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Erstens



Der hagere Dienstbote schritt eilig vor Reyana auf die Tür zu,sprach kurz mit den davor postierten Wachen und klopfte leise drei mal.Von der anderen Seite der Tür hörte man ein gebieterisches:"Herein!",und der Dienstbote zog die Tür auf. Reyana schrat gelangweilt an ihm vorbei und betrat den Raum,der ihrem Vater als Arbeitszimmer diente. Die Samtvorhänge waren aufgezogen und die Sonne schickte ihre Strahlen durch die weitläufigen Fenster. Reyana senkte respektvoll den Blick und knickste elegant. Sie hob den Kopf und begegnete dem Blick ihres Vaters. "Du wolltest mich Sprechen,Vater?"
Er nickte kurz."Ja,das stimmt. Ich möchte dir eine wichtige Neuigkeit verkünden,aber vorher solltest du dich vielleicht setzen",er deutete auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch,der voll von Papieren war. Reyana gehorchte und setzte sich.Während sie ihr Kleid zurechtzupfte, begann ihr Vater zu sprechen " Reyana,du bist nun sechzehn Jahre alt,du wurdest vor einem Jahr bereits in die Gesellschaft eingeführt und du weißt wie man einen Haushalt von Ausmaßen wie unserem angemessen führt",sein eindringlicher Blick bohrte sich in sie hinein. Beiläufig nahm er eine Flasche verdünnten Weins und goss ihr ein Glas ein.Reyana setzte sich stolz noch etwas aufrechter und nickte zustimmend. "Was möchtest du damit andeuten,Vater?" Mit kaum verhohlener Neugier sah sie ihn jetzt an. Er ragte hoch vor ihr auf, groß und Würdevoll. Er reichte ihr den Wein. "Ich will damit sagen,dass ich denke,du bist nun alt genug,um verheiratet zu werden."
Reyana versteifte sich und verschluckte sich beinah an ihrem Wein. " Du möchtest mich verheiraten?",rief sie entgeistert,"Aber ich habe doch noch keinen Antrag bekommen...Ich..." stammelte sie unsicher. Wie konnte er sie nur so schell verheiraten wollen?
"Ganz ruhig,mein Kind. Du musst dir um nichts Sorgen machen",wohlwollend blickte er ihr in die Augen und täschelte Reyanas Handrücken. Er hatte ihren Ausbruch vollkommen falsch verstanden. "Vater,ich...ich danke dir für dein großes Vertrauen in mich,aber ich fühle mich wirklich noch nicht im Stande dazu, zu heiraten und einen eigenen Haushalt zu führen..." und Kinder zu bekommen...von einem Wildfremden,beendete Reyana ihren Satz im Kopf,aber das konnte sie ihrem Vater wohl schlecht erklären,oder? Erstaunt sah ihr Vater sie an und nahm auf einem Stuhl neben ihr Platz. Er nahm ihre Hand und schaute sie beruhigend an." Um solche Dinge solltest du dir keine Sorgen machen. Das kommt alles von alleine,deine Mutter hat mich mit fünfzehn Jahren geheiratet. Und schau,wie gut sie alles unter einen Hut bringt, drei Kinder,einen Haushalt, die Führung der Dienstboten...",sein Blick richtete sich träumerisch in die Ferne.
"Vater,ihre Kinder,wie du sie nennst,sind doch alle erwachsen. Maven ist 25 und Lorkan 21. Und außerdem streunen sie sowieso den ganzen Tag nur herum. Sie bekommt sie ja kaum noch zu Gesicht. Du verstehst es einfach nicht,ich möchte wirklich noch nicht heiraten,ich kenne niemanden den ich heiraten könnte...",es war nicht ganz gelogen,sie kannte niemanden den sie heiraten könnte oder dürfte,aber jemanden den sie heiraten wollte...an ihn durfte sie nicht im Traum denken!
"Papperlapap. Deine ganzen Ausreden. Natürlich willst du nicht heiraten,du bist es nicht gewohnt an einem anderen Ort zu leben,als hier." er ließ ihre Hand fallen und lehnte sich zurück."Wenn du ersteinmal dort bist..."
"Wie bitte? Ich muss von zu Hause weg?" daran hatte sie nicht gedacht. Wie konnte sie nur so dumm sei?
Verdutzt hob ihr Vater die Brauen "Natürlich musst du von hier weg,oder glaubst du dein zukünftiger Ehemann möchte bei seinen Schwiegereltern leben? Außerdem musst du ja auch niemanden Vorschlagen,der als Kandidat in Frage stehen könnte. Denn das tut niemand. Für mein Töchterchen gibt es nur das beste,und nicht diese ganzen Höflinge,die alle nur hinter deiner Mitgift her sind", wieder nahm er ihre Hand und lächelte breit. Er versuchte sie zu beruhigen. Reyana hingegen stockte der Atem "Heißt das etwa,du hast bereits jemanden gefunden?" entgeistert starrte sie ihren Vater an.
"Ja,und jetzt hör doch endlich auf dich darüber zu beschweren,du solltest mir dankbar sein!" wütend sprang er auf. Ihr Vater war Temperamentvoll und bekannt für seine Wutausbrüche. Seine Augen funkelten sie an. Doch anstatt jetzt demütig die Augen niederzuschlagen,wie Reyana es von ihrer Anstandsdame gelernt hatte,sprang sie ebenfalls auf. "Vater! Du erwartest doch nicht ernsthaft von mir,dass ich dir dankbar bin? Du hast mich hintergangen! Was ist,wenn ich den jenigen,den du ausgesucht hast,gar nicht heiraten will? Hast du daran gedacht?" ihre Stimme überschlug sich und jeder letzte Rest Respekt war daraus verschwunden. Ihre Brust hob und senkte sich schnell. Er funkelte sie erneut an "Mir ist egal ob du ihn willst,oder nicht! Es ist bereits beschlossene Sache,und das schon seit zehn Jahren. Du hast doch nicht ernsthaft gedacht,du würdest aus Liebe heiraten."
Damit traf er sie mitten ins Herz. Ungläubig starrte sie zu ihm hinauf,er war immer noch zwei Köpfe größer als sie. Ein groß gewachsener Fürst,nicht selten bei den Norländern."Schlag dir endlich die ganzen Märchen aus dem Kopf,denn das sind sie, nur Märchen und sinnlose Träumereien,und das werden sie auch immer bleiben", harsch schnitt seine Stimme durch den Raum und Reyana stiegen Tränen in die Augen. Tränen der Verzweiflung,aber vielleicht könnte sie ihn noch überzeugen. Als ihr Vater bemerkte,dass sie kurz vor dem Weinen stand wurde sein Blick wieder weich. So schnell wie seine Wut gekommen war,war sie auch schon wieder verflogen. "Reyana. Ich weiß,das ist schwer für dich. Aber du solltest Wissen,dass arrangierte Ehen viel länger halten als Liebesheiraten. Außerdem ist es so besser für dich",seine sanfte Stimme floss wie geschmolzener Honig.
"Besser für mich,oder besser für dich?" schoss es Reyana aus dem Mund. Sie bereute ihre Worte kein bisschen und wütend drehte sie sich auf dem Absatz um,doch ihr Vater bekam ihren Arm zu fassen und drehte sie grob zu sich herum."Reyana,du bist kein kleines Kind mehr. Es stimmt,die Ehe hat auch finanzielle,sowie politische Gründe,aber der Mann wird gut zu dir sein. Darum brauchst du dich nicht zu Sorgen, sollten wir den Vertrag jedoch jetzt auflösen,droht uns ein Krieg und danach der finanzielle Ruin. Weißt du wie viel ein stehendes Heer mich kostet?"
Reyana schüttelte den Kopf.
"Außerdem steht der Termin bereits fest."
Alle Hoffnung wich aus ihr,als hätte man einen nassen Schwamm ausgewrungen. Kraftlos setzte sie sich wieder hin und vergrub das Gesicht in den Händen. Eine Eskade von goldenen Locken floss herunter. Dieselben Locken,wie ihre Mutter sie hatte.
