ich gerettet werden. Ich konnte glauben, dass alles verloren war, nicht jetzt. Doch als ich noch einmal schluckte und meine ganze Kraft auf die Stimme konzentrierte, passierte etwas Unglaubliches. Ein furchtbar heller und schriller Schrei durchlief alle Gänge. Olivia drehte sich ruckartig um und hielt mir den Mund zu.

„Das verstehe ich nicht, du warst doch heiser, wie kommst du zu so einem hellen Ton?“, fragte sie erschrocken und ihre Schritte wurden schneller. Aber dann hörte ich ein schnelles trippeln auf den glatten Fugen.

„Hierher!“, rief ich und schrie in einem lauten Ton. Dann sah ich Ryan und Nik um die Ecke flitzen. Meine Augen begannen zu funkeln. Ich wusste dass sie es schafften. Olivia riss an meinem Arm und lief den Gang schnell weiter entlang, aber dann stand schon Ryan vor ihr. Er war so verdammt schnell durch seine Teleportation. Doch dann schlug Olivia auf Ryan ein, er konnte es abwehren, aber irgendetwas machte ihm schwer zu schaffen, sodass er mit viel Kraft seine Stellung halten musste. Ich war mir sicher dass dieses Armband dahinter steckte. Zuerst holte sie wie aus dem Nichts dieses Fesseln hervor, die dann auch noch davon angezogen wurden und jetzt entzog sie etwas Ryans Kraft oder baute enormen Druck auf. Ich musste etwas tun, da er es sonst nicht lange halten könnte. Zuerst hob ich die fesseln und schlug, damit mit voller Wucht auf das Armband. Es schien nur einen Kratzer abzubekommen, aber Ryan konnte sich aus der Situation befreien. Nik kam auch endlich an und schlug auf Olivia ein, aber die schlug zurück und Nik flog fast wieder den ganzen Flur zurück.

„Nik!“, schrie ich und es sah fast so aus, als ob er bewusstlos sei, aber dann stand er wieder auf und rannte zu uns. Olivia schaffte es mit geschickten Zügen Ryan auf den Boden zu zwingen, wo er dann erschöpft lag. Dann riss sie mich weiter und öffnete eine Tür. Ich sah das gigantische Flugfahrzeug und Olivia rannte so schnell sie konnte darauf zu. Mit den Füßen wollte ich ständig bremsen, aber es war einfach zu stark. Dann öffnete sich eine Klappe, wo wir gleich hinauf stiegen. Ich sah hinter mich und sah Ryan angelaufen kommen. Wieso teleportierte er sich einfach nicht? Vielleicht hatte er die Kraft nicht dazu, denn er war sehr geschwächt. Das Flugfahrzeug hob ab und Ryan stand unter mir. Er blickte zu mir hinauf und konzentrierte sich ein letztes Mal. Dann stand er vor Olivia und wollte sie von der Klappe schlagen, dennoch hielt sie sich noch knapp vor dem Abgrund. Ryan kam auf sie zugelaufen, aber mit einer kurzen Handbewegung fiel er von der Ladefläche.

„Ryan!“, schrie ich mit tränengefüllten Augen.

Das Flugfahrzeug war schon zu hoch, als das er dies überleben könnte. Vielleicht konnte er sich durch Teleportation retten, dennoch konnte ich nichts sehen, da sie schon zu war.

„Deine kleinen Freunde sind keine Gegner für mich. Merk dir das!“, lachte sie siegreich.

Ich senkte hoffnungslos den Kopf. Am liebsten hätte ich geweint, weil nun alles verloren war. Wie konnten mich nun Ryan und Nik finden? Diese Stadt ist einfach viel zu groß, als das sie jedes Flugzeug kontrollieren könnten. Wäre ich nicht so dumm gewesen und hätte die Falle früher bemerkt, dann müssten Ryan und Nik mich nicht retten können. Vielleicht hatte Ryan es wirklich nicht überlebt und alles meinetwegen.

Mir kullerte eine Träne die Wange hinunter.

„Bringt sie in eine Zelle. Der Boss wird bestimmt höchsterfreut sein.“, lächelte sie stolz.

Zwei Männer mit grünen Plastikmasken brachten mich in meine Zelle, wo ich mich erstmals beruhigen musste. Was hatten sie eigentlich mit mir vor? Brachten sie mich vielleicht sogar zu Benett? Ich hatte Angst, aber nicht um mein Leben, sondern viel mehr um das Wohlergehen der anderen. Wenn Ryan die Teleportation nicht geschafft hatte, war er höchstwahrscheinlich tot und das alles weil ich einfach nie aufpasste. Egal wo ich war oder was ich machte immer steckte ich in brenzligen Situationen. Jeder musste mir helfen und nie rettete ich ein Leben. Wahrscheinlich war ich einfach nur nutzlos und unbedeutend. Schon allein an dem Gedanken dass ich ein Werkzeug war, machte mich nicht mehr wertvoller als ich es schon war. Vielleicht war es sogar besser so, wenn ich ihnen ab sofort nicht mehr im Weg stünde. Bestimmt kommen sie besser klar ohne mich.

Nach einigen Minuten merkte ich wie das Flugzeug landete. Ich wartete darauf, dass die Tür aufging. Bald trat Olivia wieder ein und aktivierte ihr Armband. Ich folgte ihr ohne zu trotzen, da es sowieso nichts brachte.

„So gefällst du mir viel besser, Lou, wenn du dich nicht ziehen lassen musst und endlich mal deine Klappe hältst. Außerdem denke ich sind deine Freunde besser dran ohne dich, also mach dir keinen Kopf um deinen toten Freund. Er hatte es sowieso verdient zu sterben, denn gegen mich kann man einfach nicht gewinnen.“, grinste sie zum Schluss.

Ich musste die Nerven behalten nicht auszurasten. Ich mochte es ganz und gar nicht, wenn jemand so über meine Freunde dachte.

Wir spazierten durch einen riesigen Platz, wo viele andere Flugfahrzeuge standen und einige Soldaten in den gleichen Uniformen wie die zwei Männer mit den grünen Helmmasken. Wir stiegen in einen Fahrstuhl und brauchten einige Minuten, bis wir oben in einem stillen Saal landeten. Er unterschied sich sehr von den anderen Räumen. Doch auf dem Thron saß ein Mann mit fixiertem Blick auf mich. Mein Körper bebte und meine Hände schwitzten wie verrückt. Ich ging langsamer, aber Olivia drückte immer weiter nach. Bald darauf stand ich vor ihm und blickte in seine finsteren Augen. War das Benett? Ich hatte mir ihn viel älter vorgestellt.

„Ist das die Heilerin?“, fragte er gespannt.

„Ja, Sir.“, antwortete Olivia und kniete sich vor ihn hin.

„Sehr gut gemacht Olivia. Ich wusste dass meine Falle geklappt hatte und dass sie dem Professor seinen Befehlen nicht widerstehen kann.“

Ich hatte mir schon gedacht dass es eine Falle sei. Aber was haben sie nun davon, wenn sie mich hatten?

„Hast du eigentlich gewusst, Lou, das du der Schwachpunkt warst deiner kleinen Gruppe? Ohne dich sind sie im Kampf machtlos. Du warst nämlich diejenige, die den anderen ihrer Kraft wiedergab, wenn sie schwach wurden. Du kannst alles heilen, was ein Arzt mit Operationen durchführen muss und du kannst es indem du die Hand auf die verwundete Stelle legst. Selbst im Kampf kannst du dich verteidigen und ich denke genau das ist dir nicht einmal aufgefallen.“

Er schaute noch genauer in meine Augen, als könnte er in ihnen alles lesen was ich im Moment fühlte.

„Deine Augen verraten mir, dass du genau das Gegenteil dachtest. Du hast nämlich Angst keine Hilfe darzustellen und bist eher nutzlos, als brauchbar im Kampf. Dennoch sieht man wie sehr man sich doch irren kann. Du hättest eben besser auf dich Acht geben müssen und hättest nicht so unvorsichtig sein dürfen. Aber genau das machen die Menschen doch heutzutage. Sie sind zu gerissen und dabei völlig unvorsichtig. Genau wie bei unseren Feinden, den Eaganern.“

„Das stimmt nicht!“, schrie ich auf und wusste sofort, dass er die Armee angezettelt hatte, um Naga zu zerstören. Er hatte Niks Familie getötet und tausend andere Menschen. In mir baute sich eine enorme Wut auf.

„Ach ja, das mit Naga, das war ich. Dieses dumme kleine Dort stand mir eben im Weg und es musste dann beiseite geschafft werden.“

Ich merkte wie meine Moleküle sich so schnell bewegten, dass eine gewaltige Hitze in mir erwachte. Es war dann so heiß und ich hatte eine solche Wut, dass ich meine Hände kraftvoll auseinanderzog und dann zerbrachen die Fesseln. Olivia und Benett erschraken fürchterlich. Olivia wollte wieder nach mir greifen, aber ich schnippte schon und dann flog sie Meterweit gegen die Wand.

„Das ist unmöglich. Mein Armband müsste ihre magnetische Kraft doch aussaugen, wieso…“, sie fiel in Ohnmacht und ich beugte mich über Benett. Er starrte mich ängstlich an und sprang vom Stuhl. Dann lief er weg und blieb irgendwann stehen.

„Ich laufe doch nicht vor einem kleinen Mädchen weg.“, lachte er und drehte sich um und in seiner staute sich Strom.

„Ihr seid nicht die einzigen mit Kräften!“

Langsam ging ich auf ihn zu und als er bereit war anzugreifen, stürmten wir beide aufeinander los. Wir griffen beide, nach den ausgestreckten Händen und dann prallten wir beide voneinander ab. Ich flog meterweit und landete schließlich mit dem Rücken. Der Knall der dabei entstand, hörte sich wie ein Gewitter an, ein lautes unüberhörbares Donnern. Ich stand wieder auf und rannte zum Fahrstuhl. Dann fuhr ich damit hinunter, bevor Benett etwas bemerkte. Ich wollte ihn töten, aber leider reichte meine Kraft dafür nicht aus. Mir fiel es schon schwer meine Beine zu bewegen und ich hatte Angst es nicht zu schaffen hier heraus zu kommen. Ich landete wieder in dieser riesigen Halle mit den gigantischen Flugzeugen. Auf einem fiel mir etwas merkwürdiges auf, ganz groß stand dort eine Abkürzung NKR. Es unterschied sich von anderen sehr. Jedoch waren noch überall diese bewaffneten Männer mit den grünen Masken. Einige von ihnen trugen noch einen passenden Anzug. Ich versuchte aufrecht zu stehen, obwohl meine komplette Energie verbraucht war. Dann zielten sie auf mich und ich versuchte ein Magnetfeld aufzubauen, weil ich wusste, dass die Kugeln aus Eisen waren. Es klappte nicht und ich wusste, dass dies hier mein Ende war. Es gab einfach keine Chance zu fliehen. Als ich auf die Knie fiel und heftig atmete, kamen die Männer schrittweise auf mich zu und engten mich ein. Wenn ich es jetzt nicht schaffe, werde ich wahrscheinlich wieder versagen und nie nach Hause zurückkehren. Außerdem muss ich den anderen helfen, denn ohne mich sind sie schließlich geliefert. Ich hasse mich dafür, dass ich so naiv und mit diesem ohne eine Begleitperson mitgegangen bin. Würde ich bloß nicht immer denken, dass ich auch ohne Hilfe zurecht käme, dann wären meine Probleme weniger. Ich muss endlich einsehen, dass ich mich alleine nicht verteidigen kann und eben Hilfe brauche. Aber um diesen Schlamassel wieder gut zu machen, muss ich mich jetzt zusammenreißen und alles geben, selbst wenn ich danach in Ohnmacht fiele. Ich nahm meine ganze Kraft und stemmte mich wieder auf. Dann schnipste ich so lange, bis ein Magnetfeld aufgebaut wurde. Ich lief durch die Männer hindurch und sie schossen. Dennoch prallten die Kugeln an mir ab. Ich entdeckte ein Auto und sprang schnell hinein, eine Computerstimme meldete sich.

„Codename?“

So ein Mist, dieses Auto ließ sich nur durch einen Codenamen aktivieren. Was sollte ich denn sagen? Es könnte vieles sein. Ich wurde vollkommen nervös und die Männer kamen immer näher.

„Benett?“

„Falsches Passwort.“

Was mochte denn Benett noch? Ich hatte mit ihm nur einige Worte gesprochen und mir viel einfach nichts auf, was ein weiteres Passwort seien könnte. Ich wusste nicht einmal wie seine Organisation hieß. Das war’s! Die Soldaten waren mir im Nacken und mir fiel einfach kein Passwort ein. Ich käme hier nie heraus und alles weil ich so naiv war.

„Bitte, fahr doch einfach.“, schluchzte ich verzweifelt und schlug meinen Kopf auf das Lenkrad.

„Passwort bestätigt!“

Ich blitzte auf. Ich hatte das Passwort herausgefunden? Der Motor fuhr an und die Stimme fragte mich wieder wohin es gehen solle.

„Zu Professor Elius?“

„GD8 und GD9, wir wünschen ihnen eine angenehme Fahrt.“ Ich spürte wie das Auto sich bewegte und der Motor heftiger wurde, sowie die Düsen. Ich schnallte mich an und sah den Männern nach wie sie mir nachschauten. Dann fuhr das Auto wieder mit Überschallgeschwindigkeit und in einigen Sekunden waren wie am Ziel. Die ganze Aufregung und Angst hielt mich noch zusammen, doch als ich erleichtert die Tiefgarage wieder erkannte, brach zusammen. Ich musste mich aus dem Auto bekommen. Das Dach ging auf und die Tür auch. Ich zog mich noch mit letzter Kraft hinaus und wollte nach Hilfe schreien, doch selbst dazu war ich zu schwach. Ich dachte an Ryan, weil ich Angst hatte nach Hause zu kommen und zu hören, dass er es nicht überlebt haben sollte. Nicht Ryan, er hatte mir so oft aus der Patsche geholfen und ich konnte mich nicht einmal revangieren. Ich konnte einfach nicht glauben, dass er tot war.

„Ryan,…“, schluchzte ich und mir liefen Tränen hinunter.

Danach blieb ich einige Minuten noch auf dem kalten Boden liegen und hoffte auf Hilfe, jedoch wurde ich immer schwächer und wollte mich noch mit letzter Kraft bei Bewusstsein halten. Aber dann hörte ich ein Zischen und schnelle Schritte.

 

„Lou!“, schrie jemand von weitem und diese Stimme kannte ich. Es war ein Junge, aber ich erkannte ihn einfach nicht. Selbst zum Denken war ich zu schwach und als ich vor mir diese schwarzen Basketballschuhe sah, fiel es mir wieder ein. Dennoch war ich schon längst bewusstlos geworden.

 

 

 

 

Kapitel 13 – Ein gelobter Lord

 

 

Als ich aufwachte befand ich mich wieder in meinem Zimmer. Ich schaute zu den Wolken hinauf und wollte erstmals liegen bleiben und nachdenken was passiert war. Ich war bei Benett und floh mit letzter Kraft mit einem seiner Autos. Als ich ankam, hatte ich einfach keine Kraft mehr mich zu bewegen. Jemand hatte mich gefunden und es war Ryan. Nur einer hatte diese Schuhe an und auch diese sonderbare Stimme. Doch wie fand er mich? Vielleicht hatten sie sogar in der Tiefgarage Kameras installiert, sodass sie mich entdeckten. Aber wieso kam dann nur Ryan und nicht die anderen?

Es klopfte an der Tür.

Ich drehte meinen Kopf zur Seite und JC kam mit Nik herein.

„Lou!“, schrie sie frohlockend.

„Du musst mir alles erzählen was passiert ist. Du warst völlig fertig als wir dich fanden und der Professor meinte, wenn Ryan dich nicht rechtzeitig gefunden hätte, wärst du an Energieverlust gestorben.“

„Tatsächlich?“, lächelte ich.

Sie nickte. Nik und JC setzen sich zu mir ans Bett und erzählte ihnen alles was passierte. Über Benett, das er Naga zerstörte und auch tausende von Soldaten losschickte. Sogar das ich ihn fast umgebracht hätte durch meinen Wutanfall. Über die Flucht musste JC lachen, da ich das erste Mal alleine in einem Auto saß und es schaffte nach Hause zu gelangen.

Als ich später etwas aß, damit ich wieder zu Kräften kam, legte ich mich wieder in mein Bett, da mir ein wenig der Kopf wegtat. Da öffnete jemand vorsichtig die Tür. Ich bemerkte es zuerst nicht, aber als ich dann im Augenwinkel eine blaue Jacke erkannte, drehte ich mich ruckartig um.

„Ryan!“

„Wie geht´s dir?“, fragte er mit seiner gelassenen Stimme. Irgendwie vermisste ich das an ihm am meisten. Früher hatte ich mich immer über seine kühle Art beschwert, aber erst jetzt merkte ich wie sehr sie zu ihm passte.

„Ich kann nicht klagen.“

Es war kurz still und ich überlegte die ganze Zeit ob ich fragen sollte, wie er den Sturz überlebte und wie er mich so schnell fand und dann auch noch rechtzeitig.

„Ryan, kann ich dich etwas fragen?“

Er blickte mich zuerst etwas erschrocken an, aber dann sah er mein besorgtes Gesicht.

„Sicher.“
„Wie hast du den Sturz überlebt? Ich hatte solche Angst, das du nicht mehr hier wärst, denn das könnte ich mir nie im Leben verzeihen.“

Ich musste versuchen die Gedanken und die Tränen zu unterdrücken, denn ich konnte mir bildlich vorstellen, wie es wäre ohne ihn zu sein.

„Nun ja, ich benutzte eben Teleportation. Trotzdem wunderte es mich, dass ich es noch schaffte mich ein weiteres Mal zu teleportieren, da meine ganze Kraft fast verbraucht war.“

„Und wie hast du mich so schnell gefunden?“

Er senkte den Kopf, als schämte er sich die Antwort preis zu geben. Zuerst seufzte er und dann schaute er mich wieder mit seiner gelassen Mimik an.

„Ich weiß, das wirst du mir wahrscheinlich nicht glauben, aber ich hatte gespürt, dass du in der Nähe warst. Außerdem hatte sich mein Name mit deiner Stimme in meinem Gedächtnis abgespielt. Ich wusste irgendwie das du nicht oben seien konntest und da in der Tiefgarage niemand überwacht, begab ich mich schnell dorthin und fand dich auf dem Boden liegend. Ich konnte es mir auch nicht erklären, aber ich denke die Hauptsache ist doch, das du noch lebst.“

Irgendwie konnte ich mir einfach nicht vorstellen dass er log. Wieso sollte er auch, er hatte keinen Grund dazu. Außerdem meinte JC, das Ryan in mir ein größeres Vertrauen hätte, als zu den anderen. Vielleicht lag es auch daran, dass ich überzeugte zum Professor zurückzukehren. Obwohl wir uns oft stritten oder ich manchmal seine kühle Art verabscheute, hatte ich ihn trotzdem gern. Manchmal gab er mir sogar das Gefühl ihm alles erzählen zu können.

„Ich glaube dir.“

„Wieso?“

„Ich kann es selbst nicht beschreiben, aber etwas sagt mir einfach, dass du nicht lügst. Es würde nicht zu dir passen mich anzulügen, finde ich.“

Von meiner Antwort war er ein wenig verwundert und zog eine Augenbraue hoch.

„Hörst du eigentlich immer auf dein Gefühl?“

„Irgendwie schon.“, lachte ich.

Später ging Ryan aus meinem Zimmer und meinte morgen gäbe es wieder Arbeit für uns. Wir werden in Dreierteams geschickt, Nova käme noch mit.

Als ich mich gerade schlafen legen wollte, klopfte es wieder an der Tür und so langsam ging mir das voll auf die Nerven. Nova trat ein. Ihr Gesicht wirkte nervös und verängstigt.

„Was ist denn los?“, fragte besorgt.

Sie schloss heimlich die Tür und drehte sich dann zu mir um.

„Wir müssen dringend reden.“, keuchte sie etwas.

Ich wurde wieder hellwach und setzte mich an den Rand des Bettes. Nova setzte sich neben mich und fing an zu erzählen.

„Es war vor einigen Jahren. Als meine Mutter starb, zog auch diese Hitzewelle über Amerika und alle Menschen waren in Panik. Ich war ja kein Einzelkind, sondern hatte noch eine große Schwester, die war sechsundzwanzig. Sie war wirklich die Einzige, der ich alles anvertrauen konnte und wie eine Mutter für mich, da unsere Starb. Sie kümmerte sich immer um mich und Vater. Doch eines Nachts, spürte ich etwas Ungewöhnliches im Haus und begab mich zu Vaters Zimmer. Als ich sah, dass die Tür offen stand und Terra mit einem Messer über meiner Vater sich beugte, konnte ich es nicht fassen. Terra bemerkte mich und sank ein wenig das Messer, jedoch immer noch mit der Absicht ihn zu töten. Ich rannte zu ihr hin und griff nach ihrem Handgelenk. Durch das Stöhnen und Raufen wachte unser Vater auf und sah wie wir beide uns um das Messer stritten. Dann positionierte es sich in Kopfhöhe, als ich dann außerversehen an ihrer Wange einen langen Kratzer schnitt. Sie ließ das Messer fallen und starrte mich wütend an. Dann schrie sie: „Du verstehst gar nichts! Du hast alles zerstört, ich wollte uns nur helfen, aber du zerstörst wieder alles. Du bist Schuld, dass sogar Mutter starb, du bist einfach an allem Schuld. Ich wollte uns retten, aber stattdessen, bringst du mich lieber um, weil du wieder nichts verstehst!“ Es war furchtbar aus ihrem Mund diese Worte zu hören und sie hatten sich richtig in meinen Kopf eingebrannt. Ich schüttelte missverstanden den Kopf und fragte wieso sie das alles tat. Sie weinte bloß und rannte an mir vorbei. Sie verschwand und das für immer, dachte ich jedenfalls.“

Ich blickte sie erschrocken an. Das heißt, sie lebte?

„Bis vor Nagas Zerstörung glaubte ich das, aber als wir uns umsehen sollten, verschwand Valerie plötzlich und in der Dunkelheit erkannte ich ein schimmerndes silbernes Haar. Es glich meinem sehr. Doch dann kam sie auf mich zu und ich sah dieses Narbe und das bekannte Gesicht. Zuerst konnte ich es nicht fassen, aber sie starrte mich einfach nur an. Selbst sie war in den ganzen Jahren nicht gealtert, also entdeckte nicht nur der Professor diese Methode, Menschen am Leben zu erhalten, sondern auch jemand anderes. Hinter ihr kamen viele Soldaten zum Vorschein und ich wusste gleich dass sie die Anführerin war. Am liebsten wäre ich in ihre Arme gesprungen, weil ich mir das nie verzieh damals. Jedoch bin ich mir in einem sicher, sie wollte Rache. Weißt du, bis heute weiß ich nicht einmal die Wahrheit, was sie damit meinte, sie hätte es nur für mich getan, aber ich werde sie bald erfahren, das weiß ich einfach.“

Deswegen war ihr Gesicht so ängstlich und traurig, als ich sie das erste Mal sah. Da sie neu war, waren ihre ganzen Erinnerungen da und die musste sie erstmals wieder verkraften. Nova tat mir leid. Wie schwer musste es sein, zu glauben, dass ihre Schwester tot sei, obwohl sie nun unserem Feind diente. Sie zerstörte auch ganz Naga und auch unschuldige Menschen. Das muss wirklich ein höllischer Schmerz sein.

Ich legte meine Hand auf ihrer Schulter und schaute sie bemitleidenswert an.

„Das tut mir so leid. Wenn du wirklich die Wahrheit wissen möchtest, darfst du auf keinen Fall aufgeben. Du wirst deine Schwester irgendwann wieder über den Weg laufen und dann kannst du sie fragen. Auch wenn sie unser Feind ist, wird sie dir eine Antwort geben müssen, da sie bestimmt auch will, das du die Wahrheit erfährst.“

Sie lächelte mich kurz an und wünschte mir noch eine gute Nacht. Dann verschwand sie aus dem Zimmer und ich legte mich schlafen.

Am nächsten Morgen schrillte wieder dieser laute Ton in meinen Ohren. Ich schaute auf den digitalen Wecker in der Wand und es war zwölf Uhr. Schnell sprang ich auf, zog mich an und als ich aus der Tür verschwinden wollte, prallten ich und JC zusammen.

„JC! Wieso stürmst du eigentlich gleich immer dann ins Zimmer, wenn ich wach bin?“, stöhnte ich, weil mir der Kopf höllisch wehtat.

„Das bekomm ich gesagt.“, brummte sie und rieb sich an der Stirn. „Lou wir müssen die Mission verschieben, denn der Professor hat endlich eure Waffen zusammengestellt.“

„Jetzt bekommen wir auch noch Waffen? Zuerst unsere Fähigkeiten, dann die Kleidung und jetzt auch noch Waffen.“

„Besser als gar nichts oder?“

Wir gingen in den Trainingsraum und dort warteten auch die anderen fünf. Nik war nicht da, aber er durfte auch nicht, das hatte der Professor angeordnet und ich wüsste wirklich gerne wieso er nicht in meinem Zimmer schlief. Gestern fiel es mir nicht auf, weil ich völlig durch den Wind war. Vielleicht merkte er wirklich, dass es mir nicht gut ging.

Ich sah auch alle fünf VHK’s und den Professor. Sie hatten alle etwas in der Hand und sie standen sich in einer Reihe gegenüber. JC stellte sich zu den anderen dazu und ich platzierte mich neben Ryan.

„Guten Morgen alle zusammen!“, rief der Professor und trat vor.

„Guten Morgen!“, riefen wir alle.

„Ich habe seit eurem Erwachen eine geniale Idee gehabt. Denn ihr seid viel stärker mit Waffen. Eure Fähigkeiten machen euch zwar selbst zu einer Waffe, aber wenn ihr selbst noch welche bei euch trägt, dann weiß ich, das ihr unbesiegbar seien könnt. Alex tritt bitte vor.“

Alex stellte sich aus der Reihe und DJ gab ihm ein Paar braune Handschuhe. Sie waren aus Leder und schimmerten merkwürdig im Licht.

„Diese Handschuhe beschützen dich vor Verletzungen im Kampf oder beim Einsetzen deiner Kräfte. Nova tritt vor!“

PG und Nova stellten sich gegenüber und sie gab ihr ein breites graues Armband.

„Dieses Armband ist mit deinen Kräften verbunden. Du kannst es mehrfach teilen und einem deiner Partner geben. Sobald diese es am Handgelenk tragen, verfügen sie auch ein Schild, das auf Kosten deiner Kräfte geht. Das heißt umso mehr Menschen du dein Armband gibst, umso mehr verbrauchst du an Kraft. Wenn ein Feind ein Armband in die Hände fällt, so kannst du manuell steuern und es teleportiert sich zu dir zurück. Das heißt dein Armband ist allein nur von dir abhängig.“

Er blickte zu Jim und er trat gleich vor.

„Jim, deine Waffe besitzt du bereits.“

Er schaute ihn verwundert an.

„Es ist deine Maske. Wir tauschten sie dir aus, als du dich noch im Schlaf befandst. Deine Fähigkeiten sind Manipulation von Plastik und Metallen, so auch kann Strom durch deinen Körper fließen, ohne dass du stirbst. Bis jetzt kannst du für Stromausfälle sorgen und mit dieser Maske kannst du auch den Strom lenken. Hältst du deine Hand in eine Stromquelle, so lenkst du den Strom nicht in den Boden, sondern in deine Finger und kannst damit Menschen verletzen oder sogar töten.“

Valerie trat vor.

„Valerie dir gebe ich eine ganz besondere Waffe. Es sind kleine Nadeln eingebaut in eine Armschiene die du unter deinem Ärmel verstecken musst. Sobald ein Feind in der Nähe ist, schießt du eine winzige Nadel ab, die in einen Nerv dringt und du ihn durch Gedankenlesen steuern kannst. Dadurch könnten wir Informationen herausbekommen.“

Valerie bekam eine schwarze metallische Armschiene in die Hand gedrückt. Sie war so lang wie ihr Unterarm.

Ryan trat vor.

„Ryan deine Teleportation ist mir nicht leicht gefallen, da deine Moleküle sich ständig weigerten sich zu trennen. Wir brauchten viele Jahre bis du dann endlich bereit warst. Jedoch ist mir dabei eine weitere Idee eingefallen und ich versuchte deine Moleküle zu verdoppeln. Weißt du was dann passieren würde?“

Ryan brauchte erst gar nicht lange nachzudenken.

„Ich schätze mal einen Doppelgänger.“

„Um einen Doppelgänger zu erstellen, brauchst du ein besonderes Hilfsmittel und das bauten wir in eine Lanze ein. Wenn du einen Doppelgänger erschaffen möchtest, brauchst du nur die Lanze in den Boden zu rammen - die Lanze wechselt je nach Bodenart ihre Spitze – und du musst die kleine Kugel hinter dem Griff berühren und gleichzeitig Teleportation benutzen. Dann erschaffst du ein Hologramm und kannst es durch dein Gedächtnis steuern. Niemand kann dein Hologramm berühren, aber es sieht genauso aus wie du. Diese Täuschungen kann man gut als Ablenkung benutzen oder zur Verwirrung.“

KL, Ryans VHK, drückte ihm die lange Lanze in die Hand. Man konnte sie auch so verkleinern, dass sie in seine Hosentasche passte. Ihr Mantel war rund, dunkelblau und hatte grüne Verzierungen die im Licht leuchteten. An der Spitze war eine halbkegelförmige Spitze, die einfahren und ausfahren konnte. Damit sie auf hartem Boden stehen konnte, zog ein Magnet, der auch halbkegelförmig war, den Boden an.

Als der Professor mit Ryan fertig war, kam er zu mir herüber. Ich trat vor.

„Für dich habe ich etwas Besonderes, da ich weiß, dass du dich immer beschwerst, weil du dich wie die anderen nicht wehren kannst. Deswegen gebe ich dir eine Kette mit einem besonderen Anhänger. Der erste Anhänger trägt eine Kugel die aus demselben Material ist wie Novas Armband. Du reißt sie ab und sie wird handgroß. Wenn Gegner vor dir stehen, schmeißt du diese Kugel, sie teilt sich und sie heftet sich an deine Feinde an. Dadurch kannst du ein magnetisches Schild aufbauen und sie können dir nichts anhaben. Du kannst die Gegner auch an dich heranziehen und abstoßen.“

JC zog mir eine silberne stabile Kette an, dessen Anhänger dieselbe Farbe hatten, wie Novas Armband. Der Professor winkte mit der Hand zum Ausgang und verabschiedete sich von uns.

Am nächsten Morgen starteten wir unsere verschobene Mission, Ryan, ich und Nova. Wir flogen wieder nach Naga, doch dieses Mal fanden wir die Stadt mit anderen Menschen und Eaganern. Viele bauten die Stadt wieder neu auf und als wie in der gehetzten Menge auffielen, kam ein Eaganer zu uns. Neben ihm waren zwei lange dünne Personen und hatten Maschinenpistolen in der Hand. Er trug ein edles und teures Gewand. Sein violetter Umhang hing am Boden und der Kragen war so hoch, das man nur seine Augen sah. Er starrte uns zuerst nur an, aber dann fing er mit einer rauen und dunklen Stimme an zu reden.

„Wer seid ihr und was sucht ihr hier?“

Ich erschrak zuerst, aber dann verneigte sich Nova vor ihm.

„Euer Majestät!“, rief sie.

Ryan verbeugte sich auch und Nova zog an meiner Weste. Ich war zuerst völlig schockiert, aber dann riss ich mich zusammen und verneigte mich ebenfalls.

Nova nannte ihn Majestät. Wieso sprach uns jemand so hohes an? Die Eaganer haben wohl keine Wissenschaftler als Herrscher so wie die Menschen. Früher gab es auf der Erde Kanzler, Präsidenten und sogar auch noch Könige. Jedoch hatten sie alle etwas gemeinsam, sie alle durften herrschen und das über ein ganzes Land. Ich wusste dass es sogar noch in der Zukunft immer noch jemanden geben wird, der das Sagen hatte. Natürlich musste es immer so jemanden geben, sonst würde das Land im Chaos enden und jeder würde seine eigenen Regeln bestimmen.

„Nun?“, drängte er und zog eine Augenbraue hoch.

„Wir kommen im Auftrag von Senator Elius, euer Majestät.“, antwortete Nova.

„Senator Elius sagt ihr? Nun ich bin mir nicht sicher ob ich euch das glauben kann.“

„Sie müssen, weil es dir Wahrheit ist.“, meinte Ryan mit seiner kalten Stimme.

„Nun, ich glaube zwei von euch kennen mich noch nicht. Ich bin Lord Etagna Cepius, Herrscher von Norgina. Naga war einst meine Stadt.“

Ihm gehört also nicht nur Naga, sondern wahrscheinlich auch mehrere Städte die dann zusammen Norgina ergeben. Das ist ungefähr so, wie ein Bundesstaat, schätze ich. Bei solch mächtigen Menschen muss man wirklich gut aufpassen welchen Eindruck man hinterlässt.

„Nun ja, wie gesagt wir haben hier eine Mission.“, meinte ich.

„Wenn ihr wirklich vom Senator geschickt worden seid, dann muss euer Auftrag enorm wichtig sein. Naga wieder aufzubauen wird wahrscheinlich lange dauern und die Verantwortlichen müssen dafür hart bestraft werden. Wenn ihr irgendetwas wisst, dann zögert nicht und erzählt es mir bitte. Jeder Hinweis ist wichtig.“

Wir konnten ihm doch nicht erzählen das ein Mensch dahinter steckt und tausend Truppen in die nächste Stadt marschieren und weiteres Blut zu vergießen.

„Nein, tut mir leid, deswegen sind wir hier, wir möchten euch helfen die Übeltäter zu fassen.“, meinte Ryan und ich glaubte ich wusste was er vorhatte.

Plötzlich erinnerte sich Nova an etwas und wühlte in ihrer kleinen Tasche herum, die an ihrer grünen Hose fest gemacht war. Sie reichte Cepius ein kleines eingerolltes Papier. Cepius nahm es sofort entgegen und rollte es auf. Dann nickte er und gab es Nova zurück.

„Professor Elius schickt euch wirklich. Nun gut. Hilfe kann man hier immer gebrauchen. Ich musste viele Arbeiter losschicken um die Stadt wieder aufzubauen. Bitte, begleitet mich ein wenig durch die Stadt.“

Nova und ich stellten uns rechts und links neben Cepius und seine zwei Begleiter gingen hinter und her. Ryan war neben mir, es schien aber so als beteiligte er sich nicht dem Gespräch.

„Die Städte sind so aufgebaut das rundherum immer mindestens fünfzig Kilometer zwischen ihnen Platz ist, denn das machen wir, um der Natur nicht noch mehr zu schaden und ihr kein Platz mehr lassen um neu zu gedeihen. Wir Eaganer respektieren die Natur und tuen alles um mir ihr Leben zu können. Die Menschen hingegen nutzen den Platz nur aus und bauen überall nur hin, wo es möglich ist. Dadurch kamen auch die Naturkatastrophen zustande und viele andere Ereignisse. Die Natur selbst ist auch nur ein Lebewesen und wehrt sich wenn ihr Unrecht getan wird. Wir haben all unser Wissen nur für sie geopfert um ihr kein Schaden zu machen, jedoch sind wir auch nicht ganz harmlos. Einige Kratzer mussten wir ihr zufügen, leider, aber nur weil wir für einen Moment nur an uns gedacht hatten. Naga war einst der natürlichsten Städte die sich nicht die Natur zu nutzen machte, sondern man könnte fast sagen mit ihr im Einklang lebte. Es gab eine Innenstadt die ein wenig der Städte der Menschen ähnelte und rundherum waren sonst nur kleine Häuser die aus Lehm bestanden. Dennoch war vielleicht genau das der Schwachpunkt der Stadt. Da sie nicht so sehr geschützt war wie zum Beispiel in meiner Großstadt, fiel es sogar den Angreifern leicht sie in der Nacht zu attackieren. Aber jemand sorgte für einen erfolgreichen Stromausfall, sodass die Reservebatterien keine Wirkung zeigt. Ich erhielt eine Nachricht dass keine Signale mehr von Naga kamen und wir hielten es für ungewöhnlich. Zuerst dachten wir uns nichts Schlimmes dabei, aber nach mehreren Stunden hörten wir immer noch nichts, dann wurde uns das zu unheimlich. Wir schickten sofort Flugzeuge los und es dauerte nur solange, weil sie erst eine Erlaubnis von mir brauchten. Als einige landeten hörten wir auch nichts mehr von ihnen und warteten erstmals ab. Ich wollte wieder Flugzeuge schicken, aber dennoch wäre es zwecklos gewesen, denn wir wussten nicht was dort passiert ist. Bald kam das erste Flugzeug wieder und meinte etwas blockiert die Signale und ganz Naga war in Schutt und Asche. Ich wollte es nicht glauben und mich selbst überzeugen und fuhr mit ihnen mit. Als ich meine Stadt in Schutt und Asche sah, brach es mir fast das Herz. Alle Bewohner und auch sogar von eurer Rasse lagen tot auf dem Boden. Wer würde so kaltherzig sein und diese Katastrophe zulassen. Wer das auch immer geplant hat, er muss dafür bezahlen.“

Seine Mimik verhärtete sich und es verschaffte mir bei dem Anblick einen ziemlichen Respekt. Man merkte trotzdem dass er seine Gefühle für diese Katastrophe zugab und ich konnte mit ihm fühlen. Man erkannte doch immer an einem guten Herrscher, wenn er für sein Volk da ist, es unterstützt und alles tut damit es ihm gut ginge. Ich kannte den Lord zwar fast überhaupt nicht, aber er machte auf mich einen guten Eindruck. Am liebsten hätte ich ihm ja von Benett erzählt, über seine Pläne, über unsere Vermutungen und das er mich sogar einmal entführte. Aber das wiederrum würde in ihn einen Hass auf die Menschheit aufbauen und ich möchte unbedingt keinen Krieg erzeugen. Schon allein das Naga zerstört wurde, ist der Beginn eines Krieges. Sobald die Eaganer Beweise haben gegen die Menschen und bestätigen können dass wir es gewesen sind, bricht der Vierte Weltkrieg aus. Professor Elius nannte es sogar einmal einen Rassenkrieg, wo wirklich die ganze Welt gegeneinander kämpfe.

„Wie auch immer, wenn ihr möchtet könnt ihr euch dem PDH anschließen, es ist eine Organisation die auf Spuren aus ist. Dazu bracht ihr einfach nur nach einem braunen Gebäude zu suchen, dort arbeiten sie momentan.“

Wir verneigten und noch und gingen auf die Suche nach diesem Gebäude. Es lag auf unserem Weg und wir mussten nur geradeaus gehen. Es hatte sieben Stockwerke und Fenster ohne Glasscheiben. Wir stiegen die Treppen hinauf, bis wir an einer Tür lasen „PDH - Bitte Anklopfen!“. Ryan klopfte an und öffneten die Tür, es waren auch Menschen darunter die hier hastig hin und her liefen mit Papierstapeln auf dem Arm. Der Raum war rechtklein und die vier Türen die auf zwei Seiten verteilt waren, sprangen dauernd auf, wo Eaganer und Menschen hin und her liefen. Wir gingen Stellten uns vor die Theke, die so groß war das ich mich auf Zehenspitzen stellen musste, um hinüber zu sehen. Ein großer und langer Eaganer schaute Ryan an, der mit der Sicht anscheinend keine Probleme hatte.

„Wir kommen von Lord Cepius. Er meinte ihr bräuchtet Hilfe.“, erklärte Ryan.

„Nein danke, wir brauchen keine Hilfe!“, sagte der Eaganer und schaute Ryan dabei nicht einmal an, sondern kramte am Schreibtisch herum.

„Hör mal zu, wir kommen nicht einfach hierher und nehmen eine Ablehnung in Kauf!“, hob Ryan seine Stimme.

Der Eaganer hörte auf zu kramen und schaute Ryan mit einem bösen Blick an.

„Ich sagte nein und dabei bleibt es auch!“, brüllte er los. Ryans Ausdruck wurde richtig wütend und er biss sich auf die Zähne.

„Sag mal hast du was an den Ohren? Ich akzeptiere kein „Nein“!“, brüllte Ryan genauso los und schlug mit geballter Faust auf die Theke.

Beide knurrten sich an und am liebsten wären sie aufeinander losgegangen. Ich hielt Ryan zurück und lächelte den Eaganer nervös an.

„Sie müssen ihn entschuldigen, er ist manchmal etwas schwierig.“

Da trat ich gegen Ryans Schienbein und hätte ihn am liebsten selbst verprügelt. Er schaute mich wütend an und kehrte mir beleidigt den Rücken zu. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und schaute den Eaganer freundlich an.

„Bitte, Sir, wir wollen wirklich nur helfen.“

Er schaute mich schweigend an, als würde er mich durchschauen, aber dann lächelte er selbst und meinte: „Nun ja um ehrlich zu sein bräuchten wir wirklich Hilfe und wenn euch Cepius geschickt hat, dann müsst ihr für uns wirklich eine Hilfe sein.“

Ryan drehte sich beleidigt dem Eaganer zu und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich wollte ihn eigentlich nicht treten, aber sein Benehmen ist manchmal unmöglich. Außerdem muss es immer einen Menschen geben, der ihn zügelte und da er niemanden so sehr wie mir vertraute, war das wohl meine Aufgabe.

„Übrigens mein Name ist Lou, das Mädchen heißt Nova und der Junge ist Ryan.“

Der Eaganer kam hinter der Theke hervor. Er trug eine blaue weite Hose, fast die gleichen Stiefel wie DJ und ein weißes Leiden Hemd, das oben am Kragen noch einen kleinen Reißverschluss hatte, der offen war.

„Mein Name ist Lumo. Ich bin hier der Chef von PDH. Ich weiß nicht ob Cepius euch schon über die Organisation aufgeklärt hat?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Nun, normalerweise sind wir in der Stadt Desar zur Verfügung und klären die meisten schweren Fälle auf. Alle die hier arbeiten, sind ziemlich intelligent und achten auf die kleinsten Hinweise. Doch als wir von der Katastrophe hörten schickte der Lord nur die Besten hier hin um den Fall aufzuklären. Nur leider wissen wir nur, dass hier Experten am Werk waren. Bis jetzt hatten wir keine Hinweise finden können. Dennoch geben wir niemals auf und deswegen bin euch wirklich dankbar, wenn ihr uns helfen würdet. Außerdem muss ich mich auch entschuldigen von vorhin, da ich es gewöhnt bin, da viele Leute kommen und fragen ob sie helfen könnten. Ich habe meine Erfahrungen meistens mit „Idioten“ gemacht, wenn ihr versteht was ich meine.“

„Kein Problem, wir waren auch nicht ganz so freundlich.“, entschuldigte ich mich indirekt für Ryans Benehmen und schaute zu ihm. Er lehnte sich wie immer an die Wand und beteiligte sich wieder nicht an dem Gespräch.

„Nun, wir haben bis jetzt alles untersucht, außer im Blätterwald.“

„Blätterwald?“, fragte ich.

„Nun, er sieht ungefähr so aus wie ein Regenwald, aber den gibt es hier nur nicht.“, erklärte er schnell. „Am besten ich komme mit, zu viert geht es schneller.“

Mit einem Auto fuhren wir bis zum Ende der Stadt und vor uns sah ich dann den riesigen Blätterwald. Eigentlich ähnelte er einem Dschungel, nur das die Pflanzen ihre eigene Form hatten. Sie war meisten rund oder tropfenförmig. Ihre Farbe war auch grün.

„Wir sollten uns aufteilen, wenn wir zusammenbleiben dauert es länger. Hier!“, rief er zum Schluss und drückte uns zwei schwarze Chips mit einem kleinen Knopf in die Hand.

„Sobald einer von euch sich verirrt oder Hilfe braucht, drückt den kleinen Knopf und ich weiß direkt wo ihr seid und wird euch zur Hilfe eilen. Alles soweit verstanden?“

Wir nickten.

„Gut, wer geht mit wem?“

„Ich bleibe bei Lou.“, rief Ryan und stellte sich zu mir.

Ich schaute ihn verwundert an. Hat er Angst vor Lumo?

„Gut, dann wäre das geklärt, Nova du kommst dann mit mir. Ok, dann viel Glück!“, rief er lief schon mit Nova los.

Ryan und ich gingen gemütlich los, weil wir noch den ganzen Tag Zeit hatten.

„Sag mal Ryan, wieso bist du nicht mit Nova mitgegangen?“, fragte ich neugierig.

„Ich konnte ich dich doch nicht bei diesem Spinner lassen.“

Ich war ein wenig verwundert über seine Antwort.

„Aber Nova ist auch bei ihm und außerdem denke ich das Lumo kein schlechter Mensch ist.“

„Das denkst du!“, lachte er.

„Hey! Kann ich etwas dafür, dass du dich auch mir jedem in die Wolle bekommst?“

„Wenn du lieber bei Lumo seien möchtest, na schön, an mir soll’s nicht liegen.“

Ich starrte ihn entgeistert an.

„Das denkst du nicht wirklich.“, rief ich.

„Das hast du doch gerade eben gemeint. Ich will dich zu nichts zwingen. Du kannst gehen, ich kann das auch alleine durchziehen.“, meinte er und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Schön!“, rief ich beleidigt und ging in die entgegengesetzte Richtung. Von weitem hörte ich nur ein lautes Seufzen und als ich mich umdrehte war er verschwunden.

Wenn Ryan meinte er kann das alleine durchziehen, dann soll er doch. An mir soll es nicht liegen. Außerdem komme ich auch gut allein zurecht. Ich hatte meine Kette, meine Fähigkeiten waren topfit und ich hatte den Chip dabei. Als ich mich in der Natur umschaute bemerkte ich überhaupt keine Tiere. Ich hörte nicht einmal einen Vogel zwitschern. Vielleicht gab es auch gar keine Vögel hier auf dem Planeten, aber der Professor erzählte doch dass auch unsere Tiere gerettet wurden und wir eine Art Arche Noah hatten. Vielleicht ließen sie die Vögel frei und sie gewöhnten sich an ihren neuen Lebensraum. Selbst der Planet Eos müsste doch Tiere besitzen.

Es verging schon eine Stunde und ich irrte im Blätterwald herum. Bis ich Wasser zu hören vermag. Schnell rannte ich dem Geräusch nach und sprang über etliche Büsche und rannte durch riesige Blätter die im Weg waren. Bald stoppte ich, als ich an einem Abgrund fast hinunter fiel. Ich kniete mich hin und blickte auf den wunderschönen Ausblick. Ein riesiger Wasserfall strömte hinunter in einen breiten Fluss. Er kam von einem Berg, wo auch dieser riesige Blätterwald war. Ich konnte über den ganzen Wald sehen und es sah so aus, als nehme er kein Ende. Doch dann entdeckte ich auf der anderen Seite des Flusses zerfetzte Sträucher, als wäre etwas schweres sie zerquetscht und zerrissen. Ich musste mir das genauer ansehen und wäre Ryan noch hier, hätte er uns gleich hinüber teleportiert, aber ich war leider auf mich allein gestellt.

Ich musste irgendwie den Abgrund hinunter. Unten war eine gehobene Fläche, die aus dem Fluss hervorragte. Ich riss meine Kugel von der Kette ab und sie wurde tatsächlich handgroß. Dann schmiss ich sie auf die gehobene Fläche und die Kugel bedeckte alles. Ich ging einige Schritte zurück, schnippte und sprang den Abgrund hinunter. Ich ließ die magnetische Kraft immer schwächer werden, bis ich zart auf dem Boden ankam. Die Kugel landete wieder in meiner Hand und ich befestigte sie wieder an der Kette. Jedoch wie sollte ich über den Fluss kommen? Er war zu breit, als das ich es mit einem Sprung geschafft hätte. Ich ärgerte mich wieder das Ryan nicht da war. Ich könnte die Kugel auf die andere Seite schmeißen, aber das würde mich trotzdem nicht in einem Bogen dort hinüber bringen. Jetzt saß ich erstmals fest. Ich würde ja noch durchs Wasser trotten, aber dafür war die Strömung zu stark. Ich setzte mich hin und stützte mich mit den Armen ab. Vielleicht traf ich ja Nova und Lumo, die wenigstens zusammen blieben. Es vergingen einige Minuten bis jemand neben mir auftauchte, wodurch ich mich furchtbar erschreckte.

„Ryan!“, schrie ich wütend.

Er schaute zu mir herunter und musste anfangen zu grinsen.

„Kommst wohl nicht weiter, was?“, lachte er.

„Sei bloß still! Nur weil du dich teleportieren kannst, musst du dich nicht auch damit angeben.“

Seine Mimik wurde wieder gefühlslos.

„Ich gebe nicht an.“

Ich schaute ihn verwirrt an. Hatte ich ihn jetzt verletzt? Es ist nicht normal, dass er so schnell seine Gesichtsausdrücke wechselte.

„Vergessen wir einfach was passiert ist, okay?“, schlug ich vor und senkte den Kopf.

„Alles klar.“, stimmte er zu.

Ich stand auf, schlug meine Hände aufeinander, um den Dreck abzuschütteln und schaute Ryan erwartungsvoll an.

„Bringst du mich bitte auf die andere Seite?“, fragte ich und stellte mich neben ihn.

Er packte meine Hüfte und wir landeten gleich auf der anderen Seite.

„Ich hatte Recht!“, jubelte ich.

„Was denn?“, fragte Ryan überrascht.

„Schau doch mal auf den Boden, hier waren einige Menschen, die zerquetschten Pflanzen deuten darauf hin dass etwas sie kaputtgetrampelte worden waren. Außerdem ist hier im Matsch ein wunderbarer Schuhabdruck. Schau Mal wie weit die zerstörten Sträucher reichten, es müssen hunderte gewesen sein und deswegen konnte sie auch keiner sehen. Dadurch dass sie aus dem Blätterwald kamen und auch später dort wieder verschwanden, konnte niemand etwas ahnen. Lumo hatte Recht, es waren tatsächlich Experten.“

Ich griff nach dem Chip in meiner kleinen Tasche und drückte auf den Knopf. Wir warteten und es dauerte eine Weile bis Lumo ankam. Sie standen zuerst auch am Abgrund, aber Ryan teleportierte alle zwei zu mir herunter. Ich zeigte ihnen den Fußabdruck und die zerquetschten Pflanzen und Lumo glaubte auch, dass es die Männer gewesen waren, die Naga zerstörten.

„Wir hatten auch etwas gefunden. Etwas weiter östlich von hier fanden wir eine Lichtung mit plattgetretenen Boden und eine Feuerstelle. Ich denke dort oben war ihr Stützpunkt. Im Boden war überall Löcher und kaputte Pflanzen die darauf hindeuten, das oben Zelte aufgebaut worden waren.“

„Das heißt die Truppen müssten doch auf den Weg sein, etwa um die nächste Stadt anzugreifen oder zu einem weiteren Stützpunkt zu gelangen und wenn wir den finden, können wir sie kriegen, oder?“

„Richtig.“

Am Abend kehrten wir zurück und verabschiedeten uns von Lumo. Er meinte, wenn wir das nächste Mal wieder kämen, sollten wir ruhig mal vorbeischauen.

Im Flugzeug schlief ich fast ein. Ich war wahrscheinlich immer noch ein wenig schwach von der Entführung zu Benett. Meine Kräfte waren wirklich am Ende und das merkte ich nach vier Tagen immer noch. Ich saß neben Ryan, der auch wieder döste.

„Wir haben heute zum ersten Mal mit einem Eaganer zusammen gearbeitet. Es war so als wäre er ein Mensch gewesen. Ich verstehe einfach nicht warum Benett die Eaganer so sehr hasst, sie müssen ihm irgendetwas angetan haben, das er so böse ist.“

Ryan gab mir keine Antwort, wahrscheinlich hörte er mir nicht einmal zu. Ich zog an seinem Ärmel, aber es kam keine Reaktion.

Vielleicht sollte ich auch dösen. Ich schloss meine Augen und mein Kopf sank auf Ryans Schulter. Ich spürte wie er zusammen zuckte, aber ich konnte nicht mehr reagieren, da ich sofort einschlief.

Ich wachte in meinem Zimmer auf und als ich meine Augen öffnete, sah ich als erstes Nik. Was tat er hier? Hatte er nicht ein eigenes Zimmer bekommen?

Ich küsste ihn auf seine Stirn und legte mich nahe an ihn. Er legte sein Kinn auf meinen Kopf und schlang meine Arme um mich.

„Morgen meine Hübsche.“, gähnte er und schloss weiterhin die Augen. Ich schmiegte mich noch enger an ihn und wollte ihn am liebsten nie loslassen. Ich hatte seine Wärme in den letzten Tagen so sehr vermisst. In den vorherigen Wochen gab es kaum noch Kontakt zwischen uns, weil ich ständig trainieren musste, auf Missionen ging und auch ein wenig Unterricht bekam von PG, sie war dafür verantwortlich, dass ich das neue Leben besser verstand.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 14 – Niks letzte Chance

 

„Ah da sind sie ja, Cooper.“, rief Karl und ging auf ihn mit einem breiten Grinsen zu.

„Sie suchten mich?“, fragte ein alter Mann in weißem Kittel. Er hatte einen deutlichen Buckel, eine runde Brille auf der Nase, Hautflecken auf seinem Kopf, die durch sein dünnes graues Haar herausschauten und eine Warze am Kinn.

„Ich habe gesehen wie dieses Mädchen namens Lou einen Wutanfall bekam und eine enorme Energie freigesetzt hat. Als ich beobachtete wie Benett sie versuchte zu verletzten, bekam sie zwar Kratzer ab, die aber sofort heilten. Also nahm ich mir ein Schießgewehr und eine BNS (eine Nadel mit einem kleinen Säckchen am Ende, das das Blut dort sammelt) und streifte ihren Arm. Sie bemerkte es nicht einmal und deswegen nahm ich die Nadel wieder, als sie im Fahrstuhl verschwand. Und hier ist es!“, erzählte Karl und hielt eine gefüllte BNS hoch.

„Was soll ich mit dem Blut eines ausgeflippten Mädchens?“, fragte er abweisend.

„Du Dummkopf, dieses Blut hat womöglich unsere Lösung die wir seit langem suchen.“, rief er.

Cooper schaute ihn entgeistert an.

„Du meinst…“

Er schaute hinter sich und in einer riesigen Glaskasel schwamm ein mindestens zwölf Meter hoher Mann. Sein Körper war nackt und seine Beine waren angewinkelt. Er gab keinen Mucks von sich und bewegte sich nicht einmal.

„Wenn wir es wirklich schaffen würden dieses Monster mit diesem Blut zum Leben zu erwecken, dann kann Benett endlich weiter seinen Plan verfolgen.“

Karl lachte bösartig und gab Cooper die BNS.

„Lass es untersuchen und probieren wir es einfach aus, ob es auch funktioniert.“

Cooper rannte gleich los und ließ das Blut untersuchen.

 

Ich und Nik fuhren zum Nebenzentrum des Professors. Es waren, seit wir die Spuren im Blätterwald entdeckten, fünf weitere Wochen vergangen und ich und Nik verbrachten viel mehr Zeit miteinander. Seit seine Eltern tot sind, war er zwar immer noch traurig, aber manchmal war er durch mich viel fröhlicher als sonst. Wir waren letzte Woche schon auf einem fest in Desar. Die Stadt war ganz anders als bei den Menschen. Die Häuser waren zwar auch hoch, aber nicht höher als vierhundert Meter. Die Straßen waren wie früher gepflastert und in der Mitte war ein riesiges Fest gewesen. Es hatten überall Märkte aufgemacht und die Stände waren wie früher mit einfach Tischen und Schirmen, die vor der Sonne schützten, aufgestellt. Für einen Moment hatte ich mich wie zu Hause gefühlt und mit Nik dachte ich es wäre ein Traum. Nik kaufte uns eine Kette deren Band aus echtem Leder war und der Anhänger im Licht Silber schimmerte. Er war aus Glas geformt und sah aus wie eine dicke Träne. Innen war sie hohl und ich trug die Kette immer. Die anderen bemerkten auch dass ich und Nik dieselbe trugen und deswegen wusste jeder gleich was zwischen uns los war. Jeder dachte zuerst ich wäre gut befreundet mit Nik, aber als dann sogar JC und der Professor davon Wind bekamen, sah alles anders aus. JC war sauer das ich es ihr nicht erzählt hatte, aber ich hatte Angst das sie es dem Professor erzählte. Ryan war genau so wütend, weil ich es ihm verheimlichte. Die anderen interessierte es kaum, das heißt so viel wie es ging sie nichts an. Am meisten hatte ich ja mit JC und Ryan Kontakt und die waren nun auf mich sauer. Ich hatte mich entschuldigt dafür und es ihnen erklären wollen, aber sie wollten mir nicht einmal zuhören. Nik meinte, das sich alles legen würde nach einigen Tagen, aber es verging schon eine Woche und es war genauso wie vorher.

Wir kamen im Nebenzentrum an und ein kleiner Mann mit dicken Gläsern auf der Nase lächelte uns an.

„Ah Hallo! Mein Name ist Julius und ich bin hier der Chef von dem Gebäude. Freut mich euch kennen zu lernen.“, grüßte er mit piepsiger Stimme.

„Ich bin Nik und das ist meine Freundin Lou.“

„Gut dass ihr gekommen seid. In der Unterstadt suchen riesige Ratten den Markt heim. Die Leute beschweren sich das ihre Waren gefressen werden oder sogar verschwinden. Natürlich vermuten wir nur dass es Ratten sind, weil eine Frau bestätigte das sie eine gesehen hätte, aber das muss nicht viel heißen. Am besten ihr fragt selbst nach.“

Julius zeigte uns einen Fahrstuhl der in das Untergeschoss fuhr. Als wir unten waren sahen wir tausende von Leuten und viele Stände. Hier war die Hölle los.

„Ich verstehe nicht wie so viele Menschen nichts sehen können, wenn Sachen gestohlen werden oder gegessen. Das muss doch einer gesehen haben.“, meinte ich.

„Du hast Recht, aber wir sollten wirklich die Leute fragen.“

Wir quetschten uns durch die Menge und kamen irgendwann an einem Ort an, wo nicht sehr viele Leute umher gingen. Ich schaute mir ihre Waren an und verglich sie mit den anderen. Das meiste was hier eingekauft wurde, waren elektronische Hilfsmittel, wie Hausroboter oder außergewöhnliche Küchengeräte.

Als ich zu einem der Stände gehen wollte, um mich genauer umzusehen, hielt Nik meinen Arm fest.

„Was ist denn?“, fragte ich.

„Sei vorsichtig, das hier ist ein Schwarzmarkt.“

Meine Muskeln spannten sich. Ein Schwarzmarkt? Deswegen sind hier so wenig Menschen und deswegen ist dieser Ort auch in der letzten Ecke dieser großen Halle. Nik musste es an den Waren gesehen haben. Aber wieso kontrolliert hier keiner?

„Nik wieso machen sie den Schwarzmarkt so offensichtlich? Ich meine, was ist wenn die Polizei hier herunter käme? Dann würden sie doch den Schwarzmarkt erkennen.“

„Nein. Hier dürfen nur Leute runter mit Erlaubnis, das heißt man brauch einen bestimmten Passierschein. Wenn du den nicht besitzt, kannst du weder hier verkaufen noch einkaufen. Wir kamen ja durch den Aufzug hinunter, das heißt dass wir vom Professor geschickt worden sind und die Türsteher wissen das. Die anderen Leute kommen hier durch einen anderen Fahrstuhl hinein, wo oben und unten jeweils Wachmänner postiert sind.“

„Willst du damit sagen die Polizei hat hier keinen Zutritt?“

„Ohne Passierschein nicht.“

Als ich spürte dass ich mich beobachtet fühlte, drehte ich mich um und sah jemanden der sich hinter der Säule versteckte. Ich drehte mich wieder und wusste dass wir beobachtet wurden. Ich zupfte an Niks Ärmel und er beugte sich zu mir hinunter.

„Wir werden beobachtet!“, flüsterte ich und Nik drehte sich langsam um. Er sah ein Stück Gesicht, das hinter der Säule hervorschaute.

„Komm mit!“, rief er und griff nach meinem Arm. Wir liefen in eine dunkle Gasse hinein, die hinter den ganzen Ständen war. Einige Säulen verdunkelten alles und wir blieben an einer Ecke stehen. Nik schaute vorsichtig, ob er uns verfolgte und ich drückte mich ängstlich gegen die Wand. Wer war dieser Verfolger bloß? Vielleicht war er einer von Benetts Leuten. Nik drehte sich mit dem Kopf wieder zurück und nickte mir zu. Tatsächlich verfolgte uns jemand und Nik wartete bis er um die Ecke gehen wollte. Als ich einen Schatten sah, stürzte Nik sich auf ihn und zog ein Seil heraus, das ihn dann automatisch fesselte. Er trug noch seine Kapuze und dann riss Nik sie runter. Ein kleiner Junge, einen Kopf kleiner als Nik, schwarze kurze Haare, strampelte am Boden.

„Lasst mich los!“, fluchte er.

„Junge, wieso verfolgst du uns?“, fragte ich wütend.

„Das sage ich euch ganz bestimmt nicht!“, rief er und versuchte sich immer noch von den Fesseln zu befreien.

„Ich will dir nicht wehtun, Junge, also los, sag schon!“, rief Nik.

Er hörte auf zu strampeln und neigte den Kopf zur Seite. Er hatte Angst, das sah man deutlich. Er weigerte sich zwar, weil es anscheinend wichtig war uns zu beobachten, aber wer wollte von uns schon Informationen haben?

Nik setzte seine Fähigkeiten ein und versetzte dem Jungen einen Schmerz ins Bein.

Der kleine schrie und weigerte sich trotzdem mit der Sprache herauszurücken.

„Nik! Hör auf! Er ist noch ein Kind!“, schrie ich und er ließ es sein.

„Hast du eine bessere Idee?“

Ich seufzte.

„Gewalt ist aber auch keine Lösung.“

Plötzlich hörte ich wie mehrere schnelle Schritte auf uns zukamen. Nik stellte sich vor mich und wartete bis die Schritte um die Ecke kamen. Tatsächlich kamen zwei kleine Jungs, ungefähr in demselben Alter wie unser Spion, um die Ecke. Sie starrten Nik und mich an.

„Bitte, wir sagen euch wirklich alles was ihr Wissen wollt, aber bitte, lasst unseren Freund frei.“

„Könnt ihr euer Versprechen auch halten?“, fragte ich.

„Ja, glaubt uns, aber bitte lasst ihn frei.“, bettelte der blonde Junge.

Nik ließ den Jungen frei und alle drei setzen sich auf den Boden.

„Danke.“, sagte er.

„Also Jungs, wieso spioniert euer Freund uns aus?“, fragte Nik und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Wir mussten es machen.“

„Ihr müsst?“

„Ja. Vor einer halben Stunde kamen wir hier auf dem Markt an, weil wir ganz in der Nähe wohnen. Meine kleine Schwester war noch dabei.“, erzählte der schwarzhaarige Junge. „Wir spielten verstecken und auf einmal fanden wir meine Schwester nicht mehr. Sie war verschwunden. Als wir sie in einer Gasse suchten, kam ein Mann auf uns zu und sagte dass er meine Schwester hätte. Wir bekämen sie erst wieder wenn wir euch beobachteten und einen Chip an das Mädchen heften.“

„Wie sah der Mann aus? Und welchen Chip?“, fragte ich drängelnd.

Der Junge zog aus seiner Hosentasche einen Mikrochip, an dessen Gestalt man gleich einen Ortungschip erkannte. Wieso sollte mir jemand einen Chip unterbinden wollen? Das kann nur jemand von Benetts Leuten sein und Olivia heuerte dann ihre Leute an.

Aber wieso überfiel sie mich nicht gleich? Wieso der Chip und alles so heimlich?

„Den Mann konnten wir nicht sehen, weil er eine schwarze Kutte trug, aber er erwähnte dass es für ihn wichtig sei.“

„Es tut uns wirklich leid, aber ich wollte nun mal nur meine Schwester wieder haben und jetzt sehe ich sie nie wieder.“, schluchzte der schwarzhaarige kleine Junge.

„Keine Sorge wir werden euch sie wieder besorgen.“, lächelte ich aufmunternd.

„Wirklich?“, schniefte der Kleine und wusch sich die Tränen aus dem Gesicht.

„Klar.“

„Aber Lou, wir haben hier einen Auftrag!“, erwiderte Nik.

„Nik, wir können die Kinder nicht im Stich lassen. Es ist immerhin dem Jungen seine Schwester.“

Er nickte bewilligt.

„Also gut, aber zuerst brauchen wir einen Plan wie wir an die Fieslinge herankommen. Ich denke, ich habe da schon eine Idee.“, grinste ich.

Die drei Jungen verschwanden wieder und Nik und ich warteten ab. Die Jungs sollten zum Auftraggeber gehen und sagen sie hätten ihre Aufgabe erledigt und sogar beide Angreifer, durch gekauftes Schlafpulver, lahm gelegt. Dann wird er bestimmt fragen wo sie sich befinden und her kommen. In der Zeit werde ich mich auf den Boden legen und so tun, als ob ich tatsächlich eingeschlafen wäre und Nik wartete an der nächsten Ecke auf den Mann. Er wird zu mir hingehen und mich wahrscheinlich mitnehmen wollen, aber dabei wird Nik ihm zuvor kommen und die Falle hätte zugeschnappt. Ich hoffte so sehr, dass es klappen würde und spielte so gut ich konnte mit.

Es dauerte nicht lange, bis ich tatsächlich Schritte vernahm und versuchte nicht unruhig zu werden. Ich spürte wie jemand neben mir stand und wartete auf Niks Zeichen. Es kam immer noch nichts und der Mann griff schon nach meinem Handgelenk. Wo blieb er denn? Ich konnte nicht länger warten und öffnete meine Augen. Dann schaute ich hoch und sah dieses bekannte Gesicht. Es war Lok. Damals brach Alex doch sein Genick, als wir der Frau halfen, die entführt worden war. Wieso lebte er noch? Ich musste schnell reagieren und stieß meinen Fuß gegen seinen, sodass er hin fiel. Dann stellte ich mich schnell auf zwei Beine und hob die Fäuste. Doch zuerst drehte ich mich um und sah Niks Arm auf dem Boden liegen. Was war passiert?

„Nik!“, rief ich, in der Hoffnung dass er mich hörte. Jedoch bewegte sich sein Arm keinen Zentimeter. Was war denn passiert? Lok stand wieder auf und rannte auf mich zu.

„Was willst du, Lok? Ich dachte du seist tot?“, schrie ich.

„Ich erfülle nur meine Pflichten und nehme an euch Idioten Rache.“, brüllte er.

Dann riss ich meine Kugel ab und schmiss sie ihm ins Gesicht. Ich schnippte mit dem Finger und eine Magnetwand beschützte mich. Schnell rannte ich zu Nik hin und wollte ihn wecken, aber er wachte einfach nicht auf. Seine Stirn war heiß und er atmete schneller. Langsam fuhr ich über seinen Körper und spürte etwas Schweres in seinem Gehirn. Das könnte ein Geschwür sein oder ein Tumor. Ich müsste ihn verarzten, aber nicht hier. Lange wird das Magnetfeld nicht mehr halten ich muss mich beeilen, Nik hier wegzubringen. Da tauchten die kleinen Jungen wieder auf und bei ihnen ein kleines Mädchen.

„Lauft weg! Los!“, schrie ich und zuerst waren sie völlig verängstigt. Lok schaute wütend auf die Drei und erkannte dass es eine Falle sein sollte. Doch dann hörte ich weitere Schritte und muskulöse Männer traten zum Vorschein.

„Halt! Wer bist du?“, schrien sie mich an.

Dann schauten die kleinen Jungen auf ihn und erklärten: „Der Mann da stiftet Unruhe, er hat meine kleine Schwester entführt und uns bestochen.“

Die Männer schauten auf Lok und boten ihm Einhalt. Endlich war das Chaos vorbei und ich versuchte Nik hier heraus zu bringen, aber dennoch war er zu schwer. Dann kam einer der Männer zu mir und ich erklärte ihm dass er schnell nach Hause gebracht werden musste, da er litt. Der starke Mann hob Nik hoch und brachte ihn zu unserem Auto. Ich stieg ein und fuhr mit USG nach Hause. Als ich Nik in den Aufzug schleppte und oben angelangte, rief ich nach dem Professor. Schnell transportierten sie ihn weg und ich erzählte ihm dass es vermutlich einen Tumor in seinem Kopf sei.

Ich setzte mich zum Professor ins Büro und versuchte ruhig zu bleiben. Als er nach einigen Minuten durch die Tür kam, setzte er sich an seinen Schreibtisch.

„Wird er wieder gesund? Kann ich denn gar nichts tun?“, fragte ich völlig aufgewühlt.

„Ich muss dir etwas erklären, Lou. Du weißt ja sicher das Nik ein Noma-Kind ist. Er ist kein richtiger Mensch mehr, so wie ihr zum Beispiel. Bei Noma-Kindern ist immer das Problem, das sie ihren Ceck nicht kennen.“

„Ein Ceck?“

„Einen Ceck bezeichnet man die Leute, die aus Menschen ein genetisch verändertes neues Lebewesen machen. Ich bin zum Beispiel dein Ceck. Ich habe dir dein neues Ich gegeben und weiß ganz genau wie ich dich bei ernsten Fällen behandeln kann. Jedoch bei Nik bin ich absolut ratlos. Nur sein Ceck weiß wie er wieder auf die Beine kommen kann, da er ihn kreiert hat. Lou, ich möchte dir das wirklich nur ungern sagen, aber wenn er nicht in spätestens neun Tagen behandelt wird, sehe ich keine Lebenschance für ihn. Ich kann nur versuchen ihn stabil zu halten, aber selbst das stärkste Seil reist einmal.“

Mir liefen Tränen hinunter. Nik wird sterben? Aber man muss doch etwas tun können.

„Aber Professor es muss doch eine Lösung geben!“, rief ich.

„Nun man muss seinen Ceck finden. Aber das ist unmöglich, da diese Organisation absolut geheim ist und niemand weiß wo sie arbeitet, ist es schwer sie in acht Tagen aufzuspüren.“

„Aber ich werde nicht aufgeben!“, schrie ich und schlug mit der Hand auf den Tisch.

„Lou, es ist unmöglich die Organisation zu finden. Niemand weiß wo sie arbeiten. Außerdem wenn du sie finden würdest, wer würde sich an diesen Jungen erinnern? Tausende arbeiten an ihren eigenen Noma-Kindern. Alles was sie tun ist illegal und deswegen weiß auch niemand wo sie sind. Es wäre Zeitverschwendung nach ihnen zu suchen.“

Ich ballte die Faust und rannte wütend aus dem Zimmer.

Das glaubte ich einfach nicht. Alles ist zu finden, man muss es nur wollen und alles dafür geben. Ich muss einfach diesen Ceck finden. Wenn ich Nik verlieren würde, könnte ich mir das niemals verzeihen. Ich würde wieder einen geliebten Menschen verlieren und das möchte ich um jeden Preis verhindern. Mir ist es völlig egal was der Professor sagt, ich werde in acht Tagen seinen Ceck finden, das schwöre ich.

Ich musste es aber heimlich machen. Der Professor würde es mir verbieten mich allein auf die Suche nach seinem Ceck zu machen. Ich rannte in mein Zimmer und stopfte alles Nötige in meine kleinen Taschen an der Hose und in meine Weste. Noch bevor ich losging, schaute ich durch das Fenster und sah wie Nik an Schläuche und Geräte angeschlossen wurde. Er war immer noch bewusstlos und ich unterdrückte meine Tränen.

„Ich werde dich nicht im Stich lassen, Nik. Ich werde deinen Ceck hierher bringen, koste es was es wolle. Aber bitte halte bis dahin durch!“, schluchzte ich und merkte wie jemand hinter mir stand.

„Ryan.“, seufzte ich.

„Ich werde dich begleiten.“, sagte er und ich drehte mich zu ihm um.

„Du willst was?“

„Du hast schon richtig gehört. Los, gehen wir!“

Er ging den Gang hinauf und ich folgte ihm immer noch schweigend. Ich konnte nichts sagen, weil ich wie gehemmt war.

„Ich dachte du magst Nik nicht besonders.“

„Ich tue das auch für dich.“

„Für mich? Du bist mir aber keinen Gefallen schuldig.“

„Das hat auch nichts damit zu tun. Ich möchte einfach nur nicht das du traurig bist.“

Das hatte ich schon einmal gehört. Ich fand es trotzdem nett, dass er mir half, obwohl der Professor ihn schon mal anmotzte, weil er wegrannte, tat er es gleich noch einmal und ich denke dies war er sich bewusst.

