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Vorwort

Alle Ereignisse, Charaktere und Orte sind fiktiv.

Falls Verbindungen zu realen Personen bestehen sollten, so sind diese nicht beabsichtigt und rein zufällig.

 

TEIL 1: „Schatten“

 

Die dunkle Seite des Lichts,

ein Ebenbild des Angstgesichts,

wirft alles hin, wirft alles her,

verborgen dort, nichts schwindet mehr.

 

„Das Haus des Anfangs und Endes“

Am Anfang ein Dach,

am Ende der Keller,

in der Mitte das Fach,

aus dunkel, wird heller,

aus heller wird dunkel,

am Anfang nur Krach,

des Schattens Propeller,

spielt leise Schach,

am Ende der Teller,

ist voll und leer,

nicht toll, nicht fair.

 

Die künstlichen Worte klangen Rose immer noch nach. Künstliche Worte ihrer Mutter, der sie doch sowieso nur im Weg gewesen wäre, wie immer. Sie hatte jemand andern gefunden und ihren Vater einfach ersetzt, durch eine jüngere, aber egoistischere Version.

 

„Keine Sorge. Ich geh mit ihm. Das ist es doch, was du willst.“

„Aber Rose, Schätzchen, nicht doch ...“

„Lass Sie doch. Sie ist alt genug. Ich habe nichts dagegen“, hatte sich ihr Vater eingemischt.

 

Jetzt saß Rose auf dem Beifahrersitz von Vaters großer, alter Karre und fuhr weg. Einfach weg. Weg von den Streitereien zuhause, aber eben auch weg von ihren wenigen Freuden, ihrer Schule, ihrem Zuhause.

Es ging in das letzte Kaff. Irgendwo aufs Land. Aber selbst die größte Einsamkeit würde noch besser sein, als mit ihrer Mutter und ihrem neuen schmierigen Liebhaber zu verbringen, der mehr als deutlich gemacht hatte, was er von ihr – Rose – hielt.

„Sie hat einfach zu viele Dornen“, hat Rose ihn ernsthaft auf Anspielung ihres Namens sagen hören, er sprach ihn auch noch absichtlich falsch aus, er stammte nämlich von irgendeiner deutschen Adelsfamilie ab. Das hatte er immer wieder ganz stolz betont.

Daran musste Rose wieder denken, als ihr Vater sie erneut fragte:

„Bist du dir auch wirklich sicher, das du das willst?“

Sie schnaubte hörbar auf. „Natürlich. Du hast den Trottel doch erlebt, mit dem Mum sich jetzt abgibt. Störe ich dich, etwa? Willst du mich nicht bei dir haben?"

„Nein, nein, natürlich nicht. Es ist nur … wir werden noch eine ganze Weile unterwegs sein. Ich meine: Wir werden ziemlich weit weg ziehen. Weg von deinen Freunden und der Schule. Ich kann mir vorstellen, dass das nicht sehr einfach für dich ist.“
Typisch. Spielt wieder den Verständnisvollen.

„Hab ich mir ja nicht wirklich ausgesucht. Die Alternative ist eben auch nicht besser“, zischte sie.
Darauf hin schwieg ihr Vater. Ja, er weiß doch ganz genau, dass es eben nicht alles nur Mums Schuld gewesen ist, dachte sie.

 

Die nächsten zwei Stunden verbrachten sie schweigend, ehe Vater endlich sagte:

„Wir sind da. Das wird unser neues Zuhause werden.“

Sie musterte das Kaff, durch das sie fuhren. Genau so, wie sie sich es vorgestellt hatte.

Es gab kaum was zu sehen. Ein paar wenige Häuser, eine Bushaltestelle, eine Kirche, eine Kneipe. Das was in solchen Käffern wohl üblich war. Und sie fuhren durch. Einfach weiter.

„Ich dachte wir wären da?“, sagte sie, schaute ihren Vater hoffnungsvoll an, hoffte, dass sie doch noch in einen größeren Ort fahren würden.

„Sind wir doch auch. Unser Haus steht nur etwas abseits.“

Sie fuhren auf einen Wald zu. Dann sah sie es: Von den Schatten einiger Bäume verborgen, kurz bevor der Wald so richtig begann, erhob sich ein sehr alt aussehendes, riesiges Gebäude.

