Alle Ereignisse, Charaktere und Orte sind fiktiv.
Falls Verbindungen zu realen Personen bestehen sollten, so sind diese nicht beabsichtigt und rein zufällig.
Der Regen holte sich,
was nie ihnen gehörte,
die Pflanzen schlangen dicht,
weil Steine sie störten,
Finsteres versenkte Licht,
weil sie alles empörte.
Die Ranken nahmen mit,
was nicht bleiben sollte,
sie versuchten den Schnitt,
doch blieb nur das, das wollte,
verschwunden und vergessen,
der Regen ihnen zollte,
Narben und Schreie.
Sie wusste nicht, wie sie da herausgekommen war. Auch nicht was sie dazu bewegt hatte, überhaupt erst dort hinein zu gehen. Da war nur dieses Gefühl, dass irgendetwas Schlimmes passiert sein musste. Und etwas war mit ihm passiert. Er war verschwunden. Fae war untröstlich. An etwas jedoch erinnerte sie sich ganz genau: An den entsetzlichen Schrei von Flint, ihrem Bruder.
Verwirrt und wie benommen taumelte sie die schmale Straße entlang, am Friedhof vorbei in Richtung der Häuser, Richtung ihres Zuhauses. Es war Herbst. Es war Nacht. Die Straßenlaternen flackerten. Kein Mensch war unterwegs. Ihr war kalt. Alles in ihr fühlte sich so … leer an.
Zuhause angekommen wartete bereits ihr Vater an der Türe und empfing sie sofort mit seiner tiefen, lauten Stimme: »Oh mein Gott. Was ist passiert? Wo bist du gewesen? Du warst doch nicht etwa ...«,
»Keine Ahnung«, sagte Fae. Niemals hätte sie diese verfluchte Landschaft betreten und jetzt wo sie sie anscheinend betreten hatte, konnte sie sich nicht einmal daran erinnern.
Fae kannte das Ganze bisher nur aus Erzählungen: Im Norden der Stadt, wo sich die Ruinen von ehemaligen Fabriken befinden, die seit einem Tsunami vor über hundert Jahren von der Natur eingeholt worden waren, war inzwischen alles zum Naturschutzgebiet erklärt worden: die Louringlands. Das Betreten ist strengstens verboten, vor allem weil es dort so gefährlich ist. Dort hatte sich ein regelrechtes Moor gebildet, dann waren da die baufälligen Ruinen und die vielen abschüssigen Stellen. Nur ein Ranger traute sich hin und wieder dort hinein. Doch das war nicht das, was die Leute in Panik versetzte. Viel mehr war es der Fluch, der diese Landschaft anscheinend beherrschte. Angeblich gingen dort die seltsamsten Dinge vor sich und immer wieder verschwanden dort Leute, die sich doch hinein wagten.
Nie im Leben konnte sie sich vorstellen, warum ausgerechnet ihr Bruder und sie dem Fluch dieser Landschaft verfallen sein sollten.
»Was heißt das: Du hast keine Ahnung? Und wo ist schon wieder dein Taugenichts von Bruder?«, fragte ihr Vater. Er klang noch ärgerlicher und aufgekratzter als sonst.
Fae antwortete ihm nicht, streifte sich ihre total verdreckten Schuhe an der Fußmatte ab und ging einfach an ihm vorbei. Sie schleuderte ihre Schuhe beiseite und schleppte sich die Treppen hoch, in die erste Etage des Hauses, dort wo sich ihr Zimmer befand.
»Bleib stehen junge Dame. Ich rede mit dir!«, rief Vater, rannte ihr hinterher.
Sie schaffte es nicht mal in ihr Zimmer, da hatte er sie schon beim Kragen gepackt und sie grob umgedreht. Er starrte sie mit seinen blass grünen Augen – die sie von ihm geerbt hatte – an und schüttelte sie. »Jetzt sag schon«, sagte er, klang schon beinahe verzweifelt. Dabei redete sie sonst auch nie viel – erst recht nicht mit ihm.
