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Vorwort

Alle Ereignisse, Charaktere und Orte sind fiktiv.

Falls Verbindungen zu realen Personen bestehen sollten, so sind diese nicht beabsichtigt und rein zufällig.

 

Teil 1: „Wer und was?“

Die Existenz des Schemens,

des Schattens,

des Wehens

des Windes.

Die Existenz des Kindes,

des Erwachsenen,

des Gehens,

doch stehend,

da, dann blass:

Wer und Was?

 

„Nichts, niemand, nirgendwo“

Dürre Stacheln, grün vergangen,

dicke Wurzeln, Trauer verhangen,

gehen ein, sehen nichts,

niemand, nirgendwo – alles dicht.

 

 

- Was ist ? -

 

Sie lag irgendwo. Auf feuchtem, harten Boden. Ihre Knochen schmerzten, ihr Kopf dröhnte, als sie sich langsam aufrichtete und vorsichtig umsah.

Es war dunkel, doch am Himmel stand der Vollmond und spendete ihr etwas Licht.

Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Lichtverhältnisse.

Dennoch sah sie nichts.

Einfach nichts.

Keine Straße, kein Haus, kein Mensch.

Es war so still.

Sie versuchte ihre Lage einzuordnen, sich zu sortieren.

Sie saß auf einer Wiese, in der Ferne schimmerte etwas, das wie Wasser aussah, noch weiter weg sah sie Bäume.

Sie drehte sich um.

Auch dort war einfach nichts. Um sie herum nur Gestrüpp und Bäume.

Also eine Lichtung, dachte sie, versuchte sich stöhnend zu erinnern, wie sie dort hingelangt war.

Ihr Kopf schmerzte davon nur noch mehr.

Sie stand auf, schwankte etwas, ging ein paar Schritte. Jeder Schritt schmerzte.

Irgendwie schleppte sie sich Richtung des Schimmerns.

 

Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis sie erreichte, was sie gehofft hatte zu finden: Wasser.

Ein klarer, kleiner See oder Teich lag da vor ihr. Das Licht des Mondes spiegelte sich darin.

Stöhnend beugte sie sich hinab, wollte mit ihren Händen etwas Wasser aus dem See schöpfen.

Dann sah sie ihr Gesicht. Ihr Spiegelbild.

Sie schrie entsetzt auf.

Ihr blickten zwei leuchtend grüne Augen entgegen. Die Haare des Mädchens mussten sehr dunkel sein und auch die Haut war bestimmt etwas dunkler. Jedenfalls war außer der Augen kaum was zu erkennen. Doch etwas störte sie viel mehr: Rot. Da waren rote Linien, wie getrocknete Flüsse aus Blut.

Da waren Flecke. Flecke, die leicht bläulich schimmerten und auf denen sich Abdrücke abzeichneten.

Was zur Hölle sehe ich da? Das soll ich sein?, dachte sie. Moment mal: Wer bin ich überhaupt? Wie heiße ich?

Sie konnte den Blick nicht von ihrem verschwommenen Spiegelbild lassen. Was ist nur mit dir passiert, Noemi?, hörte sie eine finstere Stimme in ihr flüstern.

Sie wusste immer noch nicht sicher, ob sie das wirklich war, die sie da sah oder ob sie nur halluzinierte. Ihr war so schwindelig, so übel.

Sie beschloss sich den Namen zu geben, den ihr diese seltsame Stimme zugeflüstert hatte. Noemi.

Dann durchbrach sie das Bild im See und begann sich zu waschen. Im Licht des Mondes, sah sie jedoch immer - wenn sie kurz absetzte - wie sich das scheußliche Spiegelbild wieder aufbaute.

Ja, das bin tatsächlich ich, dachte sie. Nur: Wer bin ich und was ist mit mir geschehen?

 

„Bild des Schreckens“

Verzogene Fratze,

rot am Boden,

dunkel am Platze,

an Stelle der Toten,

des Herzens Beckens,

im Geist des Blassen,

ein Bild des Schreckens,

nicht zu fassen.