Wir verließen das Zentrum ohne jeden Mucks zu hinterlassen. Ich wusste, dass ich Nik für acht Tage nicht sehen würde und stattdessen seinen Ceck suchte. Ich wusste auch das der Professor und JC besonders sauer sein würden, aber dieses Risiko ging ich gerne ein. Wir fuhren mit dem Auto zum Flughafen und sagten unserem Piloten wir hätten eine wichtige Mission in Desar. Zuerst wollte er uns nicht glauben, aber als ich ihn dazu drängte, willigte er ein und wir fuhren los.

 

 

 

Kapitel 15 – Organisation Noma

 

 

Wir landeten in drei Stunden in Desar. Ryan und ich schauten erstmals nach einer Bleibe. In der Stadt war wie immer etwas los und sie leuchtete fast so hell wie auch am Tag. Überall waren Laternen und Lichterketten, die die Straßen entlang liefen. Wir mussten eine kleine Bleibe suchen und fanden tatsächlich eine Gaststätte, sie erinnerte mich ein wenig an Niks zu Hause.

Ryan benutzte seine Karte, worauf ziemlich viel Geld war, genau wie auch auf meiner und bezahlte ein Zimmer für eine Nacht. Wir kamen im Zimmer an und es gab nur ein Doppelbett. Ich schaute ihn an und er seufzte genervt.

„Weiber…“, brummte er und schmiss seine Bettdecke auf die Couch, die dort noch stand. Ich zog meine Schuhe aus und setzte mich zuerst aufs Bett.

„Ich geh jetzt schon schlafen. Ich hatte die letzte Nacht Albträume gehabt.“, gähnte Ryan und zog seine Jacke, sowie sein Hemd aus.

Du hattest Albträume?“, kicherte ich.

„Jeder kann mal Albträume haben, dein Freund hatte es doch auch.“

Ryan legte sich auf die Couch und ich machte das Licht aus. Aus dem Fenster konnte man die ganze Stadt sehen, sie war wunderschön. Ich stellte mir einen Stuhl an Fenster und bewunderte die Aussicht. Die hohen Gebäude leuchteten am meisten. Nik meinte das die Eaganer drei Monate lang ein besonderes Fest feierten zur Ehren ihres Gottes. Sie hatten sogar Kirchen. Nur war diese meist so rund wie eine Halbkugel sie erinnerten mich an ein Iglo. Ich fand es trotzdem schön, dass die Eaganer noch eine Religion hatten und bei den Menschen glaubte ich das eher weniger. Die Kirche war im Mittelalter absolut wichtig und jeder musste einen Glauben haben, jetzt glaubte ich sogar es gab überhaupt keinen mehr.

„Lou, leg dich bitte schlafen!“, nörgelte er.

„Wieso denn? Ich bin doch still.“, rief ich.

„Ja, aber du wirst mich sicher wach machen. Ich habe einen leichten Schlaf weißt du.“

Ich seufzte.

„Na gut, wie du willst.“

Ich stand auf und ging in das kleine Badezimmer. Er war modern und dennoch einfach gerichtet. Die Fugen und Wände waren weiß und das Becken aus Keramik. Der Hahn hatte einen Bewegungsmelder und es kam immer ein frisches Handtuch aus der Wand. Man musste es nur aus einer Klappe nehmen, die dort eingebaut war. Das schmutzige schmiss man einfach einen kleinen Schacht hinunter.

Ich zog meine Hotpants aus, damit ich nicht mit meinen vollgeprallten Täschchen schlafen musste. Ich legte mich in mein Bett.

„Gute Nacht, Ryan und bekomm bitte diese Nacht keine Albträume, klar?“, kicherte ich.

„Bestimmt nicht. Gute Nacht.“

Ich wachte am nächsten Morgen auf und Ryan schlief noch, ich konnte seinen Atem hören. Ich stieg aus dem Bett und zog meine Hotpants an. Dennoch wollte ich wissen, wie viel Uhr wir hatten und kramte in Ryans Weste herum. Er hatte immer eine Minichipuhr dabei, die so groß wie mein Daumen war.

„Du kannst echt niemanden ausschlafen lassen.“, beschwerte er sich wieder und drehte sich zur Seite um.

Dann fand ich den Chip und zuckte zusammen. Ein Uhr? So spät? Ich rüttelte Ryan wach, er seufzte genervt.

„Aufwachen, wir haben ein Uhr!“, schrie ich.

„Okay! Ich stehe ja schon auf!“

Er zog sich wieder sein Hemd an und ich konnte meine Augen nicht von seinen Bauchmuskeln fern lassen. Was hat er gemacht, das er so üble Muskeln hatte? Man müsste schon jeden Tag trainieren um das hinzubekommen. Vielleicht hatte es auch etwas mit seiner Gene zu tun.

„Was guckst du denn so?“

„Nichts.“, runzelte ich die Stirn.

Wir packten gleich unsere Sachen und verschwanden aus der Gaststätte. Ryan überredete mich uns aus dem Zimmer zu teleportieren, weil er dann sonst die Treppen benutzen müsste.

Wir fragten Mensch ob sie etwas von der Organisation wüssten, aber die meisten wollten nicht einmal etwas davon wissen oder darüber reden. Die Organisation musste viele Feinde und Verächter haben. Jedoch fand ich einst im Getümmel Lumo. Er redete mit einem Menschen und ich grüßte ihn und erklärte ihm die Situation. Ryan tauchte auch gleich neben mir auf.

„Ah, Guten Tag, Ryan.“, grüßte er ihn.

„Hallo Lumo.“, sagte Ryan mit einer kühlen Stimme zurück, am liebsten wäre ich auf seinen Fuß getreten, weil er wieder seine lockere Mimik zeigte.

„Die Organisation Noma sucht ihr, was? Und dieser Nik ist so ein Kind sagst du?“, fragte er.

„Ja und sein Ceck muss spätestens in acht Tagen gefunden werden. Sonst wird er sterben und das möchte ich um jeden Preis verhindern.“

„Also gut, wir sollten lieber weitere Details in unserem Zentrum besprechen. Hier gibt es einige Leute die zuhören und wir möchten bestmöglich Privatgespräche führen.“

Wir folgten ihm einige Straßen entlang bis zu einem noch größeren Haus, als in Naga. Es war ebenfalls braun, muss wohl ihre Markenfarbe sein. Wir stiegen einige Treppen hoch und Ryan benutzte natürlich Teleportation.

„Du bist so was von faul, Ryan.“, gab ich zu.

Doch er zog nur eine angeberische Grimasse.

Im fünften Stock gingen wir durch eine Tür, wo ein großes Büro zu erkennen war. Überall waren vollgepackte Schränke und Regale. In der Mitte standen ein Schreibtisch, der ebenfalls mit Büchern und Blätterstapeln überhäuft war, und zwei Stühle. Wir setzten uns hin und Lumo saß gegenüber von uns.

„Wir wissen auch neues über den Stützpunkt. Wir fanden ihn, aber dennoch ebenfalls leer, obwohl wir berechnet hatten wie weit ungefähr so eine riesige Truppe kommen könnte. Dummerweise fanden wir nur leeren Wüsten und Wälder. Aber so langsam fange ich an zu glauben, dass sie einen Trick dabei haben. Ich denke sie verwenden Unsichtbarkeitsspritzen. Sie halten ganze drei Stunden und deswegen konnte sie auch keine sehen. Sie Spritzen sind illegal und absolut verboten. Aber wenn jemand schon eine komplette Stadt zerstört, müsste das seine wenigste Sorge sein. Deswegen benutzen wir ab sofort Wärmesensoren. Sie können innerhalb von fünfhundert Metern Wärme aufspüren.“

„Wenn sie tatsächlich diese Spritzen benutzen, dann wird es glaube ich noch schwieriger sein sie zu finden. Im Kampf wird es wahrscheinlich genauso sein. Sie haben einen Vorteil dadurch nicht gesehen zu werden.“

„Ja, das ist korrekt, aber wir haben Brillen entworfen die jede kleinste Wärme signalisieren und wir sie deswegen auch sehen können.“

„Das ist ja genial!“, rief ich.

„Also hätten wir dieses Problem auch schon mal gelöst, aber wir müssten sie dazu erstmals finden. Wir würden dir ja wirklich gerne helfen, aber ein Freund liegt im Sterben.“

„Ja und deswegen werde ich euch helfen.“, sagte er und stand gleichzeitig auf.

„Wirklich?“

„Ja. Ihr habt mir geholfen und ich werde nun euch helfen und ich weiß auch schon wo wir anfangen werden.“

Wir schauten zu ihm hoch.

„Es gibt nämlich tatsächlich Leute die von der Organisation gehört und einige Leute davon gesehen haben. Nur müssen wir diese Quellen erstmals finden und das wird schwierig. Ich denke wir bleiben unentdeckt und ziehen uns Umhänge an. Die meisten Menschen können sich Gesichter gut einprägen und wir müssen unerkannt bleiben. Es gibt in jeder Stadt eine Unterstadt, meistens sind dort Märkte oder private Veranstaltungen. Dort findet man auch meistens Leute die viel Wissen, weil sie Spione aufsetzen um Neuigkeiten zu berichten. Ein Freund von mir arbeitet da unten, ihn könnten wir zuerst fragen. Los kommt!“

Wir hingen uns schwarze Mäntel um und wir gingen wieder in den Tumult hinein. Ich griff nach Ryans Arm, damit ich ihn nicht verlor. Das erinnerte mich wiederum an Nik, ich hielt auch seinen Arm fest, weil ich Angst hatte alleine zu stehen.

Wir blieben vor einem Aufzug stehen und ein Türsteher, schaute in Lumos Gesicht.

„Ah, du bist es!“

„Die zwei hinter mir, gehören zu mir.“, meinte er und der Türsteher nickte ihm zu.

Der Aufzug sprang auf und wir stellten uns hinein.

„Wie viele Meter geht das eigentlich hinunter?“, fragte ich und schaute auf den Boden.

„Ich schätze mal einhundert Meter.“, antwortete Lumo.

Wir kamen an und es war wieder eine riesige Halle, doch sie war vollkommen beleuchtet. Überall standen Bühnen wo Artisten, Trickser oder ein Mann Witze riss. Sonst waren auch viele Stände da, auch Eaganer, die mit Menschen zusammen ihre Waren verkauften. Wir mussten uns wieder durch den ganzen Tumult laufen und kamen am Ende an einem kleinen Stand an. Ein Eaganer bediente einige Kunden, die anscheinend an seiner Ware sehr interessiert waren.

„Hey, Arc!“, rief Lumo und der ebenfalls lange und dünne Eaganer wandte sich zu dem Ruf um.

„Lumo! Was für eine Überraschung.“, rief er und befahl einer Angestellten seinen Platz einzunehmen.

Beide umarmten sich fröhlich.

„Dein Geschäft läuft ja richtig gut, du alter Abzocker.“

„Nun ja, was soll ich sagen, ich habe eben die besten Waren.“

„Da stimme ich dir zu.“, lachte Lumo.

„Was führt dich hierher, mein Freund?“, fragte er.

„Nun ja, wir suchen Information zu der Organisation Noma. Du kennst die Leute hier in und auswendig, kennst du vielleicht jemanden der uns weiter helfen könnte.“

„Du weißt schon in was du dich da einlässt, Lumo.“

„Ich weiß. Aber ich helfe Freunden und ich bin ihnen etwas schuldig, deswegen bin ich bereit das auf mich zu nehmen.“

Arc schaute an Lumo vorbei und starrte mich und Ryan an.

„Na gut. Es gibt drei Leute von denen ich weiß dass sie ein wenig über die Organisation Bescheid wissen. Doch Lumo, diese Leute sind gerissen, pass bloß auf dich auf. Hier unten gibt nur Trickser, Schmuggler und Betrüger. Manchmal auch Verbrecher. Geht am besten zu einem Mann namens „Eidenhorn“, es ist sein Kosename. Er weiß am meisten von der Organisation, am besten du schaust am Brunnen nach oder am Wasserfall, es sitzt meistens in der Ecke und schläft.“

„Danke Arc, ich bin dir was schuldig.“

„Oh nein, Lumo, wir sind zum ersten Mal quitt, wie oft du mir aus der Patsche geholfen hast, ich hatte bei zehn aufgehört zu zählen. Deswegen helfe ich dir immer gern.“

Es dauerte mir alles zu lange. Auch als Lumo die Informationen hatte, sprach er mit ihm trotzdem weiter. Sie redeten immer leider, sodass Ryan und ich ihr Gespräch nicht mehr weiter verfolgen konnten, aber dann fühlte ich mich wieder beobachtet. Ich drehte mich langsam um und schaute nach einer auffälligen Person. Aber ich sah niemanden. Mein Herz pochte und ich bekam Angst. Ich krallte mich noch fester an Ryan und er schaute bedenklich zu mir herunter.

Lumo kam zu uns.

„Habt ihr alles mitbekommen?“

Wir nickten.

„Also unser Ziel ist etwa am Brunnen, oder am Wasserfall. Der Kosename lautet „Eisenhorn“, gut, also los.“

Wir liefen wieder durch das Getümmel und ich schaute nach allen Seiten. Ich konnte dieses Gefühl nicht abschütteln, verfolgt oder beobachtet zu werden. Es kam nicht von den Leuten die an uns vorbeigingen, sondern eher von woanders, aber ich konnte es einfach nicht orten. Als wir unter einem verzierten Bogen hindurch gingen, landeten wir am Brunnen. Er war riesig und einige Menschen und Eaganer saßen sich auf Rand um dem Wasser zu lauschen oder sich mit seinem Partner zu unterhalten. Im Brunnen waren gemeißelte Staturen und oben an der Spitze sprudelte Wasser in einem Krog hinaus.

„Woher wissen wir wie er aussieht?“, fragte ich.

„Weil er schläft und das immer.“

Jemand der den ganzen Tag nichts tut und nur schläft? Wie langweilig.

Wir teilten uns auf und suchten alle Ecken ab, fanden aber keinen schlafenden Eaganer.

„Na gut, dann auf zum Wasserfall.“

Wir mussten auf die andere Seite der Halle. Als wir dort ankamen sah ich schon gleich in einem genauso großem Raum wie beim Brunnen, einen wunderschönen Wasserfall, der aus der Wand floss. Das Wasser sprudelte in ein großes Becken, das ebenfalls aus Stein gemeißelt war. Daneben schlief ein kleiner, etwas dicker Eaganer. Er hatte die Hände zusammengefaltet und den Kopf auf seine Brust gelegt. Er trug einen dicken Baumwollartigen Mantel, darunter Fetzen.

Lumo ging langsam auf ihn zu und tupfte ihn an.

Er wachte auf und gähnte zuerst, dann schaute er Lumo an.

„Was willst du? Ich brauche keine Almosen, ich bin kein Bettler sondern ein freier Mann, verschwinde!“, meckerte er.

„Nein, wir möchten dich etwas fragen.“

„Nein! Die Information hat geschlossen, verschwindet!“, rief er.

Ich kniete mich zu dem Eaganer hin und er blickte mich mit einer misstrauischen Mimik an.

„Bitte Herr Eidenhorn, ich möchte nur einem Freund helfen der im Sterben liegt, ich bitte Sie, helfen Sie mir.“

Zuerst schaute er mich eine Zeitlang an, doch dann löste sich seine angespannte Mimik und er seufzte.

„Also gut. Worum geht es? Was möchtet ihr wissen?“

Ich war erleichtert dass er uns half.

„Es geht um die Organisation Noma.“

Plötzlich zischte er los.

„Nicht hier! Die Wände haben Ohren. Wenn du wirklich Informationen haben willst, dann warte bis zwanzig Uhr. Dann schließt die Bude hier.“

„Das sind noch knappe viereinhalb Stunden.“

„Wenn du wirklich deinem Freund helfen willst, dann muss du dies Geduld aufbringen.“, meinte er und schloss wieder seine Augen um weiter zu schlafen.

„Können wir nicht woanders reden?“

„Nein, er hat Recht, die Wände haben tatsächlich Ohren, es wäre besser zu warten bis alle weg sind.“, stimmte Lumo dem kleinen Mann zu.

Es kam mir wie eine Unendlichkeit vor, aber wir warteten wirklich bis zwanzig Uhr. In der Zeit setzte ich mich ans Becken, tauchte meine Hand ins Wasser, redete mit Lumo oder Ryan, stand auf und ging umher, ich legte mich manchmal auch ein wenig hin und versuchte zu dösen.

Es war zwanzig Uhr und tatsächlich war keiner mehr da. Wie ein Wecker sprang der kleine Eaganer auf und sprang ins Wasser.

„Was tust du?“, rief ich.

„Los, kommt auch rein!“

Ich schaute ihn entsetzt an. Was hat er gerade eben gesagt? Wir sollen ins kalte Wasser springen und schwimmen gehen? Geht es dem noch gut?

„Ich dachte du wolltest uns etwas erzählen!“, schrie ich. Doch da sprang Lumo und Ryan ebenfalls rein.

„Seit ihr jetzt alle bescheuert.“

Lumo sträubte sich.

„Komm Lou!“

Ich stand fassungslos da und konnte einfach nichts mehr sagen.

„Das gehört dazu, es gibt hier Geheimwege und einer führt durch das Wasser.“, erklärte Lumo.

Ich stellte mich zitternd auf den Beckenrand und nahm erstmals Luft.

„Aber dann werden meine Haare nass und meine Kleider.“, jammerte ich und weigerte mich zuerst ins Wasser zu springen.

„Willst du nun deinen Freund retten oder nicht?“, fragte der kleine Eaganer und seufzte schwer.

Doch dann stand Ryan plötzlich hinter mir und ich wusste dass er mich ins Wasser schubste. Ich drehte mich erschrocken um und dann landete ich schon im kalten Wasser.

„Das ist ja eiskalt.“, beschwerte ich mich.

Dann tauchten auf einmal vier Griffe auf, die vor mir im Wasser umher schwammen. An ihnen hing ein Seil.

„Festhalten!“, rief er und ich krallte mich mit zwei Händen an dem zu kleinen griff fest. Ich atmete tief ein und da zog das Seil und auch schon unter Wasser. Ich schloss meine Augen und sekundenspäter tauchten wir wieder woanders auf. Ich musste husten, weil Wasser in meine Lunge kam.

Ryan teleportierte sich gleich aus dem Wasser.

Wir waren in einem Raum wo eine Treppe hoch zu einer Tür führte, sonst hing nur eine Lampe über dem Becken. Der komplette Raum war aus Stein, so wie der Brunnen und der Rand des Wasserfalls, bis auf die Tür.

„Gut, hier sind wir erstmals sicher vor Verfolgern oder Beobachtern. Dort oben in dem Raum sind noch andere Leute, es ist eine versteckte Kneipe, wo Spione oder so Leute wie ich arbeiten. Manche wohne auch dort oben. Es ist absolut geheim und nur die vertrautesten Personen kennen diesen Ort, aber da euch Arc geschickt hat, weiß ich das ihr keine schlechten Menschen seid.“

„Woher weißt du dass wir die Information von Arc haben?“

„Weil er ein Freund von mir ist und nur er mich kennt. Und als du angefangen hast von der Organisation zu reden, war es offensichtlich.“

Wir stiegen triefend die Treppe hinauf, öffneten sie Tür und landeten in einem kleinen engen Flur aus Holz. Die Wände waren aus Lehm und rechts waren drei Türen und links. Wir benutzen aber keine von beiden, sondern gingen durch die am Ende des Raumes. Wir kamen in ein leeres Lokal. Es gab eine Theke und dahinter wieder eine laute Küche.

Der kleine Eaganer räusperte sich laut und da kam eine alte Frau aus der Küche. Sie hatte tiefe Tränensäcke und Falten. Ihre Augen waren klein und sie grinste uns an.

„Ach Eid, wieso hast du die Menschen wieder durch dieses Wasser gejagt und nicht die Tür benutzt.“

In mir staute sich eine Wut.

„Es gibt eine Tür?“, brüllte ich.

Eid drehte sich um und grinste mich an.

„Stimmt ja.“, lächelte er.

Ryan musste auch kichern, genauso wie Lumo. Ich drehte mich zu ihnen wütend um und schnaubte sie an.

„Das ist nicht witzig, ok?“, schrie ich.

„Ach ja, ich hab oben noch Ersatzsachen, die könnt ihr euch anziehen und in der Zeit werde ich eure nassen Sachen aufhängen und euch ein Süppchen machen.“

Die Frau war aber wirklich nett. Sie wusste genau was ich wollte, etwas zu Essen und trockene Kleidung.

„Kommt mit hoch, ich zeige euch euer Zimmer, nur leider haben wir nur noch zwei zur Verfügung, also wer möchte mit wem in ein Zimmer. Lumo und Ryan schauten sich tief in die Augen und ich wusste was sie dachten.

Dann ging ich zwischen sie und drückte beide voneinander weg.

„Ich denke Lumo und Ryan gehen schon mal nicht in ein Zimmer.“, grinste ich verzerrt.

„Na gut, wer kommt dann bei dich?“

„Also Lumo mal ganz sicher nicht.“, knurrte Ryan.

„Ok. Dann wäre das ja geklärt.“, lächelte ich Eid an und zog Ryan an seinem Kragen. Dann zog ich mir sein Gesicht an meins und schaute ihn vollkommen ernst an.

„Benimm dich, klar?“, warnte ich ihn vor und ließ seinen Kragen los.

Eid winkte uns ihm zu folgen und wir bekamen unsere Zimmer. Hier war der Boden aus Holz und die Wand aus Lehm. Die Couch war aus einem Holzgerüst und einer eher alten Matratze, genauso wie das Doppelbett. Es standen noch zwei Holzstühle und ein Schreibtisch mit Rollstuhl im Zimmer. Es gab keine Fenster, wie sollte es auch, denn dann wäre dieser Ort nicht mehr geheim.

„Du weißt ja wo dein Platz ist.“, grinste ich und er seufzte schwer.

Im Bad zog ich meine nassen Klamotten aus und fand in einem kleinen Schrank die trockenen Kleidung. Der BH war mir fiel zu groß, wo wie die restliche Kleidung. Alles hing an mir herunter. Die weiße Leinenhose war so breit, dass hätte mein Bein zweimal rein gepasst. Ich musste das Hemd und die Hose mit einem Band am Bauch fest machen. Als ich aus dem Band heraus kam, schaute mich Ryan schockiert an.

„Ja, ja, zieh du erstmals deine Kleidung an.“, murrte ich.

Er zog eine Augenbraue hoch und verschwand vor meinen Augen und dann fiel die Tür hinter mir zu. Meine Haare hatte ich mit einem Fön getrocknet und kämmte sie vor dem Spiegel. Sie waren ziemlich lange geworden, die gingen mir bis zur Brust.

Als Ryan auch fertig wurde, gingen wir hinunter und saßen uns mit Eid an den Tisch. Das Essen war ziemlich bunt, grün, orange, blau und sogar gelb. Es mussten Pflanzen sein, die die Eaganer schon seit Jahrhunderten aßen. Es schmeckte köstlich und der Geschmack ähnelte so manchen Gerichten die ich früher auf der Erde aß. Als wir mit dem Essen fertig waren, fing Eid an zu erzählen.

„Wie ihr wisst, weiß ich über die Organisation Bescheid, weil ich mal dort arbeitete. Dort werden viele Experimente gemacht, hauptsächlich mit Babys. Sie werden an Geräte angeschlossen und in riesige Kapseln gesteckt. Dort schüttet man alle Chemikalien herein die dafür in Frage kämen und aus den einst normalen Menschen werden genetisch veränderte Monster, die Noma-Kinder. Früher war ich dort eine Hilfskraft und wusste nie so richtig wie alles funktioniert und die Laborräume waren für mich absolut tabu. Bis ich eines Tages abends den Flur putzte und ich eine Tür quietschen hörte. Ich ließ den Besen stehen und folgte dem Quietschen, als ich sah dass eine Tür zum Labor offen stand. Das Licht war aus, aber dennoch leuchteten die Gefäße in denen die Kinder drinnen waren. Ich war früher furchtbar neugierig und schlich mich heimlich hinein. Ich wusste zwar das Experimente durchgeführt wurden, aber nie hätte ich ahnen können, das sie das auch mit Menschen machten. Die kleinen Babys waren so unschuldig und klein, dass sie mir furchtbar leid taten. Als ich mich jedoch umdrehte, stand hinter mir einer der in diesen Räumen arbeitet, es war ein Professor. Er starrte mich wütend an, weil er dachte ich hätte dies absichtlich getan und doch erklärte ich ihm dass die Tür schon offen war. Er glaubte mir kein Wort und sagte, wenn ich das nicht für mich behielte, tötete er mich. Das machte mir so eine höllische Angst und ich konnte auch in seinen Augen sehen, dass mein Tod nahe war. Sie gaben mir keine Chance dies geheim zu halten, sondern wollten mich umbringen, sobald ich alleine war und schlief. Also versprach ich ihm alles geheim zu halten und rannte nach Hause. Ich wusste ich wurde verfolgt und packte so schnell meine Sachen wie es nur ging. Meine Frau nahm ich gleich mit und flog so weit weg wie nur möglich.“

„Wie weit war es denn?“, fragte ich.

„Ich flog um die halbe Welt, zu den Eaganern.“

„Willst du damit sagen du warst einmal ein Mensch?“

Er senkte den Kopf.

„Ich musste es tun. Als wir ankamen, machte ich sofort einen Termin für eine Rassenoperation. Sie hatte eine Woche an mir gearbeitet und heute sehe ich aus wie ein Eaganer, weil ich mich verstecken musste. Selbst meine Stimme hatte ich verändert und meinen Namen. Selbst meine Frau hat einen anderen. Wir gehörten nun der Staatsangehörigkeit an und sie löschten meine andere Identität. Ich war ein neuer Mensch geworden und es ist schon sieben Jahre her, das ich immer in Angst leben musste, nicht im Schlaf ermordet zu werden. Diese Organisation ist das reinste Totengrab. Sobald du dort nur Putzmann warst oder Türsteher, sie brachten dich um, sobald du verbotene Dinge tätest. Es ist furchtbar dieses Leben zu führen, aber ich denke das Schicksal hat dies so vor rausgesehen. Ich hatte bis heute, außer meiner Frau, niemanden etwas davon erzählt. Arc weiß nur das ich die Dinge weiß die jeder andere weiß, es gibt eine Organisation die Noma genannt wird, von den Bürgern selbst erfunden, und das sie Noma-Kinder zeugt. In Wirklichkeit wird dieses Gebäude NKR genannt.“

Ich stand erschrocken auf.

„NKR sagst du?“, rief ich.

„Ja genau, hast es schon einmal gesehen?“

„Ja, als mich Benett entführte.“

„Der Milliardär, was hat der denn mit der ganzen Sache zu tun? Ich hörte zwar nie etwas Gutes von ihm, aber er wird doch nicht hinter der Gründung von NKR stecken oder?“

„Natürlich, alles fügt sich zusammen.“, seufzte ich und ließ meinem Kopf hängen. „Als ich flüchtete sah ich ein Flugzeug mit der Aufschrift NKR. Es hat sich von den anderen total unterschieden und ich dachte mir nichts dabei, aber jetzt wird mir alles klar. Als ich bei Benett im Saal war, hatte Olivia Kräfte, genauso wie Benett. Er konnte Strom erzeugen und meinte er sei nicht der einzige mit Kräften. Genau das muss er gemeint haben, er ist der Gründer der NKR.“

„Weißt du überhaupt was NKR heißt?“, fragte Eid.

Ich schüttelte den Kopf und setzte mich wieder hin.

„Neue-Kinder-Rassen. Wie der Name schon sagte, sie experimentierten hauptsächlich mit Kindern. Der Nachteil daran ist nur, dass sie ihren Ceck niemals finden werden oder kennen lernen. Das führt dazu, das Noma-Kinder früher sterben und nie erwachsen seien können. Ich schätze mal sie schaffen es nicht einmal bis zwanzig Jahre. Deswegen werden diese Kinder oft gemieden, weil die Menschen und Eaganer Angst vor ihnen haben. Sie denken es wäre ansteckend und eine Krankheit, aber das stimmt absolut nicht. Diese Kinder haben das schlimmste Schicksal das man sich nur vorstellen vermag.“

Ich unterdrückte meine Tränen, weil ich einfach nur an Nik dachte und Angst hatte es nicht zu schaffen ihn retten zu können. Aber ich musste seinen Ceck finden, ich will ihn nicht verlieren.

„Kann man denn den Ceck nicht finden und hierher bringen?“, fragte ich und schniefte zum Schluss.

„Ich bin mir nicht sicher wie viele es sind, aber die Möglichkeit besteht, nur ist sie fast unerreichbar.“

Ich hielte meine Hände eins Gesicht und hätte am liebsten losgeweint, aber ich musste strak bleiben und mich nicht kleinkriegen lasse. Eid sagte das die Möglichkeit bestehe, wieso sollte sie dann auch nicht möglich sein. Auch wenn es schwer ist, werde ich einen Weg finden ihn zu erreichen. Ich musste einfach.

„Eid wo war NKR nochmal genau?“, fragte ich.

„Nun, das ist schwer zu sagen, denn bestimmt ist sie umgezogen, aber wenn du das Flugzeug gesehen hast, muss sie in der Nähe von Benetts Zentrum sein.“

Da kam mir aber eine Idee.

„Das ist es!“, fuhr ich hoch.

„Was hast du?“, fragte Lumo aufgeregt.

„Das Flugzeug. Wir müssen nur in Benetts Zentrum gelangen und in das Flugzeug steigen und wenn sie losfliegen, dann bringen sie uns direkt zu NKR.“

„Ja, aber du hast vergessen dass wir sofort auffallen.“

Stimmt. Als ich dort fliehen wollte, waren tausende von Soldaten und sie zielten auf mich. Nur durch mein Schild konnte ich mich schützen vor den Kugeln die auf mich zuflogen. Aber was wäre wenn wir uns verkleiden würden?

„Ich hab´s! Was wäre wenn wir uns wie die Männer verkleiden, uns Masken anziehen und diese engen Anzüge, dann würde uns doch niemand sehen und wir könnten unbemerkt ins Flugzeug gehen.“

„Das ist gar keine so üble Idee.“, meinte Lumo.

„Also gut, wir gehen in zwei Tagen los, denn wir dürfen nicht zu sehr auffallen, hier unten gibt es wahnsinnig viele Verfolger.“

„Aber ich muss es schaffen in acht Tagen im Zentrum zu sein mit Niks Ceck.“

„Keine Sorge. Wir haben noch genügend Zeit.“

Ich seufzte und versuchte mich zu beruhigen.

„Ich würde vorschlagen wir schlafen erstmals.“, gähnte Lumo.

„Dafür bin ich auch.“, meinte auch Ryan.

Wir verschwanden in unsere Zimmer und ich schlief sofort ein.

 

„Ah, Lord Benett, Sir, wir haben es geschafft!“, rief Karl und stolzierte auf ihn zu. Im Hintergrund war wieder dieser riesige Mensch der in der Kapsel umherschwamm.

„Was geschafft, Karl?“

„Die Lösung unseres Problems.“

„Wirklich? Was ist es gewesen?“

„Es war das Blut des kleinen Mädchens. Sie hat eine unvorstellbare Energie und mit der können wir ihn zum Leben erwecken. Wir bräuchten allerdings viel mehr, sagen wir mal alles.“

„Das heißt wir müssen wieder die Kleine einfangen.“, überlegte Benett.

„Genau Sir, aber das wird für sie ja ein Klacks sein.“, schleimte Karl.

„Also gut. Ich werde mir einen Plan ausdenken, wie wir sie aus dem Zentrum herauslocken können.“

„Sir, es gibt da nur ein Problem. Nach meinen Quellen nach ist das Mädchen verschwunden und Elius Leute suchen nach ihr.“

„Perfekter geht es ja gar nicht mehr. Karl, schick die besten Spione und such nach diesem Mädchen. Ich würde gerne wissen wer sie zuerst findet.“, befahl er und Karl rannte los.

Nach wenigen Minuten scharrten eine Menge Spione aus und begannen ihre Suche.

 

In den nächsten zwei Tagen war es dann so weit an dem wir wieder in die vier Himmelsstadt fuhren. Ich war völlig fertig von gestern und musste die ganze Nacht nur an Nik denken. Ich hätte wirklich gerne gewusst wie es ihm ginge.

Aber dann rüttelte mich etwas wach und ich zog mein Kissen über den Kopf.

„Lass mich schlafen!“, murrte ich.

„Wir haben ja schon fast Nachmittag, also steh endlich auf.“, rief Ryan und ließ meinen Arm nicht los.

„Ja, ja, ok, ich stehe ja schon auf.“, seufzte ich.

Er ließ mich los und ging ins Bad. Ich stand auf und zog meine alte Kleidung wieder an, die auf dem Tisch lag. Als ich gerade mein T-Shirt anziehen wollte und dort noch im BH stand, war plötzlich Ryan neben mir.

Ich zog schnell mein T-Shirt vor mich und gab Ryan an Ohrfeige.

„Ryan!“, brüllte ich und versuchte ihm nicht noch eine zu kleben. Er drehte sich um und fasste sich an seine rote Wange.

Ich zog schnell mein T-Shirt an und meine Weste.

„Man das tat richtig weh.“, murmelte er und saß sich beleidigt aufs Sofa.

„Selbst schuld!“, motzte ich.

Als wir fertig waren, wartete schon Lumo und Eid auf uns. Lumo schaute auf Ryans Wange und musste anfangen zu lachen.

„Deswegen hast du geschrien, Lou.“, lachte er.

Ryan knurrte und setzte sich weiterhin beleidigt auf die Bank.

Dann drehte Eid sich zu mir.

„Ich werde euch begleiten, Lou.“, meinte er.

„Was denn? Wirklich?“

„Ja, ich denke ihr werdet ohne mich NKR nicht finden und die Räume kenne ich in- und auswendig. Außerdem möchte ich mich unbedingt an diesen Professoren rächen. Was sie den Kindern angetan haben, war Missbrauch und unmenschlich.“

Ich nickte und wir gingen los. Es gab eine Hintertür die in einen Gang führte, als wir dann wieder an der Oberfläche auf dem riesigen Platz landeten. Wir liefen einige Straßen entlang und mussten durch Tunnel laufen die meistens eine Verbindung zwischen einzelnen Gebieten herstellte. Nach einer Stunde waren wir dann am Ziel. Lumo hatte ein eigenes Flugzeug, das er sein ganze Leben lang angespart hatte. Die Form war so ähnlich wie zwei ovale Teller, die aufeinandergelegt wurden. Es war schwarz und auf dem Rücke war ein rotes Zeichen.

„Darf ich vorstellen? Die „Sopra“.“, zeigte Lumo auf sein Flugzeug. „Es ist nicht so wie die anderen Schiffe, es ist eher ein älteres Modell, aber dafür absolut schnell und kann sich unsichtbar machen.“

„Ein Schiff? Ist das dasselbe wie ein Flugzeug?“, fragte ich.

„Nein. Schiffe bezeichnet man immer nur wenn es einen Besitzer hat. Damit meine ich jemanden der eigentlich meistens alleine fliegt, so wie ein Boot oder ein Auto. Flugzeuge sind meistens unabhängig, also haben sie haben keinen Besitzer und fahren meistens Passagiere von einer Stadt zur anderen.“

Wir stiegen alle ins Schiff ein und eine Rampe ging auf. Auf ihrer Innenseite war eine Treppe, sodass wir hinaufsteigen konnten. Zwei bewegende Metallstangen hielten die Klappe rechts und links stabil. Wir waren drinnen und im Cockpit waren zwei weitere Sitze.

„Brauch man dafür keinen Copiloten?“, fragte ich verwirrt.

„Nein, ein Computer ersetzt ihn, aber wenn du möchtest kannst du es mal versuchen.“

„Echt? Ich darf dein Copilot sein?“, funkelten meine Augen.

„Wenn du willst.“, lächelte er.

Ich setzte mich gleich auf den zweiten Sitz und sah die vielen Knöpfe und Schalter.

Lumo setzte sich auf seinen Pilotensitz.

„Also gut aufpassen, die leuchtenden Knöpfe helfen dir, drück sie einfach.“

Ein grüner Knopf leuchtete und ich betätigte ihn. Da konnte ich hören wie die Triebwerke hochfuhren. Es hörte sich genauso an wie im Flugzeug nur noch ein bisschen extremer. Dann leuchtete ein weißer Knopf und ich drückte wieder auf ihn.

„Was hatte ich jetzt betätigt?“

„Jetzt, geht’s erst richtig los.“, grinste er und drehte sich zu den anderen um. „Hinsetzen und anschnallen.“

Dann drückte er mir ein Headset in die Hand.

„Legte dir lieber an, am Anfang wird meistens laut.“, rief er.

Ich setzte sie mir auf und konnte durchs Mikrofon mit Lumo sprechen. Lumo betätigte noch einige Knöpfe und Hebel und dann spürte ich wie sich das Schiff vom Boden erhob. Mein Magen kribbelte als die Fliesen immer kleiner wurden. Dann ging über uns eine Luke auf das Schiff konnte weiterfliegen.

„Von hier oben sieht man ja ganz Desar.“, rief ich und konnte es einfach nicht fassen. Es war ein ganz anderes Gefühl hier vorne zu sitzen, als hinten als Passagier. Außerdem war die Geschwindigkeit ganz anders als im Flugzeug.

„Wohin noch gleich?“, fragte er.

„Na zu meiner Stadt.“

„Du weißt nicht mal den Namen?“

„Naja JC nannte sie einmal Westside.“

„Ah, dann redest du bestimmt von der „vier Himmelsstadt“. Denn nur sie besitzt Westside, Eastside, Southside und Northside. Lou, die Stadt ist einer der größten die es überhaupt auf diesem Planeten gibt und du weißt nicht einmal ihren Namen.“, lachte er zum Schluss.

Als wir ein wenig weiter flogen und schon über der Wüste waren, hielt er an.

„Was ist los?“, fragte ich.

„Halte dich jetzt gut fest. Weißt du was Schiffe auch noch haben was Flugzeuge nicht besitzen?“

„Nein, was denn?“

„Überschallgeschwindigkeit.“

Er zog einen großen Hebel zurück und dann wurden die Triebwerke noch lauter, sodass ich mich an den Sitzen festhalten musste. Es gab einen Knall, weil wir die Schallmauer durchbrochen hatten. Als ich auf Bildschirm schaute, fuhren wir mit dreitausend km/h und es wurde immer schneller. In fünfzehn Minuten landeten wir in der vier Himmelsstadt, zu Hause. Benetts Zentrum lag genau in der Mitte. Dennoch landeten wir zuerst in einer Flugstation, wo es Garagen gab für private Schiffe. Es war wie ein Schließfach, es konnte nur zu bestimmten Zeiten benutzt und anschließend bezahlt werden.

Es war noch ein langer Weg bis zu Benett und gingen wir den ganzen Tag und schafften erst die Hälfte.

„So, dahinten ist ein Gasthaus, ich denke wir werden dort auch eine Rast machen. Ich bin wirklich müde und außerdem seit ihr jünger als ich.“, keuchte Eid.

Ich war einverstanden und wir gingen dort an die Rezeption. Lumo machte zwei Zimmer klar und wir nahmen unsere Zimmerkarten, die die Tür öffnen sollten. Mit einem Fahrstuhl ging es zwanzig Stockwerke hoch und wir hatten das Zimmer T33.

Ein kleines Gerät hing an der Tür statt einem Schlüsselloch und dann fuhr ich die Karte in einen Schlitz und eine kleine Lampe blinkte grün auf. Ich öffnete die Tür und Ryan folgte mir. Es war dunkel und sichte einen Lichtschalter. Aber ich fand keinen.

„Kann es sein das hier etwas nicht stimmt?“, fragte ich Ryan und selbst durch das Fenster kam wenig Licht herein.

„Bingo!“, drang eine Stimme aus dem Fenster.

Ich blieb wie angewurzelt stehen und wusste gleich dass es keine Computerstimme war, es war jemand hier drinnen. Ryan stellte sich vor mich und verzog ein wütendes Gesicht.

„Wer ist da?“, fragte er.

Dann sah eine Gestalt vor dem Fenster stehen und sie hatte sich anscheinend zu uns umgedreht.

„Das ist unwichtig, viel wichtiger wäre doch die Frage was ich hier mache, oder?“, erklang wieder die ruhige und verschmähte Stimme.

„Dann sag mir was du hier machst?“

„Ich bin sozusagen angeheuert worden die Kleine mitzunehmen. Es macht dir bestimmt nichts aus, wenn ich mir sie ausborge, aber keine Sorge du bekommst sie zurück, vielleicht sogar noch lebendig.“

Mein Atem stockte. Das muss jemand von Benetts Leuten sein. Hatte er Fänger auf mich ausgesetzt? Wieso ließ er mich einfach nicht in Ruhe? Ich bin doch sowieso absolut unwichtig für ihn, also wieso sollte er alles daran setzen mich zu bekommen? Aber wenn er mich zu Benett brachte, dann war auch bestimmt dort das NKR. Ich könnte mich fangen lassen und so zu dem Flugzeug gelangen. Aber ich weiß nicht wie stark dieser Typ ist und was er für Geräte an sich hat. Als Olivia mich letztens entführte, saugte sie Ryan mit einem Armband die Kraft aus, wieso sollte er nicht auch solche Waffen besitzen. So langsam fing die Sache an mich zu nerven.

„Du gehörst doch sowieso zu Benett. Hör mal zu, ich bin schon seit Tagen von zu Hause weg und habe die verrücktesten Dinge machen müssen. Kaum bin ich wieder in dieser Gottverdammten Stadt lauern mir solche Typen auf wie du auf. Ich werde nicht mit dir gehen und das müsstest du eigentlich auch wissen und du wirst mich auch nicht bekommen, also am besten verschwindest du gleich.“, baute sich meine Wut auf.

„Nein, tut mir leid, aber ich habe einen Auftrag und den werde ich erfüllen. Also müssen wir es doch auf die harte Tour machen.“

Ryan zog seine Lanze aus der Tasche und sie verlängerte sich direkt, als er sie neben sich hielt. Vorne ragte die scharfe Spitze hinaus und Ryan hielt sie zu dem Spion.

Der unbekannte Mann ging auf Ryan zu und hielt dabei eine Maschinenpistole.

Ich aktivierte mein Magnetfeld und schützte damit Ryan, denn die Kugeln waren meistens aus Eisen.

„Ach ja, das hatte ich ja ganz vergessen. Du kannst ja Magnetfelder aufbauen, dann muss ich eben mein Schwert benutzen.“

Er zog ein Messer aus der Hosentasche und es verlängerte sich in Sekundenschnelle in ein langes Schwert. Dann fingen Ryan und er an mit gezielten Schlägen zu kämpfen, doch jeder konnte dem anderen seinen Angriff abwehren. Das klirren der beiden Waffen war deutlich zu hören und ich schloss hinter mir die Tür. Ich konnte nur nicht verstehen wie Ryan sein Schwert sehen konnte, es war doch furchtbar dunkel. Jedenfalls suchte ich in der Zeit nach einem Lichtschalter, aber fand immer noch keinen. Ich wusste auch nicht wie lange Ryan das durchhielt.

Sie sprangen auf das Bett und auf Tische, um bessere Angriffe ausführen zu können und dabei verwüsteten sie einige Sachen. Die Bettdecke hatte der Spion zerschnitten und Ryan zerbrach den Spiegel. Der Aufschlag war so laut, dass ich befürchtete, dass die Nachbarn sich gleich beschweren kamen. Doch dann stieß Ryan den Spion gegen das Fenster und es zersprang.

„Noch letzte Worte?“, fragte Ryan ihn und wollte ihn hinunterstoßen.

„Ja, wir werden gemeinsam untergehen.“, lachte er und nahm Ryan am Kragen. Dann ließ er sich rückwärts herunterfallen und Ryan stürzte mit ihm. Ich erschrak fürchterlich und lief zum Fenster. Ryan konnte sich doch teleportieren. Die beiden landeten gleich auf dem Boden, da es nur zwanzig Stockwerke waren.

Jedoch hielt der Spion immer noch Ryan am Kragen fest und es sah nicht gut für ihn aus. Doch dann trat er dem Spion in den Bauch und er ließ los, aber bevor er sich teleportieren konnte warf er ihm ein Messer nach und es erwischte ihn.

Ryan landete neben mir, jedoch verletzt. Das Messer steckte in seinem Bauch fest.

„Ryan!“, rief ich und stützte ihm unter dem Arm.

Dann legte ich ihn auf das Bett zog seine Weste und das T-Shirt aus. Das Messer entfernte ich ganz vorsichtig und es bereitete ihm richtige Schmerzen.

„Ich hab’s gleich draußen.“

Als ich es in der Hand hielt schmiss ich es auf den Boden und kümmerte mich um seine Wunde. Es dauerte nur fünf Minuten bis sie geschlossen war. Er wurde ruhiger, aber war dennoch ziemlich geschwächt und erschöpft.

Ich ließ ihn auf dem Bett und wollte mich dann auf das Sofa legen, jedoch gab es hier keins. Ryan merkte meine Nachdenklichkeit und rückte ein Stückchen nach rechts. Dann klopfte er auf den freien Platz und indem Moment war es mir egal neben wem ich schlief. Ryan war sowieso verletzt und völlig erschöpft, ich musste bei ihm bleiben, da Wunden manchmal noch Nachwirkungen haben könnten, wie Fieber oder Kopfschmerzen. Ich legte mich hin und schlief auch bald ein. In der Nacht fing Ryan an sich heftig zu bewegen und tatsächlich bekam er Fieber, ich musste schnell handeln. Also lief ich ins Bad und machte zwei Handtücher nass. Die wickelte ich um seine Beine, als ich seine Hose hochgekrempelt hatte. Ein kleines legte ich auf die Stirn und wartete ab bis es ein wenig sank. Gegen Fieber konnten meine Kräfte nicht viel ausrichten, da es ein Virus war und sein Körper nur erhitzte. Ich könnte ihn abkühlen, jedoch hätte das denselben Effekt wie bei den Tüchern. Bei manchen Krankheiten brauchte man einfach Zeit und Geduld. Ich legte mich wieder neben ihm und er keuchte noch etwas. Ich nahm seine Hand um bei ihm zu sein, da es ihn ein wenig beruhigte. Irgendwann schlief ich ein und wachte am nächsten Morgen ohne Ryan auf. Wo war er wieder hin gegangen? Ich stand auf und sah erst jetzt die einzelnen getrockneten Bluttropfen auf dem Boden. Sogar auf der Bettdecke waren welche zusehen. Ich hörte wie aus dem Bad erste Geräusche kamen und wusste gleich wo Ryan sich befand. Also wartete ich darauf dass er aus dem Bad kam, sodass ich ihn fragen konnte wie es ihm ginge. Es dauerte nicht lange und er trat heraus. Jedoch trug er nur seine Hose.

„Ryan, wo ist dein Oberteil?“, fragte ich und zog eine Augenbraue hoch.

„Also, das wollte ich dich fragen, da du es mir gestern ausgezogen hattest.“

Da hatte er Recht, jedoch schmiss ich es auf den Boden, weil ich mich beeilen musste. Aber da lag es nicht mehr.

Aber bevor ich nach dem T-Shirt suchte, blickte ich auf die geschlossene Wunde, sie war ein wenig angeschwollen. Das sollte aber eigentlich nicht passieren.

„Wie geht es dir eigentlich?“, fragte ich und fixierte mich auf die angeschwollene Stelle.

„Es tut noch weh, sobald ich drauf drückte, aber sonst ist nichts.“

„Naja, das sollte aber eigentlich nicht passieren. Ich muss gestern vergessen haben die Bakterien zu entfernen. Stell dich mal vor mich, bitte.“

Er kam näher und tastete am Bauch herum.

„Eiter! Los leg dich hin, ich muss ihn entfernen und frag mich nicht wie der so schnell entstanden ist.“

Er setzte sich aufs Bett und legte sich dann mit dem Oberkörper hin. Ich flitzte ins Bad und nahm ein wenig Papier, um den Eiter dort hinein zu machen.

„Sag mal, wieso kennst du dich so gut damit aus? Ich meine, du weißt direkt was es ist und weißt auch wie man es behandelt, hat dir das jemand gezeigt?“

Das fragte ich mich auch. Es war ein merkwürdiges Gefühl, denn ich kann es selbst nicht beschreiben. Sobald jemand verletzt war, klingelten bei mir die Alarmglocken und ich weiß auch direkt was zu tun ist. Es ist so als wäre alles schon einmal passiert und ich hätte es gelernt. Jedoch kommen mir meistens schwache Bilder in den Kopf, die mir zeigen, wie es geht. Vielleicht sind es auch nur Eigenvorstellungen, aber bis jetzt war alles was mir gezeigt wurde.

„Ich habe keine Ahnung. Es passiert einfach.“

Ich tastete auf dem geschwollenen herum und wollte wissen wie dick der Eiter war.

„Aua!“, beklagte sich Ryan.

„Da musst du jetzt durch.“

Mit meinem Daumen fuhr ich quer über die Wunde und sie riss auf. Dann drückte ich das Tuch darauf und versuchte den Eiter durch meine Kraft herauszuziehen. Ryan schmerzte es und er biss sich auf die Zähne. Ich fühlte schon wie langsam der Eiter ins Tuch kam, jedoch langsam.

Als ich spürte dass er aus der Wunde war, wickelte ich den Eiter mit anderem Papier gut ein und spülte ihn die Toilette hinunter. Ryans Wunde verschloss sich wieder.

„Hey, es tut gar nicht mehr weh!“, lächelte er.

In letzter Zeit war mir oft aufgefallen, das Ryan nicht mehr so verschlossen war. Er lächelte viel öfter und zeigte manchmal seine ganzen Emotionen. Wenn ich noch daran dachte, als wir uns das erste Mal trafen, war er in meinen Augen ein kühler Typ, doch Mittlerweile war er zu einem emotionalen Menschen geworden und mich würde wirklich interessieren woran das lag. Es schmerzte ihn wahrscheinlich immer noch an seine Eltern zu denken, aber so langsam konnte er loslassen und den Schmerz vergessen. Ich denke auch dass Ryans Vergangenheit am schlimmsten war, da er zusehen musste wie seine Eltern starben. Ich weiß auch nicht genau was damals passierte, obwohl mich es interessierte, aber ich denke Ryan wird es irgendwann jemanden erzählen, vielleicht sogar mir.

„Sag mal, bist du eigenschlafen?“, lachte er, als ich anfing zu träumen und ich dabei das Handtuch in der Hand hielt, weil ich meine Hände gewaschen hatte.

„Tut mir leid.“

Nach wenigen Minuten klopfte es an der Tür und ich machte sie langsam auf. Lumo stand dort und grüßte mich. Ich bat ihn hinein und er sah als allererstes das Blut

Auf dem Boden und die zerbrochene Scheibe.

„Was war passiert?“, fragte er panisch.

„Gestern hatte sich ein Spion in unserem Zimmer versteckt und gewartet bis wir hineinkamen. Es kam zum Kampf zwischen Ryan und ihm und dann stürzten beide aus dem Fenster. Ryan schaffte es sich zu teleportieren, jedoch schmiss der Spion ihm ein Messer hinterher und deswegen liegt hier überall das Blut. Ich hatte ihn gut versorgt, er hatte die Nacht zwar ein wenig gefiebert, aber das verging auch.“

„Das ist wirklich unglaublich. Wieso habt ihr uns nicht gerufen, wir hätten geholfen.“, meinte er und stemmte seine Arme in die Hüfte.

„Tut mir leid, aber ich hatte keine Wahl. Die Zwei hatten einen riesen Krach gemacht und ich musste die Tür schließen.“

Ryan fand sein T-Shirt und seufzte genervt. Seine Weste war zwar ganz, aber sein T-Shirt war mit Blut beschmiert und zerrissen.

Ich grinste ihn nervös an.

„Deine Wunde war wichtiger, als dein T-Shirt.“

„Keine Sorge, ich kann ihm eins von mir geben.“, meinte Lumo und Ryan schaute ich ernst an.

„Gut, dann wäre das geklärt. Ich denke, wir verlassen auf der Stelle das Zimmer.“

Ryan bekam ein schwarzes Shirt später und es war ihm ein wenig zu groß, aber durch die Weste fiel es kaum auf. Wir hatten nur noch drei Tage Zeit. Und am Abend kamen wir dann endlich in Benetts Zentrum an.

 

 

 

Kapitel 16 – Der Schlüssel

 

 

„Wie kommen wir nur dort hoch zu den Flugzeugen?“, fragte ich erblickte das riesige Gebäude.

„Na mit deiner Idee. Wir schnappen uns einfach den Soldaten ihre Kleidung, ziehen sie uns an und dann können wir uns dort frei bewegen.“

Also gingen wir erstmals auf den Eingang zu und dort standen schon mal zwei Wachen. Doch wir müssten sie irgendwie ins Dunkeln locken. Etwas weiter waren ein dunkles Gelände und eine kleine Gasse, ich schätze dort könnten wir die hineinlocken. Ryan packte seine Lanze aus und erschuf einen Doppelgänger. Er spazierte auf die Soldaten zu und beschimpfte sie. Dann lief er weg und die Soldaten mit ihm. Er lief in die Sackgasse und wir folgten ihnen. Mit ein paar gezielten Schlägen auf den Hinterkopf fielen sie in Ohnmacht und sein Hologramm verschwand. Wir zogen uns ihre Kleidung an und sie war furchtbar eng und stickig.

„Ryan, die Kleidung ist so ungemütlich.“, beklagte ich mich.

„Sehe ich auch so, aber anders können wir nicht hinein.“

Eid konnte keine Verkleidung tragen, da er zu klein war und Lumo war zu groß. Lumo meinte er würde solange hier Wache stehen, da jemand auf die zwei aufpassen müsste. Aber Eid würden sie gleich erkennen, wenn er mitkäme und dabei kannte er sich am besten in NKR aus. Einer der Rüstungen hatte hinten einen eingebauten riesigen Rucksack, aber dort waren Gasmasken drinnen, Stinkbomben und weitere gefährliche Waffen. Wir schmissen alles hinaus und versuchten Eid dort hinein zu quetschen. Es war zwar ungemütlich, jedoch konnte er auch unbemerkt hinein kommen.

Wir gingen hinein und sahen einen weiten Raum und am Ende einen Aufzug. Wir ließen am Rucksack noch ein kleines Stückchen offen, sodass wir heimlich mit Eid sprechen konnten. Ryan trug ihn auf dem Rücken. Wir gingen in den Fahrstuhl und ich wusste auch welcher Stock es war, da ich damals dort hinunter fuhr. Bald drauf kamen wir in dem riesigen Raum an und überall waren Soldaten. Sie marschierten hin und her und ich sah wieder die Maschine mit der Aufschrift NKR.

„Das ist es!“, flüsterte Eid.

Wir gingen darauf, da doch dann kam plötzlich ein Kommandant zu uns, das erkannte ich daran, dass er eine rote Rüstung trug und einen Umhang.

„Soldaten!“, rief er und wir hoben die Hand an den Kopf.

„Sir!“, riefen wir.

„Ich möchte dass ihr zu Professor Cooper geht und ihm einen Bericht erstattet. Bis lang haben wir noch nichts gesehen. Aber wir fanden einen toten Spion in der Nähe von hier. Seit wachsam und sobald ihr irgendwelche Fremde sieht, nehmt sie fest, verstanden?“

„Jawohl, Sir!“

Sie hatten also schon davon Wind bekommen. Es ist mir ein Rätsel, das die Polizei ihn erst am Morgen fand. Er musste also die ganze Nacht dort unten tot gelegen haben und kein Mensch hatte ihn gesehen. Vielleicht war es auch einfach nur Glück.

Ich hatte überhaupt keine Ahnung wer Cooper war und wo er stecken möge, aber dafür hatten wir keine Zeit. Jedoch wenn wir nicht Bericht erstatteten, dann würde es auffallen. Ich schaute Ryan an durch die dunkle Maske und er dachte wahrscheinlich dasselbe wie ich. Also gingen wir wieder zum Fahrstuhl und schauten auf die ganzen Stockwerke. Dieser Aufzug ging nur bis Stock zweihundert und dann las ich „Labor“. Ich stupste Ryan an, er nickte mir zu und ich drückte auf den Knopf. Wir kamen in einem Gang an. Als wir aussteigen und ihn bis zum Ende gingen, stockte mein Atem. Es war ein gigantischer Raum. Die Decke war zehn Stockwerke hoch und in der Mitte stand eine riesige Kapsel mit einem Giganten drinnen. Es war ein Mensch und er muss das Dreißigfache von mir sein.

„Beeindruckend nicht wahr?“, fragte ein kleiner Mann, der aus einem Nebenraum kam. Er trug eine kleine runde Brille und stellte sich neben uns.

„Dieses Monstrum ist ein Phänomen. Mit ihm können wir ganze Städte platt treten. Er ist gegen Feuer, Kugeln und schwachen Bomben geschützt. Er kann im Nu eine ganze Stadt zerstören. Diese Erfindung ist ein Wunder und wird die Eaganer in die Knie zwingen.“

„Aber warum wird es dann nicht schon eingesetzt.“, fragte Ryan und stimmte dabei einen tieferen Ton.

„Wisst ihr es denn nicht? Naja, ich habt wohl Recht. Den Soldaten und den unwichtigeren Leuten wird wohl heutzutage nichts mehr gesagt. Dieser Gigant kann nur zum Leben erweckt werden, wenn wir die Energie dafür haben. Wir hatten sie gefunden, aber leider ist sie uns entwischt.“

„Sie?“

„Na das Mädchen. Benetts Diener hat ihr ein wenig Blut heimlich entnommen und als wir es mit dem Giganten in Verbindung brachten, zuckte zum ersten Mal sein Bein, aber nur ganz kurz. Das war das Zeichen dafür, dass er einen Energieschub hatte. Mit ihrem Blut können wir ihn zum Leben erwecken, aber dafür brauchen wir das gesamte Blut.“, grinste er und freute sich schon auf seine Auferstehung.

Ich war völlig schockiert. Deswegen waren all die Spione auf mich ausgesetzt. Durch mein Blut könnten sie diesen Giganten erwecken und weitere Städte zerstören. Also war ich der Schlüssel für dieses Experiment und ich musste unbedingt mich versteckt halten.

„Aber was führt euch hierher?“ fragte er und betrachtete uns genauer.

„Wir kommen Bericht erstatten. Das Mädchen wurde noch nicht gefunden, aber man hatte einen toten Spion ganz in der Nähe gefunden, also vermutet der Kommandant das sie auch hier sind.“

„Gut. Vielen Dank!“

Ryan wollte schnellst möglich hier wieder weg, aber ich war völlig erstarrt und fixiert auf diesen Giganten. Wieso musste ich der Schlüssel sein für eine schwarze Tür, deren Inhalt eine Katastrophe auslöste. Ich möchte es nicht sein, weil es mir Angst bereitete und ich auf keinen Fall den Eaganer oder sonst noch jemanden Schaden möchte. Ich ging langsam auf die Kapsel zu und war wie gefesselt.

„Soldat! Bleiben Sie von der Kapsel weg!“, rief er erzürnt, jedoch hörte ich auf ihn nicht. Dieser Gigant hatte mich in seinen Bann gezogen und ich musste ihn einfach von nahem betrachten. Wenn ich ihn anschaute, dann empfand ich Wut, Schmerz und Angst.

Ich berührte die Scheibe und dann geschah etwas Seltsames. Aus dem Mund des Giganten kamen Blasen, als wollte er atmen. Dann bewegte sich sein Fuß. Der Professor kam auf mich zu und starrte mich an.

„Du…“, murmelte er und ich wurde endlich wieder wach. Dann stand Ryan hinter ihm und schlug ihn ohnmächtig.

„Lou, was war los?“, fragte er und klang dabei ein wenig erregt.

„Tut mir leid, ich war plötzlich wie in Trance, ich war einfach zu geschockt.“

„Egal, komm wir müssen weg hier, es wird nicht lange dauern bis sie ich finden. Beeil dich!“, rief er und wir liefen wieder zum Aufzug. Dann gingen wir wieder auf die Etage wo sich die Flugzeuge befanden, noch war kein Alarm ausgelöst worden und das beruhigte mich etwas. Wir mischten uns unter die umherlaufenden Soldaten und verfolgten das Flugzeug. Es war wirklich Glück, denn eins wollte abfliegen, wahrscheinlich zum NKR. Wir beeilten uns und stiegen einfach mit ein. Andere Soldaten befanden sich dort drinnen und setzten sich auf die Sitze, die seitlich an der Wand befestigt waren. Wir spielten mit, setzten und hin und schnallten uns an.

Die Tür schloss sich gerade und da kam eine Durchsage.

„Achtung, Eindringlinge!“

Mein ganzer Körper erstarrte. Ich hatte solche Angst, dass sie mich bekamen und mich für diesen Giganten einsetzten. Ich wollte das auf keinen Fall zu lassen.

Das Flugzeug startete und wir flogen los.

Nach einigen Minuten kamen wir an und alle Soldaten schnallten sich ab. Wir stiegen mit ihnen aus und kamen in einer so ähnlichen Halle mit Flugzeugen an. Nur hier waren nur NKR Flugzeuge und wenige von Benett. Als wir unten ankamen, stellte sich ein Kommandant vor meinte wir sollten die Labore bewachen und den Professoren Schutz gewähren. Also bekamen wir Karten in die Hand gedrückt, einen Code und mussten in ein bestimmtes Stockwerk um dort in ein Labor zu kommen. Es waren vierer Gruppen und deswegen mussten wir uns so unauffällig wie möglich verhalten. Meine Anspannung war groß, da schon Benetts Leute nach mir suchten und ich endlich das NKR erreichte. Bald darauf erreichten wir das Labor und ich sah die vielen Kapseln mit Babys drinnen. Es zerriss mir fast das Herz diese Kinder dort drinnen zu sehen und mir vorzustellen, das Nik dort auch einmal drinnen war. Es war wie eine Zuchtstation von genetisch veränderten Menschen. Einige Professoren und normale Männer in weißen Mänteln spazierten durch die Reihen und schrieben Werte auf. Wir trennten uns von den anderen Soldaten und jeder übernahm eine Seite. Jedoch fing ich an die Hoffnung zu verlieren. In diesem riesigen Labor waren mindestens über dreißig Professoren und das in jedem Stockwerk. Es würde Jahre dauern zu fragen wer Nik erstellt hatte. Aber dann sah ich die Computer rechts und es saß sich keiner daran. Im Moment war auch keiner zu sehen und setzte mich an den PC. Ryan wollte mich zurückhalten, doch ich riss mich los. Es war eine Datenbank zu sehen von jedem Professor und seinen Experimenten. Ich ging in das Jahr zurück indem Nik geboren wurde und schaute auch in seinem Geburtsmonat hinein. Allein in diesem Monat hatte er an drei Kindern experimentiert. Ich klickte auf jedes Kind und schaute nach ihren Eigenschaften. Einmal war es schwarzhaarig, dick und hatte die Fähigkeit sich weitere zwei Arme wachsen zu lassen. Die anderen zwei waren beide blond. Ich schaute noch näher hin. Da gab es ein Kind, das durch Gehirnwellen schmerzen verursachte und das musste Nik sein.

„Beeil dich, da kommt jemand!“, rief Ryan eilig.

Ich schaute noch schnell welcher Professor das war und merkte mir seinen Namen „CC4-B“. Dann stand ich auf und verhielt mich weiterhin ruhig. Gerade kam ein Mann in weißem Kittel um die Ecke und merkte es Gott sei Dank nicht. Leider hatte ich nicht geschaut wo dieser Professor arbeitete, aber ich fragte nach.

„Entschuldigen Sie, Sir.“, sprach ich den Mann im Kittel an. „Wir suchen nach dem Professor CC4-B, ich habe eine Mitteilung für ihn.“

„Oh, da sind Sie aber falsch, er arbeitet im Labor sieben einige Etagen unter uns.“

„Ich danke Ihnen, Sir.“

Ich schnappte mir Ryan und wir stiegen wieder in den Aufzug.

„Leute, früher habe ich meistens vor dem Labor 7 gesputzt, da bin ich mir absolut sicher.“, flüsterte Eid uns zu.

„Gut.“, bestätigte ich.

Wir stiegen aus und die Flure waren leer. Ziemlich unheimlich.

Wir gingen in das Labor hinein und die arbeitenden Leute merkten uns nicht einmal und wir taten so als würde wir hier einen Rundgang machen. Keiner bemerkte uns und es lief bis jetzt sehr gut. Ich fragte einen kleinen Mann der hastig in die Tasten hämmerte auf der Tastatur.

„Entschuldigen Sie, Sir, aber ich suche Professor CC4-B.“

„Gehen Sie einfach den Gang entlang, er müsste Ihnen direkt auffallen, er trägt einen grünen Kittel.“

„Vielen Dank, Sir.“

Er wandte sich direkt wieder seiner Arbeit zu und wir gingen die Reihe entlang. Ich konnte einfach nicht in die Kapseln schauen, da die Babys mich an Nik erinnerten. Tatsächlich hatte ich einen Mann gefunden in grünem Kittel. Er hatte einen grauen Vollbart und eine Glatze. Er saß am Schreibtisch und klopfte mit einem Kugelschreiber auf den Tisch. Ich schluckte und sprach ihn an.

„Guten Tag, Sir.“

Er schaute mich an und stand dann auf. Ich wusste dass er mich genau im Auge behielt, denn ich glaubte er durchschaute mich. Dennoch musste ich versuchen kühl zu bleiben und durfte auf keinen Fall stottern.

„Ich habe eine Nachricht für Sie, dennoch darf ich sie nur aussprechen wenn wir ungestört sind, Sir.“

Er fasste sich ans Kinn und es sah so aus als traute er mir nicht.

„Von wem soll diese Nachricht sein?“, fragte er.

„Von unserem Obersten Herr, Sir.“

„Benett?“

„Jawohl.“

„Gut, dann folge mir. Wir gehen in mein Büro und ich möchte das dein Partner auch mitkommt, immerhin seit ihr zu zweit gekommen und er kann sie mir ja auch erzählen.“

Wir folgten ihn in sein Büro und trotzdem waren wir nicht allein, dort hingen Kameras. Ryan beobachtete sie genau und sie brauchten mindestens zehn Sekunden bis sie die Seite wechselten. Sie zeigten immer auf den Professor und dann zu Ryan, der hinten an der Wand stand. Ich stellte mich aus dem Sichtfeld der Kameras und fing dann an zu erzählen über eine unnötige Sache die ich schon dem Professor in Benetts Zentrum berichten sollte.

Ryan wartete auf den richtigen Augenblick und als die Kameras zu ihm schwanken teleportierte er sich hinter die Kameras und landete in einem Überwachungsraum. Dann schlug er die zwei Männer ohnmächtig und teleportierte sich schnell zurück. Dem Professor fiel es gleich auf das es eine Falle war, als Ryan verschwand.

Dann krallte er sich ans einem Sitz fest und verzog ein energisches Gesicht.

„Wer seid ihr?“, fragte er.

„Halten Sie die Klappe.“, rief ich und ballte die Fäuste.

„Sie werden jetzt mit uns kommen und meinen Freund heilen, er leidet an einem Tumor, weil Sie aus ihm ein Noma-Kind gemacht hatten.“

„Das werdet ihr nicht schaffen, da hier Kameras installiert sind und gleich ein Alarm ausgelöst wird.“

„Sie Idiot! Denken Sie wir wären dumm, mein Partner hatte die Männer schon längst ausgeschaltet und deswegen wird auch niemand einen Alarm auslösen können.“

Er biss sich verärgert auf die Zähne und stand dann auf.

„Euer Freund wird nie geheilt werden. Ihr könnt mit mir anstellen was ihr wollt, ich helfe euch nicht.“

Dann schlug ich mit geballten Fäusten auf den Tisch. Er erschrak und stellte sich an die Wand. Sein Körper zitterte und er hielt seine Hände vor sich.

„Ich werde Ihnen jetzt mal etwas sagen. Ich habe alles auf mich genommen um Sie zu finden und ich schwöre Ihnen, wenn Sie meinen Freund nicht heilen, dann werden Sie dafür bezahlen müssen. Und eins rate ich Ihnen auch noch, reizen Sie mich bloß nicht, sonst könnte es verdammt schmerzhaft werden und Sie wünschten sich lieber tot zu sein.“, brüllte ich ihn an.

Ich wusste dass ihm sein Leben wichtiger war, als alles andere, deswegen willigte er ein.

„Wir werden dieses Gebäude jetzt unauffällig verlassen und wehe Sie sagen auch nur ein Ton, dann war’s das mit Ihrer Chance weiter zu leben.“

„Das Risiko werde ich aber nicht eingehen!“, meldete sich Ryan und ging auf den Professor zu. Dann schlug er ihn ohnmächtig und hob ihn über seine Schulter. Wir verschwanden schnell aus dem Zimmer und Ryan teleportierte uns in den Aufzug. Wir hatten Glück das er leer war und deswegen fuhren wir auch gleich hinunter und wollten uns ein Auto schnappen, um nach Hause zu gehen. Doch dann blieb der Aufzug stehen und wir fuhren an unserem Stockwerk vorbei. Im Untergeschoss drei öffnete sich der Aufzug und ich sah wie Benett, Olivia, Lok und der kleine Professor dort standen. Hinter ihnen tausende Soldaten und sie zielten auf mich.

„Lou, was für eine Überraschung!“, rief Benett zu mir und trat aus dem Fahrstuhl, dennoch antwortete ich nicht, sondern zog meinen Helm aus.

„Ryan, ich möchte das du verschwindest, hörst du?“, rief ich und blieb in einer ernsthaften Mimik, ich konnte Nik jetzt nicht im Stich lassen.

„Auf keine Fall!“, rief er zurück.

„Ryan, ich bitte dich darum. Nik braucht dich los.“

„Ich werde nicht ohne dich gehen, Lou.“

„Ich habe gesagt du sollst gehen. Ich komm schon klar und jetzt lauf, bitte!“, brüllte ich ihn an und dann verschwand er durch Teleportation.

„Pass auf Lou. Wenn du mir versprichst mit mir zu gehen, dann werde ich den Ceck deines kranken Freundes zu ihm bringen und er wird ihn heilen, okay?“, schlug er einen Handel vor. Ich wusste wenn sie mich bekommen würden, dann nutzten sie meine Kraft aus um ihren Giganten zu wecken. Aber ich wollte Nik unbedingt retten, ich wollte nicht dass er stirbt. Deswegen würde ich auch alles aufs Spiel setzen, um ihn zu heilen, selbst mein Leben.

„Also gut, aber du musst es auch wirklich versprechen, das Ryan es schafft ihn zum Zentrum zu bringen.“

„Ich halte immer mein Wort, Lou.“, lächelte er und wank einen Soldaten zu sich her. Dann beugte er sich und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Der Soldat nickte und fuhr mit Aufzug nach oben.

„Also gut, du musst dich aber auch an den Deal halten, alles klar? Aber zuerst wirst du in eine Zelle gesperrt, nicht das du noch wegläufst. Wir werden Vorbereitungen treffen und anschließend wirst du dann dein Versprechen einlösen.“

Er winkte zwei Soldaten her und sie packten mich an den Armen.

„Bringt sie in die Zelle.“

Wir fuhren mit dem Fahrstuhl einige Etagen höher und dann kam ich an einen Ort wo ein ganzer Gang mit Kerkerzellen war. Die Zelle war aus Eisenstanden gemacht und ich schaute mir die armen Wesen an die mit Lumpen und völlig ausgelaugten Gesichtern mich anschauten. Die meisten waren Eaganer. Einige hatten schlimme Wunden im Gesicht und ich wollte mir einfach nicht vorstellen was sie ihnen angetan hatten.

Mich brachten sie in eine besondere Gefängniszelle, die Stäbe waren mit Hochspannung und leuchteten deshalb. Sie drückten einen Schalter um und öffneten die Tür. Dann schmissen sie mich grob hinein und schlossen direkt die Tür.

„Diese Zelle ist die beste und sicherste, denn hier kannst du deine Kräfte nicht benutzen, weil sie hier geblockt werden.“, lachte der eine Soldat und verschwand dann mit seinem Partner.

Ich setzte mich auf eine dünne Baumwolldecke und winkelte die Beine an. Ich schlug meine Arme darum und legte meine Stirn auf die Knie. Ich hoffte so sehr das der Professor im Zentrum gelandet ist, um Nik zu helfen. Er musste einfach, außerdem hatte Benett es versprochen. Was würde ihm es auch bringen, wenn er Nik sterben ließe, er wollte mich. Trotzdem wäre ich irgendwie froh wenn Ryan jetzt hier wäre. Er hatte alles auf sich genommen, hat mir geholfen den Ceck zu finden und hatte mich beschützt, als der Spion mich mitnehmen wollte. Selbst als ich ihm seine Wunde gesäubert hatte, lächelte er mich an. Ryan war für mich etwas Besonderes geworden, jedoch konnte ich es noch nicht ganz zuordnen. Er beschützte mich, lachte mit mir, selbst wenn die Situation nicht passte, er munterte mich auf und war teilweise wie ein Bruder für mich. Anderseits war er auch für mich da und der Professor meinte Ryan würde mir am meisten vertrauen. Deswegen war dieses andere Gefühl…

Eine Tür wurde aufgeknallt und ich erwachte aus meiner Zerstreuung.