"Reyana,was hast du? Möchtest du uns etwa nicht helfen? Du hast doch bestimmt geahnt,dass unser Geld immer Knapper wird. Besonders seit den ganzen Raubüberfällen. Die Menschen leiden Hunger und können die Steuern nicht mehr zahlen. Ich musste sie senken,selbst wenn das bedeutet,dass ich dir nicht mehr alles kaufen kann,was du dir wünscht. Wir hoffen auf den Erolg dieser Vereinigung, ohne dich,werde ich meine Macht verlieren. Die Chancen deiner Brüder geeignete Ehefrauen zu finden sinken. Ich brauche das Startkapital, um wieder mit dem Handel zu beginnen,dem Land zu helfen",beinahe flehentlich sah er sie an und strich ihr die Locken aus dem Gesicht. Sie lächelte ihn an,um ihm zu zeigen,dass sie ihm nicht mehr ganz so böse war. Sie konnte ihm nie lange böse sein. Außerdem war alles ,was er gesagt hatte die Wahrheit. Sie musste ihm helfen. Das schlechte Gewissen begann an ihr zu nagen. "Sagst du mir wenigstens wann und wen ich,wo heiraten werde? Welche Adelsfamilie hier könnte uns helfen?" Ihr Vater seufzte und kniete sich vor sie,genauso wie er es getan hatte,als sie noch jünger war. Mit einer fahrigen Geste strich er sich die Haare aus der Stirn "Natürlich,mein Täubchen. Die Hochzeit findet in einem Monat statt. Und wie du dir schon denken kannst,wird sie hier in unserer Burg gefeiert,das ist die Tradition." Vage errinnerte sich Reyana an diese Tradition.
"Und wen du heiraten wirst...nun ja,ehrlich gesagt ist es niemand aus den Nordländern. Sondern aus dem Südreich,du wirst König Torkins ältesten Sohn heiraten, Kronprinz Naytan."
Empört schnappte Reyana nach Luft und wieder regte sich der Trotz und Widerstand in ihr. "Was? Diesen Emporkömmling? Vater,ich heirate ganz bestimmt nicht Prinz Naytan. Er ist...einfach...",Reyana rang nach Worten und hob die Hände über dem Kopf. Sie hatte ihn zwar noch nie persönlich gesehen,aber es kursierten Gerüchte über einen eingebildeten und arroganten jungen Mann,der sich über alles und jeden beschwerte und lustig machte.Wild schüttelte sie ihren Kopf und sprang auf,ihr Vater erhob sich ebenfalls. "Beleidige nicht deinen zukünftigen Ehemann. Und was soll das heißen,du heiratest ihn nicht? Wir haben doch gerade alles geklärt,du kannst nicht Nein sagen,du musst,und ich schwöre dir,du wirst Prinz Naytan heiraten,ob du willst oder nicht,das steht nicht an erster Stelle",stur sah er auf sie herab,seine Hände zu Fäusten geballt an denen ein goldener Ring mit dem Familienwappen abgebildet war, ein Drache der Feuer spie.
Reyana konnte kaum noch an sich halten "Meine Bedürfnisse stehen also nicht an erster Stelle? Dir ist also vollkommen egal,dass deine einzige Tochter an irgendeinen Prinzen aus dem Südreich verheiratet wird,Kilometer von der eigenen Heimat entfernt. Vater,ich weiß ich soll dir helfen,aber was ist wenn ich bereits jemanden Liebe?" die Worte rutschten ihr aus dem Mund und sie bereute sie sofort. Ihr Vater runzelte verwirrt die Stirn. "Ach,und wer soll dieser geheimnisvolle Mann,der dein Herz so schnell erobert hat, sein?" herablassend versenkte er seinen Blick in ihrem. Sie konnte ihn nicht anlügen,seine Augen hielten sie gebannt. Blaue Augen in denen sich ein Sturm zusammenbraute. Reyana errötete und beeilte sich,den Blick von ihm abzuwenden,sie sah überall hin,nur nicht in diese hellen Himmelsfetzen. "Reyana. Sieh. Mich. An."
Reyana zwang sich ihm in die Augen zu blicken und versuchte seinen Blick genau so hart und unnachgiebig zu erwidern. Sie starrten sich gegenseitig nieder,und Reyana verlor den Kampf. "Caer Rorson." Der Name kam ihr leicht über die Lippen,wie ein leiser Windhauch.
Entgeistert sah ihr Vater sie an und Reyana befürchtete schon,er würde die Beherrschung verlieren. Doch das,was jetzt geschah war demütigender. Er sah sie ungläubig an und schließlich leuchteten seine Augen amüsiert auf und er begann zu lachen. Ein schallendens,lautes Lachen,das Klang wie als würde es aus den Tiefen der Erde emporkommen. Fassungslos starrte Reyana ihren Vater an. Und wurde rasend,die Wut überkam sie und sie konnte nicht mehr dastehen und ihm zusehen,wie er sich die Seele aus dem Leib lachte. Sie presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und funkelte ihn an. Ihr Vater konnte die Warnung in ihrem Gesicht lesen und bemühte sich schnell wieder ernst auszusehen. Verstohlen wischte er sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln,doch sein Mund zuckte immer noch und die Lachfältchen straften seinen strengen Blick lügen. "Caer Rorson? Der Stalljunge über den du dich sonst immer lustig gemacht hast? Bitte,versuche nicht mich noch einmal so zum lachen zu bringen,ich denke nicht, dass ich das überlebe. Ich dachte ihr könnt einander nicht ausstehen? Ständig beschwerst du dich über ihn und jetzt möchtest du wegen ihm,wegen Caer Rorson,einem Stallburschen,deinen Platz an der Seite des zukünftigen Königs von Soron,dem ganzen Südreich aufgeben? Ich bitte dich,von meiner Tochter hatte ich eigentlich mehr erwartet,wieso denn nicht gleich der nutzlose Küchenjunge? "
Er macht sich über mich lustig,schoss es Reyana durch den Kopf."Ach,und das sagst gerade du mir? Deine Ansprüche sollten ja bekanntlich noch viel tiefer gelegen haben. Denk nicht, dass ich nicht weiß,dass Mutter eine Bettlerin war. Dass sie auf der Straße hungerte und mit neun Jahren als,wie sagtest du nochmal,nutzlose Küchenhilfe,eingestellt wurde? Ich denke ich darf mit vollkommenem Ernst behaupten,dass Caer und ich kein idiotischer Witz sind. Und zu deiner Frage, ich würde sogar lieber den Sohn des Westreiches,Acair,lieber heiraten als Naytan", das Lachen verschwand aus den Mundwinkeln ihres Vaters und er sah sie an,berechnend,wie einen Gegner im Kampf. "Damals gab es jedoch noch keine Hungersnot und ich bezweifle,dass du lieber Acair heiraten würdest,denn er soll hässlich wie die Nacht sein.Aber wenn du lieber ihn möchtest..."ein verschlagenes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus."Was,du kannst doch nicht einfach so den Vertrag ändern!",rief Reyana aus.
"Ich wusste,dass du dir die Chance,Königin zu werden, nicht entgehen lässt. Und nun zu Caer,ich verliere kein Wort mehr über ihn,solange du das Schweigen über die Herkunft deiner Mutter wahrst. Übrigens ist das doch sowieso nur irgendein Techtelmechtel unter heranwachsenden. Caer kann dir gar nichts bieten. Also ,ich möchte von dir keine Widerrede mehr über diese Hochzeit hören. Du wirst dich jetzt brav,wie jedes bald heiratende Mädchen in die Hochzeitsvorbereitungen stürzen,dein Kleid aussuchen und dir irgendwelchen Schmuck bei Jordin Mardek aussuchen. Und nun geh und lass mich bitte in Frieden,ich muss noch viel erledigen",bestimmt scheuchte er sie zur Tür. "Du kannst dich ja schonmal von Caer-Liebling verabschieden",schmunzelte er und drehte sich kurz darauf seinem Schreibtisch zu. Kochend vor Wut riss Reyana die Tür auf und schlug sie so laut wie nur irgendmöglich zu. Sie steckte sich eine Locke hinter das Ohr. Eines Stand fest, auf keinen Fall würde sie Naytan heiraten, es musste einen anderen Weg geben um an das benötigte Geld zu kommen und den Frieden zu wahren. Reyana würde ihn finden.