 

 

- Was ist? -

 

Irgendetwas war da gewesen. Das Wasser in ihrem Gesicht, das die Spuren dessen verwischte, das ihr entfallen war, erweckte etwas in ihr.

Als würde ein Blitz in ihren schmerzenden Kopf einschlagen, zuckte sie zusammen, schrie, sackte zu Boden, neben dem See, neben das reinigende Wasser, hinein ins feuchte, schmutzige Gras.

 

 

- Was war? -

 

Personen, die sie nicht kannte, fremde, seltsame Gesichter tauchten auf. Noemi erkannte nur sich selbst. Als würde sie wie ein Geist über all den Personen stehen.

 

Sie sah sich etwas abseits des Geschehens sitzen, auf dem Boden in der Nähe eines Sees.

Sie betrachtete ihr Gesicht erneut genau. So konnte sie sich schon eher vorstellen: Ohne irgendwelche Spuren im Gesicht. Nur glatte, braune, glänzende Haut. Die Haare nicht so verwuschelt und verheddert, sondern glatt und seidig. Durchaus ansehnlich, fand sie.

Doch etwas störte sie ganz erheblich:

Sie sah so einsam aus. Fehl am Platze.

Die anderen schienen Spaß zu haben. Offenbar befand sie sich auf einer Art Party.

Im See schwamm ein muskulöser Junge, der irgendetwas Unverständliches brüllte, mit Wasser spritzte und ziemlich besoffen wirkte. Entweder hatte er einfach Spaß oder er war ein Schwachkopf. Noemi nahm letzteres an und da ihr sein Name nicht einfallen wollte, beschloss sie ihn in Gedanken einfach „Schwachkopf“ zu nennen.

Neben dem Schwachkopf meinte Noemi eine Tussi mit platinblonden Haaren zu erkennen.

Außerhalb des See sah Noemi ein Mädchen ununterbrochen mit den anderen reden. Bestimmt eine „Tratschtante“. Neben ihr saßen zwei Jungen und ein weiteres Mädchen, das konnte Noemi noch erkennen. Besonders einer der beiden Jungen schien es der Tratschtante angetan zu haben.

 

Dann wandelte sich das Bild und Noemi sah die platinblonde Tussi auf sie selbst zukommen. Die Tussi rief ihr mit schriller Stimme etwas entgegen:

„Etwas Wasser würde dir bestimmt auch gut tun. Deine verlausten Lumpen, die du da anhast, sollten auch mal gewaschen werden.“

Mit einer abfälligen Armbewegung ging diese versnobte Tussi voll Arroganz an ihr vorbei. Die anderen schienen das zu beobachten und lachten. Irgendwer gab ein lautes Grölen von sich. Vermutlich der Schwachkopf im Wasser.

„Warum tust du dir das eigentlich an? Warum nur bist du gekommen?“, hörte sie plötzlich eine leisere Stimme. Sie war nah. Dann sah sie das Gesicht eines asiatisch aussehenden Jungen. „Das ist doch alles Abschaum!“

„Du bist doch auch hier, oder?“, hörte Noemi sich sagen.

„Ich habe aber einen guten Grund“, sagte der Junge und grinste. Mit all seinen schiefen Zähnen war dieses Grinsen ein wahrliches Bild des Grauens. Irgendwie so falsch und böse.

Das letzte das sie sah, war wie der Junge urplötzlich eine Pistole hervorzog, in dessen Lauf sie blickte.

In der Ferne hörte sie noch irgendeinen der anderen Partygäste schreien.

 

- Was ist? -

 

Sie schreckte hoch. Keuchte. Offenbar hatte sie sich an etwas erinnert. Nur was zur Hölle war da geschehen? Und wer war dieser Junge? Sein Grinsen jagte ihr immer noch eine Gänsehaut über den ganzen Körper.

Sie stand stöhnend auf. Erneut beugte sie sich zum See. Sie hatte solchen Durst. Egal wie dreckig das Wasser womöglich war, sie trank etwas davon. Vorsichtig. Jederzeit damit rechnend, dass sie von einer erneuten Erinnerung eingeholt wurde.