„Lasst mich los.“, wehrte sich eine bekannte Stimme. Ich stand auf und schaute rechts auf den Flur. Nein! Sie hatten Ryan.

Das war nicht der Deal, Benett hat sein Versprechen nicht gehalten.

„Benett, du bist ein Lügner! Du hast mir versprochen Ryan gehen zu lassen!“, brüllte ich.

Er kam vor meine Zellentür.

„Nein, ich hatte dir versprochen den Professor gehen zu lassen und ihn zum Zentrum zu bringen. Das hatte ich auch gehalten, aber von dem Jungen war keine Rede. Also hatte ich mein Versprechen gehalten.“, grinste er und bevor ein Soldat den Schalter umlegte, schoss Benett mit einer langen Pistole eine Nadel in den Hals.

„So jetzt öffnet die Tür.“

Der Schalter wurde betätigt und die Zelle geöffnet, sie schmissen Ryan hinein und ich zog mir die Nadel aus dem Hals. Schnell war wieder der Schalter aktiv und sie verließen die Gefängnisstation.

Ich lief zu Ryan und half ihm hoch.

„Alles in Ordnung?“, fragte ich.

„Das sollte ich lieber dich fragen.“

Ich schaute auf seine Hüfte und sie blutete.

„Du blutest!“, rief ich schockiert. Ich wollte ihn heilen, aber meine Kräfte hatten nicht funktioniert. Ryan schwächte die Wunde sehr und er setzte sich auf das Baumwolltuch. Ich nahm seine Hand und versuchte ihn irgendwie abzulenken, da er furchtbar Schmerzen hatte.

„Wieso haben sie dir das angetan?“, fragte ich und musste schon meine Tränen unterdrücken, weil ich ihn nicht leiden sehen wollte.

„Ich hab einen Soldaten von ihnen getötet. Da stach einer mir ein Messer in die Hüfte. Ich würd mal sagen das das Pech war.“, lachte er zum Schluss und spottete über sich selbst.

Ich schaute ihn an.

„Die Wunde ist ganz schön tief. Ich werde dich heilen, ich versprech’s aber bleib solange noch wach, okay?“, liefen mir die Tränen hinunter. Ich legte meine Hand auf seine Wunde, aber nichts geschah. So sehr ich es auch versuchte.

„Es hat keinen Zweck, Lou.“, keuchte er.

„Doch, ich wird’s schaffen, ich hab es dir versprochen und werde dich sicher nicht aufgeben.“, rief ich und er schloss immer öfters seine Augen.

Ich legte meinen Kopf auf seine Schulter und weinte. Mir war es völlig egal wer mich hörte. Ich wollte nicht dass er starb, er wollte mich doch nur beschützen. Das war alles meine Schuld. Ich hätte ihm sagen sollen, dass ich mich allein auf die Suche mache nach Niks Ceck, dann wäre das nie passiert. Es ist meine Schuld, dass er jetzt stirbt.

Er schlang seinen Arm um meine Hüfte und legte seinen Kopf auf meinen.

„Ist schon gut, es ist ja meine Schuld gewesen.“

„Nein, es war meine Schuld, ich hätte dich nicht mitnehmen dürfen.“, schluchzte ich.

„Es war doch meine Entscheidung.“

„Ja, aber ich hätte es dir verbieten sollen. Du hast mich schon einmal beschützt und ich konnte dich nicht einmal beschützen. Das werde ich ab sofort ändern, okay? Ryan?“

Er hatte die Augen geschlossen und sein Atem wurde langsamer. Ich legte mein Ohr auf sein Herz und es schlug viel zu langsam. Ich nahm Ryans Arm und rüttelte ihn feste.

„Du kannst mich jetzt nicht alleine lassen, klar? Du bist doch einer von uns! Bitte, Ryan, mach die Augen auf.“, schrie ich, aber es kam keine Reaktion zurück. Ich wühlte in seiner Hosentasche rum und fand seine Lanze. Dann verlängerte sie sich und der Schalter war zwar außerhalb der Zelle und sobald ich die Stäbe berührte oder nur in die Nähe kam, durchfuhr mich ein gewaltiger Stromschlag. Vielleicht würde ich sterben, aber einen Versuch ist es wert. Ich werde Ryan nicht im Stich lassen, ich hatte es ihm versprochen und Versprechungen bricht man nicht.

Ich stellte mich so hin, dass ich den Schalter locker hinunterdrücken konnte. Dann hob ich mit beiden Händen die Lanze und stach durch das Gitter, jedoch durchfuhr mich ein gewaltiger Strom. Ich starb auf seltsame Weise nicht, aber ich prallte gegen die Wand. Mein Kopf tat furchtbar weh und mich schmerzte mein Körper. Doch ich gab nicht auf, ich werde es solange versuchen, bis dieser Schalter betätigt war. Schnell stand ich auf und hob erneut die Lanze. Dann stach ich zu, aber wehrte mich und drückte mit meiner ganzen Kraft die Lanze nach außen. Dann schlug der Schalter um und der Strom verschwand. Er hatte tatsächlich meine komplette Kraft geraubt und so langsam glaubte ich dass es eine Art Entzugskraft war, wie Olivia am Armband hatte.

Ich kroch zu Ryan hinüber und fasste an seine Wunde. Ich heilte so gut ich konnte und dann wurde sein Atem immer lauter. Er kam zu sich und die Wunde war verschlossen. Dennoch hatte ich alle meine Kräfte verloren und konnte nicht einmal aufstehen. Das letzte was ich tat, war Ryans Hand zu nehmen. Ich schloss meine Augen und konnte nur noch Geräusche wahrnehmen.
„Lou? Lou!“, schrie Ryan, aber ich konnte einfach nicht mehr wach bleiben und schlief ein. Als ich wieder aufwachte, befand ich mich auf einem Bett und saß mit dem Rücken zu mir, es sah so aus als schaute er aus dem Fenster.

„Ryan?“

Er drehte sich ruckartig um und lächelte mir zu.

„Wie geht’s dir?“, fragte er mit einer erleichterten Stimme.

„Ich habe Kopfschmerzen, aber ich glaube das kommt von dem Aufprall gegen die Wand.“

„Was hast du getan, wie hast du es geschafft, den Schalter umzulegen?“

„Durch deine Lanze. Ich stach durch das Gitte, aber schoss beim ersten Mal gegen die Wand. Dann blieb ich beim zweiten Versuch standhaft und er schaltete um. Ich fiel zu Boden, weil mir dieser merkwürdige Strom nicht nur Schäden bereitete, sondern meine ganze Kraft raubte. Zum Schluss hatte ich keine andere Wahl als deine Wunde zu heilen und musste wahrscheinlich dabei alles verbrauchen. Aber wie hast du es aus Benetts Zentrum geschafft?“

Er senkte den Kopf.

„Ich konnte es mir selbst nicht erklären, aber erkennst du denn das Zimmer nicht?“

Ich schaute mich um und tatsächlich kam mir der Ausblick bekannt vor. Ich war in Desar.

„Aber das ist unmöglich.“

„Als ich dich am Boden habe liegen gesehen, da entstand in mir eine enorme Wut, Hass, Schmerz und Angst, dass ich an dieses Zimmer dachte, wo unser kleines gemeinsames Abenteuer begann. Als ich dann die Augen öffnete befand ich mich im Zimmer.“

„Willst du damit sagen, dass du einen Wutanfall hattest.“

„So in Etwa.“

Es war genauso wie bei mir. Als ich bei Benett war und diese furchtbare Wut in mir trug, entstand auch eine extreme Energie. Hat Ryan auch diese Kraft?

„Aber was ist mit deiner Wunde? Hatte ich sie ganz geheilt?“

„Ja und dieses Mal sogar die Bakterien.“, lächelte er.

„Ich bin froh mein Versprechen gehalten zu haben.“, seufzte ich.

„Ich hatte meins auch gehalten.“

„Was meinst du?“

„Nun ja, als du am Boden legen hast, da hörte ich deinen Herzschlag nicht mehr und auch keinen Atem, deswegen dachte ich du seist tot. Wahrscheinlich bekam ich dann auch den Wutanfall. Als ich in Desar war, da…“

Er senkte schämend den Kopf, als wollte er darüber nicht reden. Seine Verschlossenheit hinderte ihn daran. Er drehte sich wieder zurück und seufzte.

Ich krabbelte über das Bett und setzte mich neben ihn.

„Wenn du es nicht sagen willst, musst du es nicht.“, lächelte ich ihn tröstend an.

„Ich will schon, aber ich kann es einfach nicht.“

„Na wenn du es nicht sagen kannst, dann schreib es auf.“

„Mit welchem Papier denn? Und woher willst du den Stift bekommen?“

„Gut, dann zeig’s mir.“, grinste ich.

Er erstarrte und krallte sich an der Bettdecke fest.

„Das kann ich überhaupt nicht tun.“

„Aber natürlich kannst du, du musst es einfach nur wollen.“

Er dachte zuerst lange darüber nach und ließ dabei die Decke lockerer.

„Willst du es wirklich wissen?“, fragte er wieder nach und wollte sich dabei ganz sicher sein.

„Ja, also würde mich schon interessieren.“

Ich hatte wirklich überhaupt keine Ahnung, was jetzt kam, aber dann schaute er mich ängstlich an.

„Also gut, ist wahrscheinlich schwerer als ich dachte. Pass auf, ich schließe meine Augen, vielleicht geht es dann einfacher.“

Ich schloss meine Augen und wartete ab. Aber dann geschah etwas was ich einfach nicht gedacht hätte. Er nahm zärtlich meine Hand und ich spürte wie er seine Lippen leidenschaftlich auf meine drückte. Zuerst war ich schockiert und riss meine Augen auf, aber dieser Kuss verführte mich einfach. Er war so sanft und voller Liebe, dass ich einfach nie in Versuchung käme ihn abzuweisen. Ich wollte dass er nie endete und es löste ein Flattern in meinem Bauch aus und mein Herz schlug schneller. Aber was tat ich eigentlich da? Ich liebte doch Nik. Liebte ich denn jetzt beide? In meinem Kopf war die Verwirrung groß und ich löste mich langsam von dem Kuss. Ryan bemerkte meinen Widerstand und senkte schämend den Kopf.

„Tut mir wirklich leid, ich hätte das nicht tun dürfen.“, flüsterte er fast.

Er stand auf und wollte verschwinden, aber ich hielt ihn am seiner Hand fest. Mein Kopf war gesenkt, weil ich den Kuss erwiderte und deswegen war ich auch so verwirrt. Konnte man wirklich zwei Menschen zur gleichen Zeit lieben? In meinem Kopf herrschte eine große Verwirrung.

„Nein, es ist nicht deine Schuld. Ich erwiderte den Kuss und deswegen bist du nicht schuld. Aber in meinem Kopf herrscht seine riesige Verwirrung und ich komme damit nicht klar.“

Ich seufzte und fasste in mein Gesicht.

„Aber jetzt weißt du ja was ich für dich empfinde und ich denke das du ja schon jemand anderen liebst, Lou. Es ist wirklich besser, wenn ich für einige Minuten verschwinde.“

„Es ist nur, dass ich dasselbe empfinde, ich bin so sehr verwirrt, das ich einfach nicht weiß was ich sagen sollte.“

Ich wartete auf Ryans Antwort, jedoch war er schon verschwunden. Ich schaute mit Tränengefüllten Augen aus dem Fenster und am liebsten würde ich einfach wieder nach Hause. Ich meinte in meine Zeit zu Mom und Dad. Aber da sie tot waren, konnte ich sie nie wieder sehen.

Wieso musste ich mich in zwei Kerle verlieben, wie soll ich Nik je wieder ehrlich in die Augen schauen? Mir liefen die Tränen die Wange hinunter und meine ganzen Gefühle vermischten sich. Ich spürte immer noch seien Kuss auf den Lippen und dabei kribbelte mein Bauch. Mich beeindruckte Ryan schon immer und er stand immer neben mir sobald ich Hilfe benötigte. Gut, am Anfang verstanden wir uns nicht wirklich, aber manchmal gab es Momente, in denen wir unsere Gefühle für den anderen zeigten. Zum Beispiel als ich Ryan zurückholte und ihn bei dem Professor noch verteidigte, da meinte er, das ich das nicht hätte machen sollen. Eigentlich war er ziemlich froh darüber, jedoch war er am Anfang völlig verschlossen und er hatte sich durch mich geöffnet. Ich konnte mir gut vorstellen, das Ryan mal ein fröhlicher Junge war und seine Eltern über alles liebte. Aber es muss ein Riss in seinem Herzen gewesen sein, als er sah, dass sie getötet wurden. Wenn ich ihn mit Nik verglich, gab es einen großen Unterschied. Ryan kam aus der Vergangenheit und wurde für ein Experiment gebraucht, Nik war ein Noma-Kind, seine Eltern starben erst vor kurzem und sein vorheriges Leben verlief auch glücklich. Nun lag er selbst im Sterben, das heißt, ich hoffte der NKR-Professor half ihm. Der wirklich große Unterschied war, das Nik ein glücklicher Mensch war und sich niemals verschloss, jedoch Ryan traute meistens jahrelang um die wichtigen Menschen in seinem Leben. Die einzige Gemeinsamkeit war, das beide Mut hatten, Entschlossenheit, einen starken Willen und Ehrgeiz.

Ich legte mich wieder ins Bett und versuchte einzuschlafen. Aber dann hörte ich nach einigen Minuten ein lautes Knacksen und drehte mich hastig um. Ryan stand dort und blickte mich wieder mit seinem gelassen Blick an.

„Ich wollte dich nicht wecken.“, sagte er und hörte sich genauso an wie beim ersten Mal. Ich erschrak zuerst. Wieso war er plötzlich wieder so verschlossen, was war denn passiert? Ich wollte ihm doch nicht wehtun.

„Ryan, ich …“, fing ich an, doch er hob die Hand und ging auf das Sofa zu. Er setzte sich hin und zog dabei seine Weste und sein Shirt wieder aus.

„Schlaf jetzt am besten. Morgen treffen wir Lumo und Eid, sie sind in der Unterstadt.“

Ich fing an zu zittern, weil ich solche Angst hatte ihn verletzt zu haben. Was muss er gedacht haben, um sich so selbst wehzutun und sich dann wieder zu verschließen. Er hatte die Tür so weit offen und jetzt hatte sie sich durch mich wieder verriegelt. Ich wollte nicht dass er wieder traurig ist, er brach mir dadurch einfach das Herz. Wenn man solange wie er traurig ist, denkt man hätte das Gefühl gefunden geliebt zu werden und es dann doch nur ein Missverständnis war, dieses Gefühl ist am schmerzhaftesten und meistens unvergesslich.

Ich drehte mich immer hin und her und konnte einfach nicht einschlafen. Es ging nicht, weil ich ein schlechtes Gewissen hatte und damit einfach nicht fertig wurde. Ich stand auf und ging ins Bad hinein. Dann nässte ich mein Gesicht und trocknete es wieder ab. Mir ging es einigermaßen besser. Ich schaute in den Spiegel und sah mich selbst völlig verzweifelt. Ich versuchte zu lächeln, aber ich konnte nicht, dafür war ich zu traurig. Ich öffnete wieder die Tür und legte mich ins Bett. Nach einigen Stunden lag ich noch hellwach und Ryan war bestimmt schon längst eingeschlafen. Ich nahm mir einen Stuhl und stellte ihn ans Fenster. Die Stadt leuchtete immer noch und sie funkelte in meinen Augen.

„Wieso schläfst du nicht?“, fragte er und drehte nicht einmal seinen Kopf zu mir.

„Ich kann einfach nicht. Es geht nicht.“, sprach ich leise.

„Möchtest du lieber auf dem Sofa schlafen?“

„Was würde das ändern…“, seufzte ich.

„Einen Versuch ist es wert.“

Er stand auf und packte seine Sachen auf das Bett.

„Hilfst du mir bitte.“

Ich stand auf, nahm meine Bettwäsche und legte sie auf das Sofa. Dann legte er sich hin und schloss seine Augen. Ich versuchte auf der Couch zu schlafen, jedoch war sie furchtbar hart und noch schlimmer als das Bett. Ich seufzte.

„Wenn es dir zu hart ist, dann schlaf im Bett, aber ich werde jetzt nicht wieder umziehen.“

Ich schmiss mein Kissen und die Decke aufs Bett und legte mich hin. Mein Blick war nur auf Ryan fixiert, als ich neben ihm lag. Er war müde, das sah man ihm wirklich an. Jedoch war ich etwa zu aufgeregt oder mein schlechtes Gewissen plagte mich.

Seine Hand lag nahe bei mir und ich griff nach ihr. Ich spürte sein Zucken, aber es machte ihm anscheinend nichts aus. Es beruhigte mich ein wenig und daraufhin schlief ich ein. Am nächsten Morgen roch ich Essen und wachte sofort auf.

„Ich hab so einen Hunger!“, murmelte ich und schaute mich im Zimmer um. Auf dem Schreibtisch war ein Tablett mit einer Tasse Tee, kleinem Gebäck und einer heißen Suppe. Ich setzte mich auf den Stuhl und fing an zu essen. Es war köstlich und mein Magen hörte endlich auf zu knurren. Ryan trat ins Zimmer und wünschte mir mit einem leichten Lächeln einen guten Morgen.

„Morgen!“, grüßte ich zurück.

Nach dem Essen setzte ich mich erstmals hin und fuhr über meinen Bauch. Es tat gut, wenn er gefüllt war.

„Danke für das Essen.“, lächelte ich.

„Gern geschehen.“

Plötzlich pickte mich etwas extrem auf dem Rücken. Ich fuhr hoch und gab einen schmerzschrei von mir. Ich wollte es wegmachen, aber er war genau in der Mitte, wo ich nicht dran kam. Es fühlte sich an, als wollte etwas aus meiner Haut heraus. Es wurde immer schlimmer und Ryan wusste überhaupt nicht was los war. Ich zog meine Weste aus und hob hinten mein T-Shirt hoch.

„Ryan steh da nicht wie angewurzelt, sondern hilf mir.“, rief ich und versuchte den Schmerz zu unterdrücken.

Er hielt mein Shirt vorsichtig fest und schaute auf meinen Rücken. Über meinem BH-Verschluss vibrierte etwas.

„Es ist ein kleines wackelndes Etwas. Es sitz genau auf deiner Wirbelsäule und es sieht nicht gut aus. Am besten wir gehen gleich zu Lumo, er findet bestimmt jemanden der und hilft. Komm!“

Er schlang seinen Arm um meine Hüfte und teleportierte uns direkt ins Geheimversteck in der Unterwelt. Lumo und Eid sprachen an der Theke miteinander.

„Ich brauche Hilfe!“, rief Ryan.

„Was ist passiert?“, rief Eid panisch.

„An ihrer Wirbelsäule ist ein kleines wackelndes Ding.“

„Dann ist es wohl hoffentlich nicht das, was sich denke.“, betete Lumo und sie lagen mich mit dem Oberkörper auf den Tisch.

Ryan riss das Shirt hoch und sie betrachteten das vibrierende Etwas.

„Oh mein Gott, sie haben ihr tatsächlich eingepflanzt.“, murrte Lumo.

„Was ist es denn?“, rief ich und mein Körper zitterte.

„Eine Bombe.“

Ich zuckte zusammen und geriet völlig in Panik.

„Eine Bombe?“ schrie ich.

„Keine Panik, Lou! Wir haben hier jemanden der früher in der Medizin gearbeitet hat, er ist ein guter Arzt und wir müssen dir das Ding heraus operieren.“

„Wieso gehen wir nicht ins Krankenhaus?“

„Weil dort direkt die Polizei alarmiert wird und ich möchte das die sich da nicht einmischen.“

Eid sprang vom Stuhl und eilte aus der Tür. Nach einigen Sekunden kam ein etwa dreißigjähriger Mann rein, sein Haar war kurz und sein Gesicht war zuerst ernst, doch als er dann mich sah, ließ er die Zunge hinaushängen.

„Caramba! Was haben wir denn hier für eine Patientin.“, erklang eine leicht schwule Stimme.

Er zwinkerte mir zu und kam dann mit einem lässigen Gang auf mich zu.

„Von dem soll ich mich behandeln lassen?“, rief ich verärgert.

Eid kam auf mich zu.

„Das ist nun mal so seine Art, aber er ist ein guter Arzt.“

Ryan setzte sich genervt auf einen Stuhl und massierte seine Stirn, als hätte er Kopfschmerzen.

„Gut, dann lassen wir es mal krachen.“, begann er und streckte sich kurz.

„Die Patientin muss leider auf einen richtigen Tisch und es ist besser wenn sie zu mir kommt. Ich habe mir letztens einen richtiges OP-Zimmer einrichten lassen.“

Ich zog mein T-Shirt hinunter und stampfte hinter ihm her.

„Ich werde mitkommen.“, meldete sich Ryan und stand gelassen auf. Er war wieder genauso wie gestern, verschlossen.

„Das kommt nicht in Frage, denn ich brauche meine Ruhe, du kannst ja draußen warten.“, befahl er ihm und Ryan ließ sich nicht so leicht unterkriegen.

„Ich werde dabei sein, ob du es willst oder nicht.“

Dem Doktor bereitete Ryans Mimik Angst ein und so willigte er nickend ein.

Der Raum war sehr erhellt und in der Mitte stand ein Metalltisch mit einem breiten Papiertuch bedeckt. Außenherum standen einige Theken mit medizinischen Werkzeugen und Desinfizierungsflaschen. Er legte auf ein Tablett seine Werkzeuge und eine Flasche zum Desinfizieren. Ryan setzte sich auf einen Stuhl und ich versuchte den Schmerz zu unterdrücken.

„Wie lange wird das dauern?“, fragte ich.

„Ein paar Minuten. Es ist nur an deine Wirbelsäule festgemacht worden. Wir werden den Griff lockern und ich hoffe mal die Bombe explodiert dabei nicht.“, versicherte er mir die Risiken.

Als er mit dem Bereitlegen fertig war, drehte er sich zu mir um und schaute mich an, als erwartete er was von mir.

„Was ist denn?“, fragte ich.

„Dein T-Shirt und dein BH müssen aus, sonst kann ich nicht arbeiten.“

„Was?“, schrien Ryan und ich schockiert.

„Dahinten ist eine Kabine. Und hier.“

Er drückte mir ein Stück Papier in die Hand und ich wusste dass ich damit meine Brüste bedecken sollte, wenn ich heraus käme. Konnten sie mir an den Arm machen oder an das Unterbein. Ich schaute Ryan finster an und er stand schon auf.

„Ich warte dann draußen.“, sagte er und verließ den Raum.

Ich kam heraus und legte mich vorsichtig auf den Tisch.

„Explodiere ich wenn die Bombe aktiviert wird?“

Er fing an zu lachen.

„Nein, das wäre ja Unsinn. Es ist ein kleiner Chip der vibriert, sobald er durch Funk gesteuert wird. Außerdem explodierst du nicht, sondern kleine Nadel gelangen in dein Rückenmark und zerstören dir sämtliche Nerven, sodass du später bewegungsunfähig bist.“

Das ergab jetzt einen Sinn. Er wollte mich komplett gelähmt haben, um keine Probleme bei der Blutentnahme. Dadurch dass ich mich nicht bewegen kann, zieht er seinen Plan locker durch.

Ich spürte eine Spritze in meinem Rücken und dann meinte er ich soll im Kopf von zehn abzählen. Bei sieben schlief ich schon ein. Als die OP vorbei war, wachte ich wieder in einem Bett auf. Ryan saß auf dem Stuhl.

„Haben ich’s überstanden?“, fragte ich und mir war noch ein wenig schwindelig von der Narkose.

„Ja.“

Ich stand auf und stützte mich an der Wand ab. Jedoch fühlte ich mich wie betrunken und fiel fast hin, jedoch stützte mich Ryan.

„Bleib doch liegen.“, nörgelte er und legte mich wieder ins Bett.

„Wann gehen wir nach Hause?“, fragte ich wieder.

„Sobald du nicht mehr wie ein Betrunkener läufst.“

Es war zwischen uns einige Minuten still, doch wieder brach ich die Stille.

„Du magst mich nicht mehr, Ryan.“, murrte ich.

„Du redest wirres Zeugs.“

Die Narkose brachte richtige Nachwirkungen mit sich. Ich fühlte mich tatsächlich wie ein Betrunkener und fing auch an Dinge zu fragen die ich eigentlich für mich behalten wollte. Mir war sogar ein wenig schlecht und ich hatte satt, ständig irgendetwas zu haben. Mein Ziel war einfach nur nach Hause zu gehen, JC, Nik, Nova und die anderen wieder zu sehen. Sie fehlten mir und ich musste mich doch entschuldigen, weil ich wegelaufen war.

Nach wenigen Stunden fühlte ich mich viel besser und wir verabschiedeten uns von Lumo und Eid. Danach verließen wir die Unterstadt, Desar und flogen mit einem normalen Passagierflugzeug nach Hause. Als ich endlich die Tiefgarage erreichte und den Aufzug sah, wollte ich am liebsten vor Freude in die Luft springen. Wir stiegen ein und ich war ein wenig aufgeregt. Wir kamen an und niemand war zuerst zu sehen, aber dann hörte ich einen schrillen Schrei und JC sprang in meine Arme.

„Oh Lou! Wo warst du bloß? Wir hatten uns furchtbare Sorgen gemacht. Der Professor war fast krank vor Sorge um euch.“, erklärte sie mir und hinter ihr standen die anderen vier. Nova nahm mich erleichtert in die Arme und der Rest grüßte mich auch freundlich.

„Ich hatte schon gedacht, dass wir euch nie wieder sehen und außerdem ist Benett stinkesauer, weil ihr entkommen konntet. Diese Aussagen hatten wir von unseren Spionen.“, erzählte Alex.

„Ich habe auch verdammt viel durchmachen müssen, aber sagt mal, wo ist Nik und wie geht’s ihm?“, fragte ich und betete das er es geschafft hatte. Aber alle sanken dann den Kopf.

„Vielleicht siehst du es dir selbst an.“

JC lenkte mich in das Zimmer wo Nik lag, als er krank war. Er saß dort und ließ die Füße hinunter baumeln.

„Nik!“, rief ich und fiel ihm in die Arme.

„Kennen wir uns?“, fragte er und schaute mich verwundert an, als ich ihn schockiert losließ.

„Ja, ich bin‘s, Lou.“

„Lou? Es tut mir wirklich leid Miss, aber ich kenne sie nicht, nicht einmal das Zentrum hier und die anderen genauso wenig.“, murrte er mich an, als wollte er mich loswerden.

Ich verschwand wieder aus dem Zimmer und schaute JC wartend an.

„Hör zu, Lou, Nik verlor durch die Operation sein Gedächtnis und schaffte es weiterleben zu können. Jedoch erinnerte er sich an die letzten sechs Monate nicht mehr und das ist schon wahnsinnig viel. Wir hatten ihm gestern von dem Tod seiner Eltern erzählt und wie er hierher kam und so langsam glaubt er sogar daran. Nur denkt er wir wären an dem Gedächtnisverlust schuld und ignoriert unsere Freundschaftsgespräche.“

„Er erinnert sich nicht an mich?“

„Es tut mir leid.“

Ich verschwand in mein Zimmer und legte mich völlig fertig ins Bett. Ein Schock kam nach dem nächsten und es war so als würde mich jemand mit harten Steinen bewerfen. Ich konnte nicht mehr, meine Nerven war überlastete und sowie auch mein Kraft weiterzumachen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 17 – Verräter

 

Am nächsten Morgen war Ryan und ich zum Professor gerufen worden. Wahrscheinlich hielt er uns eine Predigt darüber, dass wir die Regeln beachten sollten.

Ich saß in seinem Büro, Ryan neben mir und der Professor senkte enttäuschend den Kopf.

„Es ist wirklich unglaublich Lou das du Niks Ceck gefunden hattest, jedoch bist du ohne Erlaubnis wegelaufen, hast niemanden Bescheid gesagt und kommst erst nach einer Woche wieder. Ist dir eigentlich im Klaren, wie viele Sorgen wir uns gemacht haben? Weißt du eigentlich wie lange wir dich suchten?“

„Aber ich hatte es für Nik getan.“

„Lou, du musst irgendwann Entscheidungen treffen die dir wirklich schwer fallen, aber du musst auch der Realität ins Auge sehen. Du hattest unvorstellbares Glück, dort entkommen zu sein.“, seufzte er zum Schluss und massierte seine Stirn.

Es war kurz still und dann meldete sich Ryan.

„Trotz dass sie weggelaufen war, schafften wir es Niks Ceck zu finden und ihn hierher zu bringen und wir hatten etwas sehr Wichtiges herausgefunden.“

„Was?“

„Lou ist zu einem Schlüssel geworden. Benett hat einen Giganten erschaffen, der ganze Städte zerstören kann. Seine Kraft ist enorm, sowie sein Schutz gegen Kugeln oder ähnlichem. Dennoch um ihn aufzuwecken braucht er eine bestimmte Energie und die hat nur Lou. Mit ihrem Blut kann er den Giganten zum Leben erwecken und das wäre ein mächtiger Untergang.“

Der Professor dachte kurz nach und suchte dann im Regal hinter sich einige Akten heraus.

„Was ist das?“, fragte ich und beugte mich ein wenig über den Schreibtisch.

„Deine Akten!“

Ich war erstaunt. Diese Ordner waren furchtbar dick und dann gab es von ihnen auch noch fünf Stück. Elius schlug in einem Ordner etwas nach und schaute sich ein Diagramm an.

„Tja, das hätte ich mir ja fast denken können.“, murmelte er.

„Was denn?“

„Dadurch dass du Heilkräfte hast, erstellt dein Körper dauernd Millionen von roten und weißen Blutkörperchen und Blutplättchen her. Sobald du anfängst jemanden zu heilen, gehen welche davon verloren, aber in Sekundenschnelle erstellen sich wieder neue. Das liegt daran, dass sich das Blut überall in deinen ganzen Organen wiederherstellen kann. Benett wird dein Blut aussaugen können, aber du wirst nie sterben, weil sich dein Blut dafür zu schnell wiederherstellt. Ein normaler Mensch hat fünf bis sechs Liter Blut in sich, aber du Lou, kannst bis zu zwanzig Liter erstellen, wenn man es dir aussaugen würde. Deswegen kannst du auch anderen, Energie geben. Pass auf, ich werde es dir einfacher erklären.“

Er stand auf und ging zu einer weißen Metalltafel. Dann nahm er einen schwarzen Filzstift und malte eine Erdnuss artige Figur, unten ein Bein, links oben einen Arm, in der Mitte ein Herz und oben am Kopf die zwei Gehirnhälften.

„Also erkennst du es?“, fragte er mich und zeugte mit dem Finger auf die gemalte Figur.

„Eine Erdnuss mit Beinen, Armen, Herz und einem Gehirn?“, lachte ich.

Er seufzte.

„Nein, das seit ihr, wenn ihr zusammen arbeitet.“

Er schrieb an den Fuß Ryans Namen und an den Arm Alex‘ Namen.

Ryan schien es anscheinend zu verstehen, aber ich wusste noch nicht so ganz was er mir damit sagen wollte.

„Pass auf, Alex ist der Arm, weil er die Fähigkeit Stärke besitzt. Ryan ist der Fuß, da er sich teleportieren kann und wahnsinnig schnell ist.“

Ich fing an zu verstehen.

„Nova ist die Hülle, weil sie ein Schild um euch aufbaut. Jim ist die linke Gehirnhälfte wegen seiner starken Wellen, die Dinge schweben lassen und Valerie ist super Intelligent und ist deswegen die rechte. Du Lou bist das Herz, das wichtigste Organ im Körper. Das heißt wenn du stirbst, hätten die anderen keine Chance zu gewinnen, verstehst du?“

Ich war ein wenig verblüfft. Wenn ich das Herz bin, dann muss es außergewöhnlich wichtig sein, dass ich noch lebte. Es passte eigentlich sogar. Ich konnte heilen, weil ich Blut herstelle und die Energie an meine Verbündeten weitergebe, was ein Herz auch tut. Deswegen hat Benett auch an mir Interesse und jetzt weiß ich auch, warum er mich am Anfang töten wollte.

„Ich verstehe.“, stimmte ich zu. „Aber wieso ich Professor?“

„Ich denke mal, weil du die einzige bist, Lou, die ein normales Leben geführt hatte. Ich beauftrage Finn damit ein Mädchen zu finden, das gesund und lebhaft ist und ein starkes Herz besitzt. Dann hatte er dich getroffen und er meinte du wärst die Richtige.“

Es ist unglaublich dass der Professor, das alles schon voraus geplant hatte. Jedoch werde ich es Finn trotzdem nicht verzeihen, dass er mit mir so umgegangen ist. Anderseits hatte der Professor ihn auch beauftragt und ganz unschuldig war er dann auch nicht. Eigentlich ist es ein Verbrechen, einfach Menschen zu überfallen, sie bewusstlos machen und anschließend für ihre Zwecke zu benutzen. Alle anderen wurden gefragt ob sie mit dem Professor mitgehen wollten, außer mir. Es machte mich trotzdem nicht wütend, da ich sonst nie hätte die anderen kennenlernen können und vor allem nicht Nik und Ryan. Nein, teilweise war ich dankbar dafür und würde mich keineswegs beschweren.

„Aber ich müsste kurz nach einer anderen Akte von dir schauen…“, murmelte er und kratzte sich am Kopf.

Er durchwühlte wieder den Aktenschrank und suchte länger als vorhin. Dann drehte er sich rasch um und lief zu einem anderen Schrank. Dort suchte er wieder und er war erfolglos.

„Die Akte ist weg!“, rief er panisch.

„Was genau für eine?“, fragte ich.

„Sie enthielt die wichtigsten Sachen überhaupt. Denn es ging um deine Fähigkeiten. Dort stand drinnen gegen was du alles immun bist und auch deine ganzen Schwächen. So auch über deine restlichen Fähigkeiten und…“, er stoppte und blieb wie angewurzelt stehen. Es machte mir Angst wie er plötzlich mit dem Rücken zu uns stand. Elius bewegte sich überhaupt nicht mehr und ich stand langsam auf.

„Professor?“

Ich ging zu ihm hin und schaute ihn an.

Er lief an mir vorbei und setzte sich auf den Stuhl. Er stand unter Schock und stützte seinen Kopf mit der Hand.

„Diese Mappe beinhaltet deine Zerstörung und über die besondere Energie deines Körpers. Wenn die sechste Mappe in falsche Hände gerät…“

Diese Mappe enthielt also meine Zerstörung und somit auch meine Schwachstellen? Vielleicht bin ich doch nicht ganz immun gegen alles und es gibt ganz bestimmte Gifte die mich töten könnten. Aber das ist doch unmöglich, keiner außer dem Professor und einige vertraute Angestellte kommen hier herein. Nicht einmal wir dürfen ohne Erlaubnis hier hinein.

Der Professor schaute noch einmal gründlich nach und öffnete auch andere Schränke, aber die Mappe war leider nicht aufgetaucht. Vielleicht benutzte sie auch einer der Mitarbeiter für etwas, dennoch müsste er vorerst den Professor fragen, ob er sie auch verwenden durfte.

Ryan und ich suchten mit und fanden leider nichts. Das Büro war ein einziges Chaos und tatsächlich war die Mappe aus dem Büro verschwunden.

„Wieso hatten sie keinen Tresor dafür gebaut?“, fragte ich.

„Weil sie heutzutage leicht genknackt werden könnten und ich sonst einen Abdruckscanner und Augenscanner benutzen müsste. Aber da ich die Akten fast jeden Tag benutzte, müsste ich jedes Mal in diesen Tresor und sie herausnehmen. Mein Büro hat auch einen Abdruckscanner, aber ich bleibe ja meistens hier drinnen und deswegen brauche ich dann nur die Aktenschränke aufzumachen.“

„Aber wie kommen Angestellte hier hinein?“

„Nun, sie haben eine kleine Karte am Schlüsselbund, es sind nur drei und ich hatte eigentlich absolutes Vertrauen zu ihnen.“

„Sie hatten?“, fragte Ryan.

„Nun ja, sie reden mit mir nicht mehr so, zumindest einer.“

„Wer?“

„Veit.“

Es herrschte kurz Stille und dann fiel dem Professor etwas ein.

„Stimmt. In den letzten paar Monaten war er so verschlossen und gehorchte mir wie ein Roboter. Jedoch früher meckerte er meistens immer wenn es Arbeit für ihn gab. Er hatte sich wirklich dramatisch verändert, aber ich hätte niemals geglaubt, dass da etwas Ernstes war. Ryan, Lou, ich habe einen weiteren Auftrag für euch!“

Ryan und ich saßen in einem großen Raum und überall saßen Männer und Frauen die an ihrem Schreibtisch am Computer schrieben oder per Headset telefonierten. Sie waren völlig gestresst und hatten nie wirklich eine Pause.

„Siehst du ihn?“, fragte Ryan.

„Noch nicht.“, flüsterte ich und hielt eine Glasplatte in der Hand, auf der man die neusten Informationen lesen konnte. Es war wie eine Zeitung, nur aktualisierte sie sich jeden Tag neu. Ich tat so als ob ich lesen würde und schaute dabei immer wieder vor mich in den hektischen und lauten Raum hinein. Dann entdeckte ich ihn, Veit, er kam direkt auf uns zu. Ich tippte Ryan zart an und er drehte sich zu mir um.

„Dort kommt er!“, rief ich und schaute erneut auf meine Zeitung. Er lief an uns vorbei und wollte aus dem Raum verschwinden, aber Ryan und ich liefen ihm unauffällig hinterher. Er ging den Gang entlang und bog irgendwann zum Fahrstuhl ab. Dann stieg er ein und wir schauten genau auf das Stockwerk, bei dem er ausstieg. Er hielt bei der Tiefgarage. Ryan packte meinen Arm und teleportierte uns hinter eine Säule. Veit verließ gerade den Fahrstuhl und schaute um sich, ob ihm keiner gefolgt war. Dann überquerte er die Garage und ging zu dem Geheimgang hin, den der Professor eigentlich schon eingenommen hatte. Er klopfte dreimal gegen die Wand und dann verschwand er hinter ihr.

Ryan packte weiterhin meinen Arm und wir teleportierten uns wieder hinein und drückten uns feste gegen die Wand. Veit verschwand um die Ecke und wir schlichen ihm hinterher. In der Halle, wo damals die Frau missbraucht wurde, war keine Menschenseele zu sehen. Jedoch lief Veit weiter und es öffnete sich in der weißen Fliesenwand wieder eine weitere Tür. Als er drinnen war, warteten wir ein wenig und dann teleportierten wir uns dahinter. Es war ein dunkler breiter Gang wir sahen nichts und hörten nur Veits Schritte. Unbemerkt schlichen wir ihm nach und dann öffnete sich ein riesiges Tor, Licht drang in den dunklen Gang. Ein geheimes Quartier, mit Flugzeugen, Autos und den gleichen Soldaten wie bei Benett liefen hier hin und her. Wir mussten uns schnell verstecken, sonst sah uns noch jemand und da entdeckte Ryan eine Ecke, wovor ein riesiges viereckiges Gerät stand. Wir landeten in Sekundenschnelle dort und ich sah Olivia auf Veit zukommen. Sie grinste ihn an und beide begannen ein Gespräch. Aber leider war es so laut hier, das ich nichts hören konnte.

„Was reden sie da bloß?“, fragte ich wütend.

„Ich habe keine Ahnung, wenn Valerie jetzt hier wäre, könnte sie vielleicht seine Gedanken lesen.“

„Am besten wir warten erst mal ab.“

Das Gespräch war lang und deswegen machte es mich umso neugieriger.

Aber jetzt verstand ich auch warum einige entkommen konnten. Sie benutzten den Geheimgang und fanden direkt zur Station zurück. Aber was will Benett hier? Er kam sowieso nicht den Fahrstuhl hoch, weil ein eingebauter Scanner sofort fremde Menschen entdecken würde.

„Hey, Leute!“, flüsterte jemand leise neben uns. Ich erschrak zuerst und drehte mich ruckartig um. Ein Soldat stand hinter uns. Ryan wollte schon zuschlagen, aber dann hielt eine bekannte Stimme uns davon ab.

„Halt! Nicht schlagen! Ich bin´s Valerie.“

Das war ein perfektes Timing.

„Was machst du denn hier?“, fragte ich.

Sie zog ihren Helm aus und ihre Haare waren kurz geschnitten. Es war ein Bobschnitt, der ihr bis zum Kinn reichte. Die Haare waren alle gleichmäßig und glatt.

„Naja, ich bin euch gefolgt. Eigentlich wollte ich in die Stadt fahren, aber da entdeckte ich euch, wie ihr diesen Kerl verfolgt hattet. Mich hatte es interessiert. Als ihr euch hierher teleportiert hattet, schnappte ich mir einen Soldaten und zog mir seine Kleidung an.“

„Aber du kommst genau richtig. Du musst die Gedanken lesen von Veit, er ist ein Verräter.“, bat ich sie.

„Gut.“

Sie konzentrierte sich auf Veit und man merkte wie schwer es sein musste von weitem Gedanken zu lesen.

„So ein Mist!“, beklagte sie sich.

„Was ist los?“

„Der Professor muss ihm einen Chip eingebaut haben, der die Gedanken abwehrt. So konnte ich unmöglich seine Gedanken lesen, aber Olivia ihre kann ich problemlos lesen.“

Sie konzentrierte sich wieder und dann nickte sie.

„Sie reden über dich, Lou. Dann diskutierten sie über einen Giganten und dann wieder über dich. Aber jetzt ging es um eine Akte. Ich verstehe leider überhaupt nichts.“

„Ganz einfach. Benett möchte mein Blut haben, weil ich einen Giganten damit erwecken könnte und um mehr daraus zu erfahren, hatten sie dem Professor aus seinem Archiv meine Akte gestohlen. Ryan und ich sind beauftragt worden Veit zu beobachten und jetzt wissen wir dass er ein Verräter ist.“

„Wenn ihr mehr wissen wollt müssen wir näher dran. Passt auf!“, flüsterte sie und streckte ihren Arm zwei Soldaten entgegen. Es flogen zwei kleine Nadeln aus ihrer Armschiene und landeten in den Köpfen der beiden. Valerie musste sich erst an diese hohe Konzentration gewöhnen und verlor viel an Kraft, als sie sie sie hierher lenkte. Aber ich berührte ihre Schulter und so beruhigte sich auch ihr Hecheln. Unbemerkt schafften wir sie in unser Versteck und Valerie zwang sie ihre Sachen auszuziehen. Als wir auch unsere Soldatenanzüge anhatten, schlichen wir hinaus und marschierten zu Olivia und Veit. Wir stellten uns neben sie und lauschten einfach mit.

„Also gut Veit, ich hoffe das wir bald wieder miteinander reden können und behalte weiterhin Lou im Auge. Sobald sie das Zentrum verlässt, alarmierst du uns, klar?“

Veit nickte schweigend.

„Ach und nochmals vielen Dank für die Akte, die ist wirklich sehr hilfreich gewesen, sobald der Herr davon erfährt, wird es uns viel leichter fallen Lou zu schnappen.“, lachte sie zum Schluss und drehte sich um.

„Ah! Ihr drei, mitkommen!“, rief Olivia zu uns.

Wir hoben die Hände gestreckt an die Stirn und riefen alle: „Jawohl, Herrin!“

Wir folgten ihr und dann wollte sie in ein Flugzeug einsteigen, aber wir mussten doch dem Professor Bericht erstatten und die Akte zurückbringen. Aber das Glück verließ uns nicht und da drückte mir jemand meine Akte in den Arm.

„Los, bring sie hinein!“, befahl Olivia und zeigte mit dem Finger ins Flugzeug. Ich tupfte Ryan an und der wusste genau was zu tun ist.

„Tja, das war ein Fehler meine Liebe.“, lachte Valerie und schon teleportierten wir uns in die Tiefgarage. Ryan hechelte leicht.

„Alles ok?“, fragte ich und nahm seine Hand. Sein Atem wurde wieder langsamer. Wir rannten in den Aufzug und fuhren hoch zum Professor. Dabei zogen wir noch unsere Helme aus, da wir nicht gleich angegriffen werden wollten, sobald wir oben waren.

„Hier ist die Mappe.“, keuchte ich.

„Tatsächlich, es ist sogar das Original.“

Ich schaute ihn verblüfft an.

„Was meinen Sie?“

„Nun, die Akte ist schon seit gestern anscheinend verschwunden und es könnte sein, das es noch eine Kopie davon gibt, allerdings müssten sie einen schnellen Scanner haben, denn das sind mindestens neunhundert Blätter. Aber sagt mal, wo habt ihr sie gefunden?“

„Benett hat eine geheime Station hinter dem Geheimgang. Dort sind Soldaten und sie sehen ja selbst, wir haben uns, dank Valerie, Anzüge nehmen können. Sie müssen ihn stoppen, Professor.“

„Lou, ich würde ihn ja wirklich gerne aufhalten, jedoch heißt es nun, wenn jemand mit seinem eigenen Materialien ein Gebäude baut, dann gehört es ihm und ich kann auch nichts dagegen ändern. Benett ist zwar auf meinem Grundstück, aber genau deswegen sind die Häuser auch so enorm hoch, da jeder ein Haus über dem anderen aufbaut. Benett kann nur verhaftet werden, sobald er unerlaubt mein selbsterbautes Zentrum betritt. Aber das wird er nicht, deswegen seid ihr hier auch absolut sicher.“

„Aber falls sie wirklich eine Kopie davon haben, was machen wir nun?“

Elius fasste sich an sein Kinn und dachte scharf nach.

„Wisst ihr vielleicht was genau dort gemacht wurde?“

„Wir sahen nur Flugzeuge und einige Geräte, aber mehr war da auch nicht.“, erklärte Valerie.

„Ich verstehe. Nun, wir haben keine andere Wahl, als erst einmal müssen wir Veit aus dem Zentrum ausschließen und abwarten. Denn wir kennen nun ihr Versteck und werden deswegen Vorsichtsmaßnahmen treffen. Es wäre zu gefährlich, noch einmal in die Station zu gehen.“

Wir nickten und gingen wieder in unsere Zimmer. Doch bevor ich mich wieder zurückzog, wollte ich unbedingt mit Nik reden. Vielleicht kehrten seine Erinnerungen zurück.

In seinem kleinen Zimmer, saß er auf dem Bett und starrte die Wand an. Ich klopfte und betrat den Raum.

„Hallo Nik.“, grüßte ich und setzte mich neben ihm.

„Lou? Stimmt`s?“, fragte er und mir war gleich klar, dass er sich an nichts erinnerte.

„Genau. Wie geht’s dir so?“

„Nun ja, ich habe manchmal noch Kopfschmerzen, aber sonst meinten die Ärzte es würden keine Geschwüre und Tumore mehr auftauchen.“

„Da bin ich aber erleichtert.“, seufzte ich. „Du kannst dich wirklich an nichts mehr erinnern?“

„Nein, das heißt, an dieses Zentrum nicht und an die ganzen Leute auch nicht. Wieso denn? Standen wir uns irgendwie nahe?“

Ich sank den Kopf und hielt meine Kette fest.

„Ja.“

„Das tut mir leid, aber ich kann mich wirklich nicht erinnern. Das letzte was ich weiß, war, das ich und meine Eltern in Naga einkaufen waren. Ich kam abends heim, legte mich hin und dann ist alles ein bisschen verschwommen, bis es schließlich endet.“

Ich zog die Kette aus und gab sie ihm in die Hand.

„Du hast dieselbe.“

Er tastete seinen Hals ab und verglich dann beide Ketten miteinander.

„Wie eng waren wir denn befreundet?“

Ich nahm wieder meine Kette, stand auf und griff nach der Türklinke.
„Wir waren mehr als das, Nik.“, seufzte ich und verließ das Zimmer. Traurig legte ich mich in mein Bett und spürte wieder den Schmerz. Es war eine weitere Enttäuschung und Nik würde sich wahrscheinlich kein zweites Mal in mich verlieben. Ich hätte es eigentlich wissen müssen, dass er bei der Hirnoperation zu schaden käme. Ich hatte schon einmal sein Körper von einem Geschwür befreit, jedoch hätte ich gewusst, dass wieder eins käme, dann wäre ich seinen Ceck früher suchen gegangen. Vielleicht hätte ich dann eine weitere Operation verhindert und sein Ceck hätte ihn dann wieder geheilt. Nik würde sich nicht mehr an mich erinnern und es wahrscheinlich sogar ruhen lassen. Ich wäre ihm egal geworden und vielleicht fing er dann, sobald Naga wieder aufgebaut wäre, ein eigenes Leben an. Aber ich liebte ihn doch und einen Abschied könnte ich einfach nicht ertragen. Ich hatte wirklich gedacht, dass endlich meine Pechsträhne ein Ende hätte und ich mit Nik glücklich werden würde, aber dem war nicht so. Er und ich lernten uns auf eine besondere Weise kennen und ich denke dies wird sich nicht ein weiteres Mal wiederholen. Trotzdem vermisste ich sein Lächeln, seine Gegenwart und den leidenschaftlichen Kuss. Er war ein Teil von mir geworden und jetzt fühlte ich mich, als hätte man mir dieses Stück aus der Brust gerissen. Wenn Nik mit mir sprach, kam es mir so vor, als wolle er nie wieder etwas mit mir zu tun haben. Deswegen glaubte ich auch, dass er keinerlei Gefühle mehr für mich hegte.

Mir liefen die Tränen hinunter und es tat zum ersten Mal gut zu weinen, da ich so leichter dem Schmerz entkam.

Als ich müde wurde, schlief ich auch ein.

 

Kapitel 18 – Geplante Falle

 

 

Nach einigen Wochen ging es mir besser und ich versuchte nicht mit Nik in Kontakt zu kommen, da ich sonst wieder Trauer empfand. Ich weiß nicht was er gedachte hatte, als ich ihm erzählte, das wir zusammen waren, aber ich wusste, das ihn das nicht so wirklich interessierte.

Es gab auch keine Neuigkeiten über Benett oder von seinen Truppen. Lumo meldete sich und berichtete in der Wüste, in einer Schlucht eine Höhle entdeckt zu haben. Der Ort wäre perfekt geeignet, um sich zu verstecken und deswegen fragte er den Professor, ob er die Erlaubnis gäbe, mich, Ryan und Nova dort hin zu schicken. Elius meinte es sei gefährlich, aber dennoch auch interessant. Wenn wir einen Beweis an die restlichen Wissenschaftler schicken, dann könnte man Benett vielleicht erstmals vor Gericht ziehen. Da Benett jedoch ein mächtiger Mann war, hatte er bestimmt Tricks sich aus der Sache zu entziehen und würde vielleicht nur bestimmte Gebiete betreten dürfen. Da ihm aber sein Gefolge beistand, wie zum Beispiel Olivia oder Novas Schwester Terra, konnten sie die Armee beeinflussen und es würde genauso weiter gehen wie bisher. Der beste Beweis wäre, ein Zeuge, der aussagt, das Benett ihnen die Befehle erteilt hätte. Aber leider schweigen alle, da bin ich mir absolut sicher. Benett muss ihnen wie ein Prophet zugesprochen haben. Er glaubte so fest daran die Eaganer zu vernichten, dass ihm wahrscheinlich mehr als zehntausend Menschen folgten.

Am besten wäre, Benett natürlich umzubringen, aber als ich schon gegen ihn kämpfte, musste ich wirklich meine gesamte Kraft einsetzen. Aber mit den anderen fünf könnten wir es wirklich schaffen ihn als Team zu besiegen.

Am Nachtmittag bat der Professor mich, Nova und Ryan zu sich. Wir saßen vor seinem Schreibtisch und hörten ihm aufmerksam zu.

„Lumo hatte wirklich eine ausgezeichnete Idee gehabt euch in die Wüste zu schicken. Die Schlucht ist nur mit einem Schiff zu erreichen oder durch einen Tunnel, der aber höchstwahrscheinlich bewacht wird. Wenn ihr erst mal die Schlucht erreicht habt, dann klettert ihr heimlich hinunter und durchsucht die Höhle. Ihr werdet Linsen bekommen mit denen ihr unsichtbare Menschen aufspüren könnt. Ruht euch noch aus, denn morgen früh wird es dann losgehen.“

Wir nickten und bereiteten uns auf morgen vor. Ich packte alles Nötige wieder am Hosenbein in meine kleine Tasche.

Schließlich betrat am Abend JC mein Zimmer.

„Ich hörte morgen wirst du wieder nach Desar gehen.“

„Genau.“, lächelte ich.

„Hör mal, das mit Nik,…“

„Bitte JC, ich weiß du meinst es nur gut, aber mir wird es nicht besser gehen, wenn wir darüber reden. Es fällt mir wirklich schwer über Nik hinweg zu kommen, aber er erinnert sich einfach nicht mehr an mich und das muss ich nun akzeptieren.“

„Die Ärzte meinten es sei vielleicht nur vorrübergehend und sein Gedächtnis kehrt irgendwann wieder zurück.“

„Nein, JC, das glaube ich eher nicht. Sein Gedächtnis ist schon seit einigen Wochen verloren und deswegen besteht für mich keine Hoffnung mehr.“

„Hast du ihm erzählt, was du für ihn empfandst?“

„Ja, das heißt, ich sagte nur dass es mehr als Freundschaft gewesen war, seitdem hatte ich kein einziges Wort mehr mit ihm gewechselt. Ich denke eher, dass es ihn wenig interessiert, was vorher war.“

„Das glaube ich nicht!“, entgegnete sie. „Nik liebt dich, Lou.“

„Das hatte er mal, JC.“, seufzte ich und senkte den Kopf. „Wenn es dir nichts ausmacht JC, würde ich jetzt wirklich gerne schlafen.“

„Natürlich.“, sagte sie und ging auf die Tür zu. „Gute Nacht, Lou.“

Ich legte mich aufs Bett und hörte wie das Schloss zufiel.

Danach schaltete sich das Licht aus und ich schlief ein.

Am nächsten Morgen flogen wir nach Desar, wo uns Lumo erwartete. Wir grüßten ihn und waren auf dem Weg zu seinem Schiff.

„Ist die Schlucht tief in der Wüste versteckt?“, fragte Nova.

„Oh ja, ich meine, mit dem Schiff dorthin zu kommen, ist kein Problem, aber zu Fuß schon. Von Desar sind es circa siebzig Kilometer.“

„Das ist ziemlich viel.“, staunte ich.

„Fakt ist aber, das sie lange brauchen werden, um Desar überhaupt anzugreifen. Die Strecke ist zu Fuß enorm und deswegen denke ich, warten sie auf ein Zeichen oder auf mehr Hilfsmaterialien. Wir glauben jetzt dass sie das Unsichtbarkeitsserum benutzen und da dies illegal ist, hatten wir es zuerst als Möglichkeit nicht miteinbezogen. Wir bräuchten nur ein Flugfahrzeug zu erwischen, das in die Schlucht fährt, um den anderen Soldaten Essen und Trinken zu bringen. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass sie neues Serum einliefern werden. Wenn wir Beweisfotos machen, dann haben wir sie an der Angel.“

„Aber wenn wir doch schon einmal da sind, wieso nehmen wir sie nicht gleich fest? Dann hätten wir sie nicht nur an der Angel, sondern schon gleich serviert.“

„Das ist ein zu großes Risiko, du weißt nicht wie viele es sind.“

„Dann müssen wir es eben abschätzen können und wenn es zu viele sind, gehen wir deinem Plan nach, wenn nicht nehmen, wir sie alle fest, alles klar?“, schlug ich vor.

„Also gut.“

Wir kamen am Schiff an und flogen los. Die Wüste war wirklich sehr groß und wir machten uns für kurze Zeit unsichtbar.

„Sagtest du nicht es sei illegal?“

„Ja, aber Schiffe dürfen es verwenden, wenn du eine Lizenz besitzt und da ich dem Lord diene, war es kein Problem eine Genehmigung zu bekommen.“, rief er aus dem Cockpit.

Ich schaute aus dem Fenster und sah ein großes erhobenes Plateau. Es war ungefähr zwei Kilometer lang und drei Kilometer breit. In der Mitte entdeckte ich ein Loch, das musste die Schlucht sein. Wir landeten davor und schauten uns erst einmal um.

Es war furchtbar heiß, mindestens siebenunddreißig Grad. Die Sonne prallte auf meinen Kopf und ich hielt meine Hände, wie einen Schirm davor. Als wir vor der Wand standen, musste ich meinen Kopf ins Genick werfen, um das Ende zu sehen.

„Die Wand ist genau hundert Meter hoch.“

„Aber wie willst du da hinauf?“, fragte ich.

„Nun ja, wir könnten das Schiff benutzen, hoffentlich hören die uns nicht.“, nuschelte er zum Schluss ungewiss.

„Dann los!“, rief Ryan und wir setzten uns wieder ins Schiff.

Oben kamen wir an und Lumo drückte uns ein Kopftuch in die Hand, deren Schleier über die Schulter hingen.

„Das schützt euch vor der Sonne.“, meinte er und wir stiegen aus.

Es war noch heißer als erwartet, aber in einigen Minuten kamen wir schon an. Ein großer Schatten überdeckte die Höhle und dort unten schien es angenehm kühl zu sein. Zuerst entdeckten wir noch nichts, aber dann packten wir unsere Linsen aus. Ich hielt eine Box in der Hand, wo Kontaktlinsen drinnen waren.

Ich zog sie mir an und dann schaute ich erneut auf die Höhle. Ich konnte Umrisse von Menschen sehen, es waren sehr viele. Wie eine riesige Masse standen sie unten und unterhielten sich. Es schien auch so als ob einige auf etwas warten würden.

„Und? Was könnt ihr sehen?“, fragte Lumo gespannt.

„Es sind mindestens tausend von ihnen. Die meisten stehen in der Höhle und andere halten Wache. Wenn wir dort hinunter springen, wäre das unser Tod.“, erklärte Ryan.

Wir legten uns auf den Boden und streckten die Köpfe vorsichtig über den Rand.

„Was nun, Lumo?“, fragte ich.

„Wir müssen warten bis es dunkel ist.“

Wir seufzten.

Im Flugzeug klappte Lumo einige Betten herunter und stellte uns Essen aus einem Kühlschrank auf den aufklappbaren Tisch.

„Wir müssen uns stärken und ausruhen. Wir könnten die ganze Nacht dort unten sein, deswegen möchte ich auch später kein Gejammer hören, alles klar?“

Wir nickten.

Nach dem Essen legte ich mich ins Bett, versuchte zu schlafen, aber Lumo war noch wach und traf einige Vorsichtsmaßnahmen ein.

„Unser Schiff ist für einige Stunden unsichtbar, trotzdem habe ich ein Signal entfacht, das uns alarmiert, sobald ein fremdes Schiff sich dreihundert Meter weit nähert.“

Er legte sich ebenfalls hin und schlief ein. Ich konnte nicht schlafen, weil ich es nicht gewöhnt war, tagsüber einzuschlafen, jedoch hörte ich Lumo leicht schnarchen und Nova hatte sich zur Wand umgedreht. Ryan lag vor mir, aber er schlief nicht. Er hatte sich hingesetzt und den einen Fuß auf das Bett aufgesetzt. Den Kopf drückte er gegen die Wand und schloss manchmal die Augen.

„Kannst du nicht schlafen?“, flüsterte ich.

Er drehte den Kopf zu mir.

„Nein.“

„Ich auch nicht. Wir sind wohl zu gewöhnt in der Nacht zu schlafen, nicht am Tag.“

„Das wäre mein kleinstes Problem.“

„Was ist los?“, fragte ich besorgt und setzte mich neben ihn.

„Ich gebe mir irgendwie die Schuld daran, das Nik sein Gedächtnis verlor.“

„Aber Ryan, das ist nicht deine Schuld, wenn man am Gehirn operiert wird, bestehen nun mal solche Risiken.“

„Trotzdem. Wenn ich früher gekommen wäre, hätte sich der Tumor nicht noch mehr vergrößert und die Risiken wären gesunken.“

„Sie wären aber immer noch da gewesen. Du kannst Risiken vielleicht reduzieren, aber sie werden niemals verschwinden. Eigentlich gab ich mir die Schuld an Niks Schicksal. Wäre mir das mit dem Geschwür und dem Ceck früher eingefallen, dann hätte ich ihn noch retten können.“

„Vielleicht sind wir auch beide daran schuld.“, seufzte er.

„Sag mal, was interessiert dich so sehr an Niks Gesundheit, wieso gibst du dir daran die Schuld? Du mochtest ihn doch nicht besonders, es müsste dir eigentlich egal sein.“

Er drehte den Kopf von mir weg.

„Das hat seinen Grund.“

Ich legte meinen Kopf auf seine Schulter und seufzte verletzt.

„Ich möchte nicht dass du es mir sagst. Schon einmal begann ich den Fehler dich zu drängen und als du es mir zeigtest, hatte ich dich nur noch mehr verletzt und das möchte ich nicht ein weiteres Mal tun.“

„Zwischen uns hat sich aber nichts geändert.“

„Doch. Sehr viel sogar. Merkst du denn nicht Ryan, das du kaum noch lächelst? Als du in Desar einige Minuten für dich allein sein wolltest, wusste ich, das ich dich verletzt hatte und das verzieh ich mir nie.“

„Ach Lou, das hat doch rein gar nichts damit zu tun.“, entgegnete er mit ernster Stimme.

„Doch, das hat es. Du hast dich wieder verschlossen und bist ruhiger geworden. Ich vermisse dein Lächeln, Ryan. Es schmerzt mich einfach zu sehen, was ich dir angetan hatte und das will ich wieder gut machen.“

Ich stand auf und legte mich wieder hin.

„Ich werde versuchen noch ein wenig zu schlafen.“

Nach vielen Überlegungen und tiefen Gedanken schlief ich schließlich doch noch ein und dann wurde ich durch Lumos Geschrei geweckt.

„Alle aufstehen!“, rief er.

Als ich meine Augen öffnete und durch das Fenster im Cockpit sah, da die anderen mit Rollläden überdeckt waren, war es schon sehr dunkel.

Wir packten unsere ganzen Materialien ein, die wir brauchen könnten und zogen die Linsen an. Als wir ausstiegen, merkte ich den rasenden Temperaturunterschied. Es war wirklich kalt. Ich rieb an meinen Oberarmen und blickte Lumo an.

„Warte, ich gebe dir Stulpen.“

Er ging wieder ins Flugzeug und brachte mir schwarze Baumwollstulpen, die ich dann über die Arme zog.

„Danke.“

Wir kamen schließlich wieder an der Schlucht an und dieses Mal war keiner der Soldaten da, nur einige standen in der Höhle. Eine schwache Lampe brannte und es schien so, als würde der Rest schlafen.

„Unten ist alles frei. Ich sehe nur zwei Soldaten in der Höhle.“

„Folgt mir!“, rief er.

Wir liefen am Rand entlang und standen nun seitlich der Höhle. Wir hielten uns alle an Ryan fest und teleportierten uns hinunter. Nova gab uns ein Stück ihres Armbandes und als ich es anzog, schmiegte es sich eng an mein Gelenk.

„Schild ist aktiv.“, flüsterte sie.

Lumo schaute um die Ecke. Ein Gang ging weiter nach innen und bog an einer Ecke ab. Die zwei Soldaten mussten ausgeschaltet werden. Dann fragte jemand per Headset, ob alles in Ordnung wäre. Sie bestätigten. Das war unser Stichwort. Lumo nickte uns zu und rannte auf sie zu. Sie wollten mit ihren Gewehren auf ihn schießen, jedoch schlug Ryan sie von hinten ohnmächtig. Wir entfernten ihre Gewehre und zerstörten sie durch einen wuchtigen Schlag von Lumo. Der Gang wurde immer heller, durch hängende Gaslampen an den Wänden. Bald hörten wir schon Gelächter und Gläser klirren. Soldaten genossen anscheinend den Abend und Lumo schoss ständig Fotos. Durch eine eingebaute Kamera an seinen Kopftuch.

„Kommt! Wir gehen schlafen, bevor wir Ärger von der Herrin bekommen. Also steht auf, ihr besoffenen Soldaten.“, lachte einer laut. Dann verstummte das Gelächter und wir gingen den Gang weiter, bis wir in den Raum kamen, in denen sie aßen und tranken. Er war recht klein und es standen sechs große Tische mit Stühlen im Raum herum. Wir entdeckten fünf sichtbare Soldaten, die ihre Kopf auf den Tisch liegen hatten und völlig betrunken waren. Zwei lagen auf dem Boden und schliefen. Wir schlichen uns leise vorbei und folgten dem Gang weiter.

„Bis jetzt ist hier nichts Interessantes.“, flüsterte ich.

„Vorsicht, es könnte sein, das meine Schwester hier ist.“, warnte Nova uns.

Als wir an eine Gablung kamen, wählten wir die rechte Seite aus und kamen wieder an eine weitere Verzweigung. Man konnte geradeaus oder nach links gehen.

„Wenn wir ihre Herrin finden und vielleicht sogar eliminieren, dann würde hier völliges Chaos herrschen.“, plante Lumo.

„Aber hast du auch einen Plan wo wir sind?“, fragte ich.

„Nein, aber wir müssen uns eben einen Weg suchen.“

Nach vielen vergeblichen Versuchen landeten wir schließlich an einer dicken Metalltür. Sie war gut verriegelt, jedoch könnte sich Ryan auf die andere Seite teleportieren.

„Ich werde mich teleportieren.“

„Du weißt nicht was auf der anderen Seite ist.“, verbat ich ihm sein Vorhaben.

„Aber wie willst du sonst noch dort hinein kommen?“

„Mit diesem hübschen Entschlüssungsgenerator.“, antwortete Lumo und zeigte uns eine halbe schwarze Metallkugel. Am Fuß war ein Magnet und dann heftete er ihn genau auf dem Schloss an. Es drehte sich und da hörte man ein kleines Klicken.

„Sie ist offen.“

Die halbe Metallkugel löste sich vom Schloss und Lumo schmiss sie weg.

„Was tust du? So etwas ist wirklich nützlich.“, meckerte ich.

„Sie ist nur einmal verwendbar. Aber keine Sorge, von denen habe ich noch ein paar.“

Wir öffneten langsam die Tür und schauten um die Ecke. Ein kleiner Raum, indem auch ein Mann lag ohne Unsichtbarkeitsserum. Er hatte seine Füße auf den Tisch hochgelegt, die Hände zusammengefaltet und den Kopf zur Seite gedreht. Er schnarchte laut.

Wieder schlichen wir langsam an ihm vorbei und wollten gleich die nächste Tür öffnen, als wir merkten, dass jemand hinter uns stand. Noch bevor ich mich rechtzeitig umdrehte, schlug Ryan ihn ohnmächtig und legte ihn leise zu Boden. Meine Anspannung war groß. Schon allein die riesige Metalltür machte mir Angst. Hier musste sicher ihre Herrin sein und wenn es tatsächlich Terra war, dann würden sich Nova und ihre Schwester sicher bekriegen.

Die Tür quietschte beim Öffnen und es war etwas dunkel. Eine kleine Lampe in der hinteren rechten Ecke brannte. Ein großes Bett stand am hinteren Ende des Raumes, jedoch leer. Als wir eintraten, war es ein Schlafzimmer, zusammen mit einem Büro. Links stand noch ein Spiegel mit einem kleinen Tisch, rechts ein Schreibtisch mit vielen Büchern und Stapeln Papier. Wir schauten uns genau um, aber niemand war hier. Trotzdem hatte ich ein ungutes Gefühl dabei. Ein Zimmer, das gut abgesichert worden war, mit einer Wache, die leider schlief und dann ein personenloser Raum? Das kam mir ziemlich merkwürdig vor und ich schaute mich genauer um. Dann spürte ich ein Lebenszeichen hinter mir. Ich schaute hoch zur Decke und eine Frau mit silbernen Haaren, blauen Augen und blassem Gesicht, schaute auf uns hinab. Sie hing mit Armen und Beinen gehockt an der Decke. Dann wollte sie sich auf Nova stürzen, jedoch bemerkte ich ihr metallisches Armband und schleuderte sie mit meiner Magnetkraft gegen das Bett. Sie stand sofort wieder auf und blickte zu mir.

„Ah, du musst Lou sein. Benett berichtete mir von dir und wie sehr er dich in seiner Gewalt hätte. Du hast ihm seinen Wunsch gerade erfüllt. Schiffe sind schon längst unterwegs hierher.“

„Terra, wie kannst du nur Benett dienen!“, schrie Nova wütend.

„Er hatte mich gerettet. Deswegen diene ich ihm.“

„Und warum lebst du? Du solltest doch tot sein.“

„Tja, da sieht man mal, was für ein Dummkopf du gewesen bist. Du hattest überhaupt keine Ahnung warum ich damals unseren Vater umbringen wollte. Warum ich mich für Benett entschieden hatte. Er ist ein großzügiger Mann und es ist immer wieder erstaunlich, dass du einem alten, dummen Mann dienst.“

„Halt dein Maul!“, schrie sie und lief auf sie los. Nova wollte mit der Faust auf sie einschlagen, aber Terra blockte es mit einem langen Schwert ab. Schon beim ersten Anblick wusste ich, dass es besonders war. Es ist kein Metall, sonst könnte ich ihr Schwert zu mir ziehen. Aber was ist es dann? Anscheinend kann nicht einmal Nova das Schwert aufhalten.

„Unglaublich, dieses Material ist so kostbar wie Platin. Es nennt sich Gegon und ist unzerstörbar. Man kann einen unglaublichen Druck darauf ausüben und trotzdem hält es stabil. Jedoch ist es sehr empfindlich Feuer gegenüber.“, erklärte Lumo.

„Ist es so teuer?“

„Es ist ein Vermögen wert.“

Terra stieß ihre Schwester von sich weg und wollte an uns vorbei rennen, jedoch blieb sie vor mir stehen.

„Dich müsste ich mitnehmen!“, rief sie und packte meinen Arm. Ryan packte seine Lanze aus und schlug auf sie ein. Mit einem geschickten Zug, wehrte sie den Angriff mit ihrem Schwert ab. Ich aktivierte mein Magnetfeld und wieder flog die durch den Raum. Sie landete mit dem Oberkörper an der Wand und versuchte ein weiteres Mal zu mir zu dringen. Aber das Magnetfeld schützte mich. Dann geschah etwas Unglaubliches. Ihr Schwert verwandelte sich zu einer Silber glänzenden Maschinenpistole. Die zwei Kugeln landeten in meinem Bauch und ich prallte gegen die Wand. Blut floss an der Seite heraus und mein Magnetfeld löste sich. Wie konnte sie durch Novas Schild schießen?

„Lou!“, rief Ryan. Er kniete sich zu mir runter und schaute auf meine Wunde.

„Ich verstehe das nicht. Die Kugeln waren nicht magnetisch und ich kann mich nicht heilen, meine Fähigkeiten sind gehemmt.“, keuchte ich und drückte gegen die Blutung.

„Die Kugeln sind auch etwas ganz spezielles.“, lachte sie und kam auf mich zu.

„Ihr habt keine Chance. Sie wird sterben, wenn ihr sie hier nicht behandeln lässt. Bis nach Desar schafft ihr es nicht mehr. In fünf Minuten wird Benett eintreffen, dann kommt ihr einfach mit uns und Lous Blut wird ihr entnommen. Vielleicht dürft ihr sogar gehen.“, schlug sie vor und sie hatte damit leider vollkommen recht. Bis nach Desar zu fliegen wäre zu spät und Ryan würde uns alle drei nicht mitnehmen können, einer müsste dann zurückbleiben. Das möchte ich nicht zulassen. Die anderen sollen fliehen und ich werde mich schon selbst befreien können. Damals in der Zelle hatte ich keine Fähigkeiten und hatte es trotzdem geschafft zu entkommen. Wieso sollte ich es nicht wieder schaffen? Einer muss dem Professor und dem Lord berichten, dass sich hier Truppen befinden.

„Nur leider hast du etwas vergessen, Terra!“, meinte Lumo grinsend und tippte mit dem Finger auf sein Kopftuch. „Diese Bilder werde sofort an die Ordnungsbehörde geschickt und ich denke sie wird auch in fünf Minuten hier eintreffen. Mal sehen wer als erster ankommt.“

Terra biss sich auf die Zähne und blickte dann mich an. Mein Bauch schmerzte mir immer mehr und mehr. Das Blut floss weiter und ich wurde immer schwächer. Bald schon hatte ich einfach keine Kraft mehr die Wunde zuzudrücken, aber Ryan legte seine Hand auf meine.

„Tja, dann muss ich eben den Plan ein wenig ändern.“

Sie nahm eine handgroße plastikartige Halbkugel heraus und schmiss sie an die Decke. Sie piepste und blinkte rot.

„In einer Minuten stürzt die komplette Höhle ein.“, grinste sie, stieß Ryan weg und zielte mit der Pistole auf ihn. Sie nahm mich über die Schulter und schloss hinter sich die Tür. Ich hörte wie sie verzweifelt versuchten die Tür zu öffnen, aber sie rührte sich nicht.

