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Ich kann da nicht hingehen.
Doch, du kannst.


Nein, kann ich nicht.
Aber du musst.


Ich weiß. Aber ich kann nicht. Ich kann nicht ein Lied singen, wenn der Sarg auf mich zukommt. Ich kann der Mutter, dem Vater und den Brüdern nicht ins Gesicht schauen, um ihnen mein Beileid auszusprechen. Ich kann nicht ruhig in der Kirche sitzen, wenn vor mir ein Bild von ihr steht, dass mich anlächelt, wie in vergangenen Tagen.
Sie hat es verdient, dass du gehst.


Ich weiß. Mehr als das. Aber ich kann dem Schmerz nicht gegenübertreten.
Für sie?


Vielleicht. Aber ich habe Angst.
Wovor?


Vor den von Tränen überlaufenen Augen. Vor all den gebrochenen Herzen. Vor den von Wasser verquollenen Gesichtern und vor den gebrechlichen Händen.
Und vor deinen Gefühlen.


Ja, das auch. Ich habe Angst, dass ich nicht weinen kann, kein Mitleid habe, wie ein kalter toter Stein.
Also gehst du doch zu dem Begräbnis?


Ja. Nein. Ich weiß nicht. Ich will, aber… Ich will nicht.
Was würde passieren, wenn du gehst?


Ich weiß nicht. Irgendetwas.
Und wenn du nicht gehst?


Nichts.
Nichts?


Doch. Etwas. Ich weiß es nicht.
Denk nach.


Ich mag nicht.
Du kannst nicht immer nur davonlaufen. Entscheide dich endlich. Sie war eine gute Freundin.


Ja. Okay. Wenn ich gehe, habe ich Angst, nicht traurig sein zu können. Das will ich nicht, sie war mir nicht unwichtig. Und ich habe Angst, zu viel zu weinen. Loszuheulen. Nicht hinsehen zu können. Wenn ich nicht hingehe, lasse ich alle im Stich.
Sie. Ihre Familie.
Den SEC.


Ja, vor allem den SEC. Sie war wichtig für den SEC. Ich kann sie nicht im Stich lassen. Ich sollte gehen.
Also gehst du?


Ich weiß nicht.
Beeil dich. Die Zeit drängt.


Ich habe Hunger. Ich sollte etwas essen.
Unpassend.


Ich weiß. Ich gehe. Es wird schon gut gehen.
Gut. Beeilung.


Ich gehe ja schon. Aber nach der Kirche gehe ich heim. Ich will nicht sehen, wie sie unwiderruflich im Erdreich versinkt.
Das entscheidest du später. Los jetzt.


Ich bin eh gleich da. Da stehen alle schon, bereit zum Singen. Ich bin nicht bereit.
Die Glocken schlagen schon. Jetzt müssen sie jederzeit kommen.
Oh. mein Gott. Da sind sie. Ich habe Angst.
Bleib stehen, verdammt noch mal. Warum gehst du denn zurück?


So groß. So schwarz. So traurig. Ich darf jetzt nicht weinen. Bloß nicht.
Sing.


Ich kann nicht. Okay, gut. Ich kann doch.
Geh in die Kirche.


Wohin? Was tun?
Den anderen nach. Vor. Weiter vor.


Genug!
Nein, ganz vor.


Nein, dieses Bild. Es lacht. Warum lacht sie? Sie kann doch gar nicht mehr…
Steh ruhig.


Ich mag nicht. Sie ist nicht mehr da. Nie mehr. So jung. 23. Was ist das denn schon? Gar nichts. Sie hätte noch so viel erreichen können. So viel. Sie hatte keine Chance. BPS: Grausames Ding. Sie soll nicht mehr lächeln. Das Bild soll aufhören. Mich anzulächeln. Wie früher.
Diese strahlenden, tiefen Augen. Sie war offen, ihre Augen wie ein Buch für den, der die Sprache verstand. Ihr Lächeln verzauberte. Und ihre Haare, wie ein Engel. Ein Engel ohne Flügel.
Ein Engel, der jetzt tot ist.
Steh gerade.


Ich kann nicht. Ich sehe nichts mehr.
Auf.


Ich höre nichts. Wo kommt dieses Summen her?
Hören die anderen das auch? Mir ist schwindelig. Wo bin ich?
Gut, setzt dich hin.


Okay. Besser. Ich gehe nachher heim.
Das kannst du ihnen nicht antun.


Ich falle noch um.
Das wird schon wieder.


Ich weiß nicht. Abwarten. Unten bleiben. Mein Kopf. Wo ist er? Ich sehe nichts. Ich höre nichts.
Ich fühle nichts. Wo bin ich? Ich bin alleine.
Bist du nicht.


Ich gehe.
Nein.


Ich muss gehen. Aber ich will bleiben. Ich will mich verabschieden. Für immer. Nur einmal.
Dann tu‘ das.


Soll ich wirklich?
Ja.


Okay, ich werde mitgehen.
Es ist so hell. Viel zu hell für so einen traurigen, schwarzen Tag. Wo sind die anderen?
Vorne. Beim Kreuz.


Beim Sarg. Gut, ich gehe. Aber nur ein Mal.



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Tag der Veröffentlichung: 19.06.2011

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