»Na schön. Du lässt mir keine Wahl. Deine zerrissene Kleidung und all der Dreck sprechen irgendwie auch für sich. Was auch immer mit dir passiert ist: Ich werde dich wohl besser zum Arzt fahren.«
»Nein Vater. Ich rede ja schon. Das ist nichts. Mir geht es gut. Es ist nur … Flint.«
»Was ist mit ihm?«
»Ich glaube … ihn hat der Fluch getroffen.«
»Du meinst er ist in den Louringlands gewesen. Trotz des Verbotes. Hat einfach diese verfluchte Landschaft betreten? Und ist verschwunden? Das ist jetzt nicht dein Ernst!«
»Doch. Und ich glaub ich war auch dort. Er … er hat so fürchterlich geschrien.«
Jetzt sah sie Tränen in Vaters Augen. Er ließ sie los und verstummte. Fae ging in ihr Zimmer, machte sich - so gut sie noch konnte - bettfertig, warf sich aufs Bett und schloss die Augen.
Am nächsten Morgen fühlte Fae sich, als hätte sie ein Lastwagen überfahren. Stöhnend reckte sie ihre Glieder. Doch dann war da wieder dieser Schrei. Tief in ihrem Gedächtnis. Der Schrei ihres Bruders. Was war nur geschehen? Das muss alles ein Albtraum gewesen sein, dachte sie. Vorsichtig schob sie ihre Pyjamahose etwas nach oben, denn ihre Beine brannten auf einmal so fürchterlich. Zahlreiche Kratzer zeigten ihr den Schrecken auf, den sie erlebt haben musste. Es ist geschehen. Das alles ist wirklich geschehen. Was genau auch immer, dachte sie, merkte wie Tränen in ihre Augen stiegen. Flint. Flint. Warum nur?
Dann sah sie ihren Vater. Er stand in ihrer Zimmertüre.
»Fae, Schatz. Wie geht es dir? Weißt du wieder was passiert ist?«
»Nein. Ich weißt nur: Wir waren dort. In der verfluchten Landschaft. Flint und ich. Er hat geschrien und ist dort verschwunden. Ich bin irgendwie da raus gekommen. Mehr weiß ich wirklich nicht. Ich weiß nicht einmal, wie es dort ausgesehen hat.«
Sie sah, wie Vater schluckte und immer wieder den Kopf schüttelte. Dann drehte er sich weg von ihr und starrte ihre Zimmerwand an. »Alles klar. Wir gehen zur Polizei. Wir müssen deinen Bruder als vermisst melden.«
Stumm zog sie sich an. Folgte ihrem Vater nach unten. Ohne Frühstück drängte ihr Vater sie ins Auto und fuhr umgehend in Richtung der kleinen Polizeistation.
Ein leichter Hauch, bläst den Rauch,
des ersten Falls, weg vom Boden,
ein sanfter Stoß, weht es groß,
in den Kasten, Zeichen von Toten,
ein erstes Blatt, das sich wendet,
zum ersten Bild, schwächt das Schild,
nur Unheil und Trauer spendet.
Sie wurden zu einem Mann mit Glatze geleitet, der sie unfreundlich anstarrte und sie bat sich zu setzen.
»Hallo. Officer Harlow mein Name. Was kann ich für sie tun?«, brummte er, seufzte dann lautstark und sichtlich genervt.
Vater schien es zu ignorieren. »Wir wollen meinen Sohn als vermisst melden. Er war wohl mit meiner Tochter...«
Sofort hatten sie die gänzliche Aufmerksamkeit des Polizisten. Dieser starrte nun Fae genau an und wurde urplötzlich laut:
»Ihr wart doch nicht etwa im Naturschutzgebiet, oder?«, fiel er ihrem Vater ins Wort. »Herrgott wie oft muss man euch Gesindel es noch sagen: Haltet euch davon fern, verdammt!«
»Hey! Kein Grund sie so anzuschreien. Sie macht sich schon genug Vorwürfe«, sprang Vater ein.
»Gut. Ich könnte der jungen Dame dafür nämlich eine Strafe aufbrummen, nur dass das klar ist.«
Jetzt wandte er sich wieder direkt an Fae, lehnte sich in seinem Stuhl zurück, seufzte erneut und schien sich nun zu bemühen, freundlicher zu sein.
»Es ist hoffentlich in Ordnung, dass ich dich duze, ja?«
Fae nickte nur. Spürte wie sich die altbekannte Angst, die sie so häufig begleitete, wieder in ihr aufbaute.
»Du warst also wirklich im Louringlands Nationalpark? Wie hast es denn da heraus geschafft? Du kannst wirklich von Glück sprechen, dass du nicht auch verschwunden bist. Was genau ist denn geschehen?«
»Ja. Ich war da. Ich weiß nicht was passiert ist. Ich weiß nur noch, dass mein Bruder geschrien hat. Sonst nichts.«, flüsterte sie, blickte bestürzt zu Boden, dann wieder auf.