„Ryan!“, schrie ich mit letzter Kraft und konnte mich nicht einmal auf ihrer Schulter wehren. Ein Soldat kam uns entgegen und ich wurde in andere Arme gelegt. Terra keuchte.

„Schnell, raus hier, die Höhle explodiert gleich.“, schrie sie.

Dann rannten sie weiter und einige Männer kamen mit ihr. Wieso teleportierte Ryan sich nicht? Die Tür müsste sie hemmen, genau wie meine Fähigkeiten. Terra musste uns in eine Falle gelockt haben. Er durfte nicht sterben, ohne seine Teleportation werden sie sterben. Wir kamen draußen an und ein riesiges Schiff flog über dem Graben. Eine Leiter wurde herunter gelassen und man packte mich am Handgelenk. Dadurch dass ich wie an einem Faden hang und mein Bauch getreckt war, riss die Wunde noch mehr auf und ich erlitt furchtbare Schmerzen. Oben wurde ich endlich auf eine Trage gelegt und ein alter Mann mit weißem Kittel versorgte mich. Dann ertönte ein riesiger Knall und ich wusste die Höhle war eingestürzt. Was war, wenn die anderen dort mitbegraben wurden? Ryan durfte nicht tot sein, ich weiß dass er schlau und stark ist. Aber wieso war er dann nicht hier?

Mir liefen schwere Tränen die Wange hinunter und ich spürte wie sie die Kugeln aus meinem Bauch entnahmen. Aber meine Kraft war viel zu schwach, als das ich mich hätte noch wehren können. Sie spritzten mir etwas in meine Adern und ich schlief langsam ein.

Benett hatte mich an der Leine. Ich wusste sie brachten mich wieder zu seinem Zentrum und würden mir mein Blut nehmen, um den Giganten zu wecken. Dennoch bin ich ihm schon einmal entkommen, aber nur durch Ryans Hilfe. Ich war nun allein und es gab niemanden der mich beschützen könnte.

 

Als ich aufwachte befand ich mich festgenagelt an ein Gerät. Meine Hand- und Fußgelenke waren durch ein spezielles Band befestigt, sogar mein Bauch und mein Hals. Ich konnte mich nicht bewegen und ich versuchte das Magnetfeld zu aktivieren, etwas blockierte es. Dann hörte ich ein höhnisches Lachen und Benett kam mit Olivia und drei Hilfsassistentinnen her. Er schaute mich an und sein boshaftes Grinsen ließ mein Körper erbeben.

„Endlich kann mein Gigant leben und Desar zur Hölle schicken. Der Lord muss mitsterben, sowie auch seine Gleichrassigen.“, verkündete er mir seinen Plan.

„Das wird dir nicht gelingen.“, schrie ich.

„Und wer will mich daran hindern?“, lachte er wieder und gab den Assistentinnen ein Handzeichen. Sie kamen mit zwei dünnen Schläuchen und an der Spitzte befand sich eine Nadel. Sie steckten sie mir einmal in den rechten und linken Arm. Dann floss das Blut die Röhren entlang und sie hefteten sie an zwei Glasbehälter mit abgemessenen Strichen darauf, wo das Blut hineinfließen sollte.

„Wir brauchen mindestens zwölf Liter Blut, falls du also kurz vorm sterben bist, werden wir dich entketten und du darfst dich zwei Tage lang ausruhen, danach wirst du wieder hier angeschlossen.“, erklärte mir Benett noch und ging mit Olivia um die Ecke zum Aufzug.

Ich blickte den riesigen Menschen an. Er schwamm reglos in dem Wasser herum und manchmal stiegen Blasen empor. Er muss auf irgendeine Art mein Blut spüren. Es dauerte fast zwei Stunden und auf dem jedem Behälter waren schon eineinhalb Liter Blut. Ich wurde immer schwächer und fühlte mich völlig ausgelaugt. Irgendwann spürte ich meine Beine nicht mehr und mir wurde furchtbar kalt.

Eine Assistentin sah mich ständig an, als würde sie sich um mich sorgen. Dauernd würgte ich und spürte wie meine Lippen taub wurden. Plötzlich kam sie zu mir und machte die Nadeln ab.

„Was tust du denn da?“, schrie eine andere.

„Sie wird sterben, wenn wir sie nicht ruhen lassen. Sie dir doch ihr Gesicht an. Wenn kein Blut mehr im Körper ist, dann wird auch Benett keine zwölf Liter mehr haben.“

Sie schaltete einen Hebel um und es öffneten sich die Verschlüssen. Ich fiel zu Boden und konnte nicht mehr genau fühlen ob er kalt oder warm war. Ich hatte keinen Tastsinn mehr. Die Frauen trugen mich auf eine Bahre und schleppten mich in meine einst gesessene Zelle. Damit ich meine Fähigkeiten nicht benutzen konnte, schaltete eine Blonde den Hebel um. Wenigstens lag ich auf einer weichen Matratze und sie schien mich ein wenig zu wärmen.

„Benett wird wütend sein.“, motzte sie.

„Wir haben doch schon drei Liter Blut von ihr.“

„Genau, das wird nicht reichen, er wollte ihr mindestens fünf heute entziehen. Wenn du nicht so barmherzig wärst, dann hätten wir jetzt mehr Blut.“, rief eine Rothaarige Frau, die ihren Zopf zu einem Knoten zusammen band.

Alle drei schauten die barmherzige Frau verärgert an und verschwanden mit ihr aus dem Gefängnis. Ich konnte mich einfach nicht mehr bewegen, tatsächlich spürte ich wie mein Körper kein Blut mehr hatte. Schließlich schlief ich ein und erwachte einige Stunden später durch ein lautes Geräusch. Erschrocken fuhr ich hoch und sah wie meine Haut wieder dunkler war. Mir ging es fiel besser. Dennoch schaute ich von wo dieses laute Geräusch herkam. Benett machte sich auf den Weg zu mir und ich legte mich wieder auf die Matratze. Den Kopf drehte ich zur Wand und tat so, als ob ich schlafen würde.

„Schläft sie noch?“, fragte er, bevor er zu mir hineinschaute.

„Ja, Sir.“, antwortete ein Soldat in Uniform.

„Drei Liter Blut ist viel zu wenig, gibt es den keinen Vorgang der dies beschleunigen könnte?“

„Selbstverständlich, Sir. Dadurch dass wir ihre Fähigkeiten blockierten, machten wir sie zu einem normalen Menschen. Jedoch wenn wir die Fähigkeiten ihr lassen würden, dann würde sich das Blut schneller aufbauen und könnten sogar das Dreifache bekommen.“

Benett fasste sich an sein stoppeliges Kinn.

„Nur müssen wir schauen, dass sie ihr Magnetfeld nicht eröffnet und müssen verhindern, dass sie zum Schnipsen kommt. Deswegen werden wir ihre Finger auch an Bändern anschließen und schon haben wir ein weiteres Problem gelöst.“

„Sollen wir Vorbereitungen treffen?“

„Ja, ich denke ihr geht es nun viel besser.“

Ich konnte hören, dass zwei verschwanden, aber einer blieb stehen.

„Du hast doch nicht wirklich geglaubt, das ich denke du schläfst, Lou.“, lachte er höhnisch.

Ich drehte mich zu ihm um und ging zum Zellengitter. Noch nie hatte ich Benett so nah gestanden um ihm tief in die Augen zu blicken. Ich hatte keine Furcht vor ihm, weil ich mir bewusst war, das er nie gegen mich siegen würde. Trotzdem erkannte ich in ihm den Hass gegen die Eaganer. Mich würde zu gern interessieren, was ihm widerfahren war. Man entwickelt nur richtigen Hass, wenn man Rache verspürt.

„Es ist wirklich Schade, dass du in die Hände eines alten Opas gefallen bist.“, lachte er spöttisch.

„Du weißt überhaupt nichts über den Professor!“, biss ich kräftig auf die Zähne.

„Aber du weißt eine Menge über ihn?“

„Mich interessieren die Eigenschaften und Vergangenheiten nicht so sehr, wie der Mensch selbst. Mein Interesse besteht bei Gefühlen und Vertrauen.“

„Da kommen mir ja die Tränen hoch.“, sagte er kaltherzig und verspottete mich zugleich.

„Du kannst ja nicht einmal weinen.“

„Weißt du, Gefühle sind der beste Schwachpunkt jemanden zu schwächen. Wer braucht denn schon Freude, Trauer und Schmerz, genauso wie Hass und Wut. Diese Dinge sind mir alle gleichgültig und deswegen wird es sehr schwer sein meinen Schwachpunkt zu finden.“

„Und du denkst wirklich du hättest keine? Jeder Mensch spürt etwas, auch jemand der so kaltherzig ist wie du. Ich weiß zwar nicht warum du so einen Hass gegen die Eaganer entwickelt hast und selbst das ist ein Gefühl.“

„Da könntest du Recht haben, jedoch lebe ich ja nur noch von Hass und Wut. Es bringt mich immer höher und deswegen bin ich auch an die Macht gekommen.“

„Du wirst nie an die Macht kommen! Das Volk wird sich gegen dich stellen und auch du hast im Moment nur Geld und mehr nicht. Die vierzehn Professoren werden dir auf die Schliche kommen und dich einsperren lassen für die Ewigkeit.“, schrie ich wütend und umfasste die Zellestäbe. Der abwehrende Strom sollte eigentlich verhindern die Stäbe zu berühren, aber ich war so wütend und deswegen schien es so, als würde er meine Hand umgehen.

„Nur leider wird das nichts nützen. Ich habe spezielle Profis an meiner Seite, die mich befreien werden und ich werde weiter die Eaganer vernichten und selbst mein…“, er stoppte und blickte dann auf den Boden.

Plötzlich kam er mir anders vor, er war traurig. Was schoss durch seinen Kopf, als er stoppte? Ich wusste dass er eine schwere Vergangenheit hatte oder auch nur einen Lebensabschnitt, den er am liebsten für immer vergessen wollte.

Jedoch blickte er wieder zu mir, setzte sein höhnisches Grinsen auf, strich eine abstehende Haarsträhne zurück und doch blieben seine Tränen im Auge zurück. Ich konnte es nicht glauben, das Benett so sehr gegen seine Trauer ankämpfen musste. In meinen Augen war er nur ein hinterlistiger, grauenhafter Gauner, der Hass auf die Eaganer hatte, aber doch sah ich sofort, dass ihm schlimmes Leid zugefügt worden war.

Er ballte eine Faust, drehte sich von mir weg und ging zum Aufzug. Er hatte bemerkt, wie schockiert ich war seine Tränen gesehen zu haben. Jetzt war er wütend und wusste dass ich ihn leiden sah. Aber genau das ist wahrscheinlich die Lösung. Wenn wir Benetts Akte vielleicht finden, dann könnten wir schauen, ob etwas über seine Vergangenheit darin stand. Jedoch wird er Profis angeheuert haben, um genau diese wichtigen Dinge aus der Datenbank zu löschen. Ich denke, genau das wird seine Schwachstelle sein. Hoffentlich käme ich hier bald raus, damit ich mit der Suche beginne.

Es dauerte wieder etliche Stunden bis zwei Assistentinnen kamen, mich aus der Zelle ließen, mir Handschellen anketteten, die meine Kräfte unterdrückten und mich wieder an das Gerät anbrachten. Doch dieses Mal konnte ich meine Fähigkeiten benutzen, aber es brachte mir trotzdem nichts. Ich spürte wie sie die Nadeln einfuhren, aber dickere. Schließlich floss das Blut wie eine Strömung aus mir heraus und lief in die Tanks. Schon nach einer Stunde waren jeweils rechts und links vier Liter drinnen und so langsam wurde ich ziemlich schwach. Ein normaler Mensch wäre daran gestorben, aber da meine Fähigkeiten nicht unterdrückt wurden, bildete sich in Sekundenschnelle neues Blut. Das rettete erstmals mein Leben, jedoch rückte die Auferstehung des Giganten immer näher. Meinen Kopf konnte ich nicht mehr aufrechterhalten und ließ ihn hängen. Wieder wurde mir eiskalt, meine Beine zitterten und wurden taub. Genau wie meine Arme. Ich betete ständig dass mich endlich jemand befreien käme, aber die Hoffnung war eher gering.

Schließlich hatte er fast zwölf Liter Blut von mir und ich versuchte mich mit letzter Kraft los zu reißen, aber vergeblich. Die Bänder waren zu fest und ließen mir kaum Bewegungsfreiheiten. Ich gab auf und starrte auf den Giganten der vor meiner Nase in der Flüssigkeit umherschwamm. Manchmal stiegen Blasen wieder aus seinem Mund und es schien sogar so, als würde es kurz zucken. Benett bekam schon wieder was er wollte. Wieso siegte er immer wieder? Es regte mich auf und machte mich wütend und dann hörte ich auch schon seine höhnische Stimme durch den Raum schallen.

„Ich sehe, es fehlen nur noch wenige Milliliter. Bald wird mein Gigant erwachen und mir meine Zerstörung bringen.“

„Sir, ich denke das wird sogar auch ausreichen.“, meinte Cooper.

„Heißt es nicht umso mehr, desto besser?“, grinste er und zwinkerte mir spöttisch zu.

Ich musste nachdenken. Mit meinen Fähigkeiten müsste ich doch etwas ausrichten können. Da schoss mir auch schon gleich eine Idee durch den Kopf. Eigentlich dringt die Nadel in meine Haut ein und es entsteht eine kleine Wunde. Wenn ich meine Heilfähigkeiten benutze, dann müsste es die Nadel aus der Haut stoßen.

Ich wartete den passenden Moment ab und als alle woanders hinschauten, benutzte ich meine Kräfte. Tatsächlich konnte ich die Nadeln aus meiner Haut stoßen und die Wunde verschließen. Sie baumelten am Tank hin und her und zuerst viel es keinem auf, das nichts mehr in den Tank floss, aber dann bemerkte es die blonde Assistentin.

„Hey, was machst du da?“, schrie sie mich an und wollte die Nadeln wieder in meinen Arm stechen. Doch ich versuchte mit aller Kraft mich von den Bändern loszureißen. Dann konnte ich ein Bein befreien und trat ihr mit Wucht in den Bauch. Sie krümmte sich vor Schmerz und glitt auf den Boden. Benett blickte mich mit seinem üblichen ernsten Blick an und wollte die Sache selbst in die Hand nehmen. Plötzlich gab es einen riesigen Knall im Gang, wo sich der Fahrstuhl befand. Dann tauchte Ryan hinter Benett auf und stieß ihn mit einem Ruck beiseite, worauf er auf den Boden fiel. Ryan befreite mich aus meinen Fesseln und dennoch konnte ich nicht stehen. Meine Beine waren taub. Ich stürzte fast wieder zu Boden, jedoch fing er mich auf. Er packte mich unter den Beinen und teleportierte sich zu den anderen vier, die in den Raum gelaufen kamen.

„Lou!“, riefen sie und ich lächelte ihnen erleichtert zu.

„Geht es dir gut?“, fragte Nova und streichelte über meinen Kopf.

„Abgesehen davon das mir das Blut zweimal ausgesaugt wurde und meine Beine taub sind, geht es mir gut.“

„Das wird wieder. Erstmals bringen wir dich hier heraus.“

„Schafft ihr es allein? Denn sonst teleportiere ich mich direkt zum Schiff.“, fragte Ryan, der alles daran setzte mich so schnell wie möglich von hier weg zu bringen.

Alle nickten und dann landete ich schon beim nächsten Wimpernschlag auf einer weichen Trage. Ryan lächelte mich erleichtert an und legte seine Stirn auf meine. Ich konnte in seine wundervollen Augen blicken.

„Hast du mir einen Schrecken eingejagt.“, seufzte er.

„Tut mir leid.“, lächelte ich.

Dann küsste er meine Stirn und setzte sich neben mich auf einen Sitz. Er hielt meine Hand fest und blickte zum Cockpit. Sein Blick suchte nach den anderen und geduldig wartete er ab. Ich hörte schon Geschreie und wieder einen lauten Knall. Ryan stand auf, drückte einen Schalter und der Rest spazierte in das Schiff hinein. Dann flogen wir sofort los.

Ich war ziemlich erleichterte das niemand vergessen worden war oder jemand geschnappt wurde. Trotzdem hatten sie das verfügbare Blut und konnten den Giganten erwecken. Jim kam auf mich zu.

„Das war ja mal ´ne aufregende Rettungsaktion, obwohl ich es schon gewöhnt bin dich dauernd zu retten, Lou.“, lachte er.

„Was heißt denn dauernd?“

„In Naga musste ich dich retten, dann…“, ich unterbrach ihn. „Wann war denn das passiert?“, kicherte ich. „Soweit ich mich erinnere, hatte ich dich suchen müssen, weißt du noch?“

Er verschränkte die Arme vor der Brust und zog ein langes Gesicht.

„Das war wohl hart, Jim!“, lachte Nova und schlug ihm auf die Schulter.

„Sehr witzig! Außerdem war es ja wohl deine Schuld, Lou. Schließlich tat ich mein Bestes um dich nicht aus den Augen zu verlieren, aber…“, wieder unterbrauch ich ihn. „Tja, dann musst du das nächste Mal dir eine Brille zulegen oder aufhören in die Luft Löcher zu starren.“, grinste ich frech.

Er grunzte beleidigt.

Als wir nach wenigen Minuten ankamen, spürte ich wieder meine Beine und Ryan stützte mich, indem ich meinen Arm um seinen Hals schlang.

Alles kribbelte noch, meine Kraft war ziemlich aufgebraucht und dennoch schaffte ich es hoch zum Professor, der mir bei meiner Ankunft einen weiteren besorgten Blick zuwarf.

„Oje, Lou, was machst du bloß immer? Du bist schon so oft gekidnappt oder verfolgt worden. Du bist ein richtiger Magnet für solche Sachen.“, seufzte er.

„Tut mir Leid, Professor, ich hoffe es passiert nicht wieder.“

In meinem Zimmer ruhte ich mich erstmals aus und wachte in der Nacht gegen zwei Uhr auf. Ich war hellwach und konnte einfach nicht mehr einschlafen. Schließlich stand ich auf, ging aus der Tür und lief in eine Küche, die weitere Stockwerke unter mir war. Ab sechsundzwanzig Uhr darf in diesem Gebäude nicht mehr gearbeitete werden und morgens um vier geht es dann wieder los. Deswegen musste ich mich selbst bedienen und schaute mich im glänzenden Saal um. Die Wände waren aus Glas, jedoch konnte man nicht hindurchsehen. Die Theke setzte man aus Plastik und Holz zusammen, das Besteck und die Küchenwerkzeuge, bis auf die Töpfe, bestanden auch aus Plastik. Das was auf dem Herd kam, wie zum Beispiel eine Pfanne, waren aus einem nicht magnetisierbaren Material hergestellt. Es fühlte sich rau an und war braun.

Ich öffnete einen Kühlschrank, durch Knopfdruck, der eine Breite von mindestens drei Metern hatte und sah das viele Essen. Einiges kannte ich überhaupt nicht, jedoch stellte ich am Geruch eine Ähnlichkeit fest mit den Lebensmitteln, die ich von früher kannte. Ich fand Bananen, Äpfel, Pfirsiche, Mandarinen und weitere Obstsorten. Sie mussten Samen der Pflanzen mitgenommen haben und auf Eos angepflanzt haben. Ich griff mir bekanntes Gemüse und Obst aus dem Kühlschrank und wusste dass es wahrscheinlich Diebstahl war. Zumindest war es nicht richtig sich ohne Erlaubnis Lebensmittel aus dem Kühlschrank zu nehmen. Dennoch knurrte mein Magen ohne Halt. Ich hatte schon lange nichts mehr gegessen, wahrscheinlich seit zwei Tagen nichts. Benett gab mir immer nur Wasser und geschmacklosen Brei, den ich zu Essen weigerte. Ich legte alles auf den Tisch und griff zuerst nach dem Apfel und biss genussvoll ab. Als mein Hunger dadurch noch angeregter wurde, begann ich schneller zu essen und war kaum zu stoppen. Doch dann hörte ich wie der Fahrstuhl sich betätigte und sich schließlich die Tür öffnete. Ich legte die halbgeschälte Mandarine beiseite und wartete gespannt ab. Was war wenn der Küchenchef früher anfing und mich beim Essen erwischte? Mein Herz raste und hielt mich angespannt am Stuhl fest. Ich hörte deutliche Schritte und neigte mich ein wenig zum Tisch, sodass er mich vielleicht übersah, da es dunkel war und nur ein Licht im anderen Raum brannte. Ich konnte einen deutlichen Schatten auf den Boden entdecken und drehte meinen Kopf zur Seite.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 19 – Alles was zählt ist die Liebe

 

 

Dann hörte ich ein bekanntes genervtes Seufzen.

„Ich hatte so schön geschlafen.“

Ich fuhr herum und schaute auf den Gang. Ryan stand neben einer Theke und stützte sich mit einem Arm ab. Er gähnte und kratzte sich an seinem nackten Oberkörper.

„Was machst du denn da?“, fragte er genervt.

„Ich esse? Und was machst du hier?“

„JC beauftragte mich dich aus der Küche zu holen.“

„Wieso kommt sie einfach nicht selbst?“, rief ich.

„Weil sie daheim in ihrer Wohnung schläft.“

Ich gab einen tiefen Seufzer von mir und schälte die Mandarine weiter.

„Morgen gibt es doch Frühstück, bitte Lou, ich bin hundemüde.“

„Ich kann aber nicht schlafen und ich habe Hunger.“

„Du bist so dickköpfig.“, brummte er.

„Tja, damit musst du klar kommen.“, grinste ich frech.

„Gut, iss aber schnell und sag JC nicht, das ich dich weiter habe futtern lassen. Solang du dann noch isst, werde ich mich neben dich setzen und aufpassen, das du nicht wieder an den Kühlschrank gehst.“

Er schnappte sich einen Stuhl und setzte sich träge hin. Dann ließ er seinen Kopf auf den Arm fallen und schloss die Augen. Als ich mir den Bauch mit Obst vollgeschlagen hatte, wollte ich Ryan aufwecken, jedoch schlief er tief und fest. Ich rüttelte ihn am Arm und rief nach ihm, aber er rührte sich nicht. Dann wollte ich am liebsten gehen, aber das wäre ziemlich gemein gewesen. Am Morgen hätten die Köche noch gedacht Ryan hätte alles gegessen und er bekäme die Schuld. Außerdem juckte mich die Frage, woher JC wusste, dass ich in der Küche war. Vielleicht sind hier Kameras installiert oder Bewegungsmelder, sobald jemand nach sechsundzwanzig Uhr die Kammer betritt. Ein Melder musste es JC gemeldet haben, aber wieso wusste sie dann ausgerechnet das ich es war? Ich versuchte ein weiteres Mal Ryan zu wecken, dennoch war er im Tiefschlaf. Schließlich schrie ich in sein Ohr und er wachte erschrocken auf.

„Schrei doch nicht so!“, nörgelte er.

„Du hast einen tiefen Schlaf, ich hatte keine Wahl, als dich anzuschreien.“

„Jetzt bin ich wahrscheinlich tauber als vorher.“

„Sei nicht so ein Miesepeter. Es wäre schlimmer gewesen, wenn ich dich hier unten allein gelassen hätte.“

„Das hättest du niemals getan.“

Ich griff nach seinem Arm und zog ihn vom Stuhl hinunter und er taumelte mit mir in den Aufzug.

„Glaub mir, ich hätte es getan.“, lachte ich.

Er schaute mich ungläubig an.

Als wir vor unseren Zimmertüren standen, warnte er mich noch. „Wehe du verlässt erneut das Zimmer, dann werde ich nicht mehr kommen.“

„Sei mir Recht.“, grinste ich.

„Gute Nacht!“, gähnte er und ging in sein Zimmer. Ich legte mich erneut wieder hin und mir ging es besser, da mein Magen gefüllt war.

Am nächsten Morgen zog ich mich um, duschte mich und aß anschließend mein Frühstück. JC erwischte mich auf dem Flur, als ich gerade zum Professor unterwegs war.

„Was hast du mitten in der Nacht in der Küche verloren?“, fragte sie mich ernst.

„Nun, ich hatte Hunger und konnte nicht schlafen, weil ich vielleicht seit fast drei Tagen nichts im Magen hatte.“

Sie schaute mich verblüfft an.

„Oh, das wusste ich nicht.“, entschuldigte sie sich.

„Nicht so schlimm.“

„Wohin gehst du nun?“, fragte sie und wechselte beschämt das Thema.

„Zum Professor, ich habe neue Informationen.“

Sie blickte mich überrascht an.

„Kann ich mit dir kommen?“

Ich winkte mit der Hand in die Richtung seines Büros und wir machten uns sofort auf den Weg. Ich klopfte an und öffnete die Tür, der Professor saß auf seinem Stuhl und bat uns Platz zu nehmen.

„Ah Lou, dir scheint es besser zu gehen.“, lächelte er.

„Ja. Professor, ich habe wichtige Neuigkeiten.“

Gespannt wartete er auf meine Nachricht.

„Als ich in der Zelle saß, kam Benett auf mich zu und wir unterhielten uns. Mich machte es immer noch wütend dass er nun den Giganten erwecken kann, aber das ist jetzt nicht von Bedeutung. Benett fing an darüber zu reden, dass es nichts nützte ihn einzusperren, da Profis ihn wieder befreien würden. Jedoch hielt er plötzlich inne und ich konnte in seinen Augen eine Träne entdecken.“

„Bist du dir sicher? Manchmal spielt das Licht dir einen Streich.“

„Ich bin mir hundert Prozent sicher, Professor.“

Er rieb an seinem Kinn und dachte nach.

„Was glaubst du hat das zu bedeuten?“, fragte er.

„Nun, ich denke Benett hatte eine Vergangenheit und er wird durch einen ewigen Hass geleitet. Etwas muss in seiner Vergangenheit passiert sein, das ihn änderte. Ich denke auch dass er eine Person damit meinte, als er inne hielt. Die einzige Möglichkeit das heraus zu finden, wäre Benetts Akte zu kennen.“

„Das wird aber schwierig werden, weil ich mir gut denken kann, das Benett diese Vergangenheit bereits vernichtete. Wenn er einen Hass auf die Eaganer hat, dann müssten sie es eigentlich am besten wissen. Ich denke mir nämlich, Benett ist sehr reich und mächtig, dadurch landet jede Rede oder Kleinigkeit von ihm in der Zeitung. Wenn wirklich damals etwas passiert worden war, dann müsste es in der Zeitung gelandet sein und wenn nicht, dann müssten es die Eaganer wissen.“

„Vielleicht hat er deswegen zuerst Naga angegriffen, weil einige Menschen von ihm wussten.“

„Das glaube ich eher weniger, ich denke mir eher, dass genau an diesem Ort das Geschehnis passierte. Er wollte Beweismaterial vernichten. Falls es Zeugen dort gegeben hätte, dann verschwiegen sie es sowieso, weil sie Angst um ihr Leben hätten. Benett würde jeden vernichten, der ein Gerücht über ihn verbreitete, besonders wenn es um seine Vergangenheit ginge.“

„Ich werde Alex, Nova und Valerie nach Desar schicken. Sie sollen mit Lumo darüber sprechen und gemeinsam Zeugen suchen. Gerade in Desar verstecken sich einige.“

„Aber was ist mit mir?“, fragte ich.

„Ich möchte dich erstmals einige Tage im Zentrum behalten.“

„Aber das ist nicht fair.“

„Lou, ich möchte dich nicht ein weiteres Mal aus den Augen verlieren.“

Ich stand beleidigt auf und ging aus dem Büro.

In meinem Zimmer schmollte ich erstmals über die Entscheidung des Professors, weil ich es nicht fair fand, mich im Zentrum zu lassen. Immerhin war ich diejenige die die Informationen beschaffte. Trotzdem wird er mich nicht ewig hier einsperren können, denn eines Tages, wenn es wirklich Krieg zwischen den Eaganern und den Menschen gäbe, dann bräuchten sie mich.

Als ich in meinen Gedanken versunken war, klopfte jemand an die Tür.

„Ja?“, rief ich und Nik trat ein.

„Ich wollte nicht stören, sondern mich nur verabschieden.“

Ich schaute ihn verblüfft an.

„Du willst was? Aber Nik, was gefällt dir denn hier nicht?“

„Tut mir Leid, Lou, auch was ich dir angetan hatte, weil wir anscheinend zusammen waren. Es würde nichts bringen dir etwas vorzumachen, weil ich keine Gefühle für dich empfinde, da ich mich nicht an dich erinnere. Vielleicht war es vorher so und der Tod meiner Eltern ist mir am wichtigsten. Ich werde mit den anderen zurück nach Naga fliegen, meine Eltern begraben und unser Haus neu aufbauen. Es tut mir wirklich furchtbar leid, aber ich muss irgendwann auch weiter gehen. Ewig hier zu bleiben wäre nichts für mich. Ich vermisse die Natur, meine Freunde und selbstverständlich mein Zuhause.“

Dann nahm er unsere gemeinsame Kette von seinem Hals und legte sie mir auf mein Nachtschränkchen. „Leb wohl, Lou und viel Glück noch.“

Er verließ das Zimmer. Ich war viel zu schockiert und konnte mich deshalb nicht verabschieden. Ich würde diesen Jungen nie wieder sehen, all die Erinnerungen wollte ich sofort vergessen, aber sie schossen mir alle in den Kopf. In meinen Augen stauten sich dicke Tränen. Der Abschied fiel mir schwer und als ich die Kette in die Hand nahm, tropften meine Tränen darauf. Ich musste mich beruhigen, da es keinen Sinn machte Nik noch länger hier zu behalten. Das Beste war ihn zu vergessen und nicht mehr zurückzublicken. Erinnerungen schmerzen, aber man muss lernen loszulassen und weiter nach vorne zu blicken. Jetzt verstand ich auch Niks damaligen Traum. Es passte alles. Er verlor sein Gedächtnis und vergaß mich. Ich denke eher, dass wir einfach nicht für einander bestimmt sind. Warum sollte Nik sonst so etwas träumen?

Ich zog meine Kette ebenfalls aus und legte beide in die Schublade, im Nachtschränkchen.

Dann stand ich auf und ging auf Ryans Zimmer zu. Noch nie zuvor hatte ich ein anderes Zimmer betreten, weil ich mich zuerst nicht traute. Vielleicht wollten sie ihre Ruhe oder einfach nicht gestört werden. Dennoch betraten sie auch mein Zimmer und deswegen wäre es gerecht, wenn ich sie auch besuchte.

Ich klopfte an und wurde hereingebeten.

Ich öffnete die Tür und das Zimmer hatte eine komplett andere Atmosphäre. Es war so, als spazierte ich durch das Weltall, an der Decke zogen Planten vorbei und viele winzige Sterne. Unter meinen Füßen zog ein Mond vorbei und eine Sonne schien mir ins Gesicht. Im Zimmer befanden sich auch die gleichen Gegenstände wie bei mir, ein Schrank, ein Tisch mit Stuhl, ein Nachtschränkchen und ein Bett.

Ryan schaute mich verblüfft an.

„Was tust du denn hier?“, fragte er.

„So eine nette Begrüßung hätte ich nicht erwartete.“, nörgelte ich.

Ich schloss hinter mir die Tür und war immer noch begeistert von seiner Atmosphäre. Wie die Planten am Himmel vorbeizogen und die Sterne in meinen Augen funkelten.

Ryan seufzte und stellte sich zu mir.

„Mal ehrlich, brauchst du etwas?“

Ich verschränkte beleidigt die Arme und drehte meinen Kopf weg.

„Ich mache mir die Mühe hierher zu kommen und das ist dein Dank? Aber wie du willst, ich besuche dich nie wieder.“

Als ich schon zur Tür unterwegs war, hielt Ryan mich trotzdem auf.

„Ok, war doch nicht so gemeint.“, entschuldigte er sich.

Ich grinste.

Dann setzte ich mich auf sein Bett und merkte dass er auf einer Matratze schlief. Schon lange hatte ich nicht mehr auf so Einer geschlafen. Sie war ziemlich weich und umso mehr Druck man auf ihr einbaute, umso mehr sank man. Es war eine Art Schaumstoff.

Er setzte sich zu mir und wartete gespannt auf meine Worte.

„Ich wollte dich eigentlich fragen, was passiert war, als ich entführt wurde aus der Höhle. Ich hatte wirklich gedacht ihr hättet es nicht überlebt.“

„Nun ja, wir wollten dich retten, beziehungsweise ich…“, verstummte er zum Schluss.

„Was meinst du?“

„Als Terra dich mitnahm, verschloss sie die Tür und ich konnte mich nicht auf die andere Seite teleportieren. Doch dann benutzte Lumo den Entschlüsselungsgenerator. Wir entkamen und ich teleportierte uns direkt heraus. Nach einigen Sekunden kamst du aus der Höhle und ich wollte dich befreien, aber Lumo hielt mich zurück.“

Ich war schockiert, das Lumo mich nicht befreien wollte.

„Ich weiß was du jetzt denkst, aber Lumo hatte absolut recht gehabt. Die Ordnungsbehörde war noch nicht einmal in Sichtweite und wenn ich dich befreit hätte, dann wärst du wahrscheinlich gestorben. Hätte Lumo mich nicht aufgehalten, wäre ich wahrscheinlich an deinem Tod schuld.“, seufzte er zum Schluss und drehte den Kopf von mir weg. Er schämte sich für seine Übereifrigkeit und doch hatte er es nur gut gemeint.

„Das kann jedem mal passieren. Außerdem war ja Lumo da und hatte dich zurückgehalten. Dir wäre es bestimmt auch klar gewesen, wenn du nicht so…“, er unterbrach mich. „…eifrig gewesen wäre?“ Er senkt enttäuscht den Kopf und seufzte.

Ich wollte etwas sagen, hielt jedoch die Luft an und musste ihm zustimmen.

„Ich bin doch auch eifrig. Zum Beispiel in Naga, da hatte ich mich auch verirrt.“

„War es nicht Jims Schuld?“

„Naja, hätte ich nicht so auf die Umgebung geachtete und besser auf Jim geschaut, dann wäre es nicht passiert.“

Er schüttelte den Kopf und ließ ihn hängen.

Es war wieder meine Schuld, dass er in sich zusammenfiel. Ich wollte ihn unbedingt aufmuntern und schaute hinter mich. Dann entdeckte ich das Kissen und schmiss es ihm gegen den Hinterkopf.
„Hey!“, rief er wütend, doch ich musste laut lachen.

Er griff nach dem zweiten Kissen und schlug es auf meinen Kopf, meine Haare waren aufgewühlt und ich erschrak. Aber dann fing Ryan an zu lachen und noch nie hatte ich ihn so wunderschön Lachen gehört.

Dann grinste ich und griff wieder nach meinem Kissen. Ich schlug ihm das Kissen gegen den Arm und dann fingen wir an uns gegenseitig zu bewerfen. Schon sehr lange hatte nicht mehr so viel Spaß wie jetzt. Das hatte mir einfach gefehlt und ließ mich wieder völlig erstrahlen. Wir rannten sogar durch das Zimmer, duckten uns, wenn ein Kissen geflogen kam und konnten einfach nicht mehr aufhören.

Als Ryan auf mich zukam, hielt ich das Kissen bereit. Ich schlug auf ihn ein, jedoch duckte er sich, griff nach meinen Beinen und legte mich über seine Schulter.

„Tja, jetzt kannst du wohl nichts mehr machen.“, lachte er.

„Das ist nicht fair.“, grinste ich.

Doch dann bemerkte er das Bett hinter sich nicht und kam aus dem Gleichgewicht. Er drohte zu fallen, drehte sich herum und ich fiel auf das Bett. Ich riss ihn mit und konnte ihm direkt in die Augen schauen. Ich spürte seinen Atem auf meinem Gesicht und bewunderte ihn. Mein Bauch kribbelte und ich wollte unbedingt seine Lippen wieder berühren. Da drückte er seine auf meine und ich wollte dass es nie endete. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, aber es erfüllte mich mit Begeisterung. Ich fühlte mich bei ihm geborgen, geschätzt und geliebt. Es war als konnte ich ihm alles anvertrauen, ihm alles sagen und erzählen, ohne Angst haben zu müssen, verlassen zu werden. Er war für mich wie ein Held, bester Freund und jemand mit dem ich mein Leben teilen wollte. Bei ihm vergaß ich Kummer und Schmerz und konnte glücklich sein.

Unsere Lippen lösten sich und er legte sich neben mich. Ich schob meinen Kopf auf seine Brust und umschlang seinen Bauch.

Er starrte zur Decke hoch und beobachtete die Sterne.

„Du wirst jetzt aber nicht wieder weggehen, oder?“

Er zog die Augenbrauen zusammen und umschlang meine Hüfte.

„Nie wieder!“, versprach er mir.

Ich küsste ihn glücklich auf die Wange und schloss die Augen. Am liebsten wäre ich eingeschlafen, weil ich mich wie im Paradies fühlte, ohne Sorgen. Ich wollte jeden einzelnen Augenblick genießen und für immer bei ihm bleiben. Trotzdem bedrückte ihn etwas.

„Was hast du?“, fragte ich besorgt.

„Ich habe schon lange nicht mehr so viel empfunden. Früher, als meine Eltern noch lebten, war ich auch sehr glücklich, aber ihr Tod hatte mich zu einem anderen Menschen gemacht.“

„Aber jetzt bist du doch wieder glücklich, oder?“

„Ja, aber du bist auch der einzige Mensch der mich glücklich macht.“

„Du wirst dich mit den anderen auch gut anfreunden, dann sind dir mehr Menschen wichtig.“, lächelte ich.

„Vielleicht.“

„Ryan, ich möchte dich ja nicht drängen, aber der Professor erzählte mir das deine Familie umkam und du dachtest es sei seine Schuld.“

„Ich verstehe. Mein Vater und meine Mutter waren gesuchte Verbrecher. Wir blieben meistens nicht länger als drei Tage in einer Stadt. Alles fing damit an als ich zwölf wurde. Wir hatten kein Geld und meine Mutter wollte mir unbedingt ein Geschenk geben, schon die letzten zwei Jahre lebten wir in Armut. Deswegen fing sie an zu stehlen und als sie merkte wie geschickt sie darin war, zog sie mich und meinen Vater damit hinein. Wir stahlen Geld und konnten so unsere Unterkünfte meistens bezahlen. Mein Vater lehrte mich zu verteidigen und zu kämpfen. Da ich noch ein Kind war, gewöhnte ich mich an das Weglaufen und Verstecken. Eines Nachts fanden wir unter einem Gebäude einen verkommenden Keller und versteckten uns dort, da die Polizei uns im Nacken war. Meine Eltern wollten alles daran setzen mich zu beschützen und ließen mich in einem Schrank zurück. Sie sagten sie kämen bald wieder, aber es dauerte eine Ewigkeit bis sie wiederkamen. Dadurch dass wir gesuchte Verbrecher waren, machten wir uns auch Feinde und mussten fast überall die Augen aufhalten. Als sie endlich heimkehrten, hatten sie wieder gestohlen, Essen. Mein Magen knurrte und ich aß alles auf. Durch unseren Hunger wurden wir unvorsichtig und merkten nicht dass uns eine Bande gefolgt war. Meine Eltern kämpften gegen sie und wollten mich angreifen. Ich rannte los und dann schubste mich jemand so heftig zur Seite, das ich mit dem Kopf gegen den Schrank stieß und bewusstlos wurde. Erst als ich aufwachte, sah ich, dass meine Eltern tot waren. Ich entdeckte dem Professor seine Leute, die vor ihnen standen. Bis heute glaubte ich daran das sie es waren, aber irgendwie bezweifle ich es auch.“

„Ryan, das wusste ich gar nicht. Es tut mir so leid.“

„Ist schon in Ordnung. Es ist lange her und ich muss lernen loszulassen.“

Wir blieben einige Minuten still und dabei schlief ich ein. Seit Tagen träumte ich auch wieder und selbst in meinen Träumen verspürte ich ein Bauchkribbeln. Ich befand mich einfach auf Wolke sieben.

Als ich erwachte, lag ich immer noch in Ryans Armen und er schlief. Ich befreite mich vorsichtig aus seiner Umarmung und schaute auf die Uhr. Wir hatten weitere fünf Stunden geschlafen. Ob mich in der Zwischenzeit jemand vermisste?

Er sah beim Schlafen wie ein kleiner Junge aus und ich schob seinen Pony zur Seite, da einige Strähnen in seinen Augen hangen. Dann beugte ich mich zu ihm und drückte meine Lippen auf seine Stirn. Ich verließ das Zimmer und kehrte in meines zurück.

Am Abend legte ich mich wieder hin und schlief ein.

Doch nur wenige Stunden später, gab es ein kurzes Erbeben und ich erwachte sofort. Schnell zog ich mich um und rannte hinaus.

Seltsam, niemand hatte es anscheinend bemerkt, außer mir. Vielleicht war es auch nur Einbildung, aber es fühlte sich so wirklich an. Jedenfalls drehte ich mich trotzdem wieder um und ging in mein Zimmer. Noch wartete ich einige Minuten und vielleicht käme ein zweites Erbeben. Es passierte jedoch nichts. Ich schüttelte den Kopf und es musste wirklich Einbildung gewesen sein. Dann legte ich mich wieder hin und konnte nicht schlafen, weil es mich völlig wach gerüttelt hatte. Ich zweifelte immer noch daran, dass es Halluzinationen waren, denn es war wirklich real. Plötzlich vibrierte wieder der Boden unter meinen Füßen. Ich wusste es! Es war keine Einbildung.

Schnell stieg ich aus dem Bett, rannte auf den Flur und stürmte in Ryans Zimmer hinein. Er wollte zuerst nicht reagieren, aber ich rüttelte ihn gleich wach.

„Was ist denn los, Lou? Soll das jetzt jede Nacht so gehen?“, nuschelte er.

„Nein, aber etwas bebt ständig in meinem Zimmer. Wirklich! Bitte komm schnell!“, rief ich panisch und zog ihn am Arm hoch. Er stand träge auf und folgte mir ins Zimmer. Dann setzten wir uns hin und wartete gespannt auf das nächste Beben. Ich musste versuchen Ryan wachzuhalten, damit er das Beben auch bemerkte. Schließlich vergingen schon zehn Minuten und es schien so, als hätte es aufgehört.

Ich hatte Angst davor, weil es mir so vorkam, als brach gleich etwas aus dem Boden. Ich würde nicht schlafen können, wenn ich nicht wusste, was dieses Beben auslöste. Ängstlich klammerte ich mich an Ryan, der ziemlich genervt war, das ich ihm schon wieder seine Schlaf raubte.

„Lou, du hast Einbildungen. Das war bestimmt nur die Aufregung.“, gähnte er.

„Aber was ist wenn dort unten etwas ist? Ich hab Angst in der Nacht überfallen zu werden. Der Professor soll mir bitte versichern, das dort unten nichts ist.“

„Das kann doch bis morgen warten. Der Professor und all die anderen schlafen doch schon.“

„Bleibst du bei mir?“, winselte ich.

Er seufzte und konnte einfach nicht nein sagen.

„Hauptsache ich kann schlafen.“

Ich schloss die Tür und legte mich zu ihm ins Bett. Er war sofort eingeschlafen. Trotzdem wartete ich das Beben ab, denn nur so kann Ryan es auch mitbekommen. Selbst nach einer halben Stunde hörte ich keinen Mucks. Vielleicht irrte ich mich doch und das musste wirklich an der Aufregung liegen. Dadurch das Ryan bei mir war, hatte ich keine Angst mehr und schlief wieder ein.

Am Morgen war ich schon früh auf den Beinen und ließ Ryan weiter schlafen. Ich besorgte mir ein Frühstück für uns zwei und kehrte zurück ins Zimmer. Als ich gegessen hatte, wollte ich sofort mit JC darüber reden und machte mich zum VHK-Raum auf. Dort traf ich auf PG.

„Morgen. Ist JC schon hier?“, grüßte ich sie.

„Ja, sie ist in der Kantine, sie müsste gleich kommen.“, antwortete PG mit vollgestopften Mund.

Ich setzte mich zu ihr und wartete ungeduldig ab. Es dauerte nicht lange bis sie hinein kam.

„JC, ich muss dir etwas erzählen.“

Sie war vorerst etwas verblüfft und stellte ihren Salatteller auf den Tisch.

„Was ist passiert?“

„Gestern Nacht hatte ich zweimal ein Beben bemerkt in meinem Zimmer.“

Plötzlich stand PG auf und jubelte.

„Ich bin nicht verrückt.“, schrie sie.

Erschrocken schauten wir beide sie an.

„Also, damit wollte ich nur sagen, dass ich Lou zustimme und mein gestriges Kopfzerbrechen ziemlich unnötig gewesen ist. Das Beben kam bei mir dreimal und zuerst dachte ich wirklich ich sei verrückt.“

„Ok, ich glaube das es kein Zufall war, das ihr beide dasselbe Beben nachts hörtet. Ich werde nach meinen Frühstück es dem Professor melden gehen.“

In den Raum kamen die restlichen VHKs durch die Tür und JC schloss sich ihnen an. Sie alberten ein wenig rum und aßen dabei alle ihr Frühstück.

„Sag mal Lou, wieso hattest du denn nur zwei Beben gehört?“, fragte PG mich.

Es muss passiert sein, als ich zu Ryan gerannt war. Indem Moment muss ein drittes Beben entstanden sein und ich bekam es nicht mit. Aber ich konnte PG doch nicht erzählen, das ich Angst hatte und Ryan bei mir übernachtete.

„Nun ich rannte kurz raus um mich zu beruhigen, deswegen, oder ich bekam das erste nicht mit.“, grinste ich verstellt.

„Stimmt, das könnte möglich sein.“

„Nun gut, ich werde dich dann nicht weiter stören, Guten Appetit PG.“

Ich lief wieder aus dem Raum hinaus und war sehr gespannt auf dem Professor seine Erklärung. Hoffentlich war nur etwas eingestürzt oder gegen die Wand gedonnert. Trotzdem wollte ich Ryan erzählen, das ich keine Einbildung hatte. Ich stürmte in mein Zimmer und er zog gerade sein Shirt an.

„Ich bin nicht verrückt.“, grinste ich rechthaberisch.

„Das weiß ich doch.“, lachte er.

„Nein, ich meinte, wegen gestern Nacht.“

„Du meinst, es gab tatsächlich ein Erdbeben?“

„PG hatte es auch gehört. JC wird mit dem Professor gleich darüber reden und dann wird die Sache endlich mal aufgeklärt. Ich hoffe nur, dass wir wieder kein Benett-Problem haben.“

„Nein, das glaube ich eher nicht. Benett würde hier niemals reinkommen, dafür ist er zu feige.“

„Denk daran, gestern hast du auch gedacht ich hätte mir alles nur eingebildet. Hoffentlich liegst du nicht wieder falsch.“

Ich liege nie zweimal falsch.“, prahlte er großspurig.

„Du bist vielleicht ein Angeber!“, rief ich.

Plötzlich stand er vor mir, lehnte einen Arm gegen den Türrahmen und grinste mich an.

„Vorsicht, junge Dame.“, lächelte er.

Ich musste wieder lachen. Er küsste mich und lief dann auf sein Zimmer zu.

„Was wirst du heute machen?“, rief ich ihm nach.

„Wahrscheinlich trainieren im GGE-Center. Wie immer.“, grinste er und ging in sein Zimmer hinein. Ich blickte alle Türen an und war fasziniert von unseren Symbolen. Ryans Zimmer war ganz rechts, links daneben Valeries und Jims. Rechts von mir waren Alex und Nova. Mich machte es auch neugierig, ob Nova vielleicht sogar etwas hörte. Also begab ich mich in das übernächste Zimmer und klopfte an.

Die Atmosphäre war ein Dschungel, an der Decke sah man ein Stück blauen Himmel und Bananenbäume. Der Boden war erdig und ich konnte leise Tiergeräusche hören.

„Guten Morgen, Nova.“, grüßte ich sie und sie lächelte mir zu.

„Morgen, Lou. Du bist so früh wach, alles in Ordnung?“

„Mir geht es gut. Ich bin hier um dich etwas zu fragen.“

„Schieß los, um was geht es?“, fragte sie gespannt.

„Hast du die Nacht ein Beben gespürt?“

„Nun ja, mein Schrank hatte ein wenig gewackelt, aber das war nur einmal und deswegen dachte ich mir nichts Böses dabei. Wieso? Ist es doch etwas Ernstes?“

„Nein, das heißt wir wissen es nicht, aber ich kann mir nichts denken, dass es gefährlich wäre.“, beruhigte ich sie.

Da kam Alex hinein und hatte anscheinend unser Gespräch mitbekommen.

„Ich komme zum richtigen Zeitpunkt, wie ich hörte.“, grinste er.

„Morgen Alex!“, grüßten wir ihn.

„Das Beben hörte ich auch und zwar gewaltig. Ich wollte die Sache am nächsten Morgen klären, deswegen bin ich auch nicht hinaus gerannt. Aber anscheinend hatte nicht nur ich dieses Beben verspürt.“, erzählte er.

„PG hörte es auch.“

„Stimmt, das passt. Der VHK-Schlafsaal ist direkt neben deinem Zimmer, Lou.“, meinte Nova.

„Hoffen wir mal, dass der Professor nichts Böses findet. Ich habe keine Lust mehr durch Beben geweckt zu werden und mich in ein weiteres Abenteuer zu stürzen. Der Professor hatte eine gute Entscheidung getroffen mich hier zu lassen.“

„Stimmt ja. Heute müssen wir nach Desar, Alex. Jim kommt doch mit, er hatte sich durchgesetzt, da sie ihn ständig hier lassen.“, erinnerte Nova Alex daran.

„Gut, es ist besser zu viert zu sein, dann können wir uns auch in Gruppen aufteilen.“

„Dann werde ich mal gehen und wenn ihr zurück seid, erzähle ich euch was passiert ist.“

„Wir wollen keine schlechte Nachrichten hören, Lou, klar?“, lachte Alex und begab sich wieder in sein Zimmer, um sich fertig zu machen.

„Dann werde ich dich auch mal fertig machen lassen, Nova. Viel Glück bei der Mission.“

„Danke.“, lächelte sie und ich kehrte in mein Zimmer zurück. Teilweise fand ich es gut dass der Professor mich nicht mitließ, da ich wirklich in den letzten Wochen nur unterwegs war. Es gönnte mir Ruhe und doch hatte ich immer noch das Erdbebenproblem. Sogar zu Hause wurden meine Probleme nicht weniger.

Eine halbe Stunde später tauchte JC auf und bat mich zum Professor zu kommen. Jetzt wird er mir bestimmt eine Erklärung geben für das Erdbeben. Hoffentlich war es nichts Ernstes.

Ich betrat sein Büro und er schrieb gerade etwas auf Papier.

„Sie wollten mich sprechen?“, fragte ich.

„Oh ja, bitte, setz dich.“

Als er den Zettel weggelegt hatte, nahm er tief Luft und erklärte mir die Situation. „Nun, du brauchst keine Angst zu haben, denn fünfzehn Stockwerke unter dir, arbeiten Leute an der Hauswand. Einiges war unstabil und musste deswegen neu gemacht werden. Sobald die Arbeiten in weniger als zwei Tagen abgeschlossen ist, wird es sich wieder beruhigt haben.“

„Wenn sie das sagen, Professor.“

Ich stand auf und wollte gehen, aber Elius hielt mich noch auf.

„Ach und bitte sei nicht allzu sauer auf mich, das ich doch habe nicht nach Desar fahren lassen. Glaub mir, ich denke eine Pause würde dir gut tun.“

Ich nickte und verließ ihn. Elius war zu unvorsichtig. Es konnte nicht sein, das mein ganzes Zimmer vibrierte, wenn fünfzehn Stöcke unter mir gearbeitet wurde. Was würde dann mit denen sein, die unter mir arbeiteten? Durch so ein Beben würde dann ja die Decke einstürzen. Ich denke der Professor nahm das Ganze nicht ernst und deswegen blieb mir nichts anderes übrig, als der Sache selbst auf den Grund zu gehen.

Ein Stockwerk unten, gab es einen Flur und an der Wand wollte ich sehen, ob es vielleicht Rissspuren gab oder einen Hohlraum. Also stieg ich in den Fahrstuhl und fuhr ein Stockwerk tiefer. Niemand war zu sehe, drückte mein Ohr gegen die Wand und klopfte. Tatsächlich war die Wand hohl. Ich klopfte fester und es wurde immer deutlicher. Dann untersuchte ich alles und suchte nach Rissspuren, die durch das gestrige Beben vielleicht entstanden sind, aber vergeblich. Die Wand war sauber und unversehrt. Als ich an einer verdächtigen Stelle mich an sie lehnte, viel ich durch die Wand und prallte mit dem Kopf gegen das nächste Hindernis. Die getarnte Klappe fiel zu. Es war stockdunkel und sah überhaupt nichts und versuchte wieder auf die andere Seite zu kommen. Dann klopfte ich wild dagegen, aber keiner war in der Nähe. Ich lehnte mich gegen die Wand und musste schauen wie ich hier heraus käme. Jedoch entschloss ich mich die Gegend abzutasten und schob den Fuß immer ein wenig vor mich. Gegenüber von der Klappe war eine weitere Wand und links auch. Also tastete ich mich nach rechts und nach einigen Minuten rutschte mein Fuß einen Abgrund hinunter.

„Ah!“, erschrak ich und es schallte ein wenig. Der Boden war aus Holz und das machte mich noch ängstlicher. Wer weiß wie weit es dort hinunter ginge und wie stabil der Boden wohl war. Ich rutschte ein wenig zurück und musste erst mal ruhiger werden. Ich schaute ob es vielleicht einen anderen Weg gäbe, aber dort war nur ein Abgrund. Dann wühlte ich in meiner kleinen Tasche herum und suchte ein Feuerzeug, fand aber keines. In meiner Hand hielt ich nur einen Plastikdeckel, ein Tuch und zwei Verbände. Nichts nützliches, aber ich kam auf die Idee den Deckel hinunter fallen zu lassen, um zu schauen wie weit er fiel. Ich zählte die Sekunden. Bei der sechsten prallte er auf. Das müssten viele Meter sein. Völlig hoffnungslos setzte ich mich zur Klappe zurück. Im Gang war kein Mensch und ewig zu klopfen, brachte auch nichts.

Ich saß wahrscheinlich einige Stunden schon im Dunkeln und dann geschah etwas Außergewöhnliches. In der Finsternis erkannte ich Umrisse. Ich sah den Abgrund und auf der gegenüberliegenden Seite verlief der Weg weiter. Man konnte nach rechts oder links gehen, der Abstand war ungefähr eineinhalb Meter. Also lief ich zurück um Anlauf nehmen zu können und rannte los. Es war ein Klacks über die Schlucht zu springen und stieß mich an der Wand ab. Jedoch wohin sollte ich weiter gehen? Vorsichtig schlich ich nach links und es ging wirklich sehr weit hinunter. Irgendwann war ein Stockwerk unter mir eine Brücke. Ich sprang hinunter und ich merkte dass ich nicht alleine war. Wieso sollten sonst diese Wege gebaut werden und vor allem wozu? Ich lief in einen kleinen Gang hinein, wo ich dann Geräusche und Stimmen hörte.

„…das kann nicht sein.“, brüllte eine bekannte Jungenstimme.

„Ich schwöre es Ihnen, sie ist im ganzen Zentrum nicht zu finden. Zuletzt meinte ein Angestellter sie gesehen zu haben wie sie ein Stockwerk tiefer fuhr. Dann hatte sie niemand mehr gesehen.“, erklärte ein anderer Mann ihm beruhigend.

Jetzt fiel es mir wieder ein, das muss Ryan sein, da bin ich mir absolut sicher. Ich hämmerte gegen die Wand und schrie nach seinem Namen.

„Lou?“, bemerkte er meine dämpfende Stimme.

„Ryan! Hilf mir! Ich bin hier drinnen!“, schrie ich so laut ich konnte.

Er hämmerte gegen die Stelle an der ich war. Dann merkte ich wie er neben mir war und ich seine Nähe spürte.

„Ryan!“, rief ich erleichtert und stürzte mich auf ihn.

„Was machst du hier?“, fragte er besorgt.

„Ich wollte nicht schon wieder etwas anstellen, ich bin durch eine Klappe gefallen und kam nicht mehr heraus. Dann irrte ich in den Wänden herum, wo ich wieder Recht hatte, etwas stimmt hier nicht. Deswegen ging ich auf Wegen und sprang auf Brücken hinunter. Dort vorne ist ein Abgrund und er geht sehr weit runter.“

„Wie konntest du dich hier so gut durchtasten?“

„Es mag Merkwürdig klingen, aber ich kann im Dunkeln sehen, zumindest sehe ich die Umrisse sehr gut. Siehst du, ich weiß wo deine Hand ist.“, erklärte ich und griff nach ihr.

„Lou!“, rief er dann erschrocken.

„Was hast du?“

„Deine Augen…“, stammelte er. „Sie leuchten und deine Iris ist weiß. Du musst sofort hier heraus, ich teleportiere uns direkt zum Professor.“

Er griff mein Handgelenk und wir landeten sofort beim Professor im Büro.

„Ich hab sie gefunden!“, rief er und Elius schaute erschrocken auf.

Doch dann brannten meine Augen wie Feuer. Wie ein Stechen schmerzten sie und ich verdeckte sie sofort mit meinen Händen.

„Meine Augen!“, schrie ich.

„Was hast du?“, fragte Ryan panisch und kniete sich zu mir hinunter.

„Lass es, Ryan!“, rief der Professor und kramte in einem Kühlschrank herum. Er kam mit einer Sprühflasche zu mir.

„Ganz ruhig, Lou. Öffne deine Augen bitte, ich muss dir etwas in die Augen spritzen und dann kannst du wieder sehen, versprochen.“

Ich hielt sie so gut es ging geöffnet und versuchte den Schmerz zu unterdrücken. Doch schon bespritzte er meine Augen. Jedoch konnte ich nichts sehen, alles war zu verstrahlt. Es war so, als würde eine Lampe in meine Augen gehalten werden.

Ryan und der Professor schauten mich an.

„Was ist mir ihr?“, fragte Ryan schockiert und nahm meine Hand.

„Das liegt nicht an ihr, sondern es ist meine Schuld. Jeder von euch hat eine weitere Fähigkeit, wobei ich bei dieser dachte, sie käme nie zum Einsatz. Wenn Lou eine lange Zeit im Dunkeln ist, verwandeln sich ihre Augen in sogenannte „Leuchten“.“, erklärte er.

„Sie kann im Dunkeln sehen und das ziemlich gut wie sie bemerkt haben muss. Es war gedacht, falls ihr wirklich in eine Situation kommt, wo ihr in Dunkelheit eingesperrt werdet. Man müsste mindestens zwei Stunden nur Dunkelheit sehen können und dann werden sich die Augen verwandeln. Es war wirklich ein Fehler sie euch zu geben. Es tut mir so leid.“

„Wird es wieder weggehen?“

„Natürlich. Durch das Spray habt ihr keine Schmerzen mehr und es vergeht schneller. In einer halben Stunde müsstest du wieder sehen können. Ryan wird dich in dein Zimmer begleiten.“

Wir verabschiedeten uns und ich klammerte mich an Ryans Arm. Ich konnte wirklich nur schwer etwas erkennen, durch das helle Licht. Trotzdem merkte ich das Leute an mir vorbei gingen und mich schockiert ansahen. Ich drückte meine Augen gegen Ryans Arm und schloss sie.

„Was hast du?“

„Sie starren mich alle an.“

„Ach nein, das bildest du dir nur ein.“, log er und wollte mich damit nur beruhigen.

„Selbst wenn ich versuche mich auszuruhen, bringe ich selbst im Zentrum nur Ärger. Vielleicht sollte ich einfach eingesperrt in meinem Zimmer bleiben und nur wenn ich Hunger habe, etwas Essen gehen.“

„Dann wärst du aber ziemlich einsam und dir wäre langweilig.“, lachte er.

„Du würdest nicht zu mir kommen?“

„Natürlich.“

„Siehst du, dann bin ich doch gar nicht einsam.“, grinste ich.

„Stimmt.“

Bald schon betraten wir mein Zimmer und ich konnte Umrisse der Berge sehen und meines Bettes. Vorsichtig führte er mich zu ihm und ich setzte mich.

„Wird es besser?“, fragte er.

„Ja, ich kann schon Umrisse entdecken.“

Kurz herrschte Stille. Ryan stand auf, ich dachte er würde gehen und hielt ihn am Arm fest.

„Bitte geh nicht!“, bat ich ihn.

„Ich wollte nur die Tür schließen.“, beschwichtigte er mich.

Er schloss die Tür und schmiegte sich wieder an mich. Ich schaute ihn an und konnte schon fast wieder sein Gesicht erkennen. Vorsichtig fasste ich an seine Wange und lächelte.

„Ich kann dich schon fast sehen.“

„Siehst du, geht wohl doch schneller vorbei als der Professor meinte.“

Mich beruhigten seine Worte und ich vergaß zuerst was passierte. Trotzdem musste ich Ryan darüber berichten, das ich spürte dort nicht allein gewesen zu sein. Manchmal hörte ich auch ein Schleifen oder ein Knistern des Holzes. Da muss jemand anderes ganz bestimmt noch gewesen sein.

„Ryan in dieser Wand war ich nichts allein.“, erzählte ich.

„Wen hast du noch gesehen?“

„Niemanden, aber ich hatte so ein Gefühl und hörte manchmal Geräusche die jemand verursachte. Ich weiß, ich brauche Beweise und sollte mich nicht immer auf Gefühle verlassen, aber keiner baut in einer Wand Wege und Gänge. Außerdem hattest du mir auch nicht geglaubt, als das Erbeben in der Nacht geschah und wieder hatte ich Recht behalten. Ich bin mir auch absolut sicher, dass dieser Hohlraum etwas damit zu tun hatte. Vielleicht war etwas eingestürzt und das löste das Beben aus.“

„Aber was sollte es bringen einen Hohlraum zwischen Wänden zu errichten?“, fragte er.

„Nun, du kannst von Stockwerk zu Stockwerk springen ohne bemerkt zu werden und wenn ich richtig denke, dann gibt es diese Klappen in jeder Etage.“

„Dann muss es jemand sein, der dem Zentrum etwas antun möchte. Außerdem müssen die Hohlräume schon eine Ewigkeit dort sein. Um so etwas zu erbauen, erfordert Zeit, Baummaterial und…“, er stoppte.

„Und…?“

„Da stimmt etwas nicht.“

„Was meinst du?“

„Wenn man einen Hohlraum erschafft und trotzdem unbemerkt bleiben möchte, kann man nur in der Nacht bauen. Das heißt, wenn die Angestellten verschwinden und jeder schläft. Trotzdem wäre es unmöglich, so leise zu bauen, dass es niemand merkte. Ich denke es gibt jemanden unter uns, der denjenigen deckt und Ausreden ihm auftischt.“

„Willst du damit sagen den Leuten werden Lügen erzählt?“, fragte ich und so langsam verstand ich was er mir damit sagen wollte.

„Erinnerst du dich noch was der Professor zu dir sagte?“

„Er meinte einige Stöcke unter uns würde an einer Wand gearbeitet werden und deswegen das Beben entstanden sein muss.“

„Leider ist dort nichts und ab sechsundzwanzig Uhr darf nicht mehr gearbeitet werden.“, fügte er hinzu.

„Also hat uns der Professor belogen und macht geheime Sachen von denen wir nichts wissen.“

Ich musste kurz Luft holen, weil es mich ein wenig schockierte, dass Elius derjenige ist der das veranlasst hatte. Wieso sollte er einen Hohlraum zwischen den Wänden errichtet haben? Wenn wir ihn fragen würden, wäre er dann sauer oder würde uns nur weiter belügen?

„Was machen wir jetzt? Sollen wir selber nachschauen oder fragen wir den Professor?“

„Auf keinen Fall! Elius würde uns nur weiter belügen und uns vielleicht sogar unter Quarantäne stellen. Ich denke wir gehen der Sache selbst auf den Grund. Wenn deine Augen wieder klar sind, schnappen wir uns eine Taschenlampe und ein Seil.“, schlug er vor.

„Würde der Professor so weit gehen?“

„Wenn ihm sein geheimes Projekt wichtig ist, dann schon.“

Durch diese unverhoffte Sache wurde ich ein wenig misstrauisch. Was war wenn ich tatsächlich den Professor nicht kannte, so wie Benett mir sagte. Vielleicht hatte ich zu viel Vertrauen in ihn gesetzt.

 

 

 

 

 

Kapitel 20 – Die erste Niederlage Benetts

 

 

Wir warteten bis meine Sehkraft wieder neutral war und schnappten uns unsere Ausrüstung. Dann teleportierten wir und zurück in den Hohlraum. Es war wieder dunkel, aber sogleich machte Ryan die Lampe an. Er leuchtete in alle Richtungen und der Raum war zwar eng, aber dafür sehr lang. Unten gab es weitere Wege und Gänge und wir schauten überall nach. Als wir schon mindestens dreißig Stockwerke hinunter gesprungen waren, wollte ich schon aufgeben.

„Ich denke das bringt doch nichts. Wir sind jetzt schon ein gutes Stück nach unten gelaufen und sehen immer nur das Gleiche. Vielleicht wurde nur eine zusätzliche Wand eingebaut und die Wände dienen als doppelten Schutz.“

„Möglich.“

Doch dann hörten wir ein deutliches Niesen. Ryan stellte sich vor mich und versuchte dem Geräusch nach zu gehen. Wir teleportierten uns zu der ungefähren Stelle und landeten vor einem Gang. Darin war ein zerlumpter Eaganer, krank und ziemlich schwach.

„Was ist passiert?“, fragte ich ihn vorsichtig.

„Bitte, geht weg!“, rief er. Dann hörte ich ein leises Winseln, drehte mich um und ging über die Brücke in den nächsten kleinen Gang. Eine Eaganerin und ein Kind saßen ebenfalls geschwächt in der Ecke. Das Mädchen hatte furchtbare Angst und umklammerte die Frau. Ich konnte Narben und Wunden erkennen, als wurden sie gefoltert oder missbraucht. Dann riss ich meine Kugel von der Kette ab und schmiss sie hinunter zum Boden. Ich sprang hinunter und stieß mich kurz vor dem Boden noch ab. Überall hörte ich Wehklagen, Winseln, Gemurmel und hustende Leute. Ich leuchtete in jeden Gang hinein und überall saßen junge und alte, geschwächte und verletzte, sowie kranke und gesunde Eaganer. Ich war völlig sprachlos. Was war mit diesen armen Geschöpfen passiert? Der Professor wird sie doch nicht…missbraucht haben, oder? Ich schluckte und wandte mich an eine Frau, die mich verblüfft ansah. Ein kleiner Junge versteckte sich hinter ihr und ich ging langsam auf sie zu.

„Bitte ich möchte euch nichts tun, aber sagt mir was passiert ist.“, sprach ich beruhigend auf die lumpige Frau ein.

„Wer seid ihr?“, fragte sie und zeigte zuerst keine Furcht.

„Mein Name ist Lou und wer seid ihr?“

„Nun, ich helfe den kranken und geschwächten Eaganern. Sie alle sind einem furchtbaren Missbrauch zum Opfer gefallen. Viele sind körperlich und geistig verletzt worden. Manche sind so verstört, das sie sich nur an die schlimmen Geschehnisse erinnern und überhaupt nicht ansprechbar sind.“

„Das ist furchtbar! Wer hat euch so etwas angetan?“, fragte ich wütend und hatte den Professor in Gedanken.

„Ihr dürft nichts Falsches denken. Sein Name war Benett. Wir sind hier in Sicherheit, jedoch müssen wir schauen, das einige Überleben. Jede Woche fliegt ein Flugzeug ab, das einige nach Desar bringt, in ihre Heimat.“

„Aber was hat der Professor damit zu tun?“, fragte ich.

„Er hat den Flüchtlingen einen Zufluchtsort gegeben von dem niemand etwas weiß. Aber, wie seit ihr hinein gekommen?“

„Durch eine Klappe. Wozu dient sie eigentlich?“

„Jemand stellt uns immer Essen hinein, damit wir nicht verhungern mussten. Wenn wir in ein Krankenhaus kämen oder woanders hin, tötete Benett uns, damit wir nicht zur Ordnungsbehörde gehen konnten.“

Ich schluckte und war erstmals völlig schockiert von den Armen Eaganern. Wie kann man nur so kaltblutig sein, nur um seinen Rachedurst ein wenig zu stillen. Das ist viel schlimmer, als sie es mir erzählte. Ich musste versuchen die Eaganer nicht anzusehen, denn sonst würde ich in Tränen ausbrechen. Als ich in meiner Zelle saß, musste ich manchmal mit ansehen, wie sie mit ihnen umgingen. Sie schliffen sie auf dem Boden, wie ein Müllsack und peitschten sie noch aus, bevor sie in die Zellen kamen. Es brach mir das Herz, dies mit anzusehen und musste sogar ihre Schreie mitanhören.

„Ist das euer Sohn?“, fragte ich sie und der kleine Junge wagte einen Blick zu mir.

„Ja, er ist noch schlimmer betroffen als ich. Es war einfach nur grauenhaft. Gerade die meisten Kinder sind jetzt schon völlig verängstigt und keine gesunden Eaganer mehr. Ihr Verstand ist nicht mehr der, der er einst war.“

„Wo ist euer Mann?“, fragte ich.

„Er ist in Desar und sucht uns schon seit einigen Jahren. Wir konnten durch einen Zwischenfall bei Benett flüchten. Einige jedoch wurden wieder gefangen genommen, aber ich schaffte zu entkommen mit einigen anderen. Ein anderer Flüchtling erzählte, durch einen Kanal käme man in diesen Zufluchtsort. Also liefen viele Flüchtlinge ihm nach und landeten hier. Es war ein Segen, das wir endlich in Sicherheit waren.“

„Möchtet ihr nicht wieder zu eurem Mann zurück?“

„Ich hatte seit zwei Jahren nichts mehr von ihm gehört, vielleicht gab er uns schon längst auf und hat vielleicht eine neue Familie.“

„Das glaube ich nicht. Wie hattet ihr erfahren das er nach euch suchte?“

„Durch einen Brief, den mir ein Doppelagent von Benett in die Hand gab. Er arbeitete eigentlich für einen der Professoren und spionierte Benett aus. Danach hörte ich nichts mehr von ihm.“

„Ich könnte vielleicht in Desar nachfragen, ob euer Mann noch lebt oder noch nach euch sucht. Wie ist denn sein Name?“

„Lumo.“

Ich war völlig schockiert. Sie war die Frau von Lumo? Vielleicht gab es noch jemanden mit diesem Namen, aber das konnte ich mir nicht vorstellen.

„Wisst ihr ob er für die Ordnungsbehörde arbeitet?“

„Ja, das tut er. Er ist auch gut dem Lord befreundet. Wieso? Kennt Ihr ihn etwa?“

„Ich hatte mit ihm zusammengearbeitet.“

Sie griff nach meinem Armen und schaute mich mit Tränengefüllten Augen an.

„Wie geht es ihm? Was hat er euch über uns erzählt? Hat er uns vielleicht sogar vergessen?“

„Ihm geht es recht gut, aber er hat uns nie etwas über euch erzählt. Er war dabei, als wir in Benetts Zentrum eindringen wollten und vielleicht hatte er versucht euch zu befreien. Ich denke er wollte es geheim halten.“

„Dann lebt er noch. Eos sei gepriesen. Habt Dank! Morgen werde ich mit meinem Sohn nach Desar fliegen und ihn suchen.“, lächelte sie und war völlig erleichtert, dass sie mich traf. Vielleicht wäre sie für noch längere Zeit hiergeblieben, wenn ich ihr nichts über Lumo erzählt hätte.

„Ryan!“, rief ich und er tauchte gleich neben mir auf. Die Eaganerin erschrak ein wenig und drückte ihren Sohn hinter sich.

„Wer ist diese Frau?“, fragte er.

„Lumos Frau.“

Ryan kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Er konnte es genauso wenig fassen wie ich, das Lumo verheiratete war und ein Kind hatte, das schon mehrere Jahre in den Klauen von Benett gefangen war.

„Ich möchte sie persönlich zu ihm bringen, immerhin sind wir das Lumo schuldig, seine Familie sicher zurückzubringen.“

Er nickte.

„Ihr kommt mit?“, fragte sie.

„Ja, wir möchten dich und deinen Sohn sicher zurückbringen. Wir werden dich auch begleiten bis zu Lumo. Wenn ihr möchtet, dann bringen wir euch erstmals hier heraus und wir bereden das mit dem Professor.“

Sie nickte und hielt ihren Sohn an der Hand.

„Also gut, los.“

Ich hielt mich an Ryan fest und nahm die Hand von Lumos Frau. Dann teleportierte Ryans uns direkt vor das Büro des Professors. Wir klopften an und wurden herein gebeten. Verblüfft schaute der Professor zu uns.

„Was macht denn die Eaganerin hier?“, fragte er.

„Wir haben das Flüchtlingsversteck gefunden, das sie für sie gebaut hatten.“

Der Professor seufzte.