Zweitens


Reyana betrat missmutig den Salon. Ihre Gemächer lagen im Westflügel des Schlosses,wie alle Königlichen Schlafgemächer und die Gästezimmer für hoch angesehene Gäste. Ihre großen Erkerfenster erstreckten sich über eine gesamte Wand und sie hatte Ausblick auf die dunklen Nadelwälder,die kennzeichnend für die Nordländer waren. Seufzend ließ sie sich auf ihrem Divan nieder und stütze die Hände auf ihren Knien ab. Wieso nur musste alles so kompliziert sein? Wenn sie den Prinzen nicht heiraten würde,wäre sie glücklich,aber ihr Vater und ihre Familie hätten dann große Probleme. Wenn der verdammte König der Nordländer doch nur eine Tpchter hätte. Dann müsste sie jetzt den Kronprinzen heiraten. Oder vielleicht auch nicht,warf der vernünftige Teil ihres Verstandes ein. Der König würde seine Tochter dann vermutlich mit einem Fürstensohn verheiraten...Damit alles in den Nordländern blieb. Das änderte aber nichts an ihrer Zwickmühle,wofür sich Gedanken über ungeborene Königstöchter machen,wenn sie doch diejenige war,die jezt diesen Emporkömmling,übrigens ein perfekter Kosename,heiraten musste?
Von draußen ertönte lautes Hufgetrappel. Hoffentlich waren es ihre Brüder. Reyana horchte auf,und tatsächlich,es waren die unverkennbaren Stimmen ihrer Brüder. Endlich wieder mal was zu lachen. Wenn die beiden Fürstensöhne im Schloss waren,passierten immer wieder die unerklärlichsten Dinge. Schnell warf sich Reyana einen dicken Regenmantel über und verbarg die goldenen Locken unter einer schwarzen Kapuze,die sie sich tief ins Gesicht zog. Mit aufgeregt klopfendem Herzen machte sie sich daran aus ihrem Balkon zu klettern und entlang der Äste eines knorrigen Baumes hinunter zu gleiten. Unten auf dem Boden ging sie in die Hocke und federte so ihren harten Sprung ab. Gleich darauf rannte sie los,um die beiden und ihr Gefolge auf dem Weg abzufangen. Das trappeln der Pferde wurde deutlicher und Reyanas Füße stapften im selben Takt über den Boden. Atemlos folgte sie dem Feldweg und schon kamen fünf Gestalten in Sicht. Durch den dichten Regenfall waren sie nur undeutliche Schemen,doch sie würde die Silouhetten ihrer Brüder unter tausenden erkennen. Die breiten Schultern,der kräftige Körperbau einem Bären gleich und die arroganten Bewegungen. Sie kamen aus dem Wald galoppiert,und Reyana winkte und schrie glücklich. Sie blieb stehen und das Rauschen ihres Blutes in ihren Ohren vermischte sich mit dem des Regens. Einer der beiden Reiter gab seinem Pferd die Sporen und veranstaltete ein Wettrennen mit dem anderen. Kein Zweifel, das war so typisch für Maven und Lorkan. Sie riefen aufgeregt und als allererstes galoppierte Lorkan an ihr vorbei,der Wind peitschte ihr ins Gesicht und die Ankunft von Maven und seinem Schimmel rissen ihr die Kapuze vom Kopf. Lorkan wendete sein pferd und sie drehte sich zu ihm um. "Na, Schwesterchen? Du siehst aus wie eine Vogelscheuche", grinste Lorkan. Mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht zerstrubbelte ihr Maven das Haar:"Bezaubernd,wie jeden Tag."
Reyana lachte:" Na klar,und obwohl ihr schon über zwanzig seit,benehmt ihr euch immer noch so als wärt ihr erst fünfzehn und zwölf." Mit verschränketen Armen stand sie den beiden gegenüber und wedelte gespielt genervt mit dem Zeigefinger. Die drei Begleiter,zwei Soldaten und ein Diener kamen bei den drei Geschwistern an und verneigten sich sogleich tief vor der Fürstentochter. "Mylady,was tut ihr hier im Regen? Ihr holt ech hier draußen noch den Tod!" mit diesen Worten sprang der Diener, Hayden,ein zweiundzwanzigjähriger gut aussehender Stallbursche, vom Pferd und hob sie kurzerhand auf den hohen Rücken seines Reittiers. Grinsend übernahm er ihre Zügel und strich sich das braune nasse Haar aus der Stirn. "Wie geht es Vater und Mutter? Gibt es irgendwelche Neuigkeiten?",erkundigte sich Maven. Nur zu gerne hätte sie ihm von dem Bündnis der Königsfamilie im Süden und ihres Vaters erzählt,doch die Anwesenheit der Soldaten und Haydens ließ sie Schweigen. "Nein,nichts besonderes,alles ist noch so wie ihr beiden es verlassen habt",beantwortete sie die Frage ihres Bruders. Er lächelte sie an und seine blauen Augen blitzten fröhlich. Dieselbe Augen die sie heute Morgen schon bei ihrem Vater gesehen hatte. Reyana bemühte sich um ein Lächeln und lauschte den Rest des Weges hoch zum Schloss dem Gerede ihrer Brüder und Haydens,die sich mal wieder um irgendwelche Pferde und deren Züchtung stritten. Sie lachte wenn es angebracht war und nickte,doch in ihrem Kopf hing sie immer noch dem Gedanken an Naytan und der Heirat nach.