Nachdem sie das Wasser getrunken hatte, es schmeckte nicht besonders berauschend, beschloss sie einen großen Bogen um den See herum zu machen.

Leider war ihre Übelkeit nicht besser geworden und auch ihr Kopf dröhnte weiter. Dafür taten ihre Schritte nicht mehr so weh in ihren Knochen. Den Schmerz weglaufen, dachte sie, beschleunigte ihre Schritte etwas. Hauptsache weg von diesem See, von dem Bild des Schreckens.

Sie hastete auf den Wald zu, in der Hoffnung einfach nur irgendwo hin zu kommen.

 

„Männlein im Walde“

Wurzeln entrissen,

Äste gefallen,

Blätter am Boden.

Tiere zerrissen,

Bäume befallen,

Maschinen, die roden,

in Sicht die Müllhalde,

ein Männlein im Walde.

 

 

- Was ist? -

 

Noemi erfüllte Angst. Nicht nur wegen all dem, an das sie sich erinnert hatte. Vor allem bereiteten ihr nämlich all die Dinge, an die sie sich eben nicht erinnerte, beinahe schon Panik: Wer sie ist. Vor allem aber fragte sie sich immerzu, wer der Junge mit der Pistole gewesen war.

Sie hatte den Wald erreicht. Hohe Bäume, dichtes Gestrüpp. Wie überall. Weiter ins Ungewisse hinein.

Irgendetwas brachte sie dazu, ihre Schritte zu beschleunigen. Ein ungutes Gefühl, als wäre jemand hinter ihr.

Sie drehte sich immer wieder um, aber da war weit und breit niemand zu sehen. Sie keuchte, trieb ihren erschöpften Körper an, da stolperte sie über eine Wurzel und segelte zu Boden.

 

 

- Was war? -

 

Sie sah sich wieder von oben, von außerhalb. Durch einen Wald rennen. Sie schien glücklich. Die Sonne schien und der Wald war ein anderer.

Sie trug Sportklamotten, sah den Schweiß auf ihrer Stirn.

Dann plötzlich verfinsterte sich ihr Ausdruck. Sie drehte sich immer wieder um.

Da.

Da war jemand.

Sie konnte es nicht genau erkennen, sah nur eine Art Schemen oder etwas dergleichen.

Der Schemen sah aus wie ein Männlein im Walde.

Das Männlein verfolgte sie.

 

 

- Was ist? -

 

Stöhnend wollte Noemi sich aufrichten, doch sie schaffte es einfach nicht. Sie schaute sich um. Niemand. Da war niemand. Wieder nur eine Erinnerung. Offenbar war sie früher gerne gejoggt.

Und jemand hatte sie verfolgt. War es womöglich dieser asiatische Junge mit der Pistole gewesen?

Weiter.

Ich muss einfach hier raus. Schnell. Raus aus diesem Wald, sagte sie sich. Es war der einzige Weg irgendwo hinzukommen, wo noch wer war, das spürte sie.

Sie richtete sich auf. Alles begann sich zu drehen.

 

 

- Was war? -

 

Sie sah diesen asiatischen Jungen, sein falsches, schiefes Dauergrinsen. Offenbar befand sie sich in einer Schule.

„Mit dir ausgehen?“, hörte sie sich sagen. Dann eine gemeine Lache ausstoßen. „Mit dir würde nicht mal die fette, hässliche Debbie ausgehen.“

Ein paar andere Schüler hatten das mit angesehen. Lachten.

Der asiatische Junge ging weinend davon.

„Das hätte ich dir gar nicht zugetraut. Stark! Ich hätte echt gedacht, dass du mit dem ausgehst“, hörte Noemi jemanden sagen.

Sie sah wie ein Muskelprotz den asiatischen Jungen verfolgte.

„Schnapp' ihn dir. Wird Zeit, dass er wieder eine Lektion bekommt. Dann traut er sich bestimmt nicht nochmal eines der Mädchen zu belästigen“, hörte sie einen

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 28.04.2018
ISBN: 978-3-7438-6697-3

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