„Bestimmt hatte ihr zuerst einen falschen Verdacht. Es tut mir wirklich leid, aber ich wollte es wirklich absolut geheim halten. Es war einfach zu risikoreich anderen von den Flüchtlingen zu erzählen, aber sagt, wer ist diese Person?“

„Lumos Frau.“

Er stand überrascht auf.

„Ihr seid seine Frau?“

Sie nickte leicht und zog ihren Sohn an sich. Im Licht kamen ihre Narben und Wunden erst richtig zum Vorschein. Sie musste wirklich in diesen Jahren Qualen, Leid und Tod erlebt haben.

„Wir werden sie am besten gleich hinüber bringen nach Desar. Gibt ihr neue Kleidung und etwas Anständiges zu Essen. Ich werde schon mal das Schiff bereit machen.“

Er verschwand aus dem Raum und ich übergab ihr von einem Mitarbeiter ihre neuen Kleider. Als sie keine Lumpen mehr trugen, war ich sehr froh Lumos Frau getroffen zu haben. Sie musste bestimmt froh sein hier heraus zu kommen. Ihr Sohn ähnelte Lumo wirklich, sein Gesicht war fast das Gleiche wie seines.

Nach einer Stunde waren wir bereit und stiegen in das Schiff ein. Die Fahrt dauerte nur zwei Stunden und schon landeten wir in Desar. Wir liefen wieder über den Marktplatz, durch einzelne Gassen und kamen schließlich an Lumos Arbeitsplatz an. Wir fragten einen Angestellten nach ihm und er meinte er wäre in seinem Büro. Ich war selbst ein wenig aufgeregt Lumos Ausdruck zu sehen und Ryan öffnete die Tür.

Lumo saß auf seinem Bürostuhl und war etwas am Schreiben. Zuerst sah er nur mich und Ryan, aber als dann seine Frau zum Vorschein kam, ließ er fassungslos seinen Stift fallen. Er stand auf und sah seine Frau und seinen Sohn an. In seinen Augen stauten sich dicke Tränen.

„Melodie? Milo? Seit ihr es wirklich?“, fragte er vorsichtshalber.

Sie nickten und nahmen sich in die Arme. Ihnen kullerten Freudentränen hinunter und sie wollten sich am liebsten nicht mehr loslassen. Wir ließen sie zuerst einmal allein und saßen uns ihm Flur auf eine Bank.

„Hättest du je gedacht, das Lumo eine Familie hätte?“, fragte ich.

„Wieso sollte er denn keine haben können?“

„Ich weiß nicht. Ich fand es einfach nur schade dass er uns nichts erzählte, wir hätten sie befreien können. Trotzdem ist alles wieder gut gegangen. Lumo hat seine Familie wieder.“

„Ich könnte mir auch kein Leben vorstellen, indem ich alleine wäre.“, dachte Ryan laut.

„Aber du hast doch mich.“, grinste ich ihn an.

„Das stimmt.“, lächelte er.

Nach einigen Minuten kam Lumo aus dem Büro und stellte sich vor uns.
„Ich bin euch wirklich sehr dankbar. Ihr habt mir wieder meine Familie zurückgebracht und ich dachte ich sähe sie nie wieder. Also, wenn ihr Hilfe braucht, dann gebt mir Bescheid.“

„Das war das mindeste was für tun konnten. Immerhin hast du uns auch sehr geholfen. Ich denke wir sind Quitt, Lumo.“

„Ich werde euch trotzdem immer zur Seite stehen.“

„Danke, Lumo.“, lächelte ich und wir verabschiedeten uns.

Als wir wieder auf dem Markt waren, wusste ich das ganz in der Nähe das Gasthaus seien musste, in das Ryan mich teleportiert hatte, als uns Benett gefangen hielt. An diesem Abend küsste er mich und das ließ meinen Magen kribbeln. Ich nahm seine Hand und lehnte mich an ihn. Er packte fest zu, als wollte er mich nie wieder loslassen.

Ich schaute hinauf zum Himmel und da flog ein riesiges Schiff über uns hinweg. Es warf einen großen Schatten auf den Markt und über meiner Haut erstreckte sich eine Gänsehaut. Durften solche Schiffe überhaupt hier landen? Ich blieb stehen und ließ es nicht aus den Augen.

„Was hast du?“, fragte Ryan.

Ich blickte misstrauisch.

„Solche riesigen Schiffe hatte ich nicht einmal bei uns in der Stadt am Himmeln fliegen gesehen. Wer sollte so viele Lieferungen haben, das er dazu ein so gigantisches Schiff benötigt?“

Einige aus der Menge schauten genauso misstrauisch und einige kümmerte es überhaupt nicht.

Ryan zog an meinem Arm und es interessierte ihn wohl eher wenig.

„Das wird bestimmt seine Gründe haben.“, meinte er nur.

„Wohin willst du gehen?“

„Etwas Essen, ich hab‘ Hunger. Dahinten habe ich ein Restaurant entdeckt. Sollen wir?“

„Klar.“, lächelte ich.

Als wir drinnen waren, schauten uns einige Eaganer mit einem grimmigen Gesicht an. Daran war ich schon gewähnt, angestarrt zu werden, deswegen kümmerte es mich nicht. In einer hinteren Ecke fanden wir einen leeren Tisch und setzen uns hin.

„Ich finde solche Restaurants die mit Holz und Ziment verarbeitet sind viel angenehmer, als die helle und einheitliche Atmosphäre in der Vier-Himmelstadt.“

„Nun ja, solche Gebäude hatte ich nicht oft gesehen.“

„Wieso nicht?“, fragte ich verwundert.

„Ich komme nicht aus deinem Jahrhundert. Mein Geburtsdatum war der sechste, elfte, zweitausendeinhundertdrei. Dort gab es schon in meiner Stadt viel modernere Techniken und die Atmosphäre war schon ziemlich einheitlich, weiß, rot oder sogar braun.“

„Dann sind wohl Alex und ich wirklich die einzigen „alten“ Menschen.“

„Wann bist du denn geboren?“

„Am 07.03.1997.“

„Noch im ersten Jahrtausend?“, schreckte er auf.

„Was ist daran so schlimm?“, fragte ich.

„Du bist wirklich „alt“.“, lachte er.

Eine Eaganerin kam zu uns und fragte nach unserer Bestellung.

Ryan wusste schon sofort was er wollte und ich hatte mir nicht einmal die Karte angeschaut. Als die Eaganerin mich anschaute, hätte ich am liebsten gesagt ich wüsste es noch nicht, aber Ryan kam mir zuvor.

„Sie möchte das Gleiche.“

Dann tippte sie auf einem handgroßen Touchscreen herum und verschwand.

„Was hast du bestellt?“, fragte ich schockierend.

„Das wirst du bestimmt essen.“

„Wehe nicht.“

Als das Essen ankam, lag vor mir ein Teller mit Nudeln, Reiß und brauner Soße. Ich kannte das Gericht irgendwoher und fing deshalb auch nicht an darüber herzuziehen.

Danach bezahlten wir und verschwanden aus dem Restaurant, doch dann erschütterte es unter meinen Füßen. Ich hielt mich am Geländer fest, als ich die Treppe fast hinunter fiel. Erschrocken blickte ich zu Ryan und dann in die panische Menge. Langsam ging ich die Treppe hinunter und wieder bebte die Erde.
„Was ist das?“, rief ich.

„Das werden wir bald herausfinden. Gib mir deine Hand!“

Er packte mich und dann landeten wir in der nächsten Sekunde auf dem Dach eines hohen Hauses.

Aber dann raubte es mir den Atem. Der Gigant von Benett hatte schon den Flughafen zerstört und jetzt griff er die hohen Häuser an. Er wollte Desar nie von außen angreifen, ich denke das war eher ein Ablenkungsmanöver. Der Riese war gegen normale Kugeln geschützt, aber als kleine Kampfschiffe versuchten ihn mit Bomben zu attackieren, tauchten fremde schwarze Schiffe auf und zerstörten sie. Die schwarzen Schiffe waren absolut unbekannt sehr stark. Die anderen hatten keine Chance und es kamen immer mehr von ihnen.

„Ryan, hier oben ist es zu gefährlich. Lass uns hier verschwinden. Gegen den Riesen und die schwarzen Schiffe haben wir keine Chance.“

Ich griff schon nach seinem Arm, damit er uns weg teleportierte, aber dann riss er sich los.

„Ich werde doch nicht tatenlos daneben stehen und zusehen, wie eine weitere Stadt dieses erbärmlichen Kerls zu Grunde geht.“

Bevor ich ihn aufhalten wollte, verschwand er schon und ich suchte nach ihm. Er stürzte sich auf die Schiffe und stach mit seiner Lanze in die Scheiben, die darauf zerbrachen und das Schiff abstürzte. Lange konnte er das nicht durchhalten. Aber dann kam ein Hubschrauber angeflogen und eine Schranke öffnete sich. Ich konnte silbernes Haar entdeckten und wusste sofort, dass es Terra war. Sie zielte mit ihrer besonderen Waffe auf Ryan und wartete ab, bis er nicht aufpasste. Das durfte ich nicht zulassen.

„Ryan!“, schrie ich, aber er war zu weit weg.

Dann griff ich nach meinem Anhänger und schmiss ihn gegen ein Flugzeug. So konnte ich mich an jedes heranziehen und sprang von Schiff zu Schiff. Immer wieder rief ich seinen Namen, aber er hörte mich einfach nicht. Dann geschah es. Terra schoss die Kugel ab, als Ryan mit seiner Lanze in die nächste Scheibe zustechen wollte. Sie traf ihn seitlich und er fiel hinunter.

Ich schmiss meinen Magneten auf Ryan und hoffte, dass er ihn erreichen würde. Aber als er sich an seiner Brust festklebte, setzte ich meine Magnetkraft ein um mich blitzschnell an ihn zu ziehen.

Er war ohnmächtig und ich klammerte mich an ihn. Dann schmiss ich meine Kugel auf den Boden, um mich abzustoßen. Als wir auf dem Boden landeten, war ich sehr froh, dass er noch lebte. Schnell zog ich seine Kugel aus der Wunde und heilte sie. Es war wieder eine silbern schimmernde. Ich steckte sie in meine Tasche, damit der Professor vielleicht später sich die Kugel genauer anschauen kann. Vorerst blieb ich bei Ryan und suchte Schutz unter einem breiten Holzbalken. Terra suchte immer noch nach uns, aber sie würde uns nie finden. Es schmerzte mit ansehen zu müssen, wie die Stadt zerstört wurde und das alles wegen mir. Wenn ich bloß besser aufgepasst hätte und Terra schneller ausgeschaltete hätte, wäre das alles jetzt nicht passiert. Dank mir, sterben hunderte von Menschen und ich kann ihnen nicht einmal jetzt helfen.

Panisch versuchte ich Ryan wach zu rütteln, aber er öffnete die Augen nicht. Wenn ich jetzt allein dort hinaus gehe und Ryan hier lasse, wäre das eine sehr naive Entscheidung. Ich konnte nur auf Hilfe warten und beten das Ryan aufwachte.

Jedoch nach vielen Minuten richtete der Gigant immer mehr Schaden an und ich sah nur Schutt und Asche. Die Gebäude waren zertrümmert und die Schiffe schossen auf die Eaganer und sogar auf ihres Gleichen ein. Es schmerzte die Schreie der Hilflosen zu hören und das man dagegen nichts tun konnte. Immer wieder kamen mehrere Schiffe, sogar schon Größere, aber jedoch kämpften sie schwer gegen die schwarzen. Vielleicht traf bald Verstärkung aus den Nachbarstädten ein, aber sogar jetzt schon war halb Desar verwüstet. Zuerst Naga, jetzt diese Stadt, wann wird Benett endlich damit aufhören? Wie kann er so voller Hass und Wut sein, das er solch eine Katastrophe anrichtete.

Mich riss eine kleine Suchdrohne aus meinen Gedanken und als sie mich fand, kam sie zu mir geflogen. Aus der metallischen Bohne wurde ein Kopf und unterhalb ein Oberkörper. Eine Klappe öffnete sich auf seinem Bauch und es erschien eine Nachricht in grüner Schrift.

 

Überlebende! Geht durch den Untertunnel zum Schutzraum, der in der Nähe des Palastes liegt! Euch wird dort geholfen!

Etagna Cepius

 

Leider wusste ich überhaupt nicht wo dieser Tunnel sich befand.

„Weißt du…wo dieser Untertunnel ist?“, fragte ich die Drohe. Sie drehte sich um und fuhr ein Stück voraus. Zuerst versuchte ich Ryan ein weiteres Mal wach zu rütteln, aber er war völlig weggetreten. Trotzdem war er zu schwer, als das ich ihn jetzt tragen könnte.

„Ich schaffe es nicht ohne Hilfe.“, rief ich zur Drohne und dann flog sie weiter. Ich war mir nicht sicher, ob sie mich verstand, aber vielleicht suchte sie wirklich nach Hilfe und ich musste nur geduldig warten.

Es vergingen wieder weitere Minuten und von weitem hörte ich mehrere Schritte auf mich zu kommen. Sie wurden immer schneller und dann nahm ich auch Stimmen wahr.

„…bist du dir sicher, dass es hier war?“, rief jemand.

Vorsichtig schaute ich um die Ecke und sah als erstes Alex und die Drohne. Völlig überrascht und zugleich erleichtert, sprang ich in seine Arme. Hinter ihm waren die anderen vier.

„Wie seid ihr so schnell hergekommen?“, fragte ich.

„Wir hatten gehört, das Benett ein riesiges Schiff losschickte in die Richtung von Desar. Der Professor ahnte das dort nur dieses Monster drinnen seien konnte. Deshalb fuhren wir ihm nach, aber dummerweise verloren wir es auf dem Weg.“, erzählte Nova.

„Was meint ihr damit?“

„Wir stürzten ab. Diese schwarzen Schiffe schwirrten um das riesige Flugzeug umher und merkten nach einigen Minuten, dass wir ihnen folgten. Der Fahrer wurde getroffen und Alex hatte versucht das Schiff weiter zu lenken, aber vergeblich. Schließlich landeten wir mit einer Bruchlandung mitten in der Wüste. Wir mussten zu Fuß weiterlaufen, aber Desar war schon von weitem zu sehen. Dann entdeckten wir den Riesen, als wir ankamen und fingen an euch zu suchen. Übrigens, wo ist Ryan?“

Ich drehte mich kurz um und ging auf den kleinen Unterschlumpf zu. Dort schaute ich nach Ryan und blickte dann zu ihnen.

„Ihm geht es soweit gut, jedoch ist er bewusstlos. Wir müssen ihn in den Tunnel bringen.“

„Was ist denn passiert?“, fragte Nova erschreckend.

„Terra schoss ihn mit dieser merkwürdigen Kugel ab, die auch mir meine Fähigkeiten hemmte.“

„Diese dumme, naive Göre. Ich drehe ihr den Hals um, wenn ich ihr das nächste Mal vor die Augen trete.“, rief Nova wutentbrannt.

„Ich denke Alex sollte Ryan in Sicherheit bringen, er ist der stärkste von uns.“, meinte Valerie.

„Gut. Dann bis später!“, rief Alex und hob Ryan über die Schulter.

Als Alex verschwand, wandten wir uns dem Riesen und den Schiffen zu.

„Valerie was schlägst du vor?“, fragte ich.

„Mal sehen, wenn Terra hier ist wird es schwieriger sein, als ich erwartet hätte. Jedoch sorgen die Schiffe des Lords für Ablenkung. Also müssten wir uns auf den Riesen und Terra konzentrieren. Leider habe ich keinerlei Ahnung wo sie seien könnte und deswegen schlagen ich vor drei greifen den Riesen an und der andere haltet nach Terra Ausschau. Sobald sie auftaucht, kümmert sich derjenige um sie. Alle einverstanden?“, schlug sie vor.

„Hm.“, riefen alle.

Wir liefen die Straßen entlang und mussten uns meistens durch Trümmern zwängen, wie auch Umwege nehmen. Aber als wir dem Giganten hautnah waren, wussten wir nicht, wie wir zu ihm hinauf kamen. Denn ich schlug schon vor seine Augen zu verletzen, da er ohne Augenlicht nichts sehen kann. Jedoch würde das seine Verwüstung auch nicht aufhalten.

„Wartet!“, rief Jim. Wir schauten gespannt auf ihn und er rieb sich am Kopf. „Ich bin mir nicht sicher ob es funktionieren wird, aber einige Kilometer weiter gibt es eine Schlucht, sie entstand durch ein Erdbeben vor sechs Jahren. Wir könnten ihn doch dort hinein locken und er würde fast dreihundert Meter weit stürzen. Wenn er erstmals aufgekommen ist, denke ich kaum dass er überlebt und falls doch, dann käme er dort nie wieder heraus.“

„Das ist eine gute Idee!“, rief Valerie. „Ich kenne diese Schlucht. Einige Forscher meinten es könnte bis zum Nihad-Wasserfall durchbrechen. Wenn der Riese auch noch schlau ist, wird er vielleicht versuchen sich dort hindurch zu graben. Denn Desar steht am Rande dieses Abgrundes. Am Ende des Wasserfalls beginnt dann der Nihad-Dschungel.“

„Von weit oben gesehen, liegt es eher in einem Tal. Man muss nur neunhundert Meter weit hinunter steigen.“, erklärte Jim.

„Also gut, Leute. Wer möchte den Riesen ablenken?“, rief ich.

Keiner meldete sich. „Schön, dann werde ich es eben machen, aber ihr müsst dafür sorgen, dass er auch fällt.“

„Wie sollen wir das anstellen? Dieser Brocken wiegt doch reichlich an Tonnen.“, fragte Jim.

„Und wenn wir es mit einem Flugzeug schubsen würden.“

„Maschinen sind nicht kompliziert. Wie wäre der riesige Flieger der ihn herbrachte. Ich denke das er ihn mit Druck rammen könnte.“, schlug Valerie vor.

„Wir werden uns aufteilen. Du und Jim ihr werdet zum Flugzeug gehen und Vorsicht, es könnte sein das dort noch Soldaten von Benett stehen. Nova, du kommst mit mir. Du musst mir Deckung geben.“, befahl ich und schon teilten wir und auf.

„Also gut. Wie lenken wir ihn ab?“

Nova überlegte. Er war unglaublich groß und deswegen würde es vielleicht nur piksen, wenn wir ihn beschossen oder mit Gegenständen bewerfen. Ich rannte los und schmiss scharfe Bleche auf ihn, jedoch merkte er nichts. Dann stach ich in sein Bein, aber er zuckte nur kurz. Nova und ich gaben nicht auf.

Schon bald entdeckte uns, wie erwartet, Terra. Sie zielte mit ihrer Maschinenpistole auf uns und wartete den richtigen Moment ab. Er nervte mich regelrecht, dass Novas Schild ihr nicht standhalten konnte. Jedoch eine weitere Verletzte konnte ich nicht dulden. Plötzlich zog sie ihre Waffe zurück und verschwand. Was war los? Der Riese drehte sich zu uns um und grinste uns an. „Da!“, rief er. Er wollte nach Nova greifen, die reglos da stand, aber ich griff nach ihrer Hand und zog sie weg.

„Jetzt ist es soweit!“, rief ich. „Wir müssen zur Schlucht.“

Das Rennen war am Anfang nicht schwer, aber meine Kondition hatte auch Grenzen. Ich spürte wie meine Herz pumpte, jedoch nicht genug und meine Muskeln schwächelten. Meine Lunge brannte und dadurch wurde ich langsamer. Nova nahm meine Hand und sie gab mir ein wenig Kraft. Egal wie sehr meine Lunge und meine Beine schmerzten, das Durchhaltevermögen war mir innerlich bewusst. Nicht umsonst gab man mir die Kraft Benett aufzuhalten und die werde ich auch voll und ganz ausnutzen. Die anderen gaben auch nie auf und deswegen werde ich sie auch nie hängen lassen.

Wir rannten mindestens schon zehn Minuten und bald war schon der Abgrund zu erkennen. Aber wo blieben Valerie und Jim? Vielleicht war etwas dazwischen gekommen. Bekümmert schaute ich Nova an.

„Sie werden es schaffen, da bin ich mir sicher.“, munterte sie mich auf.

Die Schlucht, zum Greifen nahe. Jedoch war immer noch kein Zeichen von einem riesigen Flugzeug zu sehen. Bald mussten wir bremsen und der Riese stand hinter uns mit einem finsteren Lächeln im Gesicht.

„Nun ist Ende!“, rief er und lachte. Er schloss die Beine, sodass wir nicht mehr flüchten konnten, dann streckte er die Hand nach uns aus, aber in dem Moment schoss Valerie hervor. Sie kam mit einer enormen Geschwindigkeit auf uns zu und rammte ihn ohne zu zögern am Rücken. Da er sehr nah am Rand war, konnte er das Gleichgewicht nur schwer halten und Valerie rammte ihn erneut. Er stürzte. Dummerweise prallte sein Fuß gegen mich und ich wurde mit in die Tiefe gerissen. Nova streckte ihre Hand noch nach mir aus, aber mir wurde schwindelig und war sofort bewusstlos.

 

 

 

 

Kapitel 21 – Sieg

 

Als ich aufwachte, fühlte sich mein Körper schmerzhaft erdrückt an. Ich war auf dem Riesen seinen Bauch aufgekommen und da meine Knochen sehr schwer zu brechen waren, hatte ich nur furchtbare Gelenkschmerzen. Oben sah ich nur den blauen Himmel und das Flugzeug. Es waren leise Rufe zu vernehmen, aber ich musste erst einmal wieder richtig zu mir kommen. In meinem Kopf verspürte ich eine grausame Migräne, sobald ich mich versuchte aufzuhocken. Es hatte keinen Sinn sich weitere Schmerzen hinzuzufügen. Immerhin war der Riese tot und der Plan ging auf. Dies war die erste Niederlage Benetts und das erfreute mich unermesslich. Vielleicht gab er sogar auf und ließ seine Truppen zurückziehen. Jedoch war die Hoffnung nicht allzu erwartend, es wäre wahrscheinlich ein Wunder wenn er das täte. Benett würde bis zu seinem Tod Krieg führen wollen. Da er schon Naga und Desar zerstörte, würde er nicht lange zögern und die anderen auch schon bald mit Bomben schikanieren. Jedoch war jetzt für die Eaganer klar, dass die Menschen sie betrogen hatten und denken sie würden einen Krieg begonnen haben. Trotzdem war ich mir sicher, dass die vierzehn Professoren es abstreiten und den Verantwortlichen dafür finden. Aber die Eaganer denken es sei eine Lüge und gehen kein Risiko ein. Sie werden die vier Himmelsstadt angreifen, koste es was es wolle. Die Menschen die, nun in deren Städten lebten, würden vielleicht verband und bei Verweigerung festgenommen oder getötet werden. Allein diese Vorstellung machte mich furchtbar nervös und ein Krieg muss unbedingt verhindert werden.

 

„Sir, die Mission ist leider gescheitert. Jedoch hat Professor, trauriger weise, einer seiner Kinder verloren. Nämlich Lou. Nie im Leben könnte sie diesen Sturz überlebt haben. Da sie nun von der Bildfläche verschwunden ist, halten die anderen fünf nicht lange durch.“, sprach Terra durch ein Funkgerät.

„Die Mission ist gescheitert? Was war passiert?“, schrie Benett.

„Unser großer Junge stürzte leider mit ihr die Schlucht hinunter. Mit einem Flugzeug stießen sie ihn hinab.“

„Also gut. Es ärgert mich sehr, dass ihr Dummköpfe nichts dagegen unternommen habt, aber gut. Tretet den Rückzug an und zerstört die restlichen Schiffe. Und Terra, ich möchte das nichts übrig bleibt, klar?“

„Ja, Sir.“

Sie drückte auf einen roten Knopf und dann explodierten alle schwarzen Schiffe, damit keine Beweise übrig blieben. Sämtliche Menschen kamen um. Terra machte ihr Schiff unsichtbar und flog mit USG zur vier Himmelsstadt.

 

Ich merkte nicht, dass ich erneut einschlief und langsam mein Körper immer tauber wurde. Doch dann konnte ich eine vertraute Stimme wahrnehmen. Sie beruhigte mich, da ich nun nicht mehr allein war.

„Lou!“, rief er.

Er hob mich an und schob mein Haar aus meinem Gesicht. Ich spürte wieder Ryans Wärme und lächelte erfreut. Mindestens drei oder zwei Stunden lag ich hier unten. Es kam keine Hilfe und als ich endlich seine liebevolle Stimme hörte, beruhigte es mich.

„Du lebst. Ich bin so froh.“, seufzte er und gab mir einen Kuss auf die Stirn.

„Ryan, bin ich froh das du da bist. Mir ist so speiübel und meine Knochen fühlen sich an, als würde sie erdrückt werden. Mein Kopf explodiert gleich und meine Muskeln sind wie gelähmt.“, ächzte ich und spürte wie etwas aus meinem Mund floss. Ryan wischte es ab und ich konnte am Ärmel sehen, dass es Blut war. Durch das Licht fiel es mir schwer zu sehen und deswegen hielt ich sie geschlossen. Langsam hob er mich hoch.

Kurz schrie ich auf und noch nie hatte er mich so verletzt gesehen. Seine Sorgen waren noch größer als meine. Das ich dies vielleicht nicht überleben würde, war mir nicht bewusst. Der Einzige an den ich dachte, war Ryan. Vielleicht war ich wirklich zu hart auf den Kopf gefallen und bei mir war dieses Selbstgefühl nicht da. Ich verspürte keine Angst und keine Trauer. In diesem Moment wollte ich nicht allein gelassen werden. Dann teleportierte er sich wieder die Schlucht hinauf und ich konnte Umrisse von anderen Personen sehen.

„Sie lebt! Ich wusste, dass sie stark genug ist.“, rief eine erfreute Mädchenstimme.

„Du hast es geschafft, Lou.“

Eine warme Hand wurde auf meinen Arm gelegt und ich fühlte mich geborgen.

„Wird sie es…schaffen?“

„Davon bin ich fest überzeugt. Wenn sie diesen Sturz schon überlebte, dann wird sie auch das hier überstehen.“, meinte Ryan.

Meine Kraft schwand und ich wurde erneut bewusstlos.

Im Schlaf verspürte ich die Angst, alles nur geträumt zu haben und immer noch in der Schlucht zu liegen. Aber Ryans Stimme klang so überzeugend und auch die wärmende Hand die ich auf meinem Arm verspürte. Trotzdem hatte ich Angst.

„Hey, ich glaube sie wacht auf.“, rief jemand.

Meine Augen öffneten sich und der Himmel war dunkel über mir. Es war tatsächlich meine Zimmer. Um mich herum standen alle fünf. Sie lächelten mich an und begrüßten mich erleichtert.

„Wie geht es dir?“, fragte Nova.

„Ich fühle mich noch ein wenig wackelig. Mir fehlt die Kraft.“

„Das trifft sich gut. JC ist gerade eine Tablette holen gegangen, die dir die nötige Energie wiedergibt.“

Kurz herrschte Stille und jemand sprang hektisch ins Zimmer.

„Und ist sie schon erwacht?“, fragte sie. JC drängte sich zwischen Jim und Nova. Sie verzog ein erfreuliches Gesicht.

„Hast du mir einen Schrecken eingejagt. Der Professor hat alles daran gesetzt dich wieder auf die Beine zu kriegen. Hättest du deine elastischen Knochen nicht gehabt, dann wärst du wahrscheinlich tot. Aber noch nie hatte ich dich so fertig gesehen. Hier trink, das erst einmal, danach wird es dir besser gehen.“

Langsam setzte ich mich auf und nahm das Glas in die Hand. Es schmeckte bitter und verzog darauf mein Gesicht. Als ich es leer trank legte ich mich wieder hin und schloss die Augen.

„Wir werden dich ein wenig in Ruhe lassen. In ein paar Tage bist du wieder ganz die alte Lou.“, munterte mich JC auf.

„Danke, JC.“, lächelte ich und drehte mich zur Seite. Alle verließen das Zimmer, aber trotzdem spürte ich eine weitere Anwesenheit.

„Bist du das?“, murmelte ich.

„Wenn du möchtest dass ich gehe, das werde ich das auch tun.“

Er wollte schon zur Tür greifen.

„Bitte, bleib!“, rief ich.

Er schloss die Tür und setzte sich zu mir aufs Bett. Seine Hand streichelte meinen Kopf und er legte sich dann neben mich. Ich schaute in seine Augen und verspürte wieder diese Angst in mir.

„Was hast du?“, fragte er besorgt.

„Als ich bewusstlos war, hatte ich das Gefühl immer noch in der Schlucht zu liegen, allein. Ich habe solche Angst, Ryan. Als du mich fandst, verspürte ich nicht einmal die Besorgnis um mein Leben. Das einzige was mich in diesem Moment glücklich gemacht hat, warst du.“

Er lächelte zufrieden und küsste mich.

„Du weißt doch, dass ich dich nie allein lassen werde. Sogar als ich bei Alex aufwachte, war meine erste Frage: ,wo ist Lou?‘. Alex verkündete mir, dass ihr den Riesen aufhaltet und machte mich sogleich auf den Weg. Aber als ich ankam, sah ich nur die traurigen Gesichter von Valerie, Jim und Nova. Die Schlucht war zu eng, sonst hätten sie das Flugzeug benutzen können. Meine Kraft war selbst ziemlich schwach und ich konnte mich nicht teleportieren. Du lagst einige Stunden unten, bis endlich Hilfe eintrat. Der Lord schickte uns Krankenjets und ich teleportierte mich sofort zu dir runter.“

„Wann denkst du hat das alles ein Ende? Ich meine das Kämpfen, Verstecken und die ständige Angst.“

Er nahm meine Hand und seufzte.

„Ich glaube, solange wir existieren, wird es immer diese Hetzerei geben, aber wenn wir zwei zusammen sind, dann können wir alles durchstehen.“

Ich lächelte. „Aber vielleicht wird es später doch noch ein Leben geben, wo wir zwei zufrieden sind. Wir werden wahrscheinlich nie ein normales Leben führen, wie andere, aber dafür haben wir etwas wozu es sich zu leben lohnt.“

„Und das wäre?“, fragte ich neugierig.

„Uns.“ Er küsste mich auf die Stirn und verschwand aus dem Zimmer. Es war unglaublich dass er trotz meiner Situation, meinen Bauch wieder kribbeln ließ. Ich war glücklich, auch wenn ich ständig in Gefahr schwebte, entführt oder sogar für Experimente gebraucht wurde. Es gab immer einen Teil im Leben bei dem ein Dasein einen Zweck hatte und durch ihn wurde er erst wirklich lebendig. Trotzdem glaubte ich fest daran irgendwann mit Ryan ohne in Angst leben zu müssen.

Die nächsten Tage waren entspannend und ich genoss sie. Die Erholung verlief schnell und der Professor meinte, eigentlich könnte ich schon wieder auf Missionen gehen. Dennoch lehnte ich ab und ruhte mich lieber noch weiter aus.

Von Benett war nichts zu hören. Er war wahrscheinlich nur furchtbar sauer, das sein Riese nun auf dem Abgrund lag. Vielleicht wird er jetzt durch seine enorme Wut noch mehr Städte zerstören oder Rache ausüben, aber das wäre unnötige Zeitverschwendung. Desar hatte Glück. Sie wurde nur zur Hälfte zerstört und trotzdem fand man keine Spuren von den verantwortlichen. Aber der oberste König Lesa, meint, die Menschen würden Angriffe auf die Eaganer ausführen. Von nun an gab es andere Regeln für Menschen. Sie durften in nur ganz bestimmte Geschäfte einkaufen, nicht mehr mit Eaganern in einem Haus zusammenleben und nur in Menschenrestaurants essen. Einige der Eaganer behandelten sie sogar wie Außenseiter und beschimpften sie. Der Professor hatte morgen eine Konferenz mit den anderen dreizehn Professoren. Es durfte auf keinen Fall zum Krieg kommen. Der Planet würde wahrscheinlich im Chaos versenken, die Wälder, Wüsten und die gesamte Natur würde untergehen. Wir würden denselben Fehler machen wie auf der Erde, uns selbst zerstören. Jemand gab mir die Chance ein neues Leben zu führen und sollte warum sollte ich diese Gelegenheit auch nicht nutzen? Dieser Planet ist nun mein Zuhause und ich werde alles tun um es auch zu beschützen.

Der Professor und ich schauten im Fernsehen die Nachrichten. Ein im Anzug gekleideter Mann saß auf einem Stuhl und hinter ihm erschienen einzelne Bilder von Desar.

„Die Zerstörung Desars hat gravierende Folgen. Viele Eaganer und auch Menschen bescherten sich, da ihre Häuser zerstört wurden und sie nun keine Arbeit mehr haben. Lord Etagna Cepius sagte folgendes Urteil.“

Hinter ihm sprang eine Aufzeichnung in den Vordergrund und bedeckte so den restlichen Bildschirm. Cepius stand an einem kleinen Pult und vor ihm eine Reihe von Delegierten. Sie hörten ihm aufmerksam zu.

„Es starben zehntausend Eaganer und wenn man die Zerstörung Nagas mit einbezieht sind es insgesamt knappe dreißigtausend. Die gesamte Stadt liegt immer noch in Schutt und Asche. Viele Eaganer und auch Menschen sind nun arbeitslos und verhungern nun auf den Straßen. Es werden seit neustem Gebäude eingerichtet in denen sie schlafen und essen können. Die Schuldigen müssen zur Rechenschaft gezogen werden.“, betonte er den letzten Satz laut.

Die Eaganer klatschten. Bevor der Nachrichtensprecher weiter etwas sagen konnte, schaltete der Professor den Bildschirm aus.

„Es wird doch nicht zum Krieg kommen, oder?“, fragte ich betrübt.

„Wenn die nächste Stadt wieder zerstört wird, dann werden sie sich aufrüsten und zum Angriff vorbereiten. Benett wird wahrscheinlich vorerst nichts tun, da die Eaganer vorsichtiger sind und nun alles kontrollieren.“

„Dann bin ich aber beruhigt.“, seufzte ich.

„Freu dich nicht zu früh.“, murmelte er.

 

„Professor Elius hat also eine Konferenz einberufen. Es ist bestimmt höchst interessant zu hören, was er zu sagen hat. Karl!“, reif Benett.

Der dünne Mann kam angelaufen und stellte sich neben ihn.

„Ich möchte unbedingt an dieser Konferenz teilnehmen.“, grinste er.

„Jawohl, Sir.“

Der Fahrstuhl sprang auf und Cooper trippelte mit seinen kleinen Füßen zu ihm. Er hatte eine kleine Schatulle in der Hand.

„Aah! Sind sie das?“, fragte Benett erfreut.

„Ja, Sir.“

„Alle vierzehn?“

Er nickte leicht. „Sobald wir einen vierzehnten Mann gefunden haben, wird es erst richtig losgehen und die Eaganer können sich auf ein Wunder gefasst machen. Der vierte Weltkrieg wird ausbrechen und dieses Mal werden wir gewinnen.“

 

Der Professor verließ schon früh morgens die Stadt, da er einige Stunden bräuchte, bis er ankäme. Alle vierzehn Professoren liegen verteilt in verschiedenen Städten und in der vier Himmelsstadt sind zwei. Professor Elius und Usel.

Ich war so gespannt auf das Ergebnis und wartete deswegen geduldig auf seine Rückkehr. Ryan leistete mir Gesellschaft.

„Du sitzt schon die ganzen Tage hier drinnen. Lass uns etwas unternehmen.“, schlug er vor. Ich stampfte auf den Boden.

„Du weißt ich warte auf den Professor.“

„Ich werde dich wohl nie aus diesem Zimmer bekommen. Außerdem ist es völlig unnötig zu warten. Er käme erst am nächsten Morgen wieder.“, erklärte er mir.

„Dann warte ich bis zu diesem Morgen.“

„Stur und absolut Dickköpfig.“, lachte er.

Als ich neben mich schaute, hatte er sich weg teleportiert. Wenn der Professor es tatsächlich schaffte, die anderen Professoren auf Benett aufmerksam zu machen, stellen sie ihn vielleicht unter Beobachtung. Doch da schallten mir Benetts Worte im Kopf wieder. Damals meinte er, selbst wenn sie ihn festnahmen, es würden Verbündete kommen und ihn befreien. Wer weiß, was er nicht noch gebaut hatte. Die Möglichkeiten sind fast unbegrenzt. Als ich Gedankenversunken war, platzte JC hinein und meldete mir eine neue wichtige Mission.

„Ich habe gerade eine Nachricht vom Professor gelesen. Er möchte, dass ihr Sechs euch auf die Suche nach einem bestimmten Artefakt macht. Damals hatte er es erbaut, doch Benett entriss es ihm und viele Vermutungen bestätigten, dass es in Navina läge.“, rief sie.

„Wo ist Navina?“

„Weit weg von dieser Stadt. Um sie herum ist nur Wüste und die Stadt selbst ist die Hölle. Du musst aufpassen. Dort lauern Wesen die sich dort ein Zuhause gemacht haben. Deswegen halte ich für das Beste das ihr alle geht.“

Hinter JC liefen die anderen vorbei um sich in den Fahrstuhl zu begeben.

„Beeil dich!“, rief sie und ich zog mir nur meine Weste noch über. Als die anderen schon im Fahrstuhl standen und die Türen sich zuschieben wollten, quetschte ich mich noch in letzter Sekunde hindurch.

„Hey Leute.“, grüßte ich sie und wurde von beiden Seiten eingequetscht.

Im neunhundertsten Stock befanden wir uns sogleich an der Flugstation und ein Schiff wurde für uns bereit gemacht.

„Wir sind auf uns allein gestellt. Das heißt, wir haben keinen Piloten.“, erklärte Valerie.

„Und wer fährt dann?“, fragte Jim.

„Ich. Außer mir kennt sich niemand mit dem Fliegen aus. Ryan ein bisschen, deswegen wird er auch mein Copilot sein, denn ohne den kann ich nicht starten.“

„Der Professor hat uns einige Waffen und Munition dagelassen.“, fügte Nova hinzu.

Unser Schiff stand schon bereit und erinnerte mich an einen Kampfjet. Nur seine Längsachse war viel länger und breiter, damit mehr Personen an Bord konnten. Am Bauch des Schiffes ging eine Klappe auf und wir stiegen ein. Es gab einen kleinen Frachtraum und davor die Sitze. Mehr als sechs gab es nicht. Valerie und Ryan setzten sich sogleich in den Cockpit und trafen Vorbereitungen. Der Gang den ich bis vorne durchlief, hatte auf jeder Seite drei Sitze hintereinander stehen. Als ich mich setzte, weißte mich Alex daraufhin die Schnalle zu benutzen. Unter meinen Füßen bemerkte ich leichte Vibrationen und die Triebwerke zogen an. Vor uns wurde ein riesiges Tor aufgemacht und wir hoben vom Boden leicht ab. Das Schiff bewegte sich auf die Öffnung zu und als wir kurz vorm Abgrund standen, schaltete Valerie die ÜSG an. Kurz waren die Düsen still, doch dann schossen wir los. Am Fenster flog alles so schnell vorbei, das ich nichts erkennen konnte. Schon in kürzester Zeit befanden wir uns außerhalb der vier Himmelsstadt.

Jim beugte sich zu mir nach vorne.

„Hast du schon mal von Navina gehört?“, fragte er.

„Nein, du etwas?“

„PG erzählte mir etwas davon. Denn Navina war einmal eine Stadt.“

„Was meinst du damit?“

„Vor etwas dreißig Jahren ging sie unter. Navina war etwa so groß wie die Hälfte von der Vier-Himmelstadt. Jedoch löste ein gigantisches Erdbeben ein Loch unter der Erde aus und die gesamte Stadt versank. Es starben über fünfhunderttausend Menschen. Alle Gebäude und Flugfahrzeuge wurden in die Tiefe gerissen.“

„Das ist ja grauenhaft.“, sagte ich und schluckte dabei.

„Der Fehler war wahrscheinlich, dass sie zu viele Katakomben gebaut hatten und die das Gewicht irgendwann nicht mehr halten konnten. Die Überlebenden sind in die vier Himmelsstadt geflohen. Seitdem hausen dort andere Geschöpfe, wilde Tiere oder Lebewesen vom Planeten Eos. Manche sind ziemlich aggressiv und deswegen müssen wir vorsichtig sein.“

Als wir ankamen ging gerade die Sonne unter und ich blickte aus dem Fenster. Mein Atem stockte als ich die vielen eingestürzten Gebäude sah. Wie ein riesiger Müllhaufen lagen die Trümmer in dem weiten Loch. Das Schiff landete vor dem Abgrund und wir stiegen aus. Jeder schnappte sich eine Maschinenpistole, außer Ryan, er benutzte seine Lanze. Den Abhang konnte man hinunter rutschten und landete dann auf einem weiten Eisensteg. Eine lange Wand musste auf die Stangen gefallen sein, sodass man die Schlucht überqueren konnte. Ich schlug mir das Band um den Hals, damit ich mein Maschinengewehr nicht tragen musste. Vorsichtig bewegte ich mich zum Rand und schaute hinunter. Eine Gänsehaut durchfuhr mich, als die schwarze Leere zu sehen war.

„Hey, Lou, pass auf das du nicht hinunter fällst. Wer weiß wann du aufkommst.“, rief Jim grinsend.

Ängstlich ging ich wieder einige Schritte zurück und lief zu Valerie. Sie hatte ein Funkgerät in der Hand. Es konnte das Artefakt orten. Das Signal war mitten in der versunkenen Stadt und schon jetzt würde das eine ziemlich anstrengende und lange Nacht werden.

„Sag mal, wenn dieses Kreaturen von diesem Planeten kommen, dann muss ich mich wohl auf völlig neue Tiere einstellen, oder?“, fragte ich Valerie.

Sie nickte zögernd. „Ich weiß nicht wirklich ob all diese Kreaturen von Eos kommen, aber man sagt sie seien gefährlicher als unsere.“

Ich schluckte.

„Welche Richtung?“, fragte Alex.

„Nach Nordwesten.“, bestätigte Valerie.

Die Jungs gingen voraus und ich blieb ganz hinten. Schon allein diese Ruine ließ meinen Körper beben und mir einen Schauer über den Rücken laufen. Wahrscheinlich würde man sogar Skelette sehen von den verstorbenen Menschen. Wer an Geister glaubt, war wohl hier an der völlig falschen Adresse. Selbst der Gestank war unheimlich. Es roch fast genauso schlimm wie in Naga, nur das nichts verbrannt war. Eher wie eine Verwesung. Als wir die Brücke überquerten konnte ich schon erste Geräusche wahrnehmen. Wir landeten auf einer alten Betonstraße die zwar völlig verwahrlost war, aber ich mich besser orientieren konnte. Ständig mussten wir über Hindernisse springen, klettern oder sogar drunter hindurchkriechen. Die Sonnenstrahlen verschwanden und die Orientierung war immer schwerer. An den Pistolen und Gewehren waren kleine Lichter und konnten somit ein wenig sehen.

„Das Ziel ist nicht mehr weit!“, rief Valerie und behielt immer den roten Punkt auf dem Radarschirm im Auge. Ein langer Zeiger drehte sich im Kreis und blinkte immer kurz auf, wenn er den roten Punkt berührte.

„Was sind die kleinen gelben Punkte?“, fragte ich.

„Das sind die Lebewesen die um uns sind.“

Vorsichtig schaute ich um mich, konnte jedoch nichts erkennen. Die Geräusche kamen meistens von oben oder ganz unten. Es war ein Glück das wir noch nicht unsere Waffen einsetzen mussten. Immerhin kann ich es überhaupt nicht ausstehen Tiere töten zu müssen.

Später beendete ein gefallenes Gebäude unseren Weg. Links und rechts waren nur wieder Mauern und weitere Häuser.

„Jetzt müssen wir wohl klettern.“, meinte Ryan und lief hinüber zu einer Mauer. Er hatte kein Problem damit, denn er teleportierte sich sofort auf die andere Seite.

„Ryan, ist alles ok dahinten?“, rief Nova, aber es kam keine Antwort zurück. „Ryan!“

Ich wurde unruhig durch sein stilles Verhalten auf der anderen Seite. Mit einer ausgestreckten Hand zielte ich auf eine Eisenplatte, die perfekt für eine Brücke sich eignete. Sie schwebte langsam auf die Mauer zu und passte sich ihr an. Zuerst lief ich hinüber und sah Ryan der wie angewurzelt an einer Mauer stand.

„Wieso antwortest du nicht?“, rief ich etwas gereizt.

Wieder kam keine Antwort zurück und es schien so als würde ihn etwas ablenken. Wütend stampfte ich auf ihn zu, doch dann war ich genauso gefesselt wie er. Vor mir war eine weite Wiese mit den verschiedensten Blumen. Im Mondschein sah man einen leuchtenden Schimmer über die hinweggleiten und der Wind erweckte das Blumenmeer zum Leben. Wie konnte eine solch wunderschöne Wiese in der Wüste bloß erblühen? Ist der Boden tatsächlich so reich an Nährstoffen und fällt so oft das Wasser vom Himmel? Das alles schien mir ein wenig komisch vorzukommen. Es schien sich der natürlichen Umgebung nicht anzupassen, besonders nicht, wenn von zwei Seiten Müll herumliegt. Die anderen waren genauso verblüfft wie wir beide.

„Dieser Prozess sollte eigentlich nie möglich sein. Schon allein der Boden und die Umgebung schaden den Blumen. Selbst die Schadstoffe in der Luft sind äußerst gefährlich.“, erklärte Valerie.

Nova betrat vorsichtig die Wiese und pflückte eine Blume.

„Sie ist absolut echt.“

Die Blume hatte eine seltsame Form. Sie war so groß wie eine Tulpe und ihre blauen Blütenblätter waren gezackt. Der Griffel und die Staubblätter wippten ständig hin und her, als würden sie tanzen. Eins war mir sofort klar, das war nicht der Wind.

„Dann müsste die Blume ja Muskeln haben, oder?“, fragte Nova.

„Gut möglich.“, meinte Valerie.

„Leute, ich will ja nicht eure Zerstreuung unterbrechen aber wir bekommen Besuch.“, rief Jim und hielt seine Maschinenpistole einem seltsamen Wesen entgegen. Der Aufbau war wie bei einem Puma. Das Fell hatte dieselbe Farbe, aber ihr Schwanz war anders. Zuerst verlief er in einem Stück, doch dann spaltet er sich in zwei. Am Ende waren keine Haare, sondern ein dicker bewegender Faden. Er war durchsichtig und es sah so aus, als hätte er etwas mit dem Tastsinn zu tun. Dasselbe befand sich auch an seinen Ohren. Am Ende waren nur etwas in die Länge gestreckt worden und dann kam dieser merkwürdige Faden. Er erinnerte mich ein wenig an die Tentakel einer Qualle. Ihre Pupillen waren so groß, das man ihren Iris nicht erkannte. Sie fauchten uns an und es schien als wollten sie die Wiese verteidigen. Jedoch warum?

„Was sind das für Kreaturen?“, fragte ich leise.

„Ich habe keine Ahnung, aber wir sollten wohl langsam wieder gehen.“, murmelte Jim nervös.

„Sie nennen sich Nagalya.“, rief Ryan und schien keine Furcht vor ihnen zu haben.

„Woher weißt du das?“

„Jetzt bin ich aber enttäuscht.“, lachte er.

„Wieso?“

„JC hat so einen als Haustier.“

„Was?“, rief ich entsetzt.

„Ich musste einmal bei ihr etwas abholen und mich sprang so ein Tier an. Zuerst hatte ich auch Angst, aber eigentlich sind sie diejenigen die furchtbare Angst haben. Sie werden euch nichts tun solange ihr ihr Gebiet nicht zerstört.“

„Klingt fair.“, rief Jim von hinten. „Aber wie sollen wir das anstellen?“

„Wir umgehen sie am besten.“, schlug Valerie vor und schlich an der Wand langsam vorbei. Die anderen folgten ihr. Mich plagte immer noch ein merkwürdiges Gefühl. Hier stimmte etwas nicht, schon allein die Wiese ließ meinen Körper kribbeln. Mir ging auch eine Frage nicht aus dem Kopf, wieso bauten die Menschen diese Stadt nicht einfach neu? Dafür musste es einen wichtigen Grund geben. Immerhin bauen die Eaganer Naga und Desar auch wieder auf.

„Lou! Komm schon!“, rief Nova von der anderen Seit und riss mich dabei aus meinen Gendanken. Vorsichtig behielt ich die knurrenden Nagalya im Auge. Auf der anderen Seite angekommen, ging die Kletterei und Kriecherei weiter. Wir landeten wieder auf der großen Straße und kamen dem Ziel immer näher. Doch plötzlich blieb Valerie schockierend stehen. Verdutzt schaute ich sie an. „Was ist?“

„Der Punkt wurde rot. Das ist ganz schlecht.“

„Was ist daran so schlecht?“, fragte ich.

„Das heißt das Zielobjekt befindet sich direkt unter uns.“, antwortete sie mit bedenklicher Stimme.

„Ok. Ersten ist es dort unten Stockdunkel, zweitens wissen wir nicht ob dort ein Weg überhaupt hinunter führt und drittens ich werde dort nicht hinunter steigen.“, wimmerte Jim.

„Sei kein Angsthase, wenn du nicht möchtest kannst du ja ganz allein hier oben bleiben. Aber nimm dich vor den anderen Tieren in Acht, sie könnten dich angreifen.“, ängstigte Valerie ihn.

„Also gut, ich komme mit.“

Ryan nahm ein Knicklicht heraus und machte es an. Es gab ein Loch in der Straße und in der Nähe sollte das Artefakt sein. Er schmiss das Licht hinein und in wenigen Sekunden landete es auch schon auf dem Boden.

„Nach meinen Berechnungen sollte es nicht tiefer sein als vier Meter. Lou, Ryan und ich werden zuerst hinunter gehen. Bereit?“, fragte Valerie. Wir nickten und Ryan teleportierte sich hinunter. Ich hatte kein Problem damit vielleicht das Bein zu brechen, da ich schon aus dreihundert Meter in die Tiefe stürzte. Deshalb griff ich Valerie unter den Arm und stützte sie ein wenig. Dadurch verletzte sie sich beim Aufsprung nicht. Der Rest hielt sich an Ryan fest, der wieder oben war und teleportierte die anderen nach unten.

„Soweit, so gut.“, murmelte Valerie und versuchte im Dunkeln etwas erkennen zu können. Wir machten unsere Lampen wieder an den Pistolen und Gewehren an und doch waren wieder überall nur zerbrochene Einzelteile.

„Das Ziel ist nur noch wenige Meter weit entfernt.“, rief sie.

Alex schlug einen Weg ein und wir folgten ihm. Doch dann tat nach einiger Zeit immer mehr mein Kopf weh und meine Augen wurden schwächer. Ich fasste mir an die Stirn und kühlte sie durch meine kalte Hand. Ryan bemerkte mein seltsames Verhalten und ging auf mich zu.

„Was ist los?“, fragte er besorgt.

„Mein Schädel platzt gleich.“, ächzte ich.

„Vielleicht ist die Luft hier unten zu stickig für dich. Soll ich mit dir an die Oberfläche?“

Aber dann konnte ich nichts mehr sehen und geriet in Panik. Ich hing mich ängstlich an Ryan, da ich nicht wusste wo hier ein Abgrund war.

„Ich sehe nichts mehr.“, rief ich und alle kamen zu mir gelaufen. Jim schwank mit der Lampe hin und her, jedoch konnte ich dann in meinem Auge einen brennenden Stich spüren.

„Nein! Hör auf! Das tut weh, macht bitte das Licht aus.“, rief ich. Es wurde wieder dunkler, aber dann merkte ich sofort was los war, als ich Umrisse deutlich erkennen konnte.

„Lou, deine Augen…“, rief Ryan.

„Nicht schon wieder. Was nun?“

„Du könntest uns eine große Hilfe sein. Du siehst besser als wir, falls ein Abgrund kommt, warne uns.“, befahl Valerie und schlug wieder eine Richtung ein. „Hier lang!“

Ich hielt Ryans Hand und fühlte mich dadurch sicherer. Tatsächlich konnte ich viel besser sehen, als nur mit einer Taschenlampe. Aber mir fielen auch eine Art Mäuse auf, fliegende oder sogar welche die durch die Luft segelten. Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich den anderen von den Tieren erzählen sollte, vielleicht verunsicherte sie das. Aber hier unten war der reinste Dschungel. Egal wohin ich auch schaute, immer flog etwas vor meiner Nase weg oder krabbelte über meinem Kopf. Unkraut wuchs vom Boden hinauf und Schlingpflanzen umklammerten die Steine und überdeckten den Boden. Es war wie eine zweite Welt. An der Oberfläche herrschte nur Chaos und Dreck, jedoch hier unten, begannen die Pflanzen ein neues Leben zu wecken und deswegen sind auch die Nagalya in der Nähe der Wiese gewesen. Wahrscheinlich haben sie Angst in die Wüste zu laufen und sich dabei zu verirren. Sie würden verhungern. Ich konzentrierte mich völlig auf das Artefakt. Wenn es etwas Besonderes ist, müsste ich es eigentlich mit meinen Augen deutlich erkennen können.

„Wir stehen genau unter ihm.“, rief Valerie und blieb stehen.

Langsam ging ich zum Abgrund hinunter und sah etwas Strahlendes auf einem Stein liegen. Es war wie das Licht einer Taschenlampe, das in meine Augen schien.

„Ich geh runter und hole es!“, rief ich und noch bevor mich Ryan davon abhalten konnte, sprang ich hinunter. Es war einfach hin und her zu springen, da die Umrisse sehr deutlich zu erkennen waren und sogar wusste, wo eine Stelle rutschig oder eher kantig war. Mir fiel es schwer in die Nähe des Artefakts zu kommen, da das Licht in meinen Augen brannte. Ich schloss sie und nahm es in die Hand. Das Licht war verschwunden.

„Ich hab es.“, rief ich.

„Gut! Schnell komm hoch und dann nichts wie raus hier.“, rief Jim erleichtert.

Als ich aber auf den nächsten Stein springen wollte, stand eine Frau vor mir. Ich erkannte schwache Umrisse. Sie hatte lange helle Haare und trug ein langes Gewand. Ihr Gesichtsausdruck war traurig und verzweifelt.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte ich vorsichtig und wollte schon zu ihr hinüber springen.

„Was ist los, Lou?“, rief Jim und schaute zu mir herunter.

„Siehst du denn die Frau nicht?“

Er leuchtete mit der Taschenlampe genau an die Stelle wo die Frau war, aber das Licht schien durch sie hindurch. In meinen Adern gefror das Blut und mein Atem stockte. War das etwa ein Geist? Wie kann durch eine Person Licht scheinen? Das ist absolut unmöglich.

„Du guckst ja als hättest du ein Geist gesehen. Was ist, Lou? Antworte doch!“ Jetzt wurden auch die anderen auf meine seltsames Verhalten aufmerksam.

„Lou!“, rief Nova. Die Frau schaute zu den anderen hinauf und blickte dann kopfschüttelnd zu mir. Wie ein zarter Hauch verschwand sie. Erst jetzt kam ich wieder zu mir und kletterte hinauf.

„Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Hast du etwas gesehen?“, fragte Valerie.

„Da war eine Frau…sie…hat geweint, glaube ich.“, stammelte ich und musste erstmals von dem Schock loskommen.

„Also egal was du gesehen hast. Dort war keine Frau.“

„Vielleicht haben dir deine Augen einen Streich gespielt oder die Luft ist für dich hier unten nicht gut. Wir gehen besser schleunigst nach oben.“, meinte Jim.

Wir waren schneller an der Oberfläche als gedacht und kamen auch am Schiff schnell an. Dort startete Valerie das Schiff und es hob ab. Nova und Alex schauten sich das merkwürdige Artefakt genauer an. Es war eine Flasche aus besonderem Plastik und darin waren winzige leuchtende Pünktchen die ab und zu an die Plastikwand prallten. Sie schwebten langsam hin und her und wenn man sie schüttelte, drehten sie völlig am Rand, wie ein aufgeweckter Schwarm. Meine Augen kamen diesmal viel schneller in ihren normalen Zustand, als beim letzten Mal. Nun schaute ich mir auch das Artefakt an und fand es faszinierend wie sie durch die Flasche schwebten, als würden sie leben.

„Was will der Professor mit Miniglühwürmchen?“, lachte Jim und war etwas enttäuscht von dem Pfund.

„Was hast du erwartet? Gold?“, schmunzelte ich.

„Nein, aber etwas das wir noch nie im Leben gesehen haben. Einfach etwas Atemberaubendes.“

„Ich finde das schon ziemlich interessant was sich in dem Behälter befindet, du etwas nicht?“

Er schüttelte den Kopf und setzte sich nach vorne auf den Sitz. Valerie schaltete den Autopilot ein und nahm den Behälter auch einmal unter die Lupe.

„Wow, das ist echt beeindruckend. Wenn schon ich keine Erklärung dafür finde, muss es wirklich von großer Bedeutung sein.“, bewunderte Valerie die winzigen Leuchtkügelchen.

Plötzlich gab es einen großen Knall und das Schiff kam zum Beben. Ich fiel auf den Boden.

„Was ist da los?“, rief Nova und hielt sich an einer Stange fest.

„Passt auf den Behälter auf. Er darf nicht zerbrechen. Vielleicht sind es nur Turbulenzen.“, schrie Valerie und begab sich wieder mit Ryan in den Cockpit. Nova griff sich den Behälter und setzte sich hin. Ich schnallte mich feste an und wieder gab es einen kräftigen Ruck.

„Verdammt! Wir werden angegriffen. Benetts Schiffe müssen uns gefolgt sein. Wahrscheinlich wollen sie das Artefakt. Alex, Nova geht an in die Schießräume, rechts und links der Flügel.“

Nova drückte mir den Behälter in die Hand und verschwand gleichzeitig mit Alex in den Räumen. Dann konnte ich deutliche schnelle Schüsse hören. Immer wieder bebte das Flugzeug und ich war völlig nervös. Wie viele Schiffe sind dort draußen und schießen auf uns? Was war wenn wir abstürzten?

„Das hört einfach nicht auf. Hier stürzt ein Schiff nach dem anderen ab und trotzdem wird immer noch geschossen. Woher kommen die bloß alle?“, ärgerte sich Valerie im Cockpit. „Das hat keinen Zweck! Nova, Alex schießt sie jetzt mit Raketen ab.“

Dann hörte ich kurz darauf einen lauten Knall und danach noch einen. Ich schaute gespannt aus dem Fenster im Cockpit und dann landeten wir in einer Wolkendecke. Nichts war mehr zu sehen.

„Das ist ein gutes Zeichen. Ich werde von Triebwerken auf NZ- System umwandeln, so sind wir schwerer zu orten und können in den Wolken nicht entdeckt werden.“

„Was ist das NZ-System?“, dachte ich laut.

„Damit gehen wir vom Verbrennungsmodus zum Schwebemodus. So sieht niemand das Feuer der Düsen nicht und stattdessen aktivieren wir eine künstliche Magnetkraft. Nachtteil davon ist, das wir leider nicht schneller als zweihundert Kilometer pro Stunde fahren können.“

„Es ist ja nur damit wir nicht entdeckt werden.“, fügte Valerie hinzu.

„Zu spät!“, rief Ryan und ein riesiger Knall erwischte den Flügel.

„Okay! Alex, Nova sofort aus dem Raum raus und setzt euch wieder in die Sitze. Jetzt machen wir eine Bruchlandung und das über den Galagybergen.“

Ich spürte wie die Schwerkraft mich nach unten zerrte und ein Bauchkribbeln in mir entfachte. Ich krallte mich an den Sitzlehnen fest und betete dass wir wirklich auf einem Berg landen und nicht auf dem Boden, der weitere tausende Meter unter uns liegt. Dann die Landung. Ich fühlte mich wie auf einer extremen holprigen Fahrt in einem Flugsimulator. Nur das es dieses Mal echt war und es irgendwann zum Stehen kam, indem wir gegen etwas prallten. Ich vernahm nur Geächze und Gekeuche. Mir fehlte nichts, jedoch sah es im Cockpitraum ziemlich übel aus. Die Scheibe war zerbrochen und ein Stein erdrückte das Tablett mit allen Knöpfen. Jemand klagte vor Schmerz und schnell lief ich in den Cockpit. Valerie hatte einen Stock im Bauch stecken und Ryan eine Platzwunde am Kopf.

„Jim! Schnell, kümmere dich um Ryan. Ich muss Valerie verarzten.“ Jim trug Ryan hinaus und ich faste vorsichtig den Ast an.

„Tu es!“, keuchte Valerie. Mit nervösen Händen griff ich zum Stock und zog ihn ohne zu zögern heraus. Valerie schrie fürchterlich und ich setzte sofort meine Heilkräfte ein. Die Wunde verschloss, aber trotzdem war sie sehr geschwächt und dagegen konnte ich nichts ausrichten. Die Schmerzen waren vielleicht vorbei, jedoch war ihr Körper sehr entkräftet. Ryans Wunde verschloss ich auch sofort und fragte die anderen ob jemand noch verletzt sei. Valerie war die einzige die jetzt Ruhe brauchte und Jim blieb bei ihr.

„Was nun?“, fragte ich.

„Nun, wir befinden uns in einem hohen Gebirge und vielleicht sollten wir uns mal umsehen. Das Schiff jedenfalls ist Schrott. Schon allein die Instrumente im Cockpit sind durch den Stein zerstört worden.“, schlug Alex vor.

„Denkst uns verfolgen Benetts Leute?“

„Ich denke eher nicht. Wahrscheinlich halten sie uns sogar für tot. Außerdem ist es draußen extrem nebelig. Eine Suchaktion wäre völlig sinnlos.“

„Also gut, auf geht´s!“

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 22 – Die Galagaberge

 

 

Tatsächlich konnte man nichts erkennen. Der Nebel war radikal dicht.

„Es ist Nacht und ich bin ziemlich müde. Morgen wird sich der Nebel bestimmt schon gelegt haben. Wir können morgen immer noch auf Erkundungstour gehen.“, meinte Nova und stieg wieder ins Flugzeug. Ich rieb mir an den Armen, da es hier oben sehr kalt war und nur ein T-Shirt mit Stulpen trug.

„Es ist auch kalt.“, stotterte ich.

So schnell wie wir draußen waren, waren wir auch wieder drinnen. Alex fluchte weil der Heizkörper beschädigt wurde. Doch Nova brachte warme Wolldecken und Valerie lag auf einem aufklappbaren Bett. Trotz dieser Decke zitterte mein Körper immer noch. Ich legte mich auf ein weiteres Bett und konnte dennoch nicht einschlafen weil meine Zähne klapperten. Die anderen schliefen schon sofort ein, aber Ryan bemerkte mein Klappern.

„Immer noch kalt?“, fragte er lächelnd.

„Ein bisschen.“, schlotterte ich. Er legte sich hinter mich und schlang seinen Arm um meinen Bauch. Er deckte mich mit seiner Decke noch zu und presste sich eng an mich. Meine Zähne klapperten nicht mehr und mir wurde warm. Ich war vollkommen müde und ein wenig angeschlagen, weil wir nicht zu Hause waren.

Am nächsten Morgen war der Nebel verschwunden und außer mir und Valerie war keiner mehr im Schiff. Sogar Ryan war nicht mehr hinter mir, aber seine Decke hat er da gelassen. Lässig stand ich auch und ging zu Valerie, die noch schlief. Ihr schien es besser zu gehen. Im Cockpit hatten sie die Jalousien herunter gefahren, damit es schön dunkel im Schiff blieb. Auf einem Knopfdruck fuhren sie wieder hoch und die Sonne schien. Über dem Stein ging der Dschungel weiter, vielleicht sollten wir dort mal hochgehen. Ich musste die Frachtklappe öffnen, da der andere Ausgang klemmte. Die Sonne schien in meine Augen und ich hörte schon die ersten Wörter von Alex.

„Wir können etwa nur hier weg, wenn wir ein Signal aussenden oder ein anderes Schiff finden mit dem wir nach Hause fliegen können. Ich hab gehört es soll sogar hier Einheimische geben.“, lachte er zum Schluss.

„Das ist Blödsinn! Die Berge sind viel zu hoch für sie. Wie hätten sie denn hier hinauf kommen können?“, meinte Jim.

„Mit einem Flugzeug?“

„Natürlich. Einheimische die die Natur schützen und ehren fliegen mit einem aus Metall gebauten, Schrottkiste nach oben.“

„Du musst mir ja nicht glauben.“, entgegnete Alex.

„Morgen!“, rief ich.

Ich wurde von allen zurück gegrüßt, aber Nova fehlte.

„Wo ist Nova?“

„Sie hat sich auf die Suche nach etwas brauchbaren gemacht.“, antwortete Ryan.

„Wo finde ich etwas zu essen?“

„Im Schiff.“

Es gab einen Kühlschrank im Frachtraum, den ich mir sofort zu Nutze machte. Dort waren Obstsorten und Fertiggerichte in Dosen drinnen. Dosenfutter mochte ich nicht und deswegen nahm ich mir einen Apfel und eine Banane. Jim nahm sich seinen Stuhl nach draußen und legte sich in die Sonne. Er hatte sein Hemd ausgezogen und genoss die Wärme der Sonne.

„Hey Jim, wir sind hier nicht im Urlaub.“, rief ich und lachte zum Schluss.

„Wenn du einen Plan hast wie wir hier wegkommen, dann hör ich auf mich zu sonnen. Außerdem, wann trifft man schon so eine Gelegenheit. In der vier Himmelsstadt ist es sowieso kaum sonnig, weil die Häuser alles verdecken.“

„Da hast du Recht.“, gestand ich.

Bevor ich in den Apfel reinbiss, erschrak ich fürchterlich, etwas entriss ihn aus meiner Hand. Als ich auf den Boden schaute, steckte der Apfel in einem Pfeil. Wie angewurzelt blieb ich stehen und jubelnde Schreie ertönten oben auf einer Hangebene von einigen merkwürdig gekleideten Menschen. Ihre Haut war dunkler als unsere und ihre Haare waren mit buntem Holzschmuck besteckt. Ihre Kleidung war aus Fellen und ihre Gesichtsausdrücke waren nicht gerade freundlich. Sie zielten mit einem Bogen auf uns.

„Wenn einer uns zu nahe kommt, dann schießen wir.“, warnte einer der Männer und sprach dabei mit einem Akzent.

„Was sagtest du noch gleich, Jim?“, stammelte ich.

Er zog sich rasch sein T-Shirt an, dann kam auch gleich Nova und hielt dem einen Mann die Pistole gegen den Kopf.

„Ich denke wir sollten das ohne Waffen klären, oder?“, sprach sie mit kühler Stimme. Der Mann gab eine Handbewegung und sie ließen die Waffen runter. Nova sprang den Abhang herunter und lief zu uns.

„Das sind Menschen aus unserer Heimat, also von der Erde. Sie haben sich schon seit einigen Jahren hier eingelebt. Wahrscheinlich sind sie nicht sehr erfreut darüber, dass wir ihr Reich stören, aber wenn wir mit ihnen reden, könnten sie uns helfen.“

Die Männer stiegen den Abhang hinunter.

„Was wollt ihr hier?“, fragte der Mann, der anscheinend ihr das Sagen hatte.

„Wir kommen in friedlicher Absicht, das heißt unser Schiff ist abgestürzt und nun kommen wir nicht nach Hause. Wir dachten ihr könntet uns helfen.“, schlug Alex vor.

„Helfen? Ja, das könnten wir. Aber leider gibt es da ein kleines Problem. Was bekommen wir dafür.“

„Was verlangt ihr?“

„Das müsst ihr mit unserem Häuptling besprechen. Kommt.“, rief er und wir folgten ihnen. Tief Dschungel verborgen trafen wir dann auf ihre Heimat. Überall waren Zelte aufgestellt und es liefen Frauen und Kinder umher. Sie starrten uns ängstlich an und gingen in die Zelte, sobald wir an ihnen vorbeiliefen. Vor einem besonders großen Zelt blieben wir stehen. Ein Mann mit einer Federkrone und langem Gewand stand von einem Kissen auf.

„Ich hab das Gefühl, das diese Menschen Indianer sind, oder?“, flüsterte ich Jim zu.

„Gut möglich, bestimmt würde es…“, stoppte er am Schluss und blickte erschrocken zu mir.

„Valerie ist noch im Flugzeug.“, munkelte er panisch.

Valerie hatten wir völlig vergessen, weil die Indianer uns überraschten. Sie wird uns nicht finden können. Der Dschungel hier ist der reinste Irrgarten.

„Sobald wir hier fertig sind, soll Ryan sich zu ihr teleportieren.“

„Gut.“

Er trat vor zu Alex und hob eine Hand, als wollte er zeigen dass sie auch in friedlicher Absicht hier sind.

„Ihr seid also abgestürzt und braucht nun ein Schiff, richtig?“

„Ja.“

„Ihr bekommt eins, wir haben eines hier versteckt und es funktioniert auch. Jedoch möchten wir euch ebenfalls um einen Gefallen bitten.“

„Und der wäre?“, fragte Alex unsicher und hatte ein ungutes Gefühl dabei.

„Es herrscht schon seit vielen Jahren Krieg zwischen einem anderen Stamm, obwohl wir davor wunderbare friedliche Jahre hatten. Jedoch glaubte der anderen Stamm an ein Geschenk ihres Gottes. Sie möchten ihren Kriegsanführer mit einem der Stadtbewohner verheiraten, damit sie ein wichtiges Ritual durchführen können. Nur leider findet man nicht überall einen Stadtbewohner. Wir schlugen dem anderen Stamm also einen Handel vor, einer meiner Leute flog mit dem Schiff in die Menschenstadt und sprach mit einem der Frauen, aber keine wollte es mit uns zu tun haben. Also mussten wir warten auf ein Wunder. Und jetzt sind Stadtmenschen hier auf unseren Bergen gelandet und wir schlagen ihnen ein Handel vor. Deswegen möchten wir das einer der zwei Mädchen den Kriegsanführer heiratete und dafür bekommt ihr unser Schiff.“

„Das ist albern.“, meinte Jim.

„Es ist eure Entscheidung.“

Mit einer raschen Handbewegung kamen zwei seiner Wachen auf uns zu und baten uns hinaus zu gehen. „Wenn ihr eine Entscheidung getroffen habt, dann sagt mir Bescheid.“

Draußen bekamen wir ein Zelt und dort sprachen wir über den Deal. Ryan konnte nicht mitreden, da er sich sofort wieder zum Schiff zurück teleportierte um Valerie zu holen.

„Wir haben eigentlich keine andere Wahl.“, meinte Nova. „Dadurch das die ganzen Instrumente kaputt sind, konnten wir auch keine Signal an das Zentrum schicken. Der Professor hat überhaupt keine Ahnung wo wir sind und außerdem liegt uns Benett im Nacken. Wahrscheinlich wird er uns sogar suchen.“

Einen Moment lang herrschte Stille. Ich konnte Nova das nicht antun und Valerie ist viel zu geschwächt dafür. Außerdem kann ich nach dieser Hochzeit sofort wieder weglaufen und der Stamm ist bestimmt wieder vereint, weil so der Handel der beiden war.

Mich riss ein Indianer aus meinen Gedanken und setzte sich zu uns ins Zelt.

„Das sind Geschenke des Häuptlings, bitte, tragt sie.“

Er drückte uns silberne Ringe in die Hand und sie sahen ziemlich nett aus.

Er verließ auch schon wieder das Zelt.

„Wir lassen sie lieber an. Wir dürfen sie nicht verärgern, wahrscheinlich sind wir bei ihnen wirklich sicher.“

„Gut, ich werde diesen Typen heiraten.“, meldete ich mich.

„Was?“, riefen alle schockiert.

„Ich glaube Ryan gefällt das nicht.“, meinte Alex.

„Aber dir kann ich das nicht antun Nova. Außerdem hab ich Erfahrung wie man mit solchen Situationen umgeht. Vertraut mir.“

„Ich hab dabei ein ungutes Gefühl.“, murmelte er.

Wir benachrichtigten den Häuptling und er war sehr erfreut darüber das endlich eine Entscheidung gefallen war und das auch noch so plötzlich. Ryan tauchte mit Valerie immer noch nicht auf und das machte mir Sorgen. Vielleicht war Valerie nicht mehr im Schiff und er suchte sie. Trotzdem hatte ich ein schlechtes Gewissen ihm gegenüber. Er hätte Bescheid wissen müssen.

Am Abend meinte der Häuptling ich sollte mich so ankleiden wie sie. Zuerst zögerte ich, aber schließlich wollte ich nach Hause und willigte ein. Nun trug ich denselben Schmuck in den Haaren wie die anderen Frauen, ein kurzes Röckchen und ein bauchfreies Oberteil. Sie legten mir noch rasselnde Ketten an meine Füße, um den Hals und am Handgelenk. Ich kam mir etwas albern vor und zog ständig den Rock etwas herunter. Der Typ mit dem ich verheiratet werden sollte, war muskulös und hatte einen protzigen Gesichtsausdruck. Wir mussten uns auf ein Kissen knien und die Hände nach oben halten. Es wurde ein merkwürdiges Ritual durchgeführt und ständig folgten Sprüche und Gesang, sowie Trommelschläge und Tänze. Als es endlich zu Ende war, wollte ich wieder zu den anderen gehen, aber der protzige Typ zog mich in ein Zelt. Ich wollte mich losreißen und Hilfe rufen, aber der Gesang und das Getrommel waren zu laut. Das Zelt war von innen teilweise aus Holzwänden ziemlich groß.