Schließlich umrundeten sie den Westflügel des Schlosses und traten in den Hof ein. Ihr Vater kam mit ihrer Mutter am Arm herausgestürmt, die ihn wie wildgeworden hinter sich herzog. Ein Diener beeilte sich,ihnen mit einem großen dunklen Schirm hinterher zu kommen. "Reyana! Wir haben dich gesucht! Wo warst du nur? Und wie bist du so schnell rausgekommen? Aber ich hätte es mir auch denken können. Du hast dich wieder rausgeschlichen! Du weißt doch wie gefährlich das ist!", begrüßte ihre Mutter sie. Reyana verdrehte ihre Augen in Richtung Lorkan. Ein wissendes Lächeln schlich sich auf seine Lippen und er stieg von seinem Hengst ab. "Mutter. Wie geht es euch,meine Liebe?",galant verbeugte er sich vor ihr und küsste ihr die Fingerspitzen. SOfort hellte sich das Gesicht von Mayrean auf. Sie strich sich ihre goldenen Locken hinters Ohr. "Mir geht es gut,danke der Nachfrage mein Liebling." Maven sprang ebenfalls von seinem Pferd und hauchte seiner Mutter einen Kuss auf die Hand. Sofort war Reyana ganz von ihrer Mutter vergessen worden. Ihr Vater jedoch warf ihr einen wohlwollenden Blick zu. Sie lächelte flüchtig und ließ sich dann von Hayden vom Pferd helfen.
Sie nahm Hayden die Zügel aus der Hand und sog sich schnell wieder die Kapuze über den Kopf. "Ich bringe ihn selber in den Stall",flüsterte sie Hayden zu. Er nickte nur lachend und übernahm die anderen Pferde. "Auf der Flucht vor der eigenen Mutter,oder willst du dich einfach nur zu deinem Geliebten in die Box schleichen?" mit einem anzünglichen Grinsen ging Hayden neben ihr her. " Beides. Meine Mutter wird hoffentlich eine Zeit lang mit den beiden beschäftigt sein. Und was deine zweite Vermutung betrifft. Ich schleiche mich nicht zu ihm in die Boxen,um was auch immer du vermutest mit ihm zu treiben..",kopfschüttelnd beschleunigte sie ihren Schritt und warf im laufen noch, die Zügel Hayden in die Hände. "Hey,ich dachte du willst dein Pferd selbst wegbrinegen?" rief Hayden ihr hinterher. Sie konnte fülel,wie er hinter ihrem Rücken die Augen verdrehte und etwas von Frauenlogik faselte. Aber daarauf achtete Reyana nicht,alles was sie im Kopf hatte war jetzt Caer. Sie hörte sein fröhliches Pfeifen schon von weitem und schlich langsam in die Box,aus der es kam. Sie beobachtete, wie er einem großen,eleganten Pferd den Sattel abnahm und begann, es zu Versorgen. Sein blonder Haarschopf stand ihm wild vom Kopf ab und er kaute abwesend auf einem Strohhalm. "Hallo, Stalljunge", flüsterte Reyana verführerisch und versuchte sich möglichst sexy an die Wand zu lehnen,ebenfalls einen Strohhalm zwischen den Zähnen. Bei diesem Anblick lachte Caer auf und zog sie zu sich. "Heute einen schönen Tag gehabt, Mylady?"
"Natürlich nicht",seufzte Reyana und lehnte sich an Caer.
"Wieso,was ist denn passiert??" er blickte ihr in die Augen,denn er war nur Zentimeter größer als sie.
"Ach...das ist schwer zu erklären. Es ist einfach...mein Vater hat mir heute etwas wichtiges gesagt. Ich will das wirklich nicht,aber er hat mir gesagt,dass er mich verheiraten will", ängstlich blickte sie Caer in die Rehaugen. Wie würde er reagieren? Doch er wirkte vollkommen gelassen und erwiderte ihren Blick nicht. Achselzuckend machte er sich von ihr los.
"Willst du denn gar nichts dazu sagen? Ich meine,macht es dir etwa nichts aus?", ungläubig sah sie zu, wie er das Pferd zu striegeln begann.Er hob kurz die Brauen und lachte: "Ausmachen? Wieso sollte mir das denn etwas ausmachen. Wir wussten doch sowieso beide,dass wir keine Chance haben zusammen zu bleiben. Außerdem war das doch nichts ernstes,Liebes. Das war doch nur,um uns beiden mal ein kleine Ablenkung zu verschaffen."
Da war er wieder, der Caer den Reyana nicht ausstehen konnte. Da war er und brach ihr einfach das Herz. "Wie kannst du nur so etwas sagen? Natürlich haben wir eine Chance. Ich dachte..Ich..",weiter kam sie nicht,denn ein dicker Kloß steckte in ihrem Hals. "Reyana. Ich liebe dich nicht,was hast du denn gedaacht? Und bitte fang jetzt nicht an zu weinen. Das ist es doch nicht wert."
"Nicht wert? Ich kann nicht fassen,dass du mich so betrügst! Du dreckiger Mistkerl. Aber was kann man von so einem Bauerntölpel wie dir auch anderes erwarten", verbitterter konnte ihre Stimme gar nicht klingen. Reyana drehte sich schnell um,bevor Caer sehen konnte ,dass sie die Tränen tatsächlich nicht mehr aufhalten konnte. Wütend stürmte sie aus der Box und rauschte den Gang entlang wieder aus dem geliebten Stall hinaus. Heiß strömten ihr die Tränen über das Gesicht. Wie konnte er ihr das antun? Sie hatte gedacht, er hätte sich geändert. Für sie. Aber er war immer noch der selbe gemeine Kerl,der den Mädchen schöne Augen machte und ihnen dann die Herzen brach. Wie konnte sie nur so dumm sein und ihm trauen.