„Das ist jetzt nicht dein Ernst. Dieses … Ding soll unser Haus sein?“

„Ich weiß, es ist nicht gerade sehr schön, etwas alt, etwas gruselig, aber es ist wirklich groß und war sehr günstig. Ich hab es mir ja schon angesehen, bevor ich es gekauft habe. Glaub mir. Von innen wird es dir gefallen.“

Rose hatte da so ihre Zweifel, als sie vor dem rostigen Eisentor hielten, das den Blick auf den Garten versperrte.

Dann quietschte es auch noch so verräterisch, als Vater das Tor aufschloss und stolz auf den großen, aber doch sehr verwilderten Garten hinwies.

„Also ich sehe hier nur einen Haufen Unkraut“, meinte Rose, ging dem Haus entgegen.

Plötzlich kam Wind auf. Eisiger Wind.

Begrüßt mich das Haus wohl angemessen. Vielleicht ist das ja der Geist vom Vorbesitzer, dachte sie, grinste. Eigentlich glaubte sie natürlich nicht an Geister, aber wenn wo welche sein könnten, dann ja hier. Ihren Vater schien das sowieso nicht zu stören. Ihm war der günstige Preis sicher wichtiger gewesen als Optik oder Lage oder dergleichen.

„Ja, hier ist es ein bisschen kälter und windiger als in unserem alten Zuhause, nicht?“

Dann schloss er die Haustüre auf und rief: „Aber schau nur, es lohnt sich!“

Sie musste zugeben: Er hatte Recht.

Innen wirkte das Haus nahezu wie ein kleines Schloss. Alte und prunkvolle Möbel standen darin, hohe Decken und große Räume.

„Na, hab ich zu viel versprochen?“

„Gehört das Inventar auch dazu?“, meinte Rose nur, als sie sich wieder selbst auf den Boden der Tatsachen zurückholte und kritisch einen sichtlich staubigen, wackligen Tisch beäugte, in dem schon der Holzwurm drin zu stecken schien.

„Sind doch schöne Sachen. Und Platz ist mehr als genug, ja sogar mehr als bei deiner Mutter. Sei doch mal ein bisschen dankbarer!“

Rose lachte nur. „Dankbarer? Ernsthaft?“

Vater schaute sie wieder mit seiner mitfühlenden Miene an. Oh wie sie die hasste. Sie stimmte nämlich nie, das wusste sie genau.

„Sieh es mal so. Wir können hier noch einmal neu anfangen.“

„Das alles wirkt für mich nicht wie ein Anfang, sondern eher wie ein Ende“, murmelte sie. „Wo soll hier überhaupt mein Zimmer sein? Hier verläuft man sich ja“, warf sie zudem ein, als ihr Vater ihr die verwinkelten, großen Räume zeigte, das Wohnzimmer, das Esszimmer, die Küche, sein Arbeitszimmer und das Bad.

„Naja, die Schlafzimmer sind oben. Such dir einfach eins aus.“

„Echt jetzt? Ok, wenn du meinst. Dann werde ich gleich mal nach oben gehen und mir das schönste und größte aussuchen.“

„Kein Problem. Ist genug Platz“, sagte Vater stolz und lachte.

Kaum hatte sie sich eine ihrer voll gepackten Taschen geschnappt und war auf der Wendeltreppe nach oben gelaufen, ertönte schon eine ohrenbetäubend laute Türklingel.

 

„Jeden Monat im Wald“

Ein Blatt, das fällt,

ein Ast, der bricht,

die Rinde zerschellt,

voll Schatten und Licht.

 

Rose reagierte zunächst nicht auf die Türklingel und wählte sich stattdessen ein Schlafzimmer aus. Ihre Wahl war schnell getroffen. Es war das einzige Zimmer, bei dem vor allem das Bett nicht so aussah, als würde es beim nächsten Windstoß zerfallen. Sie warf schon mal probehalber eine ihrer Taschen darauf.

Erst dann rannte sie nach unten, wollte nämlich doch hören, wer da gekommen war.

Schon von weitem hörte sie eine krächzende Stimme, die fast schrie, während ihr Vater immer wieder brummte.

Schließlich sah sie das … Weib. Eine alte Trulla. Die könnte glatt eine Hexe sein, mit dieser krummen Nase und diesen Falten. Passt voll ins Bild hier, dachte Rose.

„Ah. Hallo. Du musst die Tochter sein. Pass gut auf dich auf!“
„Und Sie sind?“, schleuderte Rose der alten Trulla entgegen.