Ich drückte mich gegen die Wand und hoffte das er mich gehen ließe. Aber dann fuhr er mit seinen Händen über meinen Bauch. Ich schubste ihn zur Seite, aber er versperrte mir wieder den Weg. Dann setzte ich meine Magnetkraft ein, aber es funktionierte nicht. Er griff nach meinem Handgelenk, jedoch war seine Kraft viel zu stark. Mit einem Ruck zerrte er mich auf eine Wolldecke und mein Herz begann vor Angst zu rasen. Ich wusste was in seinem Kopf vorging und was sein Ziel war.

„Wehr dich nicht. Es sind deine Ehepflichten.“, rief er und setzte sich auf mich. Er war so schwer, das ich glaubte er zerdrückte mein Becken. Ich schrie wie noch nie und doch konnte mich keiner hören. Es schien schon so, als würde sie absichtlich so laut singen und Trommel, damit man meine Schreie nicht hörte. Indem Moment wollte ich die Zeit zurückdrehen und den Handel ablehnen. Dieser Häuptling hatte das alles geplant und was mit mir geschah war ihm völlig egal. Ihm waren seine egoistischen Wünsche wichtiger, als das andere Leute dadurch leiden mussten. Was war da bloß für ein Mensch?

Ich wehrte mich und schlug ihn, doch er konterte alles und ich erlitt scheußliche Schmerzen. Ständig fuhr er mit seinen Pranken über meinen Bauch und mir liefen die Tränen hinunter. Noch nie verspürte ich eine solche Angst. In all meinen Beziehungen wurde zwar manchmal auch geschlagen, aber noch nie wagte es jemand mich so derart zu behandeln. Eine Vergewaltigung wäre das Schlimmste und Abscheulichste in meinem Leben. Es wäre ein Abschnitt der wahrscheinlich nie aus meinen Erinnerungen verschwinden würde. Trotzdem gab ich nicht auf und schrie ständig weiter. In meinen Gedanken war nur Ryan, wo war er bloß?

Er hatte schon mein Oberteil ausgezogen und ein Glück hatte ich noch einen BH darunter. Vom ganzen Geschreie und Wehren verlor ich an Kraft. Am liebsten würden ich einfach wieder bewusstlos werden. Es ist sowieso schon schlimm genug, das ich alles ertragen musste. Ich schmerzte schon am ganzen Körper und bemerkte gar nicht die blutigen Verletzungen an meinen Armen.

Doch dann hörte draußen das Getrommel auf und es war absolut still. Mein vergewaltigender Ehemann stand auf wollte aus dem Zelt schauen. Ich zog mir wieder mein Oberteil an und wollte weglaufen, aber ich war vollkommen entkräftet. Denn meine Körper war wie gelähmt.

Plötzlich schlug jemand hart zu und er flog gegen die Holzwand. Der Kriegsführer spuckte Blut und stand wütend auf.

„Komm rein, du dreckiger Mistkerl.“, schrie er und keuchte.

„Ich bin doch schon hier.“, flüsterte ihm eine aggressive Stimme zu. Ryan stand neben ihm und mit einem wuchtigen Schlag boxte er ihn durch die Wand. Er prallte gegen einen Bauchstamm und die Chance das er noch lebte, war gering.

Meine Hände zitterten immer noch und ich setzte mich auf. Ryan zog seine Jacke aus und legte sie mir um meine Schultern. Er nahm mich in den Arm und ich konnte den Druck einfach nicht halten. Alles schoss aus mir heraus. Meine Tränen strömenden Tränen kullerten mir die Wange hinunter und weinte laut.

„Bitte, versprich mir das du das nie wieder machst.“, sprach er und musste selbst einige mitfühlende Tränen zurückhalten.

„Ryan, draußen…“, platzte Valerie hinein und sah wie übel zugerichtet ich war. Völlig panisch rannte sie zu mir schaute gleichzeitig durch das Loch in der Wand. Sie erkannte den muskulösen Typen und wusste gleich was geschehen war.

„Dieser…“, biss sie auf die Zähne und ballte die Fäuste. „Ryan, ich habe die anderen gefunden. Anscheinend wurden sie durch einen Mechanismus bewusstlos gemacht und die Ursache war der Ring. Du musst ihn ihr ausziehen, das raubt bloß ihre Kräfte.“

Vorsichtig nahm Ryan meine Hand und zog mir den Ring aus. Mein Körper war viel zu zitterig und schwach, als das ich ihn mir ausziehen könnte.

„Kannst du bei den anderen bleiben?“

Sie nickte und verschwand wieder aus dem Zelt.

„Ich bin so froh, dass du gekommen bist, länger hätte ich es nicht mehr ertragen.“, schluchzte ich.

„Wir schnappen uns das Schiff und schauen das wir hier wegkommen. Valerie hat aus einem der Indianer herausbekommen wo sich das Schiff befindet.“

„Warum ist es eigentlich so still geworden?“, fragte ich verwundert.

„Nun ja, ich war ein wenig wütend.“, schmunzelte er.

Ich musste lächeln, da ich für einen Moment vergaß, was passiert war. „Wirst du laufen können?“

Ich versuchte aufzustehen, aber mein Becken schmerzte. Der muskulöse Typ hatte es mir erdrückt. Ryan gab mir seine Hand und half mir ein wenig hoch. Ich war noch ein wenig wackelig auf den Beinen und hielt mich an ihm fest.

„So wird das nichts.“, meinte er und drehte mir den Rücken zu. „Ich nehme dich Huckepack.“

Mit einem Sprung umschlang ich seinen Hals und er umfasste meine Beine. Dann rannte er los und die anderen wurden endlich wach. Zuerst waren sie schockiert über meinen Zustand, aber Valerie ging voraus zum Schiff. „Folgt mir!“

Das Schiff war gut versteckt in der Nähe eines Wasserfalls. Die Indianer bedeckten es mit Blättern und Sträuchern. Valerie suchte den Eingang und wir stiegen ein. Das Schiff war einfach zu bedienen und brauchte auch keinen Copiloten, so konnte Ryan bei mir bleiben. Ich lag mit dem Kopf auf seinen Beinen und versuchte den Schmerz zu unterdrücken.

„Es tut uns so leid, Lou. Wie waren so naiv, was die Ringe betrifft. Alex hatte recht mit seinem unguten Gefühl. Das nächste Mal sind wir wachsamer.“, entschuldigte sich Nova.

„Es ist nicht eure Schuld. Ich war ja die naivste von allen. Tatsächlich glaubte ich, dass die Indianer so dumm wären und ihr einziges Schiff weggeben würden. An alledem bin ich auch beteiligt.“

„Ok, das nächste Mal gehe ich heiraten, alles klar?“, grinste Nova um mich wieder aufzumuntern.

„Abgemacht.“, lächelte ich.

„Jedenfalls wird Benett das Schiff nicht verdächtigen. Immerhin fliegen wir ein Wildfremdes. Also müssten wir in Ruhe nach Hause kommen.“

„Oh nein! Das Artefakt.“, rief ich panisch.

„Keine Sorge, ich hatte es die ganze Zeit bei mir.“, rief Valerie.

„Irgendwie war es gut dich im Schiff zurückzulassen, dadurch hast du unser Leben gerettet und das Artefakt.“

Die anderen setzen sich wieder in die Sitze und fingen mit ihrem Nachbarn Gespräche an.

„Dir danke ich auch Ryan. Du bist wirklich immer für mich da.“

Er küsste mich.

Nach vielen ersehnten Stunden kamen wir schließlich im Zentrum an. Zuerst wollten sie und nicht hereinlassen, aber Valerie gab ihnen Bescheid. Im Zentrum wurde ich sofort verarztet und ruhte erneut in meinem Zimmer. Ryan besuchte mich nach einigen Stunden.

„Wie geht´s dir?“, fragte er.

„Naja, ich liege schon wieder hier. Ich hab das Gefühl man will mich damit ärgern.“

Er lachte.

„Wenigstens haben wir das Artefakt. Der Professor hat sich Sorgen um uns gemacht, als er schon zu Hause war und erfuhr, dass wir uns nicht mehr meldeten.“

„Wie war die Konferenz?“

„Er meinte einige behielten jetzt Benett besser im Auge. Trotzdem mussten sie dem irgendwie ein Ende setzen. Benetts Zentrum wird nun durchwühlt, aber das wusste er schon längst und versteckt nun seine illegalen Spielchen.“, erzählte er.

„Ich hasse ihn!“, fluchte ich.

„Irgendwann werden wir ihm einen Schlussstrich ziehen, da bin ich mir sicher.“, munterte er mich auf. „Ich werde dich erstmals in Ruhe lassen. Vielleicht komme ich später wieder!“

Bevor ich etwas sagen konnte, verschwand er, erneut.

Ich ließ mir die ganzen Geschehnisse durch den Kopf gehen, die Wiese in Navina, die Nagalya und das Artefakt. Trotzdem ging mir auch das Bild mit der Frau nicht aus dem Kopf. Wieso konnte ich sie sehen und Jim nicht. Vielleicht hatte er sie auch übersehen, aber dann bräuchte ich eine Erklärung dafür, warum das Licht durch sie hindurchschien. Es ist wirklich seltsam und vielleicht weiß der Professor eine Antwort. Bei diesem Gedanken sprang ich vom Bett und besuchte den Professor in seinem Büro. Wieder saß er dort und schrieb etwas auf ein weißes Blatt.

„Oh! Hallo Lou.“, grüßte er freundlich.

„Hallo Professor, ich bin eigentlich her gekommen um sie etwas zu fragen.“

„Nur zu.“

Nervös spielte ich mit den Fingern und hatte Angst, dass er mich vielleicht für verrückt erklären würde. Immerhin hörte sich die Geschichte so an, als hätte ich einen Geist gesehen.

„Nun, als ich gerade das Artefakt genommen hatte, stand plötzlich eine Frau vor mir. Ihr Gesicht war traurig und sie schaute mich so an als bräuchte sie Hilfe. Doch als Jim das Licht auf sie schien, prallte es nicht an ihr ab, sondern ging durch sie hindurch. Es war ziemlich merkwürdig und bitte halten Sie mich nicht für verrückt, aber ich glaube es war ein Geist.“

Der Professor fasste sich ans Kinn und dachte nach. Manchmal rollten seinen Augen immer zu seinen rechten Schublade, als wollte er sie unbedingt öffnen.

„Dieses Ereignis trifft auf viele andere Aussagen zu. Bei den Eaganern kamen solche Aussagen meistens oft zu Stande, sie hätten einen Geist gesehen und wir machten uns dann auf die Suche nach einer Antwort. Tatsächlich fanden wir sie.“

Ich umgriff die Stuhllehne und starrte ihn gespannt an. „Dieser Planet hier, hat eine ganz besondere Fähigkeit die tief im Erdkern zu finden ist. Sie sondert eine Art unsichtbare Strahlung auf die Oberfläche ab, die Auswirkungen auf tote Wesen hat.“

„Sie meinen also Leichen.“

Er nickte. „Man kann es in etwas mit der Körperwärme vergleichen. Jeder Mensch sondert eine Aura von sich ab und die gelangt dann in die Atmosphäre. So ist es mit dieser Strahlung des Kerns. Wir haben lange geforscht, aber dann eine Brille erfunden, mit der man diese Strahlungen sehen kann und das Ergebnis war erstaunlich.“

„Lassen sie mich raten. Man konnte sehen, was die Lebewesen zuletzt gemacht haben, bevor sie starben, oder?“

„Das vermuten wir. Ob es stimmt ist noch unklar.“

„Wow, das ist wirklich erstaunlich. Trotzdem verstehe ich nicht, ob es sich hier wirklich um eine verbliebene „Seele“ handelt oder einfach nur eine Art Wärme.“

„Wenn ich die Antwort hätte, würde ich sie dir zu gern sagen, aber trotzdem ist es wirklich unglaublich. Ein totes Wesen, das trotzdem auf eine bestimmte Art noch lebt.“, murmelte er nur noch zum Schluss und dann fiel ihm eine neue Frage ein.

„Wie konntest du die Gestalt eigentlich mit bloßem Auge sehen?“

„Naja, meine Augen hatte sich anscheinend wieder zu viel an die Dunkelheit gewöhnt. Damit konnte ich aber besser sehen und das half den anderen. Das Artefakt leuchtete ganz stark, doch als ich es in der Hand hatte, wurde es wieder dunkel. Haben sie dafür eine Erklärung?“

„Die leuchtende Steine…“, er musste stoppen, da ich ihn unterbrach.

„Steine?“, rief ich verblüfft.

„Genau, diese Mikrosteine sind nicht sichtbar und noch nicht einmal tastbar. Sie leuchteten so hell, weil sie damals jeden Tag und jede Nacht im Licht lagen. Es nimmt nämlich die UV-Strahlen auf und speichert sie, also wie Leuchtsteine, nur viel extremer. Jedenfalls kann man mit einem dieser kleinen Steine eine besondere Maschine bauen, die Benett unbedingt haben möchte.“

„Warum eigentlich?“, fragte ich neugierig.

„Damit kann man einen Lasergenerator bauen, der in die Erdatmosphäre gelangt und von da aus kann man auf jede Stadt zielen und zerstören.“

„Und sie wollen diese Maschine bauen?“, stand ich erschrocken auf.

„Nein! Ich musste dieses Artefakt holen, sonst hätte er es in die Finger bekommen. Das Risiko wäre einfach zu groß gewesen.“

„Deswegen verfolgte uns Benett.“, dachte ich laut.

„Und auch deswegen schickte ich euch alle sechs.“

„Wo verwahren sie es nun?“, fragte ich und setze mich wieder hin.

„In einen Raum den niemand hier kennt. Es tut mir wirklich leid, Lou, aber ich kann es nicht einmal dir verraten. Das Risiko ist einfach zu groß und bitte erzähl es auch nicht weiter, was nun mit dem Artefakt geschieht.“

„Das ist schon in Ordnung, Professor. Ich verstehe ihre Sorge.“

Es herrschte eine erdrückte Stille zwischen uns, bis schließlich jemand an der Tür klopfte.

„Ja?“, rief der Professor.

JC trat herein und zuerst sah sie mich nicht, kam jedoch gleich zum Thema.

„Jemand möchte sie ganz dringend sprechen.“, rief sie.

Der Professor ging zur Tür und ab da entdeckte JC mich hinter der hohen Rückenlehne.

Ihre Augen funkelten und sie kam auf mich zu gerannt. Ihre Arme streckte sie weit aus und drückte mich feste, als ich aufstand.

„Hab ich mir Sorgen gemacht. Wir fanden keine Koordinaten des Schiffes und dachten euch sei etwas Schlimmes zugestoßen. Ich bin so froh, das dir nichts passiert ist, das nächste Mal begleite ich euch.“

„Du benimmst dich ja wie meine Mutter, wenn ich damals immer weggelaufen bin.“, lachte ich.

„Ich bin dein VHK und ich darf das. Man macht sich eben Sorgen, wenn eine Freundin vom Radarbildschirm verschwindet.“

Sie ließ mich wieder los und sie setzte sich auf den Tisch des Professors.

„Erzähl doch mal, was ist geschehen?“, drängelte sie.

„Wir waren auf den Galagybergen gelandet und sind dort auf Einheimische getroffen, die uns helfen wollten. Wir sind einen Handel mit ihnen eingegangen und haben unter Umständen am Schluss ein Schiff bekommen.“

„Unter Umständen?“, fragte sie neugierig und biss sich gespannt auf die Lippe.

„Ich musste einen Mann heiraten und…“

„Was?“, schrie sie entsetzt. Ich wartete bis sie sich von dem Schock ein wenig erholt hatte und dann blickte sie mich mit einem wütenden Blick an. „Jetzt will ich aber eine Erklärung.“

„Wenn ich ihn nicht geheiratet hätte, dann hätten wir das Schiff sonst nicht bekommen.“

Sie nahm tief Luft.

„Lou, ihr seid genmanipulierte Menschen und du meinst gegen eine Horde Einheimische die noch mit Speeren und Pfeilen kämpfen, hättet ihr nicht ankommen können?“, lachte sie unglaubwürdig zum Schluss.

„Die Galagyberge sind enorm groß, sie hatten das Schiff gut versteckt und es hätte eine Ewigkeit gedauert bis wir es gefunden hatten.“

„Ok, da muss ich dir Recht geben. Aber sag mal, sah dein Ehemann wenigstens gut aus.“, zwinkerte sie zum Schluss und stieß mit dem Ellenbogen gegen meinen Bauch.

„Er war…grauenhaft.“, murmelte ich das letzte Wort und drehte mich ein wenig von ihr weg. Mir kamen alle Erinnerungen wieder hoch. Ich spürte immer noch den Schmerz, die Verletzungen an den Armen, meine blutige Nase und als er mein Becken fast zerquetschte. Mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken, als ich mich erinnerte, wie er seine Finger über meinen Bauch glitten ließ.

„Lou, was ist passiert?“, fragte sie mit harter und absolut ernster Stimme. Ich konnte es ihr nicht sagen. Wie würde sie darauf reagieren? Sie macht sich immer solche Sorgen um mich, deswegen möchte ich ihr nicht noch weitere machen und am besten das Thema wechseln.

„Du hast ja noch gar nicht gefragt wie es in Navina war.“, setzte ich ein zwingendes Grinsen auf.

„Lou!“, rief sie.

Jetzt hatte ich keine andere Wahl. Sie würde sowieso immer wieder nachfragen und es solange versuchen, bis sie ihre Antwort bekommen hatte.

Ich atmete tief durch und drehte mich zu ihr um, doch ein Glück kam Ryan ins Zimmer. Mit einem erleichterten Lächeln wandte ich mich zu ihm und er schaute mich verwirrt an. Doch er verstand was ich damit sagen wollte und half mir sofort.

„Ach JC, da bist du ja.“, grinste er.

„Du hast mich gesucht?“, fragte sie verwundert.

„Ja,…äh…der Professor sagte du könntest Hilfe gebrauchen.“

„Hilfe? Naja, da gäbe es schon die ein oder andere Sache, wo du mir helfen könntest. Aber komm in fünf Minuten wieder, Lou wollte mir noch etwas Wichtiges sagen.“, knirschte sie zum Schluss mit den Zähnen.

„Sorry, JC.“, rief Ryan.

Er nahm meine Hand und in der nächsten Sekunde befanden wir uns in seinem Zimmer. Erleichtert fiel ich in seine Arme.

„Danke, du hast mich aus einer sehr unvermeidlichen Lage befreit.“

„Welches Gespräch hattet ihr denn?“, fragte er interessiert und setzten uns aufs Bett.

„Es ging um die Einheimischen und als ich ihr sagte dass ich jemanden heiraten musste, wurde sie schon da ein wenig sauer. JC fragte mich wie er so war und dann rutschte mir das Wort grauenvoll heraus. Das weckte ihre Neugier.“

„Das hätte ihr wahrscheinlich noch mehr Sorgen bereitet.“, stimmte er mir zu.

„Ich mag JC sehr, aber manchmal tut sie so als wär sie meine Mutter und irgendwie finde ich das zum Teil lustig, aber sie ist nur meine VHK.“

Und deine beste Freundin, oder?“

Bei den Worten kamen mir Amys Bilder hoch. Sie machte sich auch immer wahnsinnige Sorgen um mich. JC gab mir genau dieses Gefühl, das ich so sehr vermisste. Amy meckerte ich auch immer an, dass sie sich manchmal anhörte wie meine Mutter, darauf antwortete sie nur mit einem Brummen.

Ryan riss mich aus meinen Erinnerungen. „Lou?“

„Tut mir leid, ich war in Gedanken. Ich kann JC alles erzählen und sie hört mir auch immer gerne zu, vielleicht sind wir auch beste Freunde, aber manchmal frage ich mich, ob das in dieser Zeit überhaupt eine Bedeutung hat. Ich meine, die Menschen in dieser Welt gehen ihren gewöhnlichen Alltag. Wenn ich sie manchmal anschaue, denke ich ein Roboter würde vor mir stehen. Die Gefühle der Menschen fehlen.“

„Ich weiß was du meinst. Aber schau dir doch mal Nova an. Sie kam teilweise aus der Zeit noch und sie ist kein Roboter, eher ein aufgewecktes, neugieriges Mädchen.“, schmunzelte er.

„Ich denke trotzdem dass sie keine Ruhe geben wird bis sie die Wahrheit kennt und das bereitet mir ein wenig Angst.“

Kurz war es still zwischen uns und seine Gesichtszüge veränderten sich ständig, als würde ihn etwas stören.

„Was ist los?“, fragte ich.

„Was hast du den Professor eigentlich gefragt?“

„Das sollte und will ich nicht sagen.“

„Du weißt doch dass ich nichts ausplaudere.“, schaute er mich mit großen Augen an. Ich musste lachen.

„Dann rennst du zu Alex und sagst ihm genau das, was ich jetzt gesagt habe und er wird genauso neugierig schauen, wie du es gerade tust.“

„Ach, so denkst du von mir?“

„Na gut,…“, fing ich an und stand auf. „…ich könnte es dir erzählen, jedoch was bekomme ich dafür.“

„Ein Deal, also?“, grinste er.

„Genau. Wenn ich es dir erzähle, möchte ich einen Abend zu zweit.“

„Das lässt sich arrangieren.“, grinste er.

„Sehr gut, dann haben wir ja eine Vereinbarung.“, lächelte ich. „Es ging eigentlich immer um dieselbe Person, Benett. Dieses Artefakt enthält merkwürdige Mikrosteine, die…“, er unterbrach mich.

„Steine?“

„…sie nehmen Licht auf und eins dieser kleinen Steine kann in eine Maschine eingebaut werden, wodurch dann vielleicht eine ganze Stadt zerstören werden kann. Wenn er diese Lichter in die Finger bekommt, könnte er sogar uns problemlos zerstören. Deswegen möchte der Professor es in einen geheimen Raum wegsperren den niemand kennt. Nicht einmal mir wollte er es sagen.“

„Aber warum bauen wir nicht so eine Maschine und zerstören ihn.“, schlug er leichtsinnig vor.

„Nein, das wäre zu riskant. Benett merkt schnell wenn etwas Neues im Gange ist und reagiert sofort. Es wäre das Ende wenn er das Artefakt in die Finger bekäme.“

„Möglich. Trotzdem könnte uns das all unsere Probleme lösen.“, blieb er bei seiner Meinung.

„Willst du tatsächlich unschuldige Menschen töten? Nimm dir doch ein Beispiel von Eid. Er ist wahrscheinlich der Einzige der aus den Klauen Benetts entkommen war. Es gibt bestimmt tausend Menschen die lieber weglaufen würden, als länger bei ihm zu arbeiten. Verstehst du? Sie haben keine Wahl. Etwa sie arbeiten für ihn oder werden getötet.“

„Du hast Recht. Tut mir leid.“, seufzte er und senkte den Blick.

Ich setzte mich neben ihn und legte meinen Kopf auf seinen.

„Ich will ihn ja auch loswerden.“, seufzte ich, küsste ihn flüchtig auf seine Stirn und legte meinen Kopf auf seine Schulter.

„Was wäre wenn wir uns einfach wieder hinein schleichen und ihn uns dann oben in seinem Saal vorknöpfen.“

„Das wäre viel zu naiv. Um uns wären tausende von Wachen und Benett ist auch kein leichter Gegner. Als ich gegen ihn gekämpft hatte, musste ich all meine Kraft aufbringen um ihn überhaupt zu verletzen. Außerdem hatte ich mir dadurch selbst Verletzungen zugefügt.“, hielt ich ihm entgegen.

„Stimmt.“ Er hielt seine Hände ins Gesicht und wirkte ein wenig verzweifelt. „Wir werden ihn schon besiegen, mach dir darüber keinen Kopf.“, munterte ich ihn auf.

„Darum geht es nicht.“, sprach er tonlos.

Ich blieb still und wartete aus seine Antwort ab. Er starrte mich für einen Moment an und nahm mich dann in den Arm. Es fühlte sich so an als hätte er Angst. Schon in seinen Augen konnte ich sie erkennen.

„Weißt du, ich will dich einfach nicht verlieren, Lou. Ohne dich wäre mein Leben wahrscheinlich sinnlos und wenn du mich damals nicht zurück zum Professor geholt hättest, wäre ich vermutlich ein Bettler auf der Straße.“

„Hättest du mich nicht ständig gerettet, wäre ich jetzt tot.“

Er küsste mir auf den Kopf und hielt mich noch fester im Arm. Ich genoss den Augenblick und schmiegte mich noch enger an ihn. Durch seine Wärme und die die feste Umarmung fühlte ich mich geborgen und beschützt. Wenn Ryan immer in meiner Nähe wäre, würde ich alles wagen. Er gab mir das Gefühl mutig zu sein und auch wenn ich manchmal etwas zu waghalsig war.

 

Es war schon nächster Morgen und der Professor kam zum ersten Mal in mein Zimmer gestürmt, noch bevor ich aus dem Bett steigen konnte.

„Lou! Lou! Lumo ist in Schwierigkeiten.“, rief er außer Atem.

„Professor? Warten Sie mal, was meinen Sie damit er ist in Schwierigkeiten?“

Es musste wirklich etwas Schlimmes passiert sein. Noch nie hatte ich ihn so nervös und panisch erlebt, als jetzt. Seine Blicke schweiften manchmal kurz nach hinten, als hätte er noch etwas anderes zu erledigen.

„C4, spiel die Nachricht ab 346.“, forderte er den Computer auf.

„Wiederholung 346. Hey Professor! Hier ist Lumo. Es ist etwas Furchtbares passiert…alles…stört…und Eid…beeilen sie sich.“, spielte die Computerstimme ab und zum Schluss waren starke Störungen zu erkennen. Er wollte noch etwas Wichtiges sagen, aber durch eine Funkstörung war das nicht möglich und so wie es sich anhörte, muss er wirklich in Schwierigkeiten stecken.

„Das klingt überhaupt nicht gut.“, sagte ich nervös.

Der Professor ging in Ryans Zimmer und teilte ihm die Nachricht mit. Schnell zog ich meine Hose, meine Schuhe und fand jedoch mein T-Shirt nicht. Im Kleiderschrank wühlte ich eilig nach und es versteckte sich zwischen meinen zusammengelegten Hosen. Gerade wollte ich mein T-Shirt anziehen, als Ryan sich in mein Zimmer teleportierte. Ich zuckte zusammen, als ich seine Stimme vernahm, aber er schaute mich nicht einmal an, sondern suchte etwas in meiner Nachschränkchen Schublade. Ich zog schnell meine Weste noch an und stellte mich neben mich.

„Was suchst du in meiner Schublade?“, fragte ich verblüfft.

„Einen verschwundenen Gegenstand.“, gab er mir rasch Antwort.

„Hast du das von Lumo gehört?“

„Ja. Wir müssen los, der Professor schickt uns nach Desar das Schiff wartet schon.“

„Ach wir fliegen nicht mit dem Flugzeug?“

„Dazu ist keine Zeit.“

Nach einigen Sekunden gab er die Suche auf. „Nichts.“, seufzte er, griff nach meiner Hand und wir landeten in der nächsten Sekunde im Schiff.

„Das ging ja schnell.“, rief ich verwundert, doch er saß schon auf dem Pilotensitz. Neugierig schaute ich mir die viele Instrumente an vor ihm und über ihm. Weiß er denn welche Funktion alle hatten? In drei Sekunden hob das Schiff schon ab und flog aus dem riesigen Tor hinaus in die Luft.

„Die Fahrt dauert zwei Stunden. Ich schalte den Auto-Piloten an, dann muss ich mich nicht ständig auf die Lenkung konzentrieren. Er setzte sich seufzend neben mich.

„Denkst du ihm ist wirklich etwas Schlimmes zugestoßen?“, fragte ich besorgt.

„Wir hoffen mal nicht.“

Das Schiff landete und somit schwitzte ich noch mehr. Noch nie klang Lumo so hilflos. Ich möchte nicht das vorfinden, was ich zu denken scheine und bin erstaunt darüber, dass ich mir überhaupt so einen Gedanken erlauben kann. Außerdem erwähnte er Eid und das soll schon nichts Gutes heißen. Schließlich hatte er ein perfektes Versteck gefunden in der Unterstadt und niemand wusste wo er war. Man musste sogar in einen Brunnen springen um dorthin zu gelangen – auch wenn es eine Hintertür gab. Ich hatte Angst um Lumo, auch um Eid, falls ihm was zugestoßen war. Wir liefen rasend schnell durch die Stadt und kamen zum Fahrstuhl der Unterstadt, bis die erste schlimme Nachricht kam.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 23 – Ein todsicherer Plan

 

 

Der Wachmann hielt die Hand vor Ryans Brust, um ihm klar zu machen, das der Fahrstuhl nicht betreten werden konnte.

„Tut mir leid, aber die Unterstadt ist für diesen Tag geschlossen. Gestern ist etwas dort unten explodiert und es hat gebrannt. Man hat einen geheimen Raum gefunden, es gab Tote und nun analysiert die Ordnungsbehörde den Tatort. Bitte kommt morgen wieder!“, ratterte er den wahrscheinlich schon oft gesprochenen Text herunter. Meine Hände begannen zu zittern. Es gab Tote? Oh bitte, hat es nichts mit Eid zu tun. Was war wenn Lumo ihm zu Hilfe eilen wollte und mit ihm dort unten war. Nein! So etwas durfte ich nicht glauben.

„Bitte sie müssen uns hineinlassen, ein Freund war dort unten.“, bat Ryan den Wachmann.

„Ich sagte, bitte kommt morgen wieder!“, rief er wütend. Ryan biss wütend auf die Zähne und wäre am liebsten auf ihn losgegangen, jedoch zog ich ihn da weg.

„Wir dürfen keine Aufmerksamkeit erregen. Am besten wir besuchen Lumo auf seiner Arbeit, komm.“, rief ich und hielt seine Hand fest, damit er sich doch nicht noch umdrehte, um sich auf den Wachmann zu stürzen. Wieder rannten wir über den gefüllten Marktplatz und ich ließ Ryans Hand nicht los. Er trottete hinter mir her, doch da drängelte sich ein dicker Eaganer durch und ich musste mich von Ryans Hand lösen. Eine Frau schubste mich beiseite und ich geriet in den Menschenstrom. Sie zogen mich in die falsche Richtung mit und außerdem hatte ich Ryan aus den Augen verloren. Mein Herz pumpte schneller und meine Hände schwitzten. Es war wie eine unüberwindbare Strömung. Man konnte nicht aus ihr heraus und auch nicht anhalten. Doch als ich dann gegen die Sonne schaute, erschien am Himmel für eine Sekunde eine Gestalt. Zuerst dachte ich meine Augen spielen mir einen Streich, aber war das Ryan? Die Form und Haaren stimmten, aber konnte er auf einmal fliegen? Trotz meiner Unsicherheit hob ich meinen Arm hoch und sprang vom Boden ab. Die Gestalt verschwand. Er hatte mich wahrscheinlich nicht gesehen. Langsam verschwand ich in einer Straße und ich hatte das Gefühl das die Wände immer enger wurden. Ich bekam Platzangst. Panisch versuchte ich mich durchzudrücken, aber immer wieder wurde ich zurückgeworfen oder sogar noch enger zusammen gedrückt. Mein Atem wurde immer schneller und unregelmäßiger.

„Bitte, lasst mich doch durch.“, rief ich, aber keine interessierte sich für mich. Doch dann tauchte Ryan über meinem Kopf auf? Er war tatsächlich in der Luft. Rasch griff er nach meinem Handgelenk und im nächsten Moment befanden wir uns in einer leeren Seitengasse. Ich atmete heftig ein und aus. Meine Beine waren wackelig geworden, ein paar Minuten später und ich wäre wahrscheinlich mitten dem Strom zusammen gebrochen. Ich rutschte die Wand hinunter und fiel auf meinen Hintern.

„Alles ok?“, fragte er besorgt.

„Mir geht es gut, aber ich hatte das Gefühl die würden mich alle erdrücken. Es war grauenhaft.“, keuchte ich.

Als sich mein Atem und meine Aufregung wieder beruhigt hatten, liefen wir hinüber zu Lumos Arbeit. Dort trafen wir im Zimmer auf seine Frau. Sie schaute uns entsetzt an, als sie unser verschnauften Atem hörte.

„Wir suchen Lumo. Er sagte es sei dringend.“, rief ich und setzte mich auf den Stuhl um zur Ruhe zu kommen.

„Es tut mir leid, aber ich habe ihn schon seit gestern nicht gesehen. Deswegen bin ich auch hier. Ich warte auf ihn.“, erzählte seine Frau.

„Wir glauben Lumo steckt in Schwierigkeiten.“

„In Schwierigkeiten? Er sagte nur er müsse etwas klären und verschwand gestern Abend. Ich hatte mir Sorgen gemacht, als er die Nacht nicht mehr Heim kam und hatte mich sogleich auf den Weg hierher gemacht. Ein Kollege von ihm erzählte er sei in der Unterstadt.“

Ich seufzte schwer.

„Wir waren gerade dort und ein Wachmann sagte es gäbe eine Explosion und nun arbeitet dort unten die Ordnungsbehörde.“

„Was?“, schrie sie und stand erschreckend auf. Panisch lief sie hin und her und murmelte ständig etwas auf eaganisch. Sie wiederholte ein Wort ständig. Ihre Hände fasste sie sich immer ins Gesicht und manchmal lief ihr eine Träne die Wange hinunter. Vor kurzem hatte sie Lumo erst wieder gefunden und nun war er erneut weg.

„Bitte, beruhigen Sie sich.“

„Ich kann verstehen was sie sagt.“, meinte Ryan und konzentrierte sich auf ihre Worte.

„Wirklich? Was sagt sie?“, flüsterte ich.

„Sie erwähnt dauernd Eid und das Lumo ihm helfen wollte und sie gibt sich die Schuld an der Sache.“

„Bitte, so beruhigen Sie sich doch, wir finden Lumo das verspreche ich ihnen, aber bitte hören Sie mir einen Augenblick zu.“

Sie trocknete ihre Tränen und entschuldigte sich für ihre Besorgnis. Dann setzte sie sich seufzend hin und blickte mich aufmerksam an.

„Kennen sie vielleicht einen zweiten Eingang in die Unterstadt?“

Sie überlegte kurz und nickte dann.

„Früher gab es eine Mine hier unten. Jedoch wurde sie zugeschüttet durch ein heftiges Erbeben und doch blieb ein alter Minenschacht zurück. Er ist nicht zugeschüttet.“, schluchzte sie.

Dann stand sie auf und öffnete die Tür. Mit einer prompten Handbewegung wollte sie uns klar machen, dass sie uns den Weg zeigte. Hinter einer Reihe von Häuserblocks, landeten wir schließlich in einem kleinen Hof. Um mich herum waren ein hoher Holzzaun und die Häuser aus Lehm. Die Umgebung wirkte einsam und ziemlich angestanden. In einem kleinen verwesten Häuschen befand sich der Minenschacht.

„Wir danken dir,…“, wollte ich ihr danken, doch leider war mir ihr Name entfallen.

„Melodie.“, lächelte sie.

„Lou, halte dich an mir fest.“, befahl Ryan und beugte sich leicht über den Schacht. Ich schmiegte mich feste an ihn und konnte dabei seine muskulösen Bauch- und Brustmuskeln spüren. Er umschlang seine Hände um mich und sprang hinunter. Ich petzte meine Augen zu und krallte mich an ihm fest. Noch bevor wir aufkamen, teleportierte er sich kurz über dem Boden und wir wurden dadurch abgebremst.

„Ziemlich dunkel hier unten.“, wimmerte ich ängstlich und ließ Ryan nicht los.

„Kannst du nicht deine Augen aktivieren?“, fragte er.

Konzentriert schaute ich in die Dunkelheit und nach einigen Sekunden formten sich meine Augen um. Die Pupille wurde enorm groß und die leuchtend weiße Iris war zu sehen.

„Wow, ich kann es doch kontrollieren. Der Professor hatte also unrecht.“, sprach ich mir stolz zu.

„In welche Richtung müssen wir? Wir können nun links oder rechts weiter gehen.“

„Wir müssen nach rechts. In der Richtung liegt die Unterstadt.“, navigierte er.

Wir liefen nicht sehr lange in der Dunkelheit herum, denn bald hörten wir Stimmen. Es war kinderleicht durch die einzelnen Gänge zu schlüpfen, denn ich hatte die Augen und Ryan die Navigation. Es gab einen kleines Loch, das in die Dunkelheit brach und ich mir dabei die Augen zuhalten musste, da es wehtat dort hineinzuschauen. Ryan riss mit den Händen einige Steine weg und sah die Ordnungsbehörde, aber auf den ersten Blick war alles ruhig, da war nichts abgebrannt. Ryan und ich lauschten einem Wachmeistern und einem Polizisten der in der Nähe stand.

„Ich hab gehört die das oben denken jetzt alle hier wäre ein Feuer ausgebrochen.“, lachte er mit vollgestopften Mund.

„Echt? Aber wieso denn? Ich stehe oben die ganze Zeit Wache und erzähle Lügen herum.“, schnaubte er wütend.

„Kein Sorge. Die sollen das ja so denken. Eigentlich fand hier nur ein Überfall statt und es gab einige Tote. Irgendeine Bande vergriff sich an Unschuldigen und hat sie in ihrem Geheimversteck ermordet. Ich hab sogar gehört dass einige Mörder und Diebe waren.“, flüsterte er geheimnisvoll zum Schluss. Als ich näher zum Loch kam, gewöhnte ich mich erstmals wieder ans Licht und sah mir die zwei Männer genauer an. Der Polizist hatte eine schwarze enge Lederhose an und trug spitze dunkle Lederherrenschuhe. Sein Hemd war weiß und hinten stand eine Abkürzung. SSO. Ich zog die Augenbrauen zusammen und versuchte daraus eine Antwort zu ziehen.

„Staatlich Schützende Ordnungsbehörde.“, beantwortete Ryan meine Frage. Der Wachmeister war derselbe Mann wie vorhin, er musste Pause haben.

„Erzähl denen genau das weiter, was du immer gesagt hast. Ach, und wenn du wieder Pause hast, bring mir bitte noch ein Hähnchen mit.“, rief er noch, als der Wachmeister sich wieder zu seinem Arbeitsplatz begab. Der kleine dürre Mann leckte sich die Finger noch ab, da er ein Hähnchen aß. Ryan und ich verzogen ein angewidertes Gesicht.

„Wir teleportieren uns an die versteckte Tür um nach zu sehen, was passiert ist.“, schlug er vor, wollte nach meiner Hand greifen, aber ich zog sie zurück.

„Was ist?“

„Ich habe Angst, das zu sehen was ich nicht sehen möchte. Was ist wenn Lumo und Eid…“, verstummte ich zum Schluss und versuchte den Gedanken abzuschütteln. Dann griff ich doch nach seinem Arm und er teleportierte sich hinüber. Es war so wie ich befürchtet hatte. Auf dem Boden waren einzelne Blutspritzer und die Tische waren umgekippt oder sogar zerbrochen. Hier lag niemand, es sah aus als hätte hier eine Schlacht sattgefunden. Aber hier lag kein Lumo und auch kein Eid. Vielleicht hatten sie die Leichen schon längst weggeräumt. Wie sollte ich nun wissen, ob sie nun leben oder nicht? Doch dann hörten wir ein lautes Geräusch ob in den Gästezimmern. Vorsichtig stiegen wir die Treppe hinauf und blickten rasch um die Ecke. In einem Käfig saß ein Eaganer und wehrte sich heftig. Er riss an den Stäben und gab grimmige Laute von sich. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen und trotzdem ging ich auf ihn zu.

„Lou!“, flüsterte Ryan und wollte nach meinem Ärmel greifen, aber ich stand schon längst vor dem Käfig.

„Ist alles in Ordnung? Wer hat dich hier eingesperrt?“, fragte ich sanft.

Er drehte sich um und ich erkannte Lumo. Er hatte eine blutige Wunde über dem Auge.

„Lou! Ryan! Mann, bin ich froh euch zu sehen.“, rief er erleichtert.

„Wer hat dir das angetan?“, fragte ich mit leicht aggressiver und gereizter Stimme. Er schaute um sich, sodass niemand da war und blickte dann wieder aufmerksam zu mir.

„Fünf von den Typen da unten sind überhaupt nicht von der Ordnungsbehörde. Sie verkleiden sich und ich glaube sie sind im Auftrag von Benett hier. Sie haben mich zusammengeschlagen und mich in diesen Käfig gesteckt. Nur leider hört die richtige Ordnungsbehörde meine Schreie nicht, als würden sie sie ignorieren. Ich denke der eine von ihnen, also der Chef, ist auch in Benetts Auftrag hier und lässt die echten Polizisten nicht hoch. Befreie mich und dann hauen wir ab.“, flüsterte er leise.

Gerade als ich den Käfig befreien wollte, tauchten zwei Männer hinter uns auf und schlugen mich und Ryan bewusstlos mit einem harten Kopfschlag. Später wachte ich auch in einem Käfig auf und die zwei Männer saßen auf einer Kiste und lachten spöttisch.

„Hey Lou, alles in Ordnung?“, fragte er eine vertraute Stimme, jedoch musste ich erstmals wieder zur Besinnung kommen. Mir brummte der Schädel. Lumo saß neben mir und schaute mich besorgt an.

„Das ist meine Schuld. Ich hätte besser aufpassen sollen.“, gab er sich die Schuld und senkte enttäuscht den Kopf.

„Nein Lumo, wir konnten es alle nicht vorausahnen. Aber ich weiß wie wir hier wieder herauskommen. Es gibt doch bestimmt einen Schlüssel, oder?“, flüsterte ich.

„Ja, der Typ dort vorne hat ihn.“

Der Polizist der vorher ein Hähnchen aß, schleuderte nun einen Schlüsselbund um seinen Finger und unterhielt sich mit einem weiteren kräftigen Polizisten.

Doch dann fiel mir auf, das Ryan fehlte.

„Wo ist er?“, fragte ich panisch und drehte mich hastig in jede Richtung.

„Sie haben ihn woanders hingeschleppt und der eine Polizist hatte einen Knüppel dabei. Wir müssen uns beeilen.“, drängte er.

„Wenn sie ihm auch nur ein Haar gekrümmt haben, dann schwöre ich, dass sie sich wünschten nie geboren zu sein.“, sagte ich wutentbrannt. Ich konzentrierte mich auf den Rhythmus des Polizisten. Er drehte den Schlüsselbund eine Weile am Finger und dann schmiss er ihn kurz hoch. Sobald er nicht mehr in seiner Hand lag, magnetisierte ich ihn. Der Schlüsselbund flog hoch und ich streckte meine Hand aus. Er folgte ein Schnippen und der Schlüssel hing an meinen Fingern. Eilig sperrte ich die Käfigtür auf und noch bevor sie es melden wollten, zog ich sie mit meiner Magnetkraft zu mir. Sie trugen Abzeichen an ihren Jacken und das ersparte mir es meine Kette zu benutzen. In mir brannte die Wut.

„Wo ist Ryan?“, fragte sie wütend.

„Ist das nicht die die der Herr sucht?“, wimmerte der eine.

„Doch.“, rief er ängstlich.

„Er ist in einem anderen Zimmer.“

Mit einem heftigen Ruck schmiss ich sie durch das Fenster und sie fielen vor dem angeblichen Ordnungsbehördenchef vor die Füße. Ich hörte schon die ersten Geschreie von unten.

„Beeilen wir uns lieber.“, meinte Lumo und wir durchsuchten alle Zimmer. In einem fanden wir Waffen und wir beide schnappten uns eine. Aus dem letzten Zimmer war stummes Gestöhne und Keuchen zu hören. Die Tür klemmte als wir sie auf machen wollten, etwas versperrte uns den Weg. Lumo drückte öfters mit Wucht gegen die Tür und dann sprang sie auf. Ein Holzstuhl wurde unter den Griff gestellt, da ein Polizist sich noch drinnen befand. Er trug zwar kein Abzeichen, aber dafür einen Gürtel der eine Metallschnalle hatte. Mit einer raschen Handbewegung flog er aus dem Zimmer und dann gegen die Wand. Ryan lag in der Ecke, sie hatten sein T-Shirt zerrissen um ihm dadurch bessere Wunden zuzufügen. Er ächzte und stöhnte vor Schmerz. An seinen Armen waren blutige Schürfwunden und einzelne blaue Flecke. Entsetzt schaute ich ihn an. Er konnte noch nicht einmal richtigen Sitzen und rutschte deswegen auf den Boden.

„Ryan!“, rief ich besorgt und eilte zu ihm. Gerade wollte ich ihn heilen, als der unechte Chef ins Zimmer trat. Neben ihm weitere andere Polizisten die auf mich zielten. Mit einem grimmigen Gesicht stand ich vor ihnen.

„Was habt ihr getan?“, schrie ich wütend und ballte die Fäuste.

„Wir haben das ersehnte Versteck gefunden, alle dort umgebracht und so getan als wären wir Polizisten. Doch eigentlich wollten wir diesen Eaganer dort. Benett freut sich bestimmt auf neue Sklaven.“, lachte er höhnisch.

„Dafür wirst du bezahlen!“, schrie ich und streckte meine Hand ihnen entgegen, um mein Magnetfeld auf sie zu richten, jedoch fiel keiner von ihnen zurück. Sie hatten nichts Magnetisches.

„Hast du wirklich gedacht wir seien so dumm?“, lachte der dicke Chef.

Doch dann riss ich meine Kugel von der Kette ab und schmiss sie auf alle drei. Sofort aktivierte ich mein Magnetfeld und sie flogen in einem hohen Bogen gegen die Wand.

„Komm Ryan wir müssen hier raus.“, forderte ich ihn auf und half ihm aufzustehen. Doch da folgten schon die nächsten Polizisten.

„Ich muss euch…teleportieren.“, stöhnte er.

„Du musst überhaupt nichts. Du hast die Kraft nicht dazu, Ryan. Wenn du es nicht schaffst, das wirst du dir furchtbare Schmerzen zufügen, lass das bitte.“, bat ich ihn liebevoll und musste die Tränen unterdrücken, da ich ihn nicht so leiden sehen konnte.

„Ich muss…“, keuchte er und in der nächsten Sekunde befanden wir uns in dem Zimmer wo Ryan und ich uns das erste Mal küssten.

Doch dann schrie er auf und sein Bauch hatte eine Platzwunde.

„Was ist passiert?“, fragte ich ängstlich.

„Ryan muss bei der Teleportation einige seiner Körperzellen verloren haben. Los, Lou, heile ihn.“, erklärte Lumo und legte ihn erstmals auf das Bett. Sein Geschreie war für mich unerträglich, noch nie hatte er solche Schmerzen gehabt. Ich legte meine Hände auf sein Herz in der Hoffnung dass der Trick wirklich funktionieren würde. Es kostete mich eine Menge Kraft, doch dafür sind all seine Wunde sofort geheilt und er musste nicht mehr leiden. Dadurch dass meine Heilkraft ins Herz eingeleitet wird, werden die Kräfte in die Blutbahn geraten und sofort alle Wunden heilen. Tatsächlich funktionierte es, jedoch brauchte die Platzwunde an seinem Bauch am längsten. Danach fühlte sich mein Körper schwach und müde an. Ich keuchte vor Aufregung und legte mich neben Ryan.

„Lou, deine Nase…“, wies er auf das Blut, das aus meiner Nase kam.

„Das war wohl zu viel Anstrengung.“, sagte ich und lief zum Waschbecken. Als ich zurückkam war Ryan eingeschlafen und ich schnappte mir einen nassen Waschlappen, um das übrige Blut abzuwischen. Er sah wunderschön aus wenn er schlief. Ich streichelte über seine Wange und Lumo begann ein Gespräch.

„Sie haben Eid.“, meinte er besorgt.

„Was?“, rief ich und drehte mich entsetzt zu ihm um.

„Als sie das Versteck angriffen, wollte ich ihnen helfen, wurde jedoch von fünf Männern überrumpelt. Wenn sie wissen wer Eid ist, dann werden sie ihn umbringen. Zuerst nahmen sie alle Eaganer mit, damit Benett neue Sklaven hat, jedoch mich ließen sie zuerst hier, wahrscheinlich weil ich von der Ordnungsbehörde war. Wenn wir ihn nicht schleunigst befreien, dann wird etwas sein Tod ereilen oder er wird so leiden müssen wie Melodie und Milo.“

Er senkte seinen Blick und wusste sich wahrscheinlich selbst keinen Rat mehr. Ihm war die momentane Situation zu anstrengend. Zuerst verlor er seine Familie, erfuhr über die Wahrheit Benetts und nun verlor er auch noch Eid. Ich konnte ihn gut verstehen und legte meine Hand auf seine Schulter.

„Wir werden Eid retten und außerdem habe ich auch deine Familie wieder zurückgebracht.“, lächelte ich aufmunternd und blickte dann wieder zu Ryan.

„Ist es für dich nicht schwer in zwei Zeiten gelebt zu haben? Ich meine, du kommst ja eigentlich aus der Vergangenheit.“, fragte er interessiert.

„Ich habe mich schon so sehr an diese Zeit gewöhnt, dass ich manchmal denke dass ich hier groß geworden bin und vergesse meine Vergangenheit. Teilweise finde ich es gut und teilweise auf sehr schlecht. Die Vergangenheit ist etwas Kostbares und ich möchte meine Eltern auch niemals vergessen.“

„Eine Familie zu verlieren tut weh, sehr sogar.“, seufzte er.

Es herrschte eine erneute Stille und ich neben Ryan hin.

„Wir sollten uns schlafen legen. Ich denke der Gastwirt wird schon nichts merken und wenn dann geben wir ihm eben das Geld. Außerdem brauchen wir Ruhe. Schlaf gut, Lumo.“, gähnte ich am Schluss. Lumo legte sich auf das Sofa und kurze Zeit später war er auch eingeschlafen. Ich legte meinen Kopf auf Ryans Brust und lauschte seinem Herzklopfen. Es schlug etwas schnell und es klang wie Musik in meinen Ohren. Es dauerte nicht lang und ich schlief auch ein.

Ich war eigentlich schon recht früh wach, jedoch kamen mir die anderen zuvor. Ryan befand sich nicht mehr neben mir und Lumo lag nicht auf der Couch. Wo sind sie jetzt schon wieder hin? Ich rieb meine Augen und streckte mich. Ich stand auf und ging zum Waschbecken im Bad, um mein Gesicht auszuwaschen. Doch da hörte ich laute und dumpfe Geräusche von draußen. Schnell trocknete ich mein Gesicht ab und öffnete einen Spalt weit die Tür. Auf einem Treppenabsatz unterhielten sich zwei Polizisten. Sie flüsterten miteinander, aber einige Worte verstand ich.

„Es sind drei…wir befördert…such sie!“

Ich konnte zwar wenig verstehen, aber es reichte um zu wissen, dass es Benetts Männer waren. Es verging eine ganze Nacht und sie gaben immer noch nicht auf? Was war los? Benett zog sich immer sofort zurück, aber dieses Mal saß er mir auf der Pelle. Sie werden die Zimmer durchsuchen, Ryan und Lumo sind verschwunden und ich kann mich nicht einfach wegteleportieren. Doch dann sah ich die Putzfrau und sie hatte die Abstellkammer offen gelassen. Vorsichtig schlich ich aus dem Zimmer und warf ein Blick in das offene Gästezimmer. Die Putzfrau war im Bad. Schnell sprang ich in die Kammer und suchte nach einer Schürze und vielleicht sogar eine Haube. Zusammengelegt in einer Plastiktüte gab es ein Überzugskleid, Gummihandschuhe und eine Plastikhaube. Ich zog alles an und schnappte mir dann einen kleinen Staubsauger. Rasch flitzte ich zurück ins Zimmer schaltete den Staubsauger an, er machte einen ausgiebigen Lärm. Die Polizisten traten ein, ich hörte Rufe von ihnen, aber ignorierte sie. Doch da wurde mir der Stecker gezogen. Die Haube zog ich tief über die Stirn und drehte mich affektiert überrascht um.

„Ja? Kann ich etwas für sie tun?“, piepste ich.

„Ja, wir suchen ein junges Mädchen, einen Burschen und einen Eaganer die hier übernachtet haben sollten.“, erklärte der etwas kräftigere Polizist. Der andere musterte mich ganz genau, als wüsste er im Hintergedanken, dass ich dieses Mädchen bin. Doch der anderen verschränkte die Arme vor der Brust und verzog ein mürrisches Gesicht.

„Das tut mir leid, meine Heeren. Ich putze nur hier und ich glaube sie haben schon ausgecheckt. Fragen sie doch den Gastwirt unten.“, lächelte ich ihnen gekünstelt zu.

Der kräftige Mann wollte meinen Rat befolgen und drehte sich um, jedoch hielt der etwas Klügere zurück.

„Kennen wir uns?“, fragte er und schaute mich von oben bis unten an.

„Nein.“, rief ich.

„Ach wirklich nicht? Ich habe irgendwie das Gefühl als wären uns gestern begegnet.“

„Das ist unmöglich! Fragen sie doch unten an der Rezeption. Man kann ihnen bestätigen das ich den ganzen Tag gearbeitet habe und lassen sie mich bitte nun in Ruhe, das geht sonst alles von meinem Lohn ab.“, fluchte ich.

„Verzeihung, wir werden auf der Stelle gehen.“, verabschiedete er sich und ging die Treppe mit seinem Kollegen hinunter. Ich seufzte erleichtert, da ich meine Zehen schon in den Boden stecken wollte. Die Stange des Staubsaugers hatte ich fast erwürgt und schließlich ließ ich mich aufs Bett fallen.

Da fiel die Tür zu und ich schaute hoch. Ryan und Lumo standen dort mit vollen Händen. Es roch nach Fleisch und gewürzten Soßen. Es ging ihm wieder besser, alle Wunden waren verschwunden und er lächelte mir zu. Ich rannte in seine Arme, aber er musste das Essen hochhalten, sonst wäre es wegen mir aus seiner Hand gefallen.

„Schatz, sag mal, was trägst du denn da?“, fragte er verwirrt und zog eine Augenbraue hoch. Lumo musste sich das kichern verkneifen. Ich blickte ihn mürrisch an.

„Zu deiner Information, diese Verkleidung hat mir das Leben gerettet. Zwei verkleidete Polizisten kamen hier herein und suchten uns. Sie hatten mir die Nummer mit der Putzfrau abgekauft.“, lachte ich.

Ryan legte das Essen auf den Tisch und setzte sich auf den Stuhl. Lumo seufzte.

„Eid befindet sich noch in Desar. Jedoch haben wir nicht viel Zeit, bald wollen sie einige Eaganer in Kisten auf ein Schiff transportieren.“

Er hielt sich die Hände ins Gesicht und wirkte frustriert. „Die Bilder gestern werde ich wahrscheinlich niemals vergessen. Darunter waren einige Freunde von mir und nur wegen Benett sie sind nun tot.“, seufzte er traurig.

„Das tut mir so leid, Lumo. Ich wünschte wir wären eher dagewesen.“

Es herrschte ein kurzes Schweigen zwischen uns, aber ich unterbrach es. „Wir werden sofort mit der Suche beginnen. Ich weiß auch wen wir…ausquetschen können.“, schlug ich vor, jedoch hielt mich Ryan zurück.

„Du wirst nirgends hingegen, solange du noch nicht dein Essen gesessen hast.“

Essen kann ich später.“, sagte sich rasch und wollte erneut an ihm vorbei, aber hielt seinen Arm vor mich. Ich ging unter ihm durch und lief einfach weiter, aber tauchte ein weiteres Mal vor mir aus.

„Ich meine es ernst.“, sprach er mit kalter Stimme und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Aber Ryan, wir haben keine Zeit!“, rief ich.

„Zum Essen haben wir immer Zeit. Wenn du nichts isst, dann wirst auch keine Kraft haben Eid zu befreien und die Brauchst du nun mal.“

„Also schön.“

Ich machte die Schachtel auf und dort befand sich Salat und gekochtes Gemüse, in der anderen war Fleisch mit einer brauen Soße. Genießen tat ich es nicht, sondern es war eher ein flottes Schlingen. In fünf Minuten hatte ich einen vollen Bauch und lief zur Tür. Lumo und Ryan warteten draußen.

„Jetzt hab ich keinen leeren Bauch, sondern einen vollen und mit dem kann ich ja schlecht Sport treiben.“, verurteilte ich über Ryans Entscheidung mir das Essen aufzuzwingen. Er seufzte und ging mit Lumo die Treppe hinunter. Unten loggten wir aus und verschwanden durch die Tür nach draußen. Ein weiterer Tag, wobei die Mensch in Strömen durch die Straßen liefen.

„Teilen wir uns auf?“, fragte Lumo.

Ryan überlegte kurz.

Das letzte Mal als ich allein hier war, wurde ich in einen Strom hineingezogen und bekam furchtbare Platzangst. Mich traten und schubsten die Leute herum und das wollte ich kein zweites Mal mitmachen. Ich hielt mich an Ryans Arm fest, damit er wusste, welche Entscheidung ich traf.

Schließlich trennten wir uns doch, aber nur Lumo suchte allein. Ryan konnte es nicht ertragen mich wieder in der Menge zu verlieren. Es gab eigentlich nur eine große Flugstation und wenn wir dort nach Kisten aushielten, konnten wir uns Eid nehmen. Als wir ankamen, schwank meine Hoffnung Eid zu finden. Überall waren Treppen, vier riesige Hallen und einen großen Flugplatz.

„Er könnte überall sein!“, rief ich verzweifelt und drehte mich einmal um meine eigene Achse.

„Wir finden ihn. Wenn wir uns das Gepäck der Leute näher betrachten, dann könnten wir vielleicht Eid finden.“

„Du denkst doch nicht wirklich, dass sie sich hier anstellen um einzuchecken.“

„Ich sagte nicht, dass wir hier nachsehen.“, murmelte er und schnappte meinen Arm. Im nächsten Moment standen wir an einem Schalter die für die besonderen Lieferungen verantwortlich war. Ryan ging zu einer Frau, die dort saß. Ihre Augen waren stark geschminkt, sie hatte Tränensäcke unter den Augen und wenn sie die Brauen hochzog, überlappten sich fast ihre Falten auf der Stirn. Ihre Haare waren wasserstoffblond und zu einem Knoten zusammengebunden.

„Entschuldigen Sie,…“, machte er sich bemerkbar und tischte ihr dann eine Lüge auf. „…ein Kollege ist vorhin verschwunden und wir wollten eigentlich gemeinsam unser Gepäck einchecken, nur leider weiß ich nicht ob er schon hier war oder nicht. Es wäre nett von Ihnen, wenn sie schauen könnten, ob er schon durchgegangen war.“

Die Frau musterte Ryan genau und traute ihm zuerst nicht so recht. Doch dann gab sie nach und tippte auf dem Display herum.

„Name?“

„Den weiß ich leider nicht.“

Wieder schaute sie ihn misstrauisch an.

„Wohin ging der Flug?“

„In die Vier-Himmelstadt, jedoch in den BPF-Flugstation.“

Sie tippte auf dem Display herum.

„Ah ja. Es haben drei Männer eingecheckt vor etwa knappen zwanzig Minuten.“

„Welches Gate war es noch gleich?“

„1243.“

„Danke.“, rief Ryan noch flüchtig und verschwand mit mir um die Ecke. Er schaute ob uns niemand gefolgt war und wir teleportierten uns hinter den Durchgang und den Kontrollscanner. Mit einem Fahrstuhl fuhren wir hinunter zu Gate 1243. Dort warteten tatsächlich drei Männer auf ihren Flug. Langsam blickten wir um die Ecke und beobachteten sie. Auf einem Display stand groß die Abfahrtzeit des Fluges und unten ihr die jetzige Uhrzeit. Um 10:42 Uhr würden sie von einem magnetbetriebenen Minibus abgeholt werden.

„Was jetzt?“, fragte ich.

„Wir brauchen nur zu wissen in welcher Maschine sie fliegen. In der Zeit schnappen wir uns dort die Kiste mit Eid und dann teleportieren uns hinaus.“, plante er die Rettungsaktion.

Schließlich kam der Bus und die drei Männer stiegen ein. Ryan folgte ihnen mit ständigem Stellenwechsel. Bis er dann wieder neben mir stand und ein wenig aus der Puste war.

„Ich weiß welches Flugzeug sie haben.“, meinte er. Dann nahm er meine Hand und wir teleportierten uns in einen Frachtraum. Es war dunkel, aber ich aktivierte meine Augen und konnte eine Menge Kisten entdecken. Wir brachen sie auf und in den meisten waren Müll oder Flaschen mit seltsamer Flüssigkeit.

„Eid!“, rief ich halblaut. Es kam keine Antwort zurück, aber ein lautes Knallen. Eine kleine Kiste, die vielleicht so groß war wie Eid, bewegte sich. Ryan nahm sie vom Stapel herunter und wir brachen sie auf. Tatsächlich lag Eid dort drinnen.

„Eid!“, rief ich erfreut.

Er schnaufte und bekam fast keine Luft mehr dort drinnen. Er versuchte uns etwas zu sagen, aber sein Atem stockte jedes Mal.

Schließlich sagte er nur: „Das ist eine Falle…“

Dann gab es einen riesigen Knall am Cockpitbereich. Ich fiel zu Boden und Ryan hielt sich an einer großen Kiste fest. Wieder knallte es, doch dieses Mal am Heck.

„Das Schiff wird explodieren.“, schrie ich und versuchte wieder aufzustehen, aber wir wurden immer wieder hin und her gerissen. Ryan und ich wurden getrennt und einige Kisten kamen auf mich zu gerutscht. Ich lag senkrecht gegen die Wand und dann presste sich die Kiste auf meinen Bauch. Ich ließ einen scherzhaften Schrei von mir. Mit meinen Armen versuchte ich sie wegzustoßen, aber sie war viel zu schwer. Ich bekam fast keine Luft mehr und rief nach Ryan. Er teleportierte sich zu mir und versuchte mich herauszuziehen. Eid kam auch und half. Wir drückten sie mit aller Kraft weg und in letzter Sekunde, bevor wir auf dem Boden aufkamen, teleportierte Ryan uns drei heraus. Wir landeten in einem Flur mit weißen Fliesen und Wänden, Türen und waren allein.

Ich zog mein T-Shirt hoch und dort war ein großer Bluterguss zu erkennen. Wahrscheinlich waren auch meine Rippen geprellt, denn mir fiel es schwer aufzustehen. Ich legte meine Hand auf die Verletzungen und nach einigen Sekunden ging es mir besser.

Ryan teleportierte uns wieder in die Gaststätte in Desar und suchte dann weiter auf der Flugstation nach Lumo. Ich legte mich erschöpft auf das Bett.

„Es tut mir so leid, Lou.“, entschuldigte Eid sich, obwohl es eigentlich keinen Grund dafür gab.

„Meinst du etwa dass wir dich gerettet haben?“

„Alles. Ich war unvorsichtig und hätte die Gefahr besser respektieren sollen. Das Versteck wurde gefunden und nun sind alle tot. Lumo konnte es schaffen zu fliehen, dank euch, aber dafür haben ich trotzdem einen sehr geliebten Menschen verloren.“, schluchzte er.

„Wen?“

„Meine Frau.“, weinte er legte seine Hände aufs Gesicht.

„Das tut mir furchtbar Leid, Eid. Wenn ich bloß früher da gewesen wäre, dann hätte ich alles aufhalten können.“, bemitleidete ich ihn und gab mir teilweise auch die Schuld daran. Er trocknete sich die Tränen und regulierte seinen Atem.

„Wenn dieser Mann nicht auf der Stelle aufgehalten wird, dann wird alles ins Chaos stürzen und die Weltordnung wird völlig auseinanderbrechen. Deswegen seid ihr da und müsst alles aufhalten, am besten ihr tötet Benett. Es gäbe sonst keine andere Lösung.“

„Das werden wir, versprochen.“, munterte ich ihn auf.

Nach einiger Zeit kehrte Ryan mit Lumo zurück und er erzählte mir dass der Professor nach uns fragte. Wir sollten sobald wie möglich zurückkehren, wenn wir Eid befreit hatten. Schließlich kamen wir noch am Abend erschöpft an der Flugstation an.

Ryan saß neben mir und ich lehnte meinen Kopf an ihn.

„Weißt du was ich in dem Moment dachte, als Eid mir erzählte seine Frau sei tot?“, fragte ich ihn.

„Nein, was denn?“

„Was wäre wenn du an ihrer Stelle gewesen wärst? Wie hätte ich so etwas verkraftet? Wäre ich überhaupt jemals damit klar gekommen? Wenn du tatsächlich nicht mehr bei mir wärst, hätte ich tausend Laserkanonen gebaut nur um Benett zu töten. Am liebsten würde ich ihm noch in der Hölle begegnen und weiterhin meine Rache ausüben.“, beschrieb ich ihm meine Gedanken völlig emotional.

„Du denkst zu viel nach.“, meinte er nur und küsste mir auf den Kopf.

Im Zentrum kamen wir an und berichteten dem Professor die freudige Nachricht, das Eid und Lumo in Sicherheit seien. Doch dann erzählte er uns wieder etwas Neues.

„Die Professoren, also der Senat, ist den „Anschuldigungen“ an Benett teilweise nachgegangen und nun haben sie ihm eine Nachricht überbracht, dass sie ihn auf eine Art Kongressball eingeladen haben.“, erzählte er uns.

„Was, um ihn zu loben, oder wie?“, fragte ich empört.

„Im Gegenteil. Sie wollen durch diesen Kongress mit ihm reden und einige Sachen…klar stellen.“

„Was haben wir aber damit zu tun?“, fragte Ryan neugierig.

„Nun, ich möchte dass ihr mit mir kommt. Ihr seid dann eine Art Leibgarde.“

„Sie denken also, Benett würde einen Angriff wagen?“, fragte ich.

Er korrigierte seine Brille auf der Nase und seufzte dann.

„Nicht direkt, aber Leute heimlich aus dem Weg räumen, die ihm im Weg stehen könnten.“

„Ich verstehe. Hat er die Einladungen denn schon erhalten?“

„Oh, er hat sogar schon geantwortet und der Kongress findet statt. Trotzdem habe ich bei der Sache ein ziemlich ungutes Gefühl. Benetts Entscheidungen fallen meist immer mit einem bösen Hintergedanken. Leider weiß ich nicht was er sich dabei denkt und er wurde bestimmt schon informiert darüber, wobei es sich bei diesem Kongress handelt.“

Elius fasste sich ans Kinn und war vertieft in seine Gedanken. Er zog die Augenbrauen zusammen und dachte über etwas außerordentlich Wichtiges nach.

„Ich glaube sogar langsam…“, verstummte er zum Schluss und nahm Luft bevor er weiter sprach. „…das wahrscheinlich einer der Professoren ein Verräter ist.“

Ich schaute ihn entsetzt an. Wie kam er denn auf diese Idee? Außerdem war das eine hohe Anschuldigung an einen Senator. Vielleicht hatte er auch etwas bei seinem letzten Treffen mit den Professoren bemerkt.

„Wie meinen Sie das?“, fragte ich.

„Als wir das letzte Mal zusammen saßen. Wollte einer der vierzehn Professoren seine Meinung gegen Benett verweigern und war dagegen das wir sein Zentrum mit einem Durchsuchungsbeschluss uns ansahen. Natürlich war klar, dass Benett das sofort wusste, jedoch von einem der Senatoren.“

„Sie denken einer dieser Professoren macht gemeinsame Sache mit ihm?“

Er nickte unzufrieden.

„Wenn dies der Fall sein sollte, werden wir es wirklich schwieriger haben, als geplant. Doch zuerst solltet ihr euch bei PG und JC melden. Sie werden euch mehr über den Kongress erzählen. Denn ich muss wieder in mein Büro.“

Bei dem Gedanken, dass ein Senator ein Verräter war, ließ mir ein Schauer über den Rücken streifen. Dadurch hätte Benett viel mehr Möglichkeiten seinen Plan tatsächlich in die Tat umzusetzen und wenn etwas Schlimmes auf dem Kongressball passieren sollte, wird ihm einer der Senatoren helfen. Doch damit darf er nicht durchkommen.

Der Kongress war in zwei Tagen und ich musste mir etwas anderes zum Anziehen holen. Wir konnten nicht in unseren Hosen und Westen rumlaufen, also fragte ich JC ob sie mir ein Kleid besorgen könnte. Jedoch sollte ich noch bevor der Flug losging bei ihr vorbei kommen.

 

 

 

Kapitel 24 – Schwere Entscheidung

 

 

Der Kongress fing um zweiundzwanzig Uhr an, der Flug ging um zwanzig Uhr und ich sollte zwei Stunden davor bei JC auftauchen. Ich kam ein wenig zu spät, denn Jim hatte mich gebeten ihm in einer Abteilung noch zu helfen. Eine halbe Stunde später tauchte ich bei JC auf und hoffte es war auch ihre Wohnung. Es sollte das Zimmer 1276 Etage 2351 sein. Als ich eine Schaltfläche berührte, konnte ich einen schrillen Ton von innen hören. Die Tür sprang auf und JC starrte mich wütend an.

„Jetzt haben wir nur noch eine knappe Stunde.“, meckerte sie.

„Ja, tut mir leid. Jim hatte meine Hilfe gebraucht und ich konnte ihm es nicht abschlagen.“

„Also gut, komm herein.“, bat sie mich und trat zur Seite. Ihr Nagalya kam auf mich zu gesprungen und schnurrte laut.

„Wow, das ist wirklich seltsam, normalerweise faucht sie immer, wenn Fremde mein Zimmer betreten.“, wunderte sie sich.

Ich streichelte sanft über den etwas kleinen Kopf und kraulte sie am Hals.

„Sie schnurrt ziemlich laut.“, lächelte ich.

„Oh, es ist keine sie, er heißt Nyx.“, korrigierte sie mich.

Ich lief mit ihr ins Wohnzimmer und im Vergleich mit Kyles Wohnung schien es hier ein wenig origineller zu sein. Modernere Küche, Badezimmer, schwebende Sofas und ein 3D Bildschirm an der Wand. In einem so ähnlichen Schrank wie meinen wühlte sie ihre ganzen Kleider durch.

„Moment!“, rief sie und drehte sich zu mir um. Dann griff sie an meinen Kiefer und schaute in meine Augen. Mir fiel nie auf, dass JCs Iris auf einmal die Farbe Lila hatte.

„Aha, also grün.“

Dann schaute sie eine Weile nach und setzte mich an einen kleinen Tisch mit Spiegel. Darin konnte ich erkennen, wie sie ein dunkelgrünes trägerloses Kleid teilweise aus Seide bestand, hinhielt. Ich drehte mich zu ihr um. Unter der Oberweite war es eng geschnitten und ging ungefähr bis zu den Knien. Sie gab mir auch schwarze glänzende Stöckelschuhe, die vorne rund waren.

„Wie findest du es?“, grinste sie.

„Es sieht schön aus, aber vertraust du mir wirklich so ein schönes Kleid an?“, fragte ich ungewiss.

„Selbstverständlich. Na los, zieh es an. Du kannst dich in meinem Zimmer umziehen.“

Ich schnappte mir das Kleid und lief in ihr Zimmer. Verträumt fuhr ich über den seidigen Überzug. Hinten hatte es einen Reißverschluss und dort war ein BH schon eingebaut. Fertig angezogen kam ich heraus und JC kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.

„Du siehst wunderschön aus, Lou. Das nehmen wir.“, beschloss sie und ich setzte mich auf den Stuhl an dem kleinen Tischchen. Mit einem merkwürdigen Stab, der blaues Licht abgab, glättet sie in Sekundenschnelle meine Haare. Wahrscheinlich durch die merkwürdigen Strahlen zogen sich die Haare lang. Dadurch gingen sie mir sogar bis zu Elle.

„Du hast aber lange Haare.“, staunte sie. Dann begann sie mit einer Steckfrisur. Sie band meine Haare zusammen, machte einen kleinen Knoten hinten und der Rest hing einerseits über meine Schulter. Den Pony machte sie auch noch zurecht und sie bestand darauf mir auch Wimpertusche auf die Augen zu machen.

„Ich bin wirklich fassungslos.“, meinte sie. „Da wird sich aber jemand freuen.“

Ich musste beschämend lächeln.

„Dir ist schon klar, Lou, dass du dort auch tanzen musst.“, erinnerte sie mich daran.

„Falls du jetzt damit sagen möchtest, dass ich nicht tanzen kann, dann irrst du dich.“, durchkreuzte ich ihren Plan, mir das Tanzen beizubringen.

„Ihr hattet schon einmal einen Ball auf der Schule, oder?“

„Ja und deswegen kann ich auch tanzen.“, lobte ich mich selber.