Drittens

"Reyana, mach  auf",kam es flehentlich von der anderen Seite der Tür. "Du schließt dich jetzt schon seit Tagen in deinen Gemächern ein, die Vorbereitungen für dein Hochzeit können nicht ohne dich laufen!" Es klopfte noch dreimal laut an der Tür, doch Reyana rührte sich nicht. Nach dem ihr Caer seine wahren Absichten enthüllt hatte, war sie direkt in ihre Gemächer marschiert und hatte sich eingeschlossen. Alle versuchten sie heraus zu locken, ihre Brüder,ihre Muttter und jetzt ihr Vater. Aber sie konnte einfach nicht aufstehen. Reyana konnte es immer noch nicht glauben, wie verliebt sie gewesen war, und immer noch war. Doch Caer schien keine Gefühle für sie zu haben. Es war alles eine einzige große Lüge. Die Enttäuschung und die Wut ließen Reyana nicht mehr los.

 

"Mach auf, Reyana. Es reicht jetzt langsam. Ich weiß, dir gefällt die Hochzeit nicht, aber ich dachte wir hätten das geklärt. Komm raus und iss etwas. Wir haben noch viel zu erledigen. Die Schneider sind bereits angekommen. Der König höchstpersönlich hat sie uns kommen lassen. Ein Geschenk des Königs lässt man nicht einfach warten." DIe Stimme ihrer Mutter kam gedämpft durch die Tür.  Langsam setzte sich Reyana auf. Wozu sollte sie sich noch länger einsperren? Welchen Nutzen würde es ihr bringen weiter über ihren unendlichen Herzschmerz zu denken? Gar keinen. Ganz genau. Vielleicht war es sogar gut sich durch die vielen Hochzeitsvorbereitungen ablenken zu lassen. Sie würde nicht mehr an Caer denken. Sie würde die Ställe meiden, und den Hof ebenso und wenn sie ihn treffen würde, so würde sie ihn ignorieren.ihr Schließlich trat Reyana  aus der Tür und blickte prüfend nach rechts und links. Wo könnte ihre Mutter jetzt sein? Vermutlich in ihrem Salon. Sie wandte sich nach links und lief den langen gang entlang, an dessen Wänden die Gemälde längst verstorbener Lords und Ladys hingen, die Augen auf Reyana gerichtet. Sie konnte diese Gemälde schon immer nicht  leiden. Immer wenn sie den Gang im Westflügel der Burg durchschritt lagen die Augen hunderter toter Monarchen auf ihr, die sie immer tadelnd ansahen. Als hätte sie irgendein Verbrechen begangen, sie mit ihrgendetwas enttäuscht oder gar beschämt. Als sie endlich an den Doppeltüren ankam, die in die Gemächer ihrer Mutter führten, war Reyana erleichtert und bekümmert zu gleich. Wenn sie jetzt beginnen würde sich für die Hochzeit zu interessieren und sich um die Vporbereitungen zu kümmern, gab es kein zurück mehr. Sie würde Naytan heiraten müssen, egal was sie wollte. Sie fasste sich ein Herz und klopfte. Niemand antwortete. Vielleicht schlief ihre Mutter ja? Oder möglicherweise war sie zu einem Spaziergang in den Park gegangen? Doch plötzlich hörte sie ein Geräusch. Es kam direkt aus den Gemächern. War ihre Mutter doch da?  Reyana rückte ein wenig näher an die Tür und lauschte. Da war jemand, ganz eindeutig konnte sie die Stimmen vernehmen. Aber dies waren nicht die bekannten Stimmen, die sie vermutet hatte. Jemand musste eingebrochen sein. Ein Eindringling also. Ihr Herz schlug schneller und Reyana überlegte, ob sie einfach Reinplatzen sollte oder doch um Hilfe rufen sollte. Aber dann war es möglicherweise schon zu spät. Sie packte die Klinke und drückte die Tür mit aller Kraft auf. Sie blickte im Salon umher, auf dem Diwan lagen die Kissen vollkommen unberührt, aber die Schmuckschatulle auf der großen Kommode war brutal aufgerissen, die Ketten hingen über den Rand der Kommode hinaus, eine lag auf dem Boden, die Glieder verdreht. Die Schubladen waren aufgerissen worden und Papiere lagen auf dem gesamten Boden verstreut, der Sekretär ihrer Mutter war verwüstet und jemand hatte das Tintenfaß verschüttet, der teure Teppich ihrer Mutter war ruiniert. Fassungslos starrte Reyana den Salon an. Der jenige der Eingebrochen war, hatte es anscheinend nicht auf den Schmuck abgesehen. Als sie plötzlich eine Bewegung im Augenwinkel vernahm, konnte sie gerade noch sehen wie ein Fremder aus dem Fenster sprang. Reyana stürzte hinterher und beugte sich über den Rahmen: "Bleib sofort stehen!" kreischte sie ihn an, doch der Fremde kümmerte sich nicht um sie. Aufgeregt beugte sie sich noch weiter hinaus und umklammerte fest den Fensterrahmen, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Sie beobachtete