Diese lachte nur, hässlich, krächzte dann: „Ich heiße Fay Gertraudel, junge Dame. He, he. Ich wohne am Ende des Dorfes und bin also sozusagen eure Nachbarin. Ich habe es schon deinem Vater erzählt, dass das Haus nicht umsonst leer stand, aber er wollte ja nicht hören.“

„Du kennst die bereits?“, wandte Rose sich an ihren Vater.

„Naja ... ich habe sie bereits gesehen, als der Makler mir das Haus gezeigt hat.“

Dann wandte er sich wieder an diese Alte:

„Und Sie: Machen Sie meiner Tochter ja keine Angst mit diesen Schauergeschichten, die sie mir erzählt haben. Das hat mich nicht vom Kauf abgehalten und wird uns nicht davon abhalten, hier zu wohnen.“

Die Alte zuckte mit den Schultern. „Wie Sie meinen Mister Cooley!“, zischte sie.

Sie wandte sich schon zum Gehen.

„Ach ja, eins noch, da ihr ja anscheinend trotz allem hier wohnen wollt, geht ja nicht in den Wald. Vor allem du nicht, Mädchen.“

„Wieso? Spukt es da etwa? Geht da ein Axtmörder um?“, fragte Rose schnippisch.

Die Alte blickte sie ernst mit diesen dunklen Augen an.

„Ob er eine Axt hat weiß man nicht. Auf jeden Fall geht dort ein Mörder um, denn jeden Monat verschwindet einer von euch jungen Leuten im Wald und taucht nicht mehr auf. Und der Ort altert weiter.“
Daraufhin stützte sich die Alte auf ihren Gehstock und stakste davon.

Vater schrie noch hinterher: „Ich habe Ihnen doch gesagt, Sie sollen uns mit ihren Geschichten in Ruhe lassen. Lassen Sie sich hier ja nicht mehr blicken!

Die Alte drehte sich nicht mal mehr um, lachte nur hässlich: „JAHAHAHA“

 

„Die Alte hat sie ja nicht mehr alle! Dennoch: Hast uns ja echt einen tollen Ort rausgesucht!“

„Rausgesucht? Ich hab hier im Umkreis einen neuen Arbeitsplatz gefunden und das war nun mal eins der wenigen, freien Objekte. Man muss nehmen, was man kriegt. Das wirst du schon auch noch merken.“

Rose schnaubte nur und half dann ihrem Vater, das restliche Gepäck aus dem Auto zu laden.

 

„Keller“

Spinnenweben verhängen,

des Dunklen Gestalt.

Ratten drängen,

von Spalt zu Spalt.

Menschen schreien,

für sie ist's kalt,

Stimmen wispern:

Schon bald, schon bald.“

 

„Dad? Dad? Wo bist du?“, schrie Rose. Kaum dass sie ihr Zimmer halbwegs eingerichtet hatte und Richtung Esszimmer gegangen war, stellte sie fest, dass er einfach verschwunden war. Ohne was zu sagen.

Immer noch keine Antwort.

Typisch, dachte Rose. Muss ich mir eben selber was zum Essen machen. Wird in Zukunft bestimmt noch öfter vorkommen.

Dann fing auf einmal an der Boden zu beben. Rose traute ihren Augen nicht, als sich eine riesige Luke auftat, aus der ihr Vater gestiegen kam.

„Ist das ein Verlies oder so?“, fragte sie.

Vater lachte nur. Hustete dann.

„Nein, das ist der Keller des Hauses. Leider ist der kaum zu gebrauchen. Nur diese schummrige Beleuchtung und alles steht voller Kram vom Vorbesitzer oder von wem auch immer. Der Makler hat darüber gar nichts gesagt. Ich hätte den Keller wahrscheinlich auch gar nicht gesucht, hätte diese Gertraudel nicht ihre Spukgeschichten erzählt.“

„Du meinst die verrückte Alte von vorhin? Lass mich raten: Der Keller ist voll gefährlich und voller Geister und so ...?“
„Ja, so was Ähnliches hat sie erzählt. Und es ist wirklich nicht besonders angenehm da unten. Alles voller Gerümpel, Spinnenweben, Staub und Dreck. Noch dazu so verwinkelt. Da war wahrscheinlich seit Jahren keiner mehr unten.“

„Ist ja auch egal. Können wir jetzt endlich was essen. Ich habe Hunger“, brummte Rose.