Der Polizist beugte sich vor zu ihnen und runzelte die Stirn und schien irgendwie … bedrückt.
»Hm. Hätte mich auch gewundert. Wissen Sie, ich will ganz offen mit Ihnen sprechen: Wir werden den Ranger bitten nach ihm zu suchen, aber bisher ist nie jemand gefunden worden, der dort verschwunden ist. So leid es mir tut.«
Vater stand auf und wandte dem Polizisten trotzig den Rücken zu. Er schien verzweifelt zu sein. So hatte Fae ihn schon lange nicht mehr gesehen. Sie verkniff sich ein Schluchzen, stand ebenfalls auf, näherte sich vorsichtig ihrem Vater und flüsterte:
»Komm, lass uns gehen. Das bringt doch sowieso alles nichts.«
Fae wandte sich zur Türe. Vater folgte ihr sogleich.
»Halt! Warten Sie noch! Sie müssen für mich noch die Vermisstenanzeige ausfüllen. Ich werde sofort den Ranger verständigen. Wenn Sie psychologischen Beistand gebrauchen, kann ich das für Sie ebenfalls in die Wege leiten«, sagte der Polizist, der sich nun um ein mitleidiges Lächeln bemühte.
Als sie die Wache wieder verlassen hatten, blickte Vater sie an, packte sie am Arm und sagte: »Wir beide müssen jetzt stark sein und hoffen, dass dieser Ranger doch mal Erfolg hat. Du hast es ja auch aus dieser verfluchten Landschaft geschafft. Komm, ich fahr dich zur Schule.«
»Aber Vater...«
»Keine Widerrede! Komm schon. Das wird dich ablenken.«
Die Schule lag am anderen Ende der kleinen Stadt. Es ging dabei über die viel befahrene Hauptstraße, vorbei am Einkaufszentrum, dem einzigen Highlight des Ortes.
Flint, ihrem Bruder, gefiel nicht mal das. »In unserem Kaff gibt es einfach nichts was wirklich Spaß macht«, hatte er immer wieder gesagt und war so oft es ging mit dem Bus in die Großstadt, die 30 Kilometer entfernt lag, gefahren.
Auf dem Weg zur Schule fuhren sie auch an jenem Spielplatz vorbei, auf dem sich Flint einst den Arm gebrochen hatte. Fae merkte, wie Tränen in ihre Augen stiegen. Sie erinnerte sich noch ganz genau, wie er sie, als sie noch jünger waren, dort ständig mitgeschleppt hatte und sie zu allem möglichen Unsinn überredet hatte. Sie sah vor ihren Augen sein Lachen, seine blonden Locken, die im Wind wild durcheinander wirbelten. Er war schon immer so ... aktiv und überdreht gewesen. Da kam er ganz nach ihrer Mutter. Auch optisch. Ganz im Gegensatz zu ihr selbst. Auch ihre Mutter war viel zu früh gestorben. Nein, dachte sie. Flint ist nicht tot. Er ist noch dort. Irgendwo dort draußen.
Fae senkte von Trauer und Sorge niedergedrückt den Kopf und strich sich ihre dünnen, dunklen Haare vor ihr Gesicht. Sie verbarg sich dahinter, wie sie es gerne tat, da hielt der Wagen auch schon.
»Wir sind da, Schatz. Komm steig aus. Ich muss zur Arbeit«, sagte Vater, tat so als würde alles in Ordnung sein, doch Fae hörte genau das Zittern in seiner sonst so festen Stimme.
Fae wischte sich eilig die Tränen beiseite. Als sie die Schule betrat und auf die Uhr ihres Smartphones schaute, klingelte es gerade. Sie würde es noch pünktlich zur zweiten Stunde schaffen. Ihr Magen knurrte, aber sie hatte keinen Hunger.
Sie ging zu dem Raum, in dem sie als nächstes Unterricht hatte und ließ sich dort davor an der Wand zu Boden gleiten.
Ihre Gedanken kreisten immer noch um ihren Bruder. Verzweifelt versuchte sie weiterhin sich zu erinnern, was mit ihm und auch mit ihr selbst in der verfluchten Landschaft passiert ist, doch ihr wollte es einfach nicht einfallen.