wie er anmutig auf den Rand des Daches zulief, irgendein Papier flatterte in seiner Hand, und auf das niedrig liegendere Dach des Gewächshauses und dann auf einen Baum sprang. Als er kurz in einem Ast hängenblieb, rutschte ihm die Kapuze vom Gesicht und entblößte dunkelbraunes Haar. Ihr Atem ging schneller und Reyana hörte nur noch das Rauschen ihres eigenen Blutes in den Ohren. Gleich würde sie einen Blick auf das Gesicht des Fremden erhaschen können, irgendiwe hoffte sie es währe Caer. Dann würde er seine gerechte Strafe erhalten. Sie bemerkte nicht einmal, das Caer gar keine dunklen Haare hatte. Er drehte sich um, um den Stoff seines Umhangs zu lösen und Reyana konnte sein Gesicht sehen. Enttäuscht stellte sie fest, dass sie den Eindringling nicht kannte. Sein Gesicht war leicht gebräunt und hatte markante Züge. Das Gesicht war attraktiv, wie sie wütend feststellte. Es hätte ihr besser gefallen, wenn er entstellt oder furchtbar hässlich gewesen währe. "Bleib stehen hab ich dir gesagt! Es hat sowieso keinen Sinn zu fliehen! Die Wachen werden dich kriegen!" rief sie ihm hinterher, doch er war bereits zwischen den Sträuchern verschwunden. Entnervt drehte sich Reyana um. Das Chaos um sie herum ließ ihre Stimmung noch tiefer sinken. Was wollte der Dieb nur? Sie ging auf den Sekretär zu und begann die verstreuten Papiere zu inspizieren. Es waren alles belanglose Notizen über die Ausgaben und Einnahmen des Haushaltes, den ihre Mutter führte. Auf einem standen die letzten Einkäufe der Woche. Reyana bückte sich und hob weitere Papiere auf, als ihr etwas kleines braunes ins Auge fiel. Direkt unter den Säumen der roten Samtvorhänge am Fenster. Es war ein kleines Buch in Leder gebunden, sie stand auf und hob den Vorhnag leicht an, bückte sich und hob es auf. Wäre sie nicht auf dem Boden umher gekrochen, wäre es ihr vermutlich gar nicht aufgefallen. Sie wollte es gerade aufschlagen, als sie Schritte kommen hörte, dann das Lachen ihrer Mutter und das schnattern der Kammerzofe Eliza. Schnell steckte sich Reyana das kleine Büchlein in das Mieder ihres Kleides und drehte sich zur Tür. "Was ist denn hier passiert? Reyana, wie konntest du nur?" bestürzt stand ihre Mutter im Türrahmen, an ihrer Seite Eliza mit offenem Mund. Die grauen Augen auf sie gerichtet. "Ich...Das war ich nicht!", platzte es aus Reyana heraus. "Ach ja, wer dann?" ihre Mutter verschränkte wütend die Arme. "Ich kann das alles erklären, Mutter! Bitte, du musst mir zu Hören. Hier ist jemand eingebrochen und ich hab ihn gesehen! Es war ein Mann, vielleicht ein paar Jahre älter als ich. Er hat dunkle Haare und sieht aus wie einer aus dem Südreich. Er ist aus dem Fenster gesprungen und dann über das Dach gelaufen und...."

"Aus dem Fenster gesprungen? Wenn du mich anlügen willst, solltest du es mit etwas glaubhafterem Versuchen. Oder willst du mir sagen, das ein Mensch einen solchen Sprung wagen würde?"

"Was? Natürlich sage ich die Wahrheit! Mutter, bitte. Eliza, du glaubst mir doch oder?" Verzweifelt wandte sich Reyana an Eliza. Doch die schüttelte nur entschuldigend mit dem Kopf. "Reyana, ich weiß du bist sauer wegen der Hochzeit. Aber wieso sollte jemand bei deiner Mutter einbrechen? Der gesamte Schmuck ist noch da."

"Ja aber er hat nicht Schmuck, sondern ein Papier gestohlen." eindringlich blickte Reyana ihrer Mutter in die Himmelblauen Augen. Alle Farbe war ihr aus dem Gesicht gewichen. "Papier, sagst du?" Sie stürzte auf den Sekretär zu und durchwühlte ebenfalls die Papiere, genauso wie Reyana es zuvor getan hatte. "Oh nein, wo ist es nur? Bitte nicht...." ihre kleinen weißen Hände zitterten. Verständnislos stand Eliza in der Tür. "Herrin, was ist denn nur?" Völlig aufgebracht warf Reyanas Mutter das umgekippte Tintenfaß auf den Teppich und riß nun die Schubladen auf.  Schockiert beobachtete Reyana, wie ihre Mutter in Tränen ausbrach und schließlich zur Tür stürzte und den Gag hinunterrannte. "Wachen! Wachen! Bei mir ist eingebrochen worden! Bitte, Hilfe!" Eliza rannte ihrer Mutter nach und Reyana blieb alleine zurück. Unentschlossen blickte sie noch einmal im Salon umher und ging dann zurück in ihre eigenen Räume. Wieso war ihre Mutter nur so aufgebracht, wegen einen Papieres? Was könnte so wichtig gewesen sein, dass sie sogar in Tränen ausbrach?

