Er stand vor dem kleinen Fenster. Der silbern glänzende Mond schien in den Raum und tauchte ihn in ein milchiges Licht. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. In seiner Hand hielt er ein rotes Notizbuch. Es war kein gewöhnliches Buch, sondern das Tagebuch seiner Eroberungen. Feinsäuberlich mit roter Tinte, die bei Mondlicht, wie frisches Blut funkelte, standen dort alljene, die er haben würde, oder bereits gehabt hatte. Dieses Mal würde ein neuer Name dazukommen. Er wusste, er würde auch sie haben können. Finnley war sich durchaus seiner Schönheit bewusst und konnte sie dementsprechend für sich nutzen. Noch nie in seinem Leben hatte er wirklich geliebt, geschweige denn das Gefühl der Sehnsucht kennengelernt. Aber er konnte sie vorspielen. Besser als so mancher andere.
Mit seiner eleganten Handschrift schrieb er den Namen auf die Seite.
Der Mond verlieh dem beschrieben Papier, etwas Unheimliches. Die Rote Tinte glänzte und funkelte, als wäre es wirklich Blut mit dem er die Seiten füllte. Finnley lachte. Es war kein freundliches Lächeln, wie man es von einem sechzehnjährigen Jungen erwartete. Es klang eisig und ohne jegliche Menschlichkeit. So wie er es immer tat, wenn er sich seiner Sache sicher war.
Niemand würde so dumm sein, ihn nicht zu lieben. Jeder mochte sein dunkelbraunes, lockiges Haar. Alle schmolzen dahin, wenn sie in seine karamellfarbene Augen blickten. Finnley wirkte einfach wie ein freundlicher Junge, denn jedermann in sein Herz schloss. Er genoss es, das alle Herzen für ihn schlugen. Und es gefiel ihm, wenn er wieder einen neuen Namen in sein Buch setzten konnte. Genau genommen konnte nur diese Bewegung seines Kugelschreibers, in dem kleinen Notizbuch, die leere Stelle in seinem Herzen ausfüllen. Morgen würde er beginnen und die nächste Eroberung erringen. Finnleys Augen strahlten. Zuversichtlich sah er zu dem vollen Mond hinauf. Dem Himmelskörper, dem er alles offenbarte, der ihn schon immer fasziniert hatte. Das helle glimmen in der Nacht, wenn der Mond, die Sonne ablöste, dem Dunkeln ein sanftes Licht einhauchte. Der Junge fühlte sich nur Nachts sicher, konnte nur an Vollmonden seine Errungenschafften notieren.
Finnley liebte die Nacht. Während andere sich im Sonnenlicht glücklich schätzten, zog es ihn in die Finsternis, die ihn wie ihren Sohn, in ihren düsteren Armen empfing.
Inzwischen war der Mond zum Teil von einer dunklen Wolke verhangen. Das Licht wirkte matter und kälter. Eigentlich war es so wie immer, wenn Finnley in sein Rotes Buch schrieb. Das Lächeln des Jungen erlosch nicht, es vergrößerte sich sogar. Er betrachtete die Dunkelheit, die den Mond, wie ein dunkler Schleier verdeckte. Es wurde immer dunkler und selbst die zahlreichen goldenen Sterne vermochten nicht, den Himmel zu erleuchten. Es blieb finster. Finnley ahnte nicht dass, das was er am Himmelszelt betrachtete nichts anderes, als ein Blick in seine Seele war. Ein finster Fleck, der alles zu verschlingen drohte. Denn nicht einmal das hellste Licht der Welt erleuchten konnte.
Tag der Veröffentlichung: 09.02.2013
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
An alle die Bücher lieben.