Dann tippte jemand an ihre Schulter und warf sie aus ihrer Grübelei heraus.
Erschrocken zuckte sie zusammen und blickte auf.
Zu ihrer Erleichterung stellte sie fest, dass es kein Lehrer war, sondern nur Rubina, ihre einzige richtige Freundin. Auch wenn sie oft schon versucht hatte, auch mit anderen ins Gespräch zu kommen, sie war die einzige, die sie wirklich beachtete.
»Hey. Wo warst du vorhin? Die alte Taylor hat dich sehr vermisst«
»Ich … mir geht’s nicht besonders gut. Vater hat mich schließlich doch hier her gezerrt. Du weißt ja, wie er ist.«
Sofort wich Rubina zurück. »Hey. Steck mich ja nicht an«, sagte sie, funkelte sie mit ihren leuchtenden Augen an. Lachte kurz auf. Blickte sie dann jedoch wieder besorgt an.
»Ach da bist du«, rief jemand und sofort drehte sich Rubina um.
Fae stöhnte auf. Es war Conner, Rubinas idiotischer Freund. Captain der Footballmannschaft. Rubina schüttelte - wie sie es gerne tat – ihre rote Mähne und ging ihm entgegen.
»Ah. Fae. Hast es also doch noch hergeschafft?«, sagte Conner.
»Hm«, brummte Fae nur, blickte ihn gar nicht erst an, spielte nervös an ihren Haaren.
»Wo ist denn dein Bruder? John hat mich nach ihm gefragt.«
»Der ist krank.« War ja klar, dass der als erster nach ihm fragt, dachte Fae. John war noch viel schlimmer als Conner, obwohl er zwei Stufen unter ihnen war. Conner verhielt sich ihr gegenüber wenigstens nett, sei es auch nur wegen Rubina, aber John … John kannte so etwas wie »nett« nicht. Der war einfach ein Ekel. Warum Flint sich mit ihm abgegeben hatte, hatte Fae nie begriffen.
»Ist er etwa so krank wie du?«, fragte Rubina. Fae war klar, dass sie bereits etwas ahnte.
»Nö. Kränker«, sagte Fae nur, froh das es eben zur nächsten Stunde läutete und sie so der neugierigen Rubina entkam.
Nur schwer schaffte es Fae, den restlichen Schultag zu überstehen. Sie bekam nur die Hälfte mit und blockte jeden weiteren Gesprächsversuch von Rubina und Conner ab. Immer wieder wanderten ihre Gedanken zu ihrem Bruder und zu dem Schrei. Das durfte nicht das Letzte sein, was sie von ihm gehört hatte.
Nach Hause fuhr sie mit dem Bus, setzte sich in die hinterste Reihe steckte sich ihre Handykopfhörer in die Ohren und versuchte mit Musik alles und jeden zu verdrängen.
Kaum war sie zuhause, merkte sie, dass die Post bereits eingetroffen war. Die musste seit dem Tod ihrer Mutter immer sie holen. Vater arbeitete meistens den ganzen Tag manchmal auch bis in die Nacht hinein und laut Vater ging die Nachbarin – die früher oft auf sie aufgepasst hatte – die Post nichts an.
Sie öffnete also den Briefkasten. Erst entdeckte sie nur irgendeinen Werbeflyer. Doch dann entdeckte sie zu ihrem Entsetzen das schimmernde Blatt eines Baumes. Doch es war nicht irgendein gewöhnliches Laubblatt, sondern ein richtig finsteres, fast schon schwarzes. Es war groß, unheimlich und weckte Irgendetwas in ihr. Mit zitternden Händen zog sie es heraus und lies es sofort wieder schreiend fallen. Ihre Finger pulsierten und brannten plötzlich. Angst stieg in ihr auf. Sie stützte sich am Briefkasten ab. Kurz war da ein Bild vor ihr: Das Bild eines seltsamen, finsteren Baumes und dann war es, als stände ihr Bruder genau neben ihr. Sie hörte wieder jenen Schrei der Nacht: Flints Schrei.
Krabbelnde Kreaturen suchen den Raum,
krachende Zweige liegen im Traum
im Weg.
Rettende Rufe finden den Weg kaum,
schleichende Spuren im Albtraum -
nichts geht.