 

Viertens


Reyana blätterte durch das kleine in Leder gebundene Buch, doch sie konnte nichts interessantes in ihm finden. Es waren keine geheimen Dokumente, es waren Zeichnungen. Viele kleine Skizzen und auch vollendetete Bilder, mit Ölfarben oder Kreide koloriert, von Pflanzen. Pflanzen aller Art, Blumen und Kakteen alles sorgsam alphabetisch sortiert, jeweils mit einer kurzen Beschriebung zur jeweiligen Spezies. Aber was Reyana am meisten faszinierte, war die Sprache der Beschreibung. Sie war ihr vollkommen unbekannt. Es war nicht die der Nordländer, auch kein Dialekt. Sie schien sehr alt zu sein, denn jeder Buchstabe war kunstvoll gezeichnet mit Schnörkeln und Bögen. Echte Kalligraphie, aber heut zu Tage wurden die Buchstaben einfach gehalten, damit auch jeder sie entziffern konnte. Unglaublich, wieso sollte jemand eine Seite aus diesem nutzlosen Buch stehlen? In dem Buch fehlte eine Seite, ungefähr in der Mitte, gerade bei dem Kapitel Kräuterpflanzen. Pflanzen, die sich alte Leute in den Tee mischen ließen um Blähungen vorzubeugen. Reyana konnte sich nicht vorstellen, was an einer solchen Pflanze von Nutzen sein könnte. War es womöglich eine Giftpflanze? Diese Erklärung schien am naheliegensten zu sein. Mit einer Giftpflanze konnte man vielerlei anfangen. Vorallem wo ihr die Sprache unbekannt war, in den Beschreibungen könnte alles Mögliche stehen. Wenn sie nur diese Buchstaben und Zeichen verstehen könnte. Dann stellte sich noch eine Frage, woher kannte ihre Mutter die Sprache? Es waren eindeutig die Zeichnungen ihrer Mutter. Diesen Stil würde auch Reyanas Kunst ungeübtes Auge erkennen. So vertraut waren ihr die vereinzelten Linien und Bögen. Schwungvoll und elegant gezeichnet, mit Liebe und Hingabe, die ihr als Kind oft verwährt blieb. Das Buch musste ihrer Mutter viel Bedeuten, doch wegen ein paar Zeichnungen brach noch niemand in Tränen aus. Es musste mehr dahinter stecken. Sie würde es noch herausfinden. Vielleicht gab es ja in der Bibliothek ein Wörterbuch oder andere Hinweise.

 

Ihre Mutter hatte sich mit ihrem Vater in dessen Arbeitszimmer eingeschlossen und so stand Reyana nun alleine in ihren Gemächern, umringt von einer Truppe Schneiderinnen und Schneider. Prinz Naytan war heute noch eingetroffen, doch Reyana wurde es verboten, ihre Räume zu verlassen. Seid Stunden  wurde sie nun schon hergerichtet, und das nur für das Abendmahl im großen Speisesaal. Den ganzen Tag waren die Diener am hin und her huschen und wuselten durch das gesamte Anwesen. Staub wurde gewischt, die Gästezimmer alle vorereitet und essen gekocht. Caer war vermutlich unten in den Ställen und kümmerte sich um die edlen Pferde, die verschwitzt und müde von der langen Reise kamen. Reyana stellte sich vor, wie er in einer Box stand und pfeifend eines der schönen Pferde versorgte, wie ihm das Haar in die Stirn fiel und wie die Augen liebevoll den Körper des Pferdes entlangstrichen. Diesen Blick hatte sie nie von ihm bekommen, bemerkte sie. Wenn er Reyana angeschaut hatte, dann mit allen Emotionen, aber nie dieser Sanfte Blick. Ihr Herz schmerzte immer noch bei dem gedanken an ihn und sie vermisste ihm mit jedem Tag mehr. Seine Berrührungen und spöttischen Bemerkungen. Wenn er sie neckte und den Arm um sie legte und sie dann Küsste. Heimlich, in den Ställen....Reyana schüttelte den Kopf und versuchte so die Gedanken an ihn zu vertreiben. Sie sollte sich besser auf das hier und jetzt konzentrieren. In weniger als einer Stunde würde sie Naytan treffen. Sie hatte schon viel über ihn gehört. Seine Dienerschaft war einige Tage vorher angekommen und die Frauen schwärmten alle von seinem guten Aussehen und seinen hinreißenden Manieren. Aber andere erzählten auch, wie verwöhnt und hart er war. Vor Verbrechern zeigte er keine Gnade und alle hatten Angst vor ihm. Er sollte einer der gefährlichsten Männer der gesamten Vier Länder sein. Einmal konnte Reyana ein Gespräch zwischen zwei Mägden belauschen, die davon Sprachen, dass ihnen Reyana leid täte. Sie würde niemals mit Naytan ausommen können, da er so unnachgiebig wäre und Reyana und er würden sich sicherlich nur streiten. Außerdem sprachen sie von der Gefahr die von ihm ausging und seinen Launen. Sie fragten sich, weshalb er plötzlich Heiratswünsche hegte und spöttelten, dass Reyana seinen Ansprüchen nicht gerecht werden würde, mit ihrer fast knabenhaften Figur. Als sie das hörte, war Reyana schnurstracks an ihnen vorbei gegangen und hielt das Kinn so hoch wie sie nur konnte. Natürlich war ihr klar, dass ihre Figur nicht die schönste war. Sie hörte oft Dienerinnen spotten, dass sie zwar die schönen Locken ihrer Mutter geerbt hatte,aber sonst war sie nichts im Vergleich zu ihrer Mutter. Reyana war keine Schönheit, und trotzdem wusste sie, dass irgendetwas in ihrem Gesicht den Männern gefiel. "Mylady, ihr seid nun fertig. Passt auf, dass ihr euch nicht selber auf den Saum tretet und achtet darauf, keine Flecken zu machen", die Ermahnungen der Schneider gingen ihr allmählich auf die Nerven. Alle schienen sie für dumm zu halten. Aber die würden schon sehen. Sie war so eng geschnürt, dass sie noch vier Zentimeter weniger Umfang hatte, dafür wurden aber ihre Brüste so hochgedrückt, dass sie ein Vorteilhaftes  Dekolltée zeigte. Immerhin etwas. Auch wenn ihr Schlüsselbein herausstach. Vielleicht würde Naytan sie ja hässlich finden und die Heirat abbrechen. Er würde sowas sagen wie: die kann doch kein Kind bekommen. Sie stirbt doch direkt bei der Geburt. Sie war bereit allen Hohn über sich ergehen zu lassen und wortlos anzunehmen, solange es ihn nur dazu brächte die Heirat abzublasen. Sie hoffte inständig ihr Vater würde erkennen, wie verwöhnt und böse Naytan war. Sie stellte sich vor, wie ihr Vater in die Augen des Prinzen blicken würde und erkennen würde, dass dies nicht das Glück seiner Tochter sein könnte. Hatte ihr Vater denn nichts von den Gerüchten und Geschichten über Naytan gehört? Keiner würde zulassen, dass er sie in sein Schloss mitnahm und dann wer weiß was mit ihr anstellte. Oder etwa doch? Reyana zweifelte daran, dass ihre Mutter etwas dagegen sagen würde, aber ihr Vater? Warum nur musste sie die Tochter sein? Hätte sie nicht ebenfalls ein Junge sein können? Dann würde diese Last jetzt nicht auf ihren Schultern liegen. Sie müsste nicht die Familie finfanziell unterstzützen und aus dem Schuldenberg ziehen. Aber es war nun mal nicht so. Und jetzt befand sie sich mal wieder auf dem Weg durch die Gänge, setzte sich mal wieder den enttäuschten Blicken der Gemälde aus und war nun kurz davor die Treppe hinunter zu schreiten. Zu ihrem Vater, der sie am Fuße der letzten Stufe erwartete. Arm in Arm mit ihrer Mutter, die sich nichts von dem Vorfall anmerken ließ. Auch ihre Brüder erwarteten sie, mit mitleidigen Blicken. Sie tat ihnen leid, das kleine Nesthäkchen würde einfach weggegeben werden. Verkauft an den brutalen Prinzen aus dem Südreich. Zukünftige Königin des Südreiches.