„Hier, nimm das noch mit, sonst wird es zu kalt.“, rief sie und schmiss mit einen schwarzen Bolero zu. Ich zog ihn an, bedankte mich bei ihr und verschwand im Auto. Ich war sofort da und hatte sogar noch zwanzig Minuten Zeit bis zur Abfahrt. Gespannt und nervös klopfte ich an Ryans Tür. Bestimmt hatte sich PG um ihn gekümmert und er bekam einen Smoking. Jedoch als ich das Zimmer betrat war es stockdunkel. War er nicht da? Ich suchte die Schaltfläche um das Licht anmachen zu können, doch da stieß jemand die Tür zu. Mein Körper spannte sich an und ich suchte den Lichtschalter nervös weiter.

„Ryan das ist nicht witzig, hörst du.“, meckerte ich und hoffte es war nur ein dummer Scherz von ihm. Da ging das Licht an und mein Atem stockte. Ryan war in Ketten gelegt worden und hatte merkwürdige blinkende Fesseln um seine Handgelenke.

„Ryan!“, rief ich und versuchte sie zu lösen.

„Lou, renn weg, hier ist…“, wollte er mich warnen, aber eine bekannte Stimme unterbrach ihn. „Ah, Lou!“

Langsam und ängstlich drehte ich mich um und sah Benett. Zwei seiner Wachen packten rechts und links Ryans Arme. Mein ganzer Körper bebte und ich versuchte vor ihm keine Angst zu zeigen. Ja, ich hatte Angst. Jedes Mal wenn ich in seine Augen sehen musste, empfand ich nur Hass und Wut. Aber als ich erfuhr wie raffiniert, lästig und hinterlistig Benett seien kann, fürchtete ich mich vor ihm. Er grinste mich arg an.

„Weißt du, letztens erst ist mir klar geworden wie oft und schnell du immer wieder meine Pläne durchkreuzt hast. Du hattest einen meiner Professoren benutzt, mein Geheimversteck in der Wüste zerstört und sogar meinen Giganten zu Grunde gebracht. Jedes dieser Verluste machte mich immer mehr wütender. Bis ich auf eine so schöne Idee kam.“

Er ging hinter mich und legte seine Hand an meinen Hals. Mein Atem war unregelmäßig und mein Puls war heftig laut.

„Wieso hast du eine so plötzliche Angst? Ich werde dir nichts tun, Lou, aber ich schlage dir einen Handel vor.“

„Ich gehe keinen Handel mit dir ein.“, erwiderte ich.

„Das musst du aber unbedingt. Weißt du, denn sonst könnte es passieren, das Ryan etwas zustoßen könnte und das wollen wir ja unbedingt vermeiden.“

Ich hatte keine andere Wahl, als mir seinen Vorschlag anzuhören. Benett war klug. Er bekam immer mit Druckmitteln, das was er wollte und das hatte er auch bei mir erreicht.

„Was willst du, Benett?“, sprach ich leicht aggressiv und ballte die Fäuste zusammen.

Er seufzte gereizt.

„Ich verstehe euch Plagegeister einfach nicht. Immerhin zerstört ihr ständig meine Werke und Pläne und dann nennt ihr mich immer noch beim Nachnamen. Dabei heiße ich eigentlich James. Ich dachte immer wir kennen uns doch so gut.“

„Nun sag schon, was verlangst du?“, hob sich meine Stimme.

„Nur einen Klitzekleinen Gefallen. Ich möchte dass du den Professor überzeugst, der übrigens den Senatoren dieses lästige Gerücht aufgetischt hat, dass er ihnen auch wieder sagt, dass es sich um ein Missverständnis handelt.“

„Das kannst du vergessen!“, rief ich.

Er ging zu Ryan hin, griff nach seinen Haaren und zog ihn nach hinten. Er schrie kurz auf.

„Hör auf!“, schrie ich und fand es unerträglich wie er ihn behandelte.

„Dann geh mit mir den Handel ein.“, sagte er und ließ seine Haare los. Mit tränengefüllten Augen ging ich zu Ryan und schaute ihn an. Was soll ich bloß tun? Wenn ich den Handel eingehe, werden vielleicht die Senatoren verraten und das alles wegen mir, aber ich möchte auch auf keinen Fall Ryan verlieren. Ohne ihn wäre mein Leben sinnlos. Niemals würde ich sein Leben aufs Spiel setzen wollen. Mit schwerer Entschlossenheit wandte ich mich zu Benett und schaute ihm in die Augen.

„Was soll ich tun?“, ging ich seinen Handel ein und dabei kullerte mir eine Träne herunter.

„Nein, Lou! Tu das nicht! Mein Leben ist es nicht wert, das tausend andere später sterben müssen.“, schrie Ryan dazwischen, jedoch hielten die Wachen ihm den Mund zu und verpassten ihm einen heftigen Tritt, damit er still blieb.

„Braves Mädchen.“, grinste er frohlockend. „Wenn du mich verstehen könntest, dann wären wir bestimmt ein gutes Team, Lou. Wir zwei würden dann über alles regieren und nichts stünde uns im Weg.“

„Eher sterbe ich.“, gab ich würdig zu.

„Naja, schade drum, aber solange du deinen Teil der Abmachung hältst, wird deinem Ryan nichts geschehen, das verspreche ich dir.“, schwor er.

„Hast du das nichts schon einmal getan und es nicht gehalten?“

Damals hatte Benett mir auch versprochen Ryan und den Ceck von Nik gehen zu lassen, jedoch landete Ryan bei mir in meiner Zelle. Daraufhin wusste ich dass man auf seinen Handel lieber niemals eingehen sollte.

„Damals hattest du mich leider falsch verstanden. Ich sagte ich lasse den Ceck gehen, aber von Ryan war keine Rede. Außerdem kam er wieder zurück und das nervte mich nun mal. Dafür musste er bezahlen. Wahrscheinlich, wenn ihr nicht entkommen wärt, hätte ich ihn foltern gelassen und ihn zu den anderen Eaganern gesteckt.“

„Du mieser Bastard.“, rief ich wütend.

Er kam auf mich zu und griff kräftig nach meinem Kiefer. Mein Puls stieg noch mehr und meine Beine waren wackelig, wie jedes Mal, wenn ich Todesangst hatte und das vor allem um Ryan. Er schaute mir wutentbrannt in die Augen.

„Zügel dein Mundwerk lieber, sonst muss er darunter leider.“, warnte er mich und ließ mein Kinn los. Er wusch meine Tränen weg und drehte mich dann gewaltsam zu Ryan um.

„Sieh ihn dir an. Mich würde interessieren, ob dir sein Leben wichtiger wäre, als dein eigenes.“

Ich schaute in seine Auge und sah die Angst in ihm. Aber welche war es, die die er um mich hatte oder seine eigene?

„Tu’s nicht, Lou. Du darfst den Professor nicht verraten. Das ist es nicht wert.“, hielt er mühsam seine Tränen zurück.

„Es tut mir leid, aber das werde ich nicht zulassen, dass sie dich töten. Du hast gesagt das wir das gemeinsam durchstehen.“, schniefte ich und ging auf ihn zu. Er hob seine Arme hoch, damit ich ihn umarmen konnte und am liebsten hätte ich ihn nie wieder losgelassen. Was ist wenn Benett sein Versprechen wirklich nicht hielt und er getötet wurde?

„Wir rührend.“, spottete er. Er küsste mich noch bevor wir uns lösten.

Benett kam zu mir und gab mir einen kleinen Chip.

„Wenn du den in den Nacken des Professors steckst, wird er alles tun, was du verlangst. Du wirst ihm sagen, dass er auf den Kongress geht und sagt, dass ich absolut unschuldig bin und er sich geirrt haben muss. Ich sei sogar ein Freund des Senats.“, befahl er mir. Noch ein letztes Mal schaute ich zurück zu Ryan und mir lief erneut eine Träne die Wange hinunter.

Bevor ich aus dem Zimmer verschwand, blickte ich Benett mit ernster Miene an.

„Wenn du dein Versprechen brechen solltest und ihm nur ein Haar gekrümmt wird, dann schwöre ich dir, ich werde dich jagen, ich werde dich finden und dich töten, qualvoll, James Benett.“, betonte ich seinen Namen um ihm klar zu machen, das ich es ernst meine. Draußen musste ich erstmals wieder zur Ruhe kommen, denn meine Beine waren immer noch wackelig. Ich wollte auf das Büro des Professors zugehen, aber Nova tippte auf meine Schulter. Mein Herz bekam einen heftigen Stich, da ich mich fürchterlich erschreckte.

„Nova!“, rief ich nervös und versteckte meine rechte Hand hinter meinem Rücken.

„Du siehst richtig hübsch aus.“, lächelte sie und strich über ihr langes weißes Seidenkleid mit Trägern, um einen Fussel wegzumachen.

„Kommst du? Die anderen warten schon, der Professor kommt auch gleich.“

„Nein. Ich meine, ich komme sofort, geh du doch schon mal vor, denn der Professor erwartet mich noch.“, stammelte ich nervös.

„Gut, wie du meinst. Bis gleich.“, rief sie und ging zum Fahrstuhl. Erwartungsvoll wartete ich ab, bis sie verschwand und trat in das Zimmer von Elius ein.

„Professor, ich muss noch etwas mit ihnen bereden.“, meldete ich mich und ging um seinen Schreibtisch herum. Er blickte mich misstrauisch an und zog eine Augenbraue hoch.

„Oh! Was haben sie denn da auf der Schulter?“, fragte ich überrascht und steckte ihm dabei schnell den Chip in den Nacken.

Er blickte mich stumm an und ich sah ihm genau in die Augen.

„Sie hören mir jetzt ganz genau zu…“

Später stiegen wir alle in das Flugzeug ein und ich zog mein Kleid unter meinen Hinter glatt, damit es sonst nicht zerknitterte. Ständig dachte ich nur an Ryan. Wie ging es ihm wohl? Wo hatte er ihn bloß versteckt? Aber eins wusste ich genau, wenn er Ryan in der Hand hatte, dann musste er ganz in seiner Nähe sein, also auf dem Kongress. Da es auch teilweise ein Ball ist wird zuerst getanzt, dann gegessen und schließlich kommt es zur Besprechung. Alle Professoren nahmen ihre engsten und vertrauenswürdigsten Freunde oder Mitarbeiter mit, sowie auch vielleicht Verwandte. Wahrscheinlich war der Saal voll und dadurch könnte ich unbemerkt nach Ryan suchen. Er sollte eigentlich mein Tanzpartner seien und dabei hatte ich mich so sehr auf diesen Abend gefreut.

Nova beugte sich zu mir rüber.

„Sag mal, wo ist Ryan? Er wollte doch auch kommen.“, fragte sie neugierig.

„Ach, der kommt nach meinte er, denn er fand seinen Smoking nicht passend.“

„Aha.“, murmelte sie und klang ein wenig misstrauisch was auch verständlich war, durch mein nervöses Stammeln.

Das Flugzeug landete. Den hypnotisierten Professor behielt ich immer im Auge, denn er durfte nur zu einem bestimmten Zeitpunkt den Satz sagen. Wir fuhren dreitausend Meter hoch, nach ganz oben. Der Saal sah genauso aus, wie ich es mir vorgestellt hatte. Es gab spiegelnde beige Fliesen, Säulen, einen langen Tisch am Ende des Saals, viele Menschen, und einen riesigen Kronleuchter an der hohen Decke, wo die Sterne zu sehen waren. Um den Saal gab es noch Balkonreihen, wo einige Wachen postiert waren. Die Senatoren erkannte man sofort. Jeder trug ein bestimmtes Gewand, weiß und mit einem merkwürdigen Zeichen auf dem Rücken. Der Professor trug so eins nicht, das wahrscheinlich meine Schuld war, da er schon hypnotisiert wurde. Alle kamen auf Elius zu gerannt und begrüßten ihn freundlich. Sie stellten ihm ihre Begleiter vor. Benett war sogar schon da und grinste mich arglistig an, dabei lief mir ein Schauer über den Rücken. Da nun alle vollzählig waren, stieg einer der Senatoren auf ein Podest, das aus dem Boden ragte und klopfte mit dem Löffel gegen ein Weinglas. Es klirrte laut und der Saal wurde still.

„Ich danke euch für euer Kommen und möchte unseren Ehrengast begrüßen, James Benett.“, rief er mit deutlicher Stimme und die Gäste klatschten. „Jedoch bevor wir mit dem Festmahl beginnen, amüsieren wir uns noch bei einem Tanz gut.“ Wieder klatschten die Gäste und hinter einer Wand ragten Musiker mit Instrumenten heraus und spielten eine Melodie von Beethoven. Gerade als jeder beschäftigt war, wollte ich in die Seitengänge gehen, um nach Ryan zu suchen, aber jemand hielt mich auf.

„Lou, so warte doch.“, rief eine bekannte Stimme und dabei entfachte sich meine Wut erneut. Am liebsten wäre ich weiter gegangen und täte so, als ob ich ihn nicht gehört hätte, aber schließlich drehte ich mich doch zu ihm um.

„Was willst du schon wieder, Benett?“, fragte ich gereizt. Doch da verbeugte er sich und hielt mir seine Hand hin. Er forderte mich zum Tanz auf? Als ich mich umschaute fiel es einigen Leuten auf und wenn ich jetzt ablehnte, käme es nicht sehr gut bei den Senatoren an, die auch auf mich schauten und die Benett als ihren Ehrengast ansahen. Zögernd nahm ich seine Hand und die Blicke verschwanden wieder. Er legte seinen Arm um mich und ich lehnte meinen auf seine Schulter. Er tanzte genau die Schritte, die ich auch auf meinem Abschlussball tanzte und deswegen konnte ich gut mit ihm mithalten. Am liebsten wäre ich an seinen Hals gesprungen und hätte ihn erwürgt, aber bei den ganzen Blicken war das wohl kaum möglich. Die anderen vier starrten mich verblüfft an, weil ich wahrscheinlich nie diesen Tanz angenommen hätte, jedoch wussten sie nicht dass er Ryan in der Hand hatte. Bei dem Tanz spannten sich all meine Muskeln zusammen und mein Körper zitterte. Jedoch lief mir die Zeit davon. Ich musste Ryan finden.

Ich blieb stehen und entschuldigte mich, da ich auf die „Toilette“ musste. Benett sah mir noch solange nach, bis ich rechts in einen der Gänge einbog. Es war still und über durch den roten Teppich, verstummten die Geräusche die meine Schuhe verursachten. Es war schwer in ihnen zu gehen, da ich das eigentlich nicht gewohnt bin und zog sie aus. Am Ende des Ganges befand sich eine Tür, die ich langsam öffnete und schon die ersten Geräusche hörte. Es waren Stimmen und Gelächter zwei Männer. Auf dem Boden saß Ryan mit einem mürrischen Gesicht und die Maskenmänner standen vor ihm Wache. Neben ihnen führte eine breite Treppe hoch zu einer weiteren Etage, die wahrscheinlich zu den Balkonen im Saal gelangte. Unter der Treppe war ein Aufzug. In Ryans Gesicht konnte ich erkennen, dass es ihn nervte bei zwei endlos prahlenden Männern zu sitzen. Doch jetzt wusste ich wo Ryan sich befand und nun musste ich abwarten bis die Besprechung anfing, um ihn dann retten zu können. Die Schuhe zog ich rasch wieder an, kehrte zum Saal zurück und Benett hatte sich schon auf einen Stuhl gesessen, weil er die Besprechung kaum abwarten konnte. Nach fast einer halben Stunden setzten sich mehrere Gäste schon hin und erneut klirrte das Weinglas.

„Dann beginnen wir nun mit dem Festmahl.“, rief er mit einem akkuraten Lächeln auf dem Gesicht. Es gab vorzügliche Speisen, man konnte sie auf einer langen Speisekarte bestellen. Ich aß nicht viel, da mir es keinen Appetit machte, ohne Ryan. Nova und Valerie saßen neben mir.

„Sag mal, Lou, wo bleibt denn Ryan? Wollte er nicht nachkommen oder ziehst du so ein trauriges Gesicht, weil er doch nicht kommen konnte?“, fragte Nova und wollte mich ein wenig aufmuntern.

„Ja, leider, er rief gerade eben an und verkündete mir, dass sein Smoking…schmutzig war.“, stammelte ich und hätte mir am liebsten selbst einen Tritt verpasst, da dies eine ziemlich lächerliche Ausrede war.

„Das ist aber Schade.“, seufzte sie.

Valerie beugte sich zu mir herüber.

„Du hast aber viel gegessen, ein belegtes Brot und Tomaten mit Mozzarella. Ist dir nicht gut oder ist es wegen Ryan?“

„Er fehlt eben bei dem Essen. Ohne ihn habe ich gar keinen großen Appetit.“, murmelte ich betrübt.

„Das tut mir leid, Lou. Das nächste Mal kaufst du ihm zwei Smokings, dann kann er den anderen anziehen, wenn einer schmutzig wird.“, lächelte sie tröstend und blickte immer auf ihr rotes Kleid, um sicher zu gehen, das es keine Flecken hatte. Das Essen hatte länger gedauert, als gedacht und umso mehr unruhiger wurde ich. Hoffentlich saß er immer noch da und hatten ihn nicht weggebracht, sonst könnte mein Plan schief laufen.

Wieder klirrte das Glas und eine Senator erhob sich vom Stuhl.

„Ich hoffe Ihnen hat das glorreiche Mahl geschmeckt, denn nun möchte ich zu einem Thema kommen, weswegen wir eigentlich hier sind. Wie ihr alle wisst ist Benett unser Ehrengast, jedoch haben wir mit ihm auch etwas Wichtiges zu besprechen.“, verkündete er und setzte sich wieder hin, da ein anderer Senator seine Rede fortsetzte.

Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, ohne den anderen ein Wort zu sagen, stand ich auf und lief leise wieder in den Gang. Benett wurde leicht nervös und hätte am liebsten ein Warnsignal gegeben, jedoch beobachtete ihn jeder genau. Wieder zog ich meine Schuhe aus, falls ich laufen musste und stellte sie neben die Tür. Vorsichtig öffnete ich die Tür und es war Glück, dass sie immer noch da saßen. Mittlerweile setzten sich die Wachen auch hin und hatten selbst das Warten satt. Sie sprachen sogar manchmal mit Ryan, als wäre er auch einer von ihnen. Sie fragten ihn über tägliche Dinge nach und Männerkram. Aber Ryans Antworten waren meistens nur Laute oder genervte Seufzer. Aus meinem Haar entnahm ich eine Spange die eine weiße Kugel am Ende hatte und klopfte sie sanft gegen die Wand, um zu prüfen wie laut es klang. Mit leisen Schritten stellte ich mich hinter eine Säule und warf die Spange durch das Geländer hoch, sodass es sich ein helltoniger Stöckelschuh anhörte. Einer der Wachen bemerkte es und schlich die Treppe hoch. An meiner Kette riss ich die Kugel ab und dachte gut darüber nach, wie ich den einen still bekomme und gleichzeitig festnageln kann. Ich zielte auf ihn und die Kugel teilte sich in drei. Zwei nagelten seine Hände an der Wand fest und der andere landete auf seinem Mund. Mit Mühe drückte ich ihn gegen die Wand und kam hinter der Säule zum Vorschein. Ryan lächelte mich erleichtert an.

„Wie kann man seine Fesseln lösen?“, fragte ich.

Ich machte seinen Mund frei und er keuchte zuerst nur. Doch durch mein heftiges drücken gegen die Wand, bekam er Angst und gab sein Schweigen auf.

„Bei meinem Kollegen in der Tasche ist eine Karte und mit der kann man die Fesseln lösen.“, ächzte er.

Mit einem kräftigen Kopfschlag fiel er bewusstlos zu Boden. Ich kniete mich zu Ryan hinunter und nahm seine Hände.

„Warte hier. Ich werde mir oben den anderen vorknöpfen, bin gleich wieder zurück.“, versicherte ich ihm.

Oben gab es noch drei Türen und eine davon war offen. Ich schlich mich an den Rand und schaute langsam um die Ecke. Der andere Mann durchsuchte einen Schrank, der in einem Gästezimmer stand. Es schien ihm zu gefallen, fremde Wäsche durchzuwühlen, so nutzte ich die Gelegenheit und schlug ihn von hinten bewusstlos. Die Karte entriss ich ihm und lief schleunigst hinunter. Doch vom Saal hörte ich Geschreie und wütende Laute. Mein Plan ging auf. Mit großen Sprüngen flog ich fast die Treppen hinunter und kniete mich zu ihm hinunter. An den merkwürdigen Plastikfesseln war ein Schlitz und dadurch fuhr ich dann die Karte, sie öffneten sich. Er rieb sich an den Handgelenken und nahm mich fest in den Arm.

„Oh, Ryan, ich hatte wirklich gedacht, das er dich töten würde.“, schluchzte ich und freute mich ihn endlich wieder seine Wärme zu spüren.

„Aber dafür sagt der Professor nun allen das Benett unschuldig ist.“, seufzte er.

„Sei dir da mal nicht so sicher.“, entgegnete ich mit einem siegreichen Lächeln. Da stürmten auch schon die Wachen in den Flur mit Benett an der Front. Sein Gesicht war rot und er schäumte nur so vor Wut. Ängstlich griff ich nach Ryans Arm und schmiegte mich an ihn. Schützend stellte er sich vor mich und blickte ihn bitter an. Am liebsten hätte er mich erwürgt, aber die Senatoren und deren Wachen blieben ihn auf den Fersen. Er benutzte den Aufzug und konnte entkommen. Jetzt fragte sich Ryan natürlich warum die Senatoren ihm nachliefen, das erkannte ich schon an seinem Ausdruck.

„Was hast du getan?“, fragte er.

„Ich habe dem Professor genau das Gegenteil gesagt, denn er sprach genau das, was ich schon immer den Senatoren sagen wollte.“, bejubelte ich den Sieg.

Die anderen vier kamen mit verblüfften Gesichtern auf mich zu.

„Wieso hast du uns nichts davon erzählt?“, fragte Jim.

„Das wäre zu Risikoreich gewesen und außerdem schaffte ich es ja auch allein und konnte somit beweisen, dass ich auch einmal nützlich bin.“, redete ich mir stolz ein.

Der Professor stand immer noch hypnotisiert bei den Senatoren und ich zog ihm den Chip aus den Nacken. Er atmete heftig auf und schaute mich wütend an.

„Lou, was zum…“, schrie er, stoppte jedoch, weil er merkte, dass er sich nicht mehr im Saal befand. Er musterte alles und drehte sich dann zu den Senatoren um. Obwohl er nicht wusste, was passiert war, entschuldigte er sich bei jedem.

Der Abend wurde spät und wir kehrten nach Hause zurück. Erschöpft legte sich jeder Schlafen und ruhte sich bis morgen Mittag aus. Von Benett war nichts mehr zu hören, er entkam, was ich mir auch denken konnte, aber dadurch hatte ich nur noch mehr Angst. Was mir auf jeden Fall bewusst war, war, das er bei unserem nächsten Treffen umbringen wird und das gnadenlos. Schließlich war die Polizei hinter ihm und er musste nun ein Versteck finden. Seine täglichen Aufträge machte wahrscheinlich Terra weiter, solange er sich versteckt hielt. Die nächsten Wochen waren nur Ruhe und Frieden, mir kam es so vor, als wäre nun alles vorbei, das sagte mir jedenfalls mein Wille, aber meine Gefühle waren immer noch voller Angst. Schließlich gönnte der Professor uns einen Urlaub, aber nur fünf Tage lang. Valerie und Nova flogen an den Strand, Alex und Jim in eine Wellnesscenter und Ryan und ich waren ideenlos.

„Vielleicht sollten wir einfach hier bleiben.“, meinte ich und legte mein Kinn auf seine Brust. Er kraulte meinen Kopf sanft und blickte hoch zur Decke.

„Ein wenig Urlaub täte uns aber gut. Außerdem, wann bekommen wir schon einmal Urlaub?“, entgegnete er.

„Du hast Recht. Vielleicht kann uns der Professor oder JC ein paar Urlaubstipps geben.“, schlug ich vor.

„Ich war noch nie im Urlaub.“, gab er zu und seufzte.

„Wieso nicht?“

„Mein Leben bestand nur aus Weglaufen, Verstecken und Armseligkeit. Wie hätte ich da in Urlaub fahren können. Ich bezeichnete schon eine Blumenwiese als Wunder der Natur, weil ich sonst nichts anderes kannte.“

„Das tut mir leid, Schatz.“, bemitleidete ich ihn und streichelte über seine Wange.

Später entschlossen wir uns doch JC um Rat zu fragen, da wir keinen geeigneten Urlaubsort fanden. Sie nannte uns viele Orte, die meisten waren nur Orte an denen ich mir mit Ryan vorkäme wie ein Rentnerpärchen. Aber sie nannte uns einen Ort der mir gefiel. In der Nähe von Desar war unterhalb der Stadt ein riesiges Tal und das nannte man das Nihad-Tal, es gab einen riesigen Dschungel, den gigantischen Wasserfall und tatsächlich zwei Hotels. Eines war in der Nähe vom Wasserfall und das andere mitten im Dschungel. Ryan warnte mich. Er hasste es im Gestrüpp zu leben und so entschlossen wir uns für das Hotel am Wasserfall. Da schon die andere längst fort waren, packten wir sofort unsere Koffer und bevor ich aus dem Zimmer verschwand tauchte JC bei mir auf. Sie entnahm mir meine Koffer und setzte sich mit mir auf das Bett. Ihre Ausdruck war aufgeregt und nervös.

„Was ist los?“, fragte ich besorgt.

„Keine Angst, es ist nichts Schlimmes, nur…“, beruhigte sie mich und atmete dann tief durch. „Da du keine Eltern mehr hast, Lou, finde ich, sollte ich es dir sagen, sonst gibt es ja niemand anderen. Du bist ja bestimmt noch Jungfrau, nicht?“, fragte sie und fand es selbst etwas beunruhigend mit mir über so eine Sache zu reden. Jedoch gab sie sich die allergrößte Mühe und sie jetzt davon abzuhalten, wäre gemein. Deswegen hörte ich mir einfach an, was sie zu sagen hatte und nickte.

„Ich will dir jetzt nicht den Kinderkram sagen, wie das alles funktioniert, weil du das schon längst weißt, sondern es geht eigentlich eher um deine Gebärfähigkeit.“

Meine Augen weiteten sich. „Nichts falsches Denken!“, rief sie, bevor ich mich beschweren wollte.

„Der Punkt ist, du kannst nicht schwanger werden, also sind Verhütungsmittel für dich unnötig. Selbst bei Geschlechtskrankheiten, da du gegen alles immun bist.“

„Aber wieso kann ich nicht schwanger werden?“, fragte ich mit einer leicht enttäuschten Stimme.

„Sobald ein genetischer Mensch entwickelt wird, ist es eine Pflicht die Personen Gebärunfähig zu machen, weil das Risiko bestätigt, dass dieses Kind vielleicht behindert werden könnte. Normalerweise schneidet man alles bei dir unten raus, war aber unnötig, weil deine genetischen Kräfte dir eine Schwangerschaft blockieren. Deswegen bekommen auch, Nova und Valerie ihre Periode nicht, aber du schon.“

„Aber das hängt doch dann irgendwie mit einer Eizelle zusammen, wenn ich meine Periode bekomme, oder nicht?“, fragte ich und wurde immer nervöser bei dem Gespräch. JC atmete erneut auf.

„Ja, aber deine Eizelle löst sich auf, weil es dein Körper als Fremdkörper ansieht und sie zerstört. Also sobald das Ei in den Eilleiter kommt, ist es in zwei Stunden aufgelöst. Du kannst unmöglich schwanger werden und brauchst dir keine Gedanken zu machen.“, beruhigte sie mich und ich war froh, dass dieses Gespräch ein Ende hatte.

„Gut, dass diese Biologiestunde zu Ende ist.“, murmelte ich erleichtert.

Bevor ich mit den Schiebekoffern aus meinem Zimmer verschwinden wollte, nahm JC mich noch in den Arm.

„Viel Spaß!“, wünschte sie mir und ließ mich weiter gehen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 25 – Ein kurzer Moment ohne Sorgen

 

 

Mit einem Schiff flogen wir nach Desar, weil es in dem Tal keinen Flughafen gab, sondern nur die zwei Hotels. Mit einem Auto, das auf Rädern fahren musste, weil es keine Magnetkraft im Tal gab, düsten wir zum Hotel. In allen Appartements in denen ich bisher war, war dieses das Paradies. Wir eine riesige Arena, befanden sich mehrere Pools, Bars, Liegestühle und Palmen in der Mitte. Die Zimmer bildeten die Außenwände des Hotels und das Restaurant indem es mindestens dreizehn lange Buffets gab, sah wie zehn Sterne aus. Es gab als Deko riesige Aquariums, die in den Wänden eingebaut waren, einen kleinen Springbrunnen und angenehm leuchtende Lichter. Hier waren auch sehr viele Eaganer angestellt und auch als Gast in dem Hotel. Mich durchfuhr eine Gänsehaut, als diese ganzen wunderbaren Sachen vor meinen Augen waren. Völlig aufgeregt und hibbelig begaben wir uns zur Rezeption und sagten dem Eaganer das wir ein Zimmer reserviert hatten. Wir mussten unsere Fingerabdrücke scannen lassen, damit wir einen Zugang zu unserem Hotelzimmer hatten. Es gab hier nur sieben Etagen und mindestens viertausend Zimmer. Die Zahl war eigentlich ziemlich klein für dieses enorme Hotel, aber dafür waren die Zimmer auch groß. Die Koffer wurde in unsere Zimmer gebeamt und ich hielt meine Hand auf den Display, der dann die Tür öffnete. Das Bad war fast so groß wie ein kleines Schlafzimmer und das Schlafzimmer, war fast so groß wie zwei Wohnzimmer. Wir hatten sogar eine Küche, also fast ein ganzes Haus. Die Wäsche wurde auch hier für einen gewaschen, es gab immer frisches Bettzeug, Handtücher und etwas zu Trinken. Von unserem Balkon aus, konnte man auf den Wasserfall sehen, am Abend wäre das absolut romantisch. Ryan wollte schon auspacken, aber ich konnte es nicht abwarten und drängte ihn dazu mit mir zum Wasserfall zu gehen. Wir zogen unsere Badesachen an und er teleportierte uns zum Fluss. Dort tunkte ich meine Zehen ins Wasser und es war kalt.

Bevor ich Ryan warnen wollte, dass es eisig war, sprang er schon mit einem Kopfsprung hinein. Geduldig wartete er auf mein Kommen, aber ich hasste es in kaltes Wasser zu springen.

„Wasserscheu?“, rief er spottend.

„Nein, ich brauche nur noch etwas Zeit.“, lachte ich.

An einem Stein stieg ich langsam hinab und zitterte schon, als nur meine Beine im Wasser waren, aber schon das war mir zu kalt. Ich stieg wieder aus und stellte mich an den Rand.

„Das ist so eisig!“, rief ich.

Noch bevor er etwas sagen wollte, stand er hinter mir, triefend nass. Dann umschlang er seine Arme um mich und trotz der Nässe, war mir warm. Ich legte meinen Kopf auf seine Schulter uns genoss die Sonne, die auch noch auf uns schien.

„Gut, dass wir doch hierhergekommen sind.“, lobte ich ihn, weil er dafür war, in den Urlaub zu fahren.

„Tja, ohne mich würden wir jetzt immer noch im Zentrum sitzen.“, rühmte er sich selbst.

„Irgendwann hätte ich auch gesagt, dass wir lieber fahren sollten.“

„Ja, bestimmt wenn unsere Urlaubszeit längst vorbei wäre.“

„Gar nicht.“, lachte ich und drehte mich zu ihm um. Wir schauten uns in die Augen und küssten uns. Der Moment war einfach zu köstlich, als das hätte ich ihn mir von irgendwem stören gelassen. Doch dann schwamm ich im nächsten Augenblick im Wasser, ich zuckte zusammen, ließ aber nicht von seinen Lippen. Es war, selbst durch das Plätschern des Wasserfall, eine beruhigende Stille. Später lagen ich und Ryan in der Sonne am Rande des Wassers auf einer feuchten Wiese. Mein Kopf lag auf seiner Brust und ich hörte seinen Herzschlag deutlich. Ich musste kurz kichern, da es schnell schlug.

„Was lachst du schon wieder?“, fragte er.

„Dein Herz schlägt schnell.“, kicherte ich und er lachte ebenfalls.

„Ich freue mich schon auf das Abendessen. Seit gestern hatte ich nichts im Bauch.“

„Es ist ja erst Mittag. Du wirst leider noch ein wenig durchhalten müssen, Schatz.“

„Ich werde ja schon nicht verhungern.“, grinste ich und genoss die Wärme der Sonne.

„Frage mich wie es den anderen ergeht.“, murmelte ich.

„Die haben bestimmt keinen plätschernden Wasserfall und ein tolles Hotel.“

Auf der anderen Seite kamen einige Touristen an und amüsierten sich im Wasser. Das Geschreie war nervig und das Klatschen des Wassers, ebenfalls. Ich schaute zu Ryan auf und er wusste, was in meinem Kopf vorging. Wir standen auf und gingen den Fluss weiter entlang. Dann kamen wir an eine Gablung des Flusses. Ein Teil führte weiter um das Hotel, der andere, der viel kleiner war, in den Dschungel. Ich nahm Ryans Hand und führte ihn durch das Gestrüpp. Eine massive Felswand, stoppte dem Fluss am weiterfließen und so entstand ein tiefer Tümpel. Ich setzte mich hinein und es war überhaupt nicht kalt.

„Hier kann ich mich überhaupt nicht beschweren.“, lachte ich und streckte meinen Bauch zur Oberfläche. Dann schloss ich die Augen und ließ mich vom Wasser treiben. Ryan ging das Wasser bis zur Brust und mir bis zum Hals, deswegen sprang er auch nicht kopfüber ins Wasser, sondern stieg langsam ein. Er legte seine Hände unter meinen Rücken und ich konnte meinen Kopf an seine Schulter lehnen. Ich fühlte mich sehr glücklich. Wenn wir bloß immer so leben könnte, hätte ich wirklich das Paradies gefunden. Das schon alles in vier Tagen endete war frustrierend, aber falls wir wieder Urlaub bekamen, dann möchte ich ein weiteres Mal hier sein, genau an dieser Stelle. Hier ist es ruhig und keiner konnte uns stören. Zwischen den Blättern schien die Sonne durch und eine Stelle war offen, wo man sich auch prima sonnen konnte. Der Wasserfall war leise zuhören, fast schon stumm. Ryan küsste mich erneut und ich legte meine Arme um seinen Hals. Er umschlang mich fest und fuhr an meinem Rücken entlang. Dann griff er nach meinem Bikiniverschluss.

„Weißt du noch als du mir versprochen hattest einen schönen Abend zu machen, den möchte ich heute Nacht genießen.“, flüsterte ich ihm zärtlich zu. Zur Bestätigung küsste er mich wieder und ließ meinen Verschluss los.

Am Abend gab es köstliches Essen, fast so lecker wie an dem Kongress. Aber hier hätte ich am liebsten das halbe Buffet gegessen. Unsere Mägen waren schnell gefüllt und wir gingen dann schließlich wieder ins Hotelzimmer. Wir beschlossen wieder zu dem Tümpel zu gehen und zogen wieder unsere Badesachen an, die wahrscheinlich nicht sehr lange an blieben. Der Fehler war beim letzten Mal, dass wir keine Handtücher mitnahmen und nass ins Hotel zurückkehrten. Dieses Mal liehen wir uns extra breite aus und teleportierten uns zu dem tiefen Tümpel zurück. Die Handtücher legten wir zur Seite und stiegen gemeinsam ins Wasser. Zuerst küssten wir uns wieder zärtlich und dann griff er wieder nach meinem Bikiniverschluss. Dieses Mal hinderte ich ihn nicht daran ihn zu öffnen und zog das Oberteil schließlich aus. Die Sonne färbte sich rot und sein Haar leuchtete darin. Nach wenigen Minuten standen wir uns entkleidet gegenüber. Er zog mich nah an sich und ich küsste seine Brust. Er strich an meinem bloßem Rücken entlang und zog mich ans Ufer. Dort ließ er nicht mehr von mir.

In der Nacht wachte ich auf und schlotterte am ganzen Körper. Ich lag immer noch auf der feuchten Wiese neben dem kleinen Tümpel. Ryan war neben mir und schlief. Über meinem Körper lagen nur die zwei breiten Handtücher und trotzdem zitterte ich. Ryan wachte auf und legte seinen Arm um mich. Der nasse und kalte Boden wurde zur weichen und warmen Matratze. Er legte die Decke über uns und ich schmiss die Handtücher neben das Bett. Das Schlottern und Bibbern hörte auf, dadurch das Ryan sich an mich schmiegte und wir im Zimmer waren. Ich schlief wieder ein und wachte erst spät am Morgen auf. In der Nacht fühlte ich mich äußerst glücklich. Das Zusammen sein und Leben mit Ryan war genau das, nachdem ich mich immer gesehnt hatte. Er war derjenige mit dem ich für immer mein Leben teilen wollte, meine Liebe zu ihm war unbeschreiblich, unermesslich und verführerisch aufregend. Es war das Leben worauf ich lange warten musste und nun deutlich spürte.

Noch immer hielt mich Ryan in seinen Armen und strich meine Haare aus dem Gesicht, als er merkte, dass ich wach wurde. Er schaute in meine Augen und ich strich ihm über seine Wange. Er lächelte mich an und küsste mich sanft auf die Stirn.

„Wie hast du geschlafen?“, fragte er.

„Wunderbar. Zum ersten Mal in meinem Leben durfte ich ohne Sorgen einschlafen, ohne Kummer und nur mit dir.“

Ich legte meinen Kopf auf seine Brust und er kraulte meinen Rücken. Seine Körperwärme gab mir das Gefühl geborgen zu sein und ich hätte den ganzen Tag bei ihm liegen können.

„Wieso muss es schon in ein paar Tagen vorbei sein? Ich würde am liebsten für immer hier bleiben.“, seufzte ich und schloss genüsslich meine Augen.

„Leider müssen wir aber zurück. Wenn Benett erst tot ist, werden wir vielleicht endlich ein normales Leben führen können.“

„Wieso sollten wir denn keines führen können?“, fragte ich.

„Denk daran, wir sind keine normalen Menschen. Außerdem könnten wir auch nie eine Familie gründen.“

„Ja und das alles wegen mir. Ich werde nie ein Kind kriegen können und wenn doch, dann würde es auch kein normaler Mensch werden.“

Ein bisschen traurig machte es mich schon. Immerhin hatte ich mir gewünscht später eine Familie zu haben. Jedoch als mir JC erst vor ein paar Tagen erzählte, das ich nie schwanger seien könnte, war es wie ein dicker schwarzer Strich durch meine Liste, den ich niemals rückgängig machen könnte. Manchmal wünschte ich mir sogar in mein altes Leben zurückzukehren.

„An was denkst du gerade?“, fragte er und bemerkte meine besorgte Mimik.

„Daran, dass ich nie wissen werde, wie es ist eine Mutter zu sein. Das ich nie ein eigenes Leben beginnen kann, sondern etwa nur Missionen ausführe und dabei mein Leben riskiere. Manchmal wäre ich gerne wieder in meinem alten Leben, als eine einfache Bedienstete in Amys Café.“

„Ist es wirklich das was du willst?“

„Manchmal jedenfalls.“, sagte ich.

„Was hindert dich daran es dir zum Ziel zu setzen?“

„Du, Ryan.“

Er hielt kurz inne und zog dann die Decke über meinen nackten Rücken.

„Heißt das, wenn es mich nicht gäbe,…“, fing er an, doch ich unterbrach ihn: „…wäre mein Leben sinnlos.“

„Aber dann hättest du mich doch nicht gekannt. Wenn ich nicht existieren würde, wie könnte dann dein Leben sinnlos seien? Mich gäbe es überhaupt nicht.“

„Ja, aber einen Mensch wie dich gibt es nur einmal auf der Welt. Wenn ich jetzt schon der Meinung bin, das ich mir hätte keinen besseren wünschen können, als dich, dann gäbe es auf der Welt niemanden, der dich ersetzen könnte.“, lächelte ich ihn an.

„Diese Worte hättest du auch zu jemand anderen sagen können.“

„Was willst du denn von mir hören? Wenn du denkst, du wärst nicht gut genug für mich, dann irrst du dich gewaltig.“, schimpfte ich.

„Schon gut. Ich habe es verstanden.“, lachte er und strich über meine Haare.

Die Ferien endeten schnell und somit auch die sorgenlosen Tage. Ein einzelnes Flugzeug holte uns alle sechs ab. Nova und Valerie waren ein Tick brauner geworden und Novas Haare funkelten nun, da sie noch heller waren. Jim und Alex jammerten dass sie am liebsten ihr ganzes Leben dort verbracht hätten.

„Das war einfach der Wahnsinn, Lou. Da gab es eine Sauna, tägliche Massagen und Jim hatte sich eine Maske auf die Haut tragen lassen.“

„Wirklich?“, lachte ich und Jim schaute Alex wütend an.

„Du sagtest du behältst es für dich. Außerdem dachte ich meine andere Gesichtshälfte würde vielleicht weggehen. Tja und statt zu heilen, hatten sie nur die ganze Maske aufgesaugt.“

„Die Gürkchen auf seinen Augen hättet ihr sehen sollen.“, lachte Alex laut. Jim verschränkte die Arme vor der Brust und verzog ein schmollendes Gesicht.

„Unglaublich, dass selbst nach so vielen Jahren immer noch Masken zur Verschönerung verwendet werden.“, staunte ich.

Bald kamen wir am Zentrum an und die Computerstimme begrüßte mich herzlich, als ich in mein Zimmer eintrat. Jemand hatte es in der Zeit aufgeräumt und das konnte nur JC gewesen sein. Der Professor selbst sagte, dass niemand außer ihm und die VHK’s, die Räume betreten durften. Davor lagen meine ganzen Kleider einzeln verteilt im Raum herum und die dreckige Wäsche war auch auf dem Boden, da der Wäscheschacht verschlossen wurde. Dort schmiss ich meine dreckigen Kleider hinunter, die direkt auf einen Haufen fielen, wo Bedienstete sie wuschen. Ständig musste ich an die letzten Tage denken, ein Abend machte sie ganz besonders. Aber das erinnerte mich wiederum daran, nie ein Kind gebären zu können. Genau wie Nova und Valerie und bei ihnen könnten ich mir auch gut vorstellen, dass sie später eine Familie haben möchten. Was hätte ich eigentlich auch anderes erwarten sollen? Wir sind geschaffen um Übeltäter zur Strecke zu bringen und nicht um Kinder zu gebären. Daran zu denken machte es sowieso nur noch schlimmer.

Von Benett fehlte jede Spur. Er verschwand mit seinen Verbündeten und keiner wusste, wo er sich verstecken wollte. Der Professor stellte Vermutungen an, jedoch erfolglos. In keiner Stadt hatte ihn jemand noch gesehen oder von ihm gehört. Er war wie vom Erdboden verschluckt. Das ging ganze zwei bis drei Wochen so, bis jemand mit einem sehr empfindlichen Gerät, in Navina menschliches Leben aufspüren konnte. Sofort schickte der Professor uns auf die Suche und wir flogen schnellstmöglich dort hin. Plötzlich wurde mir auf der Fahrt schwindelig und mir wurde richtig heiß. Mein Atem war schneller und mein Magen verdrehte sich. So gut ich konnte, wollte ich es nicht zu auffällig machen. Bis ich schließlich zum Eimer griff, der in einem Regal stand und ich mich übergeben musste. Im Flugzeug wurde es still und jeder starrte mich an. Mein Körper fühlte sich erschöpft an und ich legte mich auf den Boden. Ryan kam direkt panisch auf mich zu und hob meinen Kopf.

„Was hast du?“, fragte er aufgeregt.

„Das muss der Flug sein.“, vermutete ich.

Valerie fuhr ein wenig langsamer und doch hörte meine Übelkeit nicht auf. Das schwindelige Gefühl ging nicht fort und jemand legte meine Beine hoch. Die Hitze ertrug ich fast nicht und schwitzte sehr.

„Sie kann nicht krank sein. Sie ist gegen alle Krankheiten geschützt.“, meinte Nova und fühlte an meine Stirn. „Sie glüht.“

„Vielleicht ist es ja eine völlig neue und unbekannte Krankheit.“, rief Ryan.

„Unmöglich. Sie ist gegen jegliche Bakterien und Virusse immun. Es muss etwas anderes sein. Vielleicht ist es sogar zu ernst. Wir sollten sie nach Hause bringen.“, schlug Alex vor.

„Nein. Ohne mich werdet ihr es nicht schaffen.“, keuchte ich und stand auf. An der Wand hielt ich mich fest und setzte mich dickköpfig auf meinen Platz. „Das ist nur der Flug!“

Als wir ankamen ging es mir tatsächlich besser. Ich sog die frische Luft ein und lächelte zu Ryan.

„Siehst du, mir geht es schon viel besser. Das war nur der Flug, keine Sorge.“

Er seufzte erleichtert auf. Valerie schaltete einen merkwürdigen flachen Bildschirm an, der uns anzeigte, wo Lebewesen sich versteckten, vor allem Menschen oder Eaganer. Hinten war ein kleiner Scanner angebracht, der die ganze Gegend absuchte. Sie hielt ihn vor sich, zur Innenstadt Navina. Aber dann winkte die mit der Hand nach vorne und war völlig begeistert von dem neuem Instrument. Sie drehte sich um und hielt ihn uns entgegen.

„Das ist total abgefahren! Eure Masse ist hellgrün und dort wo am meisten Energie durchströmt, leuchtet es rot und das ist das Herz.“

Das eigentlich Schlimme kam erst, als sie plötzlich zur erschrockenen Mimik wechselte.

„Stopp!“, schrie sie und starrte entgeistert auf den Bildschirm.

„Was hast du?“, fragte ich und wollte zu ihr gehen, aber die hob warnend die Hand.

„Bleib stehen!“

Wie angewurzelt starrte ich sie an und rührte mich keinen Zentimeter.

„Das ist wirklich unglaublich.“, murmelte sie und schluckte. Nova kam zu ihr gelaufen und Valerie deutete mit dem Finger auf den Bildschirm. Nova verzog ebenfalls ihr Gesicht. Was hatten sie nur?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 26 – Ersehnter Wunsch, aber ein falscher Zeitpunkt

 

„Wenn ihr mir jetzt nicht sofort sagte, was los ist, dann werde ich wütend.“, rief ich, als jeder den Bildschirm betrachtete. Besonders Ryan war davon sehr betroffen und setzte sich wie in einem Schockzustand auf den Boden. Als Jim es auch sehen wollte, drängelte er sich zu Valerie und jeder starrte zu mir. Valerie deutete auf den roten kleinen Punkt an meinem Bauch und er schluckte.

„Kannst du das Bild irgendwie speichern?“, fragte Nova und sie fummelten am Gerät herum. Ich wollte zu ihnen gehen, aber Valerie verbat mir, mich zu bewegen. Nach einigen Minuten winkten sie mich zu ihnen und zeigten mir mein Bild. Dort erkannte ich den roten Punkt, schüttelte zuerst den Kopf, was denn daran so schlimm wäre und Valerie meinte, jedes Lebewesen verfügt über nur ein Herz und einen Körper. Das durfte nicht wahr sein. Jetzt? Und wie konnte es überhaupt passieren? JC sagte ich könnte niemals schwanger werden. War das Schicksal oder vielleicht war der Monitor auch kaputt.

„Das muss ein Fehler sein.“, meinte ich und ging wieder zurück aufs Schiff um einen Moment alleine zu sein. Ich setzte mich auf meinen Platz und dachte darüber nach. Ich bekomme ein Kind? Ein Baby? Nicht jetzt und außerdem wie? Es kann nur ein Fehler sein, JC bestätigte mir, dass ich nie schwanger werden könnte. Das Sperma hätte nie meinen Eileiter erreichen können, noch bevor die Zelle getötet wurde. Ich hielt mir die Hände ins Gesicht und durfte das alles nicht glauben. Doch dann kam wieder alles hoch, die Übelkeit, der Schwindelanfall und die enorme Hitze. Ich musste aufstehen und stützte mich an der Wand ab. Ryan kam hineingerannt und ich schüttelte ihm den Kopf zu. Noch bevor ich mich übergab rannte ich wieder zum Eimer und musste mich abermals übergeben.

„Es hat keinen Zweck. Ich möchte Klarheit. Bitte sag Valerie sie soll mich wieder Heimfahren. Ihr bleibt hier und werdet Benett ausfindig machen. In einer Stunde wird hier ein anderes Flugzeug ankommen, um euch abholen zu können.“

Er schüttelte den Kopf.

„Bitte, Ryan.“, bat ich ihn, aber er weigerte sich.

„Ich werde nicht vernünftig denken und arbeiten können, wenn ich weiß dass mit dir etwas nicht stimmt.“

„Mir geht es gut!“, rief ich, doch in dem Moment musste ich mich wieder übergeben. Ryan drehte um und teilte es den anderen mit. Sie nickten und Ryan flog los. Ich legte mich auf eine aufklappbare Trage an der Wand. Die Fahrt verschlimmerte alles noch und irgendwann fing ich an Schmerzen zu ertragen, durch die extreme Hitze. Bald waren wir im Zentrum und ein anderes Schiff war schon längst auf den Weg zu Navina. Ich bekam mit wie der Professor mit Ryan darüber redete, zu vermuten, dass ich schwanger sei.

„…bist du dir sicher? Wir könnten einen Scanntest machen, der sagt uns auch noch aus wie groß der Embryo im Moment ist und in welcher Entwicklung er sich befindet.“, meinte der Professor und Ryan nickte nur zu. Er schloss das Hologramm und drückte auf den Autopiloten. Dann setzte er sich neben mich und nahm meine Hand, sie glühte.

„Der Professor meinte es sei normal dass du glühst, weil es wegen deinen Fähigkeiten ist.“

Mir kullerte eine Träne hinunter und er wischte sie weg. Er kniete sich zu mir hinunter und streichelte meinen Kopf.

„Ich kann dich nicht ganz verstehen. Wieso weinst du? Wolltest du das nicht?“

„Nein. Das heißt schon, aber nicht in diesem Moment. Benett läuft immer noch da draußen herum und falls ich verletzt werde am Bauch, weiß ich nicht ob ich das Kind heilen könnte. Vielleicht würde ich mich wieder regenerieren, aber ob es das Kind tut?“

„Ich werde schon aufpassen, dass dem Kind nichts passiert. Du wirst dich sowieso nur im Zentrum aufhalten können. Denkst du tatsächlich ich lass dich gehen in diesem Zustand?“

Ich lächelte und schniefte.

Im Zentrum musste ich mich an die Wand stellen und ein kleines Gerät mit einem blauen Licht fuhr über meinen Bauch.

„Ein Embryo, Größe 1,2 Millimeter, Geschlecht männlich.“, rief ein Angestellter zu dem Professor und er ließ uns allein in seinem Zimmer.

„Also bin ich wirklich schwanger, ja?“, fragte ich noch einmal zur Sicherheit, aber der Professor bestätigte es mit einem leichten Nicken.

„Das ausgerechnet wo Benett auf freiem Fuß ist.“, seufzte er.

„Es tut mir leid.“

„Wofür? Du kannst nichts dafür. Ich war mir zu hundert Prozent sicher, dass du niemals schwanger werden könntest und doch bist du es. Schon seit Stunden suche ich eine Antwort.“

Ich wusste dass es ihm überhaupt nicht gefiel, da ich nun ständig im Zentrum bleiben müsste, weil ich bei Anstrengung Schwindelanfälle, Übelkeit und Hitzewallungen erlitt.

„Nenn mir den Tag an dem deine Periode war und wann du mit Ryan geschlafen hattest.“, sagte er rasch und legte ein leeres Blatt vor sich hin. Ich schluckte und es viel mir schwer gerade diese Antworten dem Professor mitzuteilen.

„Ist das denn nötig?“

„Ja.“

„Also gut. Vor vier Wochen hatte ich meine Periode und am zweiten Ferientag schliefen wir.“

„Gut. Ich werde das alles berechnen müssen und vielleicht finde ich darauf eine Antwort. Geh und ruhe dich lieber aus.“, meinte er und gab in den Computer einige Daten ein. Ich verschwand sofort aus seinem Büro und flüchtete in mein Zimmer. Dass ich schwanger war, nahm ich noch nicht richtig wahr. Aber alles worauf ich gehofft hatte, war nun da und ich wollte es nicht. Vielleicht könnte ich das Kind abtreiben und so dem Professor weiter helfen können. Aber Ryan würde etwas dagegen haben. Das war alles zu viel für mich und ich legte mich schlafen. Doch mitten in der Nacht weckte mich ein unerträglicher Schmerz. Als würde mir jemand ein Messer in den Bauch stechen. Mein Geschrei weckte alle auf. Ich drückte mich gegen die Wand und die Schmerzen hörten nicht auf. Mit meinen Krallen wollte ich mich in den Boden bohren, aber hielt mich jedoch am Schrank fest. Ryan platzte hinein und mit ihm auch JC. Sie wollten mir helfen, aber der Schmerz war unerträglich. Mich auf den Bauch zu legen, machte alles nur noch schlimmer und schließlich spürte ich wie etwas in meinen Rücken stach. Da verschwand das Bild und alles wurde schwarz.

Später wachte ich auf einer Station auf und lag in einem Krankenbett. An mir waren Schläuche festgemacht worden und eine Kanüle steckte in meiner rechten Hand. Neben mir saß Ryan und verzog ein besorgtes Gesicht.

„Was ist passiert?“, fragte ich aufgeregt.

„Du hast mitten in der Nacht geschrien und hattest Schmerzen. Ein Arzt musste dich betäuben, sonst hätte das niemals ein Ende gehabt. Außerdem lag es am Baby. Es hat dir die Schmerzen zugefügt.“, erklärte er mir und zum ersten Mal wurde ich darauf wütend.

„Vielleicht sollte das Baby…nicht sein.“

Ryan ballte die Fäuste und starrte mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Er musste sich teilweise beherrschen um nicht auszurasten.

„Willst du es etwas umbringen?“, fragte er ernst.

„Nein. Aber es wird uns nur Probleme bringen. Es hat uns von unserer Mission abgehalten und jetzt muss ich schon darunter leiden. Was ist wenn das Kind noch geboren wird, ohne das Benett eingesperrt worden war.“

Er kam auf mich zu nahm meine Hand und schaute mir tief in die Augen.

„Versprich mir, dass du keinen Gedanken daran verschwendest auch nur im Geringsten das Kind auf irgendeine Weise abzutreiben. Ich will das nicht.“

„Also gut. Ich verspreche es.“

Es vergingen weitere Wochen und die Schmerzen und Nebeneffekte einer Schwangerschaft nahmen ab. Am Anfang waren es grauenhafte Tage und Nächte und Ryan stand immer neben mir, doch dann schickte ihn der Professor auf eine Mission, wo sich womöglich Benett befand. Jim und Valerie gingen mit ihm und ich stand am Schiff, um mich zu verabschieden. Über meinem Bauch war eine kleine Wölbung zu erkennen und Ryan strich kurz drüber. Die ganzen Wochen war er bei mir gewesen und nun musste er auf eine Mission gehen, da der Professor ihn bräuchte. Ich hatte Angst um ihn. Was war, wenn sie tatsächlich Benett dieses Mal fanden und ihnen etwas zustieße? Den Gedanken versuchte ich zu verdrängen und dachte immer positiv. Es verging schon ein weiterer Tag und sie kehrten nicht wieder. Es gab Missionen wo wir schon über fünf Tage unterwegs waren, aber alle bisherigen Mission um die es bei der Suche nach Benett ging, war keine so lang wie diese. Besorgt ging ich zum Professor und setzte mich vor seinem Schreibtisch hin.

„Haben Sie schon etwas Neues gehört?“, fragte ich.

Er schüttelte den Kopf und tippte mit seinem Bleistift auf dem weißen Blatt Papier herum. Dabei blickte er mich durchgehend an.

„Das Kind, Lou, dir ist schon bewusst das es eine Mischung aus dir und Ryan sein wird.“

„Also wird es heilen und gelichzeitig sich teleportieren können?“

„Vielleicht oder es wird mehrere Teile von dir haben oder von Ryan. Wenn du willst können wir das feststellen und könnten dir ganz genau sagen, wie dein Kind später sein wird.“

„Nein, danke, es reicht schon wenn ich weiß dass es ein Junge sein wird.“, lehnte ich ab und stand wieder auf um zu gehen. Jedoch hielt der Professor mich weiter auf.

„Wenn das Kind erst auf der Welt ist, könnte es sein, das es seine Fähigkeiten nicht kontrollieren kann und deswegen hatte ich mir etwas überlegt.“, sagte er und kramte hinten in einem Schrank herum.

„Was meinen Sie damit er könnte es nicht kontrollieren?“, fragte ich unsicher.

„Ein Baby ist sich nicht bewusst seiner Fähigkeiten und deswegen könnte es unerlaubt sich wegteleportieren ohne das es dies wollte.“

„Was schlagen Sie vor?“

Er kramte weiter in dem unordentlichen Schrank und zog dann einen Armreif heraus. Es schimmerte Gold und passte genau zu einem Babyhandgelenk.

„Wir hatten diesen Vorfall schon einmal und damals fertigte ich so ein Armband auch an. Dein Baby wäre geschützt und wenn es sechs Jahre oder älter ist, könntest du ihm beibringen seine Fähigkeiten zu kontrollieren. Dann müsste es auch nicht mehr das Armband tragen.“

Ich nickte und verschwand aus dem Zimmer. JC kam mir entgegen und verzog ein panisches Gesicht. Sie wollte zum Professor, aber ich hielt sie davon ab.

„Was ist los?“, fragte ich besorgt.

„Nichts. Gar nichts. Geh und ruh dich noch ein wenig aus.“, keuchte sie und grinste falsch. Dann lief sie an mir vorbei und stürmte das Zimmer des Professors.

„Ah, JC, gibt es Neuigkeiten?“, lächelte er, das jedoch schnell verblasste, als er JC Gesichtsausdruck sah. Neugierig trat ich wieder ein und setzte mich stur auf den Stuhl.

„Jetzt kannst du anfangen!“, rief ich und schaute sie aufmerksam an.

„Lou, ich weiß das würde dich interessieren, aber bitte, es ist besser wenn du es nicht erfährst.“

„Denkst du mir wird es besser gehen, wenn du mich jetzt hinaus schickst?“

Sie seufzte schwer und holte tief Luft. In ihren Augen zeigte sich die Angst und der Professor und ich warteten auf ihre Worte ab.

„Seit sechsundzwanzig Stunden wartete wir auf eine Antwort von Valerie, Jim und Ryan ab. Es kam eine an, aber auf dem Video waren nicht die drei zu sehen, sondern jemand anderes.“

Mein Magen zog sich zusammen und ich spürte wie selbst das Kind sich fürchtete.

„Wer?“, rief ich eilig.

„Ihr seht es euch lieber selbst an.“

Wir liefen in einen Raum, wo überall nur Fernseher in der Wand haben und elektrische Schalter und Tasten auf einer breiten Fläche zu sehen waren. Ein Mann tippte in einer unglaublichen Geschwindigkeit darauf herum und rief das letzte angekommene Video ab. Er spielte es ab und man erkannte eine sehr dunkle Umgebung. Es waren nur Umrisse zu erkennen und einzelne Schatten. Doch dann hörte ich eine Stimme, die in meinen Ohren seit Monaten nicht mehr erklang.

„Hallo Professor Elius. Ich habe eure drei hübschen Kinderchen, Valerie, Ryan und Jim. Sie sind uns zufällig in die Arme gelaufen und deswegen musste wir sie herzlichst begrüßen.“

Im Vordergrund konnte ich Benetts Gesicht erkennen und ballte die Fäuste. Er drehte die Kamera zu den dreien und jemand leuchtete eine Taschenlampe auf sie. Man sah wie sie diese undurchdringbaren Fesseln trugen, die ihnen ihre Kräfte raubte und an einer Felswand saßen. Um sie lag viel Müll und altes geschottetes Blech, das musste Navina sein. Ich konnte Terras und Loks Stimme erkennen die im Hintergrund miteinander redeten.

„Meine Bedienungen sind ganz einfach. Gebt mir ein Schiff mit einem erste Hilfekasten und Nycleozon.“

„Was ist denn Nycleozon?“, fragte ich.

„Ein Mitteln gegen eine furchtbare Erbkrankheit. Er muss darunter leiden, deswegen tauchte er damals in den ganzen Zeitungen und vor allen Reportern unter. Keiner sollte von seiner Erbkrankheit erfahren.“, erklärte der Professor.

„Was bewirkt diese Krankheit?“

„Er wird sterben. Man kann nichts dagegen tun, sondern sie nur hinauszögern. Deswegen riskierte er auch alles um die Eaganer zu töten, da er sowieso sterben wird. Das leuchtet ein.“, erkannte JC.

„Oder besser wäre noch, wenn ihr mir Lou bringen könntet. Genau. Bringt sie mir und ich werde dafür die anderen drei frei lassen. Ihr habt mein Wort. Euch bleiben noch vier Stunden oder sie sind tot.“, erpresste er uns und das Video wurde beendet.

„Von wo aus wurde das Video gemacht?“, fragte er Professor schnell.

„Aus Navina, weiter östlich. Ich werde euch die Koordinaten geben.“, sagte er tippte wieder auf der Tastatur um.

„Ihr habt ihn gehört, auf geht’s!“, sagte ich und wollte den Raum verlassen, um mich fertig zu machen, aber JC packte meinen Arm.

„Tut mir leid, Mami, aber du wirst hier bleiben.“, befahl sie mir.

„Genau, Lou. Wir werden dieses Risiko nicht eingehen. Durch dich wird er die Erbkrankheit los und hat ein weiteres Druckmittel.“

„Aber was wird aus den anderen?“

„Nein, wir werden ihm ein Schiff geben und ein paar Spritzen, gefüllt mit Nycleozon. Du bist für Missionen nicht in der Lage, Lou und das war mein vollster Ernst.“

„Aber was ist wenn er sie umbringt?“

„Das wird er nicht, dafür sorge ich.“, versprach der Professor und begleitete mich auf mein Zimmer. Er schubste mich hinein und schaute mich noch traurig dabei an.

„Tut mir leid, Lou, aber es geht nur um deine Sicherheit.“

Bevor ich erkannte was er vorhatte, schloss er die Tür ab mit einem Sicherheitscode. Wie wild klopfte ich gegen die Tür und schrie wild auf.

„Bitte, lasst mich euch helfen!“

Aber es tat sich nichts mehr. Benett wird sie umbringe, wozu sollte er sie am Leben lassen? Es ist hoffnungslos. Ryan war verloren. Ich begann zu weinen und versuchte immer weiter die Tür zu öffnen. Meine Kraft ließ nach und ich spürte wie sich sogar mein Kind aufregte. Doch dann geschah etwas völlig Unerwartetes. Plötzlich befand ich mich im Fahrstuhl, genau dort wo ich seinen wollte. Wie ist das möglich? Verwundert schaute ich einen Mann an, der mich erschrocken anstarrte. Es gab keine andere Wahl, als das ich alleine losfliegen musste. Also schlich ich mich auf ein unbenutztes Schiff und erinnerte mich an die Tasten die Valerie und Ryan immer benutzten. Es startete und tatsächlich konnte ich mit dem Schiff umgehen. Aber sie wollten das große Tor schließen. Der Professor wusste, wer in dem Schiff war, auch wenn es ihm unerklärlich sein musste, wie ich entkommen konnte. Doch ich schaffte es rechtzeitig noch nach draußen und navigierte das System nach Navina.

In der Zwischenzeit auf dem Zentrum:

Elius erschrak als er merkte wie ein unangekündigtes Schiff starten wollte. Er hatte nur eins im Sinn, Lou. Schnell liefen er und JC in ihr Zimmer, er gab den Sicherheitscode ein und öffnete die Tür, sie war nicht da.

„Wie kann das sein?“, fragte JC aufgewühlt.

„Die Bindung zwischen dem Baby und ihr ist stärker als ich vermutete.“, murmelte er erstaunt.

„Was meint Ihr?“

„Das Kind hat Lou aus dem Zimmer teleportiert.“

„Aber es ist doch noch nicht einmal ein richtiger Mensch.“

„Es besitzt aber schon ein Gehirn und sieht die Bilder von Lou und muss ihre Schrie und ihren Schmerz gespürt haben. Dadurch hatte das Kind selbst Gefühle entwickelt und half ihrer Mutter. So teleportierte sie sich hier heraus.“

Der Professor ging im Eilmarsch zur Flugzentrale und wieder standen sie vor einigen Computerbildschirmen.

„Wo befindet sie sich?“, fragte Elius.

„Sie ist noch nicht sehr weit gekommen. Aber in einer halben Stunde erreicht sie die Stadtgrenze. Sie hat ein enormes Tempo.“, antwortet ein Angestellter dieser Position.

„JC, du fliegst mit Alex nach Navina, versucht sie einzuholen und bringt sie wieder zurück. Wenn sie Benett in die Hände fällt und er sieht das sie schwanger ist, wird er mit dem Kind sonst etwas anstellen wollen. Los, beeil dich!“, rief er und JC machte sich sofort auf den Weg.

Auf dem Schiff:

Ich stellte den Auto-Piloten ein und das er noch schneller fliegen sollte. Über die Landung machte ich mir eher Gedanken, da ich noch nie so etwas gemacht hatte. Aber meine Jacke war zu eng für meinen Bauch. Man sah die Wölbung zu deutlich und in einem Erste-Hilfe-Schrank suchte ich nach einem breiten schlafen T-Shirt. Ich fand einen dunkel blauen Männerpullover, der mit um fünf Größen viel zu groß war und trotzdem zog ich ihn an. Die Ärmel krempelte ich mir hoch, das sie zu lang waren und setzte mich wieder auf den Platz. Wenigstens konnte man die Wölbung nicht erkennen. Als ich Navina erblicke, wurden meine Hände feucht und kalt. Mein Herz raste, sowie mein Puls stieg und ich ihn in meinen Adern fühlen konnte. Benett durfte nicht wissen, dass ich ein Kind in mir trage, niemals. Aber es kamen auch Tränen zustande, da ich nicht wusste, ob Ryan noch lebte. Schließlich sah ich auf einem hohen eingestürzten Gebäude, Terra stehen und wusste, die wollte das ich neben ihr landete. Mit einer automatisierten Landung konnte ich dies Problemlos lösen und es öffnete sich die Klappe. Terra stand davor und packte mich am Arm.

„Gut, du kommst allein. Das ist ja noch besser.“, sagte sie schroff und zerrte mich in noch einen funktionierenden Fahrstuhl. Wir fuhren hinunter, bis ins Untergeschoss zehn und landeten in dieser dunklen Höhle, die auch auf dem Video zu sehen war. Ich sah Valerie, Jim und Ryan am Boden sitzen und lief zu ihnen.

„Wieso bist du hier?“, fragte Nova und ich merkte, dass sie am Bauch verletzt worden war. Schnell heilte ich sie und merkte wie stark plötzlich meine Kräfte geworden waren. Das muss auch wegen dem Baby sein. Doch da zog mich jemand mit den Haaren zurück auf den Boden und ich konnte Benetts Gesicht erkennen. Ich schrie kurz auf als er mich auf den harten Boden zerrte.

„Lou, du kommst allein?“, fragte er und ich zog mit der Hand den Pulli am Bauch ein wenig hoch, weil ich auf dem Rücken lag.

„Ja und zuerst lässt du Valerie, Jim und Ryan frei.“

„Nein, zuerst wirst du mich heilen.“, befahl er und zog fester an meinen Haaren, doch dann aktivierte ich, ohne es zu wollen mein Magnetfeld. Das muss wieder mein Sohn gewesen sein. Doch dieses Mal war es so stark wie noch nie zuvor. Benett konnte sich nicht lange wehren, da sein Gürtel eine Metallschnalle hatte. Aber Terra durchdrang mein Schild und zerrte mich hoch.

„Stell es ab, los!“, befahl sie wütend.

Das Magnetfeld konnte ich noch kontrollieren und stellte es ab. Benett kam wieder zu mir und griff schroff nach meinen Haaren.

„Noch einen weiteren Fehler und Lok kümmert sich um Jim.“, drohte er mir.

„Ok.“, gab ich auf und mir fiel dann plötzlich eine geniale Idee ein, war mir dennoch nicht sicher ob sie funktionieren würde.

„Vorher hätte ich aber noch eine Bitte.“

„Welche?“, fragte er.

„Dürfte ich eine Minute mit den anderen sprechen?“

Er schaute mich misstrauisch an und winkte mit dem Kopf zu ihnen. Lok verschwand von dort und ich war ganz alleine mit allen drei. Sie schaute mich angespannt an und ich erzählte ihnen von meinem Plan. Sie nickten.

„Haltet euch gegenseitig fest.“, flüsterte ich und sie setzten dicht nebeneinander. Ich umfasste Valeries Hand, da sie in der Mitte saß und fasste an meinen Bauch.

„Bitte, mein Schatz, hilf mir.“, bat ich ihn und kniff feste die Augen zusammen um mich darauf konzentrieren zu können. Doch die Minute verfolg schnell und Benett kam auf mich zu. Immer wieder sprach ich zu meinen Sohn, aber nichts geschah, nur in der letzten Sekunde, roch ich eine andere Umluft.

„Wir haben es geschafft.“, rief Jim erfreut und wir befanden uns im Schiff. Schnell startete Valerie auch mit den Fesseln das Schiff und wir flogen los. Mit einem Universalschlüssel konnte ich alle Fesseln lösen und Ryan nahm mich erleichtert in die Arme.

„War das wirklich unser Kind?“, fragte er und strich wieder über meinen Bauch.

„Ich glaube schon. Jedenfalls kann ich mich nicht teleportieren und das kann er ja nur von dir geerbt haben.“, grinste ich glücklich und er küsste mich leidenschaftlich. Aber ich zuckte zusammen, als ich einen Ruck im Bauch spürte.

„Was ist?“, fragte er besorgt.

„Ich glaube der Kleine hat mich getreten.“

Wir mussten lachen und ich legte mich später auf die aufklappbare Trage hin. Jim kam zu mir und starrte auf meinen gewölbten Bauch.

„Was ist los?“, fragte ich und schaute ihn verwirrt an. Er atmete tief durch, als hätte er Angst mich etwas zu fragen.

„Dürfte ich mal deinen Bauch berühren. Das soll jetzt nicht komisch klingen, aber es wäre ja auch einmal ein Erlebnis.“

Ich schüttelte missverstanden den Kopf und packte seine Hand, um sie auf meinen Bauch zu legen.

„Fühlt sich nicht anders an als bei mir.“, lachte er.

„Das hast du jetzt gesagt.“

„So meinte ich das auch nicht.“

Er zog die Augenbrauen zusammen und kratzte sich am Kopf. Kopfschüttelnd setzte er sich wieder auf seinen Platz. Ryan kam auf mich zu und kreiste mit dem Finger auf meinem Bauch herum.

„Noch vier Monate und dann ist es wahrscheinlich so weit.“

Ich lächelte und nahm seine Hand.

„Professor Elius, wir werden nach Hause kommen.“, berichtet Valerie ihm.

„Sind auch alle da? Was ist mit Lou? Geht es ihr gut?“, fragte er panisch.

„Ja.“

„Gut, denn ich habe JC und Alex schon wieder zurückgeschickt.“, beendete er somit auch das Gespräch und Valerie drückte auf den Auto-Piloten. Nach einer Stunde waren wir da und ich war erleichtert wieder in meinem Zimmer zu sein.

Währenddessen in Benetts Versteck:

„Es ist unglaublich wie sie entkommen konnten. Ryan konnte seine Kräfte nicht einsetzen, da er die Fesseln anhatte, Lou besitzt diese Fähigkeiten nicht, also wie sind sie entkommen?“, regte sich Benett auf.

„Vielleicht hatte sie ein Gerät benutzt, das sie wegbrachte.“, schlug Terra vor.

„Nein, das wäre zu auffällig, außerdem hätte sie ein Headset aufhaben müssen, das die Gedanken mit dem Gerät verband. Es muss etwas gewesen sein, das für uns schwierig zu erraten ist und dennoch eine einfache Lösung war.“

„Es gibt sonst nichts anderes. Etwa sie hatte das Gerät oder befreite Ryan.“

„Das tat sie aber nicht!“, brüllte er verärgert.

„Hey, du Kamera hat die ganze Zeit Aufnahmen gemacht und jetzt ist der Akku leer.“, rief Lok und schaute sich die Videos an, wo Lou zu sehen war wie sie ihre Freunde befreite.

„Zeig her!“, befahl er und Lok schmiss die kleine Kamera zu ihm. Das Video betrachtete er intensiv und merkte sich die ausfälligsten Bewegungen von ihr. Doch da fiel ihm der kleine Fehler von Lou auf, als er sie auf den Boden zerrte. Trotz des breiten und dicken Pullovers erkannte man die kleine Wölbung an ihrem Bauch. Das war es, dachte sich Benett, es war die Lösung die er bräuchte.