Als die Nacht kam, konnte Fae nicht schlafen. Sie fragte sich, wie dieses Blatt in den Briefkasten gekommen war. So wie es ausgesehen hatte, stammte es bestimmt aus der verfluchten Landschaft, ja war womöglich selbst verflucht. Sie fuhr sich immer wieder über die Hand, mit der sie jenes Blatt berührt hatte. Außer einer leichten Rötung war sie unauffällig, juckte aber immer noch etwas.
Dann kreisten ihre Gedanken wieder um jene Nacht und um ihren Bruder. Erst blieb alles in ihrem Kopf leer, doch dann tauchten diese Bilder auf:
Sie lag am Boden. Irgendwoher kam ein dunkles, tiefes Lachen. Es klang so seltsam, nicht menschlich, aber irgendwie doch.
Sie starrte in den dunklen Nachthimmel, der zum Teil durch die Wipfel dieser merkwürdigen Bäume, die scheinbar überall um sie herum standen, verdeckt sein musste. Sie sah fast nichts.
Langsam setzte sie sich auf. Etwas krabbelte über ihren Körper. Es war eine Spinne. Fae erkannte sie in all der Dunkelheit, weil sie so seltsam schimmerte. Sie meinte einige Haare der Spinne zu erkennen und das Biest war zudem recht groß. Entsetzt schleuderte Fae sie beiseite.
Ein Gesicht tauchte vor ihr auf: Strahlende blaue Augen, helle, lockige Haare, die die ihrer Mutter glichen. So anders als sie selbst und doch vertraut. Es war aber nicht ihre Mutter, es war Flint, ihr Bruder, den sie da sah.
Panik stand in seinem Gesicht. Sie wollte etwas zu ihm sagen, doch sie kam nicht mehr dazu.
Plötzlich riss ihn etwas weg. Weit weg. Weg von ihr. Von allem. Sie hörte ihn schreien. Laut.
Fae schrie, schreckte auf. Sie musste wohl doch noch eingeschlafen sein. Schweiß stand ihr auf der Stirn, ihre Beine brannten, ebenso die Hand, mit der sie das Blatt aus dem Briefkasten gefischt hatte. Sie stöhnte, ging zum Badezimmer, wusch sich das Gesicht, ging zurück ins Bett, doch konnte einfach nicht mehr einschlafen.
So blieb Fae liegen, bis es Zeit war aufzustehen. Sie fragte sich, ob der Traum wohl mehr als nur ein simpler Albtraum gewesen sein konnte. Vielleicht ist es ja doch ein Teil der Erinnerung, was in jener Nacht geschehen sein konnte, dachte sie.
»Du hast wohl auch nicht gut geschlafen?«, begrüßte sie ihr Vater am Frühstückstisch.
»Hm«, machte Fae nur, stocherte lustlos in ihren Frühstücksflocken .
»Ich frag heute noch mal den Officer, ob es etwas Neues gibt. Oder noch besser diesen Ranger, falls er heute wieder in der Stadt ist. Ich glaube, ich habe ihn schon einmal bei dieser Nachbarschaftshilfe gesehen.«
»Wenn du meinst.«
Ohne aufgegessen zu haben, ging Fae hoch in ihr Zimmer, schnappte sich ihre Sachen, ging sogleich wieder die Treppe runter und verließ das Haus Richtung Bushaltestelle.
In der Schule war sie erneut nicht bei der Sache.
»Nicht einschlafen Fae«, brüllte sie die alte Taylor an und schob ihre dicke Brille fast von ihrer großen Nase. Sie gehörte zu den wenigen Lehrern, die sie noch duzte. Das sei ehrlicher und direkter, sagte sie immer.
Gelächter ertönte.
»Ich will dich nach der Stunde sprechen.«
Rubina schaute sie besorgt an. »Was ist los? Du siehst gar nicht gut aus. An deiner Stelle würde ich ja zuhause bleiben, wenn du dich nicht gut fühlst. So etwas würde ich sofort ausnützen«, flüsterte sie.
»Ruhe Rubina!«, schrie die alte Taylor. »Ich bin hier nicht zum Vergnügen und ihr auch nicht.«
»Ach was Sie nicht sagen!«, sagte Rubina. Erneutes Gelächter erfüllte den Raum.
Die Stunde zog sich lang und beinahe wäre Fae wieder eingeschlafen. Doch die Bilder hielten sie ab.
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 14.10.2020
ISBN: 978-3-7487-6085-6
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