 

Fünftens

"Du siehst bezaubernd aus", ihr Vater strahlte sie aus leuchtenden Augen an. Er ist nur so glücklich, weil unsere Familie, sollte die Hochzeit stattfinden, eine der reichsten und angesehensten in den gesamten vier Ländern sein wird. Reyana versuchte die Bitterkeit in ihr runter zu schlucken und zu lächeln, was ihr nicht ganz gelang. Aber ihre Eltern hingen so in ihren Träumen von Ansehen und Ruhm, dass sie es nicht einmal bemerkten. Ihre Eltern drehten sich um, und schritten voran, dann folgten ihre Brüder und anschließend bildete Reyana das Schlusslicht.

Der breite Gang den sie entlangschritten, flankiert von der Leibwache und zwei Dienern, war reich geschmückt und blank geputzt. Alles zu Ehren dieses Idioten, Prinz Naytan. Die großen Flügeltüren kamen ereits in Sicht, als Reyana plötzlich stehen blieb. Die Leibwache hinter ihr rannte fast in sie hinein. "Ich kann das nicht. Bitte, Vater", ihre Stimme klang ganz rau vor Verzweiflung. "Reyana, geh weiter", zischte ihre Mutter gnadenlos und schnitt so ihrem Vater das Wort ab. Der lächelte Reyana nur zu und ließ dann mit einem Wink die Türen aufschwingen. Kerzenlicht durchflutete schlagartig den Raum und Reyana blinzelte die Tränen weg, die ihr in den Wimpern hingen. Sie verkrampfte und ging steif hinter ihrer Familie her, den Mund zu einer blassen Linie gepresst, keinen der Anwesenden auch nur eines Blickes würdigend. Sollten sie doch starren, sie würde allen zeigen, dass sie gezwungen wurde dies zu tun. Ein Diener führte sie an den Tisch und bot ihr einen Stuhl an, links von ihrem Vater und rechts von ihrem ältesten Bruder. Er blickte ebenfalls stur gerade aus. Immerhin ein bisschen Solidarität, schoss es ihr durch den Kopf. Rechts von ihrem Vater rückte ihre Mutter ihre Röcke zurecht und warf dann kocket die blonden Locken zurück, die ihr in  schimmernden Kaskaden aus Gold und Silber die rechte Schulter hinab flossen. Neben ihr saß ihr jüngster Sohn, mit einem grimmigen Blick jemanden musternd. Reyana folgte seinem Blick und sah, selbstgefällig grinsend, am anderen Ende der reich gedeckten Tafel Prinz Naytan sitzen. Er hatte die Arme locker auf dem Tisch liegen und hatte einen lauernden Blick aufgesetzt. Links und Rechts von ihm saßen jeweils sein jüngerer, weit aus netter aussehender Bruder Tamron und seine Cousine Lilliana, mit dunklen glatten Haaren und ebenso dunklen Augen, die nachdenklich in die Leere starrten. Naytan war groß, dunkle dichte Haare wie seine Cousine und schwarze Augen, mit langen Wimpern. Hübsch war er, leider. Na gut, wenigstens starrt er nicht mich, sondern meinen Bruder an, wie er eigentlich das Büffet anstarren sollte. Im selben Augenblick schwang sein Blick in ihre Richtung und heftete sich auf sie. Na toll, jetzt prüft er ob das Töchterchen so hübsch ist, wie die berühmte Mutter. Tja, leider nicht, Naytan. Doch anstatt Enttäuschung, konnte sie nur Neugier in seinem Blick erkennen, und etwas dunkles, gefährliches, was sie nicht deuten konnte. Doch bevor sie sich länger damit befassen konnte, erhob sich ihr Vater und damit auch alle anderen bei Tisch, um ihn anzuhören. "Willkommen, Prinz Naytan, Prinz Tamron und Lady Lilliana. Ich bin überaus erfreut solch angenehme Gesellschaft zu Gast zu haben."

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Tag der Veröffentlichung: 04.08.2012

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