 

Orm Wooden schüttelte nur den Kopf. Dieser Typ ahnte ja nicht mal irgendwas und seine hübsche Tochter war ein verzogenes Gör. Bald schon würde ihnen das Lachen über seine Freunde, seine Freunde die Schatten, vergehen. Sie glaubten ja nicht an Spuk oder dergleichen, das hatte er schon mitbekommen. Er hörte mehr als sie alle ahnten, sah mehr als sie sahen, war näher, als sie je dachten. Sein Versteck war einfach genial.

Jetzt da dieser neue Bewohner des Hauses wieder aus dem Keller verschwunden war, kroch Orm Wooden aus seinem Versteck hervor. Er wollte wieder spielen. Spielen mit den Schatten. Mit den Menschen, mit allen. Alles war doch nur ein großes Spiel.

Kinder verstanden es meist, wenn er sie holte um mit ihnen zu spielen. Bei den Jugendlichen war es immer sehr schwierig gewesen und bei diesem Gör, das jetzt im Haus wohnte, würde es besonders schwer werden. Aber er liebte Herausforderungen. Er würde sie schon bekommen. Er hatte ja auch noch seine Waffe.

 

Rose hatte inzwischen jeden Winkel ihres neuen Zuhauses inspiziert, hatte auch einige Bilder geschossen und ihrer alten Freundin gesendet. Falls diese überhaupt noch Interesse an einem Kontakt hatte. Sehen würde sie sie ja sowieso so bald nicht mehr.

Ein Ort des Hauses hatte Rose noch nicht gesehen. Ihre Neugier trieb sie, auch wenn alles in ihr sich dagegen sträubte, diesen Ort zu betreten. So wie Vater es beschrieben hatte, musste es wirklich ein Albtraum sein dort unten.

Sie schaute sich um. Vater war nicht zu sehen. Also öffnete sie mit großer Kraftanstrengung die gut getarnte Luke zum Keller.

 

Eine nicht sehr vertrauenerweckende Holzleiter führte in ein großes, schwarzes Loch hinab. Sie stieg ein paar Schritte hinab ins Dunkel, ehe sie einen Lichtschalter fand.

Schwaches Licht schimmerte ihr entgegen. Sie stieg die letzten Schritte hinab. Die Leiter wackelte dabei immer wieder etwas.

Auf dem harten Steinboden angekommen, hustete sie. Staubig war es allerdings, da hatte Vater recht.

Das Licht war so schwach, dass sie beinahe über etwas gestolpert wäre.

Eine Spielschachtel.

Sie kickte sie achtlos beiseite.

Der Keller war nicht nur verwinkelt, sondern auch riesig. Ein reinster Irrgarten.

Sie kramte nach ihrem Handy, um dessen Taschenlampe zu nützen. So sah sie wenigstens noch ein bisschen mehr.

Das hätte sie sich allerdings sparen können. Vor ihr kroch eine fette Spinne, dessen Körper einen großen Schatten an eine der Kellerwände warf.

Sie schrie kurz auf, ehe sie das Biest mit einen kräftigen Tritt ihrer Stiefel zermatschte.

Kalt war es hier unten. Irgendetwas raschelte. Vielleicht eine Ratte?, dachte sie und verzog angeekelt das Gesicht. Ich habe eindeutig genug gesehen.

Sie stieg über einiges Gerümpel und ging wieder zurück zur Holzleiter.

 

Diesmal wartete ihr Vater oben.

„Und war's schön da unten?“

„Sehr witzig. Wo warst du überhaupt?“

„Im Ort. Ich hab mich mit ein paar Leuten unterhalten. Ein paar wichtige Erledigungen getroffen. Im Gegensatz zu dir habe ich nämlich ein großes Interesse, neue Kontakte zu knüpfen.“

Rose stöhnte genervt auf.

„Wenn man dieser verrückten Alten glauben kann, ist doch sowieso kaum jemand in meinem Alter in diesem Kaff. Außerdem sind hier alle bestimmt solche Freaks.“

Vater lachte nur.

„Gib ihnen doch wenigstens eine Chance. Eine meiner Erledigungen war übrigens einen Schulplatz für dich zu finden. Ich hab einen drüben in Wordwood. Du sollst dort Morgen um 8 Uhr erscheinen. Um 7 Uhr 30 fährt dein Bus.“

„Na ganz große Klasse! Das erste wonach du geschaut hast, nicht? Ob ich in die Schule

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 01.01.2018
ISBN: 978-3-7438-4827-6

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