„Ich glaube, wir haben das Problem gefunden.“, grinste er arglistig.

„Welches?“, fragte Terra und schaute sich die angehaltene Stelle auf dem Bild an. „Ich verstehe, sie erwartet ein Kind. Aber was für einen Vorteil bringt euch das?“

„Wenn ich dieses Kind in die Finger bekomme und einer meiner engsten vertrautesten Verbündeten gebe, wird das Kind groß gezogen werden unter meiner Obhut. Denn dieses Kind wird mächtiger sein, als alle andere, die ich im NKR erschaffen hatte. Vielleicht könnte es sogar mein Werk vollenden.“

„Aber, Jack, das wäre doch totaler Unsinn. Das Kind wird erst in sieben oder acht Jahren fähig sein seine Kräfte richtig zu nutzen. Bis dahin könnten wir schon fast alle Eaganer zerstört haben.“, meinte Lok und Benett drückte ihn gewaltsam an die Wand.

„Zweifelst du etwa an meinem Vorhaben?“, fragte er erbost und drückte noch fester seinen Hals zu.

„Nein, Sir. Tut mir Leid, Sir.“, ächzte er.

„Gut.“, sagte er und ließ seinen Hals los, wodurch Lok kräftig husten und hecheln musste. „Die Ordnungsbehörde sucht nach mir und ich möchte dass dies aufhört. Also werden wir zu einem alten Freund gehen, der mich dupliziert.“

„Aber, Jack, das ist absolut Verboten, es steht an oberster Stelle aller Verbote. Außerdem werden sie merken, dass es sich um einen Klon handelt, spätestens dann, wenn sie euch eine Blutabnahme machen.“, bemerkte Terra.

„Ja, aber ich kenne jemanden, der mein Blut absolut angleichen kann, sodass es keine Unterschiede geben wird.“

„Wer?“

„Professor Elius, der erste Klonwissenschaftler und er kennt sich am besten mit ihnen aus.“

„Wie willst du das anstellen? Er hasst euch.“

„Natürlich werde ich wieder ein Druckmittel gebrauchen, aber dafür müssen wir noch einige Monate warten müssen.“

„Ihr wollt das Kind kidnappen? Wie? Ihr kommt niemals ins Zentrum hinein.“, erwähnte Terra und fasste sich hoffnungslos an den Kopf.

„Geduld, liebe Terra. Wir werden nun zu einem Chirurgen gehen müssen. Er wird mich schon unerkannt machen, dafür haben wir ja einige Monate Zeit.“

„Bist du dir sicher? Das alles nur für ein jämmerliches Kind?“, fragte sie erschrocken und sackte mit den Schulter zusammen.

„Nicht nur für das besondere Kind, sondern auch Professor Elius davon zu überzeugen einen Klon vom mir herzustellen.“

„Wenn du meinst.“

 

 

 

 

 

Kapitel 27 – Verharrende Folgen

 

 

Drei Monate später:

Mein Bauch war schon ein halber Luftballon und jeden Tag wartete ich gespannt auf die Geburt ab. Wie sah es aus, hatte es braune oder schwarze Haare? All diese Fragen strömten massig in meinem Kopf herum. Fast jeden Tag trat mich der Kleine und ich musste dann immer lächeln. Es gab mir das Gefühl von Sicherheit, das es ihm gut ging. Meine Träume handelten meistens von dem Baby und jedes Mal überlegte ich mir einen Namen für ihn, aber mir schlugen andere auch schon zahlreiche vor. Mir gefiel Alen gut, aber Ryan hielt nicht sehr viel davon. Er wollte ihn Tayler nennen. Wir versuchten uns schon seit fast zwei Monaten darauf zu einigen, aber immer wieder gab es Meinungsverschiedenheiten. Am liebsten hätte ich das Kind selber gefragt, aber das war unmöglich.

„Ryan, das geht nun schon seit Monaten so. Mir ist es wichtig, dass wir uns endlich auf einen Namen einigen.“, sagte ich entschlossen und lag in meinem Bett, was ich fast jeden Tag tat.

„Tayler hatte mir bis jetzt am besten gefallen und dir Alen.“

„Wieso könnte es nicht am einfachsten gehen, wenn wir das Kind fragen könnten.“, seufzte ich.

„Vielleicht geht das ja.“, meinte er und faste an meinen Bauch.

„Das denkst du doch nicht wirklich, oder?“

Er grinste.

„Gefällt dir Tayler besser?“, fragte er und wartete gespannt auf eine Reaktion ab. Jedoch rührte sich nichts.

„Und wir ist es mit Alen?“

Wieder nichts.

„Ich glaube er mag beide Namen nicht.“, lachte ich.

„Könntest du mir die Nachrichtenplatte geben?“, fragte ich ihn und er gab mir eine Glasplatte, worin man wie in einer Zeitung umblättern konnte, indem man sie mit dem Finger auf dem Bildschirm wegschob. Alles war digital und einfach zu bedienen, deswegen bewegte ich mich kaum und lebte im Luxus.

„Sie haben Benett immer noch nicht auffinden können, selbst nach drei Monaten.“, seufzte ich enttäuscht.

„Sie werden ihn schon kriegen.“

Doch als ich weiter blätterte, stand ganz groß in dicken Buchstaben ein Name, der mir richtig gut gefiel. Ein reicher Mann namens Kai, hatte seit gestern ein neues luxuriöses Hotel eröffnet und stellte es per Presse vor. Mich interessierte jedoch nur der Name.

„Ryan, was hältst du von dem Namen Kai?“, fragte ich und noch bevor er antworten wollte, trat das Baby gegen meinen Bauch.

„Ich finde ihn gut.“, meinte er und ich musste lächeln.

„Kai hatte mich gerade getreten. Ich glaube ihm gefiel der Name.“, freute ich mich.

Jetzt konnte nichts mehr schief gehen. Kai würde irgendwann in diesem Monat geboren werden und hätte das Sternzeichen Waage. Wir hatten schon den fünfundzwanzigsten September und eigentlich wäre es bald Zeit, dass er zur Welt kam. Jedoch warteten wir weitere Tage und schließlich war es schon der dreißigste. Wahrscheinlich würde er wohl doch ein Oktoberkind. Schließlich in der Nacht wurde meine Hose zwischen den Beinen nass und ein drückender Schmerz trat auf. Ich schrie kurz auf und bewegte mich auf den Flur zu. Die anderen wurden durch den Lärm geweckt und wussten sofort was los war. Aber diese Geburt war anders, als ich es erwartet hätte. Mir wurde Schwindelig, meine Haut brannte wie Feuer. War das normal? Bevor ich zu Boden fiel hielt mich Ryan fest und brachte mich sofort auf die private Arztstation ein paar Stockwerke höher. Der Schmerz war zum Schreien und dann lag ich endlich auf einem Krankenbett. Alle mussten raus gehen und zwei Frauen kümmerten sich um mich. Völlig aufgewühlt kam der Professor hineingestürmt und griff nach den benötigten Sachen. Noch bevor ein Tuch über meine Beine gelegt wurde und es losging, sackte alles zusammen. Ich bekam keine Luft mehr und fühlte wie meine Haut sich erhitzte. Nur noch die panischen Gesichter des Professors und Ryan, der besorgt hineingestürmt kam, erkannte ich und schließlich schlossen sich meine Augen.

„Los, wir müssen das Kind dort herausholen.“, rief jemand gereizt. Das waren auch die letzten Worte in meinem Kopf und danach wurde ich bewusstlos.

Nach dem Kaiserschnitt:

„Es ist ein gesunder Junge.“, sagte eine erfreute Hebamme, die es schon gewaschen hatte und nun Ryan in die Hände übergab.

„Was ist mit Lou?“, fragte er. Aber dann senkte sich ihr Blick und verzog eine traurige Mimik.

„Sie hat die NDG-Krankheit. Es bedeutet Nach-Der-Geburt. Wir haben vor einigen Jahren festgestellt, dass Mütter in einen Schlaf fallen, wo dabei einige Virusse ihren Körper von innen aufessen. Es tut mir leid, aber in drei Tagen werden sie ihr Herz angreifen und sie müsste sterben.“

„Das ist eine Lüge!“, rief er und konnte es nicht fassen.

„Es tut mir leid.“

Die Frau verschwand wieder ins Zimmer um die Tür für ihn auf zuhalten. Er sah Lou an und wusste, dass sie nicht bei Bewusstsein war. Der Professor stand mit einem gesenkten Blick daneben und nahm Lous Hand.

„Es war gelogen, als ich sagte, sie wäre gegen alles immun. Das war sie auch, nur hätte ich niemals damit gerechnet, dass sie schwanger werden würde. Jeden Tag betete ich dass sie die Krankheit nicht bekäme und jetzt liegt sie im Sterben. Sie konnte nicht einmal ihr Kind sehen.“, schniefte er.

„Man muss doch etwas tun können.“, sagte er gereizt und musste mit viel Kraft dicke Tränen zurückhalten. Aber der Professor schüttelte den Kopf.

„Das glaube ich ihnen nicht.“, biss er auf die Zähne und legte Kai in eine Wiege, um bei Lou seien zu können. Er nahm ihre Hand und schaute sie an. Ihr Gesicht war furchtbar blass geworden und am Hals ragten rote Adern hervor. Sie breitete sich immer mehr aus und auch an den Händen erschienen sie.

„Vielleicht könnte ich eine Lösung finden, wenn ich in den Klonbereich käme. Aber leider hatte ich vergessen wie der Code dafür hieß. Weißt du sie noch?“, fragte er.

„Ja, die wissen doch alle sechs. 332799.“, antwortete er ihm und der Professor verschwand aus dem Zimmer. Trotz des furchtbaren Bildes vor seinen Augen, nahm er ihre Hand und küsste sie.

„Der Professor wird eine Lösung finden, da bin ich mir sicher. Halte noch durch.“, murmelte er und da fing Kai an zu schreien. Ryan drehte sich zu ihm um, um ihn aus der Wiege zu holen. Da verstummte er und streichelte über seine Wange. Er blieb die ganze Nacht bei ihr, bis in den morgigen Tag, kümmerte sich um seinen Sohn und betete dass Lou aufwachen würde. Aber stattdessen verstärkten sich die Adern noch weiter und fielen schon in ihr Gesicht ein. Der Anblick war grauenhaft, aber Ryan machte das alles überhaupt nichts aus. Ihm war es egal, wie Lou aussah, Hauptsache sie würde wieder gesund werden. Da kam der Professor wieder hinein und pfiff fröhlich. Ryan drehte sich misstrauisch zu ihm um und wunderte sich warum Lou auf der Liege lag.

„Was ist denn hier los?“, fragte er erschrocken und hörte dann den Babyschrei. „Es ist schon da? Was hatte ich denn alles verpasst?“

„Professor? Das wussten Sie doch. Das Kind kam genau um null Uhr eins auf die Welt. Wieso tun Sie so überrascht?“

„Bitte? Ryan ich war doch seit gestern weg. Von Lous Geburt wusste ich nichts.“, meinte er und da musste Ryan schlucken.

„Aber wem habe ich dann die Codes für den Klonbereich gegeben?“, fragte er erschrocken.

Die Augen von Elius weiteten sich. Er schaute zu Lou und bemerkte die roten Adern an ihrem Hals. Dann schaute er sich genau an ihr um und fand am Fuß ein Metallband, das ihre Kräfte unterdrückte. Er machte es sofort ab und Lou erschrak aus ihrem Schlaf.

Nach dem Aufwachen:

Ich hatte einen merkwürdigen Traum gehabt und er handelte von Benett. Dann sah ich Ryan neben mir sitzen und den Professor. Beide starrten mich erschrocken an.

„Lou!“, rief Ryan und umarmte mich erleichtert.

„Was ist passiert?“, fragte ich und dann schauten beide finster.

„Wir müssen uns um etwas kümmern, warte kurz.“, sagte er und schnappte sich den Arm vom Professor um sich weg zu teleportieren. Aber da merkte ich wie mein Bauch plötzlich so flach war. Das Baby! Panisch stand ich auf und wollte aus dem Zimmer rennen, als ich einen Schrei hörte, der aus der Wiege kam.

„Kai!“, rief ich und nahm ihn in den Arm. Es war unglaublich. Es hatte schwarzes Haar und seine Augen waren noch nicht geöffnet. Trotzdem strampelte er mit seinen Füßen und wedelte mit seinen kleinen Armen vor meiner Nase umher. Ich hatte einen wunderschönen Sohn geboren und war mir immer noch nicht ganz bewusst nun Mutter zu sein. Doch noch bevor ich mich umziehen wollte und musste Kai wieder in die Wiege legen, schrie er auf. Sobald ich ihn aber wieder im Arm hatte, beruhigte er sich. Später stillte ich ihn noch und da klopfte jemand an die Tür.

„Lou? Darf ich reinkommen? Ich bin’s JC.“, erklang eine unbekannte Stimme, die nicht zu der erwartenden Person passte. Verwirrt drehte ich mich um und sah dann Terra in der Tür stehen.

„Das ist unmöglich! Wie kommst du hier hinein?“, rief ich laut und wollte um Hilfe schreien, aber sie richtete ihr Gewehr auf mich.

„Ein Wort und dein neu geborener Junge ist ein toter Junge.“, drohte sie mir und Kai fing an zu schreien. Sie zog verärgert ihre Augenbrauen zusammen und ging auf mich zu. Ich drückte mich gegen die Wand und hielt schützend Kai von ihr fern.

„Gib mir das Baby.“

„Ganz bestimmt nicht.“, schrie ich und drehte mich mit dem Rücken zu ihr.

„Letzte Chance.“, warnte sie mich, aber ich gab mich nicht geschlagen. Doch da öffnete Kai seine leuchtend blaue Augen zum ersten Mal und schaute mich an. Seine Schreie verstummten und er streckte seine Arme meiner Hand. Er schlang seine Finger um meinen Daumen und dann schoss Terra in meine Wade. Ich kniete schmerzhaft zu Boden und unterdrückte mit aller Kraft meinen Schmerzensschrei, da ich Kai nicht erschrecken wollte. Aber zum Glück landete ich mit ihm in der nächsten Sekunde bei Ryan. Er musste an seinen Vater gedacht haben. Schnell drückte ich ihm das Kind in den Arm und fiel zu Boden.

„Terra ist unten und wollte um jeden Preis das Kind haben. Ich denke Benett ist auch hier.“

„Das bin ich sehr wohl!“, rief eine bekannte Stimme die mich schaudern ließ. Aber anstatt einem Benett standen dort zwei. Er hatte sich geklont.

„Du Monster! Wie kannst du es wagen dich zu klonen!“, schrie der Professor erzürnt.

„Nenn mich wie du willst. Denn ich werde alles tun, um dieses Kind zu bekommen.“

Ich zog die Kugel aus meinem Bein und heilte es schnell. Dann stand ich auf und stellte mich vor Ryan.

„Nur über meine Leiche.“, brüllte ich und drehte mich zu den zwei um.

„Nimm den Professor und verschwinde.“, flüsterte ich und er weigerte sich zuerst, bis er in meinem Augen sah, dass ich einen Plan hatte und verschwand dann mit beiden. Nun standen zwei Benetts vor mir. Gegen einen hatte ich schon einmal gekämpft, aber gleich zwei?

„Lass doch die Spielchen. Du weißt ich bekomme so oder so immer was ich will.“

„Dieses Mal nicht.“

Einer der zwei kam auf mich zu und packte meinen Hals um mich hochzuziehen.

„Lass es doch nicht darauf ankommen, Lou. Du ersparst dir Probleme.“, sagte er ruhig und grinste arglistig.

Aber ich schnippte in die Finger und warf meine Kugel auf beide. Das Schild war schnell aktiviert und sie konnten nicht durchdringen. Erfolglos versuchten sie die Kugel von sich zu reißen, aber sie war wie festgewachsen.

„Ich bin hier!“, rief Terra plötzlich und kam aus dem Fahrstuhl. Sie schoss die Leitungen kaputt, sodass er nicht mehr hinunter fahren konnte. Dann lief sie auf mich zu, feuerte zwei Schüsse ab, dem einen konnte ich ausweichen, aber der andere traf genau meinen Bauch. Ängstlich fasste ich an meine Wunde und die Kugel hing sich wieder an meine Kette. Wutentbrannt griff er erneut nach meinen Hals und drückte mich gegen die Metallwand. Dann schmiss er mich hinter sich über den Tisch, den ich entlang glitt und mir noch mehr Wunden hinzufügte. Einige Scherben steckten in meinen Händen und zerrissen meine Kleidung, aber ich stand weiterhin auf. Schmerzhaft zog ich die Glassplitter heraus und schmiss sie auf den Boden. Neben mir war ein Stuhl und als Benett fast vor mir stand, rammte ich ihn gegen seinen Kopf, aber er blieb standhaft stehen und das ohne einen kleinen Kratzer. Er griff wieder nach mir und zerrte mich durch eine Glaskapsel. Ich wurde gegen eine Wand geschleuderte und musste mich abstützen, um überhaupt stehen zu können. In meinem Mund war Blut und das spuckte ich auf den Boden. Noch bis zum nächsten Zug, zog ich die Kugel heraus, damit mein Körper anfangen konnte zu heilen. Die Schmerzen waren unerträglich, aber irgendjemand musste sie ablenken, bis Hilfe kam.

„Benett, nun töte sie endlich. Die Ordnungsbehörde wird gleich hier sein.“, rief Terra und richtete die Waffe auf den anderen noch funktionierenden Fahrstuhl, falls jemand dort hinauskäme.

„Du weißt was zu tun ist.“, rief er dem anderen Benett zu und der verschwand durch einen Sprung durchs Fenster. Der andere griff nach meinem Hals und wollte mich ersticken, wogegen ich mich aber wehrte. Nach einigen Sekunden gab ich auf und mir wurde schwarz vor Augen. Benetts Griff löste sich und er drehte sich zu Terra um, um fliehen zu können. Aber ich stand auf, da alles nur ein Trick war und rammte ihm ein Messer in den Rücken. Er kniete zu Boden.

„Wenn du meinen Sohn noch einmal berühren solltest oder es auch nur im Entferntesten wagst, dann lernst du mich erst richtig kennen, Jack Benett.“

Er drehte sich zu mir um und ich schaute in seine verzweifelten Augen. Er konnte es nicht fassen überlistet worden zu sein und das er nun starb.

„Nein!“, rief Terra, aber da trat die Ordnungsbehörde ein und sie floh durch denselben Weg wie der andere Benett. Leider wusste ich nicht ob es das Original war oder doch der Klon. Das Messer zog ich wieder heraus und ließ es auf den Boden fallen.

„Lou!“, rief Nova und fing mich auf, bevor ich zu Boden fiel. Die anderen kamen auch mit der Menge hineingerannt und überfielen mich besorgt. Schwarze Männer mit Helmen richtete ihre Waffen in den Raum, obwohl man sah, dass niemand außer mir drinnen war. Mein Körper regenerierte sich schnell wieder und Ryan trug mich zu unserer Etage wieder hinunter. Das Erste was ich wollte, war Kai. Deswegen lief ich in mein Zimmer und sah ihn in seiner Wiege liegen. Erleichterte nahm ich ihn an mich und hielt seine kleinen Hände. Wenn ich in sein Gesicht sah, wusste ich dass er anders war. In seiner Gegenwart konnte ich seine Gefühle spüren und wusste wenn es ihm nicht ging. Am Arm trug er das Armband, damit seine Kräfte unterdrückt werden konnten. Durch diesen Vorfall hatte ich noch viel mehr Angst ihn zu verlieren.

Nach Benetts geglückter Flucht:

„Alles umsonst. Der Chirurg, die kostbare Zeit und der ganze Aufwand für nichts!“, brüllte Terra ärgerlich.

„Nein, im Gegenteil. Ich habe das was ich wollte.“, grinste er arglistig und hielt ihr eine Fläschchen mit Blut vor die Augen.

„Was soll das bringen?“

„Mit diesem Blut kann ich durch die DNA einen Klon erstellen, der völlig lebendig seien wird. Ich werde ihn großziehen und eines Tages gegen den Professor verwenden. Die Kraft des Kindes ist enorm stark und deswegen ist es mir so wichtig, lange unterzutauchen, bis die Zeit gekommen ist.“

„Wie ihr meint. Denkt nur daran dass es Jahre dauern könnte. Spätestens mit zehn wird er dazu in der Lage sein.“, warnte Terra ihn.

„Dann soll es so sein.“

Im Zentrum:

Ryan begab sich zum Professor, um ihn bezüglich des Kindes ein paar Fragen stellen zu können.

„Ah, Ryan! Setz dich doch.“, bat Elius und er setzte sich zu ihm.

„Es geht um Kai.“

„Was ist mit ihm?“

„Sagten Sie nicht Lou könnte niemals schwanger werden? Haben Sie nach neun Monaten eine Lösung gefunden?“, fragte er neugierig. Elius atmete tief durch und stützte seine Ellenbogen auf dem Schreibtisch, um seine Hände ineinander verschränken zu können.

„Als wir eine Spermaprobe nahmen entdeckten wir, dass sie sozusagen “verseucht“ waren. Eigentlich sollten sich deine Fähigkeiten nur auf deine manuelle Kontrolle beziehen, aber anscheinend hat sich dein Sperma zum Ei hin…das mag jetzt seltsam klingen, aber sie haben sich teleportiert.“

„Ist das Ihr ernst?“, erschrak er.

„Ja. Es gibt eine bestimmte Zeit wo du und Lou keinen Geschlechtsverkehr haben dürft, sonst könnte es zur erneuten Schwangerschaft kommen. Außerdem haben Tests erwiesen, das Kai eine neue besondere Fähigkeit hat.“

„Welche?“

„Wie du kann er sich teleportieren und Doppelgänger erstellen. Er kann heilen und hat denselben Heilungsprozess wie Lou, jedoch fand ich in seinem Gehirn eine schwarze dunkle Stelle, die völlig verschlüsselt ist. Selbst mit unserer besten Hirnforschung könnte ich sie nicht entschlüsseln, es ist viel zu kompliziert und das sagt ein alter weiser Wissenschaftler.“

„Heißt das, Sie wissen nicht einmal, ob es sich zum Schlechten auch wenden könnte?“, fragte Ryan.

„Nein. Durch diese Stelle fließt eine eigenartige Substanz die man nicht analysieren kann. Mit einer zweistündigen Operation vielleicht schon, aber das Kind wäre einem hohen Risiko ausgesetzt. Deswegen wollte ich es auch vor Lou geheim halten. Sie flippt immer leicht aus, wenn sie hört, dass solche Dinge vorgeschlagen werden. Außerdem bräuchte ich die Einverständnis beider Eltern und das würde Lou niemals zulassen.“

„Ich auch nicht!“, rief Ryan und schlug mit der Faust auf den Tisch. „Niemals würde ich Kai für ein sinnloses Experiment aufs Spiel setzen. Immerhin ist er mein Sohn und mein Name ist nicht Jack Benett.“

„Natürlich. Das kann ich verstehen.“

„Ich kann nicht glauben, dass diese Stelle in seinem Gehirn Böses in ihm auslöst. Vielleicht ist es auch nur eine seltene Gabe.“

„Das wäre möglich. Es müsste eine Kombination aus Teleportation und Heilung sein. Wenn ich anfange danach zu forschen, müsste ich es in eins zwei Jahren die Lösung haben.“

„Solange Kai dazu nicht benutzt wird, soll es mir recht sein.“

„Wird er nicht.“

„Gut.“

In Lous Zimmer:

Ich stillte gerade Kai und wechselte danach seine Windeln. Es war ein seltsames Gefühl plötzlich Mutter zu sein und auch wenn ich ein wenig Unterstützung von Ryan gebrauchen könnte. Meine Missionen wurden immer weniger, da sich sonst niemand um Kai kümmern konnte. Die meiste Zeit verbrachte ich in meinem Zimmer und versorgte ihn. Von Benett war keine Spur, ob es sein Doppelgänger oder das Original war, der schlimmste Schatten war immer noch da draußen.

 

 

 

 

 

 

Kapitel 28 – Die Idee

 

Nach vier Wochen fiel es mir leichter mich um meine eigenen Dinge zu sorgen, wie Missionen abzuschließen und auch mal wieder nach Desar zu reisen, seit JC den Auftrag bekam sich um Kai zu kümmern. Es war keine Strafe für sie, eher im Gegenteil. Sie nahm den Kleinen gern auf den Arm und wechselte seine Windeln. Sie machte mir immer verlockende Vorschläge etwas zu unternehmen, nur damit sie bei Kai sein durfte. Ryan war selbst ständig weg. Seit ich nicht mehr so oft gebraucht wurde, musste er dafür länger arbeiten, aber es machte ihm nichts aus. Ich genoss dieses Gefühl endlich eine Familie zu haben, auch wenn sie zum falschen Zeitpunkt entstand. Mein eigentlich Ziel war es Benett zu exterminieren oder gar zu töten. Vielleicht wäre sogar der Tod auch die einzige Lösung, da ihn sein Hass und seine Wut in den Wahnsinn trieb, den er an unschuldigen Personen ausnutzte. Seinem Terrorismus muss Einhalt geboten werden, koste es was es wolle. Durch Kai stieg die Angst noch mehr, da er unbedingt Kai haben wollte. Sein Grund war mir dennoch unklar.

Mit Jim und Valerie stand ich auf dem Marktplatz in Desar. Die Verwüstung löste zwischen den Menschen Angst aus. Ihre Gesichter verrieten mir, dass einige arm und arbeitslos waren. Da ihre Häuser und Bleiben zerstört wurden. Am Rand saßen junge Frauen mit ihren Kindern im Arm und senkten traurig den Kopf oder weinten leise. Sie bettelten um Geld, damit sie wenigstens ihre Kinder versorgen konnten. Selbst Eaganer saßen auf der Straße. Schon allein der staubige, sandige Boden erschwerte ihnen das Leben. Am Ende des Marktes war der Palast des Lords und oben auf einem riesigen Balkon sprach er manchmal zu den Bürgern. An einem Abend, als die Sonne rot schien, ertönte ein lauter und intensiver Gong. Der Markt verstummte und alle schauten hinauf zum Balkon. Etagna Cepius beugte sich ein wenig über das Geländer und hob die Hände nach oben. Durch sein langes und rotes Gewand wirkte er wie ein berühmter und sehr reicher Herrscher. Sein abstehender Kragen ließ ihn größer wirken. Dass die Menge so unglaublich still wurde, da der Gong ertönte, erschien mir sehr respektvoll vor dem Lord. Das Volk glaubte an ihn und das war immerhin ein gutes Zeichen.

„Bürger von Desar!“, fing er an und sprach mit einem dunklen Ton: „Es sind im Moment schwer Zeiten, selbst für mich. Zuerst zerstörte man Naga und dann auch noch fast das halbe Desar, wenn Helden uns nicht gerettet hätten.“

Die Menge jubelte und stimmten ihm zu.

„Aber, wer weiß wann es das nächste Mal zu einem erneuten Angriff kommt. In den schwarzen Flugzeugen saßen Menschen aus der Vier-Himmelsstadt, sie schossen auf uns und tötet tausende von Eaganern. Ich sage euch, das kann so nicht weiter gehen.“

Wieder hoben alle Bürger ihre Fäuste in die Höhe, darunter auch einige Menschen und stimmten ihm schreiend zu.

„Der nächste Angriff wird kommen und wir müssen uns auf ihn vorbereiten, sonst sind wir die Nächsten, die sterben müssen. Ohne Vorsicht kann es keinen hundertprozentigen Schutz geben und den müssen wir uns nun machen. Wir bauen Naga wieder auf und das zerstörte Desar. Wir lassen uns von den Menschen nicht klein kriegen. Verbarrikadiert die Häuser, schützt die Kinder und haltet euch breit, wenn der nächste Kampf eintritt.“

Lord Etagna Cepius verbeugte sich vor dem Volk und ging wieder zurück in seinen Palast. Die Menge jubelte und jauchzte ihm noch lange nach und allmählich kam der Stein ins Rollen. Er durfte auf keinen Fall den Abhang hinunter fallen, sonst wäre es vorbei mit Frieden. Trotzdem könnte ein weiterer Angriff auf die Stadt fehlschlagen oder überhaupt nicht zu Stande kommen, da Benett überall gesucht wird, wegen Verdacht von Betrug, illegalen Arbeiten und Materialien im Zentrum von ihm und den Anschlag auf Naga und Desar. Soldaten suchten überall nach ihm, bis jetzt erfolglos.

Die Aufregung unter dem Volk legte sich ein wenig und doch sah man allen an, dass sie uns mit anderen Augen nun ansahen. Obwohl eigentlich wir die Helden gewesen waren, die Desar vor dem Untergang bewahrt hatten, spürte ich eine deutliche Undankbarkeit in ihnen. Durch Cepius Worte traute uns kein Eaganer mehr.

„Das können wir doch nicht auf uns sitzen lassen. Wir sind die Helden gewesen und das war der Dank dafür, eine Aufrüstung?“, beschwerte sich Jim und Valerie hielt ihm schnell den Mund zu.

„Spinnst du? Willst du noch mehr für Aufregung sorgen? Ich bin auch deiner Meinung, aber du kannst dich später immer noch beschweren, wenn wir alleine sind.“, flüsterte sie aggressiv.

„Wir müssen mit Cepius reden, ihm erklären, dass er falsch denkt.“, meinte ich und zeigte mit dem Finger auf den Eingang zum Palast, der direkt unter dem Balkon war. Beide nickten uns zwei Eaganer hielten uns Maschinengewehre entgegen.

„Anlass?“, fragte der eine mit der Maske und sprach dadurch undeutlich.

„Wir wollen zu Lord Etagna Cepius.“, forderte ich und beide schauten sich kurz gegenseitig an.

„Habt ihr eine Audienz bei ihm?“

„Nein. Aber es ist von größter Bedeutung.“

„Keine Audienz, kein Eintritt.“, sagte er rasch und sie stellten sich auf ihren Posten zurück.

„Wir kommen vom Senator Elius.“

„Habt ihr Beweise?“, fragte er und hob den Kopf.

Ich überlegte kurz und zog dann meinen Ärmel hoch, damit sie mein Zeichen auf der Schulter sahen. Valerie und Jim taten das gleiche und dann überlegten sie. Schließlich nickten sie einverstanden und ließen uns passieren. Ein gut gekleideter Eaganer mit einem schwarzen Smoking begleitete uns zu seinem Empfangszimmer. Dort wurden wir hinein geschoben und die Tür fiel hinter uns zu. Angespannt blickte ich auf den riesigen Sessel, der jedoch zu Wand blickte. Eine reptilienartige Hand schaute hervor und zwischen den Fingern befand sich eine Zigarre. Über einem Aschenbecher wurde die Asche abgeworfen und der Sessel bewegte sich.

„Lou Longer, Valerie Jaquet und Jim Collinsen.”, dröhnte eine gedämpfte Stimme. Dann drehte sich Lord Cepius zu uns um und wir verbeugten uns kurz. Er musterte uns ganz genau und erinnerte sich an mich.

„Ah, die Kleine die Naga retten wollte. Ich bin dir zum Dank verpflichtet.“, fing er an.

„Lord Cepius, es tut mir aufrichtig leid, was mit Naga passierte und ich hatte alles in meiner Macht stehende versucht, um es zu verhindern, aber dazu war ich dennoch nicht in der Lage. Deswegen haben vier meiner Leute versucht auch Desar zu retten und so konnte noch die restliche Stadt gerettet werden.“, sprach ich aufrichtig und förmlich, aber seine Mimik änderte sich kein bisschen.

„Das stimmt. Dank euch war nur halb Desar zerstört, aber trotzdem sind die Verluste zu hoch. In Naga gab es nur Tote und mehrere Vermisste. In Desar suchen Frauen verzweifelt ihre Männer, die versucht haben das Monstrum aufzuhalten. Hochhäuser stürzten ein, tausende Menschen starben, Familien verloren ihr Zuhause und wofür? Die Menschen sind immer undankbarer und untreuer geworden. Ein nächster Angriff auf irgendeine Stadt und der Friedensvertrag wird fallen. Ein weiteren Verlust kann ich mir nicht leisten und Senat auch nicht. Mir wurden Befehle zugeteilt und die muss ich befolgen, also falls ihr hier seid um das zu verhindern, dann kann ich nichts für euch tun.“

„Aber wollen sie denn auch unschuldige Menschen dafür bestrafen? Außerdem leben in der Vier-Himmelsstadt auch Eaganer, was ist mit ihnen?“, rief ich und ballte die Fäuste. Langsam fing ich an gegenüber dem Lord respektlos zu klingen und zeigte meine Gefühle.

„Lou!“, flüsterte Valerie wütend und hielt mich zurück.

„Diese Eaganer haben sich vom Volk abgewandt. Sie gehören praktisch zu den Menschen.“

„Aber es sind immer noch die gleichen Lebewesen, wie sie. Das wäre ein Krieg gegen sich selber.“

„Das reicht!“, brüllte er und schlug wütend auf den Tisch. „Verschwindet! Ich befolge nur meine Befehle. Beim nächsten Angriff wird es zum Krieg kommen mit oder ohne Eaganer!“

Zwei Wachen kamen auf uns zu und versuchten mich aus dem Zimmer zu zerren. Sie packten mich an den Armen und stießen mich nach draußen.

„Sie müssen ihren Befehle nicht befolgen. Jeder hat seinen eigenen Willen und den dürfen sie sich nicht unterdrücken lassen. Müssen den weitere Leben geopfert werden?“

Aber die Tür schlug schon zu und sie schmissen uns wieder aus dem Palast. Vor dem Eingang schauten uns die beiden Wachen an.

„Satz mit x, war wohl nix.“, lachten sie uns aus und schlugen sich mit einem Oberschenkelklopfer aufs Bein.

„Idioten!“, knurrte Jim und wir verschwanden vom Eingang. Wir drei waren danach völlig frustriert. Ein nächster Angriff und es herrscht Krieg zwischen den Rassen. Dieses Mal werden aber nicht nur Städte zerstört, nein, wahrscheinlich sogar Länder. Ein Glück, das der Planet so groß war, wie der Jupiter in unserem damaligen Sonnensystem. So fiel konnten sie nicht zerstören. Es gab Orte, riesige Orte, die nur von der Natur noch regiert wurden und dadurch verschont blieben. Als Flüchtling könnte man sich dort absetzen.

„Das ist einfach Wahnsinn! Ich kann ja die Eaganer verstehen, aber gleich Krieg? Sie würden nur noch mehr Opfer fordern und dieser Krieg würde in einer absoluten Katastrophe enden. Milliarden Menschen müssten sterben.“, regte sich Jim auf, als wir im Flugzeug saßen.

„Wir können nichts machen. Er meint es seien Befehle der Senatoren.“, sagte Valerie.

„Und wenn wir mit ihnen reden würden?“, fragte ich.

„Das ist Irrsinn. Wir haben es schon schwer genug gehabt überhaupt zu einem Lord zu kommen und du willst mit einem Senator sprechen? Hast du überhaupt eine Ahnung wer die sind?“, rief sie und schüttelte den Kopf.

„Was Höheres als der Professor können sie ja nicht sein.“, entgegnete ich.

„Genau das ist ja das Problem. Nur Senatoren sprechen mit ihnen, wir sind für sie Untertanen und nichts weiter.“

„Dann überreden wir eben den Professor dazu mit ihnen zu reden.“

„Kein schlechte Idee.“, stimmte mir Jim zu, aber er musste trotzdem etwas erwidern.

„Ein Senator allein, kann bei acht anderen nichts ausrichten. Vor allem nicht, wenn sie so tief beleidigt wurden, durch die Zerstörung von Naga und Desar.“

„Dann überreden wir eben alle vierzehn Senatoren dazu.“

„Was?“, riefen alle zwei.

„Bist du verrückt? Wie willst du denn das anstellen? Du kannst nicht einfach hingehen und sagen: „Redet mit den Senatoren der Eaganer und überredet sie dazu den Krieg mit allen Mitteln zu verhindern.“ Oder du fängst an ihnen die Wahrheit zu erzählen. So einfach ist das nicht.“

„Wenn sie den Krieg verhindern möchten, dann würden sie auch alles tun, oder etwa nicht?“

Valerie wollte wieder etwas einwenden, aber beide senkten nachdenklich den Kopf. Bis schließlich einer von ihnen seufzte und die Arme hoch hob.

„Wie du willst. Ein Versuch ist es wert. Rede am besten zuerst mit dem Professor darüber, was er von der ganzen Geschichte hält.“, sagte Valerie einverstanden und zuckte mit den Schultern.

„Ihr helft mir also?“

Sie nickten.

Im Zentrum berichtete ich dem Professor von der Neuigkeit und er war empört zu hören, dass die Eaganer sich aufrüsten. Es war schlimmer als er dachte. Selbst der Professor war völlig planlos, aber meine Idee schien ihm zu gefallen.

„Die Möglichkeit besteht, das ist keine Frage, aber es ist schwierig sie zu ermöglichen. Vor allem, weil der ganze Senat damit einverstanden sein muss und wir ein Treffen organisieren müssen.“

„Wird es Komplikationen geben?“, fragte ich.

„Ja.“

Er ging nervös auf und ab und doch rief er später einen seiner Helfer herbei um ein Treffen mit dem Senat zu organisieren. Nach einigen Minuten bekamen sie sofort eine Antwort. Das Treffen wurde bestätigt und in einer Woche ginge es dann los. Leider durfte ich nicht daran teilnehmen, wobei ich gerne neben dem Professor gesessen hätte oder einfach nur zugehört hätte. Jedoch da es der Professor von größter Wichtigkeit angegeben hatte, musste es zuerst geheim bleiben. Ryan wurde auch von meinem Plan überwältigt und stimmte mir zu. Zuerst blieb es nur unter dem Professor, den VHKs und deren Schüler. Nicht einmal Benetts Spione durften davon Wind bekommen.

Abends saß ich neben Kais Bett und er wickelte seine kleinen Finger um meinen Daumen. Ich lächelte ihn an und zum ersten Mal lachte er. Vor Begeisterung nahm ich ihn aus seinem Bettchen und hielt ihn in die Luft. Immer noch erkannte ich in seinem Gesicht ein kleines Lächeln und küsste ihn auf seine weiche Wange. In meinen Armen strampelte er wild mit den Füßen und schlug mit seinen Ärmchen um sich. Dabei rutschte ihm sein Ärmel ein wenig hinunter und sein Armband war zu sehen. Ich strich mit meinen Fingern darüber und zog eine traurige Mimik.

„Du musst warten, mein Kleiner. Wenn du größer geworden bist, dann kann ich es dir abnehmen und du wirst deine Fähigkeiten einsetzen können.“, murmelte ich und fuhr über seine Wange.

Da tauchte Ryan neben mir auf und ich erschrak mich. Entsetzt atmete ich tief ein und fasste an meinen Brust.

„Erschreck mich nicht so!“, sagte ich und seufzte.

„Tut mir leid.“

Er setzte sich neben mich und ich gab ihm Kai in den Arm.

„Er hatte gerade eben zum ersten Mal gelacht.“

„Wirklich?“, freute sich Ryan und ließ Kai seine Finger umwickeln. Nach einigen Sekunden lachte Kai wieder und er schaute zu mir. Er strampelte wild mit den Füßen und bewegte seine Arme hin und her. Als meine Augen langsam zu fielen, legte ich mich in mein Bett und Ryan blickte immer noch Kai an.

„Was denkst du wessen Augenfarbe er bekommen wird?“, fragte er.

„Meine, vielleicht. Immerhin hat er schon deine Haarfarbe.“

Ryan musste lachen und legte Kai wieder in sein Bettchen zurück. Er kroch zu mir unter die Decke und umschlang meinen Bauch.

„Wenn wir vielleicht verhindern könnten, dass die Eaganer zu den Waffen greifen würden, dann könnten wir uns gemeinsam gegen Benett stellen. Immerhin wissen die Senatoren jetzt wer hinter dem ganzen Übel steckt.“, sagte ich.

„Nicht ganz. Sie wissen nur das Benett illegale Spielchen in seinem Zentrum getrieben hat und das er dafür bestraft werden muss. Als ich an diesem Kongressabend gefangen genommen wurde, durchsuchten einige Leute der Senatoren das Zentrum und fanden all seine versteckten Experimente. Nur deswegen wird er im Moment gesucht, aber an der Zerstörung von Naga und Desar müsste er schon gestehen, damit er dafür bestraft wird.“

„Benett und Ehrlichkeit? Nie im Leben, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Benett würde selbst nicht einmal gestehen, wenn sein ganzes Zentrum auf dem Spiel stünde.“

„Mit Valeries Nadeln würde es funktionieren.“, schlug er vor.

„Ja, vielleicht. Aber hast du ihn mal kämpfen gesehen. In ein paar Sekunden hat er ein ganzes Heer erledigt. Gerade mal wir sechs könnten ihn stoppen, aber nur gemeinsam. Was kann da schon Valerie allein gegen ihn ausrichten?“

„Wir lenken ihn ab und Valerie schießt. Immerhin kann er ja nicht auf alles aufpassen.“

„Aber Benett ist längst über alle Berge.“

„Er wird wieder auftauchen, da bin ich mir ganz sicher.“, murmelte Ryan und nach ein paar Minuten schliefen wir ein.

Am Morgen weckte uns die Computerstimme und ich war stolz, das Kai diese Nacht so ruhig war und kein einziges Mal schrie. Trotzdem beunruhigte mich das gleichzeitig und ich lief zum Bettchen hinüber. Er schlief. In der Nacht hatte er die Decke ein paar Mal weggerissen und lag deshalb aufdeckt. Vorsichtig stopfte ich die Decke seitlich in die Matratze, sodass sie nicht mehr wegeschoben werden konnte. Ryan schlief noch weiter und ich verließ leise das Zimmer.

Im gemeinsamen Esszimmer traf ich auf Jim, der dabei die Zeitung las. Er bemerkte mich erst gar nicht, da ein Radio an war und der Ton meine Schritte übertönte. Erst als ich vor ihm saß, erschrak er.

„Du kannst dich doch nicht so anschleichen.“, meckerte er.

„Ja, ich wünsche dir auch einen guten Morgen.“, lachte ich.

„Tut mir leid, aber du hast mich fast zu Tode erschreckt.“

„Kommt nicht wieder vor.“

An einem kleinen Buffet legte ich mir Käse, Schinken und ein Toast auf meinen Teller. Dazu trank ich frisch gepressten Orangensaft.

„Denkst du es wird funktionieren?“, fragte er dann.

„Was?“

„Das mit deiner Idee.“

„Vielleicht. Wir können es durchaus hoffen.“

Als ich frühstückte bat mich JC um ein Gespräch unter vier Augen. Wir setzten uns in das Büro des Professors, der zurzeit in einem anderen Zentrum war.

„Was gibt´s?“, fragte ich.

„Es geht um deinen Plan. Es könnte sein, das Benett dort auftaucht.“

„Was?“, rief ich entsetzt.

„Als ich mich mit Valerie darüber unterhielt, tauchte ein Angestellter neben uns auf und sein Blick verriet mir, dass er zugehört hatte.“

„Wenn diese Nachricht umhergeht, wird Benett alles tun, um das Treffen zu verhindern. Was machen wir jetzt?“

Ich wusste, dass man nichts geheim halten konnte und immer irgendjemand davon Wind bekam. Vielleicht hatten wir auch Glück und dieser Angestellte war wirklich treu gegenüber dem Professor. Aber mich darauf zu verlassen, wäre ein verschwendender Gedanke.

Der Tag rückte immer näher und schließlich verabschiedeten wir und vom Professor, der zum Meeting fahren musste. Davor besprachen wir alles noch einmal. Die Stunden vergingen schnell und die Zeit vertrieb ich mir mit Kai. Wieder einmal musste ich ihm die Windeln wechseln, stillen und warten bis er eingeschlafen war. Aber letztendlich lag ich erneut im Bett und schlief ein. Mitten in der Nacht kam der Professor zurück, alle hörten ihm gespannt zu. Jedoch fehlte wieder eine Person und das war ich. Letzte Nacht plärrte und kreischte Kai jede Stunde und deswegen hatte ich absoluten Schlafmangel. Erst am nächsten Morgen berichtete mir der Professor von seinem Treffen.

„Und? Erzählen Sie doch mal!“, drängelte ich wie ein kleines Kind, das auf seine Überraschung wartete.

„Die Senatoren waren einverstanden. Wir hatten eine Nachricht an sie gesendet und nun ein Treffen ausgemacht. In zwei Tagen geht es schon los.“

So schnell? Meine größte Hoffnung war bis dahin, das Benett nichts davon mitbekam und er das Treffen in Frieden lassen würde.

 

 

Kapitel 29 – Eine letzte Tat, ein letzter Abschnitt

 

Als das Flugzeug bereit war und wir alle einstiegen, kribbelte mein Bauch. JC passte auf Kai in der Zeit auf. Noch nie hatte ich mit dem Professor in einem Flugzeug gesessen. Das Bild war merkwürdig, deshalb ließ ich meine Augen auch nicht von ihm.

„Was starrst du den Professor so an?“, fragte Ryan und ging meiner Blickrichtung nach.

„Es ist seltsam mit ihm in einem Flugzeug zu sein.“

„Wieso?“

„Weil ich ihn mir in einem eleganten und moderneren Flugzeug vorgestellt hatte. Immerhin sind das normale Passagierflugzeuge. Nichts für einen Senator.“

„Falls es dir noch nicht aufgefallen ist, wir sind hier zu acht.“, sagte er und zeigte auf jeden einzelnen von uns.

„Wieso fuhr PG mit?“

„Weil sie sich gut im Fliegen auskannte und der Professor wollte eine vertraute Person mitnehmen.“

„Hatte sie nicht einmal violette Haare? Sie sind nun rot.“, wechselte ich das Thema, aber Ryan schüttelte nur lächelnd den Kopf.

Nach einigen Stunden kamen wir im Palast an und es warteten bereits alle Senatoren von gesamt Eaganien auf uns. Dazu gehörte auch das Land Norgina, Lord Etagna Cepius Land. Es waren alles Eaganer und sie trugen weite und sehr teure Gewänder. Der Kragen war meistens lang und rund. Von hinten sah man ihre Köpfe nicht mehr, sowie auch ihre Füße. In den Saal duften nur zwei absolut vertraute Personen hinein eines Senators. Als gerade einige dabei waren, den Saal zu betreten, drängelte ich mich zum Professor durch.

„Dürfte ich mit ihnen kommen?“, fragte ich bittend.

„Ja und ich brauche noch jemanden, der mit mir kommt.“

Alle schauten sich gegenseitig an und jeder würde am liebsten mitkommen, aber keiner traute sich etwas zu sagen, um nicht zu stürmisch zu klingen. Als niemand etwas sagte, wählte der Professor jemanden aus.

„Mir wäre es lieb, wenn Valerie noch mitgehen würde.“

Verwundert blickte sie ihn an und befolgte seine Entscheidung. Drinnen war über dem riesigen Saal ein großer weißer Kronleuchter, dessen Durchmesser mindestens vier Meter war. Er hing über dem Sternenhimmel und gab ein wärmendes sanftes Licht ab. Der Boden war aus braun-beigen Fliesen in denen man sich spiegeln konnte. Mitten im Saal stand ein runder großer Tisch und darum waren mindestens vierzig Stühle. Es setzten sich aber nur zweiundzwanzig Personen auf den Stuhl. Deren Begleiter stellten sich hinten an die Wand und überwachten den Saal. Einer der Senatoren von Eaganien stand auf und hob die Hände nach oben, damit der Aufmerksamkeit bekam. Es wurden zwischen ihn ruhiger und alle blickten zu ihm.

„Ich danke euch, dass ihr alle gekommen seid. Dieses Treffen ist von größter Bedeutung, da es um den Frieden auf Planet Eos geht. Lasset uns anfangen.“

Er setzte sich wieder hin und ein anderer Senator begann mit dem ersten Satz. Es war Senator Kazesor von der vier Himmelsstadt. Er trug eine kleine Brille auf der Nase und war ebenfalls so alt wie Elius.

„Wie wir hörten, haben eure Truppen sich Kampfbereit gemacht.“, fing er an. „Ihr wisst, dass es nicht unsere Schuld ist, das Naga und Desar angegriffen wurden.“

„Das ist lächerlich. Wer sonst könnte eine komplette Stadt, samt ihren Einwohnern auslöschen? Dazu müsste man tausende Soldaten und Bomben zur Verfügung haben.“, entgegnete der eaganische Senator.

„Wir haben aber einen Verdacht, wer dies angestellt haben könnte.“, rief der Professor.

„Wir brauchen keine Verdächte, sondern feste Beweise und einen Schuldigen.“

„Wir sind noch dabei diese Beweise zu finden und der Verdächtige ist zurzeit nicht auffindbar. Die Ordnungsbehörde sucht nach ihm.“

„Senator Elius, Ihr denkt doch nicht im ernst, das die Ordnungsbehörde einen so raffinierten und geschickten Verbrecher allein durch suchen einfängt, oder?“, sagte er empört.

„Nein, natürlich nicht. Zusätzlich haben wir Spione und andere Personen losgeschickt, die auf der Suche nach ihm sind.“

„Aber wie kommt Ihr auf die Idee, dass genau diese Person Naga und Desar zerstört haben sollte? Immerhin ist dies schon ein gewaltiges Vorurteil.“, zweifelte der eaganische Senator ein wenig und strich sich über sein schuppiges Kinn.

„Wir haben in seinem Zentrum illegale Geräte, sowie Experimente entdeckt. Dort weisen viele auf ein Attentat an Naga und Desar hin. Selbst als meine Leute versucht hatten, das Artefakt 009 aus Navina zu nehmen, wurden sie von den gleichen Schiffen angegriffen, wie in Desar. Das weist darauf hin, dass der Verantwortliche einen Weg gesucht hat, es zu bekommen.“

„Aber Senator Elius, was genau ist dieses Artefakt 009?“, fragte er neugierig und alle blickten ihn erwartungsvoll an. Der Professor stand auf und lief an eine Platte, wodurch ein Hologramm aktiviert wurde. Es zeigte ein Bild von der Kapsel mit den kleinen Lichtern darin. Mit der Hand deutete er auf das Gefäß.

„In dieser Kapsel befinden sich kleinste Mikroteilchen deren Energie weit über unsere Vorstellungskraft hinaus weilt. Allein eins dieser kleinen Lichtkugeln ist unvorstellbar klein. Als wir versuchten sie in einem Mikroskop zu analysieren, wurde einer meiner Mitarbeiter blind, allein bei einem einzigen Versuch. Später fanden wir heraus, das sie aus purer Energie bestehen und man könnte fast fünfzig Jahre ganz Desar mit Energie versorgen.“

„Was? Das ist eine erstaunliche Entdeckung. Wieso nutzen wir sie auch nicht zu unserem Vorteil?“, fragte ein eaganischer Senator. Der Professor hob stoppend die Hand und erzählte weiter.

„Als sich ein junger Mann lange mit den Teilchen beschäftigte und ihrer Strahlung allein sieben Tage ausgesetzt war, traten die ersten Anzeichen auf. Auf seinem Kopf bildeten sich bläschenartige Bakterien, die ein unangenehmes Jucken verursachten. Diese Erkrankung breitete sich dann auf Hände und Füße aus. Wenn man sie berührte erlitt man an einem furchtbar brennenden Schmerz. Zum Schluss greifen diese Bakterien die Lunge an und man erstickt. Wenn diese Energie als Strom benutzt werden würde, müsste jeder Bewohner an einem schrecklichen Tod sterben. Wie diese Teilchen funktionieren ist noch unklar, da die Strahlung blind macht und selbst bei einer Berührung die Krankheit ausgelöst werden kann. Seitdem sind Lichtkugeln in einer Kapsel eingesperrt, versteckt in einem Raum.“

„Aber Senator Elius, was hat das alles mit dem Verdächtigen zu tun?“

Der Professor räusperte sich und schaltete ein Bild weiter. Eine aus Metall konstruierte Maschine kam zum Vorschein. Sie hatte eine lange Kanone am Anfang und ein dickes Gehäuse zum Schutz.

„Ich versuchte etwas zu bauen, womit ich vielleicht die Strahlung näher untersuchen konnte und baute diese Maschine. Sie diente dazu das Licht in Energie umzuwandeln und einen Laser zu erschaffen. Dummerweise war die Strahlung zu hoch und bei einem Strahl durchbohrte es ganze zehn Stockwerke. Seitdem hatte ich das Artefakt in Navina in einen geheimen Raum versteckt, aber als die Stadt zerstört wurde, verschwand auch das Artefakt.“

„Es gibt also keine Hoffnung, dass diese Lichter hilfreich seien könnten?“, versicherte er sich.

„Nein. Sie dienen allein der Zerstörung und mit dieser Maschine könnte man ganze Städte oder Lände zerstören. Eigentlich wollte ich dieses Artefakt zerstören, aber das gelang mir beim besten Willen nicht.“

„Sie meinen, dass sie unzerstörbar sind?“

Der Professor nickte und im Saal herrschte Unruhe. Es breitete sich Panik aus und nur eine Senator brachte den Raum wieder zum Schweigen. Er klopfte laut auf den Tisch und gab ein empörtes Brummen von sich.

„Wie hatten sie es gefunden?“, fragte Senator Kazesor.

„Das mag vielleicht seltsam klingen, aber ich fand es im Weltraum. Sie schwebten in einer Umlaufbahn von Asteroiden. Meine Forscher fanden sie und brachten sie zu mir ins Zentrum.“

„Vielleicht sollten wir sie auch wieder dorthin zurückschicken. Wenn dieses Artefakt in falsche Hände gerät ist es aus mit uns. Vor allem nicht in dieser Zeit. Ich bin dafür, dass wir sie weit weg von uns schicken und erneut in einem Asteroidenfeld aussetzen.“

Alle eaganischen Senatoren stimmten ihm zu, aber einige waren dennoch sehr unzufrieden mit dem Beschluss.

„Vielleicht wollte jemand, dass wir sie finden. Mit ein wenig mehr Zeit könnte ich mehr herausfinden und vielleicht sind diese Teilchen doch noch nützlich für uns.“

Wieder redeten alle durcheinander und dann stand der eaganische Senator auf. Professor Elius setzte sich wieder und alle lauschten nach seinem Vorschlag.

„Wir stimmen nun ab, ob dieses Artefakt bei uns bleibt oder doch dort hin zurückgeschickt wird, wo es herkam. Wer stimmt mir zu, dass dieses Artefakt in den Weltraum geschickt wird?“, rief er und neun Senatoren meldeten sich. Es war eindeutig die Mehrheit, dass das Artefakt hier blieb und unter der Obhut von Professor Elius stand. Als das geklärt wurde, wandten sie sich wieder zum eigentlichen Thema zurück, der Frieden auf Eos.

„Senatoren der Vier Himmelsstadt, auch ihr müsst uns verstehen. Wir können nicht tatenlos daneben stehen und zusehen, wie jedes Mal weitere Städte zerstört werden.“, sagte ein eaganischer Senator.

„Natürlich nicht und wir werden auch einen nächsten Angriff vermeiden. Das Zentrum des Verdächtigen wird beschlagnahmt und alle dazugehörigen Angestellten verhört. Wir geben unser Bestes, um eine weitere Tragödie zu vermeiden.“

„Ich hoffe Sie behalten Recht, Senator Kazesor.“, sagte er. „Wir werden bei einem weiteren Angriff nicht die Vier Himmelsstadt angreifen, aber trotzdem möchte ich eine intime Zusammenarbeit mit den Menschen. Wir werden auch Spione und Vertraute losschicken, um so viele Informationen zu erhalten wie es nur geht. Sind die Senatoren damit einverstanden?“, schlug er vor und mir wäre fast das Herz in die Hose gerutscht. Ich hatte es tatsächlich geschafft. Die Aufrüstung war aufgehalten worden und sie werden die Vier Himmelsstadt nicht angreifen. Sie müssten nur Benett gefangen nehmen und alles hätte ein Ende. Jedoch war derjenige immer noch auf freiem Fuß. Er wird bestimmt auftauchen, vielleicht nicht in diesen Tagen, aber er kann sich schließlich nicht für immer verstecken.

Nach zwei Stunden war die Sitzung beendet und jeder Senator kehrte nach Hause. Das Artefakt blieb in dem geheimen Raum unter der Beobachtung von Professor Elius und die Eaganer arbeiteten nun fest zusammen mit den Menschen, um Benett zu fassen. Wer weiß, wo er sich herumtrieb und was er nun vorhatte. Was mich furchtbar glücklich machte, war das ich endlich für einige Zeit Ruhe hatte. Durch die intensive Suche nach Benett wird er sich vielleicht sogar Jahre nicht mehr blicken lassen. Sein Plan wird scheitern. Trotzdem hatte ich wichtigere Sorgen, wie das Erziehen von Kai. Der Professor meinte er bräuchte Ryan in nächster Zeit öfters und ich bliebe dann immer bei meinem Sohn.

Abends lag ich mit Ryan im Bett und Kai schlief leise in seinem Bettchen.

„Was nun?“, fragte ich.

„Erst einmal abwarten und Geduld üben. Benett wird nicht so schnell aus seinem Versteck herauskommen. Vielleicht wird es sogar Jahre dauern, bis er ein Zeichen von sich gibt oder er gab tatsächlich auf.“

„Niemals! Benett ist ein Dickkopf, was er sich in den Kopf gesetzt hatte, zog er auch durch. Ich hoffe nur, dass er erst in achtzehn Jahren auftaucht, wenn Kai dann volljährig ist. Ich möchte ihm ein sorgenfreies und lebhaftes Leben schenken.“

„Das will ich doch auch.“, lächelte er und küsste mich.

 

Es verging ein Monat und an dieses sorgenfreie Leben könnte ich mich gewöhnen. Kai lernte unglaublich schnell und sprach schon Namen wie „Mama“ oder „Papa“ aus. Seine Fortschritte war erstaunlich und manchmal fragte ich mich, ob es an der schwarzen Stelle in seinem Kopf lag oder an seinen Genen.

An einem Abend standen ich und Ryan hoch oben an der Spitze des Zentrums. Oben wurde ein Restaurant gebaut, damit es vor allem Touristen anlockt, die dann auf der Terrasse eine wunderbare Aussicht genießen konnten. Gerade ging die Sonne unter und ihre letzten Strahlen schienen auf uns. Ich legte meinen Kopf auf Ryans Schulter und schaute auf die Wolkendecke, die rosa- und gelbfarbig leuchtete. Der Wind zog an meinen Haaren vorbei und am liebsten würde ich diesen Moment ewig festhalten. Aber als es dunkler wurde, setzten wir uns in einen Wintergarten. Er war abgesichert durch eine Glaskugel, weit über uns. Es war ein kleiner Park, um uns herum ein paar Bäume, ein angenehmer Blumenduft von den Beeten hinter uns und das Mondlicht, das hineinschien. Für mich war es ein unvergesslicher Moment und dazu sehr romantisch. Mir schossen viele schöne Erinnerungen mit Ryan durch den Kopf, die mich zu einem Lächeln zwangen.

„Was grinst du so?“, fragte er lachend und umschlang meinen Bauch.

„Weißt du noch wie wir uns kennen lernten? Du warst so ein dickköpfig.“

„Ja, und kaltherzig.“, murrte er.

„Kaltherzig kann man das nicht nennen, eher verschlossen. Aber weißt du was mich wirklich interessiert hat, was du gedacht hattest, als du mich das erste Mal gesehen hast.“

„Hübsch und klug. Später kam noch das Wort stur dabei.“

Ich musste lachen. „Und du?“

„Süß und muskulös.“

„Ah! Deswegen fragtest du, wo mein Oberteil abgeblieben ist.“

„Gar nicht wahr! Das fiel mir einfach nur auf.“, log ich schlecht.

„Du kannst mir nichts vormachen.“, lachte er und legte sein Kinn auf meinen Kopf.

Am späten Abend, als wir gehen wollten drückte mich Ryan noch kurz zurück. Er versteckte etwas hinter seinem Rücken und neugierig wollte ich daran vorbeischauen. Wir lächelten uns beide an.

„Lou, die Zeit mir dir ist einfach atemberaubend schön und möchte sie nie vergessen. Ohne dich wäre ich wahrscheinlich immer noch kalt und verschlossen geblieben oder irgendwo verkümmert. Es ist einfach wunderschön mit dir und ich möchte auch weiterhin mein Leben mit dir teilen, deswegen frage ich dich,…“, fasste er die Worte wie ein Gedicht zusammen und kniete sich dann plötzlich auf den Boden. Den einen Fuß stellte er auf und hielt zärtlich meine Hand. Ich blickte in seine grauen leuchtenden Augen und für einen Moment war ich wie in Trance. Mein Herz klopfte wild und meine Knie wurden weich. Nervös hielt ich mein Kleid fest, sodass es fast zerknitterte. „…ob du mich heiraten möchtest?“

Hinter seinem Rücken zog er einen silbernen Ring in einem verzierten Etui hervor. Ich war wie gefesselt. In dem Moment wurden alle meine Glücksgefühle freigesetzt und ich fühlte mich wie einem Traum. Begeistert nahm ich ihn in den Arm und mir kullerte eine kleine Freudenträne herunter.

„Ja.“, schluchzte ich und küsste ihn leidenschaftlich. Den Ring zog ich sogleich an und er funkelte im Mondschein. An dem Abend war ich wahrscheinlich die glücklichste Frau auf der ganzen Welt. Es konnte alles auf mich zukommen, aber nichts würde mich jetzt noch glücklicher machen. Ich werde Ryan heiraten, habe eine wunderbares Kind, gute Freunde und einen führsorglichen Professor, der sich rührend um uns kümmert. Kann das Leben denn eigentlich noch besser werden? Ich hatte alles im Leben erreicht, was es zu erreichen gab.

Die Neuigkeit verbreitete sich schnell und schließlich planten wir eine Hochzeitsfeier. Die Torte wurde nach unserem gemeinsamen Geschmack zubereitet, sowie auch die Menüs und Desserts. Wir durften sogar den Ort und die Dekoration aussuchen. Am liebsten hatte ich weiße und rote Rosen. Ryan war die Blütenfarbe egal, nur das Essen musste nach seinem Geschmack sein. Er dauerte drei Wochen bis alles vorbereitet war und am langersehnten Abend mussten Ryan und ich uns „binden“ lassen. Es war etwas Ähnliches wie eine Hochzeit, nur wurde sie zügiger durchgeführt. Ein Mann drückte mir ein Halsband aus Seide in die Hand un Ryan bekam ein Armband. Daran war ein kleines Juwel befestigt, das symbolisieren sollte, das Ryan und ich zusammen gehörten. Es war der Ersatz für zwei goldene Ringe. Sie pflanzten uns noch einen Chip hinters Ohr, zur Identifizierung. Von nun an, hieß ich Lou Raver. Überglücklich suchte ich bei JC mir ein schönes Kleid aus und sie machte mich wieder fein.

„Wow.“, murmelte sie, als sie mein Haar durchkämmte. „Du und Ryan ihr werdet heiraten. Dabei sind gerade eineinhalb Jahre vergangen und du bekommst ein Kind und heiratest Ryan. Wie schnell die Zeit vergeht.“

„Das mag für dich vielleicht ein wenig schnell herüberkommen, aber ich bin bereit zu heiraten.“, sagte ich entschlossen.

„Schnell? Schätzchen, du bist nicht mehr im 21. Jahrhundert, sondern in der Zukunft. Was meinst du warum es Bindungen gibt? Weil die Leute beschließen nach zwei Monaten zu heiraten. Die Frau wird schwanger, der man verlässt sie und sie lassen sich spätestens nach drei Monaten auch wieder scheiden. Du hättest es traditioneller machen sollen. In Eaganien werden richtige Hochzeiten geführt, sowie bei euch damals. Mit weißen Kleidern und einem Pastor. Hier ist heiraten zum Alltag geworden, das ist nichts mehr Besonderes.“

„Für Ryan und mich schon.“

„Sicher und das ist auch völlig in Ordnung. Das verschönert die Hochzeit sogar.“

„Heißt das, es finden ständig Hochzeiten statt, also Bindungen?“

„Genau. Die Menschen wissen heutzutage einfach nicht was lieben bedeutet. Alles was damals einmal aufregend und wichtig war, ist zu ihrem Alltag geworden.“, erklärte sie und seufzte.

„Warst du einmal verheiratet?“, fragte ich neugierig und ihr Körper spannte sich an.

„Früher schon.“

„Was meinst du damit?“

Sie seufzte und legte die Bürste weg.

„Bevor ich anfing beim Professor zu arbeiten, musste ich für mein Studium Geld auftreiben und das ging nur durch arbeiten. Früher empfand ich die Welt genauso wie alle anderen Menschen. Es gab nur diese Stadt, eine Wohnung, ein Studium und einen einzigen langweiligen Alltag. Der Ablauf war immer der gleiche. Schule, dann am Wochenende mit meinen Freunden weggehen und schließlich der Arbeitsstress. Damals arbeitete ich in einer Bar, die ziemlich angesagt war und lernte jemanden kennen. Kurze Zeit später heirateten wir.“

„Und? Was soll daran so schlimm gewesen sein?“, fragte ich abstrus.

„Er war nicht der erste. Danach kamen sechs andere Männer.“

„Was? Aber JC wie kannst du nur mit sechs verschiedenen Männern verheiratet gewesen sein?“

„Alles geschah in meinen Studienjahren und danach meldete ich mich im Zentrum an, beim Professor. Er empfand sechs Hochzeiten ebenfalls für sehr extrem und das alles in drei Jahren. Aber seitdem hatte ich nie wieder geheiratet.“

„Der Richtige wird bestimmt kommen.“, munterte ich sie auf.

„Hoffen wir, dass du den Richtigen erwischt hast.“, grinste sie und wir mussten beide lachen.

Später kamen knappe achtzig Leute zur Hochzeit. Dabei waren der Professor, alle VHK´s, Valerie, Jim, Nova, Alex und sogar Kai. Auch wenn er noch ein Baby war, die Hochzeit durfte er auf keinen Fall verpassen. Er war sowieso ständig auf JCs Schoß und sie war für ihn wie eine Tante. Als wir alle am Tisch saßen, stand der Professor auf und hob sein Sektglas in die Luft. Er räusperte sich kurz und schlug dann zart mit einem Löffel gegen das Glas. Im Saal wurde es ruhiger.

„Heute möchte ich unbedingt meinen Tost auf die beiden Eltern Lou und Ryan aussprechen. Ich glaube es war eine gute Idee euch beide bei mir einstellen zu lassen. Was ihr schon alles für das Zentrum getan habt, kann ich gar nicht in Worten ausdrücken. Ihr beide wart für mich wie Kinder und deswegen wünsche ich euch alles Gute für die kommende Zukunft. Auf Lou und Ryan Raver.“, sprach er betont und hob dabei sein Glas in die Luft. Sie klatschten und als nächstes stand JC auf.

„Ich möchte auch etwas sagen. Am Anfang, als du zu uns kamst, Lou, da dachte ich wirklich ich würde den Job als VHK nicht meistern, aber manchmal hatte ich wirklich das Gefühl, dass ich nicht diejenige war, die das geschafft hatte, sondern du. Unsere ersten Trainingsstunden waren für dich lästig, das sah ich in deinen Augen,…“, grinste sie und wir mussten alle lachen. „…aber egal in welche Situation du hinein kamst, du hattest es immer geschafft dich wieder herauszuarbeiten. Ich bewundere wirklich deinen Mut, Lou und deswegen warst du in all der Zeit wie eine kleine Schwester für mich. Auf euch beide!“

Wieder klatschten alle und ich musste mir kleine Tränen zurückhalten. JC Worte berührten mich richtig, vor allem, weil sie wirklich immer da war, egal wie schlimm die Situation aussah. „Das du mir ja auf meine Kleine aufpasst, Ryan.“, rief sie grinsend hinterher.

Als nächste stand PG auf und machte dabei ihre roten Haare zurecht. Sie blickte uns lächelnd an.

„Also ich muss wirklich sagen, Lou, auch wenn ich nie dein VHK war, fand ich die Zeit mit dir trotzdem immer aufregend. Als ich versuchte dir und Nova Unterricht zu geben, merkte ich wie langweilig du es fandst, mit achtzehn Jahren noch die Bank drücken zu müssen. Ryan, deine erste Begegnung mit dir hatte ich, als du versucht hast aus dem Zentrum zu flüchten. Du meintest damals es sei nicht mein Recht dich aufzuhalten. Wenn ich jetzt daran nachdenke, hattest du eigentlich Recht.“

Wieder klatschten alle und lachten. Als nächstes stand Ryans VHK auf, KL. Ich wusste nicht viel von ihr, nur das sie knallhart war. Ryan erzählte mal sie käme sogar in einem Tarnanzug zum Training mit riesigen Stiefeln und einem mürrischen Gesichtsausdruck. In meinen Augen war sie nur ein kaltes Mannsweib mit Männermusekeln.

„Ich habe dir nie gesagt wie ich eigentlich wirklich heiße und da heute ein so besonderer Tag ist, werde ich ihn dir nennen. Mein Name ist Kylie Lamour.“ War das ihr ernst? Kylie Lamour, das passte vielleicht zu einem netten und auch glücklichen Mädchen, aber doch nicht zu einem Mannsweib. Ich merkte wie sehr Ryan versuchte sich das Lachen zu verkneifen und räusperte sich schließlich zum Schluss. „Genau deswegen hatte ich mich nur noch KL genannt und so blieb mein wahrer Name verborgen. Aber ich bin stolz dich als meinen Schüler gehabt zu haben.“

Es klatschten wieder alle. Plötzlich stand ein völlig unerwarteter Gast auf und hielt sein Glas in die Höhe. Meine Augen weiteten sich. War das Kyle?

„Hallo meine Kleine!“, rief er und ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Er räusperte sich und sprach dann in einem deutlichen Ton: „Es war nett von deiner Freundin JC, das sie mich einlud. Es sollte eine Überraschung werden. Deswegen möchte ich dir auch etwas sagen. Bevor du vom Himmel gefallen bist,…“, es lachten einige und auch ich erinnerte mich gut an die Situation. „…war ich ziemlich allein, da meine Frau und meine kleine Tochter nicht mehr bei mir waren. Aber als du dann vor meiner Nase in der Luft geschwebt hattest und ich dich in mein Auto hineinließ, erinnertest du mich an meine kleine Tochter. Sie war genauso mutig, lustig und gerissen wie du. Weißt du noch wie ich für eine Verbrecherin gehalten hatte?“, grinste er und wieder kicherten einige. „Ich hatte wirklich damals, das Gefühl etwas Falsches zu tun, aber deine Art sagte mir einfach, dass du dazu niemals in der Lage wärst und so vertraute ich dir. Ich bin stolz, dass du so erwachsen geworden bist. Übrigens, mein Hund vermisst dich daheim.“

Er lächelte noch und hob sein Glas in die Luft. Es klatschten viele laut und jubelnd. Als nächstes standen Jim und Valerie auf. Beide grinsten mich an.

„Ich glaube, da brauche ich nicht viel zu sagen. Wir sind alle zusammen eine Clique und werden es auch immer bleiben. Selbst wenn ihr beide Eltern geworden seid, bleibt ihr dennoch immer noch dieselben. Ich hoffe, dass wir auch weiterhin weitere spannende Missionen zusammen machen werden. Auf euch beide.“, sprach Valerie und Jim nickte uns zu. Die anderen beiden, Nova und Alex erhoben sich auch.

„Ich glaube ohne euch wäre dieses ganze Abenteuer ziemlich langweilig gewesen. Vor allem weil du uns immer das Leben gerettet hast Lou und Ryan immer alles überstürzte, wodurch er manchmal uns auch das Leben rettete. Wir sind auf euch beide sehr stolz und wie schon Valerie und Jim sagten, ich freue mich auf die nächsten gemeinsamen Missionen mit euch beiden. Auf eine langandauernde Zusammenarbeit!“, rief sie und alle hoben ihre Gläser in die Luft. Wir standen auf und stießen gemeinsam an. Nach dem Essen gab es beruhigende Musik auf einer Geige und einem Klavier und viele tanzten dazu. Ryan und ich gingen auf den Balkon und starrten zum Mond.

„Ist es das, was du immer wolltest?“, fragte er und umschlang meine Hüfte.

„Es ist mehr als das.“, lächelte ich und gerade als ich Ryan küssen wollte, lachte etwas unter uns. Verwundert schauten wir und an und dann berührte uns etwas am Fuß. Wir blickten hinunter und Kai hatte tatsächlich schon krabbeln gelernt. Er drehte sich auf den Rücken und ich hob ihn hoch in die Luft. Ich setzte ihn aufs Geländer und er lachte, als er den riesigen Vollmond am Himmel betrachtete. Ich küsste ihn auf den Kopf und am liebsten hätten wir die ganze Nacht dort gestanden und die Sterne betrachtet.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Bildmaterialien: made by Plura Belle
Tag der Veröffentlichung: 28.01.2013

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